Kunstkatalog - Katalogkunst: Der Ausstellungskatalog als künstlerisches Medium am Beispiel von Thomas Demand, Tobias Rehberger und Olafur Eliasson 9783110332193, 9783110332100

What strategies do contemporary artists use in relation to the exhibition catalogue? How do they present their works and

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Kunstkatalog - Katalogkunst: Der Ausstellungskatalog als künstlerisches Medium am Beispiel von Thomas Demand, Tobias Rehberger und Olafur Eliasson
 9783110332193, 9783110332100

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
»Etwas Bleibendes« – zur Bedeutung von Ausstellungskatalogen
»[…] übergeht just das Druckmedium« – Kataloge im Diskurs
Fragestellungen und Methoden
Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog?
»A mass-produced product of high order« – Preis und Verbreitung
»Making a work of art« – Autorschaft und Umgang mit dem Medium
Der Katalog – poetisch oder pragmatisch? Die Ausstellung als Referenz
Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele
Das gesteuerte Narrativ – Text-und Bildregie in Katalogen Thomas Demands
Katalogmodelle: zwischen Kommentar und autonomer Erzählung
»Einen Führer an der Hand« – Der Katalog als Ausstellungsbegleiter
Totale, Close-up, Schnitt – filmisch-führendes Erzählen
»Almost red herrings« – Literarische Texte im Katalog
Interviews und Selbstkommentare
Abbildung und Nichtabbildung
Bildredaktion: Akzentuierung der Ausstellung
Size matters (Phototrophy)
»Um diesen Madame Tussaud-Effekt zu unterlaufen« – Bildverweigerung
Das Original im Katalog
Bildvermehrung – »Production stills« (Klause)
Reale Beilagen – Der Ausstellungskatalog als Multiple
Die Inszenierung des Produktionsprozesses
Bildbeglaubigung durch Katalogabbildung
Materialsammlung, Making-of und Selbstdarstellung (Processo grottesco)
»Das erste Mal« – Kataloge als Auseinandersetzung mit Spielregeln
Ausstellung, Katalog und Autorschaft
Der ausgestellte Katalog (Nationalgalerie)
Kommentar, getrennt – Interviewbuch und Essayband zur Ausstellung
»Eine Gruppenausstellung«? Individuelle und kollektive Autorschaft
Zwischenfazit
Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger
Der Katalog als Interpretation und Vollendung der Ausstellung
Kontrollverlust als Chance: Übersetzung, Interpretation
»Das Datum ein flüchtiger Faktor« – Entkoppelung Ausstellung – Katalog
»Ersteller seines Ringbuchs« – Work in progress und Partizipation
»The more subjective the better« – Chris Rehberger und das Graphikdesign
Irritationen und intendierte Missverständnisse (Applesandpears)
Verunsicherungen – Kunst und/oder Design?
»The title is a shot« – Stolpersteine im Titel
»Erst auf den zweiten Blick« – Arten der (Nicht)Abbildung
»Pas accompagnées de légendes« – Autonomie der Bilder und der Texte
Prozessualität und Privates
Making-of und Spiel mit Katalogkonventionen (Geläut – bis ich’ hör… )
Inszenierung eines Topos: Scheitern als Neubeginn (I die every day)
Vereinigung der Gegensätze: Neuproduktion und Retrospektive
»Total-Service-Denken« – Kippenberger, Rehberger
Zwischenfazit
»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge
»Books play an important role«
»Avoid too conclusive catalogues« – Von der Katalogkritik zum Katalogoeuvre
Die Bibliographie als Werkverzeichnis und Werk
Bücher und ihre Ausstellung (Mediating experience)
Der Betrachter im Katalog
Blätternde Hände
Einbeziehung durch Abbildung
»Dear Visitors,« – die Kommunikation mit dem Leser in (Para)texten
Vorwort, Tagebuch, Brief
Gespräche und Interviews
Danksagungen und Epiloge
»Reaching out to these worlds« – Kooperationen
Der Katalog als Sammelband von Essays (Surroundings Surrounded)
Synergien und Selbstständigkeit
Künstlichkeit und Erlebnis – die Ausstellung im Katalog
Künstlichkeit als Site-specificity
Die Inszenierung der Ausstellung (Minding the World)
»Like a DJ who resamples a lot of old music« – Sampling, Remix und Collage
Zwischenfazit
»Der Katalog […] gibt gar kein Bild«? – Schlussbetrachtungen
Nachbemerkung
Literaturverzeichnis
Primärliteratur – Ausstellungskataloge, Monographien, Künstlerpublikationen
Interviews
Sekundärliteratur
Abbildungsverzeichnis
Personenverzeichnis

Citation preview

Kunstkatalog – Katalogkunst

Ars et Scientia Schriften zur Kunstwissenschaft Band 9 Herausgegeben von Bénédicte Savoy, Michael Thimann und Gregor Wedekind

Albert Coers

Kunstkatalog – Katalogkunst Der Ausstellungskatalog als künstlerisches Medium am Beispiel von Thomas Demand, Tobias Rehberger und Olafur Eliasson

De Gruyter

Dissertation der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, 2012

ISBN 978-3-11-033210-0 ISBN (PDF)  978-3-11-033219-3 ISBN (EPUB)  978-3-11-038232-7 ISSN 2199-4161 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Satz: Werksatz Schmidt & Schulz, Gräfenhainichen Coverabbildung: Albert Coers, 2014. Foto aufgenommen in der Bibliothek des Zentralinstituts   für Kunstgeschichte, München. Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany

www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Etwas Bleibendes« – zur Bedeutung von Ausstellungskatalogen . . . »[…] übergeht just das Druckmedium« – Kataloge im Diskurs . . . . Fragestellungen und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog? . . . . . »A mass-produced product of high order« – Preis und Verbreitung . . »Making a work of art« – Autorschaft und Umgang mit dem Medium Der Katalog – poetisch oder pragmatisch? Die Ausstellung als Referenz

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das gesteuerte Narrativ – Text-und Bildregie in Katalogen Thomas Demands . Katalogmodelle: zwischen Kommentar und autonomer Erzählung . . . . »Einen Führer an der Hand« – Der Katalog als Ausstellungsbegleiter . Totale, Close-up, Schnitt – filmisch-führendes Erzählen . . . . . . . . »Almost red herrings« – Literarische Texte im Katalog . . . . . . . . . Interviews und Selbstkommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung und Nichtabbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildredaktion: Akzentuierung der Ausstellung . . . . . . . . . . . . . Size matters (Phototrophy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Um diesen Madame Tussaud-Effekt zu unterlaufen« – Bildverweigerung Das Original im Katalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildvermehrung – »Production stills« (Klause) . . . . . . . . . . . . . Reale Beilagen – Der Ausstellungskatalog als Multiple . . . . . . . . . Die Inszenierung des Produktionsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . Bildbeglaubigung durch Katalogabbildung . . . . . . . . . . . . . . . Materialsammlung, Making-of und Selbstdarstellung (Processo grottesco) . »Das erste Mal« – Kataloge als Auseinandersetzung mit Spielregeln . . Ausstellung, Katalog und Autorschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der ausgestellte Katalog (Nationalgalerie) . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis Kommentar, getrennt – Interviewbuch und Essayband zur Ausstellung »Eine Gruppenausstellung«? Individuelle und kollektive Autorschaft . Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger . . . . . Der Katalog als Interpretation und Vollendung der Ausstellung . . . . . . Kontrollverlust als Chance: Übersetzung, Interpretation . . . . . . . . »Das Datum ein flüchtiger Faktor« – Entkoppelung Ausstellung – Katalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Ersteller seines Ringbuchs« – Work in progress und Partizipation . . . »The more subjective the better« – Chris Rehberger und das Graphikdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irritationen und intendierte Missverständnisse (Applesandpears) . . . . . . Verunsicherungen – Kunst und/oder Design? . . . . . . . . . . . . . »The title is a shot« – Stolpersteine im Titel . . . . . . . . . . . . . . »Erst auf den zweiten Blick« – Arten der (Nicht)Abbildung . . . . . . »Pas accompagnées de légendes« – Autonomie der Bilder und der Texte Prozessualität und Privates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Making-of und Spiel mit Katalogkonventionen (Geläut – bis ich’ hör… ) Inszenierung eines Topos: Scheitern als Neubeginn (I die every day) . . Vereinigung der Gegensätze: Neuproduktion und Retrospektive . . . »Total-Service-Denken« – Kippenberger, Rehberger . . . . . . . . . . Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge . . . . . . . . . . . . . . . . »Books play an important role« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Avoid too conclusive catalogues« – Von der Katalogkritik zum Katalogœuvre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bibliographie als Werkverzeichnis und Werk . . . . . . . . . . . Bücher und ihre Ausstellung (Mediating experience) . . . . . . . . . . Der Betrachter im Katalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blätternde Hände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einbeziehung durch Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Dear Visitors,« – die Kommunikation mit dem Leser in (Para)texten . . . Vorwort, Tagebuch, Brief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gespräche und Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Danksagungen und Epiloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Reaching out to these worlds« – Kooperationen . . . . . . . . . . . . . Der Katalog als Sammelband von Essays (Surroundings Surrounded) . . Synergien und Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Künstlichkeit und Erlebnis – die Ausstellung im Katalog . . . . . . . . . Künstlichkeit als Site-specificity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis Die Inszenierung der Ausstellung (Minding the World) . . . . . . . . . »Like a DJ who resamples a lot of old music« – Sampling, Remix und Collage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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»Der Katalog […] gibt gar kein Bild«? – Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . .

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Nachbemerkung

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärliteratur – Ausstellungskataloge, Monographien, Künstlerpublikationen Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung

»Etwas Bleibendes« – zur Bedeutung von Ausstellungskatalogen »Ausstellungskatalog, ein Verzeichnis zur Schau gestellter Arbeiten, von den Ausst. Veranstaltern […] herausgegeben, um den Besucher zu informieren und ihm etwas mit nach Hause zu geben, das ›schwarz auf weiß‹ etwas Bleibendes ist. A.e sind für die Kunstwissenschaft von erstrangigem Quellenwert.«1 »I’m planning on having a long shelf live.« 2

Die Bedeutung von Katalogen ist kaum zu überschätzen, auch jenseits ihres Quellenwerts: Künstler und ihr Werk sind in ihnen über das Ereignis der Ausstellung hinaus präsent. Zusammen mit dem Ausstellungsverzeichnis sind sie Ergebnis und zugleich Gradmesser von Produktivität und Bekanntheit, ähnlich der Publikationsliste eines Wissenschaftlers. Ausstellungskataloge bedeuten, auch für Institutionen, den manifesten Nachweis von Aktivität, bieten Gelegenheit zur Geschichtsschreibung und Profilierung. Sie signalisieren, über ein Netzwerk an Förderern, Autoren und Gestaltern zu verfügen, mehr noch als eine weniger aufwendige Webseite. Auswahlen für Ausstellungen und Stipendien finden so oft anhand von Katalogen statt, die Trias ›Ausstellungen-Preise-Kataloge‹ ist in sich eng verknüpft. »Eine umfangreiche Begleitdokumentation einer Ausstellung in Buch- oder Bildbandform (Ausstellungskatalog)« 3 ist für Wikipedia bereits ein Kriterium für lexikalische Relevanz von zeitgenössischen bildenden Künstlern. Die Enzyklopädie geht von einer Schwellen- und Zuordnungsfunktion des Katalogs aus, aber auch fast selbstverständlich von der eines Dokuments der Ausstellung, ebenso wie die zitierte Lexikondefinition, die allerdings ein Vierteljahrhundert alt ist. »Ich war gestern auf der Vernissage, habe aber erst im Katalog Ihre Arbeit entdeckt.«4 Nicht selten übersieht der Betrachter ausgestellte Arbeiten. Der Katalog ermöglicht eine Kunstrezeption unabhängig von der Ausstellung, ja er bietet sich als Stellvertreter für sie 1 2 3 4

Harald Olbrich (Hg.): Lexikon der Kunst, Leipzig 1987, Bd. 1, S. 355. Ed Ruscha/Alexandra Schwartz (Hg.): Leave Any Information at the Signal. Writings, Interviews, Bits, Pages, Cambridge 2002, S. 87. http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Richtlinien_Bildende_Kunst (letzter Besuch am 26.3.2014). E-Mail einer Ausstellungsbesucherin vom 24.6.2007 an den Autor.

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Einleitung an. »Wenigstens den Katalog kaufe ich mir« denkt sich der gestresste Besucher, durch Vielzahl und Distanz der Orte in der Wahrnehmungsmöglichkeit eingeschränkt. Das Buch vermittelt das Gefühl, Kunst zu besitzen, an ihr teilzuhaben. Kataloge verleihen der Kunst Dauerhaftigkeit; sie führt in ihnen allerdings ein Eigenleben: »Letztlich ist der Katalog immer das, was von einer Ausstellung bleibt. Das ist auf jeden Fall etwas anderes als das, was war.«5 Nicht selten ist die Wahrnehmung der Ausstellung im gedruckten Medium eine positivere: Ungünstige Raumverhältnisse, Hängung, Beleuchtung, Interferenzen mit anderen Kunstwerken, störende oder fehlende Besucher, all dies lässt sich filtern und beeinflussen. Kataloge geben Gelegenheit zu Systematisierung und Kontextualisierung der Arbeiten, »als mobiles Kommunikationsmedium parallel zur Kunst«6 bieten sie umfangreiche Möglichkeiten der Inszenierung und werden durch Text- und Bildregie, durch Form- und Materialwahl als Medium künstlerischer Arbeit genutzt. Sie gehen gegenüber der eingangs zitierten Definition über Informationsund Quellenwert hinaus, nutzen die Dokumentation künstlerisch.7 Angesichts dieser Bedeutung scheint Katalogkunst – Kunstkatalog als Titel dieser Studie angemessen, denn er impliziert, dass der Katalog die Rolle eines Kunstwerks spielen kann. Es ergibt sich eine Überschneidung mit Beschreibungskunst – Kunstbeschreibung, dem Titel eines Sammelbandes zum Thema der Ekphrasis.8 Dieser zunächst unbewusste Anklang scheint nicht zufällig: Beide Male geht es darum, vermeintlich sekundären, aus Kunstwerken abgeleiteten Phänomen Aufmerksamkeit schenken und ihnen selbst Werkcharakter zuzusprechen, was sich in der permutativen Kombination der Titelbestandteile ausdrückt. Geht es in der »Beschreibungskunst« um das Verhältnis von Bild und Sprache bzw. Text, so findet sich dies im Katalog wieder, aber nicht nur imVerhältnis von Werk und Kommentar, sondern im erweiterten Sinn von Repräsentation, Abbildung, Übersetzung, in der »Frage des Transfers« 9, die im Folgenden ein Hauptinteresse bildet, bezogen auf Kunst, Künstler, Ausstellung und Medium. Indem sie Distanz überbrücken, räumlich und zeitlich Auseinanderliegendes zusammenbringen, Künstler, Ausstellung und Rezipient, kommt in Katalogen die »Konversionskraft«10 von Medien zur Geltung. Auf sie scheint im Besonderen zuzutreffen: »Me-

5 Peter T. Lenhart: Schreiben als Bleiben. Der Katalog als Souvenir, Urkunde und Sinnmaschine, http:// www.galerieroyal.de/?p=167 (13.2.2014). 6 Hans Peter Thurn: Die Vernissage. Vom Künstlertreffen zum Freizeitvergnügen, Köln 1999, S. 145. 7 Zum Begriff des Dokumentarischen in Künstlerpublikationen vgl. Anne Moeglin-Delcroix: Dokumentation als Kunst in Künstlerbüchern und anderen Künstlerpublikationen, in: Sigrid Schade/Anne Thurmann-Jajes (Hg.): Artists’ Publications. Ein Genre und seine Erschließung, Köln 2009, S. 19–33. 8 Gottfried Boehm/Helmut Pfotenhauer (Hg.): Beschreibungskunst – Kunstbeschreibung. Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart, München 1995. 9 Ebd., S. 10. 10 Jochen Schulte-Sasse: Medien/medial, in: Karlheinz Barck u.a. (Hg.): Ästhetische Grundbegriffe, Stuttgart/Weimar 2005, Bd. 4, S. 3.

»Etwas Bleibendes« – zur Bedeutung von Ausstellungskatalogen dien verdanken […] dem Problem der Abwesenheit ihre Existenz.«11 Wenn vom Katalog als künstlerisches Medium die Rede ist, so deutet sich hierin an, dass von einem »starken« Begriff von ›Medium‹ ausgegangen wird, der in ihm nicht nur ein (technisches) Instrument zur Vermittlung von Informationen sieht, sondern ihm eine spezifische Prägung der Mitteilung zutraut und damit einen Einfluss auf den Rezipienten. Künstlerische Strategien zeitgenössischer Künstler im Umgang mit dem Katalogmedium sollen untersucht werden, und zwar schwerpunktmäßig anhand von Thomas Demand, Tobias Rehberger und Olafur Eliasson. Warum wurden gerade diese ausgewählt? Geht man in Bibliotheken durch die Regale von Künstlerkatalogen, so fühlt man sich angesichts der Masse und Vielfalt überwältigt, und es stellt sich die Frage nach der Art des Zugriffs. Dieser lässt sich systematisch begründen, aber auch mit der Bedeutung von Katalogen innerhalb des jeweiligen künstlerischen Ansatzes. Mit ›zeitgenössisch‹ liegt der Fokus auf lebenden, gegenwärtig aktiven Künstlern, die ein quantitativ und qualitativ auffälliges Katalogœuvre haben. Dabei sollte der Prozess der Kanonisierung und Historisierung auch durch Kataloge noch nicht abgeschlossen sein – womit Künstler wie Gerhard Richter oder Martin Kippenberger trotz Regalmetern an Publikationen nicht im Vordergrund stehen, sondern Künstler, die etwa Mitte der 1960er Jahre geboren sind. Von diesen wurden solche gewählt, die hinsichtlich ihrer Sichtbarkeit im Kunstbetrieb und des Umfangs ihrer Katalogproduktion vergleichbar sind, Zeitgenossenschaft also verstanden im Sinn von Synchronie. Die vorgeschlagene Reihe hat den Charakter von ›case studies‹ und ist als potentiell fortsetzbare zu denken. Natürlich gibt es auch von weiteren Künstlern der genannten Generation hochinteressante Kataloge, etwa von Pipilotti Rist, Daniel Richter, Wolfgang Tillmans, Tacita Dean, John Bock, Damien Hirst. Diese und die von älteren Künstlern werden zum Teil als Vergleich herangezogen, um so auch zu Aussagen allgemeinerer Art über die zeitgenössische Katalogproduktion zu kommen. Methodisch erschien es jedoch sinnvoller, sich auf einen kleineren Kreis zu beschränken, dabei eine größere Anzahl von Katalogen zu besprechen und eher in die Tiefe zu gehen, Zusammenhänge auch im Detail zu beleuchten und dadurch die Werkhaftigkeit stärker herauszuarbeiten, als von einem größeren Querschnitt nur einige wenige zu behandeln. Keinesfalls soll der Eindruck eines geschlossenen Triumvirats entstehen, doch ein exemplarischer Blick auf die Kataloge von Demand, Rehberger und Eliasson scheint gerechtfertigt durch die auffällige Bedeutung, die Kataloge innerhalb ihres Werks haben, was sie nicht zuletzt durch die Präsentation ihrer Publikationen nach außen hin signalisieren. Sie machen den Katalog, seine Möglichkeiten und sein Verhältnis zur Ausstellung zum Thema, arbeiten konzeptorientiert und medienübergreifend mit Photographie, Film, Skulptur, großen Installationen und aufwendigen Ausstellungsarchitekturen, was beson-

11 Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Bd. 2, Frankfurt/Main 1997, S. 723.

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Einleitung dere Herausforderungen stellt an den Transfer ins Buchmedium, das zum Schauplatz ihrer Auseinandersetzung mit Reproduktionsprozessen wird. Thomas Demand (*1964) überträgt Bildvorlagen von Orten und Räumen, denen er einen Bezug zum persönlichen und kollektiven Bildgedächtnis beimisst, in dreidimensionale, lebensgroße Modelle aus Papier. Diese werden in der Regel entsorgt, von ihnen bleibt nur das großformatige Photo, das die Modelle wiederum etwa lebensgroß abbildet, sowie Filme, die sich aus Kamerafahrten durch Modelle oder einzelnen animierten Standbildern zusammensetzen. Durch Bildtapeten und bühnenhafte Inszenierungen arbeitet Demand an der Verschränkung von Ausstellungsraum und Photoarbeiten. Interessant ist die Frage nach der Umsetzung der großformatigen, immersiven Photos und der bewegten Filmbilder in das Medium des Katalogs, der Dreidimensionalität der Modelle sowie nach der Verknüpfung von Informationen zur jeweiligen Bildvorlage. Das Ausgangsmaterial der Arbeiten ist dasselbe wie das, auf dem sie im Katalog gedruckt werden, Papier, was Anlass bietet zum Spiel mit Materialitäten und Realitätsebenen. Das Œuvre Demands ist wegen seines zeitintensiven Herstellungsprozesses zahlenmäßig relativ begrenzt, 2011 existierten etwa 150 Photo- und ein gutes halbes Dutzend Filmarbeiten. Dies stellt eine Herausforderung an Strategien der Abbildung und Bildredaktion dar, im Gegensatz etwa zum Output von »reinen« Photokünstlern wie Wolfgang Tillmans oder Malern wie Neo Rauch, die in Ausstellungen und Katalogen auf mehrere Hundert oder gar Tausend von Bildern zurückgreifen können.12 Der Katalog als Mittel der Vervielfältigung von Bildern, der Variation, zur Einführung neuer Bild- und Textebenen, zum Aufsplitten des Einzelbildes in unterschiedliche Aspekte zeigt sich daher von großer Wichtigkeit. Mit Kontextverschiebungen von Kunst, meist in skulpturaler und installativ-architektonischer Form, arbeitet Tobias Rehberger (*1966). Er stellt Veränderungen durch von ihm ausgeführte oder delegierte Übersetzungsprozesse her. Ähnlich wie bei Demand liegt das Interesse am Katalog in seiner Arbeitsweise begründet, die auf gegebene Artefakte reagiert, häufig durch Reproduktion und Zitat. So kopierte Rehberger etwa bereits in einer frühen Arbeit Skulpturen aus dem Außenraum als stark verkleinerte Modelle13 und stellte die Frage nach Autorschaft und Veränderung im Ergebnis. Andere Arbeiten erweitern die Produktionskette, schalten Ausführende ein: Rehberger porträtierte Freunde in abstrakten Wandgemälden und ließ Aufseherinnen der Ausstellung Pullover nach diesen Vorlagen stricken.14 Sein Interesse gilt dem Ablauf von Prozessen, siehe sein Projekt On Otto von 2008, bei dem ein Film von seinem Ende her produziert wurde. Dafür stellt ein Katalog,

12 Beispielsweise enthält Wolfgang Tillmans: If one thing matters, everything matters, Kat. Tate Britain London 2003 ca. 2400 Photos, Hunderte von Abbildungen einzelner Arbeiten die bei Taschen erschienene große Monographie Neo Rauch, Köln 2010. 13 9 Skulpturen, Ausstellung in der Wohnung Kaspar König, Köln 1992. 14 Ausstellung Seascapes and other portraits, Frac Nord-Pas de Calais Dunkerque 2000.

»Etwas Bleibendes« – zur Bedeutung von Ausstellungskatalogen gerade wegen der vielfältigen Arbeits- und Abbildungsstufen, welche die Ausstellung bis zur gedruckten Form durchläuft, ein ideales Medium dar. Es gibt wiederum Gelegenheit zum Einbezug von Interpreten mit ihrer jeweiligen Autorschaft, etwa Graphikdesignern, die ihre Vorstellungen mit einbringen. Olafur Eliasson (*1967) generiert Natur- und Wahrnehmungsphänomene und agiert im Grenzbereich zwischen Kunst, Architektur und Naturwissenschaften. Zum umfangreichen Werk gehören Installationen, die meist groß dimensioniert und temporär sind, etwa Eisflächen, künstliche Sonnen, Wasserfälle wie der unter der Brooklyn Bridge in New York 2008, graduelle Verschiebungen von Lichtintensitäten oder Nebelverfärbungen, Phänomene also, die auf eine sinnliche Immersion des Betrachters setzen, im Buchmedium kaum wiedergegeben werden können und deshalb ebenfalls einer Übersetzung bedürfen. Neben der Anregung einer Reflexion über Wahrnehmungsbedingungen und Realität/Fiktionalität von Phänomen liegt Eliasson an der Ausweitung des Kunstdiskurses und der Einbeziehung des Betrachters, wofür der Katalog als kommunikatives Medium und als diskursive Plattform dient und diese nach außen signalisiert. Die Produktion von Publikationen innerhalb des Ateliers Eliassons ist Modellfall einer solchen propagierten Praxis der Einbeziehung und Vernetzung. Als Betrachtungszeitraum bietet sich etwa 1995 bis 2011 an, einmal im Hinblick auf die Publikationskarrieren der genannten Künstler: Ab Mitte der 1990er Jahre erscheinen ihre ersten Einzelkataloge, zwischen 2008 und 2010 realisieren sie große retrospektive Ausstellungs- und Katalogprojekte, etwa Thomas Demand Nationalgalerie (2009), wo der Katalog als physischer Bestandteil der Ausstellung eine kaum zu übersehende Rolle spielt; Tobias Rehberger hat 2008 Werkschauen, u.a. im Museum Ludwig, Köln, die dazu erschienene Publikation15 verbindet eine retrospektive Monographie mit einem Ausstellungskatalog; ein Jahr später stellt er seine Kataloge und Künstlerbücher selbst als Arbeiten aus.16 Olafur Eliasson hatte 2010 nicht nur eine große, natürlich von einem umfangreichen Katalog begleitete Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, Berlin17, sondern kurz zuvor auch mehrere Buchprojekte verwirklicht: Mit Studio Eliasson. An Encyclopedia erscheint 2008 im Taschen-Verlag eine monumentale Monographie, im Herbst 2009 stellt er alle bis dato produzierten Bücher aus und widmet diesen einen eigenen Catalogue raisonné.18 Vielleicht »hat diese Entwicklung aktuell einen (vorläufigen?) Höhepunkt erreicht, der schwerlich abermals zu ›toppen‹ sein dürfte«19, wie Veronika Tocha im Hinblick auf Thomas Demands medial immer ausgreifendere und umfangreichere Pro-

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Tobias Rehberger 1993–2008, Kat. Stedelijk Museum, Amsterdam, Museum Ludwig, Köln 2008. Tobias Rehberger: flach, Kat. Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt/Main 2010. Olafur Eliasson: Innen Stadt Außen, Kat. Martin-Gropius-Bau, Berlin 2010. Olafur Eliasson: TYT (Take Your Time), Vol. 2: Printed Matter, Köln 2009, im Folgenden »TYT 2«. Veronika Tocha: Von der Pappschachtel zur Stadtarchitektur. Medienpluralismus bei Thomas Demand (chrono-)logisch betrachtet, in: kunsttexte.de, Nr. 1, 2010 (30.5.2014).

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Einleitung duktion meint, was sich aber auch auf die Katalogproduktion der genannten Künstler insgesamt übertragen ließe. Die individuellen Katalogkarrieren der genannten Künstler fallen zusammen mit einer allgemeinen Dynamik in Medientechnik, Wirtschaft und Kunstsystem. Entwicklungen in der Computer- und Drucktechnik bieten ab Mitte der 1990er Jahre eine neue Verfügbarkeit über Bilder, Gestaltung und Produktionsgeschwindigkeit. Im Zusammenhang mit einer florierenden Weltwirtschaft werden zahlreiche Stiftungen gegründet, Museen und Ausstellungshäuser gebaut, die sich mit Katalogen profilieren, es fließen Fördermittel, boomt der Kunstmarkt und damit auch der Kunstbuchmarkt, was die Produktion von Ausstellungskatalogen fördert, aber auch Ansprüche an das Medium, Innovationsdruck und Professionalisierung. Mit der Finanzkrise ab 2008/9 verengen sich die finanziellen Spielräume, was sich mittelfristig wohl auch auf die Ausstellungs- und Katalogproduktion auswirken dürfte. Ein Prozess fortschreitender Etablierung des Mediums und zugleich der genannten Künstler hat erste Höhepunkte erreicht; der Zeitpunkt für einen analysierenden Blick scheint günstig.

»[…] übergeht just das Druckmedium« – Kataloge im Diskurs »Angesichts der enormen Bedeutung, die gerade Kataloge für die Wahrnehmung zeitgenössischer Kunst spielen, verwundert jedoch, dass sie nie eigens rezensiert werden, ja dass es keine Kategorien für ihre Bewertung, gar keinen Diskurs über sie gibt.«20

In der Tat finden Ausstellungskataloge in Zeitungen oder einschlägigen Zeitschriften meist wenig Beachtung. Dort werden sie, wenn überhaupt, buchstäblich am Rande besprochen oder aber gehen in der Fülle der Kunstpublikationen unter. Bei der Berichterstattung über eine Ausstellung stehen Kataloge meist an letzter Stelle, häufig nur der stereotype Hinweis auf Erhältlichkeit, Umfang und Preis, ohne auf Buchkonzept, auf Bildmaterial und seine Anordnung einzugehen. Am ehesten finden sich Besprechungen im Internet, dem Medium, das sehr flexibel auf Neuerscheinungen reagiert, wenig institutionalisiert ist, auf Kunstgeschichts- und Designportalen, in Blogs, auch von Käufern in Verkaufsplattformen. Allerdings sind die Berichte in letzteren oft kurz, unkritisch und teilen nur ihre Begeisterung über den erworbenen Gegenstand mit. Ähnlich wie Wolfgang Ullrich sieht Michael Glasmeier Defizite innerhalb der kunstwissenschaftlichen Beschäftigung mit den Rahmenbedingungen der Kunst- und Ausstellungspraxis: »Die in den letzten Jahren vehement geführte Diskussion um den ›Ausstellungskünstler‹, den ›White Cube‹, die Institutionenkritik, die Kontextualisierung oder den ›Tod des Autors‹ übergeht

20 Wolfgang Ullrich: Vom Diener zum Teil des Kunstwerks. Über die Wandlung der Buchform Ausstellungskatalog, in: Kunstzeitung Nr. 110, Oktober 2005, S. 35.

»[…] übergeht just das Druckmedium« – Kataloge im Diskurs just das Druckmedium, das letztendlich neben dem Spielbein (Zeitschriften und Zeitung) ihr Standbein ist: den Ausstellungskatalog.«21

Er schlägt Gründe für die geringe Aufmerksamkeit auf den Katalog vor: einmal die Involviertheit der Kunstwissenschaftler, die primär als Rezensenten in Frage kommen, aber häufig selbst als Autoren oder Kuratoren am Katalog mitwirken. Hier könnte man beispielsweise an Phillip Ursprung denken, der als Autor eines Begleittextes und Interviewpartner in Eliassons Encyclopedia auftritt.22 Doch gibt es eine große Anzahl von Autoren, die parallel zu ihrer Tätigkeit als Kuratoren Ausstellungskritiken verfassen und daneben viele nicht involvierte Kritiker, die Ausstellungen besprechen, aber eben nur selten Kataloge. Das andere von Glasmeier genannte Argument wiegt schwerer: die scheinbare Selbstverständlichkeit des Katalogs und sein Verständnis als rein praktische Dienstleistung im Gefolge einer Ausstellung. Dass bei einer Ausstellungsbesprechung der Katalog ins Hintertreffen gerät, ist aus den Schwierigkeiten des Zugangs erklärbar: Der Charakter eines Ereignisses, auch mit sozialer Komponente, fehlt dem Katalog, die Interaktion mit anderen Besuchern, das Ablesen von Reaktionen auf das Ausgestellte ist kaum greifbar. Ein Buch scheint zur individuell-privaten Rezeption bestimmt – siehe den eingangs zitierten Lexikoneintrag, wo es heißt, dem Besucher solle etwas »mit nach Hause« gegeben werden, oder der Titel »Ein Museum für Zuhause« für die Buchproduktion von Georg Baselitz.23 Ausstellungen scheinen mit Galerieraum und Museum, Kataloge mit Bücherregal oder Bibliothek verknüpft und dadurch voneinander getrennt. Versuche, Ausstellung und Katalog auch räumlich zu verschränken, werden bisher wenig bemerkt und kommentiert. So heißt es beispielsweise in einer Rezension zur Ausstellung Nationalgalerie von Thomas Demand, die Begleittexte seien »auch« und nicht ausschließlich im Katalog nachzulesen 24, wodurch die Pointe unter den Tisch fällt. Dazu kommt das Problem des Zugriffs selbst. Während für die Beschreibung von Gemälden, Plastiken, Architektur, Installationen, auch von Film ein ausdifferenziertes und variables Vokabular bereitsteht und es viele Möglichkeiten des Zugangs gibt, vom Persönlichen über den Ausstellungsraum hin zu den Kunstwerken selbst und ihre Einbettung in kunsthistorische Diskurse, ist das Herangehen an die Katalogform weniger geübt und scheint auch nicht so viele Möglichkeiten zu bieten. Wo soll man beginnen, beim Cover oder beim Aufblättern des Katalogs; bei den Abbildungen, bei der Beschreibung der Konstituenten wie Papier und Schrifttype? – wobei man sich gezwungen sieht, 21 Dagmar Bosse/Michael Glasmeier/Agnes Prus (Hg.): Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie, Köln 2004, S. 7. 22 Philip Ursprung: Von Beobachter zum Teilnehmer: In Olafur Eliassons Atelier, in: Studio Olafur Eliasson. An Encyclopedia, Köln 2008, S. 20–31. 23 In: Fresko, Sonderausgabe Januar 2013, S. 3. 24 Niklas Maak: In einer Wiederaufbauwelt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.9.2009, S. 33.

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Einleitung umständliche Beschreibungen und Referenzen wie Seitenzahlen anzugeben, und man sich leicht in der Fachsprache der Typographie gefangen sieht. Dass es keinen Diskurs über Kataloge gibt, stimmt allerdings nicht ganz – siehe die Frankfurter Buchmesse, wo die Stiftung Buchkunst seit 2000 die »schönsten deutschen Bücher« vorstellt, mit einer Kategorie »Kunstbücher, Photobücher, Ausstellungskataloge«. Im Rahmen einer Buchmesse und der Zusammensetzung der Jury aus Buchgestaltern und Verlagsleuten spiegelt sich jedoch das eher brancheninterne Interesse wider. Auch Kriterien zur Beurteilung gibt es, die recht klar offengelegt werden. Freilich sind sie zunächst technisch-handwerklicher, typographischer oder buchherstellerischer Art, wie Bildbearbeitung, Satz, Druck, Bindung. Auch wenn später verstärkt übergeordnete Aspekte berücksichtigt werden, wie »Graphische Konzeption, Gestaltung, Umsetzung, Ausstattung«, so finden die Ergebnisse eher innerhalb der Buchbranche ein Echo, weniger in der Kunstkritik und -wissenschaft, die einen Katalog im Kunstdiskurs verorten könnte. Trotz der Erosion von Gattungsgrenzen behindert die Zuordnung von Katalogen zum Bereich ›Design‹ weiterhin die Rezeption als Kunstwerke. Kataloge sind Zwitterwesen, gehören in ihrem Entstehungsprozess einerseits in die Welt der »angewandten« Kunst, andererseits von ihrem Gegenstand und auch Ergebnis her zur »autonomen« Kunst. Das Dilemma ›Dokumentation oder Kunst‹ zeigt sich abermals. Gerade die Problematik der Kategorisierung macht Kataloge als Gegenstand aber interessant. Die gering entwickelte Aufmerksamkeit für den Ausstellungskatalog hängt auch mit dem niedrigen Stellenwert zusammen, den man der Reproduktion von Kunst beimisst. Die Abbildung scheint ein, wenn auch notwendiges, Surrogat: »Schließlich sind die Druckwerke Ersatzkunstwerke und sollten zum Original hinführen. Sie bleiben, wenn das Original verkauft ist.«25 So wirbt eine Druckerei 2009 für das Katalogmedium und für ihre Dienste. Als Grund für das Verschwinden eines Kunstwerks ist hier der Verkauf genannt. Dies stellt den zu produzierenden Katalog als Garant für Verkaufserfolg dar und schmeichelt in dessen Vorwegnahme dem Künstler. Dabei spielt in der aktuellen Kunst das Verschwinden durch Abbau von Installationen eine weit größere Rolle, und die Bilder davon werden zum Kapital. Die Formulierung »Ersatzkunstwerke« trifft gerade bei zeitgenössischen Katalogen nicht mehr zu. Dennoch wird auch in neueren Lexika der Kunstwissenschaft beim Stichwort ›Ausstellungskatalog‹ immer noch von einer primär reproduzierend-dokumentarischen Funktion des Katalogs ausgegangen.26 Die Lücke im Diskurs hängt auch mit einem Gattungs- oder Kompetenzproblem zusammen. Der Gegenstand ist in mehreren, sich nur teilweise überlappenden und teils randständigen Feldern angesiedelt: Nicht nur sind Bild- und Textwissenschaften beteiligt, sondern auch Kunstsoziologie, Buch- und Medienwissenschaft, Design- und Typo25 Anzeige der Kastner AG in: Im Bilde. Zeitschrift des Berufsverbandes Bildender Künstler Landesverband Bayern, 1/2008 (Rückseite). 26 Vgl. Ulrich Pfisterer (Hg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft, Stuttgart 2004, S. 166–168.

»[…] übergeht just das Druckmedium« – Kataloge im Diskurs graphiegeschichte. Am stärksten hat der Ausstellungskatalog Beachtung gefunden im Bereich der Rezeptionsforschung, und hier im Bezug auf das Medium ›Ausstellung‹. Doch wird der Katalog gegenüber anderen Elementen wie der Ausstellungsarchitektur dort eher in untergeordneter Funktion erwähnt. Oskar Bätschmann nutzt in seinem Buch über den Ausstellungskünstler Kataloge als Quellen, diskutiert sie aber nicht eigens als Bestandteil der jeweiligen Ausstellung oder gar als künstlerisches Medium.27 In einer Dissertation mit dem vielversprechenden Titel Inszenierung von Kunst. Die Emanzipation der Ausstellung zum Kunstwerk wird die Kunstausstellung als »das Medium der Vermittlung […] – die Schnittstelle zum Publikum, der Ort der Rezeption«28 angesprochen, die Bedeutung des Katalogs gerät demgegenüber ins Hintertreffen. Das Thema ›Künstlerkatalog/Künstlerbuch‹ ist auch in einer Arbeit zur Kunstvermittlung in Ausstellungskatalogen nicht weiter verfolgt »da es die spezifischen Fragen der Kunstvermittlung im engeren Sinn überschreitet.« 29 Ein instruktiver Beitrag zur Typologie von Ausstellungskatalogen ist dem Typographen und Gestalter Walter Nikkels zu verdanken, der exemplarisch Kataloge der 1950er bis 1990er Jahre präzise beschreibt, sie in Beziehung setzt zur angestrebten Aussage und dem jeweiligen gestalterischen Zeitgeist. Er geht auch auf das Verhältnis Reproduktion-Kunstwerk ein und stellt fest: »Die Gestaltungsgeschichte des Kunstkataloges hängt aufs engste mit der Reproduzierbarkeit von Kunst zusammen und weniger mit der Geschichte der Typographie.«30 Nikkels Beitrag ist sehr erhellend, bezieht aber aus systematischen Gründen Künstlerbücher als Ausstellungskataloge nicht ein. Wieder ist es die eigentümliche Zwischenstellung zwischen eigenwertigem und referenzierendem Medium, die einen Zugriff erschwert. Außerdem berücksichtigt Nikkels nicht die Jahre seit 1998, in denen sich im Bezug auf Kataloggestaltung sehr viel verändert hat, etwa der Umgang mit (photographischen) Reproduktionen und auch die Rezeptionshaltung. Ein steigendes Interesse am Ausstellungskatalog ist im Zusammenhang mit Photographie und dem Medium des Photobuchs zu beobachten. Die Dynamik ist auffällig, die es um die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert entfaltet: So erschien 1999 ein Buch von Helmut Newton im Mammutformat 31, das die Unterscheidung zwischen Originalabzug und Abdruck im Buch nivellierte, produziert vom Taschen-Verlag, der mit großformatigen und vergleichsweise günstigen Büchern zur Popularisierung beitrug, bis hin zur 27 Oskar Bätschmann: Ausstellungskünstler: Kult und Karriere im modernen Kunstsystem, Köln 1997. 28 Christina Stoelting: Inszenierung von Kunst. Die Emanzipation der Ausstellung zum Kunstwerk, Weimar 1999, S. 9. 29 Iris Cramer: Kunstvermittlung in Ausstellungskatalogen. Eine typologische Rekonstruktion, Frankfurt/Main 1998, S. 158. 30 Walter Nikkels: Es erscheint ein Katalog, in: ders./Michael Zöllner (Hg.): Der Raum des Buches, Köln 1998, S. 45. Nikkels hat zahlreiche Kataloge gestaltet, u.a. für das Kunsthaus Bregenz und für Lothar Baumgarten. Seit 1985 ist er Professor für Typographie und Buchkunst an der Akademie Düsseldorf. 31 Helmut Newton: SUMO, Köln 1999, Format 50 × 70 cm.

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Einleitung Encyclopedia von Olafur Eliasson. Ähnlich wie im Fall von Nikkels war es zunächst ein Praktiker, der das Medium reflektierte. Martin Parr erstellte zusammen mit dem Photographiehistoriker Gerry Badger 2004 ein Referenzwerk, das auf seiner eigenen Sammlung basiert.32 Dieser Überblick, der katalogisierende Kanonisierung mit der Autorität eines erfolgreichen Photographen verband, hatte auch wissenschaftliche Rezeption zur Folge.33 Zum Aufschwung passt, dass ab 2003 der medienspezifische Deutsche Photobuchpreis verliehen wird. Der Begriff ›Photobuch‹ wirkt gegenüber ›Künstlerbuch‹ und dem anlassgebundenen ›Ausstellungskatalog‹ neutraler, weil ausschließlich medial definiert, und scheint gleichzeitig umfassender, arbeiten die meisten Künstlerbücher doch mit Photographie, und bilden die meisten Kataloge Arbeiten photographisch ab. Doch suggeriert er das Primat des Mediums, was bei Publikationen von Künstlern wenig angebracht scheint, bei denen nicht Photographie »an sich« im Vordergrund steht, sondern ihre konzeptuelle Verwendung, wie bei Thomas Demand, aber auch Olafur Eliasson. So nennt Hans Dickel seinen Überblick ab 1960 konsequenterweise auch »Künstlerbücher mit Photographie«.34 Und wenn sich unter den von Parr/Badger besprochenen Photobüchern auch Ausstellungskataloge befinden, so hat Photographie in ihnen konventionsgemäß eine referenziellindexikalische Funktion. Oft legen es Künstler, wie wir sehen werden, in Katalogen gerade auf den Grenzbereich zwischen Autonomie und Referenz an, und es ist dieses Spiel mit der Rolle und dem Status von Bildern, was die Einordnung von Katalogen so schwierig, aber auch interessant macht. Erst ab Mitte der 2000er Jahre hat die Kunstwissenschaft begonnen, sich verstärkt für das Thema zu interessieren, was mit dem gestiegenen Interesse für Abbildungspraxen35 und den Stellenwert von Reproduktionen und Kopien zusammenhängt, aber auch für Künstlerpublikationen allgemein.36 2004 erschien, von Michael Glasmeier mit herausgegeben, ein Sammelband, der erstmals den Ausstellungskatalog behandelte 37, 2007 war er unabhängig voneinander Gegenstand von Seminaren an der HfG Karlsruhe38 und der Universität Leipzig. In seinem Buch Raffinierte Kunst 39 setzte Wolfgang Ullrich sich eine

32 Martin Parr/Gerry Badger: The Photobook. A History, Bd. 1 London 2004, Bd. 2 2006. 33 Andrew Roth (Hg.): The Open Book. History of the Photographic Book from 1878 to the Present, Göteborg 2004. 34 Hans Dickel: Künstlerbücher mit Photographie seit 1960, Hamburg 2008. 35 Vgl. Katharina Krause/Klaus Niehr (Hg.): Kunstwerk-Abbild-Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930, München/Berlin 2008, S. 7. 36 Siehe den Forschungsverbund für Künstlerpublikationen, der mit dem Zentrum für Künstlerpublikationen Weserburg und der HfK Bremen seit 2004 eine eigene Schriftenreihe herausgibt. 37 Dagmar Bosse/Michael Glasmeier/Agnes Prus (Hg.): Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie, Köln 2004. Dort findet sich auch eine umfangreiche Bibliographie. 38 http://solaris.hfg-karlsruhe.de/vorlesungsverzeichnis/ss-2007/kuenstlerkataloge.html (9.3.2014). 39 Wolfgang Ullrich: Raffinierte Kunst. Übung vor Reproduktionen, Berlin 2009.

Fragestellungen und Methoden Aufwertung der Reproduktion gegenüber dem Original zum Ziel und verfolgte dies auch anhand zeitgenössischer Ausstellungskataloge. Dieses Verhältnis von Original und Reproduktion, von Ausstellung und Katalog wird auch im Folgenden ein Hauptinteresse sein, gerichtet auf größere zusammenhängende Œuvres an Katalogen.

Fragestellungen und Methoden Anschließen lässt sich auch an Fragen, die an den Werkkatalog gerichtet werden, etwa von Peter J. Schneemann im Bezuge auf Künstler wie Wolfgang Tillmans, Tomoko Takahashi, Hans-Peter Feldmann und Damien Hirst. Sie sind in gleicher Weise für den Ausstellungskatalog relevant: Wie ist das Interesse am Prozess der Ordnung, Auflistung und Reproduktion als Sprache des Katalogs in Verbindung zu bringen mit einer künstlerischen Praxis, in der er wichtige Funktionen übernimmt: Werkkonstruktion, Selbstdokumentation und Werkkontrolle? 40 Diese Themen lassen sich auf den Ausstellungskatalog übertragen, zumal es auffällig ist, wie versucht wird, Ausstellungs- und Werkkataloge zu verbinden. Auch im Ausstellungskatalog findet Werkkonstruktion statt. Dieser Begriff lässt sich als Begründung für die Konzentration auf die exemplarische Behandlung einzelner Katalog-Œuvres in monographischen Kapiteln heranziehen: Individuelle Strategien und Verfahrensweisen, die exemplarisch für ähnliche Praxen stehen, lassen sich in ihren Varianten und Veränderungen so ergiebiger darstellen als in summarischen thematischen Blöcken, in denen eine Vielzahl von Künstlern genannt würde. Ein monographisches Vorgehen soll durch vergleichende Einschübe ergänzt werden. Dabei werden unterschiedliche, jedoch zusammengehörige Fragen verfolgt: nach der Präsentation von künstlerischen Arbeiten im Katalog und was sich daraus für den zugrunde liegenden Kunstbegriff ableiten lässt. Wie gestaltet sich die Umsetzung der temporären, zeitlich und räumlich begrenzten Ausstellung in das auf Dauer und Ortsunabhängigkeit gerichtete Medium des Buches? Für welche künstlerischen Ausdrucksformen ist diese Übersetzung besonders relevant, und welche Strategien lassen sich erkennen? Wie eng oder weit ist der Bezug zur Ausstellung gefasst? Daran schließen sich Fragen an nach der Beziehung zwischen Künstler, Graphikern, Katalogautoren und (ausstellender) Institution, in dem das jeweilige Konzept von Autorschaft sichtbar wird, nach dem Verhältnis von Bild und Text, von Ausgestelltem und Reproduziertem. Um zeitgenössische Kataloge auch historisch zu verorten, sind Referenzen auf die Geschichte des Ausstellungskatalogs und Künstlerbuchs eingebaut – ohne eine umfassende Historie des Mediums geben zu wollen.

40 Vgl. Peter J. Schneemann: Eigennutz. Das Interesse von Künstlern am Werkkatalog, in: Julia Gelshorn (Hg.): Legitimationen. Künstlerinnen und Künstler als Autoritäten der Gegenwartskunst, Bern 2004. S. 206.

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Einleitung Insgesamt soll versucht werden, möglichst viel aus dem konkreten Katalog als Objekt zu ziehen, größtenteils in Art eines Close reading 41 – wobei die Verwendung des Methodenbegriffs die These impliziert, dass dem Katalog Werkcharakter zugesprochen wird, dass konzeptionelle und ästhetische Entscheidungen sind nicht routinemäßig oder zufällig getroffen sind und damit auch im Detail Aufmerksamkeit verdienen. Da er im Werkzusammenhang steht und eines der Anliegen ist, diesen herauszuarbeiten, sollen darüber hinaus Informationen zum jeweiligen Gesamtwerk einfließen, ohne dem Versuch zu erliegen, es isoliert von den Katalogen zu beschreiben und so allgemeine Künstlermonographien zu verfassen. Als Ergänzung des vorliegenden Materials wurden mit einzelnen Künstlern und Gestaltern Gespräche geführt, allerdings eher zur Klärung von Fragen der Abläufe, dem »wie« bei der Katalogproduktion, weniger als grundlegendes epistemisches Verfahren. Dies geschah einmal im Bewusstsein, dass es bereits viel an Quellenmaterial gibt 42, vor allem aber aus der Absicht heraus, die Gegenstände für sich selbst sprechen zu lassen, diese zu interpretieren und nicht zu stark durch Aussagen der Produzenten festzulegen. Hilfreich kann eine Methode sein, die der Literaturwissenschaftler Gérard Genette bereits in den 1980er Jahren entwickelt hat 43, nämlich die Analyse der Paratexte, also der Texte, die um den »Haupttext« herum angesiedelt sind, wie Titel, Vor- und Nachworte, Danksagungen, Impressum, Angaben zu Herausgeber und Veranstalter, aber auch Epitexte, die in Zusammenhang stehen, aber zeitlich und räumlich außerhalb liegen, etwa Verlagsanzeigen, Pressemitteilungen, Rezensionen, Interviews. Auch wenn sich Genette auf textuelle Elemente konzentriert, bezieht er doch bildliche und materielle mit ein, »alles, was zu den typographischen Entscheidungen gehört, die bei der Herstellung eines Buches mitunter sehr bedeutsam sind.« 44 Umso mehr spielt dies eine Rolle bei primär visuell orientierten Büchern wie Ausstellungskatalogen. Und so werden diese zum Teil ausführlicher beschrieben, wodurch einer nicht durchgängigen und monochromen Bebilderung abgeholfen, aber auch der Kunstcharakter vor Augen geführt soll – wie es mit Werken in anderen Medien, bei Gemälden, Skulpturen und Architektur gang und gäbe ist. Die Deskription soll der Analyse untergeordnet sein, sie bedient sich dabei des Begriffsinstrumentariums der Bildanalyse und der Typographie. In manchen Fällen ist ein subjektiver, vom ersten Durchblättern bestimmter Zugang gewählt. Um an Genette anzuschließen: Wie ist der Status eines Ausstellungskatalogs zu begreifen, welcher Teil würde dem »Haupttext« eines (literarischen) Werkes entsprechen, zu

41 »eine Form der sehr detaillierten, gründlichen, textnahen und intensiven Lektüre und Interpretation, die völlig werkzentriert ist […], von der Autonomie des Kunstwerks ausgeht […].« Ansgar Nünning, in: ders. (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, Stuttgart 2001, S. 86. 42 Etwa das Interview von Luca Cerizza mit Eliasson über dessen Buchproduktion in: TYT 2, S. 50–53. 43 Gérard Genette: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches (1987), Frankfurt 2001. 44 Genette, Paratexte, S. 14.

Fragestellungen und Methoden dem der Paratext das Beiwerk liefert? Ist es die Ausstellung, ihre mediale Repräsentation im Katalog, die Abbildung der ausgestellten Arbeiten oder ihr Verzeichnis, das als »Herzstück« des Katalogs gilt? Ein Katalog ist, so die These, eben nicht als bloßer Paratext verstehen, der nach Genette »ein zutiefst heteronomer Hilfsdiskurs ist, der im Dienst einer anderen Sache steht, die seine Daseinsberechtigung bietet, nämlich des Textes.« 45 In vielen Fällen verselbständigt sich der Katalog derart vom Ausstellungkontext, dass von ihm nur schwache Spuren übrig bleiben, wofür gerade paratextuelle Elemente wichtige Hinweise sind. Was unterscheidet den Katalog dann aber von einem völlig autonomen Werk, einem Künstlerbuch? Danach soll im Folgenden, vor der Konzentration auf die einzelnen Künstler und ihre Kataloge gefragt werden, mit Blick sowohl auf historische als auch auf zeitgenössische Positionen, auch wenn sicher richtig ist, wenn Johanna Drucker über das Künstlerbuch schreibt, es sei »a zone of activity, rather than a category into which to place works by evaluating whether they meet or fail to meet certain rigid criteria.« 46 Es soll dabei weniger um das Künstlerbuch und seine Definition an sich gehen als um die Entwicklung von Fragestellungen im Hinblick auf den Katalog. Dabei werden einige Aspekte diskutiert werden, die miteinander in Verbindung stehen und auch im Verlauf der Arbeit immer wieder auftauchen: Markt, Materialität und institutionelle Rahmung, Autorschaft und Autonomie von einer Ausstellung bzw. Referenz auf sie.47

45 Genette, Paratexte, S. 18. 46 Johanna Drucker: The century of artists’ books, New York 1995, S. 2. 47 Einige der folgenden Überlegungen finden sich in: Albert Coers: Ausstellungskatalog und Künstlerbuch – obsolete Kategorien?, in: Elisabeth Fritz/Rita Rieger/Nils Kasper u.a. (Hg.): Kategorien zwischen Denkform, Analysewerkzeug und historischem Diskurs, Heidelberg 2012, S. 309–323.

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog?

»A mass-produced product of high order« – Preis und Verbreitung Vom Künstlerbuch ausgehend könnte als Einstieg ein diagrammatischer Versuch dienen, wie ihn Clive Phillpot, ehemaliger Direktor der Bibliothek des MoMA, nach Art der Mengenlehre gemacht hat: Aus einer Menge ›Bücher‹ und einer von Gegenständen, die unter dem Begriff ›Kunst‹ gefasst werden können, ergibt sich, recht einfach durch Kompositabildung, die Schnitt- Abb. 1 Clive Phillpot: Artist’s Books, 2011. menge ›Buchkunst‹ (›book art‹). Jedoch erstreckt sich die Menge ›Künstlerbücher‹ (›artist’s books‹) darüber hinaus in die Bereiche (bildende) Kunst und Buch/Literatur und bildet dort je nach Affinität Untergattungen aus, nämlich Buchobjekte oder literarische Bücher, die von bildenden Künstlern stammen.48 (Abb. 1) Das Diagramm macht nicht ohne Augenzwinkern die Schwierigkeit solcher Kategorisierungsversuche deutlich. Für die graphische Darstellung der Ausgangsmengen sind Äpfel und Birnen gewählt, redensartlich unvereinbare, auch in der farblichen Darstellung mit rot und grün stark kontrastierende Obstsorten. Für die Schnittmenge der Künstlerbücher ist aber nicht eine egalisierende Kreuzung gesetzt, son48 Das Diagramm, noch in ungegenständlicher Form, findet sich erstmals in: Clive Phillpot: Kevin Osborn: On Real Lush, in: artforum, Mai 1982, S. 78. Erweitert zeigte Phillpot es anlässlich von Amsterdam Art/Book Fair 2011, vgl. http://www.manystuff.org/?p=12738 (1.5.2014).

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog? dern, ein neues Drittes, eine gelbe Zitrone. In ähnlicher Weise mit Kategorisierungen spielend verwendet übrigens Tobias Rehberger Äpfel und Birnen zur Visualisierung des Unvereinbaren in Cover und Titel von Applesandpears (2001), einer Mischung aus Ausstellungskatalog und Künstlerbuch. In Phillpots Modell kommen Ausstellungskataloge nicht vor und scheinen auch schwer zu integrieren. Das beginnt schon bei der Kategorie ›Bücher‹: Wenn man von einem eher pragmatisch-formalen Verständnis des Mediums ausgeht, als gebundenes, nichtperiodisches Druckerzeugnis mit einem gewissen Umfang, trifft das auf die meisten zeitgenössischen Kataloge zu, doch nicht auf viele historische, die zunächst nur dünne Hefte sind. Bei den Dadaisten finden sich auch Faltprospekte, ab etwa Mitte der 1960er Jahre werden gerne Hefter, Ordner oder Mappen verwendet, die sich von der traditionellen Buchform absetzen. Diese ist also keine notwendige Bedingung für einen Katalog. Doch gleichzeitig ist sie die verbreitetste, die sich nicht zuletzt auf das Prestige des Mediums berufen kann. Dies kommt auch zum Ausdruck im Begriff ›Katalogbuch‹, der Zwitterhaftigkeit signalisiert49 und bei vielen Institutionen, Verlagen und Produzenten zum Standard geworden ist. Kataloge können, aber müssen also keine Bücher sein, verweisen weniger auf eine medientechnische als auf eine sytematisch-funktionale Kategorie. Man wird nicht leugnen können, dass Kataloge an der Menge ›Kunst‹ einen Anteil haben, sind in ihnen doch Kunstwerke verzeichnet und abgebildet – wobei dann der Status der Reproduktion zu diskutieren wäre. Und insofern sich Texte der Künstler oder Texte mit literarischem Anspruch in ihnen finden, in zeitgenössischen Katalogen nicht ungewöhnlich, siehe etwa die von Botho Strauß in Thomas Demands Katalog Nationalgalerie, wären sie ebenfalls den Künstlerbüchern zuzuordnen. Rein informierend-kommentatorische Texte sprechen aber wieder gegen eine solche Zuordnung, finden sich aber oft zusammen mit Texten von Künstlern, die den autorschaftlich-künstlerischen Anteil stärken. In Anlehnung an Phillpots Modell könnte man das Interesse dieser Untersuchung mit der Schnittmenge zwischen Ausstellungskatalogen und Künstlerbüchern angeben, bei der ein neues Drittes entsteht. So sei der Blick weiter auf die Möglichkeiten und Problematiken bei der Unterscheidung gerichtet: Ein leicht zu handhabender Indikator für den Status als Kunstobjekt scheinen Preis und institutionelle Platzierung zu sein. Ein Künstlerbuch als ein »Buch mit dem Anspruch, ein Werk per se « 50, ein Kunstwerk zu sein, muss fast zwangsläufig teurer sein als Bücher von vergleichbarem materiellen Gegenwert, um eine Differenz herzustellen. Und Künstlerbücher werden vor allem von Museen und 49 Vgl. Michael Glasmeier: Transformationen des Ausstellungskatalogs, in: Bosse/Glasmeier/Prus, Ausstellungskatalog, S. 194. 50 Barbara Bader: Künstlerbücher: Von Institutionskritik zu Institutionalisierung, in: Thesis. Cahier d’historire des collections et de muséologie, 4/2004, S. 55.

»A mass-produced product of high order« – Preis und Verbreitung spezialisierten Bibliotheken, weniger von allgemeinen wissenschaftlichen erworben, so dass man anhand der Präsenz in unterschiedlichen Institutionen eine Unterscheidung treffen könnte. Sie zeigt sich auch im Umgang innerhalb von Bibliotheken, die Künstlerbücher separieren, als Rara behandeln und den Zugang einschränken: So bekommt man beispielsweise in der Kunstbibliothek Berlin das Buch Your House 51 Olafur Eliassons nicht im allgemeinen Lesesaal, sondern im Studiensaal vorgelegt, und zwar mit einem als Schutz unterzulegenden Wollflies und beim Blättern anzuziehenden weißen Handschuhen, was durchaus gerechtfertigt erscheint angesichts der großen Dimension, der fragilen Materialität und des Preises. Über die Zugehörigkeit zur Menge der Künstlerbucher kann kaum Zweifel bestehen, im Diagramm Phillpots wäre es bei den Buchobjekten zu verorten. Jedoch wird auch ein anderes Buch Eliassons, nämlich der Katalog seiner bisher erschienenen Publikationen52, in genau derselben Weise dem Benutzer vorgelegt, obwohl es in der Preisrelation von etwa 1:100 zum vorher genannten steht, in Buchhandlungen erhältlich und dort auch ohne Handschuhe durchzublättern ist. Beide Publikationen tragen die Bibliothekssignatur »Neue Buchkunst«. Der begleitende Kontext beeinflusst und relativiert also die Zuordnung nach preislichen-formalen Kriterien. So enthält der Katalog Eliassons nicht nur das genannte Buchobjekt und andere dezedierte Künstlerbücher, sondern erschien auch im Zusammenhang mit der Kunstbuchmesse Bologna 2009, also in einem Rahmen, der seine Rezeption mitprägt, in einem institutionellen und verlegerischen Paratext 53, zu dem auch die Beschreibung als Künstlerbuch in der Verlagsankündigung gehört. Nehmen wir ein anderes Vergleichspaar: Eine als Künstlerbuch deklarierte Publikation Thomas Demands ist in großen wissenschaftlichen Bibliotheken nicht zu finden, sondern nur in auf Kunst spezialisierten Einrichtungen.54 Materiell kaum gerechtfertigt wäre der Preis des dünnen Pappbandes, in dem sich nur zwei Abbildungen befinden. Sein Kunstwert besteht in der Seltenheit durch Begrenzung der Auflage, signalisiert durch Nummerierung der Exemplare und, manifest durch die Signatur, in der Autorschaft des Künstlers. Die Publikation zu Demands Ausstellung Nationalgalerie ist dagegen in Bibliotheken weit verbreitet, großformatig und leinengebunden, mit ausklappbaren Seiten und Farb-

51 Your House, hg. v. Library Council of the Museum of Modern Art, New York 2006. Eines der 85 frei verkäuflichen Exemplare kostete $ 3500,– vgl. http://www.moma.org/learn/resources/library/council/ eliasson (7.4.2014). 52 TYT 2, 2009. 53 Vgl. Gabriele Mackert: Katalog statt Ausstellung, in: Bosse/Glasmeier/Prus, Ausstellungskatalog, S. 106. 54 Gerhard Theewen (Hg.): Thomas Demand präsentiert: Rudolf Carnap Scheinprobleme der Philosophie, Köln 2006. Preis 150 € Nicht vorhanden zum Beispiel in: BSB München, SB Berlin, ÖNB, jedoch in: Bibliothek für angewandte Kunst Wien, Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln, Bibliothek des Kunstmuseums Genf. Recherche nach Karlsruher Virtueller Katalog, http://www.ubka.uni-karlsruhe. de/kvk.html (12.4.2014).

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog? reproduktionen ausgestattet, und, obwohl von den Veranstaltern ebenfalls als »Künstlerbuch« bezeichnet, vergleichsweise günstig55, da in hoher Auflage gedruckt und im Zusammenhang der durch Sponsoren unterstützten Ausstellung vertrieben. In der gängigen Praxis, Kataloge während der Ausstellung gegenüber dem späteren Buchhandelspreis vergünstigt anzubieten, also Ausstellung und Katalog aneinander zu koppeln, zeigt sich die Gebundenheit des Katalogs gegenüber einem theoretisch kontextunabhängigen Künstlerbuch. Die Erschwinglichkeit passt aber zum Künstlerbuch als historische Kategorie: Für die Künstler der Avantgarden der 1960er Jahre wie Ed Ruscha oder Sol LeWitt waren ein nicht zu hoher Preis und weite Verbreitung wichtige Elemente einer antielitären Kunstauffassung. So erschien Ed Ruschas Twentysix Gasoline Stations 1963 in 400, dann 500, zuletzt gar 3000 Exemplaren. Bei den letzten beiden Auflagen verzichtete Ruscha auf Nummerierung und Signatur und setze sich damit von der Praxis der Künstleredition ab: »I am not trying to create a precious limited edition book, but a mass-produced product of high order.« 56 Der ursprüngliche Preis eines Exemplars signalisierte einen gewissen Wert, der den materiellen des schmalen Paperbacks offensichtlich überstieg, blieb jedoch niedrig.57 Um Künstlerpublikationen möglichst weite Verbreitung zu sichern, wurde das Format ›Ausstellungskatalog‹ appropriiert. So heißt es in einem Statement des Mitte der 1970er Jahre von Künstlern gegründeten Verlags Printed Matter: »One strategy that Printed Matter’s founders […] used to promote artist’s’ books was to produce them in lieu of exhibition catalogues.« 58 Die Institutionalisierung des Künstlerbuches kommt der Popularisierung durch höhere Auflagen, günstigere Preise und größere Reichweite entgegen. Noch niedriger als bei Ed Ruschas Künstlerbuch lag der Preis beim Katalog zur Ausstellung von Andy Warhol 1968 im Moderna Museet in Stockholm. Obwohl er mit über 600 Seiten ein gewichtiges Objekt darstellte, wurde er für nur einen Dollar verkauft 59, und das über 20000-mal. Die Verbreitung, die Ruscha sich zum Ziel gesetzt hatte, war durch die Anbindung an das Medium der Ausstellung und eine radikale Preispolitik verwirklicht. Die günstigen, massenhaft aufgelegten und durch staatliche und private Förderung mitfinanzierten Ausstellungskataloge von heute wären also aus dieser Perspektive als Erben und Vollender der Intentionen der Künstlerbücher der 1960er Jahre zu sehen.

55 Ausstellungspreis € 35,–, danach Buchhandelspreis € 65,–. 56 Ruscha/Schwartz, Leave Any Information, S. 65. 57 Vgl. Siri Engberg/Clive Phillpot (Hg.): Edward Ruscha. Editions 1959–1999, Minneapolis 1999, Bd. 2, S. 60. $ 3,50 was heute ca. $ 30,– entsprechen würde. 58 http://web.archive.org/web/20130630193802/http://printedmatter.org/about/books.cfm (10.4.2014). 59 Lutz Jahre (Hg.): Das gedruckte Museum von Pontus Hulten. Kunstausstellungen und ihre Bücher, Ostfildern 1996, S. 174.

»Making a work of art« – Autorschaft und Umgang mit dem Medium Künstlerbücher werden kaum noch als autonome Publikationen gedruckt, sondern möglichst in einen Ausstellungskontext eingebunden, innerhalb dessen ihre Finanzierung gesichert ist. »What publisher is going to take the risk of publishing books that cannot be subsidized or at least partially founded through exhibitions?« 60 fragt rhetorisch die Kuratorin Ute Eskildsen. Andererseits, und hier überschneiden sich historische und systematische Kriterien, war Unabhängigkeit von Institutionen für die damaligen Künstler bei ihrer Buchproduktion zumindest anfangs wichtig. Würde man Selbstfinanzierung, wie Ed Ruscha sie praktizierte, als Kriterium einbeziehen, wären Ausstellungskataloge keine Künstlerbücher. Und welcher als Künstlerbuch deklarierte Katalog bliebe dann noch übrig?

»Making a work of art« – Autorschaft und Umgang mit dem Medium »Ursprünglich auf eigene Initiative der Künstler entwickelt und gedruckt und später institutionalisiert, ersetzt dieser Buchtypus immer mehr den Katalog als solchen.« 61 So fasst Walter Nikkels die Entwicklung konzis zusammen. ›Künstlerbuch‹ ist für ihn in dem Zusammenhang eine historische Kategorie. In der Tat denkt man vor allem an die Publikationen der 1960er Jahre und an die Prägung des Begriffs ›artist’s book‹. Doch beinhaltet der Genitivus Auctoris auch eine systematische Kategorie: die Autorschaft des Künstlers, was im Widerspruch steht zum Verständnis des Katalogs als fremdinitiierter Publikation, siehe die eingangs zitierte Lexikondefinition, wo es heißt: »von den Ausst. Veranstaltern […] herausgegeben« 62, und damit zumindest ein Teil der Autorschaft nicht bei den Künstlern selbst liegt. Aber wie ist der Anteil eines Künstlers an seinem Katalog zu bestimmen? Wenn man sich den bibliographisch-verzeichnenden Paratext eines Ausstellungskatalogs ansieht, so taucht der Name des Künstlers als »Verfasser« im Eintrag zu einem Ausstellungskatalog meist nicht auf, wird im Titel oder unter »sonstige Personen« geführt, obwohl er ja zentral ist; an erster Stelle bei den Angaben der beteiligten Personen ist meist der Herausgeber genannt. Folgt man einer Vereinbarungsdefinition für ein Künstlerbuch, wie sie Barbara Bader mit kritischer Intention gegenüber einer inflationären Begriffsverwendung vorschlägt, so ist es »von einem Künstler gemacht, nicht über ihn, und ein Buch mit dem Anspruch ein Werk per se und nicht über andere Werke« zu sein.63 Zunächst scheint diese Definition recht brauchbar, angewandt wieder auf Ed Ruschas Twentysix Gasoline Stations. Es erschien auf Initiative des Künstlers hin, nicht im Selbst-, aber doch im Kleinverlag, war 60 61 62 63

Ute Eskildsen: Photographs in books, in: Roth, The Open Book, S. 28. Nikkels, Es erscheint ein Katalog, S. 61. Olbrich, Lexikon der Kunst, Bd. 1, S. 355. Bader, Künstlerbücher, S. 55.

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog? von keiner Institution gefördert und hatte keinen Herausgeber, auch keine begleitenden Texte anderer Verfasser, und war nicht zuletzt selbst finanziert. Ruscha konnte also mit gutem Grund als Autor der Publikation gelten. Die Photos im Innenteil und auch die Entscheidungen über Format, Papier, Layout stammen vom Künstler, der sich intensiv mit den buchästhetischen Parametern auseinandersetzt und damit den Werkcharakter betont: »I changed the format about fifty times at the printer’s. […] I’m talking about making a work of art, not about anything else.«64 Man erkennt den Stolz auf dieses selbstproduzierte Buch auf zwei Photographien, Hand Showing Book Cover, Hand Showing Book Spine. (Abb. 2) Die Hand unterstreicht die Kohärenz der Herstellung, siehe die Metapher: »alles aus einer Hand«, – wir werden auf die Inszenierung der Hände am und im Buch noch bei den Katalogen Eliassons zurückkommen – damit die Autorschaft des Künstlers. Andererseits fungieren Künstlerbücher seit den 1960er Jahren als Mittel, um Kunst zu produzieren, die nicht mehr durch Modelle von künstlerischer Einzelautorschaft definiert ist. Die Zusammengesetztheit des Buchmediums bietet sich dafür an. Der Verweis auf eine Vielzahl von Beteiligten ist gerade in zeitgenössischen Publikationen wie Buchprojekten von Olafur Eliasson oder Thomas Demand kein Makel, wovon im Zusammenhang mit der Textsorte der Danksagung noch die Rede sein wird. Und schließlich schaffen auch Institutionen und Verlage neue Begriffe von Autorschaft, wenn etwa der Salon Verlag Künstler auffordert, ein Buch aus ihrer Bibliothek auszuwählen und, lediglich mit vom Künstler gestalteten Cover und Ex Libris, als Künstlerbuch zu deklarieren, wie im erwähnten Buch Thomas Demands, dessen Erstautor jedoch Rudolf Carnap ist. Herausgeber (und damit an der Autorschaft beteiligt) ist der Verleger und Künstler Gerhard Theewen.65 Gegen die rein »nominalistische« Definition des Künstlerbuchs nach dem Beruf ihres Autors wendet sich Anne Moeglin-Delcroix, langjährige Leiterin der Abteilung für Künstlerbücher an der Bibliothèque Nationale, und betont die spezifische Ausrichtung auf das Buchmedium, die das Künstlerbuch erst zu einem solchen mache und ihm Werkcharakter verleihe. Ihre Bezugspunkte sind Künstlerbücher der »klassischen« Periode der 1960er Jahre, doch ist dieser Aspekt genauso für zeitgenössische Ausstellungskataloge interessant. Nicht die Reproduktion von Kunst durch ihren Urheber oder die Verwendung eines reproduktiven Mediums wie Photographie/Photokopie allein verleiht die Qualität eines Künstlerbuchs. Die Notwendigkeit, ephemere Kunst wie in-situ-Arbeiten von Richard Long oder Wandarbeiten von Sol LeWitt festzuhalten und in einem Buch abzubilden, macht für Moeglin-Delcroix noch kein Künstlerbuch aus.66 Mit Blick auf die 64 Ruscha/Schwartz, Leave Any Information, S. 65. 65 Zu diesem Buch vgl. Albert Coers: Das Buch des Künstlers als Künstlerbuch, in: Annette Gilbert (Hg.): Wiederaufgelegt. Zur Appropriation von Texten und Büchern in Büchern, Bielefeld 2012, S. 373– 389. 66 Moeglin-Delcroix, Anne: Esthétique du livre d’artiste 1960–1980, Paris 1997, S. 53.

»Making a work of art« – Autorschaft und Umgang mit dem Medium

Abb. 2 Ed Ruscha: Hand Showing Book Cover, Hand Showing Book Spine (1963).

1969 von der Fernsehgalerie Gerry Schum herausgegebene Publikation Sculpture by Richard Long made for Martin & Mia Visser, Bergeijk 67, die Photos von eigens für die Reproduktion gezogenen Gräben enthält, schreibt sie, es handle sich eher um einen »Katalog« von Photographien von Longs Arbeiten, da aus den Abbildungen selbst kein über sie hinausgehender Mehrwert resultiere. Der indexikalisch-verzeichnend, dokumentarisch verstandene Katalog, selbst wenn er durch einen Künstler gestaltet ist, wird so zur Gegenfolie des Künstlerbuchs. Diese Einordnung wirft interessante Fragen auf: Einmal wie mit der Selbstdefinition des Autors umzugehen ist, der sein Buch, siehe sein Titel, als autonome Skulptur versteht, und in dem es heißt: »According to Rochard Long’s idea the photographic material [the book] in hand does not have the function of documentation: It is the ›Sculpture made for Martin & Mia Visser‹.« Diese Frage wird uns noch bei Eliassons Kategorisierungen seiner Publikationen beschäftigen. Zu überlegen wäre auch, ob die Reproduktionsbedürftigkeit, die alleinige Fortexistenz einer Arbeit im Medium des Buches wie bei Long diesem nicht doch bereits Werkcharakter verleiht, ob der Akt des Abbildens und Ordnens nicht an sich bereits einen Platz innerhalb des Prozesses hat – siehe Peter J. Schneemanns Bemerkungen zum Werkkatalog 68 – und wo die Grenze

67 Vgl. auch: Annette Südbeck: Damit dagegen. Zu den frühen Katalogen der Land-Art, in: Bosse/Glasmeier/Prus, Ausstellungskatalog, S. 120 f. 68 Schneemann, Eigennutz, S. 213.

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog? zwischen einem verzeichnend-abbildenden und einem künstlerisch-medienspezifischen Umgang zu ziehen wäre. Was zeichnet das Buchmedium aus? Ohne mediengeschichtlich allzu weit auszuholen, aber auch ohne es bei rein formalen Definitionen69 zu belassen, seien zwei Positionen genannt: Im Diagramm Phillpots findet sich in der Menge ›Bücher‹ eingeschlossen die der von Künstlern verfassten ›literarischen‹ Bücher, also ist das Buch für ihn vor allem als (traditionelles) Medium von Textinformationen zu verstehen, dem die Menge von nach ästhetischen Gesichtspunkten strukturierter, visuell-material geprägter ›Kunst‹ gegenübersteht; am Ende der Scala steht das Buch als reines Objekt, das nur mehr auf sich selbst verweist. Demnach wäre ein Buch umso mehr Kunst, je weniger Text es enthält. Dagegen sieht Moeglin-Delcroix als Konstituenten eines Buches weniger einen Text, sondern die Struktur als eine geordnete Abfolge von Seiten, Linearität und Sequenzialität.70 Dass diese sich kaum ohne die Funktion der Seiten als Trägermaterial für ebenfalls linear verlaufende Texte herausgebildet hätte, ist von eher mediengeschichtlicher Bedeutung. Im Hinblick auf zeitgenössische Künstlerpublikationen interessant ist die Beobachtung, dass oft mit genau diesem strukturellen Bezug gearbeitet wird, vielfach gegenüber den Künstlerpublikationen der 1960er–80er Jahre noch gesteigert. In Publikationen Thomas Demands etwa spielt, wie wir sehen werden, die Anordnung der Bilder und Texte in Form einer linearen Sequenz, eines Narrativs eine große Rolle, die Struktur des Buches als einer Abfolge von Seiten als Ausgangspunkt für graphische und drucktechnische Interventionen auch in Katalogen Tobias Rehbergers oder Olafur Eliassons, der diese Linearität auch in einem Interview reflektiert und das Moment des Blätterns als konstitutiv für eine spezielle Art von Zeiterfahrung beschreibt: »[…] the book has a very pragmatic way of depicting time: on the left side of the spine, you find what you’ve already looked at, and on the right, what you’re about to see. […] and in this way, the book also creates a ›now‹.«71 Ähnlich wie bei Moeglin-Delcroix ist der Aspekt einer »Materialgerechtigkeit« auch in der Definition des Künstlerbuchs durch Printed Matter zentral. Über die Künstlerpublikationen ab Mitte der 1970er Jahre heißt es: »These books were not simply catalogues of pre-existing artworks, but rather works in their own right, ›narratives‹ intended to be seen in a printed, bound, and widely disseminated format.« 72 Hier ist das gedruckte Medium mit einer weiten Verbreitung verknüpft, und ähnlich wie bei Delcroix bildet der

69 Vgl. die Definition der UNESCO von 1964: »A book is a non-periodical printed publication of at least 49 pages, exclusive of the cover pages, published in the country and made available to the public;« http://portal.unesco.org/en/ev.php-URL_ID=13068&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION= 201.html (1.4.2014). 70 Moeglin-Delcroix, Esthétique du livre d’artiste, S. 56. 71 Interview mit Luca Cerizza in: TYT 2, S. 52. 72 http://web.archive.org/web/20130630193802/http://printedmatter.org/about/books.cfm (10.4.2014).

Der Katalog – poetisch oder pragmatisch? Die Ausstellung als Referenz konventionell verstandene Katalog von existierenden Arbeiten eine Folie, vor der sich Künstlerbücher abheben. Wenn man das Kriterium eines künstlerisch adäquaten Umgangs mit dem Buchmedium zugrundelegt, sind also auch entsprechende Ausstellungskataloge zu den Künstlerbüchern zu rechnen, was einerseits der hier verfolgten Absicht einer Aufwertung des Katalogs entgegenkommt, andererseits eine Abgrenzung gegenüber dem Künstlerbuch nicht unbedingt erleichtert. Auch die angeführten Kriterien des Preises, der Verbreitung und des Aufbewahrungsorts, ebenso das der Autorschaft lassen sich als eingrenzende Parameter allenfalls näherungsweise verwenden. Die Institutionalisierung des Künstlerbuchs als Ausstellungskatalog trägt ebenfalls dazu bei, die Grenzen zu verwischen. Um den Blick zu schärfen und den Gegenstand des Interesses doch etwas genauer zu bestimmen, soll es im Folgenden stärker um den Katalog selbst gehen, seine »pragmatische« und seine poetische Form, seine Beziehung zu einer Ausstellung, und um Versuche, diese Beziehung immer wieder zu variieren. Dabei sei zunächst von einer systematischen Bestimmung des Katalogs ausgegangen. Angeschlossen werden Beispiele aus der Geschichte des Ausstellungskatalogs, die sich in Beziehung setzen lassen zu der dann folgenden Besprechung von zeitgenössischen Fallbeispielen.

Der Katalog – poetisch oder pragmatisch? Die Ausstellung als Referenz Ein Katalog ist, etymologisch betrachtet, schlicht eine Aufzählung von Dingen, die unter einem bestimmten Oberbegriff gefasst werden können.73 Er kann bilanzierende, informierende, ordnende, aber auch rhetorische Funktion haben. Der Katalog der griechischen Schiffe, ihrer Herkunft und Besatzung erstreckt sich in der Ilias über mehrere hundert Verse.74 Er bezieht sich auf ein zurückliegendes Ereignis, ist Auf- und zugleich Erzählung: Die reale historische Entsprechung ist dabei für den Rezipienten nicht (mehr) erheblich gegenüber der poetischen Absicht: Vermittelt soll werden, um welch ein gewaltiges und alle Griechen umfassendes Unternehmen es sich beim Feldzug handelt. Ähnliche akkumulierende Aufzählungen lassen sich leicht finden, in Litaneien etwa, oder als rhetorisches Stilmittel.75 Es scheint recht einfach: je umfangreicher der Katalog, desto größer die kalkulierte Wirkung, eine Korrelation, bei der sich ein Vergleich mit zeitgenössischen Publikationen wie Demands Processo grottesco (2007) oder Eliassons Encyclopedia

73 Vgl. die Ableitung von griech. »katalégein«: »aufzählen«, zu griech. »legein«: »zählen, berechnen« und griech. »kata«: »entsprechend, nach, hinab«, Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearb. v. Elmar Seebold, Berlin 242002, S. 477. 74 Ilias, Buch 2, V. 494–759. 75 Vgl. Heinrich Lausberg: Handbuch der literarischen Rhetorik, München 1973, Stichwort ›enumeratio/ accumulatio‹, §§ 665–687.

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog? (2009), generell mit Ausstellungskatalogen ab den 1960er Jahren aufdrängt. Ein Beispiel wäre hier der bilderakkumulierende Katalog von Andy Warhol zu seiner Ausstellung im Moderna Museet Stockholm 1968. Auch hier ist die tatsächliche Anwesenheit der Akteure, der im Katalog reproduzierten Arbeiten in der Ausstellung zweitrangig, die Absicht ist es nicht, ein (historisches) Dokument eines bestimmten Orts und Zeitpunkts zu liefern. Die Wiederholende der Aufzählung an sich ist das Thema, auch das Kollektiv der Factory, deren Mitglieder in unzähligen Bildern abgebildet sind. Doch stellt sich hier die Frage, wie notwendig die Entsprechung zwischen der Auflistung und ihrem Referenten ist, in dem Fall der Ausstellung. Umberto Eco hat 2009 eine Anthologie von Texten und Bildern aufzählend-katalogisierenden Inhalts herausgegeben und verschiedene Semantiken beschrieben.76 Dabei unterscheidet er zwei Arten von Katalogen: Der »poetische« ist in künstlerischer Absicht erstellt und kann auch fiktional sein, siehe den Katalog der Schiffe bei Homer, der »pragmatische« bezieht sich auf real existierende Objekte und hat rein aufzählende Funktion; er ist abgeschlossen und in sich vollständig, die Zahl seiner Gegenstände definiert, schließlich ist er nicht gegenüber seinen durch Zeit und Ort bestimmten realen Referenten veränderbar, so dass es »unrichtig und außerdem unsinnig wäre, im Katalog eines Museums ein Gemälde hinzuzufügen, das dort nicht aufbewahrt wird.«77 Wird dieser Katalog verändert, handelt es sich um eine andere Liste, die sich auf einen anderen Zustand bezieht. Man könnte mit Eco das Kriterium einer Beziehung auf einen Referenten als Kriterium zur Unterscheidung von Künstlerbuch und Ausstellungskatalog heranziehen, das weiter reicht als das von Preis, Autorschaft und medienspezifischer Verwendung. So stehen dezedierte Künstlerbücher wie das erwähnte Your House von Eliasson oder Demands Buch der Ex Libris-Reihe nicht im Zentrum des Interesses, da hier der Bezug auf andere Arbeiten und eine Ausstellung fehlt und auch nicht angestrebt ist. Dabei ist klar, dass es zwischen pragmatischem und poetischem Katalog Mischformen und Überschneidungen gibt, und diese werden uns besonders interessieren, wenn wir einen Blick auf die Geschichte des Katalogs werfen, ebenso wie die Art des Umgangs mit der Referenz. Eco nennt nicht zufällig als Beispiel für einen referenziell-pragmatischen Katalog den Bestandskatalog eines Museums, gilt es doch als systematisch konservierende Institution schlechthin, in der genau dokumentierte Bestände unabdingbar sind. Speziell das Kunstmuseum ist gewählt, weil in ihm die Präsenz eines Originals versichert ist. Der Aspekt der Entsprechung und Präsenz scheint für den Ausstellungskatalog ebenso wesentlich zu sein. Nicht umsonst leitet sich der Ausstellungskatalog aus den Inventarlisten mittelalterlicher 76 Umberto Eco: Die unendliche Liste, München 2009. Vgl. auch Sabine Mainberger: Die Kunst des Aufzählens. Elemente zu einer Poetik des Enumerativen, Berlin 2003. Im Anschluss an Mainberger sei der umfassendere Begriff des Katalogs gegenüber der eher an die Textform gebundenen Liste verwendet. 77 Eco, Die unendliche Liste, S. 113.

Der Katalog – poetisch oder pragmatisch? Die Ausstellung als Referenz und neuzeitlicher Sammlungen her 78, die sowohl das Aufgefundensein, also die Festschreibung eines Zustandes, als auch die Auffindbarkeit und damit den Zugriff auf einen Gegenstand bezwecken. Ein Inventar klärt nicht zuletzt Besitzverhältnisse. Gleich hier ließe sich einer der ersten Künstlerkataloge anschließen, der diesem Zweck dient und doch mehr ist als eine Kuriosität: Claude Lorrains Liber veritatis, ein vom Künstler etwa 1630 begonnener und bis zu seinem Tod fortgeführter Katalog seiner Gemälde, in die er alle angefertigten und verkauften Arbeiten als Miniaturen inklusive Besitzvermerke als Zeichnungen kopierte, um die Übersicht über seine in verschiedene Ländern kursierenden Bilder und die Kontrolle gegenüber Fälschungen zu behalten, eine Fixierung seines Copyrights, gleichzeitig seines Œuvres insgesamt.79 Dieser Katalog zeigt dabei die Verselbständigung des Mediums: Obwohl als pragmatisches Hilfs- und Kontrollmittel konzipiert, wurde das Buch im 18. Jahrhundert druckgraphisch reproduziert und als autonomes Werk in Umlauf gebracht. Dieser Prozess der Autonomisierung lässt sich in einer Revue von Momenten aus der Geschichte des Ausstellungskatalogs geradezu als Leitmotiv erkennen. Ende des 17. Jahrhunderts erscheinen die ersten Ausstellungskataloge anlässlich der Akademieausstellungen in Paris, Leistungsschauen der staatlich-königlichen Institution. Sie sind sehr stark auf den Anlass bezogen, die Ausstellung als ein »zeitlich begrenzter und örtlich nicht gebundener Schauzusammenhang von Kunstgegenständen« 80 – wozu noch die Eigenschaft der Öffentlichkeit zu ergänzen wäre. Sie sind mit »Liste«, »Description« oder »Explication« betitelt, signalisieren damit ihren pragmatischen, gleichzeitig informierenden Charakter und stehen Abb. 3 Katalog der Salon-Ausstellung Paris 1763. mit ihren aufzählend-beschreibenden Bildlegenden noch in der Tradition der Inventarlisten und der Ekphrasis-Literatur von Kunst in Reiseführern. (Abb. 3) 78 Vgl. Mackert, Katalog statt Ausstellung, S. 100. 79 Vgl. Johannes Zahlten: Prodromus. Vorläufer des illustrierten Sammlungskatalogs. Eine Skizze, in: Bosse/ Glasmeier/Prus, Ausstellungskatalog, S. 13. 80 Georg Friedrich Koch: Die Kunstausstellung. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Berlin 1967, S. 5.

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog? Diese ersten Kataloge sind bilderlos. Manchmal ist es der Betrachter selbst, der das Ausgestellte zeichnend abbildet, den Text ergänzt und so den Katalog als Souvenir einer Ausstellung personalisiert.81 Man kann sich fragen, warum die ersten Ausstellungskataloge nicht bebildert sind, während es zur gleichen Zeit doch das florierende Genre des Galeriebildes und illustrierte Sammlungskataloge gibt. Dies hängt mit der Ephemerität und zunächst geringen Wertigkeit zusammen, die dem Medium ›Ausstellung‹ zugemessen wird. Während die Ansichten von Sammlungen, von Kunstkammern und Kirchenschätzen auf einen dauerhaften Bestand Bezug nehmen, dessen Abbildung über lange Jahre hinweg Gültigkeit und repräsentativen Nutzen verspricht, erscheint der Aufwand der Reproduktion der ja nur temporär gezeigten und nicht in einer institutionellen Sammlung, sondern in verschiedenen privaten Händen oder im Besitz der Künstler befindlichen Kunstwerke nicht gerechtfertigt. Das Interesse an einer Präsentation in Ausstellung und Katalog ist, ganz anders als heute, auch von Seiten der Künstler zunächst gering, das Ausstellungswesen selbst etabliert sich erst langsam im 19. und 20. Jahrhundert, im Zuge der Entwicklung eines privaten Kunstmarkts und von Institutionen, die Ausstellungen veranstalten, wie Galerien, Kunstvereinen und Museen. Für die Künstler der Avantgarden, die eine sich entwickelnde Szene von Galerien sowie eigenorganisierte Ausstellungen als alternative Plattform nutzen, wird ›Ausstellen‹ dann eine Notwendigkeit und eine zentrale Tätigkeit ihrer Profession, wie Oskar Bätschmann es in der Figur des »Ausstellungskünstlers« beschrieben hat. Und so werden erst im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bebilderte Kataloge Standard, wozu natürlich auch die Entwicklung der druckgraphischen Techniken beiträgt. Ein Beispiel für den innovativen Umgang mit sich herausbildenden Standards und dem Problem der adäquaten Abbildung von Kunst ist der Katalog zur Ausstellung der Künstlergemeinschaft Die Brücke in der Dresdner Galerie Ernst Arnold 1910. Verglichen etwa mit dem Heftchen zur Ausstellung Der Blaue Reiter im selben Jahr ist er mit 40 Seiten und einem Format von etwas über DIN-A5 ein recht aufwendiges Druckerzeugnis für die damalige Zeit, das »das gesteigerte Selbstbewusstsein der Gruppe spiegelt.« 82 Neu ist seine konzeptionelle und gestalterische Geschlossenheit: Alles stammt von den Künstlern selbst. Der Clou ist, dass die ausgestellten Arbeiten im Katalog nicht einfach photographisch reproduziert, sondern in Holzschnitte übersetzt wiedergegeben sind, in einem archaischen, unakademischen, gewissermaßen wiederentdeckten Low-Tech-Druckverfahren, das die Künstler auch in vielen der ausgestellten Arbeiten verwenden und so Ausstellung und Katalog aufeinander beziehen. Jede Reproduktion wird zu einer Originalgraphik, der Katalog zu einer Edition. Ebenso regressiv-innovativ wie die Wahl des Reproduktionsmediums ist die Art der Ausführung: Man kopiert sich wechselseitig inner81 Abbildungen solcher illustrierter Katalogexemplare bei Koch, Kunstausstellung, Abb. 69–73. 82 Eberhard Roters (Hg.): Stationen der Moderne. Kataloge epochaler Kunstausstellungen in Deutschland 1910–1962, Kommentarband, Köln 1988, S. 34.

Der Katalog – poetisch oder pragmatisch? Die Ausstellung als Referenz

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halb der Gruppe, auch das ein archaisierendes Verfahren, noch bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts sehr verbreitet und geschätzt, dem als individuelle Interpretation hohe Bedeutung zugemessen wurde.83 Auf dem Ausstellungsplakat ist ein Holzschnitt von Ernst Ludwig Kirchner zu sehen, auf dem Einband des Katalogs dasselbe Motiv, dessen Übertragungsmodus mit der Unterschrift »Bild von E. L. Kirchner. Schnitt von E. Heckel« offengelegt ist. (Abb. 4) Die Anordnung in zwei gleichen Zeilen drückt die Gleichwertigkeit von Produzenten und »Kopisten« aus. Hier spiegeln sich enge soziale und ideelle Beziehungen wider – analog zu den gegenseitigen Porträts der Gruppenmitglieder, etwa dem Porträt Pechsteins durch Heckel, wie der Katalog entstanden 1910. Dieser Akt der wechselseitigen Interpretation bzw. Abbildung lässt an Praktiken denken, wie sie beispielsweise Tobias Rehberger in Arbeiten und AusstellungsAbb. 4 Holzschnitt von Ernst Heckel nach katalogen immer wieder aufgegriffen hat. In der Art E. L. Kirchner, Kat. Die Brücke, Galerie der Abbildung im Brücke-Katalog steckt aber auch die Arnold, Dresden 1910. Verweigerung eines realistischen, mit der ausgestellten Vorlage deckungsgleichen Bildes. Dadurch sind Katalog und Ausstellung aber umso enger miteinander verknüpft: Der Betrachter wird neugierig gemacht auf die ausgestellten Arbeiten, die er aus dem Katalog ja nicht vollständig erschließen kann. Dies erinnert an die noch zu besprechende Bildpolitik Thomas Demands, wo die ausgestellten Arbeiten nicht wiedergegeben sind, sondern Bildvarianten. »Der bebilderte Ausstellungskatalog wird zum Gegenstand ästhetischer Reflexion und eigenständiges künstlerisches Werk […].«84 Die Verwendung des Katalogs als künstlerisch-diskursives Medium findet aber nicht nur im Umgang mit Bildern statt, sondern auch mit Texten. Zunächst ist die Redaktion fest in den Händen der ausstellenden Institution, also der staatlichen Akademien und Salons und folgt ritualisierten, am Buch orientierten Paratexten und einer Struktur, die für Kataloge bis ins 21. Jahrhundert mit geringen Veränderungen kanonisch ist: Ein Titel mit dem Hinweis auf den Ort der Ausstellung, die Nennung der Beteiligten, eine Art Impressum also, ein einleitendes Vorwort mit einer Ergebenheitsadresse an den Regenten und das Publikum, und schließlich der eigentliche Katalog, die Liste der ausgestellten Werke, die durch Nummern mit diesen verknüpft ist. Betont ist die Rolle der 83 Vgl. Ullrich, Raffinierte Kunst, bes. S. 32 f. 84 Dagmar Bosse: Souvenir, Dokument und Substitut. Die Abbildung im Ausstellungskatalog, in: Bosse/ Glasmeier/Prus, Ausstellungskatalog, S. 38 f.

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog? Einrichtung, die Ausstellung und Katalog initiiert. »[…] Dont l’Exposition a été ordonnée, suivant l’intention de SA MAJESTE« 85 (Abb. 3) beginnt der Katalogtitel einer der Salon-Ausstellungen des 18. Jahrhunderts, im Stile einer offiziellen Verlautbarung. Der Katalog gewinnt im Lauf der Salon-Ausstellungen an Eigengewicht, was sich auch daran erkennen lässt, dass auch der »Redacteur« des Katalogs namentlich erwähnt wird. Ein Schritt in Richtung Autonomisierung des Katalogs ist, bei Beibehaltung der verzeichnenden Funktion, die Besetzung des Vorworts zur Propagierung von Programmen und künstlerischen Anliegen durch die Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts. Das Ergebnis sind »Pamphlete« in doppelter Hinsicht: einmal als Flugschrift/dünnes Heft (was sich im Englischen erhalten hat), dann von ihrem Inhalt her als Form publizistischer Angriffsliteratur. Der Kunsthändler Alfred Flechtheim beispielsweise nimmt sich 1913 vor, eine »Kampfausstellung« für seine Künstlerfreunde, die Sezessionisten, zu veranstalten und kündigt an: »[…] ich werde den Katalog drucken lassen, und das Vorwort wird gedruckt und bekämpft.«86 Es scheint hier weniger um die Ausstellung und die dort gezeigte Kunst zu gehen als um den Katalog. Er hat sich von der Ausstellung emanzipiert, zu der er eigentlich als Paratext fungiert, und das Vorwort, lange Zeit eine Routineangelegenheit in Form devoter Ergebenheitsadressen, wird Ort für programmatische und provokante Statements. Die Künstlerpublikation als Diskursmittel spielt ab den 1960er Jahren wieder eine wichtige Rolle – siehe Lawrence Weiners Statements, die selbst den Status eines Kunstwerkes bekommen, oder Daniel Burens kunstkritische Essays, bis hin zu zeitgenössischen Katalogen, etwa denen Olafur Eliassons, wenn diese auch weniger kämpferisch auftreten. Der Katalog der DADA-Messe von 1920 nimmt zusammen mit der Ausstellung eine kritische Haltung gegenüber dem Kunstbetrieb selbst ein und zitiert dabei bestehende Konventionen. Auch hier ist interessant, wie Ausstellung und Katalog aufeinander abgestimmt sind. Ausgestellt wird eine Masse von Exponaten, um das einzelne Kunstwerk zu entwerten, Gemälde, Plastiken, aber ebenso Plakate, Collagen aus Zeitungen. Provokativ wirken die billigen Materialien und die offensichtlich schnelle Machart, die dichtgedrängte, wie zufällige Hängung, nur rudimentäre Bildlegenden und die Verwendung von Fundstücken aus der Alltags- und Populärkultur. Begleitet wird die Ausstellung von einem Katalog, die sich inhaltlich wie materiell stark auf sie bezieht: Es gibt einen großformatigen, vierseitigen Faltprospekt, der an Zeitungen angelehnt ist, »ungewöhnlich, unhandlich und auf sehr billigem Papier gedruckt – eigentlich eine Zumutung für den Besucher.« 87 Das bewusste Unterlaufen technischer Standards war bereits als Strategie im Brücke-Katalog verwendet, dort allerdings um den Kunstcharakter zu betonen. Mit dem Zitat des Populären, Massenhaften, der Betonung ihres Dilettantismus in Arbeiten, Aus85 Katalog der Salon-Ausstellung von 1763, siehe Koch, Kunstausstellung, Abb. 65 a. 86 Alfred Flechtheim: Tagebuchblätter, 12. Juni 1913, zit. nach Thurn, Vernissage, S. 147. 87 Helen Adkins in: Roters, Stationen der Moderne, S. 79.

Der Katalog – poetisch oder pragmatisch? Die Ausstellung als Referenz stellung und Katalog führen die Dadaisten einen als elitärer-exklusiv empfundenen Kunstbegriff ad absurdum, während gleichzeitig Galeristen wie Paul Cassirer Wert legen auf distinguierte, bibliophil ausgestattete Kataloge. Die Dadaisten dagegen spielen ironisch mit den Katalogkonventionen: Die Titel sind größtenteils hypertroph-absurd, so dass sich ihre Auflistung wie dadaistische Poesie liest, Technik und Material nur in den seltensten Fällen angegeben, Maße überhaupt nicht. Diese Angaben hätten die Arbeiten schon mit einem Ernst aufgeladen und ihnen den Status als Originalwerke zugewiesen, den die Dadaisten gerade ablehnten. Bei aller Unkonventionalität ist jedoch das Verzeichnis an sich beibehalten, was erst die angestrebte parodistische Wirkung ermöglicht. Alle aufgeführten Arbeiten waren, soweit aus Bilddokumenten nachvollziehbar, auch in der Ausstellung zu sehen. Ein ähnliches Konzept von Irritation bei gleichzeitiger Einhaltung von Katalogkonventionen verfolgt Tobias Rehberger beispielsweise im Katalog Geläut – bis ich’s hör …88 Das Verzeichnis der ausgestellten Gegenstände wird immer wieder als »Herzstück« des Katalogs und seine Raison d’être bezeichnet, etwa von Eberhard Roters, dem Gründungsdirektor der Berlinischen Galerie. Denn nur so sei es möglich, bezüglich der Ausstellung eine »absolute, von der Authentizität losgelöste Legendenbildung zu verhindern oder wenigstens einzuschränken.« 89 Dies erinnert an die Funktion von Lorrains Liber Veritatis. Das Verzeichnis dient als Dokument eines einmaligen Zustandes, als Garant für Historizität. Mit ihm ist es möglich, die gezeigten Arbeiten auch später noch zu identifizieren, die Ausstellung zu rekonstruieren. Roters hat den Nachdruck von Katalogen von Kunstausstellungen zwischen 1910 und 1962 initiiert, die er für »epochemachend«, also für den Kunstdiskurs eminent wichtig hielt, und die, bei aller Verschiedenheit, doch eines gemeinsam hatten: Sie beinhalteten ein Verzeichnis der ausgestellten Arbeiten. Historische Bedeutung der Ausstellungen und Belegbarkeit in Form eines Katalogs scheinen eng verknüpft. Doch gerade diese Kongruenz ist bei Katalogen ab den 1960er Jahren oft aufgehoben, die Zahl der abgebildeten Arbeiten gegenüber den in der Ausstellung präsenten häufig erweitert oder, seltener, vermindert, und es ist nicht immer leicht zu unterscheiden, ob Künstler die Gelegenheit wahrnehmen, einfach mehr Arbeiten zu zeigen als in der Ausstellung, oder ob sie den Unterschied zwischen einem ausgestellten Original und seiner Reproduktion im Katalog selbst künstlerisch thematisieren. Roters hatte bei seiner katalogkritischen Betrachtung vielleicht einen Katalog wie den von Andy Warhols von 1968 im Sinn: Es ist kaum erkennbar, dass es sich um einen solchen handelt. Auf dem Umschlag gibt es kein Logo der Institution, im Innenteil keine Ansichten der Ausstellung. Texte über den Künstler oder die Kunstwerke fehlen ebenso wie ein Vor- oder 88 Tobias Rehberger: Geläut – bis ich’s hör ..., Kat. Museum für Neue Kunst am ZKM Karlsruhe 2002, im Folgenden auch abgekürzt mit »Geläut.« 89 Roters, Stationen der Moderne, S. 16.

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog? Nachwort, eine Biographie. Neben diesen Paratexten, die aber für sich genommen bereits die Gattung ›Ausstellungskatalog‹ konstituieren, ist auch die Liste der ausgestellten Arbeiten abwesend. Der Bezug zur Ausstellung ist denkbar unauffällig, im lakonischen Impressum heißt es: »This book was published in the occasion of the Andy Warhol exhibition at Moderna Museet in Stockholm.« Die Publikation wird als »book« bezeichnet, nicht als Katalog, um nicht die Erwartungen an einen solchen erfüllen zu müssen. Neben diesem Hinweis sind die Übersetzungen von Warhol-Zitaten ins Schwedische, eine Sprache mit einem begrenzten Verbreitungsraum, die einzigen Hinweise auf die Bindung an einen Ausstellungsort. Sie erstaunen den heutigen Rezipienten, der ohne Vorwissen das Buch aufschlägt. Die Kategorisierung der Publikation stellt auch Bibliothekare vor Probleme: Um den Status zu klären, findet sich in einem Exemplar unter dem Namen »Andy Warhol« im Schmutztitel mit Bleistift vermerkt: »[Ausst.]« 90 (Abb. 5) Warhols Ausstellungskatalog als weitgehend autonomes Künstlerbuch geht als einer der ersten Vertreter seiner Art in die Geschichte des Mediums ein91, und viele Künstlerpublikationen der 1960er und 1970er Jahre deklinierten den Katalog als Künstlerbuch und dessen Möglichkeit, anstelle einer Ausstellung zu fungieren, geradezu systematischpermutierend durch.92 Neben den Büchern von Ruscha sind die Publikationen im New Yorker Kreis um den Galeristen und Kurator Seth Siegelaub von großer Bedeutung, der mit Konzeptkünstlern wie Lawrence Weiner, Joseph Kosuth und Douglas Huebler zusammenarbeitet. Sieglaub hat zeitweise keinen festen Galerieraum zur Verfügung und braucht für die von ihm vertretene entmaterialisierte Kunst in vielen Fällen auch keinen. Ortstermine finden häufig in Privatwohnungen statt. Das Schwergewicht der Ausstellungen verlagert sich auf die Publikation von Büchern, die Kataloge und Künstlerbücher zugleich sind. Die Rezeption kann im Galerieraum oder im Buch stattfinden. Die Arbeiten von Douglas Huebler beispielsweise, Photoserien mit einem beschreibenden Text, funktionieren »equally well on the page or on the wall, so viewing (or owning) the ›original‹ work became, in effect, beside the point.« 93 So sind Photos beispielsweise in einem Rahmen an der Wand präsentiert und daneben, in einem weiteren Rahmen, Text. Dieselbe Anordnung ist in die Doppelseite des Katalogs übernommen, wo die Seiten als Rahmen fungieren. Das Buch ist konsequent als Katalog bezeichnet, denn es ist nicht als Künstlerbuch ausschließlich »for the page« konzipiert. Eine Ausstellung von Huebler in Siegelaubs Wohnung im November 1968, also im gleichen Jahr wie Warhols Ausstellung in Stockholm, besteht dann nur in einem Ausstellungskatalog, laut der Historiographie von Siege-

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Bibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte München, Signatur D2-War 127/35. Parr/Badger, Photobook, Bd. 1, S. 238 f. Vgl. Mackert, Katalog statt Ausstellung, S. 102 f. Cornelia Lauf/Clive Phillpot (Hg.): Artist/author: contemporary artists’ books, New York 1998, S. 33.

Der Katalog – poetisch oder pragmatisch? Die Ausstellung als Referenz

Abb. 5 Andy Warhol, Kat. Moderna Museet Stockholm 1968, mit Eintragung.

laub »the first exhibition in which the catalogue was the exhibition.« 94 Man könnte die Ausstellung auch als Buchpräsentation bezeichnen, aber dass sie ausdrücklich als »exhibition« geführt wird, zeigt den Anspruch des Katalogs auf Eigenständigkeit. Was als Ausstellung anzusehen ist, wird durch die Akteure definiert, da man sich noch fern der sonst maßgeblichen Galerien und Museen bewegt. Auch die folgende Ausstellung von Lawrence Weiner besteht nur in einem Buch, Statements, das später innerhalb der Konzeptkunst Kultstatus erreicht. Anders als bei Huebler wird die Publikation nicht als »Katalog«, sondern als »Buch« bezeichnet: Sie enthält keine Reproduktionen von Kunst, die auch in anderer Form existiert, sondern ist als Text selbst die Arbeit und für keine andere Präsentationsform vorgesehen – in ihrem Autonomieanspruch damit den bildbasierten Künstlerbüchern ähnlich, etwa denen Ed Ruschas, wo Photos allein für die Buchform bestimmt sind. Die in der Konzeptkunst praktizierte Reproduktion von vorgefundenem Bildmaterial wird gegenüber einem referenzierenden Verzeichnen von Bildern abgegrenzt: »Die vorliegende Publikation ist mehr als ein Katalog im üblichen Sinn – sie weist nicht nur auf ein Kunstwerk hin, sie ist selbst das Kunstwerk«95 heißt es im Vorwort zum Ausstellungskatalog mit dem lakonisch-tautologischem Titel Bilder-Pictures von Hans-Peter Feldmann. Wie Anne Moeglin-Delcroix zum Katalog als Künstlerbuch schreibt, sind Künstlerkataloge der 1960er und 70er Jahre eine der »fers de lance« im Kampf gegen traditionelle Definitionen von Kunst und Original. Es folgt eine »confusion volontaire des genres qui 94 http://web.archive.org/web/20120226010822/http://egressfoundation.net/egress/index.php?option= com_content&view=article&id=64&Itemid=310/ (3.4.2014). 95 Hans-Peter Feldmann: Bilder – Pictures, Kat. Kunstraum München 1975.

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Zum Gegenstand: Künstlerbuch und/oder Ausstellungskatalog? rend indécise, parfois indécidable, la discrimination entre le catalogue et l’œuvre, le document et le livre d’artiste.« 96 Während auf der documenta 1972 und 1977 dem Buchmedium noch eigene Ausstellungsflächen gewidmet sind, die Veränderung des Ausstellungskatalogs hin zum »Objektkatalog« eigens im Katalog erwähnt wird 97, nimmt der Stellenwert des Katalogs als konzeptuelles Kunstwerk in folgenden Jahren ab: »In the 1980s, artists were sometimes allowed interventions in the catalogue but the catalogue was never the exhibition itself«98 schreibt Cornelia Lauf und stellt plausibel einen Zusammenhang mit der »Rückkehr zum Objekt« in der Kunst dieser Jahre her. Auch die Historisierung der Avantgarden spielt eine Rolle: Der Anspruch an Dokumentation und wissenschaftliche Einordnung wird höher. In den 1990er Jahren ist die Autonomisierung des Katalogs wieder ein Thema, siehe auch die 1997 von Peter Weibel kuratierte Ausstellung im österreichischen Pavillon zur Biennale von Venedig, die nur aus einem Kubus kostenlos mitzunehmender Katalogen bestand.99 Allerdings hat dieser Katalog im Unterschied zu den Künstlerbüchern der 1960er Jahre stark referenziellen Charakter: Zwar ist er als Skulptur bezeichnet, was an den erwähnten Land-Art-Katalog von Richard Long erinnert, aber als »Informationsskulptur«, deren Inhalt eine Darstellung der Aktivitäten der Wiener Gruppe ist. Hier überschneiden sich wissenschaftlich-kuratorische und künstlerische Praxis, was auch für Olafur Eliassons Ausstellungskatalog Surroundings Surrounded (2002) eine Rolle spielt, der ebenfalls primär als Textsammlung konzipiert und von Peter Weibel herausgegebenen ist. An diesen Streifzug durch die Geschichte des Ausstellungskatalogs und den Beispielen seiner pragmatischen und poetischen Verwendung kann man eine Frage anschließen: Wie situiert sich die aktuelle Katalogproduktion gegenüber einer historischen Umgangsweise mit Katalog/Künstlerbuch der Praxis der Avantgarde der 1960er/70er Jahre – die doch bereits vieles vorweggenommen hat, was sich auch später wiederfindet? Teilweise ist dies bei den vorgestellten Projekten schon angeklungen, wir werden darauf im Verlauf und am Ende der Analyse einzelner Katalogœuvres noch zurückkommen. Anstatt »nur« autonom zu sein, werden variable Modelle von Autorschaft, Ausstellungsbezug und Verhältnis zu den Institutionen verwendet. Was viele zeitgenössische Künstlerkataloge interessant macht, ist gerade der bewusste Umgang mit kataloghistorischen Konventionen und Kategorien, mit denen sie wohlvertraut scheinen. Im Folgenden sollen als Fallstudien drei Positionen besprochen werden, die von Thomas Demand, Tobias Rehberger und Olafur Eliasson. Die Reihenfolge geht dabei von der These aus, dass die einzelnen Katalogœuvres im Hinblick auf Ausstellungsbezug und den Umgang mit Bildern und Texten immer autonomer werden. 96 Anne Moeglin-Delcroix: Du catalogue comme ouvre d’art et inversement, in: diess: Sur le livre d’artiste. Articles et écrits de circonstance (1981–2005), Marseille 2006, S. 192. 97 Rolf Dittmar: Metamorphosen des Buches, in: Kat. documenta 6, Kassel 1977, Bd. 3, S. 296–299. 98 Cornelia Lauf: Cracked spines and slipped disk, in: Lauf/Phillpot, Author-Artist, S. 73. 99 Peter Weibel (Hg.): die wiener gruppe: ein moment der moderne 1954–1960. die visuellen arbeiten und die aktionen (…), Wien, New York 1997. Vgl. Mackert, Katalog statt Ausstellung, S. 102–105.

Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands Katalogmodelle: zwischen Kommentar und autonomer Erzählung »Einen Führer an der Hand« – Der Katalog als Ausstellungsbegleiter »Die Unbequemlichkeit, ein Buch halten und an immer neuen Stellen aufblättern zu müssen, kommt gar nicht in Betracht gegenüber der Wohltat, einen Führer an der Hand zu haben, der die Planlosigkeit der eigenen Betrachtung etwas korrigiert.«100

So preist Heinrich Wölfflin 1907 die Vorzüge eines Führers in Buchform als Begleiter durch eine Ausstellung. Dieses Konzept scheint angesichts zeitgenössischer Ausstellungskataloge überholt, die meist viel zu schwer sind, um sie mitzutragen, oder die den Anspruch, den Betrachter »führen« zu wollen, als zu didaktisch-autoritativ zurückweisen würden. Die personalisierende Metapher ist jedoch immer wieder zu finden, und sei es nur im Hinweis im Impressum, dass die Publikation die Ausstellung »begleitet«, also zu ihr in enger, zugeordneter Beziehung steht. Markus Krajewski hat in seiner brillanten Mediengeschichte des Dieners gezeigt, wie diese Figur in Verzeichnis- und Recherchemedien bis in die Gegenwart fortlebt und welche Eigendynamiken und Autonomien dabei eine scheinbar untergeordnete, vermittelnd-dienende Instanz entwickelt.101 Und es ist kein Zufall, dass Wolfgang Ullrich in seinem Artikel über die Wandlung des zeitgenössischen Ausstellungskatalogs »Vom Diener zum Teil des Kunstwerks« ebendiese Metapher verwendet. Wie wir im historischen Abriss über die Entwicklung von Ausstellungskatalogen gesehen haben, sind die ersten Kataloge eine schriftgewordene Form der Guides, die Sachinformationen, wie Sujet und Künstlername, aber auch Erklärungen der Bildinhalte bie100 Heinrich Wölfflin: Über Galeriekataloge (1907), zit. nach: Bosse/Glasmeier/Prus, Ausstellungskatalog, S. 26. 101 Markus Krajewksi: Der Diener. Mediengeschichte einer Figur zwischen König und Klient, Frankfurt/ Main 2010.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele ten, und die »bald zu dem wichtigsten unmittelbaren Vermittlern zwischen Publikum und Ausstellung werden«102, wie Georg Friedrich Koch in seiner Geschichte der Kunstausstellung schreibt. Die Formulierung »unmittelbare Vermittler« klingt widersprüchlich; gleichzeitig ist in ihr die interessante Paradoxie des Mediums ›Katalog‹ enthalten; gemeint ist die Vermittlung ohne einen als Person anwesenden Führer und seinen verbalen Einlassungen gegenüber der gedruckten Form. Dieser wird zugetraut, einen direkteren Zugang zu bieten, da der Besucher sie in Händen halten und selbständig lesend rezipieren kann. Dass ein solcher gedruckter Guide überhaupt benötigt wird, hängt mit der Öffnung der Kunstorte für ein breiteres Publikum zusammen, die eine exklusive Betreuung von Einzelbesuchern durch einen Führer als Person, wie in den fürstlichen Sammlungen und Galerien üblich, unpraktikabel werden lässt. Der Katalog übernimmt dessen Platz und kann individuell konsultiert werden. Weiter ist das Kommentarbedürfnis ein Ergebnis von Spezialisierung und Intellektualisierung der Produzenten, dem ein nicht im gleichen Maß ausgebildetes Publikum gegenübersteht: Häufig sind es ›akademische‹ Sujets, Szenen aus der antiken Mythologie oder Geschichte, Allegorien, anspielungsreiche Umsetzungen literarischer Vorlagen. Außerdem handelt es sich bei der Ausstellung um ein temporäres Zusammentreffen unterschiedlichster Exponate, die durch keinen gemeinsamen architektonischen, rituellen oder thematischen Rahmen zusammengehalten werden.103 Das Bedürfnis nach Führung und zusätzlicher Information steigert sich bis in die Kunst der Moderne, der Arnold Gehlen in seiner bekannten Formulierung »Kommentarbedürfigkeit«, allerdings mit pejorativer Note, attestierte.104 Gerade bei Thomas Demand wird sehr reflektiert mit dem Modell eines »Guide« umgegangen. Es findet eine Text- und Bildregie statt, durchaus im Wortsinn als Lenkung und Leitung der Rezeption, auch dort, wo Informationen zum Kontext der Werke eher zurückgehalten als offengelegt werden. Dabei scheinen seine Photoarbeiten ganz besonders kommentarbedürftig, da sie auf Vorlagen beruhen, die subjektiv aufgrund ihrer Relevanz für einen kollektiven Bildervorrat ausgewählt sind. Die mehrfache Übersetzung dieser Vorlagen, zuerst in lebensgroße dreidimensionale Papiermodelle, dann in Photos dieser Modelle, löscht Personen und Informationen wie Schrift- und Zeichenelemente, so dass der Bezug auf zugrundeliegenden Vorlagen für den Betrachter kaum mehr erkennbar ist. Wer 2008 die Ausstellung Camera von Thomas Demand in der Kunsthalle Hamburg besuchte, mochte überrascht, vielleicht auch ein wenig enttäuscht sein: Es erschien nur ein kleinformatiges, dünnes Heftchen. Und dabei hatte Demand doch jahrelang immer 102 Koch, Kunstausstellung, S. 149. 103 Vgl. Wolfgang Ullrich: An die Kunst glauben, Berlin 2011, S. 93. 104 Arnold Gehlen: Zeit-Bilder. Zur Soziologie und Ästhetik der modernen Malerei, Frankfurt/Main 1960, S. 96, 162 f u.a.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands aufwendigere Kataloge produziert, etwa im Jahr zuvor den luxuriösen Doppelkatalog anlässlich der Biennale in Venedig105, in schwarzes Kunstleder gebunden, mit Schuber und Silberschnitt. Das Hamburger Heft erfüllte jedoch alle Kriterien eines konventionellen, primär informierenden Ausstellungskatalogs: Gleich die erste Seite enthält eine Liste der ausgestellten Werke. Ein Grundriss gibt Auskunft über ihre räumliche Disposition; biographische Angaben zum Künstler finden sich ebenfalls. Weiter finden sich detaillierte Beschreibung der Arbeiten und deren Abbildungen. Die Geschehnisse, die den Kontext zu den Bildern liefern, sind ausführlich dargestellt. Das Heft ähnelt dem, was ab etwa 1900 bis in die 1960er Jahre üblich war, siehe etwa den Katalog zur Ausstellung Der Blaue Reiter von 1911: eine handliche Broschüre im Westentaschenformat, die den Besucher auf seinem Weg durch die Ausstellung begleitet. Ähnliche Hefte gibt es heute in vielen Ausstellungshäusern, ihnen kommt eine wichtige Entlastungsfunktion für die »eigentlichen« Ausstellungskataloge zu. Dieses (historische) Katalogkonzept des Ausstellungsbegleiters setzt Demand bewusst ein, auf einen separaten großformatigen Katalog wird verzichtet, wenn auch nicht ganz freiwillig: Das Budget war vor allem für die aufwendige Ausstellungsarchitektur im als ungeeignet empfundenen Ungers-Bau verwendet worden, der finanzielle Rahmen für einen Katalog sehr eng.106 Andererseits war ein Katalog auch nicht unbedingt notwendig: Es gab zwar ein ausgedehntes Stellwandsystem, aber keine spektakuläre Veränderung der Galeriearchitektur, die in einem Katalog hätte dokumentiert werden müssen. Im Vergleich zu vorhergehenden und folgenden Projekten war es eine eher kleine Kabinettausstellung, deren Arbeiten überwiegend bereits mehrfach gezeigt und in Katalogen abgebildet waren. Da Ausstellungskataloge Teil der künstlerischen Produktion sind, herrscht auch hier Innovationsdruck. Für einen Katalog, der die vorhergehenden hinsichtlich Variation der Abbildungspraxis oder buchtechnischer Ausstattung übertreffen konnte, war der Ausstellungsanlass nicht prominent genug und das Budget zu knapp, so dass Demand den umgekehrten Weg einer Reduktion wählte. Im selben Jahr 2008 erschien dann ein Katalog zu einer Ausstellung in Madrid mit dem bewusst fast identischen Titel Cámara 107, bei der dieselben Arbeiten auf mehr Fläche gezeigt wurden. Der Katalog fiel wieder deutlich üppiger aus, brachte auch neue Aspekte hinsichtlich der Bildpräsentation und des Textmaterials. Aus der finanziellen Not machte Demand mit dem Booklet in Hamburg eine konzeptionelle Tugend. Wenn diesmal die Innovation darin bestand, keinen Katalog zu produzieren, so ließ sich dieser Bruch in Einklang mit der Strategie bringen, Erwartungshaltungen durch Bildung neuer Varianten zu unterlaufen. Was die Ausstellung spezifisch 105 Thomas Demand: Processo grottesco. Yellowcake, Kat. Fondazione Giorgio Cini, Biennale Venedig, hg. v. Germano Celant/Fondazione Prada, Mailand 2007. 106 Gespräch des Autors mit Thomas Demand, Berlin, 26.10.09. 107 Thomas Demand: Cámara, Kat. Fundación Telefónica/Photoespana Madrid 2008.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele machte, war die Auswahl der Bilder und ihre Inszenierung, bei der auch das Beiheft eine wichtige Rolle spielte: Die Photographien wurden nicht einfach an den vorhandenen Wänden präsentiert, sondern in einem System aus Stellwänden. Bei der Serie Embassy ergab sich eine Flucht verschieden großer Räume, die, zum Teil eng und verwinkelt, parallel lief mit dem Gang durch die abgebildeten Räume. Die Abfolge von Außenaufnahmen und Innenaufnahmen suggerierte ein immer weiteres Vordringen in ein Gebäude. Unklar blieb für den Betrachter zunächst der thematische Hintergrund der Photos. Enge und labyrinthähnliche Anlage der Stellwandarchitektur waren dazu angetan, den Betrachter zusätzlich zu verunsichern. Mit der Architektur der Ausstellung und der auf den Bildern überschnitten sich reale und fiktionale Ebene. In solch komplexen Wegen kann sich der Besucher leicht verlieren – was ja durchaus zum Konzept Demands gehört. Das Begleitheft wird dagegen in einer Rezension der Demand-Ausstellung in seiner Qualität als Führer hervorgehoben: »Die Ausstellung braucht die erzählerische Begleitung einer Führung, denn so distinkt die Photoarbeiten zu sein scheinen, dem Besucher wird viel in Sachen Selbstreflektion abverlangt, […] Aber – da sind ja noch die wohlfeilen Ausstellungshefte, die Demand dem Besucher mit an die Hand gibt und die zum erweiterten Ausstellungskonzept dazugehören!«108

Auch wenn dem Besucher wohl weniger Selbst- als Eigenreflexion abverlangt wird: Das Begleitheft wird als integraler Bestandteil des künstlerischen Ausstellungskonzepts, nicht als routinemäßiges museumspädagogisches Anhängsel wahrgenommen. Interessant ist der Begriff ›erzählerisch‹. Der Kommentar macht eine Leerstelle innerhalb der Demandschen Bilder aus, die gefüllt werden muss. Dieses Prinzip des Guides taucht weniger explizit-funktional als im Hamburger Booklet auch in weiteren Publikationen Demands auf, und damit Interesse und Bewusstsein für die Vermittlungsfunktion eines Katalogs. Der begleitende Text des Kurators Francesco Bonami besteht im Katalog zur Ausstellung Demands im Palazzo Pitti 109 aus einer – fiktiven – Führung durch die Ausstellung in der Art eines szenischen Dialogs: Ein Guide führt eine Besuchergruppe, größtenteils amerikanische Touristen, durch den Palazzo, wobei er in den prunkvollen historischen Räumen auf die damit in Kontrast stehenden Arbeiten Demands stößt, die auf möbelartigen, skulpturalen Sockeln präsentiert werden und so eine gesteigerte Präsenz bekommen. Er versucht Demands Arbeiten zu beschreiben und zu vermitteln, dazu die Fragen der Besucher zu beantworten, gerät jedoch immer wieder in Erklärungsnöte. Die Betonung des Dialogischen, des Wechsels von routiniert dozierendem und fragendem Part parodiert nicht nur die Form der Führung, sondern auch eine andere, in Katalogen häufig anzutreffende: die des Interviews.

108 Susanne Gierczynski: Thomas Demand, Cámera, Ausstellungsbesprechung vom 06.05.2008 auf http://www.portalkunstgeschichte.de/kunstgeschehen/?id=1197 (16.09.2011). 109 Thomas Demand con Caruso St John architetti, Kat. Palazzo Pitti Florenz 2001.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands Das Motiv der begleitenden Führung ist im Layout des Pitti-Katalogs aufgegriffen: Text- und Bildteil sind nicht getrennt angeordnet, sondern simultan: Als über die Installationsansichten gelegte Spalte zieht sich der Text durch den gesamten Katalog, was Führung und Ausstellung miteinander verknüpft. Die Parodie der Führung bezieht sich auf die Ausstellungssituation in einem historischen Palast, der geschichtlicher Ort und Schauplatz von Ereignissen ist. Über die Mitteilung von Sachinformationen und dem Vergnügen des Lesers an der Situationskomik hinaus stellt sie eine weitere Verbindung zu Demands Arbeiten her: Sie enthält erzählerische, auch potentiell fiktionale Elemente, da die Geschehnisse, die durch den Guide mitgeteilt werden, für den Rezipienten nicht überprüfbar sind.110 Ausstellung, Text und Layout spielen so auf mehreren Ebenen zusammen. Fiktional-erzählerische Komponenten werden in anderen Ausstellungen und Katalogen Demands noch stärker in den Vordergrund gestellt. Ein Besucher, der seine Arbeiten 2002 im Lenbachhaus München sah, mochte ein starkes Bedürfnis nach Erklärung empfinden, ähnlich wie es die Rezensentin für die Ausstellung Camera beschreibt, etwa angesichts der Photoserie Flare, die lediglich belaubte Zweige in unterschiedlichen Lichtsituationen zeigte, oder vor den Bildern der Serie Stapel, auf denen eben Papierstapel zu sehen waren. Aus den Arbeiten selbst und aus den lakonischen, oft tautologisch das Bildmotiv wiederholenden Titeln ging nicht hervor, was die Pointe sein sollte. Das Trompel’oeil der Papierplastiken war zu perfekt, als dass es ihren fiktionalen Charakter auf den ersten Blick hätte erkennen lassen. Ein Zusammenhang mit Bildern aus den Massenmedien, die als Vorlagen gedient hatten, war nicht leicht herzustellen, auch nicht mit den damit verknüpften politisch-historischen Ereignissen, wie der umstrittenen Wahl des USPräsidenten im Jahr 2000, die den Hintergrund der Arbeit Stapel bildete. Irritiert, aber neugierig geworden, suchte der Besucher nach Erklärungen zu den Bildern im Katalog. Aber dieses Bedürfnis nach einem Ausstellungsbegleiter wird dort kaum befriedigt, anders als im späteren Hamburger Kurzführer. Stattdessen setzt er die Ausstellung gleichsam fort, ohne sich auf eine Metaebene des textuellen Kommentars und der Erläuterung zu begeben. Im Katalog gibt es zunächst nur eine Führungstrecke: die der Bilder.

Totale, Close-up, Schnitt – filmisch-führendes Erzählen Der Kurator Helmut Friedel spricht im Vorwort vom »integral dazugehörenden Ausstellungskatalog«, ganz ähnlich wie Jahre später die zitierte Rezensentin von Camera, und betont, dass das »außergewöhnliche Buch« so verlegt wurde, wie es der Künstler selbst entworfen habe111 – ein Hinweis auf den großen Anteil Demands an der Autorschaft des Buches. Was ist so ungewöhnlich an diesem Katalog? Er beginnt nicht mit den üblichen

110 Vgl. etwa die Führung mit durch das Amphitheater in Michael Ende: Momo, Stuttgart 1973. 111 Thomas Demand, Kat. Lenbachhaus München 2002, S. 49.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Paratexten, dem Titel der Ausstellung und ihrem Ort, dem einleitendem Vorwort des Kurators. Diese Informationen werden erst viel später, nach über 40 Seiten nachgeliefert, in einem Text, der mit »Vorwort« überschrieben ist, paradoxerweise, denn eigentlich ist der Leser schon medias in res. Eine lange Bildstrecke bildet den Einstieg, die Wiedergabe einer Filmarbeit. Dieses Vorangehen der Bilder gegenüber den Texten hat eine Parallele in Kinofilmen, wo häufig eine erste Sequenz gezeigt wird, die Metadaten wie Titel und Credits, die Namen der Schauspieler, der Firmen und Produzenten erst später folgen (so bei James-Bond-Filmen) oder aber erst im Abspann nachgeliefert werden. Bei aktuellen Hollywood-Produktionen ist dies eher die Regel als die Ausnahme. Dadurch wird die Illusion eines rahmenlosen Eintauchens in eine Narration erzeugt und Spannung aufgebaut, da man den Kontext noch nicht kennt. Die Praxis der Gestaltung des Anfangs hat sich im Lauf der Filmgeschichte verschoben, von etwa 1930 bis Mitte der 1990er Jahre war es üblich, den eigentlichen Film durch einen informierenden Vorspann einzufassen, die Abfolge strenger konventionalisiert. Dies wurde zunehmend abgelöst zugunsten einer narrativ-graphischen Verselbständigung des Vorspanns oder aber später eines voraussetzungslos-unmittelbaren Einstiegs: »Die Geschichte der Titelsequenz scheint ganz so zu verlaufen, als dulde das Ereignis des Films in einer Zeit autopoetischer Welten keinen Aufschub mehr.«112 Dieser freiere Umgang mit den paratextuellen Elementen und den narrativen Rahmungen fällt auch auf in Katalogen zeitgenössischer Künstler, die bevorzugt im filmischen Format arbeiten, etwa bei Pipilotti Rist oder bei Demands langjähriger Atelierkollegin Tacita Dean, aber auch bei Luc Tuymans, der ja in einer frühen Phase seiner künstlerischen Praxis vorwiegend filmisch arbeitete.113 Die Bilder gehen den Texten voran, zusammen mit dem quantitativen Überwiegen drückt dies auch ein inhaltliches Primat aus, was den autonomen, künstlerbuchartigen Charakter des Katalogs betont. Die Bilder werden zum Dreh- und Angelpunkt. Man könnte darin paradigmatisch Kunst nach bzw. mitten im »Iconic Turn« sehen: Das Bild illustriert keinen Text, sondern ist der Ausgangspunkt. Schlägt man den Lenbachauskatalog auf, so blickt man im Vorsatz zunächst auf eine schwarze Seite. Der Kontrast zum Umschlag, der eine sehr helle Photoarbeit zeigt, könnte kaum größer sein. Der Effekt ist ähnlich dem des Betretens eines abgedunkelten Kinosaales. Beim Weiterblättern zeichnen sich die Konturen von Zweigen und Blättern ab, es taucht ein Zaun auf, der blitzlichtartig hell erleuchtet wird. Eine Sequenz von wechselnder Dunkelheit und Helligkeit wiederholt sich mehrmals und endet mit einer völlig schwarzen Seite, wie sie auch begonnen hat. Dieses Anknüpfen an den Anfang steht in Analogie zum Format des Films als Loop. Beim Durchblättern dieses ersten Teils stellt 112 Vinzenz Hediger: Now, in a world where. Trailer, Vorspann und das Ereignis des Films, in: Alexander Böhnke/Rembert Hüser/Georg Stanitzek (Hg.): Das Buch zum Vorspann. »The title is a shot«, Berlin 2006, S. 121. 113 Zum Beispiel: Luc Tuymans: I don’t get it, Gent 2007.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands sich das Gefühl ein, einen Film zu sehen; die eigene Handbewegung ersetzt den Antrieb des Projektors, ohne dass, anders als im klassischen Daumenkino, eine durch Anfang und Ende definierte Handlung klar hervorgeht. Die Vermittlung von Informationen über den Film ist gegenüber der Vorführung sekundär. Der Titel (Hof ) erscheint zwar, aber nur minimalistisch-klein am Anfang und tritt gegenüber der Vielzahl der Seiten zurück. Diese Art, Film für das Buchmedium zu inszenieren, findet sich nicht nur bei Demand, sondern auch bei anderen Künstlern ab den 2000er Jahren verstärkt, etwa bei Tacita Dean oder Carsten Nicolai.114 Man könnte darin, gerade wenn es sich um Daumenkinos im engeren Sinn handelt, ein neu erwachtes Interesse an narrativen Modellen sehen, auf jeden Fall an Fragen der Intermedialität und an Abbildungspraxen allgemein. Die Filmsequenz bei Demand nimmt breiten Raum ein, nämlich 24 Doppelseiten. Diese Anzahl ist bewusst gewählt, sie entspricht der Anzahl Bildern, die ein Kinofilm pro Sekunde zeigt, um dem Auge einen kontinuierlichen Bewegungsablauf zu suggerieren. Damit liegt sie über dem, was in einem Daumenkino gewöhnlich zur Erreichung des illusionistisch-kinetischen Minimalziels geboten wird. Dieser »Überschuss« an Bildern verweist auf die Herkunft der Bilder aus dem Medium des Films, oder besser, ihr mediales Ziel in der Zusammensetzung. Ähnlich hatte Demand im Katalog Report von 2001115 auf 24 Seiten alle Standbilder seines Films Rolltreppe wiedergegeben, was genau dem Standard der Bildfrequenz des verwendeten Filmformats entspricht. Es geht auch um das Aufzeigen der »Gemachtheit« der Bilder und die Frage nach der Unterscheidbarkeit von bewegtem und unbewegtem Bild. Die schwarzen Seiten trennen nicht nur innerhalb des Films narrative Sequenzen ab, in Analogie zur Schwarzblende im Film, sondern auch innerhalb des Katalogs Kapitel und Bildkategorien, nämlich filmische und photographische (Stand)bilder. So ist Flare (2002) keine filmische Arbeit, sondern eine Photoserie, die in der Ausstellung auch als solche in einzelnen gerahmten Abzügen gezeigt wird. Den Abschluss des Katalogs bildet abermals ein Filmloop, Tunnel, als ein Wechsel von Licht und Dunkelheit, von Hinein- und Herausfahren. Mit dem Eintauchen ins Dunkel, zugleich dem Punkt, an dem der Schnitt gesetzt ist, um den Film von neuem beginnen zu lassen, endet das Buch mit einer schwarzen Seite. Das letzte Bild ist anschlussfähig zum ersten im Vorsatz, wodurch der Katalog selbst zum sich wiederholenden Loop gerät. Das Konzept des Filmischen ist im Katalog auch bei der Inszenierung der photographischen Bilder umgesetzt: Sie werden sowohl in der Totale als auch im Close-up gezeigt. Am Anfang steht das einseitig reproduzierte Photo in seiner Gesamtansicht. Es folgen Ausschnitte, randlos über beide Seiten gezogen. Zoom ins Bild und Zoom aus dem Bild heraus wechseln ab, stehen sich als Bildmöglicheiten gegenüber. Die Ausschnitte sind meist so gewählt, dass sich auf ihnen jeweils ein Akzent in ansonsten struk114 Tacita Dean: The Green Ray, Köln 2003, Carsten Nicolai: Fades, Leipzig 2006. Vgl. Jörg Jochen Berns (Hg.): Daumenkino/the flip book show, Kat. Kunsthalle Düsseldorf 2005. 115 Thomas Demand: Report, Kat. Sprengel-Museum Hannover 2001.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele tureller Gleichförmigkeit befindet: Bei Kabine (2002) ist es das Detail eines Kleiderbügels auf dem Gardarobenhaken, eine Plastiktüte, ein zerdrückter Einwegbecher. (Abb. 6) Diese Wanderung durch Bilder per Ausschnitt steuert den Blick wie ein Ausstellungsführer, der die Betrachter auf ein besonders bemerkenswertes Detail hinweist, was an den Umgang mit Bildern in Büchern zur Kunst- und Photographiegeschichte erinnert, etwa mit dem Titel Meisterwerke im Detail.116 Mit dem Zoom in Bilder hinein fördert Demand nicht nur Assoziationen mit dem Filmmedium, sondern rückt seine Photographien in die Nähe von »Meisterwerken« der Malerei, als durchkomponierte, sorgfältig gebaute und nach allen Regeln der Kunst beleuchtete Bilder.117 Der Untertitel des genannten Buches über Meisterwerke, Bildbefragungen, lässt ebenfalls an Demands Vorgehen und seine Absicht denken. Einmal im medialen Sinn, indem der Betrachter in der Vergrößerung auf den Status des Bildes als Fiktion aufmerksam gemacht werden soll, dann aber im Sinn einer Befragung innerhalb der Narrationen der Bilder, in denen Tüten, Becher und Kleiderbügel als Hinweise auf die Anwesenheit von Menschen, als potentielle Beweismittel auftreten für ein Ereignis, das in den Räumen stattgefunden hat, aus denen ja ansonsten Informationen über eine Handlung getilgt sind. Die Suggestion eines »Tatorts« wird durch die Detailaufnahmen verstärkt. Dies lässt an Filme denken, in denen Bildvergrößerung zu investigativen Zwecken eingesetzt und auch zum Gegenstand medialer Reflexion gemacht wird, etwa im in Michelangelo Antonionis Klassiker Blow-Up (1966), der das photographische »Aufblasen« bereits im Titel trägt. Dort erscheinen durch mehrfache Vergrößerung Indizien eines Verbrechens, von dem zuletzt aber unklar bleibt, ob es tatsächlich stattgefunden hat. Auch bei Demand verweigern die Bilddetails Evidenz, da dem Betrachter ja ein Kontext nicht mitgeliefert ist, innerhalb dessen die per Detail gezeigten Objekte als Indizien gelten könnten, und auch die Faktur der Bilder lässt sich erahnen, wird aber nicht völlig deutlich. Die Ausschnittsvergrößerungen liefern keine neuen Erkenntnisse, wie Wolfgang Ullrich feststellt 118, aber die Verwendung eines in Kunst- und Filmgeschichte eingeführten Bildtypus lenkt die Assoziationen des Betrachters in bestimmte Richtungen. Als Referenz und als formales Gestaltungsmittel ist (filmisches) Erzählen präsent. Die räumliche Trennung in einen Textteil und einen Bildteil, bei älteren Katalogen Standard, ist aufgehoben. Texte und Bilder wechseln sich kapitelartig-narrativ ab. Als visuelle und thematische Klammer dienen die Filmsequenzen. Im Vorwort ist die »fiktionale und narrative Qualität der Arbeit von Thomas Demand, die […] in der begleitenden Publikation erstmals in aller Deutlichkeit zum Ausdruck kommt«119 betont, damit die Bedeutung des 116 Rose-Marie u. Rainer Hagen: Meisterwerke im Detail. Bildbefragungen, Köln 2000. Zum Umgang mit Details im kunsthistorischen Kontext vgl. Ullrich, Raffinierte Kunst, S. 118 f. 117 Demand bezieht sich beispielsweise öfter auf Hans Holbein, vgl. Hans Ulrich Obrist: Thomas Demand. The Conversation Series 10, Köln 2007, S. 23. 118 Ullrich, Raffinierte Kunst, S. 89. 119 Thomas Demand, Kat. Lenbachhaus München 2002, S. 49.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 6 Thomas Demand, Kat. Lenbachhaus München, 2002, S. 82 f.

Katalogs, der das Thema pointierter hervortreten lässt, als es in der Ausstellung selbst der Fall ist, mit »erstmals« sein innovativer, prospektiver Charakter. In den Paratexten zum Katalogœuvre Demands kehrt die Rede von der Erstmaligkeit öfters wieder, so dass man von einem übergeordneten Erzählmuster sprechen könnte. Während Innovation als ein zentrales Kriterium für zeitgenössische Kunstproduktion gilt und zu einer Ausstellung zumindest teilweise »neue«, das heißt kürzlich angefertigte oder noch nicht ausgestellte Arbeiten gehören, scheint dies für einen dokumentarisch-informierenden Katalog nicht zu gelten. Diese Formel gibt also auch Aufschluss über die Bedeutung des Katalogs als Teil des Werks.

»Almost red herrings« – Literarische Texte im Katalog Der Topos der Erstmaligkeit taucht auch auf im Zusammenhang mit den Bildlegenden als literarische Texte von Botho Strauß im Katalog zur Ausstellung Nationalgalerie (2009). In einer Rezension ist die Rede von »›captions‹ that Demand has included – for the first time.«120 Die Kombination von Bildern und literarischen Texten, wie sie Demand hier und bereits im Lenbachhaus-Katalog vornimmt, ist keine Erfindung zeitgenössischer Künstlerpublikationen – siehe die Tradition der so genannten ›Malerbücher‹ der klassischen Moderne, wie sie etwa Chagall, Picasso und Miro in Zusammenarbeit mit Schriftstellern wie Apollinaire produzierten.121 Diese Verfahren spiegeln noch die Auseinandersetzung mit dem vorherrschenden Paradigma der Illustration, bei der das Bild einen Text als Ausgangspunkt hat und eine fortschreitende Autonomie der Bilder. 120 Kirsty Bell: Rezension zu Thomas Demand Nationalgalerie, in: frieze, 127, Nov./Dez. 2009, S. 131. 121 Vgl. Martin Hellmold/Anne Thurmann-Jajes (Hg.): Malerbücher-Künstlerbücher. Die Vielseitigkeit eines Mediums in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Kat. Neues Museum Weserburg Bremen 2002.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Doch im Medium des Ausstellungskatalogs ist dies eine relativ neue Entwicklung, die sich seit den 1990er Jahren verstärkt abzeichnet und über dessen Verständnis viel aussagt. In Malerbüchern hatten die Bilder starken Eigenwert, meist als Originalgraphik, als Lithographie oder Radierung, in kleinen Auflagen und mit exklusivem buchtechnischem Aufwand hergestellt und waren mit Texten ähnlicher »Originalität« kombiniert, in der Regel Lyrik, der als Textgattung der höchste Grad an Subjektivität zugesprochen wird, während den Abbildungen in Ausstellungskatalogen dieser Zeit primär Verweisfunktion zugedacht war. Und in der Tat finden sich auch zeitgenössische Verbindungen von Bildern mit literarischen Texten immer noch eher in nicht mit einem Ausstellungsanlass verknüpften Publikationen wie Künstlerbüchern oder Monographien. Thomas Florschuetz etwa hat Photographien vom Palast der Republik in Berlin mit Gedichten von Durs Grünbein kombiniert122, Axel Hütte Landschaftsphotographien mit Reisenotizen von Cees Nooteboom123, James Casebere seine Arbeiten mit Kurzgeschichten von Jeffrey Eugenides124, der auch Texte für Kataloge von Thomas Demands beigesteuert hat. Bilder in zeitgenössischen Publikationen, die durch literarische Texte begleitet werden, zeigen fast immer menschenleere Orte. Denn: »Die Leere ist das Argument der Möglichkeit.«125 Leere Räume dienen als Projektionsfläche, als Bühne für Texte. Sie sind weder zu abstrakt noch zu konkret, bieten Anknüpfungspunkte, legen eine Rahmen fest, aber lassen ihn gleichzeitig offen. Dies trifft auf die genannten Beispiele zu, insbesondere für Casebere, der ähnlich wie Demand architektonische Modelle baut und diese photographiert, oder für Edward Hopper.126 Mit monochromer abstrakter Malerei, die kaum gegenständliche Assoziationen hervorruft, scheint es schwieriger, literarische Texte zu kombinieren und ist auch meist nicht unternommen, um die Autonomie der dezidiert als nicht-erzählerisch verstandenen Kunst nicht zu beeinträchtigen. Eher finden sich Beispiele in Kombination mit gestisch-abstrakter Malerei, die bereits ein Quantum an Narration enthält, etwa in den Katalogen des Malers Howard Hodgkins.127 Bei realistischer figürlicher Malerei wie etwa der Neo Rauchs scheint es dagegen wieder schwieriger, da die Bilderwelt an sich schon voller narrativer Elemente steckt. Der Modus, in dem Texte und Bilder zusammenfinden, ist in Ausstellungskatalogen nicht immer leicht nachzuvollziehen. Häufig liegt der Verdacht nahe, dass der Künstler oder öfter, der Kurator oder Verleger, sich größeres Renommee durch Hinzuziehung be122 Thomas Florschuetz/Durs Grünbein: Museumsinsel, Köln 2007. Gedichte finden sich auch in: Thomas Florschuetz: Are you talking to me/Sprichst Du mit mir?, Kat. Kunstmuseum Bonn 2004. 123 Zum Beispiel Axel Hütte/Cees Nooteboom: Kontinente, München 2000. 124 James Casebere: The Spatial Uncanny, Mailand 2001. 125 Michael Glasmeier (Hg.): Erzählen. Eine Anthologie, Ostfildern 1994. 126 Edward Hopper and the American Imagination, Kat. Whitney Museum New York 1995. 127 In nahezu allen Katalogen sind Bilder mit fiktionalen Texten kombiniert, zum Beispiel Paintings 1993– 1994, London 1994, mit Texten u.a. von Stendhal, Virginia Woolf, Henry James.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands kannter Autoren erhofft – wenn er auch den Autor und sein Werk gar nicht genau kennt, der wiederum wenig vertraut ist mit dem Werk des Künstlers und dann einen meist älteren Text aus der Schublade zieht, auch aus arbeitsökonomischen Gründen.128 Bei Thomas Demand ist die Kombination mit nicht-werkbezogenen oder literarischassoziativen Texten jedoch schon methodisch zu nennen. Es gibt kaum einen Katalog ohne sie, und sie scheinen sorgsam ausgewählt und positioniert. Bereits für einen frühen Gruppenkatalog wählte er einen relativ ausgesuchten literarischen Beleittext aus einem Brief von Gottfried Benn, während die meisten Beteiligten sich an kunstkommentatorische oder selbstverfasste Texte hielten.129 In Interviews erscheint Demand als belesener poeta doctus, gut informiert über literarische und wissenschaftliche Entwicklungen. In den oben besprochenen Lenbachhaus-Katalog sind gleich zwei fiktionale Texte aufgenommen. Begründet wird dies im Katalog selbst mit dem Werkansatz Demands, dem es um die Fiktion und ihre Verschmelzung mit dem Leben gehe. Deshalb seien fiktionale mit werkbezogenen Texten kombiniert.130 Die Kurzgeschichte Postcard von Jeffrey Eugenides bietet in der Tat Bezüge zu den Arbeiten der Ausstellung an: Der Protagonist glaubt, auf einer Postkarte einen Raum, eine Architektur wiederzuerkennen. Gleichzeitig lässt sich über das Motiv der Postkarte eine Verbindung zum nicht-fiktionalen Text von Neville Wakefield herstellen, zur Frage nach der Authentizität von Bildern und Vorlagen. Der narrative Charakter des Katalogs wird dadurch auch in seinen kunstkommentatorischen Textteilen unterstützt: Der Essay von Wakefield beschreibt weniger die Bilder Demands, als er vielmehr die Handlungen schildert, die vor dem festgehaltenen Moment liegt. Er lässt wörtliche Reden aus Interviews einfließen, benützt neben dem beschreibenden, analytischen Präsens auch das erzählende Imperfekt. Sein Text gerät dadurch in die Nähe zu den zwei literarischen Texten von Collier Schorr und Jeffrey Eugenides. Die Zusammenarbeit mit Eugenides ist keine Eintagsfliege oder ein Verlagseinfall. Ähnlich wie Graphiker bezieht Demand auch Autoren mehrmals ein. So sind Demand und Eugenides seit längerem befreundet und stehen im Austausch.131 Eine weitere Kurzgeschichte des Schriftstellers, Photographic Memory im Katalog der Ausstellung im MoMA

128 Ein Beispiel wäre Bibliotheken von Candida Höfer (2005), eingeleitet von Umberto Eco, der die Bibliothek nicht nur als auratischen Ort beschreibt, sondern auch aus der Perspektive eines Benutzers, für den das Ideal eine »lustvolle Bibliothek« ist, »die sich allmählich in eine große Freizeitmaschine verwandelt« (S. 13). In den Photos Höfers dagegen geht es um die Aura von meist historischen Bibliotheken, um Architektur und ihre Ästhetik. Ecos Text ist ein Vortrag von 1981 zum Jubiläum der Mailänder Stadtbibliothek, dessen Tendenz sich aus dem Sprechanlass erklärt. Über die Schwierigkeiten beim Verfassen von Texten für Kataloge vgl. Umberto Eco: Wie man einen Ausstellungskatalog bevorwortet (1963), in: ders.: Sämtliche Glossen und Parodien, München 2002, S. 235–243. 129 Scharf im Schauen, Aktuelle Kunst in München, Kat. Haus der Kunst München 1994. 130 Susanne Gaensheimer im Vorwort von Thomas Demand, Kat. Lenbachhaus München, S. 67. 131 Für eine Anthologie von Liebesgeschichten hat auch Demand eine Geschichte ausgewählt, Tonka von Robert Musil, vgl. Jeffrey Eugenides (Hg.): Der Spatz meiner Herrin ist tot, Reinbeck 2008, S. 10.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele lässt auf eine genaue Kenntnis von Werk und Person Thomas Demands schließen. Beschrieben ist die Begegnung des Ich-Erzählers mit einem deutschen Photokünstler, der Modelle aus Papier baut, sie photographiert und an der Biennale in São Paolo teilnimmt (was Demand 2004 tat). Reale und fiktionale Elemente sind vermischt: So hat der Künstler mit seiner Freundin einen Autounfall, bei dem sie ums Leben kommt, ähnlich wie Lady Diana, deren Unfalltod für Demand Ausgangspunkt des Films Tunnel (1999) war, der auf der Ausstellung im Lenbachhaus gezeigt wurde. Der Text verweist auf im Katalog abgebildete Arbeiten, denn gleichzeitig ist Tunnel im Essay der Kuratorin Roxana Marcoci erwähnt und mit einem Referenzbild versehen. Kritische und literarische Texte verzahnen sich so. Eugenides’ Erzählung steht als fiktionale Antwort auf Marcocis Biographie, die Demand in seiner Beziehung zur Kunstgeschichte und künstlerische Entwicklung darstellt. In der Mischung von Realität und Fiktion liest sich der Text selbst wie eine Adaption der künstlerischen Verfahrensweise Demands. Dass er den Künstler am Ende Selbstmord begehen lässt, mag als makabres Spiel scheinen, lässt sich aber wiederum auf Eugenides’ Werk beziehen, in denen dieses Motiv teilweise sehr präsent ist, siehe sein Roman Virgin Suicides (1993), aber ebenfalls auf die Bilder Demands, deren Hintergrund oft tödlicher Ereignisse bilden, wie beispielsweise der Selbstmord Uwe Barschels in Badezimmer. In den Katalog Phototrophy zur Ausstellung im Kunsthaus Bregenz 2004 ist die Kurzgeschichte Absätze von Julia Franck aufgenommen. Demand begründet die Wahl interessanterweise nicht nur werk- sondern auch genderbezogen: Er habe Franck und ihren Text auch aufgenommen als Gegengewicht zu ausschließlich männlichen Präsenz in Ausstellung und Museumsarchitektur, die sich aus ihm selbst, dem Kurator Eckhard Schneider und dem Architekten Peter Zumthor zusammensetze.132 Hier fungiert der Katalog einmal mehr als Korrektiv gegenüber der Ausstellung und ihrem Ort, aber nicht in der Bild-, sondern in der Textredaktion, wodurch sich autorschaftliche Anteile verschieben lassen. Es handelt sich aber nicht nur um eine »strategische« Platzierung, in der Erzählung selbst lassen sich Bezüge zum Katalog und zu Arbeiten Demands herstellen: Sie dreht sich um ein Paar Schuhe in einer Schusterei, das von einer vermutlich verstorbenen Kundin nicht abholt wird. Die Kurzgeschichte steht im Katalog am Ende der Abbildungen von Demands Arbeiten, gleichsam als konträrer, textueller Schlusspunkt, was auch durch den mehrdeutigen Titel Absätze suggeriert wird. Dieser lässt sich auf den Gegenstand der Geschichte bezogen, dann aber auch typographisch und architektonisch lesen. Dazu passt, dass die Kurzgeschichte nicht offen, sondern mit einem dezidierten, melancholischen Schluss endet, einer leeren Bühne, mit der sich die Räume bei Demand assoziieren lassen. Auch die Fokussierung auf einen Gegenstand, ein Paar Schuhe, lässt Demand und

132 Gespräch des Autors mit Thomas Demand, Berlin, 26.10.2009.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands dessen narratives Verfahren denken. Für sich genommen banale Objekte werden bei Franck durch die dahinterliegende Geschichte mit Bedeutung aufgeladen. Texte und Bilder im Spannungsfeld zwischen Autonomie und führendem Kommentar – darauf ist auch der Katalog zu Demands Ausstellung Nationalgalerie von 2009 aufgebaut. Die Ankündigung »Bildlegenden von Botho Strauß« am Eingang der Ausstellung und analog im Schmutztitel des Katalogs weckt Erwartungen an einen engen Zusammenhang zwischen Texten und Bildern, die dann so nicht erfüllt werden. Die Texte sind den Bildern zugeordnet, aber von ihnen räumlich klar getrennt. Im Katalog stehen sie nicht neben den Abbildungen. Auf einer Art Vorsatzseite finden sich nur die Sachinformationen, die eigentlichen Bildlegenden wie Titel, Technik, Maße, Entstehungsjahr. Blättert man um, so stößt man nicht etwa auf das zugehörige Bild, sondern auf den Text, der auf der Rückseite der nach innen eingeschlagenen ausklappbaren Bildseite gedruckt ist. Diese Seite oder auch metonymisch der Text hat damit räumlich die Funktion des Verdeckens und Verbergens, aber auch des Schützens, ähnlich, wie Reproduktionen in älteren Kunstbüchern oder in Photoalben durch Schutzblätter abgedeckt werden. Mit dieser Assoziation spielt Demand bewusst, auch mit der des Vorhangs, der in der Ausstellungsarchitektur sehr präsent ist und den Hintergrund für die vor ihn gehängten Photographien bildet. Die Abbildung kommt im Katalog erst zum Vorschein, wenn man die Textseite nach außen klappt. (Abb. 7) Dadurch bietet sich das Bild ohne jeglichen Kontext dar, ist durch den Weißraum der vorausgegangenen und der ausgeklappten Seite freigestellt und gleichsam gerahmt. Ein paralleles Lesen, ein Vergleichen von Bild und Text ist so unmöglich

Abb. 7 Thomas Demand: Nationalgalerie, Kat.Neue Nationalgalerie Berlin 2009, o. S.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele gemacht. Beide Einheiten sind eigenständig. Diese Autonomie hervorzuheben ist auch das Ziel der Präsentation der Texte in der Ausstellung: Mit deutlich wahrnehmbaren Abstand, aber in der Nähe der Bilder sind die Vitrinen mit Katalogexemplaren aufgestellt, in denen die jeweilige Textseite aufgeschlagen ist. Die Anordnung der Vitrinen, die frei im Raum stehen, macht die Zuordnung von Bildern und Legenden nicht einfach, sie erfordert ein recht genaues Lesen, lässt aber auch die Möglichkeit ausdrücklich zu, einen Text auf mehrere Bilder zu beziehen, ebenso die Option, die Texte gar nicht zu lesen und nur die Bilder anzusehen. Mit dieser Art der Textpräsentation unterscheidet sich der Katalog Demands von solchen, in denen Zitate deutlicher kontextualisiert sind und auch der Subjektivität des Künstlers ein anderer Stellenwert beigemessen wird. Ein Beispiel wäre Neue Rollen von Neo Rauch.133 Auch dort finden sich neben der Mehrzahl der reproduzierten Bilder kurze, aphoristische Texte, die in keinem direkten oder in einem eher allgemeinen, auf formaler Ebene wie der Farbgebung assoziierbaren Verhältnis zum Bild stehen. Im Vergleich zum Katalog Demands ist die Bindung Text-Bild durch die Beiordnung auf einer Doppelseite viel enger, auch wenn die Textpassagen weit unten auf der Seite positioniert und durch eine großzügige Weißrahmung separiert sind. Trotz eines gewissen Maßes an Autonomie sollen die Texte nicht ganz von den Bildern getrennt werden. Grund dafür und wesentlicher Unterschied zu den Texten bei Demand ist ihre Autorschaft: Mehrere lassen keinen dezidierten Sprecher erkennen, aber durch den Gebrauch der ersten Person wird klar, dass es sich um Zitate aus Texten des Künstlers selbst handelt, deren Quellen im Anhang aufgeführt sind. Anführungszeichen würden den Eindruck von Aussagen aus erster Hand beeinträchtigen und sind weggelassen. In Kombination mit den Gemälden auf der gegenüberliegenden Seite soll Authentizität vermittelt werden; Bild und Text, beide stammen vom Künstler, der Malerei als besonders subjektiv empfundenes Medium entspricht der Text als Ausdrucksform, was in einzelnen Passagen bestätigt wird: »Ich bin ja auch ein Membran kollektiver Ströme, bei mir muss jedoch alles durch das Nadelöhr meiner Subjektivität.«134 Anders bei den Bildlegenden im Katalog Demands: Das Schöpfen aus einem kollektiven Bildfundus, das die Grundprämisse der Ausstellung darstellt, soll durch keinen subjektiven Kommentar des Künstlers abgeschwächt werden. Die Texte stellen eine zweite, möglichst unabhängige Position dar. Ihre Bezeichnung mit dem im Katalog- und Ausstellungswesen geläufigen Terminus ›Bildlegenden‹, als etwas, das zum Verständnis eines Bildes zu lesen ist, weckt Erwartungen nicht nur an räumliche, sondern auch inhaltliche Nähe zu den Bildern, nach Erklärung und Information. Tatsächlich sind die Texte von Strauß aber keine Beschreibungen oder Interpretationen, sondern Assozia-

133 Neo Rauch: Neue Rollen. Bilder 1993–2006, Kat. Kunstmuseum Wolfsburg 2006. 134 Ebd., S. 170.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands tionen und Reflexionen, die mit den Bildern oft kaum wahrnehmbare Berührungspunkte aufweisen. Teilweise sind es Kurzgeschichten, die die bühnenbildartigen leeren Räume als Ausgangspunkte nehmen und sie mit Handlung füllen. Bewusst ist Inkongruenz angestrebt zwischen den Bildvorlagen, den damit verbundenen Ereignissen und den Bildassoziationen von Strauß. Sie führen häufig in eine ganz andere Richtung und legen »falsche« Spuren: »The captions are almost red herrings: […], they provide oblique commentaries that constantly throw the viewer back onto his own resources of philosophical, cultural or personal reference.«135 Der Schriftsteller nimmt damit eine ähnliche Rolle ein wie der »gewöhnliche« Betrachter der Bilder, der auch über keine weiteren Informationen zu den Bildern verfügt, sondern auf die Ebene der ungesicherten Assoziation und Reflexion verwiesen ist. Der Text soll also die Distanz zwischen Bild und Vorlage bzw. der zugrunde liegenden Geschichte eher vergrößern als beide näher bringen, sicher auch aus der Überlegung heraus, dass der Assoziationsrahmen durch die thematische Klammer der Ausstellung und den Titel Nationalgalerie stärker als sonst eingeschränkt ist. Der Text »erleichtert die Interpretation für den Betrachter keineswegs, sondern erschwert diese im Gegenteil«136 kommentiert Demand. Wieder ist es eine Form der erzählerischen Führung, doch nicht in der expliziten Form eines Texthefts wie in der Ausstellung Camera, nicht als erklärender Meta-Text, sondern als Kontrafaktur, eine Erzählstimme, die neue Bedeutungsmöglichkeiten anbietet, anstatt dem Besucher durch den historisch-politischen Kontext der Bilder eine Lesart als verbindlich vorzugeben. Das Thema von Realität und Fiktionalität, das in den Bildern verhandelt wird, ist auch auf der Ebene der Texte präsent. Durch seine Tätigkeit als Bühnenautor scheint Strauß dafür prädestiniert. Jedoch dürfte dies nicht die ausschlaggebende Eigenschaft gewesen sein, eher noch Strauß’ Ruf als Essayist und Aphoristiker. Die dramatisch-narrativen Texte machen in der Tat nur die Minderzahl aus, häufiger sind kultur- und geschichtsphilosophische Gedanken und Assoziationen. Mit der Wahl von Botho Strauß begibt Demand sich auf ein für ihn neues Terrain: Die in anderen Katalogen vertretenen Autoren wie Jeffrey Eugenides oder Julia Franck stammen aus seiner Generation und erweiterten Peergroup, Strauß dagegen ist 20 Jahre älter und verkörpert eine literarische Autorität. Demand hatte schon einmal mit einem Exponenten der deutschen Gegenwartsliteratur zusammengearbeitet, 2006 im Katalog zur Ausstellung in der Serpentine Gallery mit Alexander Kluge. Dieser fungierte dort aber nicht als Verfasser autonomer Texte, sondern als Interviewpartner. Auch was die politische Implikation angeht, ist das Verhältnis neu. Dass die Kombination des Themas von Nationalgalerie, einer Versammlung von Bildern mit Bezug zu Deutschland, mit dem Autor Strauß nicht nur auf Beifall stoßen würde, war absehbar. In Rezensionen wurde die Beteiligung von Strauß dann auch teilweise mit kaum nachvollziehbarer Heftigkeit kritisiert: Hier werde einem Autor die 135 Kirsty Bell in: frieze, 127, Nov./Dez. 2009, S. 131. 136 Hans Ulrich Obrist (Hg.): Thomas Demand und die Nationalgalerie, Berlin 2009, S. 15.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Bühne bereitet, »der die dumpfnationale Trommel rührt.«137 Nach seiner Motivation gefragt, mit Strauß zusammenzuarbeiten, gab Demand an: »Darum ging es mir: Reibung erzeugen.«138 So betrachtet, war das Konzept aufgegangen. Während ein Katalog sonst eher selten in Rezensionen einer Ausstellung erwähnt wird, war dies im Fall von Nationalgalerie fast unvermeidlich, so deutlich war er diesmal als Bestandteil der Ausstellung platziert und die Beteiligung Strauß’ herausgestellt. Doch wurde diese teilweise, gemäß der gewohnten Aufgabenteilung bei der Produktion von Ausstellung und Katalog, für einen – überflüssigen – »Einfall des Kurators«139 gehalten. Dass ein bildender Künstler in einem Ausstellungskatalog eine sehr bewusste Textregie betreiben kann, schien schwer vorstellbar. Demand hatte bereits in einem über zehn Jahre zurückliegenden Katalog zu einer Ausstellung im Kunstverein Freiburg Bilder als Projektionsfläche eines Kommentars verwendet140, mit einem Konzept, das auf eine kollektive Beteiligung zielte. Er verschickte Bilder seiner Arbeiten an ihm bekannte Personen mit der Bitte, einen Text über ein Bild zu schreiben. Es wurden nicht alle Texte aufgenommen, was zeigt, welchen Wert Demand einer Textredaktion beimisst, sondern eine Auswahl von zwölf Texten getroffen. Sie sind sehr heterogen, was Länge und Inhalt angeht: Viele sind genaue Bildbeschreibungen und Reflexionen über das Medium der Photographie, andere eher assoziativ, einige wenige rein fiktiv, indem sie Geschichten zu den Räumen erfinden. Die Bilder dienen als Katalysatoren, um Texte zu produzieren, die nur im Medium des Ausstellungskatalogs existieren. Das Verfahren einer Versammlung von vielen unterschiedlichen Texten erinnert an Kataloge von Olafur Eliasson, beispielsweise an Users 141, der im gleichen Jahr 1998 erschien und Texte von 14 verschiedenen Autoren und in ganz unterschiedlichen Textsorten wie Brief, Essay, Erzählung enthält. Sie sind noch offener und assoziativer als die im Katalog Demands und nicht auf konkrete Arbeiten oder Bilder hin orientiert.

Interviews und Selbstkommentare Beinhalten diese Kombinationen von Bildern und literarischen Texten anderer Autoren bereits ein dialogisches Moment, so sei im Zusammenhang mit dem Einsatz von Texten im Folgenden genauer auf den sehr bewussten Umgang mit der Interviewform in den Katalogen Demands eingegangen, eine allgemeinere Reflexion dieser Textgattung soll im Kapitel über Olafur Eliassons Interviewstrategien folgen.142 137 Sven Behrisch: Modell Deutschland, in: ZEIT, Nr. 39, 17.9.2009, S. 56. 138 Christoph Amend: Meine Nationalgalerie, Interview mit Thomas Demand, in: ZEIT Magazin, Nr. 39, 17.9.2009, S. 20. 139 Behrisch, Modell Deutschland, S. 56. 140 Thomas Demand, Kat. Kunstverein Freiburg 1998. 141 Olafur Eliasson: Users, Kat. Biennale São Paulo 1998. 142 Passagen aus den folgenden Überlegungen haben Eingang gefunden in: Albert Coers: »of course, an interview with the artist.« – Das Interview als Medium zwischen Konvention und Innovation in Ausstellungskatalogen, in: kunsttexte.de, Sektion Gegenwart, Ausg. 2/2012.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands Im eben erwähnten Katalog zur Ausstellung im Kunstverein Freiburg findet sich ein Gespräch Demands mit Vic Muniz, einem Künstler, dessen Arbeitsweise Berührungspunkte mit der Demands aufweist. Der Bezug zur Ausstellung ist sehr locker, bedingt auch dadurch, dass das Gespräch unabhängig von ihr für eine Zeitschrift stattfand143, es handelt sich also um ein Epitext, der dann in den Katalog aufgenommen wurde. Das Gespräch dreht sich um generelle Aspekte des photographischen Mediums und der künstlerischen Arbeit und ist in den Katalog eingebaut, um ein Gegengewicht zu schaffen zu den anderen Texten, die jeweils auf ein bestimmtes Bild fokussieren. Ein zusätzlicher Kommentar des Künstlers, konkret auf die Arbeiten bezogen, so kann man die Redaktion nachvollziehen, wäre redundant, würde wie eine Korrektur oder eine Auflösung aussehen. Demand enthält sich der Erklärung und vergrößert den Abstand zu den gezeigten Arbeiten. Er variiert den Bezug von Interview und Werk, reflektiert gleichzeitig seine zurückhaltende Kommentarpraxis in einem Interview aus demselben Jahr 1998, das publiziert ist in einem Künstlerbuch zu Demands erstem Film, Tunnel.144 Dort wird die konkrete Arbeit wiederum nicht erklärt, aber raffiniert indirekt auf die Gründe der NichtErklärung verwiesen. Beigefügt ist ein Interview des Journalisten René Ammann mit dem amerikanischen Künstler und Regisseur John Waters. Dies irritiert den Leser zunächst, da er sich ein Interview mit Demand erwartet. Über einen Umweg gelangt das Gespräch doch auf ihn, und zwar über ein Buch, also das Medium, in dem auch das Gespräch abgedruckt ist: Waters, von Ammann auf seinen Demand-Katalog angesprochen, berichtet vom Wunsch Demands, im Katalogtext die konkreten Hintergründe der Bilder nicht zu nennen, sondern nur anzudeuten, da sie die die Deutungsmöglichkeit einschränkten. Hier wird die Textregie erwähnt, als Zitat einer Mitteilungssituation, die in einem anderen Rahmen steht. In Tunnel wird der Fragende, Ammann, als Demand-Experte selbst zum Befragten, das Verhältnis der Interviewteilnehmer kehrt sich um und eine Gesprächssituation mit beiderseitig etwa gleichem Anteil entsteht. Auch im bereits erwähnten Interview Alexander Kluge-Thomas Demand steht dieses Idealmodell im Hintergrund: Das Gespräch soll sich nicht nur auf die Äußerungen eines Teilnehmers, des Interviewten, konzentrieren, sondern den Gegenüber einbeziehen und sich zu Gegenständen von allgemeinem Interesse erheben. Das Gespräch mit Alexander Kluge im Serpentine-Katalog 145 ist natürlich weder das erste Interview Demands noch das erste, das in einen Katalog Eingang findet, aber doch ein akzentuiertes Novum in dieser Ausführlichkeit (es erstreckt sich über 60 Seiten), der zentralen Platzierung und dem Bezug auf konkrete Arbeiten. Im Gegensatz zum Gespräch mit Muniz, ist es dem Katalog als Publikationsort vorbehalten, in seiner Gesamt-

143 Vic Muniz/Thomas Demand: Notion of space. A conversation, in: Blind Spot, Nr. 8, 1996, S. 30–37. 144 Thomas Demand: Tunnel, hg. v. René Ammann, [Frankfurt/Main] 1998. 145 Thomas Demand, Kat. Serpentine Gallery London 2006.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele länge nur dort zu lesen.146 Diese Exklusivität wertet Katalog und Gespräch auf. Bisher waren Kunstkommentare oder literarische Texte Bestandteil von Demands Katalogen, Interviews dagegen selten – im Gegensatz zu Katalogen etwa von Olafur Eliasson. Die Zurückhaltung Demands beim Abgeben von Kommentaren entspricht der bei der Abbildung der Vorlagen. Insofern könnte man auch hier wieder von einem »ersten Mal« sprechen. Die Regelabweichung ist allerdings abgefedert und legitimiert durch die Zusammenstellung der Gesprächspartner. Es ist kein routiniertes Kuratoreninterview, sondern ein Gespräch mit Alexander Kluge, dem »deutschen Godard«. Es findet statt zwischen zwei Künstlern, sozusagen auf Augenhöhe, wobei Demand sich in einer ähnlichen Position befindet wie später gegenüber Botho Strauß, er steht als Jüngerer einem »Klassiker« gegenüber. Die typographische Gestaltung versucht eine Distanz zwischen den Gesprächspartnern zu überbrücken: Ihre Anteile sind nicht durch Namensnennungen und Absätze getrennt, sondern lediglich durch kursive/recte Schrifttype. Wenn Demand spricht, ist sein erster Satz zusätzlich blau gedruckt. Wer gerade was sagt, ist trotz dieser Markierungen mitunter schwer zu unterscheiden. Damit sollen hierarchische Ebenen abgebaut und das Ganze als ein gemeinsam produziertes Textkontinuum präsentiert werden, ein gestalterisches Zusammenziehen der Gesprächspartner, was sich auch in anderen zeitgenössischen Katalogen findet, beispielsweise von Tacita Dean147, und deutet damit eine Tendenz an, die allgemein festzustellen ist: weg von einer einseitig künstlerzentrierten, hin zu einer kooperativ-kommunizierenden Gesprächssituation. Das Gespräch Kluge-Demand verläuft dann nicht ganz so paritätisch wie suggeriert. Da es für die Veröffentlichung in einem Katalog zu einer konkreten Ausstellung bestimmt ist, kreist es vorwiegend um diese. Kluge fungiert häufig nur als Stichwortgeber, stellt Fragen nach den Arbeiten oder spinnt Gedanken weiter. Sein Gesprächsanteil ist geringer als der Demands. Wiederholt fordert er diesen auf, Arbeiten zu beschreiben, womit er auch das Gespräch eröffnet und mehrere Passagen einleitet. Ein Kontext ist zusätzlich durch fettgedruckte und dadurch markierte Zwischenüberschriften festgelegt, die das lange Interview gliedern: Bis auf einige allgemeinere wie »image«, »models«, »paper« sind es Titel einzelner Arbeiten, die den Charakter von zusätzlichen Bildlegenden bekommen, die separat gesetzten Titelangaben wiederholen und mit diesen parallel laufen. Meist in Nachbarschaft zu ihrer Erwähnung im Text sind die Bilder abgebildet, häufig auf der gegenüberliegenden Seite. Um das Verhältnis aber nicht zu eng und illustrativ erscheinen zu lassen, sind Bilder und Texte auf die äußeren Seiten der Doppelseite gelegt, getrennt durch großzügige Abstände und die dazwischengeschobenen monumentalen 146 Die Süddeutsche Zeitung vom 7.6.2006 bringt das Gespräch nur »in stark gekürzter und überarbeiteter Form.« 147 Tacita Dean, Kat. Museu d’Art Contemporani Barcelona 2001.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands Bildlegenden. Doch auch so bekommen die Bilder einen starken Bezug zum Text, der seinerseits als durchlaufender Kommentar zu den Bildern erscheint, abermals als eine Führung, ein Rundgang durch die Ausstellung.

Abbildung und Nichtabbildung Bildredaktion: Akzentuierung der Ausstellung Im Folgenden wird der Gedanke einer bewussten Lenkung des Betrachters weiterverfolgt in der allgemeineren Frage nach Abbildung und Nichtabbildung, bezogen stärker auf das Verhältnis von Katalog und Ausstellung. Die Bildredaktion ist zentraler Bestandteil eines Katalogkonzepts, und gerade bei Thomas Demand lässt sich auf die mehrfache Bedeutung des Verbs ›red-igere‹ verweisen, von dem ›Redaktion‹ sich ableitet: Es beinhaltet nicht nur das geläufigere »in einen Zustand bringen, zu etwas machen«, sondern auch »(nach Zahl, Wert, Umfang) herabsetzen, beschränken, reduzieren«.148 Was die Übereinstimmung von im Katalog reproduzierten und in der Ausstellung gezeigten Arbeiten angeht, reicht die Spannweite von strengem bis hin zu lockerem Ausstellungsbezug. Im Katalog seiner ersten Überblicksausstellung 1998 in der Kunsthalle Zürich bildet Demand nur die ausgestellten Werke ab, was dem sachlich-grundlegendem Konzept der Ausstellung entsprach. Und in Nationalgalerie sind, wenn man die Referenzbilder im begleitenden Essay außer Acht lässt, genau die 38 Bilder abgedruckt, die auch in der Ausstellung gezeigt wurden; er ist mit dem Bildmaterial der Ausstellung identisch, und in dieser Hinsicht ein sehr pragmatischer Katalog im Sinne Ecos. Durch Abbildung von zusätzlichen Arbeiten, aber auch durch Nichtabbildung von ausgestellten akzentuiert Demand Kataloge jeweils unterschiedlich und positioniert sie gegenüber der Ausstellung. Im Unterschied zu vielen Kollegen legt Demand dieses Verhältnis meist offen, durch eine Übersicht der ausgestellten Arbeiten, prominent auf dem Katalogeinband149 oder in einem Verzeichnis, in dem die Bildkategorien deutlich gemacht sind.150 Das »Herzstück« des traditionellen Katalogs ist also beibehalten, auch wenn der Katalog insgesamt sich weit davon entfernt. Der Eigenwert der Bilder und Gewissenhaftigkeit im Umgang mit ihnen drücken sich darin aus. Die Reduzierung der ausgestellten Arbeiten im Katalog ist eine sonst nicht sehr übliche Praxis, versuchen Künstler doch häufig, soviel als möglich an Arbeiten und Abbildungen unterzubringen, damit auf ein breites Œuvre zu verweisen. Oder es wird ein regelrechter Bilderdschungel angelegt, in dem sich gefundenes Material, künstlerische Arbeiten, Installationsansichten vermischen, und die Unterscheidung zwischen Ausge-

148 Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch, Berlin u.a. 71991. 149 Thomas Demand, Kat. De Appel Amsterdam, Aspen Art Museum 2001. 150 Im Katalog Lenbachhaus München. Auch in Thomas Demand, Kat. Castello di Rivoli 2002. Dort sind 14 Arbeiten reproduziert, sieben ausgestellt, zwei davon nicht reproduziert.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele stelltem und Nichtausgestelltem, Eigenem und Fremdem irrelevant wird. Ein Beispiel wäre der Katalog Geläut von Tobias Rehberger, auf den wir noch eingehen werden. Demands Verfahren scheint dagegen zunächst gegenläufig. Im Lenbachhaus-Katalog ist nur ein zusätzliches Bild eingefügt, aber immerhin vier von insgesamt 19 ausgestellten Arbeiten sind nicht abgebildet.151 Es sind solche, die im begleitenden Essay nicht erwähnt werden, in dem es um die Geschichten geht, die den Hintergrund der Vorlagen bilden. Außerdem sind es Arbeiten, die aus einer Wiederholung ähnlicher Elemente bestehen, wie etwa Rasen, das aus unzähligen einförmigen Grashalmen besteht, oder Stall, wo es Strohhalme sind.152 Sie weisen eher formales und konzeptionelles, weniger narratives Potential auf, auf das in Ausstellung und Katalog Wert gelegt wurde. Demand verzichtet im Katalog also auf Abbildung bestimmter Bilder, um andere Komponenten umso deutlicher herauszustellen. Er stellt eine thematisch orientierte Auswahl von Bildern für den Katalog zusammen. Ähnlich wie die Aufnahme eines Textes, siehe den von Julia Franck in Phototrophy, zeigt sich der Bildverzicht im Katalog als Mittel zur Pointierung, zur nachträglichen Justierung einer Ausstellung. Gegenüber der Nichtabbildung von einigen Bildern im Lenbachhaus-Katalog ist Badezimmer das einzige Zusatzbild. Es dient gleichsam als Illustration zum Essay von Wakefield, steht dabei als pars pro toto für alle übrigen Photoarbeiten, deren Hintergrund erwähnt, die selbst aber nicht reproduziert sind, und das sind eine ganze Menge, nämlich sieben. Durch die Nichtabbildung wird gleichsam der umgekehrte Weg eingeschlagen, den die Bilder vorgeben: Der Betrachter soll nicht ein Bild mit einer Geschichte ergänzen, sondern sich zu einer Beschreibung, einer Geschichte ein Bild vorstellen. Insgesamt könnte man von einer Strategie der Bildverknappung sprechen.

Size matters (Phototrophy) In Bildauswahl und -gestaltung anders konzipiert ist Phototrophy zur Ausstellung im Kunsthaus Bregenz. Hier sind narrative Elemente weiter vorhanden, aber reduziert: So wird nur eine Filmarbeit gezeigt und im Katalog nur ein literarischer Text abgedruckt, der erwähnte von Julia Franck. Die Ausstellung ist zunächst als thematisch nicht weiter eingeschränkter retrospektiver Überblick angelegt. Dies hängt auch zusammen mit der gegenüber dem Lenbachhaus anderen räumlichen Ausgangslage. Dort bespielt Demand nur einige eher kleine Räume im Erdgeschoß, diesmal steht ihm das gesamte Kunsthaus auf drei Etagen zur Verfügung. Während er im Lenbachhaus die vorhandene Architektur ohne größere Veränderungen übernimmt, antwortet er auf die räumliche Herausforderung des Kunsthauses mit der Produktion von groß dimensionierten Arbeiten und einer aufwendigen temporären Ausstellungsarchitektur, was sich auch in den Dimensionen des 151 Rasen, Konstellation, Stall, Collection, laut Liste S. 166 f. 152 »In the Munich exhibition these pieces acted as yardsticks of meaning by which you could measure the more history-laden works.« Jörg Heiser: Pulp Fiction, in: frieze, Nr. 73, März 2003, S. 70.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands Katalogs widerspiegelt. Dies bietet Anlass, die Größenrelation von ausgestellten und im Katalog abgebildeten Arbeiten zu thematisieren, die Frage der maßstäblichen Wiedergabe, außerdem die Rolle von Installationsansichten. Kataloge von Künstlern, die großformatige Photoarbeiten produzieren, haben entsprechend meist große Dimensionen, siehe die von Andreas Gursky, Thomas Ruff oder Thomas Struth. Dass die Prints ab den 1990er Jahren immer größer wurden, bis hin zu den wandfüllenden Überformaten, hängt mit der Autonomisierung der Photographie als Kunstgattung zusammen, die sich selbstbewusst gegenüber der Malerei positioniert und mit dem »hyperdokumentarischen« Blick im Gefolge der Photographieklasse von Bernd und Hilla Becher an der Kunstakademie Düsseldorf, für den Details und eine entsprechende Abbildungsgröße sehr wichtig sind. In diesem Kreis bewegte sich während seines Studiums auch Thomas Demand. Bei ihm hat die Relation zwischen den Arbeiten in Ausstellung und Katalog eine besondere Bedeutung, gehen seine Photos doch bereits auf einen mehrstufigen Prozess der Übersetzung zurück. Maßstäblichkeit, sei es als Verkleinerung oder als Vergrößerung, spielt eine wichtige Rolle, bereits im ersten Schritt der Umsetzung von kleinformatigen Bildvorlagen in dreidimensionale, meist lebensgroße Modelle, die dann im Blick durch die Kamera und in der Reproduktion auf analogem Filmmaterial eine Verkleinerung erfahren. Für Ausstellungen werden dann abermals Vergrößerungen hergestellt, die durch metergroße Formate auf die Vermittlung eines realistisch-illusionistischen Eindrucks zielen, häufig mit einer Höhe von um die 180 cm, was in etwa der Körpergröße eines Betrachters entspricht. Für die Wiedergabe im Katalog, die ja nur in verkleinertem Maßstab oder in Ausschnitten erfolgen kann, ist eine erneute Übersetzung nötig, die Chancen einer Neuinszenierung bietet. In der Wahl der Abbildungsgröße im Katalog besteht, zusätzlich zur Abbildung oder Nichtabbildung, eine Möglichkeit der Akzentuierung einer Arbeit oder einer ganzen Ausstellung, von der Demand variantenreichen Gebrauch macht. Für das Kunsthaus Bregenz ist die Strategie gewählt, wenige neue Arbeiten ins Zentrum einer ansonsten retrospektiv gestalteten Ausstellung zu stellen und den Katalog in Größe und Gestaltung auf die zentralen Arbeiten abzustimmen – ähnlich wie im Lenbachhaus-Katalog der Fokus auf den Filmen liegt, oder im Serpentine-Katalog auf Grotte. Die Katalogdimension ist in Relation gesetzt zur Übergröße der ausgestellten Arbeiten. Schon der Titel Phototrophy ist Programm, in Analogie zu ›Hypertrophy‹, also ein über das gewohnte Maß Hinauswachsendes. Kernstück sind zwei monumentale Bilder, Lichtung (326 × 920 cm) und Fassade (300 × 1250 cm), zwei- bis vierfach vergrößerte Varianten existierender Photoarbeiten, erstmals nicht hinter Plexiglas präsentiert, sondern als Phototapeten. Sie sind geklebt auf massive Betonwände, die frei im Raum über dem Boden schwebend von der Decke hängen und so die Architektur des Kunsthauses mimetisch einbeziehen. Monumentales Einzelbild und der Bezug zum Ausstellungsraum sind die Themen der Ausstellung, die der Katalog aufgreift, zunächst in seinem übergroßen Format von

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

Abb. 8 Thomas Demand: Kat. Phototrophy, Kunsthaus Bregenz 2004, S. 120 f.

31 × 37 cm. Er soll einen Eindruck der Bilddimension jenseits von Installationsansichten vermitteln. Die großformatige Abbildung hängt aber auch mit dem Status der Bilder zusammen: Das Bild im Katalog ist nicht nur Reproduktion, sondern hat Eigenwert, bedingt durch die Arbeitsweise Demands, bei der es ein Original ja eigentlich nicht gibt, sondern bei der die Aufnahmen von Papiermodellen das greifbare Endprodukt darstellen. Dieser Eigenwert der Reproduktion und die Absicht, Größenrelationen zu vermitteln, führen zu möglichst großformatigen Druck, ohne aber sie über zwei Buchseiten zu ziehen.153 Dieses Prinzip ist bei den meisten der Demandschen Kataloge beibehalten, bei denen er die Gestaltung mitbestimmt hat.154 Das Bild, als eine Ebene im Raum, soll auch im Katalog beibehalten werden, seine »Unversehrtheit« nicht durch das Auseinanderklappen in zwei Hälften beeinträchtigt werden. Speziell für die Ausstellungssituation in Bregenz scheint das einleuchtend, da die zentralen Arbeiten auf in den Raum gehängten Wandflächen präsentiert sind. Diese durch den Falz geknickt abzubilden, hätte dem ortsbezogenen Ausstellungskonzept nicht entsprochen. Für die Abbildung ist eine ÜbereckAnsicht gewählt, die zur Verkürzung führt, und genau so in die Doppelseite einpasst, dass die Arbeiten bis zum Falz reichen, aber nicht über ihn hinaus. Fast sieht es so aus, als ob sie für diese Abbildung konzipiert und gehängt worden seien. (Abb. 8) Durch die Abbildungsgröße lässt sich auch auf Unterschied oder Überlappung von Bildkategorien hinweisen. In Phototrophy sind die filmischen Arbeiten durch statischmonumentale Einzelbilder repräsentiert, anders aus als im handlichen Lenbachhaus-Kata153 Gespräch des Autors mit Markus Weisbeck, dem Gestalter des Katalogs Phototrophy, Februar 2008. 154 Viele doppelseitige Abbildungen hat beispielsweise der Katalog, der weitgehend vom Graphiker der ausstellenden Institution gestaltet wurde: Thomas Demand, Kat. Castello di Rivoli 2002.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands log, wo zügiges Blättern von einem Filmstill zum nächsten möglich ist und die Filmsequenzen viele Seiten umfassen. Der Film Rolltreppe ist durch ein, Trick durch zwei solche Bilder vertreten. Dieser Wechsel in der Abbildungsart von Film deutet auch auf Demands Arbeitsweise hin: Die Filme sind aus einzelnen Photos zusammenmontiert, wobei Demand in Stop-motion-Technik kleine Veränderungen an den Modellen vornimmt, deren Aufnahmen dann aneinandergesetzt die Illusion von Bewegung vermitteln. Durch die Katalogabbildung ist auf diesen Zusammenhang zwischen Einzelbild und filmischer Sequenz aufmerksam gemacht. Und noch etwas verändert sich durch die großformatige Abbildung: Einzelheiten der manuellen Faktur werden klarer erkennbar als bei den kleineren Prints etwa des Lenbachhaus-Katalogs, auch wenn sie dort teilweise als vergrößerte Ausschnitte gezeigt waren. Damit ist der Blick auf den Prozess der manuellen Bilderstellung, ihrem Ursprung in Modelle aus Papier gelenkt. Wir werden damit im Zusammenhang der Funktion von Katalogabbildungen als Beglaubigung zurückkommen. Neben der Abbildungsgröße spielt bei der Akzentuierung von Arbeiten wieder die Bildredaktion eine Rolle, hier verstanden als Ordnungsverfahren: Die Reihenfolge der einzelnen Arbeiten im Katalog ist rückläufig chronologisch und umfasst den Zeitraum von 2004 bis 1993, beginnt mit der damals jüngsten und aufwendigsten Arbeit, Lichtung, die auch in der Ausstellung großen Raum einnimmt. Diese Anordnung stellt einen Bezug zur Ausstellung her, gleichzeitig ist die Publikation aber ein Retrospektiv-Katalog und geht über die Ausstellung hinaus, deren Hängung keiner chronologischen Ordnung folgte und in der 25 Photoarbeiten zu sehen waren; im Katalog sind es etwa doppelt so viele. Aber auch im Katalog ist die Betonung einer Arbeit, das Prinzip der Abwechslung zwischen materialintensiv-üppigen und eher minimalistisch-konzeptuellen Arbeiten, formaler oder inhaltlicher Bezug zwischen den Bildern wichtiger als die Einhaltung einer strengen Chronologie. Lichtung (2003) steht vor Leuchtkasten (2004), die vielteilige und großformatige Arbeit Space Simulator (2003) vor dem kleineren, reduzierten Dashboard (2004). Durch die variable Anordnung wird eine eigene Struktur geschaffen. Im Ganzen gibt es ja keine deutlich wahrnehmbare Entwicklung oder einen Sprung im Werk Demands – wenn man vom Übergang von privaten Bildvorlagen zu öffentlich publizierten absieht – die sich nur in einer streng chronologischen Reihung offenbaren würde, anders als in Katalogen von Malern, bei denen sich die Veränderung der Formensprache und der Handschrift oder das sich Herausbilden von Vorlieben im Sujet linear ablesen lässt. Man denke an Kataloge von Kandinsky, Rothko oder Pollock, die man sich anders als chronologisch geordnet kaum mehr vorstellen kann, auch, weil es die am weitesten verbreitete Darbietungsform eines Œuvres ist. Phototrophy verhält sich also durch das zusätzliche Bildmaterial gegenüber der Ausstellung unabhängiger als der Lenbachhaus-Katalog. Andererseits ist er auch enger auf die Ausstellung bezogen: Im hinteren Teil sind Installationsansichten abgebildet. Der Umgang mit ihnen ist bei Demand formal nicht katalogübergreifend festgelegt; wichtig aber ist eine deutliche Trennung von den Abbildungen der Photoarbeiten. Das geschieht in

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Phototrophy durch randlosen Druck gegenüber den durch breiten Rand gleichsam gerahmten, auf der Seite schwebenden Photoarbeiten, was sich auf die von der Decke abgehängten Bildträger beziehen lässt. Die Installationsansichten und damit die aufwendigen Ausstellungsarchitekturen gewinnen noch einmal an Größe und Monumentalität. Die bereits durch die Übereckperspektive suggerierte Räumlichkeit und Ausdehnung ist in den Abbildungen betont, die sich über den Seitenrand hinaus fortgesetzt denken lassen. Dies ist seit den 1990er Jahren ein gängiger Abbildungsmodus für Ausstellungsansichten, in ihm wird die Funktion der Abbildung betont, räumlich-visuelle Dokumentation zu sein, und seine »Bildhaftigkeit« nicht noch durch eine Rahmung hervorzukehren.155 Dies trifft sich mit der Praxis, in Ausstellungen Bilder ebenfalls rahmenlos zu präsentieren und damit Wandfläche oder den umgebenden Hintergrundraum und Bild reduziert-unvermittelt aufeinander treffen zu lassen, wie Demand es auch tut. Aber auch dieser Abbildungsmodus ist bei Demand nicht immer derselbe. Im Serpentine-Katalog von 2006 weisen Installationsansichten wie Abbildungen der Photoarbeiten einen Rand auf. Zur Verdeutlichung unterschiedlicher Bildkategorien ist dort das Trägermaterial verwendet: Die Installationsansichten erscheinen matt und zurückgenommen, denn sie sind gedruckt auf leicht rauem, ungestrichenem Papier, das der Haptik der Bildtapeten verwandt ist, die Photoarbeiten dagegen auf glatt-glänzendem, die dadurch der Plexiglas-Oberfläche der ausgestellten Prints näher kommen. In beiden Katalogen finden sich die Installationsansichten am Ende des Katalogs und sind so auch räumlich deutlich gegenüber den Reproduktionen der Photoarbeiten abgegrenzt. Damit sind Prioritäten gesetzt: Die Photoarbeiten sind wichtiger als deren Inszenierung in den Räumen. Gleichzeitig stellen sie auch den motivischen Ausgangspunkt für die später aus einzelnen Photos entwickelten Phototapeten dar. Eine Chronologie des Entstehungsprozesses von den Photoarbeiten zur Ausstellungsarchitektur wird so gleichsam mit angedeutet. Auch wenn Aufnahmen der Einzelarbeiten häufig den Installationsansichten vorangehen, wenn die beiden Kategorien getrennt werden, so findet sich auch der umgekehrte Fall, der wiederum viel über das Verständnis der Ausstellung aussagt. So zeigt zum Beispiel der Katalog zur Ausstellung von Rudolf Stingel 2013 im Palazzo Grassi, Venedig, zuerst eine umfassende Bildstrecke der spektakulären Verkleidung sämtlicher Wände und Böden mit der vergrößerten Reproduktion eines orientalischen Teppichs, auf der die Gemälde Stingels gehängt sind. Diese sind danach in einem separaten Bildteil noch einmal alle einzeln abgebildet. Sowohl bei Demand als auch bei Stingel handelt es sich um ein »All-over«, mit Bildtapete bzw. -teppich, das mit den Bildern selbst konkurriert. Im Fall Stingels leuchtet es ein, dass die Installationsansichten vorgeschaltet sind, da sie von ihrer Materialität her schwergewichtiger, monumentaler und farbkräftiger sind als Demands Bildtapeten und auch für die meisten Besucher die Hauptattraktion der Aus-

155 Vgl. dazu das Schema der Kataloganordnungsprinzipien, in Nikkels, Es erscheint ein Katalog, S. 50.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands stellung gewesen sein dürften. Die Bilder selbst waren, da in die Architektur integriert, grau-reduziert und häufig kleinformatig, demgegenüber leicht zu übersehen. Der Katalog überhöht die Bestandteile photographisch und bietet hintereinander, was in der Ausstellung nur simultan wahrnehmbar war, eine Schau der Ausstellungsarchitektur, gleichzeitig die Rücknahme der prominenten Inszenierung und durch die Freistellung eine nachträgliche Fokussierung auf die ausgestellten Bilder. Die Bilder in Stingels Katalog sind interessanterweise maßstäblich zueinander abgebildet, so dass der Kontrast zwischen Groß- und Kleinformaten erst richtig ins Auge fällt. Wie verhält es sich generell mit einer maßstabsgetreuen Wiedergabe von Arbeiten in zeitgenössischen Katalogen? Da die Reproduktion einen freien Umgang mit Größenrelationen ermöglicht, eine maßstäbliche Wiedergabe bei unterschiedlichem Ausgangsmaterial ein einheitliches Layout erschwert und zudem die proportionale Umrechnung mühsam wäre, findet sich das Prinzip nur selten angewandt. Wo es auftaucht, deutet es auf einen sehr bewussten Umgang mit dem Bild hin. In einem Werkverzeichnis von Gerhard Richter beispielsweise ist die Maßstäblichkeit von Abbildungen streng beibehalten.156 (Abb. 9) Im Kontext des Langzeitprojekts eines Catalogue raisonné wird dies plausibel: In ihren

Abb. 9 Gerhard Richter: Kat. Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris 1993, Werkübersicht 1978–1979.

Abb. 10 Wolfgang Tillmans: if one thing matters, everything matters, Tate Britain London 2003, S. 33.

156 Gerhard Richter, Kat. Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris 1993, Bd. 3: Werkübersicht 1962– 1993. Der Abbildungsmaßstab ist 1: 50.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Formaten werden einzelne Phasen, Brüche und Wiederaufnahmen sichtbarer, als es nur durch das Bildmotiv an sich wäre. Gleichzeitig entspricht das Prinzip aber auch der akribisch sein Werk ordnenden und dokumentierenden Arbeitsweise Gerhard Richters. Dies ist kein auf die ältere Künstlergeneration oder den Werkkatalog beschränktes Phänomen, sondern auch in Ausstellungskatalogen einer mittleren – siehe Stingel – oder jüngerer Künstlergeneration zu finden, etwa bei Daniel Richter, wo die Bildobjekte konsequent maßstäblich reproduziert werden.157 Der Modus scheint eher vom Ausgangsmedium und jeweiligen Bildverständnis abhängig: In den genannten Beispielen handelt es sich um Malerei und Zeichnung, und deren Originalcharakter und greifbare Materialität soll durch das Abbildungskonzept herausgestellt werden. Man könnte folgern, dass hier die Malerei sich ostentativ bemüht, ihr Spezifikum gegenüber den Aufzeichnungs- und Reproduktionsmedien wie der Photographie zu behaupten. Dort findet sich das Prinzip selten angewandt, da die Printgröße ja variabel ist und es kein zugrunde liegendes Original gibt, das in seiner Größe unveränderlich wäre – zumindest gilt dies für die neuere Geschichte der Photographie, in der sich die Vergrößerung weitgehend unabhängig macht vom Negativ. Auch wenn Photokünstler in der Regel eine bestimmte Größe für die Auflage von auszustellenden Bildern festlegen, oder auch mehrere wie etwa Wolfgang Tillmans, ist in Katalogen die Größe dem graphischen Konzept und dem Medium angepasst. So stellt Tillmans in seinen Büchern meist eine freie Größenanordnung her, in welcher der Wechsel zwischen den Präsentationsgrößen in Ausstellungen assoziativ seine Entsprechung findet, oder aber vereinheitlicht alle Bilde auf ein Miniaturformat, wodurch sich der Charakter eines Bildindex ergibt, bei dem nur mehr das Motiv eine Rolle spielt.158 (Abb. 10) Bei Künstlern, die mit sehr großen Bildformaten arbeiten und einen Ansatz verfolgen, der fiktionale und inszenatorische Momente in den Vordergrund stellt, scheint der Verweis auf Größe und Maßstäblichkeit der Photographien eine wichtigere Rolle zu spielen. So differenziert Andreas Gursky zwischen größeren und kleiner präsentierten Bildern.159 Dabei wird die Bildgröße jedoch dem graphischen Konzept angepasst. Ähnlich verfährt Thomas Demand, aber er verwendet die Abbildungsgröße variantenreicher und signalisiert so immer wieder unterschiedliche Bildkategorien. Findet sich besonders in den frühen Katalogen noch eine große Korrespondenz zwischen den Maßen der Katalogabbildungen und der ausgestellten Prints, wie im Katalog zur Ausstellung in der Kunsthalle Zürich, so ist dieser Zusammenhang zunehmend lockerer. In Phototrophy ist der Abbildungsmodus variabel; Mehrere kleinformatige Bilder der Serie Stapel sind in etwa ihren

157 Zum Beispiel Daniel Richter: Billard um halbzehn, Kat. Kunsthalle Kiel 2001. 158 Vgl. Größenangaben in Wolfgang Tillmans: Aufsicht, Kat. Deichtorhallen Hamburg u. a. 2001, S. 198. Einheitliche Miniaturgröße in Wolfgang Tillmans: if one thing matter, eveything matters, Kat. Tate Britain London 2003. 159 Vgl. Andreas Gursky, Kat. Haus der Kunst München 2007.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands Verhältnissen zu den Großformaten entsprechend auf einer Seite versammelt. Überhaupt spielen die Bildmotive eine Rolle: Stilllebenartige Arrangements sind meist kleiner wiedergegeben als raumfüllende Installationen, wie beispielsweise Spüle.160 [17] Im Katalog Klause dagegen sind alle Motiv seitenfüllend wiedergegeben, da es hier auf die Sequenz der Bilder, nicht auf ein Einzelbild ankommt. Eine starre Einhaltung der Maßstäblichkeit würde Demand, der mit verschiedenen Abbildungsmodi und Realitätsebenen spielt, zu stark einschränken. Die Abbildungen werden als eigenständige, variable Bilder begriffen, die unabhängig von ihrer materialen Endform und ihrem Bildträger existieren, nicht als Dokumente bestehender Bild-Objekte.

»Um diesen Madame Tussaud-Effekt zu unterlaufen« – Bildverweigerung Die Photoarbeiten Demands fordern die Frage nach ihrer Entstehung geradezu heraus. Sie wird zunächst kaum, dann freizügiger beantwortet, wenn man die Kataloge in ihrer Gesamtheit betrachtet. Demand gibt immer offener Einblick in den Produktionsprozess, was mit der Ausstellung des Modells für Grotte und der Abbildung von verschiedenen Produktionsschritten einen Höhepunkt findet, der aber seinerseits kontrolliert ist. Interessant dabei ist der Umgang mit den Bildvorlagen, »Grundlage und das Herz von Demands Arbeit«, wie Susanne Gaensheimer schreibt.161 Angesichts dieser betonten Rolle ist es auffällig, wie wenig Informationen man über diese Vorlagen tatsächlich aus den Katalogen bekommt. Dieser Aspekt, der bereits wiederholt angeklungen ist, etwa bereits im Interview Ammann-Waters, sei etwas genauer beleuchtet. Demand betreibt eine Textund Bildregie, welche die Vorlagen erwähnt und teilweise auch abbildet, aber die Referenz auf die Photoarbeiten niedrig hält. In den Katalogtexten stehen die Vorlagen und die dahinter stehenden Ereignisse selten explizit im Zentrum, und wenn, wird dies als Besonderheit signalisiert. Am Essay Flashbulb Memory von Neville Wakefiled im LenbachhausKatalog wird hervorgehoben, er sei »der Text über die Geschichten, die den Bildern von Thomas Demand zugrunde liegen und die erstmals den breiten Raum erhalten, den sie in seinem Werk einnehmen.162 Hier ist wieder der Topos der Erstmaligkeit verwendet, ähnlich wie im Zusammenhang mit der Ausrichtung des Katalogs auf die narrative Seite von Demands Werk. In einigen Fällen wird im Essay der mit der Bildvorlage verknüpfte Hintergrund tatsächlich ausführlich geschildert, etwa der Fall Barschel, eine Bildbetrachtung der Arbeit Demands angeschlossen und die Umsetzung der Vorlage besprochen, damit ein Bildvergleich suggeriert. Allerdings ist die Vorlage selbst nicht abgebildet. Unterlaufen wird damit die übliche Praxis des Bildvergleichs, wie sie spätestens seit Heinrich Wölfflin etabliert und für den Betrachter zur Gewohnheit geworden

160 Siehe die Abbildung in Thomas Demand, Kat. Serpentine Gallery London 2006, S. 72. 161 Thomas Demand, Kat. Lenbachhaus, S. 65. 162 Ebd., S. 67.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele ist.163 Sie beruht auf den Prinzipien räumlicher Nähe zu vergleichender Bilder, am besten in paralleler Gegenüberstellung, und auf der Vereinheitlichung von Abbildungsgröße und -qualität.164 Jenseits von Badezimmer ist auf die zugrundeliegenden Ereignisse oder aber auf die Arbeiten Demands nur angespielt und dies durch eine Endnote gekennzeichnet. Die »Auflösung« findet sich dann diskret verborgen in Anmerkungsverzeichnis. Es gibt keine Übersicht, in dem Photoarbeiten und zugehörige Geschichten einfach gegenübergestellt würden. Wie vor den Bildern in der Ausstellung, ist der Betrachter zunächst alleine gelassen, seine Neugier nach Auflösungen wird nicht befriedigt. Die Suche nach den Vorbildern gleicht einem Puzzlespiel, bei dem die einzelnen Teile im Katalog durch unbequemes Hin- und Herblättern zusammengesucht werden müssen. Im Katalog Report (2004) werden innerhalb eines Essays zur Arbeit Modell verschiedene Referenzbilder abgebildet, jedoch nicht das eigentlich verwendete. »Die photographische Vorlage wird in diesem Zusammenhang nicht abgebildet, da der Künstler die Deutungsmöglichkeiten der autonomen künstlerischen Arbeit nicht auf einen Vergleich zwischen ›Vor‹- und ›Nachbild‹ reduzieren will«165 heißt es dazu. Dieses Statement findet sich jedoch nicht im Haupttext des Essays, sondern in einer Fußnote, wie um das Problem durch prominentere Erwähnung nicht zu stark ins Bewusstsein zu bringen. Die Möglichkeit einer Hierarchisierung von Informationen ist mit der Auslagerung in den Paratext der Anmerkung genutzt, die »punktuelle Nuancierungs- oder Dämpfungseffekte erlaubt.«166 Erst in einem späteren Interview äußert sich Demand direkt über dieses Thema. Er rechtfertigt die Abbildung von Vorlagen im Katalog zur Ausstellung im MoMA (2005) und die damit verbundene Verletzung selbstgesetzter Spielregeln mit Verweis auf den retrospektiven Charakter des Katalogs und eine über längere Zeit aufgestaute Nachfrage, der endlich, widerstrebend, nachgegeben wird: »Dieses Buch steht […] im Kontext eines längeren Zeitraumes. Auch Richter hat irgendwann gesagt, er bildet jetzt ab. Ich habe das bislang immer vermieden, weil es wie bei kosmetischen Operationen ein Vorher-Nachher wäre, und darum geht es nicht.«167 Der Verweis auf Gerhard Richter lässt sich beziehen auf die Abbildung der Photos, die diesem als Vorlagen für seinen RAF-Zyklus dienten, im Katalog einer Ausstellung von 2000, ebenfalls im MoMA.168 Dort wird der Abbildung und Besprechung der Vorlagen ein dezidierter, zentraler Raum gegeben. Sie bilden den 163 Heinrich Wölfflin: Kunstgeschichtliche Grundbegriffe, München 1915. Zum Thema Bildvergleich ausführlicher: Lena Bader/Martin Gaier/Falk Wolf (Hg.): Vergleichendes Sehen, München 2010. 164 Badezimmer wird als Beispiel für adäquaten Umgang mit dem Bildvergleich bzw. der Bezugnahme herangezogen bei Peter Geimer: Vergleichendes Sehen oder Gleichheit aus Versehen? Analogie und Differenz in kunsthistorischen Bildvergleichen, in: Bader/Gaier/Wolf, Vergleichendes Sehen, S. 65. 165 Ulrike Schneider: Modell/Model, in: Thomas Demand: Report, 2001, S. 48. 166 Genette, Paratexte, S. 312. 167 Obrist, Thomas Demand, Conversation Series, S. 12. 168 Gerhard Richter: October 18, 1977, Kat. Museum of Modern Art New York 2000.

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Gegenstand eines eigenen Kapitels im Essay von Robert Storr und sind mit Bildlegenden versehen, die explizit auf den Vorbildcharakter der jeweiligen Photographie für ein bestimmtes Gemälde hinweisen. Teilweise sind sogar erste Arbeitsschritte wie die Ausblendung von Textelementen bei Vorlagen aus der Presse in genau gleicher Größe parallel zu diesen abgedruckt, so dass sich bereits hier Bildvergleiche anbieten. (Abb. 11) Auch im Katalog zur MoMAAusstellung von Thomas Demand finden sich Vorlagen innerhalb eines Essays der Kuratorin Roxana Marcoci. (Abb. 12) Jedoch stehen sie dort keineswegs eindeutig im Zentrum und sind auch nicht en bloc konzentriert wie im Katalog Richters, sondern vermischt mit einer Vielzahl anderer Referenzabbildun- Abb. 11 Gerhard Richter: October 18, 1977, Kat. Museum of gen, die allgemein Einflüsse auf das Modern Art New York 2000, S. 111. Werk Demands illustrieren sollen, einer Art visuellem Bildungsroman. Sie reichen von Stills aus der Filmgeschichte über Buchcover zu Arbeiten anderer Künstler. Das Bildmaterial, das dann folgt, und sich dezidiert auf Demands Arbeiten bezieht, fügt sich in den Strom der Bilder ein. Dieser Eindruck wird auch durch das Layout unterstützt: Die Abbildungen sind eng mit dem Text verzahnt, stehen teilweise in der Seitenmitte, werden von ihm umflossen. Anders ist es im Richter-Katalog, wo Bild und Text klarer getrennt sind. In Marcocis Text wird die Vorlagenfunktion einzelner Abbildungen zwar auch erwähnt, aber eher en passant und nicht in Form einer expliziten Bildlegende. Und, was eine entscheidende Rolle spielt: Marcoci vergleicht die Vorlagen nicht mit den Arbeiten, sondern ordnet sie kulturgeschichtlich und werkbezogen ein. Storr dagegen beschreibt minutiös die Unterschiede von Ausgangsphotos und Gemälden, widmet sich den Maltechniken und sucht dadurch Richters Verfahren deutlich zu machen. Im Katalog Demands dagegen sind zeit- und kulturhistorische Aspekte mit werkbezogenen verquickt, um den direkten Vergleich zu erschweren oder beim Leser das Bedürfnis nach einem solchen gar nicht erst aufkommen zu lassen.

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Abb. 12 Thomas Demand: Kat. Museum of Modern Art New York 2005, S. 20.

Der größte Unterschied ist jedoch wiederum eine Bildverweigerung. Die Abbildungen im Essay im MoMA-Katalog, sind, wie Demand sagt, »nie die Bilder, die ich verwendet habe, einfach um diesen Madame Tussaud-Effekt zu unterlaufen: ›So sah es in Wirklichkeit aus, und so sieht es bei dem jetzt aus.‹ Das bliebe auf dem Niveau eines Werbeprospekts fürs Fettabsaugen.«169 In der Tat zeigt ein Vergleich die bildredaktionellen Eingriffe zur Vermeidung einer Nähe von Vorlage und den Arbeiten. Konsequent sind alle Referenzbilder in Schwarzweiß wiedergegeben, so dass bei Arbeiten, in denen Farbe eine tragende Rolle spielt, diese Vergleichsmöglichkeit genommen ist, wie in Studio, das vom intensiven Lauf durch die Farbscala lebt. Gleichzeitig führt dies zu einer Vereinheitlichung und dem Verschmelzen der Kategorien Vorlagen und sonstige Referenzbilder. Im erwähnten Richter-Katalog bestehen die Vorlagen und die daraus entwickelten Gemälde beide aus Grautönen, was einen Vergleich nahe legt. Ein Beispiel mit noch offener Vergleichsmöglichkeit ist der Katalog Rot, Gelb, Blau Gerhard Richters von 2007 zu seinen Arbeiten für BMW.170 Dort dienten Detailphotos von monochromen Farbschlieren als Vorlage für großformatige Gemälde. Im Katalog sind diese Photos auf einem schmalen Klappfalz der Reproduktionen der Gemälde abgedruckt, ähnlich wie Demand ihn in 169 Obrist, Thomas Demand, Conversation Series, 2007, S. 12. 170 Gerhard Richter: Rot, Gelb, Blau. Die Gemälde für BMW, München 2007, Abb. 20–22.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 13 Gerhard Richter: Rot, Gelb, Blau. Die Gemälde für BMW, München 2007, Abb. Nr. 20.

Nationalgalerie verwendet. Sie verdecken das Bild anders als dort jedoch nur zum Teil und stehen so direkt neben ihm. Wie die Gemälde selbst sind sie farbig und fordern zum Vergleich geradezu heraus. (Abb. 13) Die Bildpolitik Thomas Demands ist demgegenüber eine andere, Auswahl und Abbildungsmodus lassen die kreative Leistung der Umsetzung umso stärker hervortreten. Weniger die Ähnlichkeit als die Differenz zwischen Ausgangs- und Endbild soll aufgezeigt werden. Das Referenzbild im MoMA-Katalog für Podium ist eine sehr körnige Schwarzweißaufnahme, die eine aus großer Entfernung aufgenommene Panorama-Ansicht zeigt, auf der man kaum etwas erkennen kann171, während Demands Bild sich auf die Umsetzung eines kleinen Ausschnittes der Architektur konzentriert, starke Farbigkeit und große Tiefenschärfe aufweist. Auch hinsichtlich Badezimmer liefert die wiedergegebene Titelseite des Spiegel (Abb. 12) keine detaillierten Bildinformationen: Abgebildet ist ein stark vergrößertes, gerastertes Pressephoto, es zeigt vor allem den Kopf des in der Wanne liegenden Politikers, der ja bei Demand gerade eliminiert ist. Vom Badezimmer selbst ist wenig zu erkennen, es ist stark beschnitten und von Text- und Bildelementen überlagert. Andere Vorlagen unterscheiden sich stark durch Aufnahmewinkel oder Distanz zum Objekt von der realisierten Arbeit, beispielsweise lässt die Referenzabbildung für Space Simulator 172 Gestalt und Konstruktion der Objekte wegen der Überschneidung mit 171 Thomas Demand, Kat. Museum of Modern Art New York 2005, S. 21. 172 Ebd. Die Photoarbeit Space Simulator ist abgebildet auf S. 109.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele anderen Maschinen, der starker Verkürzung und eines weit oben liegenden Aufnahmestandortes bestenfalls erahnen. Dagegen zeigt das endgültige Photo das Objekt freigestellt, frontal und aus Augenhöhe eines Betrachters, in einer an die Industriephotographien der Bechers erinnernden Art. Das Abbildungsmaterial dient der Werkkonstruktion. Bewusst finden sich die Referenzbilder im Essay am Anfang des retrospektiv angelegten Ausstellungskatalogs. Sie dienen als Hinweise auf Demands Produktionsprozess, als Belege für die Präsenz der Vorbilder im kollektiven Bildvorrat. Die visuelle Gleichbehandlung von kunsthistorischen Referenzabbildungen und von Demand zur Verfügung gestellten Bildvorlagen suggeriert Kontinuität: Es finden sich zum Beispiel Abbildungen aus Ed Ruschas Photobuch Twentysix Gasoline Stations und aus einem Katalog von Bernd und Hilla Becher, nachfolgend Vorlagen für Arbeiten Demands aus Zeitungen und Zeitschriften. Bildredaktionell geschickt sind hier zwei Arten von Vorbildern gemischt: die künstlerischen Einflüsse und Bezugspunkte, die teils von der Kunsthistorikerin Marcoci festgestellt, teils von Demand genannt sind, und die von Demand in seinen Arbeiten verwendeten Bildvorlagen. So entstehen zwei Bildstrecken, die mit dem Text korrespondieren, und mit den Phasen der Rezeption/Ausbildung und der Produktion/Ausübung korrelieren. Zwischen beiden Blöcken ist als Übergangs- und Gelenkstelle ein Photo platziert, das frühe Papierskulpturen Demands noch während seines Studiums zeigt. Der Neuansatz im Essay, der dann Demands Arbeitsweise und einzelne Arbeiten im Kontext der Bildvorlagen beschreibt, ist typographisch durch den Umbruch und durch einen dezidierten schwarzen Punkt am Beginn der neuen Spalte dramatisiert. Insgesamt ergibt sich eine sehr kohärent wirkende Werk- und Entwicklungsbiographie, die an klassische Modelle wie Vasaris Viten erinnert, wo die Lehrzeit bei bekannten Meistern, der Wetteifer mit ihnen und schließlich das Übertreffen des Vorbilds fester Bestandteil sind. Die Abfolge und Besprechung der Bildvorlagen folgt im Großen und Ganzen der Reihenfolge im Abbildungsteil, allerdings ist die Korrespondenz immer wieder gelockert, um Bildvergleiche nicht zu einfach zu machen. So erscheint die als erste im Essay besprochene Arbeit Demands, Raum (1994), im Abbildungsteil erst einige Seiten weiter hinten. Auch überschneiden sich kunsthistorische Referenzen und Bildvorlagen: Als Bezugspunkt für die Arbeit Treppe ist Bauhaustreppe von Oskar Schlemmer abgebildet173, auf der Seite gegenüber mit einer Arbeit des Photographen Michael Schmidt keine Bildvorlage und kein Vorbild, sondern eine künstlerische Parallelposition. Der Gegensatz im Umgang mit Vorlagen ist bei nicht von Demand gesteuerten Abbildungen auffällig. So setzte etwa ein ZDF-Beitrag über Demands Ausstellung Nationalgalerie das Mittel des direkten Bildvergleichs ein, ja der unmittelbaren Abfolge von Vorund Nachbild mittels Überblendung.174 Auch benennen Bildunterschriften in Zeitungen 173 Ebd., S. 16. 174 Sendung »Der Fotokünstler Thomas Demand in Berlin« in der Reihe aspekte vom 10.9.2009.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands zu Bildern Demands fast immer das Vorbild gleich mit. BILD beispielsweise untertitelte die Arbeit Gangway (2001): »Eine Flugzeugtreppe, die Maschine in Lufthansa-Farben. Steht für die 1977 von Terroristen entführte ›Landshut‹, und Studio (1997): »Ein langer Tisch mit vier Stühlen. Klar: Das Studio von Robert Lembkes heiterem Beruferaten ›Was bin ich‹«.175 Dass sich die Bild-Zeitung nicht mit Subtilitäten aufhält und auf eindeutigmarkige Bildunterschriften setzt, ist kaum erklärungsbedürftig. Aber auch in seriöseren Printmedien werden meist immer dieselben Arbeiten als Abbildungen herangezogen, nämlich diejenigen, bei denen der Zusammenhang zwischen Bild und Vorbild relativ leicht hergestellt werden kann, etwa Badezimmer, das selbst zur Bildikone geworden ist und inzwischen künstlerische Remakes erfahren hat 176, oder eben Studio. Das Publikum, das angesprochen werden soll, ist in der Tagespresse ein anderes als das eines Katalogs, auch hat der Journalismus die geringe Aufmerksamkeitsdauer eines Rezipienten zu bedenken. Demand hält die Informationen über Vorlagen seiner Bilder im Allgemeinen knapp. Der Kontext sei für ihn als Produzenten, aber nicht als Rezipienten wichtig, ähnlich wie bei einem Gemälde von Holbein, »[…] weil ich als Betrachter nicht wissen muss, wer das ist, um das Bild zu verstehen.«177 Damit steht die Abbildungsstrategie Demands nicht nur im Gegensatz zu Katalogen Gerhard Richters und dessen Klassiker auf dem Gebiet der Verknüpfung von Vorbildern und Bildern, dem Atlas, den Demand als »phantastisch freigiebig«178 bezeichnet, sondern auch anderer, jüngerer Kollegen. So zeigt Luc Tuymans in seinem Katalog I don’t get it (2007) Bildvorlagen explizit und in unmittelbarer Nähe seiner Gemälde, auf der vorhergehenden oder gegenüberliegenden Seite, wodurch ein direkter Vergleich möglich wird. Beide Bildsorten sind in der Größe aneinander angeglichen: So ist beispielsweise das großformatige Gemälde Cargo nur leicht größer reproduziert als das nebenseitige Polaroid. (Abb. 14) Vorlage und Abbild sind so kaum zu unterscheiden, verschwimmen. Die Tatsache des Arbeitens nach Vorlagen ist durch die Ähnlichkeit hervorgehoben, anders als in den Katalogen Gerhard Richters ist die Differenz in der malerischen Umsetzung auch nicht besonders betont. Der Tuymans-Katalog preist die Abbildung der Vorlagen als Gelegenheit an, intimen Einblick in den sonst nicht sichtbaren Werkprozess des Künstlers zu nehmen: »This book is an invitation to the reader, to look beyond the paintings. […]. The artist has recently opened up a part of his artistic practice, in the form of Polaroids and other documents, that was previously out of sight. It is now possible as never before to chart his fascinations and working processes.«179

175 176 177 178 179

Vgl. Dorothee Achenbach: Berühmte Fotos – alles aus Pappe!, in: BILD, 24.9.2009. Jörg Oetken hat 2008 Badezimmer als Videostill und Photo nachgestellt. Obrist, Thomas Demand, Conversation Series, S. 25. Ebd., S. 13. Luc Tuymans: I don’t get it, Gent 2007, Klappentext.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

Abb. 14 Luc Tuymans: I don’t get it, Gent 2007, S. 76 f.

Eine ähnliche Praxis findet sich in den Katalogen von Daniel Richter, der Vorlagen, meist Zeitungsbilder, integriert und sie, wie Luc Tuymans, zusätzlich ausstellt. »Erstmals gewährt der Künstler nicht nur im Katalog, sondern auch in der Ausstellung Einblick in sein reichhaltiges Materialarchiv […]« heißt es im Vorwort zum Katalog Billard um halbzehn.180 Bereits der Titel und die Appropriation des Covers des 1959 erschienenen Romans von Heinrich Böll kündigen die Bezugnahme auf Quellen und Vorbilder an. Die Vorlagen sind in der Ausstellung, anders als bei Tuymans, nicht sachlich-medienarchäologisch in Vitrinen präsentiert und von den Gemälden getrennt, sondern mit ihnen zusammen gehängt und direkt konfrontiert. Diese Art der Installation ist im Katalog nachgestellt. Die Vorlagen sind teilweise direkt gegenüber den Gemälden abgedruckt und prominent in Szene gesetzt; großgezogen, in Achsen und Blöcken, in eigenen Bildkompositionen gruppiert. Sie bekommen starke Autonomie, während die Gemälde selbst im Gegensatz dazu, wie erwähnt, akribisch maßstabsgetreu reproduziert sind. Demgegenüber ist die Präsentation von Vorlagen in Katalogen von Luc Tuymans zurückhaltend, von Demand ganz zu schweigen. Eigenwert bekommen die Vorlagen bei Daniel Richter auch dadurch, dass ihre Herkunft und Referenz nirgends angegeben ist, im Unterschied

180 Daniel Richter, Billard um halbzehn, S. 7.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands zu Richters Atlas und zur Indizierung bei Demand, der Bildquellen im Abbildungsverzeichnis stets nennt. Mit der Abbildung von Vorlagen, auch wenn sie bildredaktionell anders dargeboten werden, öffnet sich Demand ebenfalls einer Darstellung des Arbeitsprozesses, was wiederum im Sinn eines »ersten Mal« gedeutet wird. So heißt es über Demands MoMA-Katalog, ganz ähnlich wie zu den Publikationen von Luc Tuymans und Daniel Richter: »It includes previously unpublished archival documentation, and offers compelling insight into his working process and the stories behind his pictures.«181

Das Original im Katalog Bildvermehrung – »Production stills« (Klause) Schon im Katalog zur Ausstellung im Lenbachhaus waren Fragen aufgetaucht nach dem Entstehungsprozess, aber auch der Definition von Bildkategorien durch den Künstler, nach dem Unterschied zwischen endgültigen Einzelbild und der Pluralität von Bildern desselben Modells, die zu einem Film zusammengesetzt sind, von Filmstills und einer Serie von Einzelbildern, die dasselbe Motiv, aber unterschiedliche Ausschnitte und andere Beleuchtungssituationen zeigen. Diese Fragen wurden sowohl in ausgestellten Arbeiten als auch in den Katalogen verhandelt und dort, durch die erneute Reproduktion oder deren Verweigerung, um eine Ebene erweitert. 2006 zeigte Demand die Bildserie Klause im Museum für Moderne Kunst Frankfurt. Entgegen den Gepflogenheiten eines Ausstellungskatalogs sind die Bilder selbst nicht reproduziert, sondern andere, wenn auch ähnliche. Als Erklärung heißt es: »Die Publikation […] zeigt Aufnahmen, die Thomas Demand während des Arbeitsprozesses […] in seinem Atelier aufgenommen hat.«182 Dies weckt beim Leser Erwartungen, die so nicht eingelöst werden: Gezeigt ist nicht das schrittweise Bauen und Entstehen der Papiermodelle in aufeinander folgenden Phasen der Produktion, der Arbeitsprozess selbst, wie ihn beispielsweise Gerhard Richter in den Zuständen seiner abstrakten Bildern photographisch dokumentiert hat. Auch der Zusammenhang des Ateliers, der erst die Illusion aufheben und eine räumlich-maßstäbliche Vorstellung vermitteln würde, ist nicht mit abgebildet. Die Abbildung des eigentlichen Making-of bleibt, wie wir noch sehen werden, dem Katalog Processo grottesco vorbehalten. Demand zeigt wie gewohnt Aufnahmen von fertigen Plastiken aus Papier, auch wenn Beleuchtung, Aufnahmewinkel und Bildausschnitte differieren. Ihre Abbildung im Katalog ist eine konzeptionell-bildpolitische Entscheidung.

181 http://www.amazon.de/Thomas-Demand/dp/0870700804/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books-intl-de& qid=1250070758&sr=1-1 (13.4.14). 182 Thomas Demand: Klause, Kat. Museum für Moderne Kunst Frankfurt 2006, Impressum, o. S.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Der Status dieser Aufnahmen wird in Klause zunächst eher umschrieben, erst in späteren Katalogen sind die Aufnahmen unter der griffigen Bezeichnung ›Production still‹ geführt. Daran lässt sich ablesen, dass es sich für Demand um eine noch neue Bildkategorie handelt, deren Potential er erst nach und nach erkennt und unter einem Begriff fasst, der anschlussfähig ist an seine filmischen Arbeiten, die aus animierten Einzelbildern zusammengesetzt sind. Man könnte das Verfahren der Production stills vergleichen mit der Veröffentlichung von Bonus-Material zusätzlich zu einem Film, das Standphotos und nicht in die endgültige Version aufgenommene, herausgeschnittene ›deleted‹ bzw. ›extended scenes‹ bietet. Das Novum ist die Abbildung solcher zusätzlicher Aufnahmen, gleichzeitig setzt Demand dem wiederum eine Verweigerung entgegen: Die ausgestellten Bilder sind nicht abgebildet, beide Bildkategorien dadurch getrennt, eine Vergleichsmöglichkeit nicht gegeben, ähnlich wie bei Demands Behandlung von Vorlagen und Photoarbeiten. Die Photos im Katalog sind auch nicht als autonome Bilder im Kunsthandel erhältlich.183 Ihre ausschließliche Präsenz im Buch macht dies zu einem Multiple von gesteigertem Wert, das eine eigentümliche Stellung zwischen Künstlerbuch und Ausstellungskatalog einnimmt, denn preislich liegt es weiterhin auf der Ebene eines »normalen« Ausstellungskatalogs. Außerdem ist es nicht autonom, sondern »begleitet« die Ausstellung, wie es auch explizit im Impressum heißt. Es finden sich nicht nur Essays zu Demands Werk, sondern auch zu Apokalypse, einer Serie von Lithographien von Max Beckmann, auf die Demand, so die Ausstellungsidee, künstlerisch reagieren sollte. Diese sind im Buch wiedergegeben, was also durchaus der Erwartung an einen Katalog entspricht, der die ausgestellten Werke abzubilden hat – nur, dass dies gerade bei den Arbeiten Demands, die im Mittelpunkt stehen, nicht geschieht. Im Hinblick auf die im selben Jahr folgende Ausstellung in der Serpentine Gallery in London und ihren Katalog stellt sich die Entscheidung als vorausplanend heraus: Neben Grotte hat Demand mit der Serie Klause dort gleich zwei spektakuläre neue Arbeiten zu zeigen. Die Bilder, obwohl schon ausgestellt, sind noch nicht publiziert, doch hat das Publikum im Katalog Klause schon eine Art Preview bekommen, die neugierig auf die endgültigen Bilder macht. Der in Abbildungsmaterial und Dimension zurückhaltende Katalog zur Ausstellung in Frankfurt, ein ähnliches Understatement wie das Begleitheft zu Camera, lässt eine Steigerung zu. Er entspricht damit auch den Ausstellungsorten: hier ein (post)moderner, relativ sachlicher Frankfurter Museumsbau, dort eine klassizistische, luxuriöse Londoner Villa. Auch auf inhaltlicher Ebene lassen sich die Bilder der neuen Kategorie rechtfertigen: Die Serie Klause hat den Ort eines Verbrechens zum Gegenstand, der nach der Tat wiederholt umgebaut wurde, sich in verschiedenen Zuständen zeigt und über dessen

183 Laut Anfrage bei einer der Galerievertretungen Demands, Galerie Esther Schipper, Berlin.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 15 Thomas Demand: Klause, Kat. Museum für Moderne Kunst Frankfurt 2006, o. S.

»eigentliche« Gestalt Unklarheit herrscht. Eine Serie von Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln und Entfernungen zum Objekt, die nichts Endgültiges hat, sondern etwas Kontingentes, kommt dem entgegen. Indem Demand im Katalog zusätzliche Bilder hinzufügt, schafft er eine erneute Distanzierung von den Ausgangsorten. Abbildungstechnisches Mittel zur Unterscheidung der Aufnahmen während der Produktion von den endgültigen Bildern ist ihre Unschärfe, genauer ihre geringe Tiefenschärfe. Nur ein kleiner Bereich innerhalb der Tiefendimension des aufgenommenen Objekts wird scharf wiedergegeben. So zeigt beispielsweise die erste doppelseitige Abbildung eine von Efeu überwucherte Fassade, die von links nach rechts, also in Lese- bzw. Blickrichtung, schnell unscharf wird. (Abb. 15) Die Unschärfe dient aber nicht nur der Unterscheidung der Bildkategorien, sondern hat, wie die Abbildung alternativer Aufnahmen insgesamt, eine inhaltliche Dimension. Der Katalog ist damit »noch stärker als die in der Ausstellung präsentierten Photographien von vornherein auf Unschärfe gegenüber den Ereignissen angelegt.«184 Die Abbildungen sind auch nicht, wie sonst meist bei Kunstreproduktionen und in anderen Katalogen Demands, auf glattem, glänzendem Papier gedruckt, was sie der Präsentation der Photos in der Ausstellung annähert. 184 Udo Kittelmann: Nachtrag zu einem Dialog: Thomas Demand und Max Beckmann, in: Klause, 2006, o. S.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Stattdessen ist mattes, saugfähiges Papier verwendet, auf dem die Bilder wenig brillant, etwas verwaschen erscheinen, mit abermaliger Steigerung des Eindrucks von Unklarheit und zeitlicher Distanz. Im Vor- und Nachsatz sind jedoch hochglänzende Photos zu sehen, Berglandschaften in Panoramaansicht, die nicht von Demand selbst stammen, sondern von Bildagenturen. Ihr inhaltlicher Bezug ist nicht offensichtlich, man erfährt ihn erst aus der Lektüre der Begleittexte: Es sind die Berge in Südtirol, nach denen der Ort des Verbrechens benannt war, eine Kneipe mit dem Namen »Tosa-Klause«. Der Gegensatz zwischen den nur durch den Namen verbundenen Bilderwelten könnte krasser nicht sein: hier eine majestätische, sonnendurchflutete Bergwelt, dort ein düsteres, enges Lokal. Die Photos konfrontieren den Betrachter mit einer ganz anderen Abbildungsästhetik und lassen die Untertreibung der Demandschen Bilder im Buch, das Matte, Ausschnitthafte, Unscharfe, umso stärker hervortreten. Das Moment der Unklarheit ist durch Bildvermehrung im Katalog gesteigert. Die ausgestellten Bilder, die in ihrer begrenzten Anzahl und großen Format doch eine gewisse Übersicht vermittelt hätten, sind abwesend. Ihnen steht eine große Menge von Katalogbildern gegenüber, die den Betrachter stärker noch als die Einzelbilder in eine Narration verwickeln sollen. Ähnlich wie im Lenbachhaus-Katalog ist das filmische Moment betont, der Betrachter und sein Blick werden bewusst geführt durch den Wechsel von Außenaufnahmen zu Innenaufnahmen, von Totalen zu Ausschnitten. Zum einen kommt dies der Verunklärungsabsicht entgegen: Statt eines deutlich gegliederten Schreitens von einem Einzelbild zum anderen, wie es der Besucher in der Ausstellung auch körperlich vollzieht, findet ein Schweifen durch ein Bildkontinuum statt. Zum anderen kann so das Konzept der Serie ausgebaut werden. Die verschiedenen Ansichten sind gewissermaßen in das Gerüst der Einzelbilder eingefügt, und das Buchmedium bietet durch das Blättern eine ideale Möglichkeit des Bilderwechsels. Wie die Abbildungen und im Bezug auf sie spielt der Einband des Katalogs mit der Idee der Präsenz: Er besteht aus hellgelb bedrucktem, unkaschiertem Karton und entspricht in seiner Farbigkeit der letzten Abbildung, die das Detail einer Innenwand zeigt. Dem Leser wird die Illusion vermittelt, er habe vielleicht ein Reststück der Demandschen Installation, aus Karton gebaut, in den Händen. Dieser Materialreiz, in Kombination mit den Bildern, verstärkt den Charakter eines Multiples.

Reale Beilagen – Der Ausstellungskatalog als Multiple 1920 ließ Prousts Verleger eine Sonderedition von À l’ombre des jeunes filles en fleurs drucken, die jeweils einige Seiten des Manuskripts und der korrigierten Druckfahnen enthielt, wodurch das Autograph auf die Edition verteilt und diese zu einem begehrten Sammelobjekt wurde.185 Dieses Konzept der Originalbeigabe und der stückweisen Vertei185 Vgl. Genette, Paratexte, S. 40.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 16 Thomas Demand: Kat. Serpentine Gallery London 2006, S. 51.

lung eines zusammenhängenden Werks lässt an Praktiken in der zeitgenössischen Kunst denken, etwa an die Verteilung von Stoffstücken aus der Verhüllung des Reichstags 1995 durch Christo und Jeanne-Claude. Ähnliche Ideen lassen sich in zeitgenössischen Katalogen beobachten, etwa in Thomas Demands Katalog zur Ausstellung in der Serpentine Gallery in London, 2006. Es geht aber nicht um den Kult des Autors in Form eines Autographs oder allein um die Aufwertung des Katalogs zum Sammlerobjekt, vielmehr stehen abermals die Befragung des Bildund Originalbegriffs und die Verknüpfung von Ausstellung und Katalog im Mittelpunkt. Als Cover und in den Katalog eingebunden finden sich Tapetenstücke in der Größe einer ganzen oder halben Seite. (Abb. 16) Demand hatte mit solchen Tapeten die Galeriewände verkleidet und darauf die Photoarbeiten gehängt. Ihr Motiv, Efeublätter, ist entwickelt aus einem Bild der Serie Klause, auf dem eine von Efeu überwucherte Hausfassade zu sehen ist. Das botanische Motiv ›Blatt‹ korrespondiert im Deutschen mit dem Trägermaterial ›Papier‹ und stellt einen Bezug zum ursprünglich vorgesehenen Katalogtitel her, Cuts, Papers and Leaves.186 Es gibt in Ausstellung und Katalog vier Tapetensorten, mit Prägung auf dickes Papier gedruckt, auf dem Stege der getrockneten Farbe als Relief fühlbar sind. Durch ihre farbliche und haptische Qualität unterscheiden sie sich von den übrigen Seiten. »[…] Jede seiner Arbeiten ist großartig. Ebenso wie dieses Buch aus weichem, 186 Der Titel findet sich nicht im Katalog, aber in zahlreichen Epitexten wie Verlagsmitteilungen.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele schmeichelndem Papier, von dem wir gerade nicht lassen können«187 heißt es in einer Kundenrezension. Man sieht, wie die Wertschätzung der Arbeiten und des Katalogs in eins fallen. Auch ist der Katalog als »kostbar« beschrieben188, und so als materiell-wertvolles Objekt ausgewiesen. Damit ist der Katalog anders als Klause, wo der potentiell wertsteigernde Effekt auf der bildpolitischen Entscheidung beruhte, sonst nirgends erhältliche Abbildungen zu zeigen, und weniger auf einem materiellen Reiz. Die Haptik des Papiers scheint eine neue, den Demand-Katalogen bislang eher fremde Erlebnis-Komponente der Kataloge zu bedeuten. Werden die Photoarbeiten häufig als kühl, abstrahiert-distanziert empfunden, wozu die technische Perfektion und die reduzierte Präsentation beiträgt, rahmenlos, hinter Acrylglas, so scheinen die Tapeten aus einer ganz andern Sphäre zu stammen und für fehlende sinnliche Reize zu entschädigen. Der Ausstellungskatalog hat also eine wichtig Ergänzungsfunktion zu den Bildern, indem er den materiell-haptischen Teil bietet, der in ihnen nicht vorkommt. Daneben geht von den Tapetenstücken der Reiz aus, ein »echtes« Stück, ein Souvenir der Ausstellung zu sein. Dem Wunsch, Ausgestelltes berühren zu dürfen, ansonsten meist sanktioniert, wird entsprochen. Auch wenn die Vorstellung, es handle sich bei den Beilagen um die Tapetenstücke, die in der Ausstellung zu sehen waren, sich bei genauerem Nachdenken als illusorisch herausstellt – dazu müssten die Kataloge ja nach der Ausstellung produziert und die Tapetenstücke in völlig unversehrtem Zustand von den Wänden abgelöst worden sein – die Verbindung der Tapeten mit der Ausstellung behält einen auch gedanklichen Reiz. Im Prinzip sind die Tapeten beigelegte Druckgraphiken. Damit ist der Katalog gleichzeitig ein Künstlerbuch-Multiple, ein Gedanke, der schon in Klause vorhanden ist. Der Katalog ist buchtechnisch auf die Tapeten abgestimmt und markiert sie durch paratextuelle Auszeichnungen: Wie bei Musterbüchern für Tapeten ist der Buchblock nicht mit einem Vorsatzpapier an den Deckel geheftet; dadurch ist das Buch leichter aufzuschlagen. Die Wertigkeit der Tapetenseiten als integraler Bestandteil des Katalogs, nicht nur als optionale Beigabe, wird dadurch unterstrichen, dass sie in der Seitenzählung berücksichtigt sind. Installationsansichten am Ende des Katalogs bilden genau diese Tapeten an den Wänden ab und führen so Beigaben und Ausstellung zusammen. Die Tapetenteile haben innerhalb des Katalogs auch ordnende Funktion und interagieren mit dem weiteren Bild- und Textmaterial. Sie fungieren in ähnlicher Weise wie die schwarzen Seiten im Lenbachhaus-Katalog als Trennblätter zwischen den Abschnitten, dem Katalogessay, dem Gespräch Kluge-Demand, den Installationsansichten und den bio-bibliographischen Angaben. Ähnlich waren die Tapeten in der Ausstellung selbst eingesetzt: Mit den vier Varianten der Tapete, die in ihrem Farbton auf Lichtintensitäten und Tageszeiten anspielten, wurden unterschiedliche Räume in der Galerie hinterlegt und dadurch voneinander abgegrenzt. Die Architektur und Gliederung der Ausstellung spie187 http://www.amazon.de/Cuts-Papers-Leaves-Serpentine-Interview/dp/3829602499 (1.3.2014). 188 art, 9/2006, S. 136.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 17 Thomas Demand: Kat. Serpentine Gallery London 2006, S. 72–73.

gelt sich im Katalog wider. So ist der Abschnitt zu Klause mit einer Tapetenseite eröffnet. Da der Efeu auf dem Photo das Vorbild für die Tapete ist, ergibt sich ein Auszoomen vom Detail zum Gesamtbild, übersetzt durch ein anderes Abbildungsverfahren. Das letzte Tapetenstück leitet die Installationsansichten ein. Die erste Aufnahme des Galerieraumes zeigt als zentrales Motiv Grotte, das auf ebendieser Tapete präsentiert wird. Wieder überschneiden sich die Abbildungsebenen, diesmal Bildtapete und ihrer eigenen Abbildung im Photo. Grotte und die Serie Klause sind durch die Tapeten verschränkt: Das Motiv des wuchernden Efeus ist ins Räumliche erweitert, in diesen zwischen Mimesis und Dekoration stehenden Bildraum ist Grotte eingefügt, die Assoziation Höhle-Efeu visuell unterstützt. Im Bezug auf den Ausstellungsort, ein historisches englisches Landhaus in einem Park, sind Wandtapete, Ausstellung und Katalog site-specific. Ein Beispiel für den raffinierten Umgang mit Abbildungen jenseits des Konzepts der Bildtapete bietet Detail (Sportscar). (Abb. 17). Auf einer ausklappbaren Seite sind drei abstrakt-geometrische Kompositionen zu sehen. Das Sujet lässt sich nur dem Titel entnehmen, der mit der Tautologie von Abgebildetem und Bezeichnung spielt: Was sonst eine abbildungstechnische Kategorie ist, wird zum Bildmotiv erklärt. Ob neben den Ausschnitten auch das ganze Auto gebaut wurde, bleibt offen. Der Katalog führt die Pointe auf eine zweite Ebene: Die Rückseite des Triptychons zeigt einen Ausschnitt aus dem mittleren Bild, das Detail eines Details. Eingeklappt liegt es neben der Bildlegende, die sich sowohl auf das innenliegende als auch auf das nebenseitige Detail beziehen lässt. Wieder kommt die Frage der Maßstäblichkeit ins Spiel: Extrapoliert man den Bildausschnitt, so entspricht er in etwa der Photoarbeit im Verhältnis 1:1. Demand gibt also hier ein Detail in realer Größe wieder, was ja auch beim Bau der Installationen zum Konzept gehört und zu den eingebundenen Tapetenstücken passt. Auch diese haben die Größe des Ausgangsmaterials und suggerieren, es könnte sich um Originale handeln.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

Die Inszenierung des Produktionsprozesses Bildbeglaubigung durch Katalogabbildung Mit der Entwicklung der digitalen Bildbearbeitungs- und Simulationsprogramme Ende der 1990er Jahre entstand Thomas Demand eine Konkurrenz bei der Erstellung von fiktionalen Bildern. Die handwerklich-technische Perfektion seiner Objekte und Photos übte großen Reiz aus, ließ aber Zweifel an der manuellen Herstellung aufkommen: »[…] wir können nicht davon lassen, immer wieder zu kontrollieren, ob nicht doch eine Computersimulation dahinter steht«189 heißt es in einer Kundenrezension zum SerpentineKatalog. Es ist wohl auch dieser Aspekt, der manche Abbildungsentscheidung Demands beeinflusst hat. Das Handgemachte, »Gebastelte«, kleine Unregelmäßigkeiten, Nahtstellen, Knicke im Papier, dies alles lässt sich im Katalog nur durch eine bestimmte Abbildungsgröße und -qualität sichtbar machen. Diese »Fehlstellen« haben nicht nur beglaubigende Funktion, sondern auch ästhetische. Demands Haltung zum Postulat von Perfektion hat sich im Lauf der Zeit etwas verschoben. Während zunächst das Erzeugen und Festhalten eines Moments von Vollkommenheit im Vordergrund steht190, äußert er später: »Imperfection is the beauty of it.« 191 Wie in Phototrophy und im MoMA-Katalog sind die Abbildungen im SerpentineKatalogs sehr groß. Was die Abbildungsgröße noch steigert, und was Demand zum ersten Mal mehrfach verwendet, sind ausklappbare Seiten, die Ausschnitte zeigen, wie von Detail (Sportscar). Auf ihnen ist der genauere Blick, die Kontrollmöglichkeit, dem Betrachter schon vorgegeben. Auch die beigegebenen Tapetenstücke in ihrer sinnlichen Präsenz lassen sich als Beglaubigung und Bekräftigung des Nicht-Virtuellen, manuell Hergestellten lesen – und über die dazwischengeschalteten Reproduktionsstufen implizit als Betonung derselben Qualitäten des Ausgangsproduktes, des Papier-Efeus. Ebenfalls tragen die Production stills in Klause dazu bei, die manuelle Genese der Bilder zu bekräftigen, auch wenn die Unschärfe der Aufnahmen dem zunächst konträr zu sein scheint. Manchmal ist es jedoch genau die begrenzte Tiefenschärfe, die den Blick auf ein »unperfektes« Detail lenkt. So liegt etwa bei der Nahaufnahme der Yuccapalme, die großformatig auf einer Doppelseite abgebildet ist, der Schärfebereich genau auf den Stamm. Dadurch kann man feine Ränder eines schraubenförmig gewickelten Papiers und somit die Faktur deutlich erkennen. (Abb. 18) Bei einer weiteren Detailaufnahme ist der

189 http://www.amazon.de/product-reviews/3829602499/ref=dp_top_cm_cr_acr_txt?ie=UTF8&show Viewpoints=1 (15.04.14). »Bemerkt werden muss (…), dass es letztlich – wenn auch mit einigem Aufwand – möglich wäre, auch ein solches Bild von Thomas Demand digital zu erstellen.« Zschocke: Der irritierte Blick: Kunstrezeption und Aufmerksamkeit, München 2006, S. 340, Anm. 7. 190 Vgl. Douglas Fogle: In the Stomach of an Architect, in: Thomas Demand, b&k+, Kat. Biennale São Paulo 2004, o. S. 191 Vgl. Matt Watkinson: Model Behaviour, in: TATE ETC, Nr. 3, 2005, S. 86.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 18 Thomas Demand: Klause, Kat. Museum für Moderne Kunst Frankfurt, 2006, o. S.

Fokus genau auf den leicht unregelmäßigen Rand eines Kühlschrankmagneten gerichtet. Die Ausschnittsvergrößerung dient also in diesen Fällen nicht dazu »die durchgängige Glätte der Bilder, ja den cleanen Eindruck demonstrativ zu bestätigen«192, wie es bei Detailaufnahmen etwa im Lenbachhaus-Katalog erscheinen mag, sondern zur Hervorhebung der kleinen, bewusst eingebauten Brüche innerhalb der sonst makellosen Umgebung. Stellt die gesteuerte Schärfe Spuren des Arbeitsprozesses heraus, so unterstreicht zusätzlich die Pluralität der Bilder ihren Ursprung als Photographien per Hand gebauter Modelle. Die unterschiedlichen Aufnahmewinkel, Kamerastandpunkte und Schatten führen die Vielansichtigkeit und damit Dreidimensionalität der Modelle vor Augen. So ist beispielsweise das beleuchtete Fenster am Anfang der Bildserie aus zwei entgegengesetzten Blickwinkeln aufgenommen. Die Unterschiede der Aufnahmen sind durch das Quer- und Hochformat noch unterstrichen, eine Vergleichbarkeit ist durch die Platzierung auf gegenüberliegenden Seiten gegeben. Auch die unterschiedlichen Lichtverhältnisse, links mit schwachem Dämmerlicht auf der Fassade, rechts bei völliger Dunkelheit

192 Ullrich, Raffinierte Kunst, S. 89.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele außen, nur mit von innen durch das Fenster dringendem Licht, lassen den räumlichen Charakter, das Bühnenhafte der Bauten hervortreten. Der Betrachter kann die Veränderungen nachvollziehen, ähnlich dem Umschreiten eines dreidimensionalen Objekts, das potentiell ja unendliche viele Ansichten bietet. Auf der Biennale Venedig 2007 wurde eines der Modelle Demands als Objekt ausgestellt. Die Abweichung von der bisherigen Praxis war sehr deutlich, und wurde als »Erstmaligkeit« auch nach außen signalisiert. Nicht zufällig war es das monumentale Modell zu Grotte: Die Photoarbeit war zuvor prominent in der Serpentine Gallery präsentiert gewesen, jetzt bekam man das zugrundeliegende Modell und den Entstehungsprozess nachgeliefert, eine Auflösung von vorher erzeugter Spannung, ähnlich, wie die Ausstellung der endgültigen Photos von Klause in der Serpentine Gallery durch die ihre NichtAbbildung in der zugehörigen Publikation gewissermaßen vorbereitet war. Die Ausstellung des Modells war auch eine »Beglaubigung der Bilder«193 gegenüber dem Verdacht der digitalen Generierung. Wieder erfüllte Demand eine Erwartungshaltung und unterlief sie gleichzeitig. Zu sehen war kein klassisches, per Hand gebautes Modell. Demand hatte digitale Technik verwendet, nicht beim Erstellen des Bildes, das wie gewohnt ein analog aufgenommenes Photo war, sondern bei der Herstellung des Modells mittels eines programmierten Schneideplotters, eine Umkehrung, die letztlich die Frage nach dem genauen manuellen Arbeitsprozess und der Genese der übrigen Modelle offenließ und wiederum Distanz zwischen Künstler und Modell herstellte.

Materialsammlung, Making-of und Selbstdarstellung (Processo grottesco) Die Ausstellung und der dazugehörendem Katalog Processo grottesco zielen auf eine Aufwertung des gedanklichen Prozesses, der Recherche nach Bild- und Textmaterial beim Erstellen einer Arbeit gegenüber der Fixierung auf die Frage nach den technischen Prozessen und auf die physische Präsenz des Modells. So ist im Vorwort des Katalogs das Quellenmaterial zur Arbeit an erster Stelle genannt, dann erst das Modell selbst, und beides als Einheit dargestellt: »[…] the artist presents the source material he collected for the work alongside the subsequent sculpture and the final photograph for the first time.« Das eigentliche »first time« ist die Offenlegung der Quellen. Das Modell war nur ein Bestandteil der Ausstellung, seine Präsenz und Bedeutung durch die Einbindung in den Werkzusammenhang relativiert. Die Hilfskonstruktionen, Gerüste und Unterbauten waren als Bestandteile der Skulptur mit ausgestellt, zusammen mit Werkskizzen, Arbeitsmodellen, Photos aus dem Entstehungsprozess mit der visuellen und literarischen Stoffsammlung. Diese Ausstellungsstücke wurden liegend in Tischvitrinen präsentiert, um einen Kontrast mit den Photoarbeiten zu schaffen, die räumlich getrennt gezeigt wurden: das monumentale Einzelbild Grotte sowie die bislang noch nicht

193 Ebd., S. 91.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

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ausgestellte Photoserie Yellowcake. Processo grottesco ist eine Dokumentation des Werkprozesses mit beigefügter Materialsammlung. Von einem Ausstellungskatalog zu sprechen, scheint dennoch gerechtfertigt: Er gibt ausgestelltes Material verzeichnend wieder und enthält einen Metatext. Gleichzeitig hat er den Charakter eines Künstlerbuches, wenn man das Kriterium der Ausrichtung auf das Buchmedium zugrundelegt. Vom Katalog der Serpentine-Ausstellung lässt sich unschwer eine Brücke schlagen – auch die Gestalterin Naomi Mizusaki ist dieselbe. Wie dort ist an nichts gespart. Wer nach dem vorausgegangenen Katalog geglaubt hatte, eine Steigerung hinsichtlich buchtechnischen Aufwands und Raffinesse sei nicht mehr möglich, sah sich eines bessern belehrt. Allerdings ist nicht einfach die Größendimension gesteigert. Es ist vielmehr die Tiefendimension, durch das Abb. 19 Thomas Demand: Processo grottesco. Yellowcake, relativ kleine Format bei hoher AbbilMailand 2007, Cover. dungs- und Seitenzahl, damit die Objekthaftigkeit des Katalogs, die mit der Präsenz des ausgestellten Modells von Grotte korrespondiert. Hier kann man, vom Preis194 und den Materialreizen ausgehend, nach der Funktion eines solchen Buches als Luxus- und Prestigeobjekt fragen, auch im Hinblick auf Assoziationen mit Produkten des Sponsors von Ausstellung und Katalog, Prada, der ja für exklusive Mode bekannt ist. Die Rückkopplung der Zusammenarbeit mit einer Institution tritt hier deutlich zu Tage. Doch soll dieser Aspekt vorerst im Hintergrund bleiben und im Zusammenhang mit Publikationen Eliassons aufgegriffen werden. Ein gewichtiger Kubus steht vor einem, ein Schuber, der zwei Bände umfasst, mit einer Anmutung, die man sonst eher von Klassikerbänden gewohnt ist, in schwarzes Kunstleder gebunden, was den Eindruck von Massigkeit und Schwere verstärkt und gleichzeitig assoziativ auf die Dunkelheit von Grotte verweist. (Abb. 19) Auf den Inhalt 194 Processo grottesco/Yellowcake ist mit 100 € der bislang teuerste der Katalog Demands, vgl. http://www. fondazioneprada.org/bookshop/eng/books/index/idop:25 (5.5.2014).

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele der Box ist in mimetischer Weise angespielt: Innen ist sie mit einem Photo von Grotte ausgekleidet. Der Hohlraum wird zur Höhle, was etwas verspielt wirkt. Dabei ist der Schuber an sich ein durchaus passender Zusatz, der nicht nur zwei Kataloge, damit unterschiedliche Arbeiten beiordnend zusammenfasst, sondern auch die Aura des nicht sofort Zugänglichen, Geheimnisvollen verstärkt, die beide Kataloge bekommen sollen, und damit die in ihnen behandelten Photoarbeiten, Grotte und Yellowcake. Der Einband von Processo grottesco zeigt außen eine Detailaufnahme von Grotte, auf der sich das Motiv in einzelne bläulich-weiße Streifen auflöst und als Ganzes kaum erahnt werden kann. Das Verborgene des Buches im Schuber, die Unklarheit des Bildes steigert die Spannung. Die Abbildung der Gesamtaufnahme findet sich erst innen im Katalog. Sie erstreckt sich, wieder auf einer Klappseite, die sich erst nach und nach preisgibt, über drei Seiten. Sie ist als Abbildung einer endgültigen Photoarbeit durch einen breiten weißen Rand kenntlich gemacht und gegenüber dem übrigen Bildmaterial hervorgehoben, das sonst meist randlos oder auf grauem Hintergrund präsentiert ist. Wieder ist das Primat der Bilder gegenüber Texten betont: Außer dem kurzen Vorwort steht kein einführender Text am Anfang, sondern der Leser ist mitten in eine Fülle von Abbildungen geworfen und muss sich innerhalb der Bilder und Texte selbst zurechtfinden – ein Kommentar des Kurators Germano Celant folgt erst im hinteren Teil, ähnlich wie im Lenbachhaus-Katalog. Der Entdeckerinstinkt des Lesers ist angesprochen: Es sind topographische Karten einer Insel abgebildet, dann von Höhlen. Der Leser nähert sich von der Übersichtsdarstellung dem Ort, der sich unter der Kartenebene befindet, eine Art Zoom, wie wir ihn aus anderen Katalogen Demands kennen. Damit ist ein Narrativ angedeutet: Reise und Ankunft, von der Oberfläche in die Tiefe. Im folgenden Abschnitt sind die Seiten oberhalb der Mitte durch einen hineingefrästen Spalt getrennt, so dass zwei dicke Bilderstapel entstehen; der obere hat Postkartenformat. Dieser Teil reicht bis etwa zur Mitte des Buches. Die skulpturale Behandlung des Buchblocks, vom Schnitt her deutlich wahrzunehmen, lässt an die Bearbeitung der Kartonstapel bei der Herstellung von Grotte denken und verbindet so Katalog und ausgestelltes Modell. Im oberen Block sind Postkarten von touristisch bekannten Höhlen abgebildet, im größeren unteren parallel Detailaufnahmen von Grotte. (Abb. 20) Durch diese zwei Stapel, die in ihrer Dicke und den oft ähnlichen Motiven an Daumenkinos erinnern, wird die Parallelität von zwei Prozessen suggeriert, von (Vor)bildsammlung und schrittweiser Produktion des eigenen Modells in der Umsetzung des Materials. Die Materialien, die auf die Postkartensammlung folgen, reichen von geologischen Abhandlungen bis zu Ausschnitten aus Werken der deutschen Romantik. Bücher sind als leicht verkleinerte Faksimiles wiedergegeben. So entsteht ein Eindruck von Authentizität und Nähe, der sich durch unterschiedliche Schrifttype, Papier, Erhaltungszustand und nicht zuletzt durch die Bleistiftanstreichungen in den Texten mitteilt, die offensichtlich vom Benutzer, also Demand stammen. Der Leser kann sich selbst als Entdecker fühlen

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 20 Thomas Demand: Processo grottesco, Abb. 271b.

und gleichzeitig den Künstler auf seiner Recherche begleiten. Es werden gezeigt: Höhlenführer, Werbemagazine, die sich der Höhle als Set bedienen, Buchcover, Seiten aus Novalis’ Heinrich von Ofterdingen, aus Katalogen von Max Ernst, Bilder aus Filmen, ein Bildparcours zur Ikonographie der Höhle von Moritz von Schwind bis zu Olafur Eliasson. Demand stellt gewissermaßen den Prototyp einer Höhle her, die Summe seiner Recherche. Eine Präsentation von ikonographischen Materialsammlung zu Arbeiten findet sich in Katalogen besonders der 2000er Jahre häufiger, zum Beispiel bei Embankment von Rachel Whiteread 195, wo eine Sammlung von Photos zum Thema ›Schachtel‹ abgebildet ist, als visuelle Grundlage der Installation aus Abgüssen von Schachteln in der Turbinenhalle der Tate Modern. Ein ähnlicher Blick auf die Pinnwand des Künstlers als Bilderressource findet sich bei Stephan Balkenhol.196 Auf Gerhard Richters Atlas, Kataloge von Luc Tuymans und Daniel Richter wurde im Zusammenhang mit dem Umgang mit Bildvorlagen bereits verwiesen. Allerdings handelt es sich bei den meisten dieser Sammlungen um rein visuelles Material. Was Demand an Bildern, aber auch an Texten darbietet, geht in die Richtung

195 Rachel Whiteread: Embankment, Kat. Tate Modern London 2005. 196 Stephan Balkenhol, Kat. Kunsthalle Baden-Baden, Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Duisburg, Museum der Moderne Salzburg 2006, Nachsatzpapier.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele einer Monographie zur Ikonographie, ja zur Kulturgeschichte der Höhle mit wissenschaftlich-enzyklopädischem Charakter, was durch den Umfang des Buches unterstrichen wird. Gleichzeitig soll der Katalog den Werkprozess hin zu Grotte abbilden. Dafür ist der transitorisch-provisorische Charakter der Elemente betont. Dies führt zu teils etwas forciert wirkender Authentizität, wenn etwa der begleitende Essay von Germano Celant im Katalog ebenfalls als Teil der Sammlung abgebildet wird, als faksimilierter Stapel Faxpapier, dessen oberstes Blatt ein Eselsohr hat und somit das vorläufige Stadium im Prozess der Katalogproduktion, aber auch die Materialität demonstriert und den Text in die Materialsammlung einfügt. Die Ästhetik ist ähnlich der von Tobias Rehberger in Geläut, wo sie allerdings viel provokanter und über den gesamten Katalog verbreitet auftritt. Mit dieser Making-of-Anmutung, die sich im Katalog Yellowcake fortsetzt in der Verwendung von Notizbuchpapier und Handschrift, konkurriert das perfekte Äußere, die buchtechnische Ausstattung mit Lesebändchen und Silberschnitt.197 Mit Processo grottesco greift man nicht nur zu einem Ausstellungskatalog, sondern gleichzeitig zu einem kulturgeschichtlichen Werk, das seine Bestände genau verzeichnet. Um nicht zu wissenschaftlich zu wirken und den künstlerisch-subjektiven Zugang zu unterstreichen, ist eine systematische Ordnung bewusst vermieden: »the materials […] are not presented in progressive order, but rather freely associated«, wie es am Buchende in der »note to the reader« heißt. So springt die Nummerierung der Abbildungen häufig hin- und her, läuft teilweise rückwärts, was für den Leser zunächst verwirrend ist. Es ist eine individuelle Systematik, die von den Abbildungen ausgeht und deren Eigenwert betont. Bildlegenden gibt es auch deshalb nicht auf den Seiten selbst, sondern erst in einem Index am Katalogende. Obwohl Demand im Katalog Einblick in seine Arbeitsweise wie nie zuvor gibt, macht er es dem Betrachter auch nicht zu einfach. So ist die Postkarte, die als entscheidende Bildvorlage diente, zwar tatsächlich abgebildet, und auch als erste, aber sie ist Teil eines umfangreichen Stapels ähnlicher Postkarten, was ihre Bedeutung wieder relativiert. Außerdem ist sie von der einzigen Ansicht, welche Grotte als Ganzes zeigt, durch mehrere Seiten getrennt, so dass ein Vergleich nur durch Hin- und Herblättern möglich ist. Erschwert wird er auch durch die Doppelseite, die im ausgeklappten Zustand die anderen Seiten verdeckt. Es gibt keine Parallelabbildung der Postkarte und einer Gesamtansicht von Grotte. Eine Vergleichbarkeit von Postkarte und den Detailaufnahmen darunter wird durch die parallele Anordnung suggeriert, dann aber zurückgenommen. Die Aufnahmen zeigen in starker Vergrößerung Ausschnitte, die auf der Postkarte nicht leicht wiederzufinden sind. Weiter variieren Vergrößerungsfaktor, Beleuchtung und Schärfe, so dass man vielfach nur noch verschwommene graphische Strukturen erkennt, was durch den Her-

197 Vgl. Tocha, Von der Pappschachtel zur Stadtarchitektur, S. 5.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 21 Thomas Demand: Processo grottesco, Abb. Nr. 457–454.

stellungsprozess des Modells aus einzelnen Kartonsegmenten bereits vorgegeben ist. Zudem sind die Bilder aus mal leicht, mal stärker versetzten Kamerapositionen aufgenommen. Ähnlich wie bei Klause handelt es sich um Production stills. Durch diese Fragmentierung in Einzelbilder, die mit der Vorlage kaum in Übereinstimmung zu bringen sind, bekommt das dreidimensionale Modell eine große Autonomie sowohl gegenüber der Vorlage als auch gegenüber dem endgültigen Bild – und damit der Katalog, in dem diese Einzelbilder exklusiv zu sehen sind. Bilder vom Herstellungsprozess im technischen Sinn, vom Modellbau, gab es bisher in keinem Katalog. Die Aura des Produkts, an dem zuerst die technische Perfektion verblüfft, sollte nicht durch die Banalität eines Making-of zerstört und die Frage nach der Dimension der Papiermodelle, anhand der Photoarbeiten nur schwer zu beantworten, offengehalten werden. In Processo grottesco ist die Abbildung des Modells wiederum bildredaktionell gesteuert, die Wucht zurückgenommen, die es in der Ausstellung räumlich entfaltet. Es ist in eine Serie von Production stills aufgelöst. Es gibt Installationsansichten vom Modell in Beziehung zum Atelierraum und einer menschlichen Figur, die als Größenmaßstab dienen, sie sind jedoch wenig akzentuiert und relativ klein, auf eine Doppelseite beschränkt. (Abb. 21) Noch dazu ist genaue Folge der Arbeitsschritte nicht leicht zu ermitteln. Die Sequenz der drei gleichformatigen Einzelbilder en bloc untereinander suggeriert einen linear fortschreitenden Arbeitsprozess: Auf dem ersten Bild sind weitgehend leere Gerüste gezeigt, die sich sukzessive zu füllen scheinen. Sieht man jedoch

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele genau hin, so ist der Prozess auf dem mittleren Bild weiter vorangeschritten als auf dem untersten. Ein eindeutiges ›Vorher-Nachher‹ ist vermieden, es könnte sich auch um den Abbau des fertigen Modells handeln, also um eine Umkehr der gewohnten Leserichtung. Der Kamerastandpunkt variiert leicht, so dass eher der Eindruck von Momentaufnahmen als der einer systematisch verfolgten Dokumentation entsteht, bei der mit fest installierter Kamera ein Ablauf festhalten wird – wie es etwa Michael Wesely mit Langzeitbelichtungen getan hat, oder wie es inzwischen bei den meisten großen Bauvorhaben Standard ist, bei denen die Entstehung per Video aufgezeichnet und zeitgleich ins Internet übertragen wird. Demand unterscheidet sich damit einmal mehr von Gerhard Richter, der einzelne Zustände seiner abstrakten Bilder photographiert und veröffentlicht hat.198 Der Entstehungsprozess, weniger das Ergebnis, steht auch meist im Vordergrund bei Filmberichten über Künstler, was nicht zufällig mit der gesteigerten Wertschätzung von Bewegung und Prozesshaftigkeit in der Kunst der Moderne zusammenfällt, von Kandinsky über Picasso und Pollock hin zum Dokumentarfilm Gerhard Richter: Painting von 2012. Die Regisseurin Corinna Belz gibt an, es habe sie am meisten interessiert »der genuine Prozess, Farbe auf eine Leinwand zu bringen. Die Instrumente, Gesten, Bewegungen, die emotionalen wie die motorischen«.199 Die Frage nach dem »wie«, dem technischen Herstellungsprozess der Bilder wurde dabei ausführlich beantwortet, jedoch nicht die ungleich schwierigere nach den Kriterien für Entscheidungen innerhalb des Malprozesses, der Motivation für sein Fortführen oder Abbrechen. Diese Fixierung auf den materiellen Fertigungsprozess will Demand vermeiden, und er wäre bei ihm, der ja eher konzeptorientiert arbeitet, auf jeden Fall weniger spektakulär und photogen als Richter, dem man beim Schieben eines Rakel zusehen kann, was unmittelbare, kaum vorhersehbare Spuren und Resultate zeitigt. So gibt es weder in Filmen noch in Katalogen Bilder, die Demand beim Entwerfen, Schneiden, Kleben seiner Arbeiten zeigen, nur am Rande, in Epitexten tauchen Bilder von Werkzeugen oder vom Papierfundus auf.200 Die Hände, die in Filmen und Bildern von Künstlern, etwa bei Gerhard Richter oder in Katalogen von Olafur Eliasson eine wichtige Rolle spielen, sind bei Demand nicht ins Spiel gebracht, um das Moment des Subjektiven gering zu halten. Als Schlusspunkt der Bilder vom Herstellungsprozess von Grotte steht ein großes Panoramaphoto des Modells von hinten, der nüchtern-desillusionierende Blick in wörtlicher Erfüllung der Ankündigung im Vorwort, wo dem Leser »going backstage of

198 Vgl. Ulrich Wilmes: Gerhard Richter. Ein Moment in der Zeit. Zur Dokumentation von Zuständen bei der Entstehung abstrakter Bilder, in: Gerhard Richter: Abstrakte Bilder, Kat. Museum Ludwig Köln, Haus der Kunst München 2008. Vgl. auch die Abbildungen von Bildzuständen in: Gerhard Richter: Die Cage-Bilder, Köln 2009. 199 http://www.gerhard-richter-painting.de/directors_note.php (26.3.2014). 200 So in: Matt Watkinson: Model Behaviour, in: TATE ETC, Nr. 3/2005, S. 84–87.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 22 Thomas Demand: Processo grottesco, Abb. Nr. 451.

the stunning photographic image called Grotto« versprochen war. (Abb. 22) Man sieht Kartonblöcke, ein Bild von Gleichförmigkeit und Leere, im Gegensatz zur frontalen Schauseite, ähnlich, wie in anderen Katalogen Demands die Rückseiten von Einbauten der Ausstellungsarchitektur gezeigt werden, etwa in Phototrophy der Blick auf die Rückseite der monumentalen abgehängten Wände, die dort nur nackten Beton bieten, oder hinter die nüchternen, ihren ephemeren Charakter geradezu demonstrierenden Stellwände der Ausstellung Camera 2008 in Hamburg.201 Die Sequenz von Abbildungen der eigentlichen Materialisierung von Grotte ist ans Ende des Katalogs gestellt und bewusst knapp gehalten. Nach der Materialfülle der Bilder, nach der Abbildung des endgültigen Photos, das an den Anfang gestellt wird, chronologisch gedacht jedoch ans Ende gehören würde, nach Bilderstapeln von Postkarten und Detailaufnahmen, nach der Präsentation der weit ausgedehnten Recherche in Kunst und Literatur, nach Zeichnungen und Plänen sind Interesse und Aufmerksamkeit des Lesers längst weggelenkt vom prosaischen technischen Herstellungsprozess, der nur noch als Umsetzung verstanden werden soll. Der Schwerpunkt ist in eine andere Richtung gelenkt: auf die Bildrezeption, die gedankliche und formale Konzeption.

201 Katalog Cámara, 2008, S. 7.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

Abb. 23 Thomas Demand: Processo grottesco, Abb. 269.

In der Materialsammlung findet sich ein Selbstporträt Demands bei der Arbeit. Die letzte Postkarte zeigt eine vielköpfige Besuchergruppe der 1930er Jahre, die sich zu einem Gruppenphoto in einer Höhle versammelt. Die Karte fungiert als Überleitung zum weiteren Teil der Materialsammlung, aber auch zur Recherchetätigkeit an sich: Gleich als erste Abbildung findet sich ein Gruppenphoto in derselben Höhle wie auf der Postkarte. (Abb. 23) Die Aufnahme stammt von 2005, also etwa am Beginn der Recherche Demands zum Projekt Grotte. Und in der Tat ist er selbst unter den Besuchern zu sehen, rechts in der dritten Reihe. Diese Aufnahme schlägt eine Brücke von den historischen, Jahrzehnte zurückliegenden Aufnahmen von Höhlen und ihren Besuchern und der Gegenwart. Die Selbstabbildung Demands ist ein weiterer, versteckter Bruch mit bisherigen Usancen. In keinem anderen Katalog findet sich eine Abbildung, die ihn zeigt, denn nicht nur im Bezug auf Vorlagen, sondern auch seine eigene Person betreibt er eine zurückhaltende Bildpolitik. Wiederum lassen sich Gegensätze leicht finden, etwa in Katalogen von Gerhard Richter, mit Bildstrecken, auf denen man den Künstler im Atelier

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands und bei der Arbeit sieht 202, von Neo Rauch, wo im Frontispiz fast regelmäßig ein Porträtphoto auftaucht 203, im Atelier vor einem seiner Bilder, in jüngerer Zeit auch direkt im Malprozess (Abb. 24), von Tobias Rehberger, dem man mehrfach im privaten Umfeld begegnet, mit Galeristen und Freunden, oder von Olafur Eliasson, der beim Aufbau von Installationen oder im Gespräch abgebildet ist. (Abb. 49, 60) Die jeweilige Abbildungspraxis gibt über das Selbstverständnis Auskunft. »Ohne die zahlreichen Porträtphotographien in Ausstellungskatalogen[…] wäre er nicht diejenige Künstlerfigur, die wir kennen« 204 heißt es richtig über Markus Lüpertz, was generell auf Abb. 24 Porträt Neo Rauch, Kat. Museum Frieder Burda, viele Künstler zutrifft. Von der Art der Baden-Baden 2011, S. 48. Selbstdarstellung her könnte man Lüpertz als Antipoden Demands begreifen. So zeigt ein Photo aus den 1980er Jahren den Künstler bei der Arbeit an einer großen Holzskulptur, mit Schutzbrille und Schirmmütze, der sich auf seine Axt wie auf einen Pickel stützt und so Assoziationen an einen Bergsteiger weckt, der dabei ist, einen Gipfel zu erklimmen.205 Auf körperliche Präsenz und die Verbindung von (Kampf )sport und Kunst setzen auch Bilder, die Lüpertz als Boxer oder beim Fußball zeigen. Auf anderen ist er beim Klavierspiel zu sehen oder als der bekannte Dandy-Künstlerfürst in Maßanzug, Hut und Stock, also gerade nicht bei der körperlich anstrengenden Aktion. Dieses Repräsentieren, dieses narzisstische Rollenspiel hat performativen Charakter. Der Auftritt als »Unzeitgemäßer« scheint dabei gerade bei jüngeren Aufnahmen nicht ohne Selbstironie. Auf einem Porträt von 2010 steht 202 So in Gerhard Richter: Image After Image, Kat. Louisiana Museum of Modern Art Humlebaek 2005, S. 82–88; Tobias Rehberger 1993-2008, Köln 2008, S. 7. 203 Etwa in: Neo Rauch, Kat. Museum der bildenden Künste Leipzig 1997, S. 2; Neo Rauch: Neue Rollen, Kat. Kunstmuseum Wolfsburg 2007, S. 57; Neo Rauch, Kat. Museum Frieder Burda Baden-Baden 2011, S. 2, 6 u.a. 204 Sabine Kampmann: Künstler sein. Systemtheoretische Beobachtungen von Autorschaft: Christian Boltanski, Eva & Adele, Pipilotti Rist, Markus Lüpertz, Paderborn 2006, S. 219. 205 Kat. Raumbilder in Bronze. Per Kirkeby, Markus Lüpertz, A. R. Penck, Kunsthalle Bielefeld 1986, S. 188.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

Abb. 25 Porträt Marcus Lüpertz, Kat. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland Bonn 2009, S. 369.

Lüpertz in Lackschuhen vor seinem Atelier im brandenburgischen Schlamm. (Abb. 25) Dagegen zeigt Demand sich beiläufig, in einer Touristengruppe versteckt und von einem konventionellen Photographen für Erinnerungsphotos aufgenommen. Wer ihn nicht bereits aus anderer Quelle kennt, wird ihn nicht identifizieren. Man sieht ihn nicht beim Bauen der Modelle, so wie Gerhard Richter oder Neo Rauch beim Malen, trotzdem im Arbeitsprozess. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht in der Ausführung der Arbeit, sondern bei dem, was davor liegt, bei der Recherche, der Rezeption von Bildern. Demand bildet sich bewusst nicht als Einzelner ab, sondern als Teil eines Kollektivs, aus dem er seine Bildideen schöpft. Abgesehen davon ist das Photo mit der Gruppe von in die Kamera grinsenden Kindern und gutmütig lächelnden Senioren nicht ohne Komik und lässt sich in die Tradition der versteckten Künstlerselbstporträts stellen.

»Das erste Mal« – Kataloge als Auseinandersetzung mit Spielregeln Kataloge bieten Möglichkeiten zur Variation der Abbildungspraxis und des Umgangs mit Texten, im Sinne eines Spiels mit selbstgesetzten Regeln. Sie lassen sich nebeneinanderhalten, sind im Vergleich wahrnehmbar, machen Verschiebungen sichtbar. So setzt Thomas Demand die Verwendung von weiteren Ansichten der Modelle im Katalog Cámara von 2008 zunächst fort. Neu ist hier, dass die Kategorien der Production stills und der endgültigen, ausgestellten Bilder stärker als bisher vermengt werden. In Klause waren die Endbilder nicht gezeigt, in Processo grottesco überwog die Fülle weiterer Production stills und von Detailansichten. Ausschließlich Abbildungen der ausgestellten Bilder brachte Yellowcake. In Cámara kommen beide »Aggregatzustände« von Bildern zusammen, und zwar in nahezu identischer Abbildungsgröße. Sie werden aber weiterhin durch den Grad ihrer Kontextualisierung getrennt. So sind die Stills mit Text kombiniert, graphisch ergänzt oder verändert: Längsstreifen überlagern sie, farbig deckend oder helltransparent. Sie nehmen jeweils einen vorherrschenden Farbton aus abgebildeten Gegenständen auf: Dort das Grün der Efeublätter, hier das Gelb eines Aschenbechers. Die Streifen sind aber nicht nur ein Auszeichnungssystem für unterschiedliche Bildkategorien, sondern verweisen verstärkt auf den fiktionalen Charakter des abgebildeten Gegenstands, der mit seinem Ausgangsmaterial konfrontiert und auf dieses reduziert wird: eine farbige

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands Papierfläche. Die Farbflächen geraten dadurch in die Nähe von Papiermustern als Materialbeigaben, worauf Demand verschiedentlich angespielt hatte.206 Gegenüber den Tapetenproben aus dem Serpentine-Katalog mit hohem haptischen Reiz bleiben die Farbstreifen aber graphisch-abstrakt, es wird nicht der Versuch gemacht, sie ins Illusionistische zu erhöhen. Eine Work-in-progress-Situation soll nicht evoziert werden. Die Streifen sind eher ein intellektueller Anreiz als ein sinnlicher. Auffälliger als die Behandlung der Production stills ist in Cámara eine weitere Neuerung, sie betrifft Texte: In den bisherigen Katalogen blieb Demand als »Sprecher« und Person im Hintergrund, er überließ Kommentare zu seinen Arbeiten Interpreten oder kombinierte fiktive Texte anderer Autoren mit seinen Bildern, und wenn er sich äußerte, dann im Kontext eines Interviews, in dem das Dialogische im Vordergrund stand. Dagegen findet sich in Cámara ein längerer, über acht Seiten laufender Text von Demand, Yellowcake, revisited. Hier erzählt er die Geschichte seiner Auseinandersetzung mit dem Thema: die Hinweise auf den Kauf von nuklearem Material, im Fachjargon ›Yellowcake‹, durch den Irak, der Diebstahl von angeblichem Beweismaterial aus der Botschaft des Niger in Rom, seine vergebliche Suche nach Bildvorlagen vom Ort des Diebstahls und, durchaus spannend, von Versuchen, sich einen persönlichen Eindruck der nachzubauenden Innenräume der Botschaft zu verschaffen. Gleichzeitig ersetzt die Beschreibung der Räume durch Demand als Ekphrasis die Abbildung einer Bildvorlage, wie sie im MoMAKatalog oder in Processo grottesco mitgeliefert wird. Das Fehlen einer Bildvorlage und die anschließende persönliche Auskundschaftung des Ortes stellen Normabweichungen im Arbeitsverfahren Demands dar, der ja sonst meist auf vorhandene, allgemein zugängliche Bildvorlagen in Zeitschriften, Zeitungen und sonstigen Medien zurückgreift. Im Fall von Yellowcake wurde Demand nicht fündig, und die Ausnahme motiviert eine andere, die eigene beschreibende Erzählung und ihren Abdruck im Katalog. Demands Bericht thematisiert die Abwesenheit von Bildern. Typographisch wird dies besonders hervorgehoben: Das Zitat »there was not a single image of this location« ist schlagzeilenartig groß und fett gesetzt. So erscheint der Text wie eine Begründung, eine Apologie der eigenen Regelübertretung, ist gleichzeitig aber ein »erstes Mal« des (narrativen) Textautors Thomas Demand, der wie ein Historiker oder Romancier Recherche betreibt, die Bestandteil des künstlerischen Prozesses wird und damit an die Darstellung der Materialsuche in Processo grottesco anschließt. Dass der Autor sein Werk kommentiert, ist in zeitgenössischen Katalogen immer häufiger zu finden. So verfasst etwa Tacita Dean Beschreibungen ihrer Filmarbeiten regelmäßig selbst, und Martin Honert schrieb Legendentexte zu seinen Arbeiten im Katalog zur Ausstellung Kinderkreuzzug, 2012207. Die Texte gewinnen dadurch an Autorität,

206 So etwa durch Farbseiten in Thomas Demand, Kat. De Appel Amsterdam, Aspen Art Museum 2001. 207 Martin Honert: Kinderkreuzzug, Kat. Hamburger Bahnhof Berlin, Köln 2012.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele der Deutungsspielraum wird natürlich enger, als es bei anderer Autorschaft der Fall wäre. Doch handelt es sich dabei weniger um Selbstinterpretationen oder kunstgeschichtliche Kontextualisierungen, sondern um Darstellung von Prozessen, ähnlich, wie es Umberto Eco anlässlich seines eigenen Selbstkommentars gefordert hatte: »Der Autor darf nicht interpretieren. Aber er kann erzählen, wie und warum er geschrieben hat.« 208 Die Texte Honerts etwa sind kurz und nüchtern gehalten, konzentrieren sich auf die Beschreibung der Arbeiten und des Werkprozesses. Werkstoffe und Materialitäten sind detailliert benannt. Die Personalisierung der Texte entspricht in dem Fall den Arbeiten, die auf subjektive Momente von (Kindheits)Erinnerung des Künstlers zurückgehen. Bei einem Künstler wie Thomas Demand, dem es stärker um den kollektiven Gehalt und die Deutungsoffenheit von Bildern geht, wären selbstverfasste Legendentexte weniger überzeugend. Im Gegenteil ist, wie wir gesehen haben, in der Regel die Strategie gewählt, die Offenheit der Bilder durch Hinzufügen von Stimmen, durch literarische Texte wie die von Botho Strauß, durch Interviews wie das mit Alexander Kluge zu verstärken. Und so fällt ein Selbstkommentar auch als Besonderheit auf. Die Auseinandersetzung Demands mit Regeln findet nicht zuletzt, man könnte sogar sagen, zum größten Teil in Katalogen statt: Da ist zunächst die Regel von der Nichtabbildung von Vorlagen, die im MoMA-Katalog gebrochen wird, dann die der Nichtausstellung der Modelle, die mit Processo grottesco spektakulär verletzt wird. Die Festlegung, dass es nur eine gültige Aufnahme gibt, die abgebildet wird, ist durch die Veröffentlichung von Production stills ebenfalls aufgehoben, erstmals mit dem Katalog Klause. In einem Gespräch geht Demand auf den Umgang mit Regeln ein, der als Denkspiel eigenen ästhetischen Wert entwickelt: »Deshalb komme ich immer wieder auf diese Spielregeln zurück und breche sie manchmal auch absichtlich […]. Ich will das Priming, wie man es aus der Verhaltensforschung kennt, hin und wieder unterlaufen.« 209 Demands Kataloge werden im Lauf der Jahre umfangreicher und aufwendiger, was den redaktionellen und buchtechnischen Herstellungsprozess angeht, mit der Verwendung von Stanzungen, verschiedenen Einbänden und Papiersorten. Sie laufen damit parallel zur Produktion der Modelle, die in Grotte kulminiert. Gleichzeitig sind aber immer wieder bewusste Abweichungen von dieser Entwicklung festzustellen: Auf Phototrophy (2004) im Monumentalformat folgt, im selben Jahr, Report, der handlich-kleinformatige Katalog zur Biennale in São Paulo, auf den konzeptionell-reduzierten Katalog Klause (2006) der Katalog zur Ausstellung in der Serpentine Gallery mit kostbar-klassischer Anmutung, darauf der »verspielte« Katalog L’Esprit d’escalier (2007), kontrastiert vom objekthaft-luxuriösen-enzyklopädischen Processo grottesco. Das schmale Booklet der Aus-

208 Umberto Eco: Nachschrift zum ›Namen der Rose‹. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber, München 1986, Kapitel »Den Arbeitsprozess erzählen«, S. 17. 209 Obrist, Thomas Demand, Conversation Series, S. 29 f, auch S. 8 f.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 26 Thomas Demand: Executive. Von Poll zu Presidency, Köln 2012, S. 62 f.

stellung Camera von 2008 in Hamburg steht wiederum in Gegensatz dazu, ebenso wie der umfangreiche Katalog Cámara zu diesem. In den Katalogen wird auch deutlich, wie Demand mit einem stetig zunehmenden, aber im Vergleich zu manchen Künstlerkollegen im Grunde kleinen Vorrat an Bildern ein Parallelwerk aufbaut. Immer neu werden Bilder thematisch zusammengestellt, mit dem Ausstellungsort in Verbindung gebracht, durch neue Bildkategorien- und Abbildungsarten variiert. Dabei ist der Moment der Innovation betont, »das erste Mal« – der natürlich in jedem zeitgenössischen künstlerischen Œuvre und seiner Darstellung eine Rolle spielt. Bei einem Künstler wie Demand, der sich an einem sehr konsistenten Regelwerk und über Jahre hinweg prinzipiell gleich bleibenden Arbeitsverfahren orientiert und seine Bildpolitik nur graduell variiert, fallen Neuerungen aber um so stärker auf und werden bewusst als solche signalisiert. So erschien 2012 ein neuer Band, Executive, von dem es in der Verlagsankündigung heißt: »Erstmals wird der Entstehungsprozess dieser Werke Schritt für Schritt in Abbildungen dokumentiert.« 210 Allerdings wird diese Erwartung – wieder einmal – so nicht

210 Thomas Demand: Executive. Von Poll zu Presidency, Köln 2012. Siehe http://www.buchhandlung-waltherkoenig.de/koenig2/index.php?mode=details&showcase=1&art=1454680 (1.3.2014).

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele eingelöst, so dass in einer Kundenrezension sogar von einer »Mogelpackung« die Rede211 ist. Es finden sich wiederum die Schilderung der Recherche als Text Demands, auch einige Production Stills, jedoch keine Bilder vom eigentlichen Making-of. Neu sind Abbildungen von Skizzen Demands, eine Umrisszeichnung mit Anmerkungen zur Farbe, weitere mit Marker/Buntstift ausgeführt, was bisher in keinem Katalog zu finden war. (Abb. 26) Sie sind jedoch kommentarlos eingeschoben und wirken überraschend banal. Die Skizzen sind keine spontan-genialischen Entwürfe, sondern sachliche Zeichnungen, wie man sie eben von einem (Innen)architekten oder Setdesigner erwarten würde, worauf auch das in diesem Bereich viel verwendete Transparentpapier verweist, auf dem sie gedruckt sind. Sie sind weder datiert noch signiert und treten dadurch nicht als autonome künstlerische Hervorbringungen auf, im Gegensatz etwa zu Werkskizzen und Zeichnungen in Katalogen anderer Künstler wie Stephan Balkenhol.212 Da sich kein großer Sprung zwischen Plan und Ausführung zeigt, hat die weitgehende Übereinstimmung von Skizze und fertiger Arbeit etwas Ernüchterndes. Gerade dies scheint wiederum die Absicht Demands: den Prozess der Recherche und Konzeption gegenüber dem der Ausführung zu betonen. Möglich, dass das Interesse Demands an der Darstellung des Prozesses bei weiteren Katalogen keine so große Rolle mehr spielt.

Ausstellung, Katalog und Autorschaft Der ausgestellte Katalog (Nationalgalerie) In zeitgenössischen Ausstellungskatalogen sind es längst nicht mehr die Bilder allein, die ein Werk konstituieren. Immer wichtiger wird der Kontext einer Ausstellung, die Präsentation der Arbeiten, mit ihrer Architektur und einem diskursiv aufgeladenem Begleitprogramm. »Es ist scheinbar das dringende Bedürfnis der zeitgenössischen Kunst, ihre Theorien und ihr Umfeld in umfangreichen Werken wiederzugeben.« 213 Hierfür könnten die documenta-Kataloge als Beispiele dienen, vor allem die der 10. bis 13. Auflage der Ausstellung. Sie begnügen sie sich nicht mehr mit der Information der Besucher und der Dokumentation der Ausstellung, sondern sind zu Publikationsreihen und Diskursinstrumenten geworden sind, deren Bestandteile unterschiedliche Funktionen erfüllen, nicht zuletzt die, die Ausstellung in angrenzende Bereiche hinein zu erweitern. Die dOCUMENTA (13) (2012) bietet gleich vier verschiedene Publikationsformate: das Begleitbuch als eigentlichen ausstellungsbeschreibenden Katalog bzw. Führer, das Logbuch, das den Prozess der Ausstellungsvorbereitung und die Veranstaltungen zur Ausstellung dokumentiert, die Reihe 100 Notizen 100 Gedanken aus eben 100 Einzelheften unter-

211 http://www.amazon.de/Thomas-Demand-Executive-Poll-Presidency/dp/3865608825 (1.3.2014). 212 Siehe zum Beispiel die Zeichnungen in: Stephan Balkenhol, Kat. Kunsthalle Baden-Baden 2006. 213 Hans Dietrich Huber/Hubert Locher/Karin Schulte (Hg.): Kunst des Ausstellens. Beiträge, Statements, Diskussionen, Osterfildern 2002, S. 150.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands schiedlicher Autoren, und den monumentalen Meta-Band mit dem programmatischen Titel Das Buch der Bücher, der nicht nur die Einzelhefte synthetisch zusammenbringt, sondern auch Teile der anderen Bände mit zusätzlichen Essays vereinigt. Der Titel spielt mit der zusammenfassenden Funktion, gleichzeitig auch mit dem religiös überhöhtem Anspruch einer solchen documenta-Bibel. Das kuratorische Projekt von Carolyn ChristovBakargiev bekommt so selbst künstlerische Züge. Bei so einer Großausstellung handelt es sich, trotz der Handschrift einer hauptverantwortlichen Kuratorin, um ein kollektives Projekt. Interessant ist, dass auch umfangreiche Ausstellungen einzelner Künstler ähnliche Anliegen und Publikationsstrategien aufweisen, wenngleich sie sich in einem individuellen Werkzusammenhang verorten lassen. Dazu sei nochmals auf Thomas Demands Nationalgalerie eingegangen. Durch die Denotation des Katalogs als Kunstwerk wird der künstlerische Beitrag gegenüber anderen Momenten der Ausstellung abgegrenzt, die als verknüpfte, aber unabhängige Publikationen die Ausstellung begleiten. In Nationalgalerie ist der Katalog physischer Teil der Ausstellung, zusammen mit der Einbindung von Texten Strauß’ wieder ein »erstes Mal«. Er gehört nicht nur zum »erweiterten« Ausstellungskonzept, wie es über das Booklet der Hamburger Kunsthalle hieß, sondern ist zentral. Die Kataloge sind neben den ausgestellten Bildern in Vitrinen präsentiert, wie die Bilder sind sie durch Glas geschützt und dem unmittelbaren Zugriff der Betrachter entzogen. Sie werden zu eigenständigen ästhetischer Objekten, die aus ihrem Benutzungszusammenhang gelöst sind. Die Vitrinen, extra für die Ausstellung entworfen und angefertigt, stehen als einzige dreidimensionale Objekte frei im Raum. (Abb. 27) Das reduzierte Design und der Anstrich in mattem Grau nähert sie den Papierskulpturen Demands an und integriert sie in den Ausstellungszusammenhang. Damit ist der Kunstcharakter der Kataloge hervorgehoben. Die ausgestellten Kataloge – es handelt sich um eine leicht vergrößerte Sonderedition – sind als realpräsente Bestandteile der Ausstellung natürlich besonders wertvoll und werden nach Ende der Ausstellung auch gesondert verkauft. Der Käufer erwirbt ein von vielen Besuchern rezipiertes Exponat, das sozusagen vom Ausstellungsfluidum durchtränkt ist. Auch wenn es sich um andere Exemplare handelt, so überträgt sich dieser Gedanke auf die während der Ausstellung erhältlichen Kataloge, zumal der Unterschied der Editionen kaum auffällt. Die Vorstellung, im Katalog einen originalen Bestandteil der Ausstellung mitnehmen zu können, lässt sich als Fortsetzung etwa des Konzepts des Serpentine-Katalogs denken, wo mit den Tapeten ein virtueller Teil der Ausstellung beigelegt ist. Auf eine Verknüpfung von Ausstellung und Katalog durch in ihm abgedruckte Installationsansichten wird trotz der sehr aufwendigen Ausstellungsarchitektur verzichtet. Die große Glashalle Mies van der Rohes ist mit schweren Wollvorhängen in Grau-, Braunund Gelbtönen mehrfach unterteilt und in eine labyrinthische Abfolge größerer und kleinerer Räume gebracht, was eine starke Eigendynamik entfaltet. Die Photoarbeiten sind vor die Vorhänge gehängt, teilweise aber auch auf Stellwänden, die mit Bildtapeten ver-

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

Abb. 27 Ausstellungsansicht Thomas Demand: Nationalgalerie, Neue Nationalgalerie Berlin 2009.

kleidet sind, welche die Holzmaserung der vorhandenen Wände kopieren. Dies alles ist im Katalogtext von Mark Godfrey beschrieben und interpretiert, doch findet sich im Katalog davon keine Abbildung. Das Konzept ist damit ein anderes als in bisherigen Katalogen wie Phototrophy oder den Serpentine-Katalog, die ähnliche groß angelegte Ausstellungsarchitekturen dokumentieren. Man wird nicht mit einem knappen Zeitrahmen zwischen Ausstellungsaufbau und Erscheinungstermin des Katalogs argumentieren können. Durch digitalen Datenversand und Flexibilität der Druckereien lassen sich Bilder auch erst kurz vor Drucklegung einfügen, so dass es möglich gewesen wäre, wenigstens Ansichten vom Aufbau der Ausstellung im Katalog abzubilden. Demand selbst hat diese Möglichkeit im Katalog zur Biennale São Paolo 2004 genutzt und diesen, der in Deutschland gedruckt wurde, erst kurz vor der Eröffnung einfliegen lassen214; dort sind Abbildungen der Ausstellungsarchitektur abgedruckt, die noch im Bau befindlich ist215: Der Prozesscharakter ist dadurch hervorgehoben, ebenso der Aspekt der Zusammenarbeit mit Architekten, deren Beitrag breiter Raum gegeben wird. Dass Demand in Nationalgalerie darauf verzichtet, ist in Konzept und Bildregie begründet: Den Abbildungen der Photoarbeiten sollte durch Installationsansichten als weiterer Bildkategorie keine Konkurrenz entstehen, sie hätten eine zu enge Referenz auf die

214 Gespräch des Autors mit Thomas Demand, Berlin, 29.10.2009. 215 Thomas Demand + b&k, 2004, S. 79.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 28 Thomas Demand: Nationalgalerie, Kat. Neue Nationalgalerie Berlin 2009, Vorsatz.

Ausstellung gebildet und das Dokumentarische stärker hervortreten lassen, das ansonsten im Katalog vermieden ist. Die Dichotomie von Bild (Demand) und Text (Strauß), die den Katalog ausmacht, sollte nicht durch zusätzliches Bildmaterial abgeschwächt werden. Dies hätte die Balance weiter auf die Seite Demands verschoben und damit den künstlerbuchmäßig-autonomen Charakter aufgehoben, der sich auch auf die Zusammenarbeit bildender Künstler-Schriftsteller beruft. Trotz Abwesenheit von Installationsansichten sind Katalog und Ausstellungsarchitektur über die Dauer der Ausstellung hinaus verknüpft. Einmal dadurch, dass die Bilder im Katalog nicht retrospektiv-chronologisch angeordnet sind, sondern so, wie sie der Ausstellung gehängt waren. Sie zeichnen damit in der Seitenabfolge den Grundriss der Ausstellung und virtuell den Weg eines Besuchers nach. Eine andere, allerdings recht subtile Bezugnahme findet sich im Zitat des Vorhangmotivs, das wesentliches Element der raumgreifenden Ausstellungsarchitektur ist. Es taucht in älteren ausgestellten Bildern wie Badezimmer oder Fenster auf, aber auch in einem neueren, für die Ausstellung produzierten und deshalb herausgehobenen Bild, Fotoecke (2009), wo ein buntgemusterter Vorhang als wichtiges Bildelement in Erscheinung tritt: Er verhüllt, was hinter ihm liegt; Buntheit und Bedrohung fließen zusammen. Das Muster erinnert an Tarnflecken und verstärkt die Assoziation des Verbergens. Im Vorsatzpapier des Katalogs ist dieses Vorhangmuster aufgenommen, jedoch zur Tapete verflacht, entsättigt und dem Spektrum der Braun- und Grüntöne der Vorhänge in der Ausstellung angeglichen. Die Position im Vor- und Nachsatz ist nicht zufällig: Die Funktion eines Vorhangs, das Verhüllen und Freigeben des Blicks, die Definition einer zeitlichen und räumlichen Grenze, eines Anfangs und eines

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Endes, wie sie am deutlichsten dem Theatervorhang innewohnt, ist auf den Raum des Buches übertragen. Diese Vorhanganmutung wird dadurch verstärkt, dass das ›fliegende Blatt‹, die Hälfte des Vorsatzpapiers, die mit dem Buchblock verbunden ist, im Gegensatz zur buchbinderischen Konvention und zu anderen Katalogen Demands beidseitig bedruckt ist und vom Leser aufgeschlagen wird, um den Blick auf den zuvor verborgenen Titel der Ausstellung – und damit metonymisch die Ausstellung selbst – freizugeben. (Abb. 28)

Kommentar, getrennt – Interviewbuch und Essayband zur Ausstellung Bei Nationalgalerie ist es interessant zu sehen, wie eine Ausstellung zum Anlass genommen wird, anstelle einer einzigen Publikation gleich mehrere herauszubringen, die die traditionellen Funktionen des Katalogs teilweise übernehmen und ihn als ebenfalls buchgewordene Epitexte satellitenartig umkreisen, ähnlich wie die erwähnten Publikationen der documenta. Installationsansichten und Künstlerkommentar sind auf eine zweite begleitende Publikation ausgelagert: ein Interviewbuch mit Hans Ulrich Obrist216, der mit Demand bereits 2007 Interviews geführt und in der Reihe Conversation Series veröffentlicht hatte. Die Gesprächspartner und auch das Layout sind dieselben, was Kontinuität vermittelt; man hat den Eindruck, einem Arbeitsprozess über einen längeren Zeitraum folgen zu können. Der Künstler übernimmt die Funktion des Kommentators, während er im Katalog nur als Bildproduzent auftritt und Texte an Schriftsteller und Kunsthistoriker delegiert. Demand liefert nicht nur die Hintergründe zu einzelnen neueren Photoarbeiten der Ausstellung, auch die architekturhistorischen Referenzen auf Mies van der Rohe und Lilly Reich sind als Grundlage der Ausstellungsarchitektur erläutert und mit Quellenmaterial abgedruckt. Dabei ist der Interviewband nicht als Guidebook konzipiert wie das Booklet zur Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle. Dem Ausstellungskatalog und seinen Bildlegenden soll keine Konkurrenz an die Seite gestellt werden. Einmal ist dies dadurch gewährleistet, dass der Interviewband zwar zeitgleich mit dem Katalog erschien, aber am Ausstellungsort nicht unmittelbar zusammen mit dem Katalog auslag und verkauft wurde, sondern nur im einschlägigen Buchhandel. Weiter ist der Interviewband vom Katalog nach Aufbau und Bildausstattung unterschieden. Er lässt sich kaum als Führer durch die Ausstellung verwenden, da das Interview nicht systematisch nach einzelnen Bildern geordnet ist und nur einige der ausgestellten Bilder reproduziert sind. Das Bildmaterial ist mit nur halb- oder drittelseitigen Schwarzweißabbildungen gegenüber dem Katalog zurückgenommen. Im Interviewbuch finden sich Referenzabbildungen in der gleichen Größe wie die Photoarbeiten, was diese relativiert und in ein Bildkontinuum einbindet. 216 Hans Ulrich Obrist (Hg.): Thomas Demand und die Nationalgalerie. Gespräch über die Ausstellung mit Hans Ulrich Obrist, Köln 2009.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 29 Thomas Demand/Hans Ulrich Obrist: Thomas Demand und die Nationalgalerie, Köln 2009, innere Umschlagseite.

Doch bietet der Interviewband gegenüber dem Katalog auch ein Mehr an Bildern, Installationsansichten von vorhergehenden Ausstellungen Demands und von Vorbildern für die Ausstellungsarchitektur in der Nationalgalerie, also wiederum Bildvorlagen. Diese sind zum großen Teil in Katalogen nicht veröffentlicht; zusammen mit den historischen Referenzbildern entsteht der Eindruck eines speziell für den Buchanlass geöffneten Archivs, was durch das »dokumentarische« Schwarzweiß verstärkt wird. Davon unterschieden ist ein Bildteil genau in der Mitte des Buches. In Farbe und auf Bilderdruckpapier sind Production stills der Arbeit Heldenorgel abgebildet, die in Ausstellung und Interview eine prominente Rolle spielt. Ähnlich wie Klause bekommt das Interviewbuch durch die Beigabe von sonst nicht veröffentlichten Bildern den Charakter eines Künstlerbuchs und bietet damit mehr als der Katalog, der nur genau das zeigt, was in der Ausstellung zu sehen ist. Schließlich gibt es eine weitere Bildkategorie, die aus dem Katalog herausgehalten ist und dem Interviewband Exklusivität verleiht: Im Vorsatz/Nachsatz sowie auf dem hinteren Umschlag sind Installationsansichten der Ausstellung abgebildet als eine Work-inprogress-Situation. Man sieht eine Mitarbeiterin beim Nähen der Vorhänge (Abb. 29), eine Photoarbeit steht noch unaufgehängt am Boden. Die Präsentation als noch nicht Fertiges, bei Demand sonst eine Seltenheit, ist bewusst gewählt und verleiht der Publika-

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele tion zusätzlichen Reiz: Ähnlich wie in Processo grottesco kann der Leser das Entstehen der Ausstellung mitverfolgen. Durch die Zurückhaltung bei den Abbildungen wird die Spannung auf die endgültige Form der Ausstellung erhöht. Das Interviewbuch zeigt das Anliegen Demands, mehrere Bereiche im Rahmen der Ausstellung zu differenzieren und zu verknüpfen: Es hat eine starke Referenz auf die Ausstellung, übernimmt teilweise die informative und die dokumentarische Funktion eines Katalogs, entlastet ihn und unterstützt seine »poetische« Absicht. Es funktioniert zeitlich sowohl vor einem Ausstellungsbesuch, indem auf die Ausstellung in Art einer Vorschau neugierig gemacht wird, als auch ex post, nachdem beim Besuch fast zwangsläufig Fragen offen geblieben sind, die im Katalog nicht beantwortet werden. Die separate Publikation eines Interviewbandes zu einer Ausstellung ist ein Modell, das sich theoretisch auf jede Ausstellung anwenden ließe, so, wie es zu Filmen häufig umfangreiches Bonusmaterial, auch oft in Gestalt eines separaten Datenträgers gibt. Dort finden sich beispielsweise Trailer mit repräsentativen Filmszenen, Outtakes, die herausgeschnittene und nicht verwendete Szenen zeigen und, was für den Interviewband eine treffende Parallele erscheint, vor dem Filmrelease aufgezeichnete Interviews mit dem Regisseur und mit Schauspielern, die von ihnen zu verkörpernden Charaktere und den Plot vorstellen und dadurch das Interesse am fertigen Film wecken sollen. Die Ausstellung wird mit Publikationen begleitet, deren räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Bezug gestaffelt scheint: Der Katalog ist zentral, auch körperlich anwesend, und erscheint gleichzeitig mit der Ausstellung, dann der Interviewband. Mit Abstand, aber immer noch auf die Ausstellung bezogen erschien im Frühjahr 2011 ein drittes Buch: Nationalgalerie. »How German is it«, in dem Texte der begleitenden Vorträge abgedruckt sind, unter der gemeinsamen Herausgeberschaft Thomas Demands und des Kurators Udo Kittelmann, was den Anteil Demands an Buch und Vortragsreihe betont. Mit der Ausstellung ist die Publikation auch durch Bilder verknüpft, und zwar in ähnlicher Weise wie der Katalog und das Interviewbuch: Der Vorsatz zeigt einen Vorhang, wie er in der Ausstellung zu sehen war, in Grautönen, als Ausschnitt und in der Regelmäßigkeit der Falten zum abstrakten Muster stilisiert, aber als immer noch deutliche Referenz (Abb. 30) – sicher auch auf Gerhard Richters ikonische Umsetzung des Motivs. Damit bietet der Essayband das Vorhangmotiv in einer dritten Variation, nach dem aus einem Bildmotiv entwickelten ornamentalen Vorsatzpapier des Katalogs und den Ansichten der im Aufbau begriffenen Vorhanginstallation im Interviewband. Diese Variationen lassen sich auch als Narration lesen, im Katalog als Ausschnitt aus der Bildproduktion, die vor der Ausstellung liegt, näher im Interviewbuch herangerückt im Moment des Ausstellungsaufbaus, schließlich im fertigen Vorhang während der Ausstellung. Auch formal folgen die Bilder diesem Erzählstrang: von der mimetischen, aber abstrahierenden Abbildung über eine photographisch-realistische Darstellungsart, deren Ergebnis als Ausgangspunkt für einen erneuten Abstraktionsprozess dient. Alle drei Publikationen sind untereinander verknüpft.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Abb. 30 Thomas Demand/Udo Kittelmann (Hg.): Nationalgalerie. »How German is it«, Berlin 2011, Vorsatz.

Auch im Innenteil verweist der Essayband auf die Ausstellung. 16 Bilder Demands, die in Ausstellung, Katalog und teilweise auch Interviewband zu sehen waren, sind hier abermals abgedruckt, wie in letzterem als kleine Schwarzweißreproduktionen, die Verweischarakter haben. Die Bilder waren Ausgangspunkte für Vortragsthemen, beispielsweise Lichtung für einen Vortrag von Herfried Münkler zum Motiv des Waldes in der deutschen Kulturgeschichte. Doch sollten die Vortragenden die Arbeiten Demands nicht kommentieren oder interpretieren, »sondern bestenfalls […] die Bilder und ihre Bedeutungszusammenhänge als Beispiel oder Anlass heranziehen, um über ihr individuelles Thema zu sprechen.« 217 Damit ist das Verfahren ähnlich dem, das in der Zusammenarbeit Strauß-Demand praktiziert wurde, oder auch dem bildassoziativen Vorgehen, das Demand im Katalog zur Ausstellung im Kunstverein Freiburg verwendet hatte, als er jeweils ein Bild an bestimmte Personen verschickte mit der Bitte, es als Ausgangspunkt eines Textes zu wählen. Jedoch sind Demands Bilder als Gegenstand von Interpretation trotzdem in den Vorträgen präsent. So bespricht Jacques Ranciere im Einführungsvortrag ausführlich die erste Bildvorgabe Demands. Nicht zufällig ist es das Bild Helden-

217 Thomas Demand/Udo Kittelmann (Hg.): Nationalgalerie. »How German is it«, Berlin 2011, S. 16.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele orgel, in der Ausstellung an zentraler Stelle gehängt und auch im Interviewbuch hervorgehoben. Die Ausstellung und die begleitenden Publikationen sind als Mittel eines über bildende Kunst hinausgehenden Diskurses zu verstehen. Die Versammlung von Texten erinnert an Kataloge von Olafur Eliasson, beispielsweise Surroundings Surrounded (2004). Er enthält eine große Anzahl von Essays zu Naturwissenschaft, Architektur und Design. Ebenfalls lässt sich denken an die Dokumentation von Symposien, die Eliasson und sein Studio durchführten und die sich beispielsweise mit Licht- und Farbwahrnehmung beschäftigten.218 Bei Demand ist der Bezug auf den Rahmen einer Ausstellung und der dort gezeigten Bilder stärker betont, auch scheinen die Bestandteile deutlicher getrennt: Während in Eliassons Katalogen Abbildungen seiner Arbeiten sandwichartig mit Essays abwechseln und Wert auf die Verschmelzung des Kunst- mit dem Wissenschaftsdiskurses im Medium des Ausstellungskatalogs gelegt wird, ist bei Demand der Diskurs auf den separaten Band mit den Vortragstexten ausgelagert. Im Katalog Nationalgalerie verweisen die Texte von Strauß zwar auch auf Felder außerhalb, bleiben in ihrer Sprache, ihrem Fragmentcharakter und ihrer Präsentation aber stärker auf den Kunstkontext beschränkt.

»Eine Gruppenausstellung«? Individuelle und kollektive Autorschaft Die Autorschaft an einem Katalog bewegt sich generell zwischen einer individuellen und einer kollektiven, da Künstler kaum alle Teile der Produktion selbst ausführen. Traditionell ist ein Katalog eher ein Ort des Kommentars, nicht der autonomen Äußerung. Bei Nationalgalerie ist jedoch mehrfach dessen individuell-künstlerische Autorschaft hervorgehoben, auch in seiner ausdrücklichen Bezeichnung als »Künstlerbuch.«219 durch die Veranstalter. Diese Zuschreibung lässt sich einmal beziehen auf die Bilder Demands und die Texte Strauß’, also auf den Katalog als Produkt zweier Künstler, dann aber auch auf die Gestaltung des Katalogs durch einen Künstler, analog zu seiner Präsentation als Objekt in der Ausstellung. Im Impressum ist Thomas Demand an erster Stelle als Autor des Designs genannt, dann der Buchgestalter und Verleger Michael Mack. Die Reihenfolge ist bedeutsam, denn in anderen Katalogen ist Demand ebenfalls als für die Gestaltung verantwortlich genannt, aber erst an zweiter Stelle und mit einem stärker geteilte Autorschaft signalisierenden »und« verbunden.220 Für den Künstler wichtige Komponenten des Arbeitsprozesses sind durch Namensnennung und Hierarchisierung im Impressum

218 Olafur Eliasson/Zumtobel AG (Hg.): Life in Space 3, Symposium Berlin 9.5.2008, Dornbirn 008. 219 »Die ausstellungsbegleitende Publikation ist kein Katalog im üblichen Sinne, sondern vielmehr ein Künstlerbuch.« http://web.archive.org/web/20091125152802/http://www.demandinberlin.org/de/ ausstellung/katalog.html (21.4.14). 220 Thomas Demand, Kat. Kunstverein Freiburg 1998, S. 47.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands herausgestellt, wie auch in Processo grottesco unter der Rubrik »Research and Appendix«, also der zentralen Bild- und Materialrecherche, Demand an erster Stelle steht. Während Demand sonst mit bestimmten Graphikern immer wieder zusammenarbeitet, etwa Markus Weisbeck oder Naomi Mizusaki221, und dabei einen Großteil der Arbeit delegiert, hat er im Fall von Nationalgalerie »den Katalog selbst gemacht«, das heißt die Gestaltung komplett übernommen.222 Noch vor finanziellen Motiven – das Budget wäre durch einen Graphiker noch weiter strapaziert worden – spielt der Status des Katalogs die entscheidende Rolle: Er ist in der Ausstellung wie ein Kunstwerk präsentiert, als sichtbarphysischer Bestandteil, und soll als solcher auch ganz in der Verantwortung des Künstlers liegen. Nachvollziehbar wird dies auch beim Blick auf Details: Die Schrifttype für die Bildlegenden ist im Hinblick auf das Thema der Ausstellung ausgesucht, eine streng wirkende serifenlose Schrift, in der Typographie als ›Akzidenz-Grotesk‹ bezeichnet. Der Name scheint Demand jenseits der sachlichen Anmutung und der formalen Qualitäten der Schrift passend: das Vorgefallene, Zufällige, das den Hintergrund mancher Bilder bildet, im Verein mit dem Grotesken. Die Texte von Botho Strauß und der begleitende Essay sollen nicht mit ›Literatur‹ assoziiert werden, was durch eine serifenbetonte Leseschrift, wie sie überwiegend in belletristischen Büchern verwendet wird, eher der Fall gewesen wäre. Die schnörkellose, kantige Schrifttype, die sich auch in der Corporate Identity der Lufthansa findet, setzt Demand weiter ein, um Konnotationen mit dem »Deutschen« herzustellen, das in der Ausstellung thematisiert wird. Sie ist in den Textelementen der Ausstellung beibehalten, im Schriftzug auf der Außenfassade der Nationalgalerie sowie dem am Eingang der Ausstellung. Es wird deutlich, mit wie feinem Maß gemessen, wie subtil Konnotationen gesteuert und wie wenig zufällig Entscheidungen getroffen werde. Bei dieser Übernahme der Layoutarbeiten spielt auch Demands Affinität zur Typographie eine Rolle. Bereits als Student in München arbeitete Demand als Werbegraphiker und besuchte an der Akademie Düsseldorf Veranstaltungen beim Buchgestalter Walter Nikkels. Demand befindet sich damit in Gesellschaft von Künstlern, die auch als Graphiker tätig waren, wie Dieter Roth oder auch Ed Ruscha. Wie dieser hat Demand keine professionelle Ausbildung durchlaufen, sondern sich Kenntnisse in der Praxis und nach Bedarf angeeignet, ähnlich seinem Zugang zur Photographie. Die mal stärkere, mal geringere Präsenz Demands in der Gestaltung von Katalogen ist insgesamt weniger eine Frage des »Könnens« als der Betonung und Steuerung von Autorschaft. Demands übernimmt selbst als zentral empfundene Anteile an Nationalgalerie, namentlich die Produktion der Photoarbeiten und des Katalogs, betont jedoch gleich221 Markus Weisbeck hat gestaltet: Thomas Demand con Caruso St John (2001), Phototrophy (2004); Naomi Mizusaki: Thomas Demand, Kat. Serpentine Gallery (2006), Processo grottesco (2007), Cámera (2008), La Carte d’après Nature (2010), Executive (2012). 222 Gespräch des Autors mit Thomas Demand, Berlin, 29.10.2009.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele zeitig das kollektive Moment von Ausstellung und begleitenden Publikationen. Angesichts der aufwendigen Ausstellungsarchitektur bringt Hans Ulrich Obrist den Begriff ›Gesamtkunstwerk‹ ins Spiel.223 Dieser lässt sich auf die Intermedialität, das Zusammenspiel der verschiedenen Gattungen beziehen, aber damit auch auf die Zusammenarbeit der Beteiligten. Dabei geht es aber nicht um eine grundsätzliche Kritik künstlerischer Autorschaft. Bereits in vorausgegangenen Projekten wie der Ausstellung in der Serpentine-Gallery hatte Demand Anteile abgegeben, dabei aber Gesamtkonzept und Initiative stets in Händen behalten. Hinter der Einbeziehung von Personen und der Abgabe von Verantwortung für Teilbereiche wie die Ausstellungsarchitektur stand die Absicht, den eigenen Beitrag auf die auszustellenden Bilder zu konzentrieren, also eine Pointierung des eigenen Anteils und damit eine Profilierung der Autorschaft. Verschiedene Akteure, besonders Architekten, fungieren als Vermittler zwischen einer vorgefundenen Raumsituation und dem, was ausgestellt werden soll. Ausstellungsarchitektur, vom Künstler entworfen und realisiert, bekäme Werkcharakter und würde sich in den Vordergrund drängen. Die Aussage Demands »Ich will, dass eine Autorschaft ins Spiel kommt, die über meine hinaus geht«224 ist in diesem Kontext zu lesen. Gegenüber vorausgegangenen Ausstellungen delegiert Demand bei Nationalgalerie einen noch größeren Teil und stößt neue Beteiligungen an, nicht zuletzt die der »Experten« des Rahmenprogramms mit Wissenschaftlern, Journalisten, Schriftstellern, Filmemachern. Für die Bildlegenden wird Botho Strauß eingebunden, für die Planung der Ausstellungsarchitektur wiederum Caruso St John. Die einzelnen Elemente wie Vorhänge, HolzwandImitate und Vitrinen werden von spezialisierten Unternehmen ausgeführt. Diese Anteile werden in Katalogvorworten und Danksagungen auch nach außen signalisiert, so wird beispielsweise auch die Firma, die die Vorhänge herstellte, eigens erwähnt. Den kollektiven Charakter der Ausstellung betont Demand: »Im Grunde ist diese Ausstellung eine Gruppenausstellung für mich, Botho Strauß, hoffentlich Alexander Kluge, Caruso St John und all die Gäste, welche wir für das Rahmenprogramm zu gewinnen versuchen.«225 Diese Doppelrolle als Künstler und als Initiator baut er aus: 2010 kuratierte Demand eine Gruppenausstellung, die, ähnlich wie Nationalgalerie, thematisch konzipiert ist.226 Im Katalog ist er in dieser Doppelfunktion präsent, mit eigenen Arbeiten, aber auch in Form eines Textes über das Konzept und das Zustandekommen der Ausstellung. Auch dies lässt sich als eine erneute Erweiterung der Spielregeln und ein weiteres »erstes Mal« lesen.

223 Obrist, Thomas Demand und die Nationalgalerie, S. 5. 224 Obrist, Thomas Demand, Conversation Series, S. 68. Vgl. Albert Coers: Die Inszenierung der Bilder. Ephemere Architekturen bei Thomas Demand, in: archimaera, Nr. 3, Mai 2010, S. 129–139. 225 Obrist, Thomas Demand und die Nationalgalerie, S. 49. 226 La Carte d’après Nature, Kat. Nouveau Musée National de Monaco 2010.

Das gesteuerte Narrativ – Text- und Bildregie in Katalogen Thomas Demands

Zwischenfazit Die Ausstellungs- und Katalogproduktion eines Künstlers wie Thomas Demand lässt sich mit einer Filmproduktion vergleichen, einem Autorenfilm, bei dem der Regisseur alle einzelnen Produktionsabläufe wie Recherche, Drehbuch, Setdesign, Beleuchtung, Kamera, Schnitt, Montage, selbst durchführt, oder aber steuert und überwacht, aus den Ergebnissen auswählt, diese zusammenstellt und letztendlich autorisiert. ›Autorschaft‹ bedeutet also weniger die materielle Herstellung, sondern die Kontrolle der ästhetischen und konzeptionellen Entscheidungen, die Auswahl aus vorhandenem Material. Wenn dies für die Praxis vieler zeitgenössischer Künstler zutrifft, so scheint es bei Demand in besonderem Maß gerechtfertigt, von einer sehr bewussten Text- und Bildregie und einem gesteuerten Narrativ mittels des Katalogs zu sprechen. Demand, der Bilder herstellt, die auf vielfältigen Kontexten beruhen, aber bei der Präsentation in Ausstellungen ohne diese dargeboten werden, benutzt den Katalog als Medium zur Erweiterung und Ergänzung der Ausstellung ins Narrative, zur Lenkung und Führung des Betrachters. Mit Bewusstsein für Funktionen und Geschichte des Ausstellungskatalogs wird auf das Modell des Guides und Begleiters durch die Ausstellung zurückgegriffen. Allerdings werden weniger Erklärungen gegeben, sondern eher eine vom Betrachter zu füllende Distanz aufgebaut. Dabei betreibt Demand verschiedene Bildstrategien: einmal die der Nichtabbildung, Bildverknappung und Zurückhaltung von Bildvorlagen. Dass hier versucht wird, einer Verbreitung von Bildern und Informationen eher entgegenzuarbeiten, scheint besonders interessant, da es der traditionellen Funktion des Katalogmediums und der Praxis vieler Künstler entgegensteht. Der Umgang wird jedoch zunehmend freigiebiger, die Darstellung des Entstehungsprozesses der Arbeiten, des Making-of nimmt breiteren Raum ein, was sich als ein wesentliches Interesse in zeitgenössischen Künstlerkatalogen allgemein zeigt. Doch werden diese Werkprozesse jeweils unterschiedlich dargestellt: Bei Demand dienen dazu Bilder »vom Set«, zusätzliche Installationsansichten der Ateliermodelle, die der Publikation in begleitenden Medien wie Ausstellungskatalogen vorbehalten sind. Sie sind zugleich Mittel der Bildvermehrung und -variation. Die Abbildung von Details, von Einzelbildern aus Filmen, von Production stills, die Aufnahme von Materialien im Katalog, die scheinbar der Ausstellung entnommen sind, dies alles verfolgt die Absicht, den Betrachter zu irritieren und eine Reflexion über unterschiedliche Arten von Fiktionalität, Abbildung und Bildkategorien in Gang zu setzen. Bei der Darstellung des Entstehungsprozesses wird im Katalog der Blick weniger auf die konkrete materielle Genese, sondern eher auf die vorbereitende visuelle und intellektuelle Recherche des Künstlers und seine Rolle als Teil eines bildrezipierenden Kollektivs gelenkt. Dazu trägt auch eine zurückhaltende Bildpolitik im Hinblick auf die Abbildung der eigenen Person bei.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele In Demands Katalogœuvre zeigt sich eine Entwicklung hin zu immer aufwendigeren, gestalterisch-technisch ambitionierteren Katalogen. Dies liegt im erwartbaren Verlauf einer Künstlerkarriere und verläuft parallel zu den Ausstellungsprojekten selbst. Doch zeichnet sich auch der Innovationsdruck ab, dem Kataloge als Teil des Werks unterliegen, was bei Demand einerseits werkimmanent motiviert ist, indem in ihnen die Auseinandersetzung mit selbstgesetzten, auf Konsequenz hin angelegten Spielregeln gesucht wird, andererseits auch aus einer Erwartungshaltung des Rezipienten heraus, der neue, unerwartete Buchprodukte erhofft, ähnlich wie von einem erfolgreichen Romanautor. Mit einem rein »pragmatischen« Katalog würde man sich kaum mehr zufrieden geben. Es zeigt sich »das Bedürfnis des Künstlers (wie auch des Rezipienten) nach Abwechslung, Kurzweil, Diversität und Veränderung«.227 Mit Nationalgalerie scheint ein vorläufiger Höhepunkt gesetzt, was die Bedeutung und Inszenierung des Katalogs innerhalb der Ausstellung angeht. Tocha vermutet, dass angesichts der immer aufwendigeren Ausstellungsarchitekturen und größerer architekturbezogener Vorhaben Demands eine »neue, mehr architektur- oder designorientierte Schaffensphase einhergehen könnte.«228 Doch gilt das Interesse Demands weniger Design und Architektur an sich, als den künstlerischen und historischen Diskursen, die mit ihnen verknüpft sind. Und so scheinen auch Kataloge als Mittel zur Reflexion und Anregung eines Diskurses immer stärker in den Vordergrund zu treten, gerade mit Nationalgalerie und den weiteren Begleitpublikationen. Sie lassen sich darin mit zeitgenössischen Großausstellungen wie der documenta vergleichen, aber auch mit den Publikationen anderer Künstler, etwa Olafur Eliassons. Auch die verstärkte Ausweitung der Autorschaft und Zusammenarbeit, in frühen Katalogen noch nicht so stark ausgeprägt, ist in diesem thematisch-diskursiven Rahmen zu sehen. Der eigene Beitrag wird dabei aber klar gekennzeichnet, die einzelnen Anteile aufeinander abgestimmt und durch eine Gesamtregie zusammengehalten. Damit unterscheidet sich Demand von einem Künstler wie Tobias Rehberger, der die Abgabe von gestalterischen Entscheidungen bis hin zur Aufgabe der Kontrolle über den Werkprozess und Zusammenarbeit mit anderen Personen als wichtiges künstlerisches Verfahren verwendet. Ausstellungskataloge spielen dabei wegen ihrer Zusammengesetztheit aus verschiedenen auktorialen Anteilen und in ihrer Referenz auf etwas Vorhergehendes eine wichtige Rolle. Der Prozess der Reproduktion von Vorhandenem – der Ausstellung – wird dabei als Neuproduktion genutzt.

227 Tocha, Von der Pappschachtel zur Stadtarchitektur, S. 6. 228 Ebd., S. 5.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger Der Katalog als Interpretation und Vollendung der Ausstellung Kontrollverlust als Chance: Übersetzung, Interpretation »Painting a picture is a very simple thing to do. You don’t have to rely on other people; you’re in total control. But you don’t pick a particular medium so you can have total control over it. If you can’t work with this people, you’re not going to get a good product.«229

Die Arbeitsprozesse bei der Herstellung eines Buches sind komplex und auf eine arbeitsteilig organisierte Produktionskette verteilt, an der mehrere Spezialisten beteiligt sind. Daher ist ein Buch in seinem materiell-technischem Herstellungsprozess, der von der ästhetischen Seite kaum zu trennen ist, selten komplett das Ergebnis der Arbeit eines Einzelnen, anders als die Arbeit im mit individueller Leistung konnotierten Medium der Malerei. Diesem Verlust an Kontrolle begegnen Künstler, indem sie ihn einkalkulieren und, wie Ed Ruscha, Einfluss auf viele Entscheidungen innerhalb des Produktionsprozesses nehmen, oder ihn zum Bestandteil des Konzepts erklären. Das Buchmedium entwickelt, wie Ruscha herausstellt, in der Notwendigkeit zur Zusammenarbeit eine eigene Qualität, was sich im Zusammenhang mit den Bestrebungen der 1960er und -70er Jahre sehen lässt, in der Kunstproduktion Modelle der Kollaboration und Interaktion zu entwickeln und das Monopol der künstlerischen Autorschaft aufzubrechen. Ohne sich direkt auf diese Absichten der Avantgarde zu beziehen, spielt in den Arbeiten Tobias Rehbergers das Moment der Übertragung und des Kontrollverlustes eine große konzeptuelle Rolle. Ein Ausstellungskatalog stellt gerade wegen der vielfältigen Umsetzungs- und Abbildungsstufen, welche die Ausstellung bis zur gedruckten Form durchläuft, für ihn ein ideales Medium dar, gehört doch der Bezug auf Vorhandenes durch Reproduktion und Zitat zu seinen grundlegenden Verfahrensweisen. So zeichnete er beispielsweise Klassiker des Möbel- und Autodesigns aus dem Gedächtnis und lies diese durch Handwerker aus Afrika oder Asien nachbauen. Dabei steht die Transformation durch Übersetzung im Mittelpunkt, was sich auch sprachlich an den Titeln ablesen lässt, etwa Pad-See-Euw (2000) für die thailändische Umsetzung eines VW-Modells. Im Gegensatz zum Vorgehen Demands, der in seinen Katalogen ebenfalls mit anderen Personen wie Graphikern, Autoren, Architekten eng zusammenarbeitet, lassen sich die Anteile weniger klar trennen, sondern folgen häufig dem Prinzip eines einmaligen Anstoßes, der eine Art interaktiver Kettenreaktion erzeugt, was die weitgehende Abgabe der Kontrolle über den Prozess mit sich bringt.

229 Zit. nach: Ruscha/Schwartz, Leave Any Information, S. 67.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Das Verfahren der Übersetzung – auch konkret sprachlich verstanden – wandte Rehberger bereits im Katalog seiner ersten großen Einzelausstellung Cancelled Projects (1995) im Museum Fridericianum an auf den Katalogtext des Kurators Veit Loers: Der Kurzessay, in dem es ausgehend von Rehberger um Kopieren und Reproduzieren als kulturelles Phänomen geht, ist in verschiedene Sprachen übersetzt und in einer zufälligen und irritierend wirkenden Reihenfolge im Katalog platziert, auf Finnisch, Französisch, Englisch, Griechisch, Deutsch, Niederländisch. Diese Übersetzungen spiegelten Künstlerfreunde Rehbergers wider, etwa Alexandra Papadopoulou, seine Freundin, mit Griechisch. Andererseits waren sie als Umsetzung durch eine bestimmte Person zu verstehen, deren Name vom Übersetzungsbüro mitgeteilt und im Katalog, gewissermaßen als Koautoren, über dem Namen des Autors genannt war. Ausstellungsort und Katalog waren durch die Mitarbeit verknüpft, da Rehberger nicht ein beliebiges Übersetzungsbüro beauftragen ließ, sondern ein lokales mit Sitz in Kassel.230 Durch diese Zusammenarbeit, diese Personalisierung der Texte wurde der Kunstkontext mit dem des Privaten verbunden, was in den ausgestellten Arbeiten implizit ein Thema war, zum Beispiel in Cancelled Projects mit einem Schreibtisch, den Tobias Rehberger und sein Bruder als Kinder benutzt hatten, oder in der Serie Betten, sechs Doppelbetten, die nach zeichnerischen Entwürfen von Bekannten gefertigt wurden. Die Übersetzungen sollten weniger dienend-kommunikative Funktion haben und eine konkrete Gruppe von Muttersprachlern ansprechen, die sonst die Texte nicht verstanden hätten, als vielmehr den Blick vom sprachlichen Akt des Übersetzens auf den des künstlerischen Reproduzierens lenken. Dieser spielte in mehreren Arbeiten der Ausstellung eine zentrale Rolle, in Rehbergerst mit der Reproduktion von Zeichnungen und anderen Arbeiten von Rehbergers Vater im vergrößerten Maßstab 4 :1 sowie in einer nicht ausgestellten, aber im Katalog prominent an erster Stelle abgebildeten Serie von Masken und Figuren, die Rehberger nach afrikanischem Vorbild herstellte, dann gemischt mit echten regionalen Artefakten präsentierte und so die Frage nach der Differenz und Unterscheidbarkeit der Erzeugnisse stellte. Natürlich ist auch auf die Irritation des Lesers gezielt, der gleich als erstes im Katalog einen Text in einer so exotisch erscheinenden Sprache wie Finnisch vorfindet, ein wörtlich genommener Verfremdungseffekt, der zur Reflexion über den Akt der Transformation durch Übersetzung anregen soll, ähnlich wie bei der Arbeit Timm Ulrichs Übersetzung Translation Traduction. Ein polyglotter Zyklus, 1974, wo der Brockhaus-Artikel zum Stichwort ›Übersetzung‹ über zahlreiche fremdsprachige Zwischenstufen wieder in die Ausgangssprache übersetzt und damit Veränderung und Reibungsverlust vor Augen geführt wurden. Bei Rehberger arbeiteten die Übersetzer größtenteils ebenfalls nicht nach dem Originaltext, sondern nach einer bereits erfolgten Übersetzung, was auch in den Autorangaben explizit gemacht wird, so etwa »Victor Hammond by Marina Kourtaki«. 230 Vgl. Dokumentation zu Cancelled Projects im documenta-Archiv Kassel.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger Da der Begriff der Übersetzung hier so prominent ins Spiel gebracht wird, sei der Blick auf ihn selbst und seine Semantik im kunsttheoretischen Diskurs gerichtet: ›Übersetzung‹ wird nicht nur, entgegen der allgemeinsprachlichen Verwendung, für innersprachliche Transfers reserviert, sondern auch, wieder in einer Form der Übertragung, für den Akt der bildnerischen Wiedergabe verwendet, ihr dabei eine Leistung zugesprochen, die über ein bloßes Wiederholen oder Paraphrasieren hinausgeht, und dies lange vor dem »translational turn«, der für die Kulturwissenschaften festgestellt wurde.231 »Der Künstler kann die Natur nicht abschreiben, er muss sie übersetzen«232 bemerkt Helmholtz. Umgekehrt wird sprachliches Übersetzen mit bildnerischer Reproduktion verglichen: »[…] we may compare the work of a translator with that of an artist who is asked to create an exact replica of a marble statue, but cannot secure any marble. […] Whatever his material, if he is a good craftsman, his work may be good or even great, it may indeed surpass the original, but it will never be what he set out to produce, an exact replica of the original.«233

Hier ist ähnlich die Unmöglichkeit einer exakten Wiedergabe angesprochen, also die immanente Differenz zwischen Wiederzugebenden und dem Ergebnis der Wiedergabe. Dies lässt sich auf die Überlegungen zum Ausstellungskatalog anwenden. Gerade diese Differenzen und Übersetzungsprobleme machen das Medium für Tobias Rehberger interessant, es »[…] steht weniger der Katalog als Informationsmedium im Zentrum des Interesses, als er vielmehr eine künstlerische Ausdrucksform darstellt, die als eine Übersetzung der Kunst in das Buch gelten muss.«234 Wie der Begriff der Übersetzung wird der verwandte der Interpretation seit einiger Zeit verstärkt auch auf nichtsprachliche intermediale Reproduktionsvorgänge und ihre Ergebnisse angewandt, worin sich eine Aufwertung ablesen lässt. »Die Kunst der Interpretation« heißt beispielsweise eine Monographie über Reproduktionsgraphik.235 Dieser Titel zitiert den eines Klassikers der Literaturwissenschaft236, überführt damit den Interpretationsbegriff in den weiteren Bereich der Übertragungs- und Transformationsvorgänge. Dies trifft sich durchaus mit der in dieser Arbeit verfolgten Absicht, das Medium des Ausstellungskatalogs aufzuwerten, es also nicht mehr als bloße Quelle zu verstehen – siehe die eingangs erwähnte Lexikondefinition – sondern bereits als eine Interpretation 231 Vgl. Doris Bachmann-Medick: Translational Turn, in: diess.: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek, 32009, S. 238–283. 232 Hermann v. Helmholtz: Optisches über Malerei (1873), in: ders: Vorträge und Reden, Bd. 2, Hamburg 2010, S. 135. 233 Werner Winter: Impossibilities of Translation, in: William Arrosmith/Roger Shattuck (Hg.): The Craft and Context of Translation, Austin 1961, S. 68, zit. nach: Werner Koller: Einführung in die Übersetzungswissenschaft, Heidelberg 41992, S. 37. 234 Ute Linhart in: Tobias Rehberger: flach, Kat. Museum für angewandte Kunst Frankfurt, S. 14. 235 Norberto Gramaccini/Hans Jakob Meier: Die Kunst der Interpretation. Italienische Reproduktionsgraphik 1485–1600, Berlin/München 2009. Siehe v. a. das Kapitel »Die Kunst der Übersetzung«, S. 39 ff. 236 Emil Staiger: Die Kunst der Interpretation, Zürich 1955.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele der Ausstellung. Gegenüber der Übersetzung zeichnet sich die Interpretation aus durch einen höheren Grad an Subjektivität und Autonomie.237 Am besten geeignet im Bezug auf den Zusammenhang von Ausstellung und Katalog scheint der musikalische Interpretationsbegriff, die künstlerische Wiedergabe eines Musikstücks auf Basis einer persönlichen Deutung. Auf die Rolle der Reproduktion und des Katalogs hat Wolfgang Ullrich hingewiesen: »Ähnlich wie Musik oder ein Theaterstück wird die Kunst […] aufgeführt und inszeniert.«238 Obwohl im kulturwissenschaftlichen Diskurs oft inflationär gebraucht, bietet sich der Begriff der Inszenierung für die Umsetzung einer Ausstellung in Buchform doch an: Ihm eignet eine ästhetisch-räumliche Dimension, die im Interpretationsbegriff so nicht enthalten ist. Auch lässt sich eine Ausstellung bereits als Form der Inszenierung begreifen, der temporäre, auf ein Publikum zielende Charakter kommt dem einer Theateraufführung nahe. In Analogie zur Ausstellung und ihrem Katalog ist interessant, dass sich erst relativ spät, etwa Mitte des 19. Jahrhunderts, ein Bewusstsein für die theatralische Inszenierung, damit die Instanz und Professionalität des Regisseurs entwickelt und auch sein Name auf den Theaterprogrammen zu finden ist. Die Aufführung zieht den Kunstcharakter aus dem zugrundeliegenden Text und gilt zunächst kaum als eigenständige Kunstform, und so auch das Inszenieren nur als technisch-reproduzierende Tätigkeit. Erst die historischen Avantgardebewegungen erklären die Theateraufführung zu einer autonomen Kunstform, die mit dem Text als Material frei umgehen kann.239 Wie die Interpretation ist die Inszenierung keine bloße Wiedergabe, sondern lässt sich verstehen »als Bündel von Strategien, die auch etwas Neues schaffen«.240

»Das Datum ein flüchtiger Faktor« – Entkoppelung Ausstellung – Katalog Im Bezug auf die Interpretation einer Ausstellung durch den Katalog bei Tobias Rehberger sei ein kurzer Blick auf die Musik gerichtet, der besonderen Rolle wegen, welche die Reproduktion dort spielt, und auch im Hinblick darauf, dass an der Katalogproduktion Beteiligte zum Teil selbst praktizierende Musiker sind, wie etwa der Graphiker Chris Rehberger und Pipilotti Rist, oder aber sich der Begrifflichkeit der musikalischen Reproduktion im Umgang mit dem Katalogmedium bedienen, siehe etwa Olafur Eliasson, der seine Arbeitsweise bei der Erstellung eines Katalogs vergleicht mit der eines »DJ who resamples a lot of old music.«241

237 Gramaccini/Meier, Die Kunst der Interpretation, S. 11. 238 Ullrich, Raffinierte Kunst, S. 116. 239 Vgl. Erika Fischer-Lichte: Performance, Inszenierung, Ritual: Zur Klärung kulturwissenschaftlicher Schlüsselbegriffe, in: Jürgen Martschukat/Steffen Patzold (Hg.): Geschichtswissenschaft und »performative turn«. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln 2003, S. 42 f. 240 http://de.wikipedia.org/wiki/Inszenierung (7.6.2011). 241 Interview mit Luca Cerizza in: TYT 2, S. 50.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger Interessant sind die Entwicklungen vor allem ab den 1960er Jahren, in denen Fragen von ›werktreuer‹, historischer Aufführungspraxis sowie von Authentizität angesichts elektronischer Reproduktions- und Manipulationsmöglichkeiten von Musik zunehmend diskutiert wurden, und hier speziell die theoretischen Äußerungen, aber auch die praktischmusikalischen Interpretationen des Pianisten Glenn Gould: Sie irritierten durch ihre Subjektivität hinsichtlich der Wahl des Reproduktionsinstruments, beispielsweise notorisch manipulierter Konzertflügel, sowie teilweiser Missachtung der vom Komponisten in der Partitur vorgegebenen Angaben zu Schnelligkeit und Vortragsart. Weiter sorgte Goulds Verzicht auf Live-Konzerte Mitte der 1960er Jahre und seine völlige Konzentration auf Studioaufnahmen für Erstaunen. Das Element des Authentischen und der Einmaligkeit wurde in der zeitbasierten (klassischen) Musik noch viel stärker als wesentlich und unverzichtbar erachtet als in der bildenden Kunst. Gould setzte jedoch auf Reproduzierbarkeit und Perfektion mittels der tontechnischen Aufzeichnung und näherte sich durch die Studioarbeit der Produktionsweise von bildenden Künstlern und Filmregisseuren an. Eine weitere Irritation gelang Gould durch den Umgang mit seinen Aufnahmen: Er behielt nicht das Prinzip des Dokumentarischen bei, für das Unveränderlichkeit und Einheitlichkeit des Materials gilt, sondern ordnete es neu. So stellte er durch Schneiden und Aneinanderkleben verschiedener Aufnahmen der gleichen Stücke ein für ihn perfektes, »künstliches« Ergebnis her, ein für die frühen 1960er Jahre in der klassischen Musik progressives Verfahren, das später durch Aufnahme und Transformation von beliebigen Musik- und Geräuschsplittern als ›Sampling‹ später vor allem im Bereich der Popmusik gängig wurde und in seiner digitalen Form ab Anfang der 1990er Jahre nicht mehr wegzudenken ist – wir werden darauf noch zurückkommen. Ebenfalls für den Ausstellungskatalog relevant ist die Entkoppelung von Aufführung und Datierung, damit die Rücknahme des Dokumentarischen. Zu Studioaufnahmen bemerkt Gould: »Hier ist das Datum ein flüchtiger Faktor. Obwohl einige Firmen feierlich das Datum der Studiositzungen auf jeder Schallplattenhülle vermerken, […] stammt die Musik, die auf dieser Aufnahme zu hören ist, möglicherweise aus Sitzungen, die im Abstand von Wochen, Monaten oder sogar Jahren stattgefunden haben.«242

Mit der Bevorzugung der datumslosen Studioaufnahme zielte Gould auf eine Emanzipation des aufgenommenen Materials aus seinem chronologisch-biographischen Zusammenhang zugunsten eines freien Zugriffs durch den jeweiligen Interpreten, den ausführenden Künstler, aber auch potentiell jeden Zuhörer, der durch Zusammenstellung etwa unterschiedlicher Sätze einer Sinfonie sowie durch die Steuerung der Parameter wie Lautstärke und Tempo sein eigenes, ideales Musikstück schaffen könne. So werde der Rezipient zum Interpreten, ja gar zum Komponisten.243 242 Glenn Gould: Die Zukunftsaussichten der Tonaufzeichnung (1966), in: ders.: Vom Konzertsaal zum Tonstudio. Schriften zur Musik 2, München 1987, S. 145 f. 243 Vgl. ebd., S. 151.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Diese Entkoppelung von Aufnahme und Wiedergabe lässt sich übertragen auf das Verhältnis von Ausstellung und Katalog: Von seinen Anfängen im 17./18. bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ist der Katalog zeitlich und räumlich eng mit der Ausstellung verbunden, ähnlich wie der Programmzettel einer Konzert- oder Theateraufführung hat er eine Funktion ausschließlich im Kontext der als Ereignis verstandenen Ausstellung. Ausstellungsbesuch und Katalogkauf sind eng verknüpft: Der Erwerb eines Katalogs ist häufig obligatorisch und ersetzte einen gesonderten Eintritt.244 Der Zusammenhang lockert sich zunehmend, als die Ausstellung als eigenwertiger, zwar gegenüber einer musikalischen Darbietung längerer, aber trotzdem flüchtiger Moment begriffen wird, der im Speichermedium des Buches festzuhalten ist. Großausstellungen mit aufwendigen, ortsspezifischen Installationen oder Ausstellungsarchitekturen seit Ende der 1960er Jahre sind Motor der Aufwertung des Katalogs, stellen gleichzeitig die Katalogproduktion vor Herausforderungen, die sich auch auf die Trennung von Ausstellung und Katalog auswirken. Der Zeitraum zwischen Fertigstellung der Arbeiten und Eröffnungstermin der Ausstellung ist häufig knapp, so dass der Katalog erst nach der Eröffnung erscheinen kann und sich verselbständigt. Doch wie bei den Projekten Thomas Demands zu sehen war, ist eine Drucklegung vor der Ausstellung in der Regel möglich, insbesondere bei großen Ausstellungshäusern mit entsprechenden finanziellen und logistischen Möglichkeiten und langfristiger Vorbereitung, meist ein bis drei Jahren. Auch sind bei Großprojekten die Zeiten für den Aufbau häufig großzügig bemessen. So lagen etwa 2002 zwischen der Ausstellung von Tobias Rehberger im ZKM Karlsruhe und der vorhergehenden vier Wochen.245 Es handelte sich um sehr aufwendige Installationen, die im bei Ausstellungsbeginn vorliegenden Katalog durch Installationsansichten wiedergegeben wurden. Von Seiten der Institutionen wird Wert darauf gelegt, dass der Katalog zum Anfang der Ausstellung erscheint, denn so sind nicht nur die Absatzchancen größer, es wird auch der Ereignischarakter der Ausstellung betont und so doppelt Aufmerksamkeit erregt. Natürlich gibt es auch Ausnahmen246, aber in der Regel wird versucht, den Katalog vor Beginn oder zumindest während der Laufzeit einer Ausstellung zu publizieren. Wenn von diesem Prinzip abgewichen wird, so sind es anders gesetzte Prioritäten, ähnlich dem Verzicht auf Installationsansichten in Thomas Demand Nationalgalerie, oder ein anderes Verständnis von der Funktion eines Katalogs überhaupt. So wurde zum Beispiel der Katalog zur Ausstellung Lichtkunst aus Kunstlicht am ZKM Karlsruhe (2006) erst nach Ende der Ausstellung fertig, was Kritik hervorrief. Peter Weibel, Kurator der 244 Vgl. Koch, Kunstausstellung, S. 150. 245 http://on1.zkm.de/zkm/mnk/archiv/ (9.5.2014). 246 So war beispielsweise der Katalog zur Ausstellung Embankment von Rachel Whiteread in der der Tate Modern London (2005) erst ca. 14 Tage nach Ausstellungseröffnung erhältlich, was wohl mit der Abbildung der sehr aufwendigen Installation zusammenhängt. Da die Ausstellung jedoch mit sieben Monaten eine sehr lange Laufzeit hatte, relativiert sich diese Ungleichzeitigkeit.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger Ausstellung, rechtfertigte das umfangreiche Themenbuch gegenüber einem ausstellungsbegleitenden Katalog und grenzte beides gegeneinander ab: »Man sollte den Begriff Katalog gar nicht verwenden, es ist ein Buch.« Es sei ein ausstellungsunabhängiges Referenzwerk. Das Publikum für einen »normalen«, das heißt zeit- und ortsgebundenen Ausstellungskatalog, der gegenüber der Ausstellung keinen erheblichen Mehrwert bietet, gebe es nicht mehr.247

»Ersteller seines Ringbuchs« – Work in progress und Partizipation Ein besonders interessanter Fall eines Ausstellungskatalogs, der die Aspekte der Übersetzung sowie der zeitlichen Entkoppelung von Ausstellung und Katalog verbindet, ist Applesandpears von Tobias Rehberger, erschienen 2002.248 Er besteht aus drei Einzelkatalogen einer Ausstellungsreihe mit den Stationen Leipzig, Dunkerque, Münster, realisiert zwischen Ende 1999 und Anfang 2001, also mit erheblicher zeitlicher Distanz zwischen der ersten Ausstellung und dem Erscheinen des Katalogs. Dabei handelt es sich um keine Wanderausstellung, sondern um separate Werkgruppen, die Licht, Porträt und Repräsentationsformen von Unsichtbarkeit verhandeln. Das verbindende Element der hinsichtlich Thema, Zeitraum und Ort heterogenen Ausstellungen ist der Katalog. Er ist von vornherein mitgedacht, wesentlicher Bestandteil und kein Akzidenz. Die Facetten, die sich dem Besucher der jeweiligen Einzelausstellung vielleicht nicht erschließen, sollen nach dem Kurator Jan Winkelmann »in der gemeinsam herausgegebenen Publikation in der Gesamtschau eine Art retrospektive Sicht […] ergeben.«249 Rehberger verwahrt sich aber in einem Interview gegen den Begriff der Retrospektive, zunächst mit dem eher situationsbezogenen Hinweis, dass relativ neue Arbeiten in den Ausstellungen gezeigt würden.250 Es lässt sich aber auch Rehbergers grundsätzliche Reserve gegen über einer retrospektiven Herangehensweise anführen. Stattdessen versucht er, Ausstellungen und Katalog prospektiv zu gestalten. Die ortsunabhängige, übergeordnete Funktion des Katalogs lässt sich auch daran erkennen, dass er nicht den Titel einer der einzelnen Ausstellungen trägt, sondern den neuen, vieldeutig-vielversprechenden Gesamttitel Applesandpears. Damit bekommt der Katalog den Charakter einer eigenen Arbeit, steht gleichzeitig stellvertretend für eine virtuelle, nur in der Katalogform existente Ausstellung, ähnlich dem Titel eines Musikalbums, einer Platte oder CD, die aus einzelnen, separat aufgenommenen Songs besteht. 247 Art, 9/2006, S. 138. 248 Tobias Rehberger: Applesandpears, Köln 2002 (=The secret bulb in Barry L., Kat. Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig 1999, hg. v. Jan Winkelmann; Seascapes and other portraits, Kat. Frac NordPas de Calais Dunkerque 2000, hg. v. Katia Baudin, … (whenever you need me), Kat. Westfälischer Kunstverein Münster 2001, hg. v. Susanne Gaensheimer). 249 Jan Winkelmann: »OK, Okay« (Stanley Kubrick), in: The secret bulb in Barry L., 2002, o. S. 250 Jan Winkelmann: Perspektivwechsel. Interview mit Tobias Rehberger, in: Metropolis M., Nr. 2, April 2001, zit. nach http://www.jnwnklmnn.de/rehberg.htm (10.5.2014).

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Die Lust an der Mehrdeutigkeit von Titeln, an darin eingebauten Sprachspielen, Fehlübersetzungen, Anspielungen und Zitaten zieht sich durch das Werk Rehbergers und seine Kataloge. Hier deutet der Titel darauf hin, dass es um die Integration von Gegensätzen geht, siehe die Redensart, nach der man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen soll, wie sie auch Clive Phillpot in der erwähnten Illustration der disparaten Mengen von Kunst und Buch verwendet hat. Die Einzeltitel bringen weitere Anspielungen: The secret bulb in Barry L. zitiert einen Film, Stanley Kubricks Barry Lyndon (1975), filmgeschichtlich prominent nicht zuletzt durch den Verzicht auf elektrische Beleuchtung, deren insgeheime Zuhilfenahme aber bis heute diskutiert wird. Damit verweist Rehberger auf den Schwerpunkt der Ausstellung, Licht und Lampen, sowie auf das Thema der Unsichtbarkeit oder Nicht-Wahrnehmbarkeit, das in den Katalog übersetzt wird. … (whenever you need me) ist eine Zeile aus Popsongs 251, die auf Anwesenheit-Abwesenheit anspielt. Hier ist der Titel graphisch-semantisch durch Auslassungszeichen unterstützt: Sie markieren etwas nicht mehr Vorhandenes, für das im Bedarfsfall das in Klammern Stehende eintritt. Seascapes and other portraits ist der einzige der Einzelkataloge, der einen Bezug zum Ausstellungsthema explizit im Titel führt. Jedoch enthält auch er Paradoxes: Ein Seestück ist eine ganz andere Bildgattung als ein Porträt, diesem nach Gegenstand und Format diametral entgegengesetzt. Mit der beiordnenden Konjunktion »and« verweist er auf den übergeordneten Gesamttitel Applesandpears, der eben die Vereinbarkeit des Heterogenen beinhaltet und verbindet den Einzelkatalog mit dem Gesamtkatalog. Applesandpears versucht, ein Dilemma künstlerischer Produktion – Wiederholung oder Neuschöpfung – zu überwinden und auch sonst Gegensätze in sich zu vereinen: Vielzahl und Einzahl, Heterogenität und Homogenität in Form von drei unterschiedliche Ausstellungen, die in einem Katalog zusammengeführt werden. Die Absicht erstreckt sich auch auf kunst- und buchimmanente Kategorien und erschwert dadurch eine Zuordnung. Die Fragen »Künstlerbuch oder Kunstkatalog?« oder »Kunst oder Design?« beispielsweise lassen sich kaum eindeutig beantworten. Für den Rezipienten ist es nicht ohne weiteres klar, wie die Publikation einzuordnen ist, sie bietet ganz unterschiedliche taktile und visuelle Reize. Die erste Befremdung geht von der unkonventionellen Form aus: Man nimmt kein gebundenes Buch in die Hand, sondern einen Ordner, der noch dazu keines der bekannten Formate A4 oder A5 hat, sondern zwischen ihnen liegt. In ihm befinden sich drei broschierte Hefte von jeweils etwa 50 Seiten, die nicht wie üblich durch Lochung und Metallbügel, sondern durch auffällige, leuchtend rote Klettstreifen verbunden sind. (Abb. 31) Die Eigenständigkeit der einzelnen Ausstellungen ist damit materiell greifbar. Durch die Verbindung mittels lösbarer Klettverschlüsse ist die Reihenfolge potentiell

251 So führt eine Internetrecherche etwa zu Lenny Kravitz: I’ll be waiting, in Micheal Jackson: I’ll be there, zu Songtiteln bei Cornell Campbell, Nick Cannon. Weitere Beispiele lassen sich leicht finden.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger

Abb. 31 Tobias Rehberger: Applesandpears/…(whenever you need me), Köln 2002, Cover.

flexibel; in einem Buch wäre sie normalerweise chronologisch fortlaufend und würde mit dem ersten Katalog beginnen, im Ordner kommt der letzte als neuester obenauf; somit ist die erwartete fortlaufende, retrospektive Abfolge umgekehrt. Damit wird auch deutlich gemacht: Es geht nicht um das Aufzeigen einer kontinuierlichen Entwicklung mit einem in der Gegenwart fixierten Endpunkt, wie es bei Retrospektivkatalogen und Werkverzeichnissen der Fall ist, etwa im oben besprochenen von Thomas Demand zu dessen MoMA-Ausstellung 2005. »Der Leipzig-Dunkerque-Münster-Katalog funktioniert […] wie ein work in progress: das erweiterbare Künstlerbuch füllt sich von Station zu Station« 252 heißt es in einer Besprechung, allerdings wohl eher im Bezug auf das Konzept als auf den fertigen Katalog. Damit ist ein Stichwort genannt, das bereits des Öfteren begegnet ist: der Katalog als Ausdruck und Ergebnis von Prozessualität. In der Tat erscheint der Ordner mit seinem breiten Rücken und den schmalen Einzelkatalogen auf Zuwachs angelegt, und man kann sich vorstellen, dass der Besucher bei jeder Ausstellung einen neuen erwirbt und ihn einheftet oder sich die Kataloge wie eine Zeitschrift als Abonnement bestellt. Es ist auch denkbar, dass noch weitere Kataloge eingeheftet, die bestehenden anders angeordnet oder ganz entfernt würden und nur die Hülle übrig bliebe. Allerdings, so könnte man anmerken, ist die Erweiterbarkeit in Applesandpears eher eine virtuelle, denn alle drei Kataloge erschienen eben nicht sukzessive, sondern auf ein

252 Anna Mohal: Kunst=Ware=Zeichen=Dienstleistung. Tobias Rehbergers Verwirrungsstrategien. Essay vom Juni 2000, zit nach http://archive.is/CtO0e (5.5.2014).

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Mal nach Abschluss der Ausstellungsreihe.253 Eine lose Folge von Einzelkatalogen wäre Gefahr gelaufen, das Ziel der Komplettierung der Ausstellung zu verfehlen, abgesehen von Schwierigkeiten vertriebs- und produktionstechnischer Art, musste doch das Bildmaterial jeweils einem aufwendigen Prozess der Umsetzung und des Designs durchlaufen. Die Position des Katalogs … whenever ist, etwas im Widerspruch zur Idee der variablen Anordnung, dadurch festgelegt, dass er nur auf dem Rücken mit einem Klettverschluss beklebt, so nur nach hinten anschlussfähig ist und auf jeden Fall an erster Stelle steht. Die Flexibilität und Erweiterbarkeit von Ort zu Ort ist also eher als spielerisches Konzept vorhanden als praktisch umgesetzt. Immerhin – ein Teil der Kataloggestaltung wird dem Leser/Betrachter überlassen. Er kann die Einzelkataloge auseinander nehmen, ohne sie zu beschädigen, sie in einer unterschiedlichen Reihenfolge aneinanderheften, die Ordnung der Ausstellungen ändern, unterschiedliche Rücken- und Vorderseiten miteinander kombinieren, dadurch eine ästhetische Präferenz äußern. Die Gestaltung von Gesamt- und Einzelcover kommt dieser Option entgegen: Jedes Cover ergibt mit einem anderen eine ästhetisch interessante und formal kommunizierende Zusammenstellung durch durchlaufende Linien oder die Auswahl von kombinierbaren Farben. Eine Hierarchie gibt es nicht. Ein sicher nicht unbeabsichtigter Nebeneffekt ist das Geräusch, das die Klettstreifen beim Auseinandernehmen verursachen: ein ziemlich lautes Ratschen, das an öffentlichen, der Stille verpflichteten Orten wie Bibliotheken für Aufmerksamkeit oder gar Irritation sorgen kann. Es wirkt als dem gedruckten Medium fremd, dessen Geräuschskala sich sonst während der Benutzung auf leises Rascheln, vielleicht ein Knacken des Rückens oder dumpfes Fallen beschränkt. Mit dem aggressiven Ratschen assoziiert man eher Zerreißen und Zerstörung, und eigentlich ist das Auseinandernehmen eine solche, die Einheit wird aufgebrochen – nur, dass dies reversibel ist. So wird das Heraustrennen der Einzelkataloge für den Rezipienten zu einem wenn auch begrenzten performativen Akt, bei dem er eine gewisse Hemmschwelle dem Medium gegenüber überwinden muss. Dieses Delegieren von Handlungs- und Gestaltungsentscheidungen an den Betrachter zieht sich als ein Grundgedanke durch das Werk Rehbergers. Die Idee einer produktiven Auseinandersetzung mit Kunst oder der Mitarbeit durch den Rezipienten erinnert an Arten der Kunstrezeptionen, wie sie seit Ende der 1960er Jahre in künstlerischen Konzepten immer wieder imaginiert wurden. Hier sei ein kurzer Blick auf beispielhafte historische Positionen geworfen, um sie der zeitgenössischen von Tobias Rehberger gegenüberzustellen. Der Ausstellungskatalog als offenes Ordnungssystem, durch den Benutzer erweiter- und veränderbar, taucht ebenfalls in diesem Zeitraum auf. Allerdings sind mit der Verwendung ähnlicher Modelle unterschiedliche Ab253 Siehe die Impressen der einzelnen Kataloge. Das Erscheinungsdatum bestätigte der Verlag Walter König sowie die Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig. Zur Ausstellungseröffnung in Leipzig gab es nur ein Handout mit dem Pressetext.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger sichten verbunden, bei Publikationen der 1960/70er Jahre mitunter eine didaktische. So sind beispielsweise Kataloge einer Ausstellungsreihe dieser Zeit gelocht, um dem Ausstellungsbesucher die Möglichkeit des Abheftens in einem Ringbuch zu geben, das er »nach seinen eigenen Vorstellungen komplettieren« kann254, wie es in einem Katalogvorwort zu einer Ausstellung von Dieter Roth heißt. Die Installationsansichten sind randlos und wie die Textseiten gelocht. Den Bildern wird somit ein geringer Eigenwert zugemessen, ihre Unversehrtheit ist dem Konzept untergeordnet. Es finden sich Blankoseiten, deren Funktion dem Besucher mit den Überschriften »Presseurteile, Notizen, Photos« verdeutlicht wird. In der nachdrücklichen Beschreibung der Möglichkeiten in der Art einer Gebrauchsanweisung liegt eine Aufforderung an den Ausstellungsbesucher, diese auch zu nutzen und dadurch aktiv an der Ausstellung teilzunehmen. Die Überschrift »Ausstellung + Besucher« macht deutlich, dass ein gleichberechtigtes, auf wechselseitige Ergänzung angelegtes Verhältnis zwischen Kunst und Betrachter herrschen soll. Die Seiten der Ausstellungsdokumentation und die Leerseiten am Ende des Katalogs entsprechen sich, und es liegt am Besucher, die durch das Pluszeichen auch graphisch verkörperte Symmetrie durch Füllen der Seiten herzustellen und den Kunstprozess weiterzuführen. So wird der Besucher selbst »Ersteller seines Ringbuchs«, wie es im Katalog heißt, was bei ihm zunächst wenig Enthusiasmus auslösen mag, damit aber, was hinter diesen dürren Worten steckt, zum eigenschöpferischen Interpreten. Ebenfalls die Form einer Sammelmappe bzw. eines Hefters hat der Katalog der legendären Ausstellung When Attitudes Become Form von 1969/70 mit dem Untertitel (works, concepts, processes, situations, information), der den Werkbegriff zugunsten von Prozessen und Situationen relativiert. Ebenso soll die äußere Struktur als Schnellhefter auf die Fortführbarkeit und Unabgeschlossenheit des Gezeigten verweisen: »Sie belässt den Katalog scheinbar in der Vorläufigkeit des Ungedruckten […] als Momentaufnahme vor dem Hintergrund eines kreativen Prozesses.«255 Auch der Katalog der documenta 5 von 1972 ist als »offenes« Buch, als Ringordner konzipiert, im Sinne von Besucheraktivierung und eines prozessualen Kunstverständnisses. Gleichzeitig hat er Züge eines objekthaften Künstlerbuchs: Er fällt durch Größe, Gewicht und den hellrot leuchtenden Plastikeinband auf, der die aus der Bürokontext bekannte Ordneroptik appropriiert. Zudem ist auf dem Cover eine Graphik von Ed Ruscha aufgedruckt, die die Zahl 5 aus einem Ameisenzug bildete. Diese Mischung aus Konzept und »Eyecatcher« weist voraus auf neuere Kataloge, bei denen freilich die visuelle Komponente meist überwiegt und die Verwendung eine untergeordnete Rolle spielt. So lassen sich beispielsweise die ausstellungsbegleitenden Hefte im Kunsthaus Bregenz durch nach außen gebogene Heftklammern rein technisch ebenfalls 254 Dieter Roth, Kat. Westfälischer Kunstverein Münster 1971. Ebenso mit Lochung: Fred Sandback: Installations, Kat. Museum Haus Lange Krefeld 1969. 255 Nikkels, Es erscheint ein Katalog, S. 53 f.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele in einen Ordner einfügen. Die Lösung ist, anders als die etwas brutale Lochung, elegant, minimalistisch und entspricht so dem Corporate Design des Hauses. Die Ösen sind aber eher eine Design-Raffinesse. Ein expliziter Hinweis auf die Benutzung oder gar ein Appell fehlt im Gegensatz zu den Katalogen aus den 1970er Jahren. Mit dieser Prävalenz des Designs und der Optionalität der Benutzung lässt sich an Tobias Rehberger anknüpfen: Er signalisiert mit den Katalogen Applesandpears und Geläut Prozessualität und setzt in seinen Arbeiten ebenfalls auf Partizipation, die unterschiedliche Formen und Wichtigkeit annehmen kann. Sie ist häufig aber nur ein unverbindliches Angebot zur Benutzung des Kunstwerks, das selbst nicht an den Gebrauch durch den Betrachter gekoppelt und nicht von ihm abhängig ist. So gab es in der Ausstellung Seascapes and other portraits Wasserbehälter, die als Meeres-Porträts von Atlantik und Nordsee gestaltet waren. Der Besucher konnte sich in Kabinen umkleiden, in diese Behältnisse steigen und wenn nicht schwimmen, so doch eintauchen. Ob der Besucher diese Angebote wahrnimmt, ist für die Arbeiten nicht entscheidend, wichtiger ist die Signalisierung einer potentiellen Benutzbarkeit. Rehbergers Absicht ist keine didaktisch-systematische. In Applesandpears kommt, gegenüber der sehr ernsthaften Absicht des Ordnens und Sammelns im Katalog aus den 1970er Jahren, ein spielerischer Zug zum Tragen. Dahinter steht auch die Kenntnis der Geschichte der partizipativen Kunst im 20. Jahrhundert, die zeigt, »dass die taktil involvierten Betrachter stets entweder mit dem ihnen unterbreiteten Handlungsangebot überfordert waren oder die ihnen offerierten Erfahrungspotentiale nicht zu entfalten wussten«256 wie Lars Blunck bemerkt. Dies gilt auch für den Rehbergerschen Katalog. Der durchschnittliche Benutzer wird den Katalog doch eher konventionell wie ein gebundenes Buch ansehen und durchblättern, ohne ihn auseinanderzunehmen oder sich am Ratschen des Verschlusses zu erfreuen, weil ihm die Erfahrungsmöglichkeiten nicht ganz klar sind oder ihn eingeübte Muster des Umgangs mit Druckerzeugnissen im Allgemeinen und mit Kunst und Kunstkatalogen im Besonderen daran hindern (»Kunst schaut man mit den Augen an, nicht mit den Fingern!«). Aber es kommt Rehberger weniger auf eine konkrete Benutzung an als auf deren Möglichkeit, wie in der Arbeit Seascapes and other portraits. Er gibt auch keine Handlungsaufforderungen an den Betrachter und äußert sich, auf die Einschränkung der Benutzbarkeit seiner Arbeiten durch Institutionen wie Galerien angesprochen: »So naiv, dass ich glaube, ich sage ›Das ist zum Hinhocken‹ und jeder setzt sich tatsächlich hin,

256 Lars Blunck: Between Gadget and Re-made: The Revolving History of the Bicycle Wheel, in: toutfait. The Marcel Duchamp Studies Online Journal, Vol. 1 Issue 3, 12/2000, http://www.toutfait.com/ online_journal_details.php?postid=989 (20.3.2014). Über die Schwierigkeiten partizipatorischer Strategien vgl. auch das Kapitel »›Ein bißchen dumm‹ – Die Rolle des Kunstrezipienten« in Wolfgang Ullrich: Gesucht: Kunst! Phantombild eines Jokers, Berlin 2007, S. 205 f.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger bin ich nicht. Es geht eher um das Problem des Draufsetzen als um das Draufsetzen selbst.«257 Die Benutzbarkeit des Katalogs wird signalisiert durch die Material- und Produktästhetik der Klettverschlüsse. Die Assoziation mit Funktionskleidung wie Regenjacken stellt sich ein, mit Umhängetaschen. Ähnlich wie farbiges Klebeband, das Rehberger gern in seinen Arbeiten verwendet, oder die Gummibänder, die On Otto und On Solo als Doppelkatalog zusammenhalten, ist der Klettverschluss ein Element aus der Welt funktionsgebundener Hilfsmittel und Designelemente, die in einem Ausstellungskatalogs nicht erwartet werden, weil sie der gewohnten Buchform widersprechen, aber auch einem Begriff von Kunst, in dem die Frage der Benutzung des Kunstwerks keine Rolle spielt. Genau diese Fragen wirft Applesandpears auf und stellt dadurch einen konzeptionellen Zusammenhang zum Werk Rehbergers her. Die Materialien finden sich auch in anderen Arbeiten, was einen Wiedererkennungseffekt erzeugt: Klettstreifen tauchen verschiedentlich als konstruktiv-raumgreifende Elemente in Skulpturen auf, die das Funktionsmaterial in den Kunstkontext überführen, etwa in Kombination mit Lampen (Infections, 2008). Der Ausstellungskatalog bekommt durch die Beigaben den Charakter eines Multiples. Wir haben dies bereits bei Katalogen von Thomas Demand gesehen; Rehberger spielt dabei weniger mit Abbildungsebenen als mit dem Verweis auf eine dem Künstler zuzuordnende, häufig wiederkehrende Formen- und Materialsprache, damit mit dem Topos der Wiedererkennbarkeit in Kunst und Design selbst.

»The more subjective the better« – Chris Rehberger und das Graphikdesign In den Katalogen Rehbergers spielen Graphik und Design nicht nur eine ästhetische, sondern auch eine konzeptuelle Rolle, die uns wieder auf die Frage der Autorschaft in Katalogen führt. So sind beispielsweise die auffälligen, sich überlagernden Umrissformen auf dem Umschlag von Applesandpears nicht nur ein Hinweis auf die Materialästhetik Rehbergers, der oft transparente Plastikformen verwendet, sondern auch auf seine Arbeitsweise. Neben dem Titel bildeten sie die einzige Vorgabe, die Tobias Rehberger für die Gestaltung des Umschlags dem Graphikbüro Standard Rad machte. Alles weitere wie Einbindung der Umrisse, Farbkonzept und Typographie blieb dem Gestalter überlassen.258 Bei mehreren Arbeiten Rehbergers ist das Vorgehen ähnlich. Für den Katalog On Otto (2007) bildete eine Graphik, ein von ihm entworfenes Plakat, den Ausgangspunkt für die weitere Filmproduktion. Die künstlerische Pointe ist die Neugenerierung aus etwas bereits Ausformulierten, die Unvorhersehbarkeit des jeweiligen Ergebnisses, die Vermischung verschiedener Anteile am Produktionsprozess. Die in den Ausstellungen gezeigten Arbeiten dienen als Ausgangspunkte einer Transformationskette, als Anlass für 257 Marko Schacher: Der Peter Pan der zeitgenössischen Kunst. Interview mit dem Künstler Tobias Rehberger, in: Stuttgarter Nachrichten, 16.10.2003. 258 Nach einem Gespräch des Autors mit Chris Rehberger vom 1.6.2008.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele von den Kuratoren verfasste Texte und für die von Photographen gemachten Bilder. Texte und Photos werden ihrerseits nicht einfach übernommen, sondern dienen dem Übersetzer – siehe Cancelled Projects – und dem Graphiker als Material für seine durchaus subjektive Interpretation. Die Art der Zusammenarbeit mit einem Designbüro geht bei Rehberger über eine temporäre Zweckbeziehung und bloße Dienstleistung hinaus, wie sie bei einer routinemäßigen Katalogerstellung meist der Fall ist, aber auch über engere, freundschaftliche Beziehungen zwischen Künstler und Graphiker, wie sie beispielsweise zwischen Thomas Demand und dem Graphiker Markus Weisbeck herrschen und aus einer langen Zusammenarbeit und ähnlichen ästhetischen Präferenzen resultieren. Das hängt mit dem Konzept Tobias Rehbergers zusammen, der private und verwandtschaftliche Beziehungen bewusst in die künstlerische Arbeit integriert: Gründer und Leiter des beauftragten Graphikbüros Standard Rad ist Chris Rehberger, sein Bruder.259 Mit der Zusammenarbeit ist die Verbindung von Kunst und Privatem vollzogen, auf die Tobias Rehberger in mehreren Arbeiten abhebt, siehe die Schülerschreibtische, die er und sein Bruder benutzten und die er in Ausstellungen verarbeitete (Cancelled projects, 1995). Auch jenseits der Gestaltung von Katalogen interagierten die beiden auf künstlerischgestalterischer Ebene, und die Ergebnisse fließen wiederum in Kataloge ein: Tobias Rehberger hatte 1999 für Standard Rad in deren Räumen eine Möbellandschaft entworfen, das Büro wurde zu einer temporären Galerie, während der Ort seinerseits die Wahrnehmung der Arbeit weniger als autonomes Kunstwerk, sondern als Innenarchitektur beeinflusste. Die Installation wurde dann im Kunstkontext gezeigt, auch in der Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig. Der Auftrag zur Kataloggestaltung ist eine erwünschte Revanche für den Auftrag seitens des Büros. Als Ergebnis der Beziehung zwischen Standard Rad und Tobias Rehberger ist die Intervention in Applesandpears stark akzentuiert – sie gehört zu den wenigen Arbeiten, die gleich in zwei Einzelkatalogen abgebildet sind und ist im Katalogtext ausführlich beschrieben. Der Blick ist also auf dieses Prinzip der Kollaboration gerichtet. Der beiderseitige Anteil wird im Impressum der Einzelkataloge unterstrichen, Standard Rad und Tobias Rehberger sind als für das Design des Katalogs verantwortlich genannt. Eine gewisse Gewichtung ist durch die Reihenfolge der Akteure ausgedrückt. Die verschiedenen Anteile an der Gestaltung sind schwer auseinanderzudividieren und werden auch nicht weiter thematisiert, nur im Katalog Seascapes wird im Impressum explizit darauf hingewiesen, dass der Verzicht auf Bildlegenden eine Entscheidung des Künstlers sei. Eine genaue Aufschlüsselung des Produktionsprozesses könnte auch didaktisch erscheinen, und bei den Arbeiten Rehbergers spielt die Verunsicherung des Rezi-

259 Auf der Internetseite des Büros sind die Arbeiten für Tobias Rehberger dokumentiert http://www. doublestandards.net/website/index.php?section=client&client=1099 (24.4.2014).

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger pienten eine große Rolle, was die Verwischung der Grenze zwischen eigenem und fremdem Eingriff und damit das Offenhalten der Frage der Autorschaft einschließt. Das dialogische Modell der Produktion erinnert an die Ausstellung Garnish and Landscape (1997) von Jorge Prado und Tobias Rehberger, in der jeder auf eine Arbeit des anderen mit einer eigenen antwortet. In der dazugehörigen Publikation gibt es keine Abbildungen der entstandenen Arbeiten, der Modus ist allein indirekt nachvollziehbar, unter dem Bild des Ballwechsels, als Dialog während eines Baseballspiels.260 In den Paratexten von zeitgenössischen Publikationen lässt sich oft ein ähnlich enges Verhältnis von Gestalter und Künstler finden: »Walter Nikkels mit und für Lothar Baumgarten« heißt es in vielen Künstlerbüchern und Katalogen, die Walter Nikkels gestaltet hat, womit der beiderseitige Anteil und der Moment der Zusammenarbeit unterstrichen ist.261 Mit seinem Bruder Chris hat Tobias Rehberger außer bei Applesandpears auch bei vielen weiteren Katalogen zusammengearbeitet, bei seinem erwähntem ersten Einzelkatalog Cancelled Projects 1995, beim Katalog JP 005 (Model for a film) (1998)262, bei I die every day (2005) und On Otto und On Solo (2007), also bei weiten Teilen der gesamten Katalogproduktion. Darüber hinaus hat Double Standards für zahlreiche weitere Künstler gearbeitet, unter anderem für Olafur Eliasson263 oder Rirkrit Tiravanija. Mit der Gestaltung von Kunstkatalogen, von kompletten Kampagnen und Auftritten vor allem im Kulturbereich, zum Beispiel zum Berlinale Filmfestival 2008, und nicht zuletzt seiner Lehrtätigkeit als Professor für Kommunikationsdesign an der HfG Karlsruhe seit 2010 gehört Chris Rehberger zu den einflussreichsten Vertretern der deutschen und auch internationalen Designerszene. Mit einem exemplarischen Blick auf Chris Rehberger lässt sich der Kreis der Agenten in der Katalogproduktion um die Figur des Gestalters erweitern, der an ihr wesentlichen Anteil hat. So ist es interessant, abgesehen von den Katalogen selbst, die Aufmerksamkeit auf sein Verständnis von Graphikdesign zu richten, für das gestiegenes Selbstbewusstsein, Selbstreflexion und Interaktion mit dem Feld autonomer Kunst konstitutiv sind, was wiederum zeitgenössische Künstlerkataloge sehr beeinflusst. Die Emanzipation des Ausstellungskatalogs besonders seit den 1990er Jahren aus einer vorwiegend dienenden Funktion hängt auch mit der allgemein wachsenden Bedeutung und Autonomisierung von Design zusammen. Wieder könnte man die Figur von der Emanzipation des Dienstleisters zum selbständigen Akteur ins Spiel bringen, wie sie Markus Krajewski in seiner Kulturgeschichte des Dieners beschreiben hat.

260 Tobias Rehberger/Jorge Prado: Garnish and Landscape, Kat. Gesellschaft für Gegenwartskunst Augsburg 1997. 261 Lothar Baumgarten: AIR, Düsseldorf 2006; Lothar Baumgarten: Autofocus retina, Kat. Museu d’Arte Contemporani de Barcelona 2008. 262 Tobias Rehberger: JP005(model for a film), Kat. Moderna Museet Stockholm 1998. 263 Olafur Eliasson: The Weather Project, Kat. Tate Modern London 2003.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Für das Design lässt sich beobachten, dass ehemals eher als dienend-funktional begriffene Bestandteile sich verselbständigen, dass sie größere Spielräume angeboten bekommen, die sie dann auch gerne nutzen. Hier geht es auch um die Funktion von Schrift und Typographie, um den Stellenwert der Lesbarkeit gegenüber einer starken graphisch-bildlichen Aussage, wobei sich Chris Rehberger/Double Standards des Öfteren für letzteres entscheidet, siehe die Plakate für das Haus der Kulturen der Welt in Berlin (2007)264, für die eine nur sehr schwer lesbare Schrifttype entworfen wurde, woran sich heftige Kritik entzündete, siehe aber auch sein zur Unlesbarkeit führendes graphisches Konzept für den Katalog I die every day von Tobias Rehberger. Wiederkehrende Versatzstücke einer künstler- und katalogübergreifenden Graphiksprache zeugen von einer starken graphischen ›Handschrift‹ und Identität, beispielsweise die Spiegelung des Titels auf der Rückseite von The Weather Project, die sich auch bei I die every day findet. Hier wird eine Haltung der Gestaltung sichtbar, die sich gegenüber den Inhalten und auch gegenüber dem Auftraggeber, hier der Institution, die den Katalog produziert, durchaus selbstbewusst behauptet. Zum Selbstverständnis des Büros heißt es: »Communication consists of strong statements. Good design lacks of the democratic consensus. The more subjective the better.«265 Dies steht in deutlichem Gegensatz zum Verständnis eines Katalogs als etwas Objektivem, hinter dem Kunstwerk Zurücktretenden, in dem die Gestaltung nur ein Paratext, ein heteronomer Hilfsdiskurs wäre. Dagegen betont Chris Rehberger, sich so wenig wie möglich an anderem Graphikdesign zu orientierten, sich eher von Kunst und Literatur anregen zu lassen. Von hier aus wird auch klar, warum die Gestaltung eines Kunstkatalogs eine sehr attraktive Aufgabe ist: Angewandt auf Kunst kann Graphikdesign an deren Autonomie teilhaben. Auf einer von Chris Rehberger gestalteten Webseite heißt es über seine Arbeitsweise, sie würde »[…] vielleicht sogar irritieren, doch bei genauer Betrachtung eröffnen sich vertraute Fähigkeiten wie Prägnanz und Schlüssigkeit. Geschmäcklerischer Zeitgeist widerstrebt ihm. Chris Rehberger vertraut auf die Kraft konzeptioneller Klarheit und gleichzeitiger Irritation.«266 Der Begriff ›Irritation‹ scheint eher aus der Diktion der Kunstkritik- und theorie vertraut, wo er zum festen Vokabular bei der Beschreibung von meist zeitgenössischen Kunstwerken gehört und als »zielgerichtete Strategie«267 von Künstlern der Gegenwart beschrieben wird – von ihm wird in Zusammenhang der Kataloge Tobias Rehbergers noch die Rede sein. Doch andererseits werden mit »Prägnanz« und »Klarheit« auch traditionelle Wertbegriffe des Graphikdesign herausgehoben. Diese sind allerdings erst nach »genauer Betrachtung« erkennbar – wobei »Betrachtung« als intensive, sich versenkende visuelle Auseinandersetzung wiederum eher auf die Sphäre der 264 265 266 267

Vgl.Thomas Wulffen auf http://thwulffen.blogspot.de/2007/08/was.html (10.4.2014). http://www.doublestandards.net/website/index.php?context=about (8.4.2014). http://musikundmedien.net/institut/basislager/chris-rehberger/ (30.5.2014). Vgl. Zschocke: Der irritierte Blick. S. 16.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger Kunst hindeutet. Gegenüber dem volatilen Zeitgeist bezieht Rehberger Stellung zugunsten von Einfachheit und Reduktion auf das Wesentliche: »Ich stehe auf eine strenge, klare Typografierung. Ganz banal.«268 – was der lakonische Satzbau unterstreicht. Im selben Interview äußert Rehberger, er bewege sich oft »am Scheideweg zwischen Peinlichkeit und Offensichtlichkeit« und beschreibt damit den Grenzgang zwischen einer konzeptuellen, ins Künstlerische gehenden Gestaltung, was das Risiko des Misslingens mit einschließt, und einer, die leicht rezipierbar ist und platt zu werden droht. Wenn auch sein professioneller Schwerpunkt im Gestaltungsbereich liegt, so bewegt Chris Rehberger sich mit seiner Affinität zur Musik, als Mitbegründer einer Band und eines Plattenlabels, zwischen den Sparten. Mit dem Anspruch, Grenzgänger zu sein, Gegensätze zu vereinen, gleichzeitig für Klarheit und für Irritation zu sorgen, nimmt Chris Rehberger wiederum einen Topos des Kunstbegriffs auf. Die Änderung der Position des Designers lässt sich mit einem Blick auf die Entstehungsumstände und auch die Paratexte von Katalogen nachvollziehen: Konnte 1968 noch ein Kaspar König als Generalist und gleichsam Mädchen für alles am Kopierer das Layout für den Katalog der Warhol-Ausstellung zusammenstellen269, so sind Low-tec-Produktionen in derartiger Größenordnung ab den 1990er Jahren kaum mehr vorstellbar. Die Institutionalisierung, Spezialisierung und Professionalisierung wirkt sich auch auf die Katalogproduktion aus, in der die Rolle des Graphikers an Bedeutung gewinnt. Dies lässt an den Katalogen ablesen, wo sein Name nicht unbedingt weit hinten im Impressum auftaucht, sondern manchmal an ähnlich prominenter Stelle wie der des Kurators270, vor allem aber in der Gestaltung selbst, die durch die stärkere Betonung des Ästhetischen gegenüber dem Funktionalen sich auszeichnet, durch Mischung von Text und Bild, durch die Betonung der Bildzusammenstallung- und Komposition gegenüber dem Einzelbild, »charakteristisch für den Wert einer Bildredaktion, die das Primat der bis dahin autonomen Abbildung und des Kunstwerks negiert.«271 Diese Spezialisierung und Autonomisierung des Graphikdesign macht sich Tobias Rehberger zunutze, um in der Zusammenarbeit mit Chris Rehberger ganz bestimmte Ergebnisse zu erzielen oder auch um die Mechanismen bei der Herstellung manifest zu machen. Es kommt ihm weniger auf die Zusammenarbeit als kommunikativen Akt an, sondern auf die Erzielung und Sichtbarmachung von Differenzen. Im Folgenden sollen die drei Einzelkataloge von Applesandpears genauer analysiert werden. Es werden auch Werkkontext und Rezeption in die Überlegungen einbezogen und angesprochene Katalogstrategien vertieft, wie Arten der Bildverweigerung und -ver-

268 Interview mit Rikus Hillmann, http://www.de-bug.de/mag/3406.html (19.1.2008). 269 Vgl. Lutz Jahre (Hg.): Das gedruckte Museum von Pontus Hulten. Kunstausstellungen und ihre Bücher, Ostfildern 1996, S. 117. 270 Vgl. Nikkels, Es erscheint ein Katalog, S. 63. 271 Ebd., S. 63.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele änderung und, damit zusammenhängend, die Generierung von Mehrdeutigkeiten und Missverständnissen, ein Aspekt, der mit der oben besprochenen Rolle der Übersetzung und Interpretation eng zusammenhängt.

Irritationen und intendierte Missverständnisse (Applesandpears) Verunsicherungen – Kunst und/oder Design? »Eine Rehberger-Ausstellung gibt einem in der Regel das Gefühl, als bekomme man zum ersten Mal ein exotisches Gericht vorgesetzt: Es sieht fantastisch aus, doch man fragt sich, ob die Bedienung das Besteck vergessen hat oder ob man mit den Fingern essen soll, ob das Weiße ins Rote gerührt werden muss oder nicht. Kurz gesagt: Man ist verunsichert […].«272

So schildert ein Besucher den Eindruck einer Rehberger-Ausstellung. Als Abhilfe wird an gleicher Stelle die Rehberger-Monographie von 2008 empfohlen. Jedoch sind viele Ausstellungskataloge Rehbergers, vor allem frühe, auf die Vermittlung einer ähnlichen Erfahrung der Verunsicherung angelegt. In Applesandpears stellt sie sich als Fortsetzung der Ausstellung im Katalog ein. Mit einer visuell eindrucksvollen Inszenierung und Handlungsangeboten konfrontiert, ist sich der Betrachter über deren »Bedeutung« und die Art der von ihm erwarteten Rezeption nicht ganz sicher. Der Begriff ›Irritation‹ fiel bereits im Bezug auf die Arbeitsweise Chris Rehbergers. Nina Zschocke hat ihn im Zusammenhang der Arbeit einer Reihe von zeitgenössischen Künstlern plausibel verwendet, darunter auch Thomas Demand – ohne auf dessen Buchproduktion näher einzugehen, in denen der Moment der Verunsicherung des Betrachters ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Dabei scheint der Begriff speziell auch bei Arbeiten Tobias Rehbergers zutreffend, im konkreten Sinn einer visuellen Reizung durch heftige Farb- und Formkontraste, aber auch, wenn man ihn allgemeiner begreift als Resultat von Widersprüchen innerhalb des Wahrnehmungsprozesses. Unterschiedliche Abbildungsarten, die Bearbeitung der Bilder bis zur Nicht-Erkennbarkeit, die »formale und inhaltliche Uneindeutigkeit zweidimensionaler Darstellungen«273 lassen sich als Bestandteile solcher irritierender Strategien lesen. Dazu kommt die starke Akzentuierung der gestalterischen Anteile, von Design gegenüber (abgebildeter) Kunst und eine resultierende Verunsicherung, wie die Publikation einzuordnen ist, welchem »Genre« sie angehört. Ein Blick auf den Katalogeinband von Applesandpears zeigt diese bewusst herbeigeführte Verunsicherung. Er ist außen mit einem Raster aus Quadraten in gedeckten Olivtönen bedruckt, die an die Pixel vergrößerter und dadurch nicht mehr dechiffrierbarer Photos erinnern. (Abb. 32) Ein System der Farbanordnung ist nicht zu erkennen ist, darin ähnlich den nach Zufallsprinzip angeordneten Farbrastern von Gerhard Richter. Einen starken Kontrast dazu bilden große, organisch-runde, türkisfarbene Flächen, über 272 S. D. [Sandra Danicke] in: art, 11/2008, S. 128. 273 Zschocke, Der irritierte Blick, S. 259.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger

Abb. 32 Tobias Rehberger: Applesandpears, Cover.

das Raster gelegt. Sie wirken elegant und ästhetisch ansprechend, aber zunächst fällt es schwer, ihnen eine abbildende Funktion zu entnehmen. Erst wenn man den Katalogtitel zu Hilfe nimmt, erkennt man, aus zwei Ovalformen zusammengesetzt, einen auf seine Silhouette reduzierten Apfel mit Stängel und Blatt, auf der Rückseite eine Birne, und kann jetzt erst die Grün- und Olivtöne in das Assoziationsfeld ›Pflanzen‹ einordnen. Auf den Innenseiten des Ordners finden sich diese Formen farblich gesteigert wieder: Sie sind nun nicht mehr transparent, sondern deckend gefüllt mit sattem Türkis. Über ihnen laufen senkrecht Streifen von unterschiedlicher Breite, ebenfalls in Oliv- und Brauntönen, aber auch leuchtend gelbe, zu denen an der Innenkante die knallroten Klettstreifen kommen. Das Raster auf der Außenseite, die großflächigen Formen in kräftigen Kontrasten auf der Innenseite im Verein mit der Reizfarbe der Klettverschlüsse, das alles erinnert an das kontrastfreudig-flächige Design der 1970er Jahre, Anklänge an Pop- und Op-Art schwingen mit, an Druckerzeugnisse aus der Werbe- und Warenwelt, etwa an einen Katalog von Farb- oder Tapetenmustern oder an den eines Einrichtungshauses für Designmöbel – aber nicht in erster Linie an einen Katalog einer Kunstausstellung, von dem man sich sachlich aufbereitete Information über Ausstellung und Künstler erwartet. Diese Anmutung eines Designobjekts ist verstärkt durch die Gestaltung des Katalogtitels: ›Tobiasrehberger‹ ist, wie ›Applesandpears‹, in einer gedrungenen, runden Schrift gesetzt, die in dieser organisch anmutenden Formgebung aufnimmt. Die Schriftfarbe, ein kontrastreich leuchtendes Hellgelb, weckt im Zusammenspiel mit den Formen auf dem Einband Assoziationen an die Farbe einer reifen Birne. Der Schriftzug dient als optischer Magnet, ähnlich einer Leuchtreklame an einer Hausfassade. Er wirkt wie ein Signet, eher wie der Name eines Labels, eines Produkts, etwa einer besonderen Obstsorte, als der eines

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Künstlers. Und wie bei vielen Signets ist das visuelle Konzept gegenüber der Lesbarkeit priorisiert. Name und Titel sind relativ klein gedruckt, ohne Wortabstand, gegenüber der gewohnten Leserichtung um 90 Grad gedreht. Dass die Vermittlung von Informationen gegenüber dem ästhetischen Konzept in den Hintergrund tritt, zeigt auch der Rücken des Ordners, der textfrei gehalten ist, wodurch sich bei aufgeklapptem Deckel ein nicht unterbrochenes Gesamtbild ergibt. Dies beeinträchtigt aber die Benutzbarkeit des Katalogs, wenn er mit anderen Büchern im Regal steht oder auf einem Stapel liegt: Es lässt sich am Rücken kein Titel ablesen. Strategien der Produktgestaltung werden so aufgegriffen und mit erheblichem Aufwand gesteigert, die Grenze zum »Überdesign« wird bewusst überschritten – womit ein Design bezeichnet ist, das Funktionalität verdeckt oder beeinträchtigt. Zusammen mit Formen, die konkreter auf Tobias Rehberger als Künstler verweisen, ergibt das einen visuellen Code, mit dem Rehberger auf der Trennlinie zwischen Design und Kunst operiert, und der durch Wiederholung in Arbeiten und Katalogen etabliert wird. Überlagerungen transparenter Flächen wie auf dem Ordnereinband verwendet Rehberger oft in dreidimensionalen Arbeiten, siehe beispielsweise die Arbeiten aus farbigem Plexiglas für die Ausstellung I die every day. Auf dem Schutzumschlag des begleitenden Katalogs sind analog dazu Formen aus farbigem Transparentpapier abgebildet. Im Katalog Geläut findet sich eine ähnliche Komposition am Anfang als leicht wiedererkennbares Eingangsmotiv. Dieses »Branding«, die Entwicklung eines kohärenten visuellen Codes, streben natürlich auch andere Künstler und die Ausstellungshäuser selbst bei ihren Publikationen an. Dadurch ergeben sich manchmal Konkurrenzsituationen zwischen Künstlern und Institutionen, die jeweils ihre Vorstellungen anbringen wollen – was ja bereits bei den Einladungskarten beginnt. Die Zusammenarbeit mit Institutionen, die häufig ihre eigenen Vorgaben, Gestalter und Produktionsketten haben, lässt die Kataloge vieler Künstler recht heterogen erscheinen. Eigene Identitäten entwickeln die, denen sie als Teil der künstlerischen Aktivität wichtig sind und die sich weitgehend unabhängig machen, eigene Kontakte und Infrastrukturen aufbauen, siehe Thomas Demand und, im größten Stil vielleicht, Olafur Eliasson. Auf Kataloge, »die in ihrer Gestaltung visuelle Schlüsselqualitäten eines Œuvre im Sinne eines auf Wiedererkennbarkeit angelegten Labels aufgreifen, sei es im Format oder gar in der Materialität« weist auch Peter J. Schneemann hin und nennt Beispiele von Bernhard Luginbühl oder Damien Hirst.274 Vielfach ist die Tendenz zur Serienbildung erkennbar: Kataloge werden sukzessive im gleichen Format und ähnlicher Gestaltung herausgebracht. Dies scheint tendenziell bei einer älteren Generation zeitgenössischer Künstler verbreiteter, siehe etwa die Kataloge 274 Schneemann, Eigennutz, S. 208. Beispiele sind Damien Hirst: I want to spend the rest of my live everywhere, with everyone, one to one, always, forever, now, London 1997 sowie der Bernhard Luginbühl, Kat Kunsthaus Zürich, Nationalgalerie Berlin 1972, der in Analogie zu dessen Skulpturen als metallbeschlagenes Objekt gestaltet ist.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger von Heinz Mack oder von Franz Erhard Walther, findet sich aber auch bei jüngeren wie Daniel Richter und Wolfgang Tillmans. Nebeneinandergestellt vermitteln die Publikationen einen Eindruck von Kohärenz und kontinuierlicher Produktion. Sie bekommen so den Charakter von »Gesammelten Werken«, einmal mehr schließen sich die Gattungen ›Ausstellungskatalog‹ und ›Werkkatalog‹ zusammen. Was sonst nach einer langen Karriere gesammelt und aufgearbeitet wurde, stellen Künstler jetzt in kürzeren Zeitabständen vor. Die Grenzen zwischen der Entwicklung eines Werkzusammenhangs, einer eigenen ›Katalogsprache‹ und einem bewussten ›Branding‹ sind schwer zu ziehen. Jedoch scheint es, dass vor allem Künstler, die den Topos der Wiedererkennbarkeit im Sinne einer markenähnlichen ›corporate identity‹ auch konzeptuell reflektieren, besonders gern herausstellen, etwa Damien Hirst. Neben Künstlern, die in ihren Katalogen eher eine Strategie des Seriell-Einheitlichen verfolgen, könnte man aber auch eine Gruppe unterscheiden, denen es eher auf Brechung oder Überraschung mit jedem neu publizierten Katalog ankommt. Wir haben dies bei Thomas Demand verfolgt, für den Kataloge ein Mittel sind, um zusätzlich zu den sehr konsistenten Photoarbeiten Innovationen und konzeptuelle Neuansätze zu vermitteln. Bei Tobias Rehberger steht das Prinzip der Neuproduktion im Vordergrund. So sind Formate und Gestaltungen häufig unterschiedlich. Wenn die visuelle Wiedererkennbarkeit trotzdem geradezu demonstrativ in den Vordergrund gestellt ist, resultiert dies weniger aus einheitlichen Formatvorgaben als aus der häufigen Zusammenarbeit mit denselben Graphikern, vor allem aber der bewussten Verwendung ähnlicher den Betrachter verunsichernder ästhetischer Muster wie sie in den skulpturalen und installativen Arbeiten auftauchen. Man könnte sagen: die Irritation ist durchgängiges Prinzip.

»The title is a shot« – Stolpersteine im Titel Dieses Irritationsmoment lässt sich am Katalog Applesandpears auf der Bild-, aber auch auf der Textebene verfolgen: Neben dem Erkennen der Formen auf dem Cover wird dem Betrachter auch die Verknüpfung mit Bedeutung nicht gerade leicht gemacht – darin besteht Übereinstimmung mit den Abbildungen im Innenteil. Die Formen sind flächigreduzierte Umsetzungen des Katalogtitels, dessen Bestandteile auf Vorder- und Rückseite verteilt sind. Der Antagonismus von zwei Elementen, der in der Redewendung steckt, ist damit intelligent dem Medium entsprechend wiedergegeben. Soweit lassen sich Bild und Text zuordnen. Doch schon mit dem Titel ist ein Stolperstein gelegt: »Äpfel mit Birnen vergleichen« entspricht im Englischen eben nicht »to compare apples and pears«, sondern »apples and oranges«, in der Bedeutung: »(of two people or things) irreconcilably or fundamentally different«.275 Die Redewendung würde somit als wörtliche Übersetzung aus dem Deut275 John Ayto (Hg.): Oxford Dictionary of English Idioms, Oxford 2009; Siehe auch http://en.wikipedia. org/wiki/Apples_and_oranges (24.4.2014).

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

schen ins Englische ihren eigenen Inhalt verkörpern, nämlich eine Nicht-Vergleichbarkeit, eine sprachlich-semantische Differenz. Hier erkennt man wieder Rehbergers Vorliebe für die Problematik der Übersetzung. Der Titel wird im Katalog oder in den Epitexten wie Verlagsankündigungen nicht erklärt, der Leser muss ihn selbst interpretieren. Aus der Schreibung Applesandpears, in der Wortabstände fehlen, lässt sich die Betonung einerseits der Unterschiedlichkeit der Orte und Themen in Ausstellungsreihe und Katalog, gleichzeitig aber ihre Zusammengehörigkeit ablesen. Aber bezieht sich der Titel überhaupt auf die deutsche Redewendung? Immerhin bieten sich auch andere Zusammenhänge an, aus dem Kontext der Kunstgeschichte Stillleben mit diesem Titel, von Cezanne etwa. Abb. 33 Tobias Rehberger: Seascapes and other Die Birnensilhouette verwendet Rehberger portraits, S. 1. auch im Rahmen der Serie von alternativen Werbeplakaten für ihn persönlich bedeutsame Produkte auf dem Plakat für Apple, wo der Widerspruch zwischen dem Markennamen und der Form die Pointe ist.276 Die Formen für das Cover kommen also nicht aus Arbeiten der Ausstellungsreihe selbst, wie es sonst die gängige Praxis ist, die eine Verbindung zwischen Ausstellung und Katalog evident werden ließe, sondern sind Ergebnisse einer anderen, vorausgegangenen Arbeit, die somit wieder Ausgangspunkt für Weiteres wird. Der Leser/Betrachter ist vor eine irritierende Fülle von visuellen und sprachlichen Assoziationsmöglichkeiten gestellt und seiner Ratlosigkeit überlassen. Diese Strategie kehrt häufig wieder, auch im Einzelkatalog zur Ausstellung Seascapes and other portraits. Der Einband lässt zunächst gar nicht auf den Inhalt der Ausstellung schließen, gibt sich minimalistisch-abstrakt. Auf einer monochromen grauen Seite schwebt ein weißes Rechteck, das den darunterliegenden Grauton ganz leicht durchscheinen lässt. In ihm stehen, auf dem hellen Grund fast nicht mehr lesbar, in weißer Schrift die Angaben zur Ausstellung. Die Lesbarkeit wird zusätzlich dadurch erschwert, dass Großbuchstaben verwendet und ohne Rücksicht auf Wortgrenzen in das Rechteck eingepasst sind. Dieselbe Typographie ist auf die nächste Seite übernommen, wo der Schriftzug in Schwarz lesbar wird,

276 Abbildung in Tobias Rehberger, flach, 2010, S. 99.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger die Unsicherheiten über den Wortlaut des Ausstellungstitels aber bleiben: »SEASCAPE« schließt am Rand ab, in der nächsten Zeile steht »S AND OTHER PO«. (Abb. 33) Dies legt unterschiedliche Lesarten geradezu nahe, und tatsächlich war zu lesen, immerhin auf der Webseite des Verlags Walther König, wo der Katalog erschien: »Seascape Sand Other Portraits«277, was verständlich ist, da man »Sea« und »Sand« sofort verbindet, beides ja zum am Meer gelegenen Ausstellungsort Dunkerque passt und die Wörter auch noch klanglich alliterieren. Man ist erinnert an den »produktiven« Umgang mit Druckfehlern im Bereich der fiktionalen Literatur, wo sie Ausgangspunkt für unverhoffte, assoziativ wirkende Semantiken werden.278 Ist solch ein Missverständnis bei Rehberger bewusst angestrebt? Seine Praxis legt es nahe, und die Lust am Spiel mit Worten und ihrer Polyvalenz findet sich bei vielen Titeln, siehe wieder Applesandpears, wo die ungewohnte Schreibweise darauf angelegt ist, in der Wiedergabe Varietät zu produzieren. Man findet ihn kleingeschrieben, getrennt geschrieben, in sämtlichen Varianten. Umso mehr ist dies der Fall bei anderen, bewusst komplizierten und langen Titeln Rehbergers, in denen metasprachliche Auszeichnungen und Satzzeichen wie Punkte, Klammern exzessiv verwendet sind, und bei denen häufig nicht klar ist, ob sie nun zum Titel gehören oder nicht, siehe der Titel … (whenever you need me), der mit Auslassungspunkten beginnt und in Klammern steht. Zum Teil erstreckt sich die Produktion von Varianten in die Kataloge selbst hinein: Der Titel des Katalogs Geläut – bis ich’s hör’… differiert auf Cover und Schmutztitel, wo er in Großbuchstaben, ohne Apostrophe und Leerzeichen vor den Auslassungspunkten geschrieben ist, von Impressum und Vorwort wo jeweils die konventionellere, orthographisch korrekte Schreibweise verwendet ist. Das Katalogcover gewinnt so Autonomie, was von den Buchstaben in »authentischer« Handschrift unterstützt wird. Natürlich gibt es Varianten mit nur einem Apostroph, mit Anführungszeichen, kleingeschrieben und auch die Variante, in der Katalog- und Ausstellungstitel im selben Eintrag anders lauten.279 Die Bibliothekare beginnen einem leidzutun. Die Titel von Ausstellungen und Katalogen scheinen sich nach Länge und Vertracktheit zu steigern: Nach I die every day, 1 Cor. 15,3 (2005) gibt es Die »Das-kein-Henne-EiProblem«-Wandmalerei (2008), und seinen ersten als Künstlerbuch deklarierten Ausstellungskatalog von 2009 versieht Tobias Rehberger mit dem quasi unreproduzierbaren Titel cOPy BrAIN copy TOB IAS R EHB ER GER, in Art eines zerhackten, unlesbaren Quell-

277 http://web.archive.org/web/20071031115140/http://www.kunstbuchhandlung.de/katalog/vback/vback920134.htm (30.5.14). Die Buchhandlung Walther König pflegt auf ihrer Webseite auch sonst einen kreativen Umgang mit Buchtiteln. So war noch 2014 Thomas Demands Processo grottesco mit »prosecco grotesco« betitelt; http://www.buchhandlung-walther-koenig.de/ (20.4.14). 278 So ließ sich Umberto Eco für den Titel Der Name der Rose (1988) u. a. anregen durch den Druckfehler »rosa« statt »roma« in Johan Huizinga: Herbst des Mittelalters (1919), Stuttgart 1975, S. 191. 279 So die Titelaufnahme der DNB, http://d-nb.info/964975009/about/html (18.4.2014).

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele codes, der den künstlerbuchartigen, autonomen Charakter unterstreicht.280 Ein einsilbiger Titel wie flach (2010) mutet dagegen wie eine Erholung nach einem Exzess an, signalisiert in der Kleinschreibung auch eine gewisse Sachlichkeit, und tatsächlich handelt es sich um einen Überblickskatalog zu Rehbergers Plakaten, Wandmalereien und auch Büchern. Durch den Titel flach ist die Bedeutung der Arbeiten selbst ironisiert und heruntergespielt, auch in der mimetischen Kleinschreibung. Er lässt sich lesen als formale Beschreibung im Gegensatz zu den sonst bildhauerischen und raumgreifenden Arbeiten, aber auch inhaltlich, auf die Oberfläche reduziert, als Gegenteil zu ›tief‹. Titel werden also in künstlerische Konzepte einbezogen – man könnte eine Parallele zum Film ziehen und das Motto übernehmen, das auf Godards zurückgeht: »The title is a shot«281, das heißt, bereits der Titel ist eine Einstellung, die als Teil des Films von diesem nicht zu trennen ist und in die Verantwortung des Regisseurs fällt, der sich als Gesamtautor versteht. Das, was lange Zeit als Paratext nicht zum eigentlichen Werk gehörte, ist integriert. Mit der Titelwahl für Ausstellungen und Kataloge unterscheidet sich Rehberger von Künstlerkollegen, die entweder nur ihren Namen nennen oder aber auf möglichst lakonische und damit einprägsame Titel setzen, beispielsweise Gerhard Richter oder Thomas Demand. Dieser beschreibt seine Titelauswahl mit »so banal wie möglich«, um nicht zu viele Informationen zum Kontext der Arbeiten zu geben.282 Auch wenn bei Demand in neueren Katalogen erzählerischere Titel auftauchen, beispielsweise L’Esprit d’Escalier (2008), so besteht insgesamt, ähnlich den Photoarbeiten selbst, ihr Konzept darin, durch Reduktion und Zurückhaltung von Informationen Assoziationsraum offen zu halten. Vielfach ist nur der Künstlername genannt, etwa der Katalog zur Ausstellung im Lenbachhaus von 2004, zur Retrospektive im MoMA 2005 oder die Ausstellung in der Serpentine Gallery 2006. Dort war zunächst ein eher narrativer Titel vorgesehen, Thomas Demand: Cuts, Papers and Leaves, doch dann zugunsten des einfachen Namensnennung fallengelassen, vermutlich, weil die amüsante Doppeldeutigkeit – die Substantive lassen sich auch als Verben in der dritten Person lesen – als zu verspielt vermieden werden sollte. Markante Ein-Wort-Titel, die für Kataloge gewählt werden, sind Klause (2006) in der Übernahme des Titels der ausgestellten Serie, Report (2001), Cámara (2008) oder der lakonisch-tautologischen Titel Nationalgalerie, der mit dem Ausstellungsort zusammenfällt. Im Zusammenhang mit der Kreation von Varietäten, Missverständnissen und Irritationen ist, über die Titelwahl hinaus, auch Rehbergers Spiel mit Inhaltsverzeichnissen und Systematiken zu sehen. Der Pocket-Dictionary, 2001 erschienen, also in zeitlicher Nähe zu Applesandpears, trägt programmatisch den kryptischen Titel 005-000. Die Kapitel und Abschnitte, die bestimmte Werkgruppen behandeln, sind nicht einfach mit ihren Titeln ver280 cOPy BrAIN copy TOB IAS R EHB ER GER, Kat. Hans-Thoma-Museum Bernau 2009. 281 Vgl. Böhnke/Hüser/Stanitzek, Das Buch zum Vorspann. »The title is a shot«, 2006. 282 Obrist, Thomas Demand, Conversation Series, S. 38.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger zeichnet und Seitenzahlen zugeordnet, sondern mit einer komplexen Dezimalnummerierung bezeichnet, die wissenschaftlich-systematischen Anspruch suggeriert, ihn jedoch ad absurdum führt. Durch immer weitere Bildung von Unterabteilungen ergeben sich lange Zahlenkolonnen der Gliederung, die den Benutzer eher verwirren als orientieren, also gerade das, wovor in Handbüchern und Ratgebern zum Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten gewarnt wird: »Sie [die Dezimalnummerierung] erlaubt eine schier unendliche Binnendifferenzierung eines Kapitels, Unterabschnitte mit der Nummer 2.1.5.3.4.7 wären ja durchaus vorstellbar (und es gibt leider allzu viele Bücher, die so etwas aufweisen). Gerade dadurch verführt sie zur Kleinschrittigkeit und Unübersichtlichkeit und gleichzeitig zu einer ungeheuren und unkontrollierbar werdenden inneren Hierarchisierung.«283

Wie Florian Matzner berichtet, der die Publikation herausgab »schlug Hatje-Cantz die Hände über dem Kopf zusammen«284 angesichts der Wünsche Rehbergers, der zusätzlich eine extra sperrige, breitlaufende Schrifttype durchsetzte, die an die Maschinenschrift wissenschaftlicher Typoskripte erinnert und »Wissenschaftlichkeit« weiter ironisch in Szene setzt.

»Erst auf den zweiten Blick« – Arten der (Nicht)Abbildung Die angestrebte Irritation ist eine Konstante, die sich durch alle drei Einzelkataloge von Appelsandpears zieht. Sie entsteht nicht nur durch die starke Inszenierung des Katalogs als Designobjekt und mehrdeutige Titel, sondern auch wesentlich durch die Übersetzung der Arbeiten in Bilder. Das Thema der Abbildung, die schon auf dem Cover des Ordners präsent war, setzt sich in den Einzelkatalogen fort, in denen die jeweilige Ausstellung graphisch inszeniert wird, photographisch-realistisch (whenever), minimalistisch-abstrakt (Seacapes) und poppig-konstruktiv (The secret bulb). Damit werden Möglichkeiten der Reproduktion und der Bezugnahme auf die Ausstellung gleichsam permutativ durchgespielt. Der einzige Katalog, der Ausstellungsansichten auf dem Cover zeigt, ist whenever. Er folgt in dieser Hinsicht einer Konvention – bricht aber mit ihr im Innenteil, in dem es überhaupt keine Abbildungen mehr gibt. Aber auch den Photos außen ist wenig zu entnehmen, was in der Ausstellung selbst angelegt ist, die mit kaum wahrnehmbaren Eingriffen in den Galerieraum ›Unsichtbarkeit‹ selbst thematisiert: helle Linien auf dem Fußboden, in einem Raum ein Kubus mit schwarzen Kanten, ansonsten scheinbar nur weiße Wände. Die Innenaufnahmen der Ausstellungsräume mit unterschiedlichen Perspektiven und Brennweiten vermitteln den Eindruck eines diskontinuierlichen, in den Ausstellungsräumen hin- und herschweifenden Blickes, ähnlich dem eines Besuchers, der sich orientieren will, aber das Ensemble nicht einzuordnen weiß. Ansichten, die eine Zusammenschau 283 Benedikt Jeßing: Arbeitstechniken des literaturwissenschaftlichen Studiums, Stuttgart 2001, S. 136. 284 Gespräch des Autors mit Florian Matzner, 10.1.2012.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele ermöglichen würden, sind auseinanderliegend auf Vorder- und Rückseite platziert. Die Kontinuität der Bilder stört auch der breite Klettstreifen, der auf der Rückseite teilweise die Bilder verdeckt. Den Photos haben nur geringen Informationswert und werden dem Gesamtkonzept des Layout und der Heftung untergeordnet. Eher als Graphiken verstanden, sind sie zu je einer friesartigen Zeile in der oberen und unteren Hälfte des Einbandes gesetzt. Die Bildzeilen ziehen sich auf die Rückseite des Einbandes, wie die Graphiken aller Einzelkataloge. Sie bilden damit eine ästhetische Einheit, die auf schnelle Erfassbarkeit keine Rücksicht nimmt, da man den Katalog aufklappen und drehen muss, um Vorder- und Rückseite gleichzeitig ansehen zu können. Die Übersetzung der Ausstellung geschieht weniger durch die Photos, deren abbildende Leistung bei einer Ausstellung, die auf Unsichtbarkeit setzt, ohnehin beschränkt und bildredaktionell noch weiter zurückgenommen ist, als vielmehr durch graphische Elemente, die teilweise mimetischen Charakter haben und die Ebenen der Ausstellung, der Installationsansichten und des übergeordneten Katalogs miteinander verklammern. In der Mitte zwischen den puristischen, von Schwarz und Weiß dominierten Bildblöcken läuft als starker Kontrast ein buntes, breites Linienband. Es schafft eine Verbindung zur Innenseite des Ordners, wo ebenfalls farbige Linien laufen, aber auch zu den Ausstellungsansichten, so dass die Streifen auf dem Galerieboden sich außerhalb fortzusetzen scheinen. Ähnlich korrespondieren die schwarzen Rahmen um die Photos mit Bildinhalten, nämlich dem Kubus mit schwarzen Kanten, eine Art doppelte Verschachtelung. Das Zusammenspiel von Farblinien und Schrift ist raffiniert: Künstlername, Ort und Ausstellungstitel in Weiß verschwinden vor darunterliegenden hellen Farblinien und tauchen vor dunkleren wieder auf. Das Thema der Ausstellung ›Repräsentationsformen von Unsichtbarkeit‹ ist damit subtil graphisch übersetzt. Die Farben der Streifen, sind nicht zufällig gewählt: Besonders auffällig sind Schwarz, Magentarot, Gelb und Cyanblau. Dies nimmt Bezug auf die Arbeit CMYK Rehbergers, die in der Ausstellung selbst kaum zu sehen war und durch die Streifen im Katalog graphisch repräsentiert ist. Es handelt sich um vier Wandflächen, mit Weiß unter minimaler Beimischung einer Grundfarbe gestrichen, die negativ einen Schriftzug in der Wand aussparen, der in der Farbe des reinen Weiß hervortritt, aber kaum zu erkennen ist. Die Irritation der Nicht-Erkennbarkeit setzt sich im Katalog fort: CMYK ist im Vorund Nachsatz wiedergegeben, als drei randlos übereinandergesetzte Photos, die voneinander nicht zu unterscheiden sind. Die photographische Reproduktion in verkleinertem Maßstab wirkt wie ein vereinheitlichender Filter und verstärkt die Unsicherheit des Betrachters, die schon in der Ausstellung groß gewesen sein muss, ob denn überhaupt eine Arbeit vorhanden sei. Als Anhaltspunkt bietet sich nur der Katalogtext an, in dem die Unterschiedlichkeit der Tönungen behauptet wird. Dieses Prinzip der Behauptung und der kaum möglichen Überprüfbarkeit taucht auch in einer weiteren Arbeit auf, Maserati Quattroporte, einem großen Metallkubus, der auch auf dem Umschlag zu sehen

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger ist. Der Titel legt das Vorhandensein des Autos im Inneren nahe, der Platz könnte aber genauso gut leer sein. Für die Vermittlung des Eindrucks von Leere ist im Innenteil das einfachste Element gewählt, das im gedruckten Medium zur Verfügung steht: die leere Seite. Lediglich oben und unten ziehen sich schmale Textblöcke. Der Platz dazwischen ist auf den ersten Blick frei. Sieht man jedoch genauer hin, fällt die Füllung mit einer zartgelben, weiß durchbrochenen Fläche auf, eine graphische Übersetzung der Ausstellungssituation. Der Texte beschreibt sie, vermittelt dem Leser die Eindrücke eines Besuchers. Text und Wahrnehmung des Lesers laufen ein Stück parallel: »Wenn man in den Westfälischen Kunstverein kam, […] sah man zunächst einen vollkommen leeren Raum. Erst auf den zweiten Blick realisierte man, dass Teile des Fußbodens gewachst waren.«285 Diese Verzögerung des Erkennens ist eine Konstante in Ausstellung und Katalog. Wenn man die Graphiken und die weißen Negativräume genauer betrachtet, sieht man, oder ahnt vielmehr, dass sie, ähnlich wie die Formen auf dem Umschlag von Applesandpears, nicht nur ästhetische, sondern auch abbildende Funktion haben: Man glaubt, architektonische Elemente des Ausstellungsraumes zu sehen. Die Graphiken überschreiten aber nie die Grenze zur klaren Erkennbarkeit. Dieses Nicht- oder minimalistische Wenig-Zeigen im Katalog korrespondiert außer mit dem gewachsten Boden und mit weiteren Arbeiten der Ausstellung auch mit der weitgehenden Trennung von Texten und Bildern, die nur ganz selten so synchron laufen wie in der angeführten Passage. Sie sind nicht einander zugeordnet, erläutern sich nicht direkt gegenseitig, wie es sonst in Katalogen mit primär informierender Funktion üblich ist. Die Installationsansichten befinden sich nicht illustrierend in Nähe der Texte, sondern außerhalb, auf dem Umschlag und im Vorsatz. Die Unabhängigkeit des Textes wird zusätzlich dadurch betont, dass ihm eine eigene Dynamik verliehen wird: Er bewegt sich. Die beiden Zeilenblöcke beginnen am oberen und unteren Rand, rücken von einer Doppelseite zur nächsten näher zusammen, bis sie gleichsam innehalten, für Irritation sorgen, indem sie die Sprachen (Deutsch und Französisch) tauschen – erneut ein Verweis auf den Aspekt der Übersetzung – und sich wieder auseinander bewegen. Dieser Vorgang wiederholt sich. Blättert man die Seiten schnell hintereinander durch, schließen sich die einzelnen Stationen zu einem Kontinuum zusammen, wie bei einem Trickfilm in Stop-motionTechnik. Da der Versatz der Zeilen von Seite zu Seite ziemlich gering ist und man eher auf den Inhalt des Textes konzentriert ist, nimmt man die Veränderung zunächst kaum wahr, analog zu den in der Ausstellung gezeigten Arbeiten wie CMYK, von dem es im Katalog heißt: »Ließ man das Auge über die weißen Wände des leeren Raums schweifen, so erkannte man […] eine kaum merkliche Veränderung.« 286 Der Leser bewegt sich mit dem Text gleichsam zusammen durch den leeren Ausstellungsraum. ›Prozess‹ scheint hier 285 Whenever, S. 5. 286 Ebd., S. 30.

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im Wortsinn genommen – ein Vorwärtsgehen, ein Fortschritt, wobei der physische wie der des Erkennens angesprochen ist. Ein ähnlich dynamisierender Umgang war im Bezug auf Bilder zu beobachten, etwa in Katalogen Thomas Demands. Text so zu inszenieren lässt auf einen starken Anteil des Graphikers Chris Rehberger schließen, der hier ähnlich frei wie ein Choreograph bei der Interpretation einer Partitur agiert. Wie sind die Arbeiten der Ausstellung Seascapes and other portraits umgesetzt? Schlägt man den Katalog auf, so ist die Seite links wie der Umschlag monochrom ein leuchtendes Blau, in dem lediglich die dünne graue Umrisslinie eines Rechtecks schwebt, das sich auf der vorletzten Seite des Katalogs noch einmal findet, blau gefüllt. Mit dieser Farbe assoziiert man, wenn man auch den Titel Seascapes vor Abb. 34 Tobias Rehberger: Seascapes and other portraits, S. 5. Augen hat, Meer, Wasser, Kühle. Tatsächlich waren in der Ausstellung »Porträts« der Nordsee oder des Atlantiks zu sehen: Es gab Becken mit Wasser, das auf eine den »Original«-Meeren entsprechende Temperatur gebracht war, überdimensionale Schüsseln und Becher, die in unterschiedlichen Blautönen gestrichen waren und auf ebenfalls blauen Podesten standen, daneben als Kontrast und Ergänzung rote Umkleidekabinen. Diese Arbeiten sind einerseits site-specific auf Dunkerque und die Lage des FRAC-Ausstellungsgebäudes am Atlantik bezogen, andererseits auf das Thema des Porträts, damit der Wiedererkennbarkeit, Ähnlichkeit und Repräsentation. Das blaue Rechteck inmitten der monochromen grauen Fläche lässt sich als eine abstrakte, graphisch-flächige Übersetzung der Wasserbehälter und Schwimmbecken lesen, eine Art Piktogramm. Diese Abbildungsart wird im Innenteil des Katalogs verändert, das Format der Rechtecke als Rahmen jedoch beibehalten. Im Gegensatz zu den anderen beiden Katalogen bietet Seascapes auf den Innenseiten eine große Anzahl realistischer Abbildungen, über 30 Farbphotos. Doch wird, wiederum, das Verlangen des Betrachters nach Erkennbarkeit nur teilweise erfüllt, denn die Bilder haben Miniaturgröße. (Abb. 34) In der Regel werden solche Bilder in Katalogen eingesetzt, um einen Zugriff zu erleichtern, Vergleichbarkeit und Übersicht zu schaffen, zum Beispiel bei den Abbildungen von Gemälden in Werkverzeichnissen. Sie bringen Zusatz-

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger informationen, etwa als Marginalbilder in Architekturführern, wo neben einer Frontalansicht weitere Ansichten gezeigt werden, oder in Ausstellungskatalogen, wo sie als Textillustrationen und Referenzmaterial fungieren – wir hatten dies bei Katalogen Thomas Demands in der Abbildung von Vorlagen gesehen. Miniaturbilder bieten die Möglichkeit zur Differenzierung zwischen Haupt- und Nebeninformationen, stehen als Stellvertreter oder Referenten für größere Bilder. Bei Rehberger haben die kleinformatigen Bilder keine dieser Funktionen, sie sind sie das einzige Bildmaterial innerhalb des Katalogs. Sie befinden sich an denselben Stellen, an denen die Rechtecke auf dem Einband positioniert sind, die ja auch eine Art von abstrahierender Repräsentation verkörpern, und haben auch dieselben Maße von etwa 4,5 × 6 cm. Sie entsprechen damit der verbreiteten Größe eines Mittelformatfilms, was den technischen Ausgangspunkt für dieses Bildformat gegeben haben könnte. Die Originalgröße der Reproduktionen wäre beibehalten – ähnlich, wie man in der Frühzeit der Photographie Negative nicht vergrößerte, sondern durch direktes Auflegen auf Papier Kontaktabzüge herstellte, weshalb damalige Abzüge auch häufig erstaunlich kleinformatig sind.287 Dass Bildreproduktion und Verkleinerung eng zusammenhängen, erkannte Walter Benjamin und formulierte überspitzt: »Im Endeffekt sind die mechanischen Reproduktionsmethoden eine Verkleinerungstechnik.«288 Die geringe Größe der Abbildungen lässt weitere Assoziationen zu: Mit zunehmender räumlicher Distanz zum Betrachter wird ein Gegenstand perspektivisch kleiner und schwerer zu erkennen, daher auch die Vorstellung, dass Bilder bei zunehmender zeitlicher Distanz, in der Erinnerung, immer mehr an Größe verlieren.289 Sie findet sich auch in der populären Bildkultur wieder, in Sequenzen etwa im Comic, in der Bilder einer Erzählung mit zeitlichem Abstand kleiner und damit immer undeutlicher werden.290 Ein Beispiel aus dem Film wäre eine Szene aus The Truman Show (1998), wo eine Nachbildung der monumentalen Skulpturen von Mount Rushmore sich auf einem Albumphoto durch ihre geringe Größe als offensichtlicher Fake demaskiert, aber mit dem Argument legitimiert wird, in der Erinnerung würden Gegenstände eben immer kleiner: »TRUMAN: It looks so small. MOTHER: Things always do, when you look back.«291

Unabhängig davon, wie die konkrete Bildgröße zustande kam, zeigt die Miniaturisierung, wie sehr für Rehberger die Abbildungsthematik präsent ist. Im Katalog Cancelled Projects wählte er bereits einen ähnlichen, jedoch weniger radikalen Wiedergabemodus 287 So waren etwa in der Ausstellung André Kertész – Photographien, Martin-Gropius-Bau Berlin 2011, frühe Aufnahmen im Miniaturformat gezeigt, im damals klassischen Format 4,5 × 6 cm. 288 Walter Benjamin: Kleine Geschichte der Photographie (1931), in: Gesammelte Werke, Bd. II, S. 382. 289 Dass diese Vorstellung zur Entscheidung über die Bildgröße beitrug, äußerte Chris Rehberger in einem Gespräch mit dem Autor am 1.6.2008. 290 Vgl. René Goscinny/Albert Uderzo: Asterix und der Avernerschild, Stuttgart 1972, S. 5. 291 Andrew M. Niccol: The Truman Show (1998), zit. n. http://sfy.ru/?script=truman_show (26.5.2014).

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Abb. 35 Tobias Rehberger: Cancelled Projects, Kat. Museum Fridericianum Kassel, S. 38f.

für seine Serie der Vasenporträts, die in der Ausstellung Seascapes and other portraits ebenfalls gezeigt wurde. Gegenüber einer großformatigen, seitenfüllenden Abbildung befindet sich eine Installationsansicht en miniature. (Abb. 35) So ist die Möglichkeiten einer Transformation durch Reproduktion vor Augen gestellt, gleichzeitig die Konvention der Wiedererkennbarkeit beibehalten und die Gelegenheit zur großformatigen Abbildung, zur Betonung und Steigerung wahrgenommen. Die Serie der Vasenporträts war bislang noch in keinem Katalog zu sehen und damit undokumentiert gewesen. Diese Wiederaufnahme einer Abbildungsart in einem weiteren Katalog lässt sich auch als Selbstzitat und Betonung eines Interesses lesen. Das Thema der Verkleinerung und Vergrößerung spielt bei Rehberger oft eine Rolle, etwa in der erwähnten Arbeit 9 Skulpturen (1992), in der Rehberger Großskulpturen stark verkleinert reproduzierte, oder Rehbergerst (1994), bei der er Arbeiten seines Vaters 4 :1 vergrößert kopierte. Dabei geht es nicht um Maßstabsveränderung als formalen Akt, sondern um damit verbundene Verschiebungen: Großskulpturen werden so auf einmal handhabbar und können privat-intim rezipiert werden, Privates bekommt durch Vergrößerung eine andere Wichtigkeit. Rehbergers Arbeiten sind häufig sehr groß und eine Abbildung, sofern sie nicht Details zeigt, somit immer eine Größenreduktion, aber im Bezug auf die Ausstellung Seascapes wirkt die Verkleinerung angesichts der tatsächlichen Größe von Räumen und Arbeiten besonders krass. In der Ausstellung war das Thema der Größenverschiebung sehr präsent: Die monumentalen Meeresporträts waren einerseits Vergrößerungen von

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger Bechern und Schüsseln, andererseits auch wieder Verkleinerungen der Weltmeere. Die raumfüllenden Wandmalereien, abstrakte Porträts von Freunden Rehbergers, hatten ebenfalls große Ausmaße, was sich selbst in der Miniaturansicht durch den architektonischen Rahmen nachvollziehen lässt. Sie bedeckten Wände von bis zu vier mal acht Metern, dienten dann aber während der Ausstellung als Ausgangspunkt für gestrickte Pullover, wiederum eine Verkleinerung. Die photographische Miniaturisierung im Katalog lässt sich also als eine Umkehrung der für die Arbeiten der Ausstellung angewandten Verfahren lesen, als ein weiterer Schritt in der Kette der Größenverschiebungen. Dieser Umgang mit Abbildungen steht in starkem Kontrast zur Praxis in Ausstellungskatalogen von Künstlerkollegen, in denen die große Dimension der Abbildungen wichtig und betont ist. Wir hatten das an Thomas Demands Phototrophy gesehen, wo die Abbildungen möglichst groß gedruckt sind, bis an die Grenze des buchtechnisch und finanziell Machbaren, und Arbeiten vergrößert durch Abbildung von Details hervorgehoben werden. Dieser Gegensatz ergibt sich aus einer Differenz zum Status der Arbeiten Rehbergers, in denen die Abbildung einer Arbeit nicht die Arbeit selbst ist. Wenn Rehberger auch öfters installativ-ephemer arbeitet, wie mit den Wandmalereien in Dunkerque und der Bodenarbeit in Münster, so doch meist skulptural, so dass Objekte zurückbleiben, die unabhängig von ihrer Abbildung weiterhin verfüg- und ausstellbar sind. Bei Demand ist das Photo »die Beute, die in penibel ausgeleuchteten Papiermodellen zu schießen ist« 292, also Endergebnis. Künstler wie Thomas Demand, für die Bilder einen starken Eigenwert besitzen, manipulieren ihre Bilder in der Reproduktion nicht zusätzlich, sondern achten im Gegenteil auf eine möglichst exakte Wiedergabe. Die Reflexion über Abbildungspraxen in Gang zu bringen ist ähnlich wie bei Rehberger intendiert, jedoch resultiert sie aus dem Bild selbst und nicht aus der Deklination von Abbildungsmöglichkeiten. Gemeinsamkeiten gibt es bei Demand und Rehberger beim Umgang mit Vorlagen für Arbeiten. In Seascapes sind die Abbildungen oft in Bildpaaren auf einer Doppelseite angeordnet und zeigen denselben Raum aus unterschiedlichen Perspektiven, so auch die Wandmalereien.293 Die Gegenüberstellung von Vorbild-Abbild ist aber bewusst vermieden: So ist der Pullover, der nach dem Vorbild der Wandmalerei entstand, nicht mit diesem abgebildet, sondern separiert, mit einer bilderlosen Seite gegenüber. Der Pullover als Einzelbild ist so besonders markiert, und in der Tat war er ja als während der Ausstellung gefertigtes Produkt in ihr selbst noch nicht präsent. Die als Ausgangspunkt dienende Wand ist nicht frontal und vollständig gezeigt, sondern seitlich, daher verkürzt und beschnitten, was die Verknüpfung nicht ganz einfach macht. Der »Madame-ToussaudEffekt«, von dem Thomas Demand im Bezug auf die Abbildung von Bildvorlagen in Katalogen spricht, wird somit unterlaufen, hier finden sich zum Teil ähnliche Strategien der Abbildungsverweigerung. 292 Nora Sdun: Papier ist unschuldig, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28.11.2004, S. B8. 293 Seascapes, S. 8 f.

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»Pas accompagnées de légendes« – Autonomie der Bilder und der Texte Die Zuordnung der Abbildungen zu ausgestellten Arbeiten wird dadurch erschwert, dass sie, wie in den anderen Einzelkatalogen auch, sehr schwach kontextualisiert sind. In den Begleittexten werden Arbeiten Rehbergers besprochen, und gewohnheitsmäßig versucht der Leser eine Übereinstimmung herzustellen, die Bilder mit den Texten in Verbindung zu bringen – was aber meist nicht gelingt. Das größte Hindernis für eine Ein- und Zuordnung ist die Abwesenheit von Bildlegenden, die üblicherweise Titel, Entstehungsjahr, Material und Maße der Arbeiten angeben. Damit wird die dienend-informative Grundfunktion eines Ausstellungskatalogs verweigert. Es ist bemerkenswert, dass dieser Bruch von Präsentationskonventionen einer Begründung wert befunden wurde. Im Impressum von Seascapes heißt es: »Les trois sections de ce livre sont conçues par l’artiste à la fois comme un livre de lecture et comme un livre d’images. C’est la raison pour laquelle le images ne sont pas accompagnées de légendes.« Die Bilder sollen, wie in einem Bilderbuch, für sich stehen, zusammen gelesen werden und nicht durch Erklärungen aus ihrem eigenwertigen Zusammenhang gerissen werden. Dieses Statement ist damit eines der raren Beispiele für eine Erläuterung des Bildkonzepts innerhalb eines Katalogs – ein anderes wäre Demands Klause, wo die Nichtabbildung der ausgestellten Photos begründet wurde – was zeigt, wie reflektiert mit den Katalogkonventionen umgegangen wird. Ein solcher Hinweis findet sich nicht in den anderen beiden Katalogen der Ausstellungsreihe Rehbergers. Bildlegenden werden dort auch weniger erwartet, da ja gar keine realistisch-photographischen Abbildungen abgedruckt sind, auf denen überhaupt etwas zu erkennen wäre. In der Tat gibt es in Seascapes nur wenige Bezüge zwischen Text und Bild. Die Abbildungen sind ortslos. Sie zeigen nicht die Arbeiten, die im Text erwähnt werden, sondern andere, mitunter ähnliche. Im Text selbst ist nur eine der Arbeiten der Ausstellung explizit erwähnt, die Serie der Porträtvasen. Die Repräsentation der Arbeiten wenigstens in Wortgestalt ist somit verweigert. Bild und Text laufen wie gegeneinander beweglich, auf versetzten Gleisen. Die betonte Unabhängigkeit der Textelemente zeigt sich auch in einem paratextuellen Detail wie der Paginierung: Die Seitenzahlen stehen nicht an den Rändern, sondern genau im Zentrum, kommen dadurch in der Nähe der Photos zu stehen, die sich von außen zur Seitenmitte erstrecken. Man ordnet die Zahlen reflexartig, aber fälschlicherweise den Bildern als Nummerierung zu, denn ein Abbildungsverzeichnis würde man vergeblich suchen – ein weiteres Moment der Irritation. Auch gibt es nicht wenige Seiten, auf denen die Seitenzahl allein auf weiter Flur steht, wie Platzhalter für etwas Abwesendes. Die Paginierung wird als Textelement eigenen Rechts verwendet. Sie beginnt schon im Vorsatz und steht auch im Schmutztitel, auf Seiten, die in der konventionellen Typographie unpaginiert bleiben, überlagert Abbildungen und ist dann zur Betonung ihrer Eigenwertigkeit in Weiß über die dunkle Bildfläche gedruckt. Den Eindruck der Unabhängigkeit von Bild und Text verstärkt auch die ostentative Kontingenz, mit der Seiten mit oder ohne Abbildung aufeinander folgen.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger Diese Autonomie wird im Katalog The secret bulb in Barry L. ebenfalls betont: Dort überlagern sich Texte und Graphiken oft, was sowohl die Lesbarkeit der Texte als auch die Erkennbarkeit der Graphiken erschwert. Flächen ragen in den Textblock oder sind über die ganze Seite gezogen, so dass der Text wie auf einer vielfarbigen Folie steht. Dank der kräftigen, serifenlosen Schrift ist die Lesbarkeit allerdings nicht zu stark beeinträchtigt, auch ist eine Überschneidung von sehr dunklen Flächen mit dem Text vermieden. Bild und Text führen ihre Existenz stoisch unbeeindruckt voneinander fort. Die Abbildungsthematik ist weiterhin präsent: Man befragt die Graphiken zunächst vergeblich auf eine solche Funktion hin. Sie zeigen sich im Gegensatz zu den anderen Einzelkatalogen überhaupt nicht minimalistisch, stattdessen bunt und flächig. Tatsächlich handelt es sich bei der Titelgraphik um die stark stilisierte Umsetzung der Arbeit Stockholm. Summer, die in der Ausstellung in Leipzig zu sehen war. Rehberger griff zurück auf das Vorhangdesign eines schwedischen Künstlers aus den 1970er Jahren, entwickelte daraus einen neuen Vorhang. Dieser wurde vor ein Fenster gespannt und von hinten mit einem Scheinwerfer beleuchtet, der den Einfallswinkel des Sommerlichts in Stockholm wiedergab, des Standorts, an dem Vorhang hing, während durch das andere Fenster Tageslicht von ganz anderer Qualität fiel, fand die Ausstellung doch in Leipzig im Herbst statt. Thema war die Verknüpfung von disparaten Orten und Zeitebenen, wie in anderen Arbeiten der Ausstellungsreihe, etwa den Meeresporträts von Seascapes. Die Vorhangarbeit wird im Katalog prominent präsentiert, einmal, weil sie stark mit dem Ausstellungsort verbunden und die erste ist, die der Besucher beim Gang durch die Räume der Ausstellung zu sehen bekommt. Darüber hinaus steckt in ihr das Modell, nach dem alle anderen Arbeiten im Katalog wiedergegeben werden: Eine Vorlage wird als Anregung aufgegriffen und graphisch transformiert. Da Rehberger mit seinen eigenen Arbeiten, die für den Katalog aufbereitet werden, ebenso verfährt, wird der Unterschied zwischen Fremd- und Selbstzitat eingeebnet. Der Aspekt der Künstlichkeit, der beim Thema ›Beleuchtung‹ durchscheint, kommt in der graphischen Umsetzung der Arbeiten zum Tragen. Die Installationsansichten sind mittels Bildbearbeitungssoftware auf ihre Flächen reduziert, die Farben klarer und leuchtender, die Kontraste plakativ gesteigert, körperbildende Schatten, Oberflächenreflexe und Binnenstrukturen entfernt. Dadurch ist die Abbildungsfunktion der Bilder stark reduziert, sie werden zu scherenschnittartigen Graphiken, zu Ornamenten. Damit erinnern sie an Kataloge von Olafur Eliasson, der Abbildungen seiner Installationen ebenfalls in Richtung autonomer Graphiken verändert.294 Tatsächlich gab es zwischen beiden Künstlern auch in der Ausstellung in Leipzig Berührungspunkte und eine Gemeinschaftsarbeit: Eliasson bestrahlte eine kugelförmige Lampe Rehbergers so, dass sich ein dreifacher Schatten in unterschiedlichen Farben an der Wand abzeichnete. Die Lampe changierte dabei zwischen funktionalem und funktionslos-skulpturalem Objekt, 294 Zum Beispiel Olafur Eliasson: Funcionamiento silencioso, Kat. Palacio de Cristal Madrid 2003.

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da sie nur eine kleine Lichtöffnung an der Unterseite hatte und knapp über dem Boden aufgehängt war. Lässt diese Arbeit eine gemeinsame thematische Klammer, nämlich Licht, dabei aber unterschiedliche Interessen erkennen, so trifft dies auch zu auf die ähnlichen graphischen Effekte im Umgang mit Abbildungen. Rehberger geht es weniger um die Hinterfragung von Wahrnehmung bei physikalischen Prozessen und die Vermittlung einer ästhetischen Erfahrung von Künstlichkeit als um den Aspekt von Funktion eines Objekts oder einer Abbildung im Gegensatz zu einer Autonomie, um Bezugnahme und Transformation von etwas Gegebenem. Ähnlich wie im Seascapes mit seinen Miniaturphotos ist in diesem graphischen Transformationsprozess auch das Thema ›Wiedererkennbarkeit‹ enthalten. Abb. 36 Tobias Rehberger: Standard Rad, in: Seascapes Die reale Ausstellung wird im Katalog and other portraits, S. 16. zu einer virtuellen Themenausstellung erweitert. In den Graphiken von The secret bulb sind nicht nur Arbeiten zu erkennen, die in der aktuellen Ausstellung zu sehen waren, sondern, wie in Seascapes, auch aus anderen Ausstellungszusammenhängen, die zum Thema ›Licht‹ passen, während umgekehrt manche der ausgestellten Arbeiten nicht abgebildet sind. Diese Bildredaktion und die thematische Steuerung war auch bei Katalogen von Thomas Demand zu beobachten, etwa im Lenbachhaus-Katalog, wo die Differenz zwischen ausgestellt und abgebildet allerdings in der Regel kenntlich gemacht wird. Austauschbarkeit und thematische Kohärenz innerhalb der Ausstellungsreihe werden in Applesandpears durch das mehrfache Auftauchen derselben Arbeiten als Bilder unterstrichen. So ist Standard Rad im Katalog zur Ausstellung in Dunkerque ebenso vertreten wie in dem zur Ausstellung in Leipzig, wo sie tatsächlich zu sehen war, damit sowohl beim Thema »Portrait« als auch »Licht« – aber nur im Katalog, und durch ihren unterschiedlichen Abbildungsmodus verdoppelt. (Abb. 36, 37) Tobias Rehberger meint im Rückblick auf die Reihe, dass »bestimmte Arbeiten, die an den einzelnen Orten zu sehen waren, in einer der anderen Ausstellungen genauso gut funktioniert hätten.« 295 Der Ort 295 Tobias Rehberger im Interview mit Jan Winkelmann zit. nach http://www.jnwnklmnn.de/rehberg. html

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger

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als Kontext ist also variabel, ebenso der Zeitpunkt. Im Nachhinein bleiben beliebig kombinierbare Facetten, die immer wieder neue Zusammenstellungen ergeben. Durch die Zusammenfassung verschiedener Ausstellungen in einem Katalog verschiebt sich das Schwergewicht von der Darstellung einer Einzelausstellung hin zu einem monographischen, eigenwertigen Werk, was bei vielen Künstlern übliche Praxis ist: Nach einigen Jahren Ausstellungsaktivität erscheint eine zusammenfassende Monographie.296 Die Gewichtung der Ausstellung als Einheit gegenüber den einzelnen gezeigten Arbeiten ist dabei unterschiedlich, meist treten die Ausstellungen hinter einer Gesamtschau zurück. Rehberger jedoch, der ja stark mit Kontexten und Ortsbezügen arbeitet, versucht die Einzelausstellungen zu verknüpfen, jedoch gleichAbb. 37 Tobias Rehberger: Standard Rad, in: The secret zeitig ihre Spezifika zu betonen. Dies wird bulb in Barry L., o. S. durch die auffällige graphische Gestaltung des jeweiligen Einzelkatalogs vermittelt, nicht durch eine möglichst anschauliche Darstellung der Ausstellungssituation, etwa durch Installationsansichten und durch Grundrisse, wie beispielsweise im ebenfalls retrospektiv angelegten Katalog Olafur Eliassons Minding the world (2004). Lässt man die Einzelkataloge Revue passieren, so zeigen sich Bezüge zwischen den drei Einzelkatalogen und ihren Ausstellungen. So würde das Verschwinden der Schrift im Einband von Seascapes auch zum Thema ›Unsichtbarkeit‹ passen und damit zu whenever. Die transparente Überlagerung erinnert an die Konturen auf dem Cover des Gesamtumschlags. Das Moment der (typo)graphischen Bewegung und Veränderung von whenever, wo sich der Text über die Seite bewegt, ist in Seascapes aufgegriffen: Dort ist der Rechteckrahmen von Seite zu Seite verändert, mit Farben gefüllt, mit Schrift, schließlich mit wechselnden Bildern. Die gefüllt bzw. leere Rechteckform korrespondiert außerdem mit dem Kubus und seinem potentiellen Inhalt von Maserati Quattroporte. Es ist also eine Fülle von Anreizen geschaffen, die Querverbindungen assoziativer Art hin- und herschießen lassen und die Einzelkataloge zu einer Gesamtschau zusammenzuschließen. 296 Zum Beispiel Katharina Grosse: Cool Puppen. Der weisse Saal trifft sich im Wald. Ich wüsste jetzt nichts, Kat. Ikon Gallery Birmingham, Lenbachhaus München u. a., Wolfratshausen 2002.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Obwohl die Kataloge sehr unterschiedlich sind, bilden sie durch ihre typographische Sprache eine Einheit. Neben Übereinstimmungen wie Format und Seitenzahl gehört dazu ein strenger Satzspiegel, in dem das Blockhafte, Geradlinige vorherrscht sowie die Stringenz von Layoutentscheidungen, vor allem, Bild und Text immer zusammen auf eine Seite zu setzen. Mit der Verteilung oben-Mitte-unten ist ein System für die Platzierung von Text und Bild angelegt, das in allen drei Katalogen beibehalten wird und das Problem der Kohärenz bei gleichzeitiger Differenzierung überzeugend löst. Trotz der fortlaufenden Irritation des Betrachters und der Variation innerhalb der Gestaltungsmuster ergibt sich nicht der Eindruck von Beliebigkeit. Auch im Bezug auf die Abbildungen lässt sich ein Gesamtkonzept feststellen: Farbigkeit, Dimension und Präsenz der Abbildungen nehmen kontinuierlich zu (oder ab, je nach Leserichtung), von den fast unsichtbaren Graphiken von whenever über die reduzierten Piktogramme und Miniaturphotos in Seascapes bis zu den großen, bunten, dekorativen Graphiken in The secret bulb. Diese Anordnung signalisiert einen Prozess, eine Dynamik, wie sie auch durch die bewegliche Gestaltung innerhalb der drei Einzelkataloge vermittelt werden soll. Bild- und Textelemente wechseln sich wie permutativ versetzt ab: So gibt es Photos in whenever und in Seascapes, aber in The secret bulb nicht; Ein Katalog hat Texte mit jeweils wechselnder Position (whenever), bei den anderen beiden ist die Position statisch. Bei zwei Katalogen sind serifenlose Schriftarten verwendet, gegenüber einem mit Serifen (Seascapes). Auch auf der inhaltlichen Ebene der Texte lässt sich diese Reihe von Übereinstimmung und Abweichung fortsetzen: In zwei Katalogen werden die ausgestellten Arbeiten detailliert besprochen, in Seascapes jedoch nicht. Weitere Konstellationen ließen sich finden. Jeder der Einzelkataloge erscheint neu und anders, obwohl ähnliche Elemente vorkommen. Das Prinzip der Variation lässt sich an der Dreizahl der Elemente, der Ausstellungen und ihrer Kataloge, besonders gut durchführen. Es hat auch etwas von einem spielerischen Durcheinanderwürfeln und verstärkt den Eindruck von Kunst, die nichts Statisch-Abgeschlossenes sein will, sondern sich in ständigem Wandel und Veränderung, im Übergang von einem Stadium in ein anderes befindet.

Prozessualität und Privates Making-of und Spiel mit Katalogkonventionen (Geläut – bis ich’s hör … ) In Applesandpears ist die Aufmerksamkeit auf den Entstehungsprozess eines Ausstellungskatalogs gelenkt durch die Anlage als sich virtuell immer weiter füllender Ordner. Doch ist kein Einblick gegeben in die Arbeitsabläufe innerhalb der Produktion des Katalogs, auch mutet er nichts weniger als unfertig an, sondern offenbart sich als bis ins Letzte gestaltetes Produkt. Der Prozesscharakter liegt in der Komplettierung der Ausstellungsreihe und der Veränderung der Arbeiten durch Abbildung. Im Unterschied dazu wird das Making-of, der Prozess des Katalogentwerfens selbst Gegenstand in Geläut – bis ich’s hör ..., erschienen zu Rehbergers großer Einzelausstellung

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger im Museum für Neue Kunst am ZKM Karlsruhe 2002. Zentrale Arbeit war eine Installation von Lampen im Innenhof, die durch außerhalb des Ausstellungsraumes liegende Parameter wie das An- und Ausschalten in einem benachbarten Bürogebäude gesteuert wurden. In Analogie dazu steht die Vermittlung des Prozessualen und die Verbindung von Kunst und Außenwelt im Katalog im Vordergrund. Zum Großteil als Faksimile eines Layoutentwurfs gestaltet, als Art Momentaufnahme, führt er in vielen collagierten Photos die Untrennbarkeit von Kunst und (Privat)Leben, von beteiligten Akteuren und den Ergebnissen vor. Ein »anderer Blick auf Kunst« soll vorgestellt werden, wie Kurator Götz Adriani etwas allgemein im Vorwort schreibt. Programmatisch ist bereits der Einband. Der Titel ist nicht wie in Applesandpears durchdesignd, sondern in krakeliger Blockschrift wiedergegeben, die Buchstaben mehrfach nachgefahren. Er sieht kindlich-ungelenk aus, wie ein Entwurf, noch ganz in der Unschuld des Werdens begriffen. Im Gegensatz dazu steht unten der minimalistisch gesetzte Name des Ausstellungsorts. Der Vor- und Nachsatz besteht aus monochromen, kühl-perfekten Architekturaufnahmen der leeren Ausstellungshalle. Die sachlichen, zugleich durch ihre Leere auratisch wirkenden Aufnahmen finden sich in vielen Ausstellungskatalogen des ZKM und prägen als verbindendes Element das Erscheinungsbild der Institution mit.297 Für Rehberger bilden sie einen willkommenen Kontrast. Im Schmutztitel ist die Anmutung wieder handschriftlich-provisorisch: Katalogtitel und Seitenzahl sind mit Tintenstift geschrieben, daneben ist ein buntes Ornament eingeklebt, Ovale aus Transparentpapier. Diese Versatzstücke finden sich verstreut im ganzen Buch, auch über Text gelegt. Die Überlagerung von transparenten Flächen begegnet auch beim Katalog Applesandpears, dort allerdings in designerhaft-perfektem Kontext. Hier ist noch deutlich die Faktur des Klebens und Bastelns zu sehen. Das Prinzip des Einklebens suggeriert Umkehrbarkeit, auch was das Bild- und Textmaterial betrifft: Lose montiert oder aufgelegt, ist noch nichts endgültig fixiert und kann wieder versetzt werden. Photos von Arbeiten erscheinen so als Möglichkeiten. Hier bestehen Ähnlichkeiten zum Ordner-Katalog, in dem die Abfolge der Ausstellungen ebenfalls potentiell offen war. Das Prozessuale ist durch die Wiedergabe zahlreicher Nachträge und Korrekturen betont: Das beginnt im Impressum, wo die ISBN-Nummer, bibliographisches Herzstück jeder Publikation, handschriftlich eingefügt ist, zur Verdeutlichung steht »Nachtrag« und ein Ausrufezeichen. Die Angaben stehen auf einer Fax-Seite, deren Nummer man oben angeschnitten noch lesen kann und die mit Tesastreifen eingeklebt ist, alles Trompe-l’oeil-artig scharf reproduziert wiedergegeben. Ähnlich steht es um die Aufforderung im Photonachweis: »Fotografen die hier nicht aufgeführt sind, bitte melden!«298, deren Unmittelbarkeit nicht nur mit der flapsigen Formulierung und der hand297 Vgl. beispielsweise die Ausstellungskataloge: In Szene gesetzt. Architektur in der Photographie der Gegenwart, 2002; Obsessive Malerei. Ein Rückblick auf die Neuen Wilden, 2003. 298 Geläut, S. 238.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele schriftlichen Notierung betont ist, sondern auch durch das fehlende Komma. Auch die Begleittexte sind als Faxausdrucke wiedergegeben, mit den letzten handschriftlichen Korrekturen der Autoren. Diese sollen ebenfalls das Prozessuale, noch nicht Erstarrte der Textarbeit vor Augen stellen. Ähnlich wie ein Gespräch per Telefon, mit dem es ja eng verbunden ist, suggeriert ein Fax direkten Kontakt, eine Übernahme des Textes gleich nach dem Schreiben, Unmittelbarkeit. Es ist nicht nur der Eindruck des Entwurfs, sondern überhaupt des Informellen, Lockeren, der Aufhebung der Trennung zwischen Kunst und Leben, die im Katalog vermittelt werden soll. Dazu sind zwischen die Abbildungen von Arbeiten immer wieder Privatphotos eincollagiert, meist Schnappschüsse von Personen vor Landschaftskulisse, bei Eröffnungen, beim Essen, Trinken, Sightseeing. (Abb. 38) Der Leser erkennt oft dieselben Gesichter wieder, Künstler, Freunde, Familie, Galeristen. Man gewinnt den Eindruck von Leuten, die Spaß haben und sich an interessanten Orten aufhalten, das Album einer Peergroup in der Kunstszene. Zugleich bleibt man als Leser, der die Kontexte nicht kennt, ausgeschlossen; ähnlich wie bei den Photos von Warhols Factory.299 Kunst, so teilt es sich mit, ist nicht nur das fertige Produkt, sondern der Prozess, der ebenso die sozialen Beziehungen zwischen den Beteiligten, der Partys und Reisen zu den Ausstellungsorten einschließt. Nicht nur durch die Vermischung von Museums- und Urlaubsbildern soll Offenheit und Prozesshaftigkeit suggeriert werden, sondern auch durch die Art des Layouts, das sich auf kein bestimmtes Ordnungsprinzip festzulegen scheint, sondern alle Möglichkeiten durchspielt: Collage von Motiven auf der Einzel- oder Doppelseite, nur ein Motiv, ohne Rand, mit umlaufendem oder nur einseitigem Rand, ein seitenübergreifender Bildstreifen, Kombination von einer Abbildung auf einer Seite und mehreren, auf der anderen, im Hoch- oder Querformat … Neben dieser Korrekturfahne gibt es aber, als eine Art Inlay, einen Katalogteil comme il faut: In ihm sind die Arbeiten aufgeführt und abgebildet, die in der Ausstellung tatsächlich zu sehen waren, das also, was als »Herzstück« eines Ausstellungskatalogs gilt. Dieser Teil hebt sich mehrfach vom Rest ab: Er ist durch Leerseiten freigestellt, die Abbildungen sind säuberlich mit umlaufendem, gleichbreitem weißem Rand als endgültige Bilder gekennzeichnet, folgen einem strengen Layoutraster. Da es ein separates Verzeichnis gibt, entfällt die Notwendigkeit von Bildunterschriften, die im Rest des Katalogs handschriftlich, auf eingeklebten Papierstreifen oder gar nicht erfolgen. Die Abbildungen werden so noch cleaner. Es sind keine privaten Schnappschüsse, sondern durchweg professionelle Installationsansichten. Auf ihnen sind keine Menschen oder Besucher zu sehen, der vorher präsente private Kontext ist ausgeblendet. Auch die »repräsentativen« Pflichten gegenüber der ausstellenden Institution werden erfüllt: In meist doppelseitigen Aufnahmen kommt die Museumsarchitektur gut zur Geltung, Schwerpunkt ist die Installation von 299 Andy Warhol, Kat. Moderna Museet Stockholm 1968.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger

Abb. 38 Tobias Rehberger: Geläut – bis ich’s hör… Kat. Museum für Neue Kunst am ZKM Karlsruhe 2002, S. 85.

Abb. 39 Pipilotti Rist: Kat. Fundació Joan Miró Barcelona 2010, S. 80.

Lampen im Lichthof des ZKM, die auch im Vorwort als exemplarisch vorgestellt ist. So kann dieser Teil als Argument gegenüber eventueller Kritik an einer zu subjektiver Gestaltung dienen. Die Fiktion des Entwurfs ist durchbrochen, die Katalogstandards werden inhaltlich und graphisch mit schon wieder musterknabenhaft wirkendem Eifer erfüllt, damit abermals ironisiert und ad absurdum geführt, ähnlich wie im Pocket Dictionary mit seinen endlosen Ordnungsversuchen. Es gibt ein Inhaltsverzeichnis, in dem sich bewusst konventionelle Rubriken finden wie »Leihgeber«, »Vorwort«, »Biographie«, »Publikationen«, »Presse«, »Dank«, ebenso wie eine Gliederung nach klassischen Genres wie »Landschaft«, »Figur«, »Objekt« und »Zeichnung«, die mit dem Werk Rehbergers meist gar nicht zusammenpassen. Die »Liste der ausgestellten Werke« als zentrale der Katalogkonventionen steht in der Mitte und ist so hervorgehoben. Doch auch in diesem scheinbar mustergültigen Verzeichnis stecken Subversionen: Gerade die chronologische Anordnung der Arbeiten nach ihrem Entstehungsjahr macht die Zuordnung schwierig, da der Rest des Katalogs nicht so systematisiert ist. Die Titel sind meist lang, in Versalien und fett, somit schwer lesbar. Der Bildteil des Verzeichnisses bringt zum Schluss eine Wandmalerei, die

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele als Bildgag wirkt: zwei ET-Gestalten mit obszöner Geste. Die Seriosität des vorangehenden Katalogteils wird so in Frage gestellt. Der Gesamtkatalog enthält also einen sachlichen, ausstellungsbezogenen, ironischen Pflicht-Teil, eingebettet in eine ausgiebige Kür. Das Gegeneinander dieser zwei Ebenen, auch die Auseinandersetzung mit der Erwartungshaltung gegenüber einem Katalog, ist interessanter als die sehr offensichtliche Inszenierung des Prozesshaften, des Unfertigen und zugleich des Privaten, wie man sie auch aus Katalogen anderer Künstler kennt. Wolfgang Ullrich hat darauf am Beispiel von Katalogen etwa Stephan Balkenhols hingewiesen: Dort finden sich Entwürfe und Skizzen, die den Entstehungsprozess der Skulpturen veranschaulichen, zusätzlich aber auch Notizen aus privatem Kontext, die dem Betrachter den Eindruck vermitteln »nichts im Umfeld des schöpferischen Akts werde ihm vorenthalten«, er könne »bedingungslos am Leben des Künstlers teilhaben.«300 Hier könnte man auch die Kataloge von Pipilotti Rist anführen, in denen die Vermittlung des Privaten und des Prozessualen eine zentrale Rolle spielt, zum Teil ähnlich wie in Geläut. In einem Katalog von 2010 301 gibt es einen umfangreichen Part aus collagiertem Material und einen separaten Teil mit Ausstellungsansichten, durch Druck auf glattes glänzendes Papier vom Rest unterschieden. Auch ist mit dem Making-of des Buches und der Ausstellung gespielt: Titel, Texte, Seitenzahlen sind handschriftlich hinzugefügt, Photos und Filmstreifen als mit Tesastreifen eingeklebt reproduziert, die Anmutung eines Notizbuches durch die Abbildung einer Spiralbindung an der Seite evoziert, Skizzen, Baupläne hinzugefügt, auch Photos vom eigentlichen Dreh eines Videos, wo man Kamera und Hilfsmittel sieht. Mit der Authentiziät des Materials ist gespielt: Die Making-of-Photos der Videoarbeit Ever Is Over All (1997) sind in Schwarzweiß und mit Nostalgie-Rand wiedergegeben, erinnern so an Albumphotos längst vergangener Zeiten; montiert sind sie auf einer Pappe, die vielfache Schneid-, Farb-, und Schreibspuren aufweist. (Abb. 39) Bei Rehberger finden sich weniger Skizzen und Photos vom Making-of der Arbeiten, dabei ist der Katalog als Ganzes der Ort, wo Kunst und Privatleben zusammenkommen: So ist etwa die Vorliebe Rehbergers für Fußball vor Augen geführt durch eine Bildstrecke zur Europameisterschaft 1996 mit handschriftlich notiertem Spielplan. Zum Modus des Privaten passt auch die Art der Zusammenarbeit bei der Kataloggestaltung mit der Graphikerin Alexandra Papadopoulou. Sie ist Tobias Rehbergers Freundin und spätere Frau, arbeitete, bevor sie sich mit einem eigenen Büro very 302 selbständig machte, im Designbüro von Chris Rehberger. Während Tobias Rehberger in Applesandpears, einen Großteil der Gestaltung delegierte und im Katalog nur in Form mehrfach gefilterter Arbeiten präsent war, tritt er nun selbst 300 Wolfgang Ullrich: Gesucht: Kunst! Phantombild eines Jokers, Berlin 2006, S. 156. 301 Pipilotti Rist: Partit amistós – semtiments electronics/Friendly Game – Electronic Feelings, Kat. Fundació Joan Miró, Funcació Caixa Girona, Barcelona 2010. 302 www.veryvery.de (18.5.2014).

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger mit seiner Handschrift, durch Collagen und auf Photos als Person in Erscheinung. Diese Präsenz wird in der Verlagsankündigung mit der engen Beziehung zwischen Künstler und Werk begründet. Es sei »nur folgerichtig, dass auch in dieser Publikation der Künstler selber sich einschaltet und dem Leser in einer eigens collagierten Zusammenschau sein Werk vorführt.« 303 – was nicht unbedingt zwingend erscheint, denn speziell die Arbeiten der Ausstellung beruhen eher auf der Funktion des Künstlers als Initiators als des Akteurs. Auch die gestalterischen Handschriften der mitwirkenden Personen kommen zum Vorschein: Chris Rehberger betont in Applesandpears sehr stark die Typographie, die Inszenierung der Texte, und verfolgt bei allem Variantenreichtum ein strenges, strukturiertes Konzept, während das Layout im von Tobias Rehberger und Alexandra Papadopoulou gestalteten Katalog locker und nonchalant wirkt, im Sinne des noch nicht ganz Abgeschlossenen.

Inszenierung eines Topos: Scheitern als Neubeginn (I die every day) Ebenfalls auf das Katalogmedium selbst angewandt, aber noch weiter getrieben, findet sich die Arbeit am Prozess in einem Katalog, der das Scheitern als fruchtbares Moment interpretiert. 2005 stellte Tobias Rehberger im Museo Reina Sofia in Madrid eine Serie von Arbeiten aus, die Projekte aufnahmen, die aus verschiedensten Gründen nicht zustande gekommen waren. Die Projektideen wurden in autonome Skulpturen aus starkfarbigem Plexiglas umgesetzt – dies auch in Bezug zum Ausstellungsort, einem historischen Glaspalast. Der Titel von Ausstellung und Katalog I die every day, 1 Cor. 15,31, der sich über die Redensart »das ist gestorben« mit den erfolglosen Projekten zusammenschließen lässt, ist wiederum ein Zitat, und als solches diesmal sogar durch die Angabe der Fundstelle gekennzeichnet. Es stammt nicht aus Filmen oder aus Popsongs, sondern aus der Bibel, aus dem ersten Brief an die Korinther, wo Paulus die tägliche Erfahrung von Gefahr und Tod angesichts mit dem Hinweis auf die Auferstehung rechtfertigt. Auf die Ausstellung und ihren Katalog übertragen: Das »Sterben« von Projekten ist nicht als Ende, sondern nur als Durchgangsstation auf dem Weg zu einer neuen, farbenprächtigeren und autonomeren Existenzform verstanden, was sich auch im Kontrast der bunten Umschlaggraphik und der Installationsansichten im Innenteil mit der schweren, von schwarzen Balken beherrschten Typographie am Anfang des Katalogs ausdrückt. Zeigt Geläut den Ausstellungskatalog in statu nascendi und verschafft so dem Rezipienten die Illusion, ganz nahe am Entstehen zu sein, so geht I die every day noch einen Schritt weiter: Hier wird die drucktechnische Fehlleistung im Katalog zum Akteur. Dieser Prozess ist schleichend und damit ziemlich subtil inszeniert. Er beginnt mit graphischen Merkwürdigkeiten: Im Schmutztitel erscheint dort, wo man den Ausstellungstitel

303 http://www.amazon.de/Tobias-Rehberger-Gel%C3%A4ut-bis-ichs/dp/3832172092 (18.5.2014).

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

Abb. 40

Tobias Rehberger: I die every day, 1 Cor. 15,31, 2005, Innentitel.

erwarten würde, nur ein langgezogener schwarzer Balken, wie eine geschwärzte Passage. Blättert man um, so erscheint der Titel in fetten schwarzen Lettern, doch ist der Querbalken von der Vorseite übernommen, was wie ein Druckfehler aussieht, denn so ist der Titel durchgestrichen – natürlich genau auf der Höhe des E-Mittelstrichs. Balken und Schrift verschmelzen zu einer Gesamtgraphik. (Abb. 40) Das Durchstreichen birgt auch eine semantische Dimension, transportiert Auslöschung und Ende, was jedoch wieder aufgehoben wird: Blättert man weiter, so fungiert die schwarze Linie als Unterstreichung, als Trennlinie zwischen Überschrift und Fließtext, erklärt sich also als typographisch funktional. Hier ist mit der Doppeldeutigkeit von Unter- und Durchstreichen, von Akzentuieren und Unkenntlichmachen, von Fehler und graphischem Reiz gespielt. In den folgenden Texten tauchen, zunächst nur an wenigen Stellen, Abschnitte in kleinerem Schriftgrad und leicht unterschiedlichem Schnitt auf. Schriftgrößen, Buchstabenund Zeilenzwischenräumen vermischen sich zusehends, das Schriftbild löst sich auf. Das Ergebnis erinnert an Entstellungen durch technische Defekte, Formatierungsfehler oder Computerviren, ist dabei ästhetisch reizvoll, erschwert aber die Lesbarkeit und entzieht den Texten bald jede Mitteilungsfunktion. Natürlich wird klar, dass es sich um keinen Dateifehler oder ein Versehen der Druckerei handelt – ein solcher Katalog würde niemals in die Auslieferung kommen, bei einer renommierten Institution wie dem Museo Reina Sofia schon gar nicht. Wie beim Katalog Geläut bekommt der Betrachter Einblick in den Produktionsprozess, hier ist er aber komplett fiktiv und bezieht sich nicht wie dort auf die Entwurfs-, sondern auf die Endphase, also genau auf den entgegengesetzten Ab-

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger

Abb. 41

Tobias Rehberger: I die every day, 1 Cor. 15,31, S. 79.

schnitt. Zugleich ist die Fiktion nicht so durchschaubar in ihrer Verfahrensweise und Absicht, damit subtiler. Sie ist ein Spiel damit, was alles bei Satz, Druckvorstufe und Druck eines Katalogs schiefgehen kann. Bei den Abbildungen vollzieht sich ein ähnliches Drama: Zunächst scheint der Beschnitt der Seiten verschoben, so dass weiße Streifen an den Bildrändern entstehen und die Seitenzahlen ins Bild rutschen. Passkreuze, Drucker- und Schnittmarken tauchen auf, die normalerweise außerhalb der Seitenränder liegen und nach dem Druck abgeschnitten werden, ebenso die sonst funktionalen Farbskalen, die zum Farbabgleich dienen; sie entfalten ornamentale Wirkung. Im Folgenden scheinen die Bilder fehlerhaft gedruckt; die Umrisse in den Farben Gelb, Blau, Magenta sind jeweils leicht versetzt. Man kennt solche Fehldrucke aus Supermarktprospekten und Zeitungen, jedoch kaum aus hochwertigen Druckerzeugnissen. Hier fingieren sie das Scheitern, das wie im Fall der Schrift, ästhetisch interessante Ergebnisse zeitigt: Farbflächen überlagern sich, scheinen transparent, nähern sich in der Wirkung der Überlagerung von Plexiglasflächen an, wie sie in der Ausstellung zu I die every day und in vielen weiteren Arbeiten und Katalogen Tobias Rehbergers auftauchen. E ist nicht leicht zu unterscheiden, was Resultat des Drucks ist, was die Arbeit selbst. (Abb. 41) Der scheinbare Fehldruck führt so zu einer Vereinheitlichung des Erscheinungsbildes von Rehbergers Arbeiten. Der Bildgegenstand, das abzubildende Objekt, verliert dabei an Wichtigkeit und geht in der bunten Gesamtwirkung auf. Ähnlich wie bei Funcionamiento silencioso, dem Katalog Eliassons zur Ausstellung im Glaspalast, aber verknüpft mit der Idee des graphischen GAU, wird der Mittelteil des

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Katalogs zur autonomen Graphik, der Katalog zum Künstlerbuch. Er gerät, wie Geläut, zur Darstellung eines Prozesses. Dort gab es ebenfalls eine quasi dramaturgische Gliederung, bei dem der sachliche Katalogteil etwa in der Mitte des collagierten Bilderstroms eine Zäsur setzte, bevor der Faden wieder aufgenommen wurde und eine Coda folgte. Doch stärker als dort ist in I die every day diese Gliederung dramatisch entwickelt: Das Durcheinandergeraten kündigt sich schleichend an, steigert sich, hat eine Klimax, läuft ruhig aus, in einer Art Wellendynamik. Dabei kehrt das Material nicht in seinen Ausgangszustand zurück, sondern durchläuft einen kompletten typographischen Veränderungsprozess. Die zunächst verwendete Schriftart wird schleichend ersetzt durch eine andere, die immer mehr dominiert und im Schlussteil die erste verdrängt hat. Auch das Layout ist diesem Austauschprozess unterworfen: Das System der Einspaltigkeit wird sukzessive aufgebrochen, Löcher entstehen, reißen Zeilen und Wörter auseinander. Es fügen sich neue Blöcke zusammen, die Mehrspaltigkeit setzt sich langsam durch, wobei einzelne Zeilen sich noch weiterhin über die ganze Seite ziehen oder isolierte Inseln stehenbleiben. Parallel dazu wird die Schrift kleiner, unter Benutzung der typographischen, auf Lesbarkeit ausgerichteten Regel, dass Zeilenlänge und Schriftgröße in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Die Anzahl der Spalten nimmt zu, bei noch wechselnder Größe. Ihre Breite gleicht sich aneinander an, ebenso wie Ausreißer gegenüber der gemeinsamen Randhöhe selten werden. Am Ende dieser Metamorphose stehen fünf neue, in Breite, Höhe und auch Schriftgröße einheitliche Textspalten. Das Vorgehen scheint nachdrücklich und radikal, auch was die Lesbarkeit der Texte angeht. Die Provokation gegenüber den Autoren, die ihre Texte derart malträtiert sehen, ist aber nicht ganz so stark, wie es auf den ersten Blick scheint. Es ist wohl kein Zufall, dass es sich bei den relativ unversehrt wiedergegebenen Texten um den einleitenden Kuratorenessay bzw. dessen englische Version handelt. Am Anfang und am Ende des Katalogs platziert, ist er nicht dem Verstümmelungsprozess unterworfen. Auch nicht betroffen ist der Teil, der in der Tradition der Ausstellungskataloge der wichtigste ist, das Verzeichnis der ausgestellten Arbeiten. Es befindet sich wie üblich hinten, und diese Konvention ist kalkulierte in das Konzept integriert. Weitere relevante Bestandteile wie Bibliographie und Ausstellungsverzeichnis liegen ebenfalls am störungsfreien Ende. Dass die Berichte über die gescheiterten Projekte in der Mitte positioniert sind, wo sie die stärkste Deformation erfahren, aber gleichzeitig bereits die Neuordnung sich abzeichnet, kann auch inhaltlich begründet werden: Die Texte rekonstruieren den hindernisreichen Weg bei Kunst-am-Bau-Projekten, bei denen bürokratische Hürden oder Finanzierungslücken zur Aufgabe führten, also den thematisch-gestalterischen Kern, bei dem das Misslingen, so die These des Katalogs, Motor von Neuschöpfung wird. Insgesamt visualisiert der Katalog I die every day ebenso wie Geläut einen Topos der Kunstproduktion, diesmal den von der paradoxen Fruchtbarkeit des Scheiterns. Anders als der von der Untrennbarkeit von Kunst und Leben scheint dieser aber in der Übersetzung ins Medium eines Buches noch nicht so stark besetzt und wiederholt. Die Konstituenten

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger wie Schrift und Farbe, die Druckprozesse selbst werden dem Katalogrezipienten ins Bewusstsein gerufen, bekommen starken Eigenwert und ästhetischen Reiz. Die Umsetzung wirkt, ähnlich wie in Applesandpears, mit der Betonung der typographischen Seite stringent und kohärent; man merkt, dass das Spiel mit den graphischen Mitteln professionell und mit Lust betrieben wird. Wie dort ist Chris Rehberger der Graphiker. In Ausstellung und Katalog wird nicht die Vorstellung des existentiellen Scheiterns als Voraussetzung für authentisches Künstlertum bedient, wie es etwa Jörg Scheller von der Romantik über Anselm Feuerbach und Paul Gaugin bis in die Gegenwart beschrieben hat: »Bis heute braucht Kunst die romantische Aura des Scheiterns, diesen Zug von Epik, Tragik, Opfer, Authentizität und Nicht-Identität.«304 Daran ist Tobias Rehberger nicht interessiert, und tatsächlich gäbe es dafür auch keinerlei Begründung in seiner künstlerischen Biographie, in der von Krisen und Brüchen wenig zu sehen ist. Den nicht realisierten Projekten steht eine ungleich größere Anzahl realisierter gegenüber, und auch die Entwurf gebliebenen Projekte sind eigentlich Aufweise des Erfolgs: In ihnen zeigt sich, mit wie vielen Institutionen und Auftraggebern Rehberger zusammengearbeitet hat, wie viele Anfragen für Beiträge, Ausstellungen und Kunst-am-Bau-Projekte er erhalten haben muss. Eher geht es um ein – produktionstechnisch gesehen durchaus rationelles – Recycling von Entwürfen und Ideen. Mit dem Rückgriff auf das sakral aufgeladene Bibelzitat, das graphisch dramatisch inszeniert wird, mit der Übertragung des Sterbens- und Auferstehungsmotivs auf den an und für sich wenig dramatischen Prozess einer Fehlleistung in der Buchproduktion wird dieses Motiv metaphorisch überhöht und damit ironisiert. Der Versuch, sowohl das Nichtzustandekommen eines Projekts als auch den verunglückten Druck eines Buches unter den Begriff ›Scheitern‹ zu fassen, mit dem man Schiffbruch, schweren Misserfolg, existenzielle Drastik verbindet, kann nicht ganz aufgehen. Es gab bei den steckengebliebenen Projekten kein missglücktes Ergebnis, sondern, bis auf Anträge, Entwürfe und Skizzen, zunächst gar keines. Und dass sie nicht verwirklicht wurden, lag nicht, wie der Katalogs es in Gestalt des Fehldrucks suggeriert, an Einwirkungen höherer Gewalt, an menschlichem oder technischem Versagen, sondern an finanziellen, bürokratischen, organisatorischen, also systemimmanenten Schwierigkeiten. Die Analogie liegt auf einer eher assoziativen Ebene: Beide Prozesse sind ungeplante Abweichung vom ursprünglich intendierten Resultat, was neue, gegenüber dem angestrebten qualitativ höher stehende Ergebnisse zeitigt; das Unkalkulierbare, der Zufall bekommt eine entscheidende Rolle. Gemeinsamer Nenner beider Vorgänge ist die Form des Umgangs mit den Abweichungen, die nicht als negativ-zerstörerisch, sondern als produk-

304 Vgl. Jörg Scheller: Das Feuerbach-Syndrom. Versuch über die Dialektik des Scheiterns in der modernen Kunst, in: Harald Pechlaner/Brigitte Stechhammer/Hans H. Hinterhuber (Hg.): Scheitern. Die Schattenseite des Daseins. Die Chance zur Selbsterneuerung, Berlin 2010, S. 57–76, hier S. 60.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele tiv deklariert werden. Diese Umwertung ins Positive wird aktuell in Kunst und Gesellschaft häufig versucht und vollzogen, siehe etwa den Untertitel Die Chance zur Selbsterneuerung eines Bandes über das Scheitern.305 Eine prominente Umdeutung wäre die von Ai Weiwei nach dem sturmbedingten Einsturz seiner architektonischen Skulptur Template (2007) auf der documenta 12: Die Arbeit sei besser als vorher. Besucher pflichteten ihm bei: Sie sehe auf eine eigenartige Weise viel eleganter aus.306 Was beim Umgang mit »gescheiterten« Projekten im Katalog I die every day überzeugt, ist die dezidierte Inszenierung, Weiterverarbeitung und Manipulation des Materials, die nicht auf die Authentizität eines missglückten Produkts rekurriert, sondern den Prozess weiter und ins Übersteigert-Groteske vorantreibt. Bei Rehberger machen die Projekte, nachdem sie ein erstes Mal verwandelt als Skulpturen ausgestellt wurden, im Katalog eine abermalige Wandlung durch, sie feiern gleichsam ihre zweite Wiedergeburt.

Vereinigung der Gegensätze: Neuproduktion und Retrospektive Die Beschäftigung mit der Idee einer Kette von Übertragungsprozessen lässt sich in Ausstellungsprojekten und Katalogen Rehbergers verfolgen, damit auch die Frage, wie das Verhältnis von aktueller Neuproduktion und retrospektiver Dokumentation zu gestalten sei. Dass diese Problematik sich stellt, hat auch zu tun mit seinem Karriereverlauf, in dem sich zunehmend Möglichkeiten zur Produktion aufwendiger retrospektiver Kataloge bieten, Retrospektivausstellungen im Rückgriff auf ein bereits vorhandenes umfangreiches Werk andererseits aber auch von Institutionen verstärkt nachgefragt werde. 2008 präsentierte Tobias Rehberger im Ausstellungsraum der von Miuccia Prada gegründeten Fondazione Prada (Mailand) die Ergebnisse seines Projekts On Otto, bei dem ein Film von seinem Ende her produziert, die Produktionskette ausgehend vom Filmplakat über Filmtitel, Filmmusik, Dreh, Drehbuch in umgekehrter Reihenfolge ihren Ablauf nehmen sollte. Anlässlich der Ausstellung erschienen gleich zwei Kataloge, Tobias Rehbergers bisher aufwendigste Publikation, nicht zuletzt auch deshalb, weil das Budget sehr großzügig bemessen war. (Abb. 42, 43) Ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Fondazione Prada realisierte, wie erwähnt, Thomas Demand 2007 den üppigen Katalog Processo grottesco/Yellowcake, der auch aus zwei Einzelbänden besteht. Die beiden Bände Tobias Rehbergers haben allerdings nicht, wie bei Demand mit Grotte und Yellowcake, unterschiedliche Arbeiten zum Gegenstand, die auf einer Ausstellung zu sehen gewesen wären. Es handelt sich vielmehr um zwei verschiedene Katalogoder gar Buchkategorien. Der eine Band, On Otto bezieht sich auf das gleichnamige Filmprojekt und wird im Vorwort als »artist’s book« angesprochen, der andere, On Solo, 305 Vgl. Pechlaner/Stechhammer/Hinterhuber, a.a.O. Man denke an »Scheitern als Chance«, Christoph Schlingensiefs Wahlslogan und Film von 1999; an Ausstellungen wie Scheitern, Landesgalerie Linz 2007. 306 Niklas Maak: Das Geschenk der Wettergötter, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.6.2007, S. 33.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger

Abb. 42, 43 Tobias Rehberger: On Otto. On Solo, Kat. Fondazione Prada Mailand 2007, Cover.

verzeichnet alle bisherigen Einzelausstellungen Rehbergers dokumentierend als Retrospektivkatalog. Wie bei Applesandpears und I die every day arbeitet Tobias Rehberger mit seinem Bruder Chris zusammen, und wieder ist die Vereinbarkeit der Gegensätze Thema. Produktion und Dokumentation werden in zwei unterschiedlichen Bänden gebracht, der Dualismus damit sichtbar gemacht. Beide Bücher sind jedoch eng verbunden, von gleichem Format und fast gleicher Dicke. Sie korrespondieren in der Farbgestaltung der Einbände und in den Layoutkonzepten. Als physisch vereinigende Elemente fungieren Hilfsmittel, die, ähnlich wie die Klettverschlüsse in Applesandpears, Flexibilität bei gleichzeitiger Kohärenz signalisieren. Diesmal sind die Elemente nicht in einem Ordner verborgen und an den Katalogen fixiert, sondern an die Oberfläche verlagert und haben mehr Außenwirkung. Es sind doppelsträngige Gummibänder, die sich über beide Bände spannen lassen und so zusammenhalten. In vier Grundfarben leuchtend bilden sie einen effektvoll-poppigen Kontrast zum Schwarz und Gelb der Einbände. Noch mehr als bei Applesandpears sind Haptik und Spieltrieb des Rezipienten angesprochen. Dort konnte er die Kataloge mit Hilfe der Klettverschlüsse auseinandernehmen, musste es aber nicht. Um dagegen die Bände aufschlagen, kann er gar nicht anders als die Gummis anzufassen – die Interaktion ist bereits impliziert. Auch lassen sich die Gummibänder wesentlich freier und auch unabhängig vom Katalog handhaben, es ergeben sich immer wieder neue Möglichkeiten der Anordnung und des ästhetischen Spiels. Durch die Beigabe dieser Gadgets, der »custom-made

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

Abb. 44 Tobias Rehberger: On Solo, S. 142 f.

elastic bands« bekommt das Katalogkonvolut den Charakter eines Multiples. Kein Wunder, dass es als »instantly collectible« gepriesen wird.307 Die Zusammengehörigkeit beider Bände ist durch die Titel On Solo und On Otto betont, die nicht nur durch dieselbe Präposition eingeleitet werden, sondern auch die gleiche Anzahl Buchstaben und identischer Vokale haben. Auch ist der Wortlaut der Vorworte in beiden Bänden derselbe. Die Bände sind aber andererseits nach Inhalt und Gestaltung unterschiedlich: On Solo dokumentiert, wie der Titel schon andeutet, Einzelausstellungen von Tobias Rehberger, und dies in vollständig katalogisierend-auflistender Form, so dass eine beeindruckende Zahl zusammenkommt, nämlich über 60. Sie sind fortlaufend chronologisch von 1990 bis 2007 aufgeführt, also in der klassischen Anordnungsart eines Retrospektivkatalogs, damit ähnlich wie Thomas Demands MoMAKatalog, nur dass dort bezeichnenderweise einzelne Bilder als Werke aufgeführt sind und nicht die Ausstellungen. Jede Dokumentation ist gleich und übersichtlich aufgebaut. (Abb. 44) Auf der linken Seite finden sich Jahre, Titel, Ort, und eine große laufende Nummer, die jeder Ausstellung einen Platz in einem als Kontinuum verstandenen Œuvre zuweist, daneben ein kurzer deskriptiver Text. Unten sind weitere Konstituenten einer Ausstellung abgebildet, Einladungskarte/Plakat sowie das Cover des begleitenden Kata307 http://www.amazon.com/Tobias-Rehberger-Otto-Ina-Blom/dp/8887029393/ref=pd_nr_b_70? ie=UTF8&s=books (24.04.2014).

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger logs. Installationsansichten sind auf der rechten Seite abgebildet, eine Verteilung von Text und Bild, die einem etablierten Layoutmuster folgt.308 Dieser Katalog hat alle Züge eines mustergültigen, sachlichen Werkverzeichnisses. Interessanterweise werden in dieser Systematik die Ausstellungen selbst, nicht nur wie sonst normalerweise die in ihnen ausgestellten Arbeiten als Werke verzeichnet und verstanden, damit eben alles, was mit ihnen in Verbindung steht, auch Einladungskarten und Kataloge. Der zweite Band hat genau dasselbe Format, zeigt aber anstatt des großformatigen und klaren Titels von On Solo den wild wuchernden und schwer lesbaren, aus einer Handschrift heraus entwickelten Schriftzug On Otto sowie eine Vielzahl von weiteren Bildelementen: Einen Kinosaal, ein projiziertes Filmbild, eine männliche Figur. Diese Gestaltung stammt von Tobias Rehberger selbst. Der Titel ist zugleich das Poster zum Film, das erste und einzige, was er selbst zum Film entwickelte und damit die – in diesem Fall rückwärts angelegte – Kette der Produktionsabläufe mit einer Vorgabe versorgte. So ist es einleuchtend, das Poster an den Anfang des Buches zu stellen. Der Katalog bekommt dadurch stärker künstlerbuchartigen Charakter. On Otto ist ähnlich strukturiert wie der »klassische« On Solo. Es gibt jeweils einen einleitenden Essay und ein Interview mit dem Kurator Germano Celant. Diese Parallelität stellt sich als übergeordnetes Prinzip heraus: On Otto ist eine Einzelausstellung, wie sie im Retrospektivkatalog dokumentiert werden, als solche an ähnliche Präsentationsprinzipien gebunden. Der nüchtern-sachliche Rahmen steht in gewissem Kontrast zum subjektiver gestalteten Teil, in dem das Projekt On Otto selbst präsentiert wird. Als visuelle Ergebnisse werden auch Zwischenstufen der Organisation und Interaktion abgedruckt, so beispielsweise Briefwechsel, zum Teil handschriftlich, Flugtickets, eine Zollerklärung. Daneben sind aber auch die materialen Manifestationen der eigentlichen Ergebnisse reproduziert wie durchgefaxte Partituren von Filmmusik und Soundmischungen, die dem übrigen Material als Hintergrundfolie dienen. Die Unterscheidung zwischen Prozess und Ergebnis ist aufgehoben. Im Unterschied zu Geläut ist das Material aber nicht durch (Privat)Photos angereichert, sondern konzentriert sich auf Gedrucktes mit graphischer Wirkung. Es entsteht eine Mischung von Dokumentation und autonomer Graphik, bei der immer wieder der bekannte »Rehberger-Code« zu erkennen ist. So werden die farbigen Einbände und die Ränder von Notizbüchern transparent in verschiedenen Größen übereinandergelegt, was zusammen mit der Handschrift und Briefpapier, auf dem sich unterschiedliche Schriften befinden, ästhetisch reizvolle Konstellationen ergibt. (Abb. 45) Die konzeptionelle und organisatorische Komplexität des Prozesses, die auch im vorgeschalteten Essay von Ina Blom betont wird, soll mit Überlagerungen und Überschneidungen vielfältigen Materials ihre Visualisierung finden. Diese Inszenierung überzeugt nicht ganz, weil man sich des Gefühls einer gewissen Redundanz dieser Verfahrens308 »Die linke Seite ist für die textliche Information bestimmt, die rechte Seite, die mehr ins Auge fällt, ist für die Abbildung reserviert.« Nikkels, Es erscheint ein Katalog, S. 47, vgl. auch S. 50 f.

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Abb. 45 Tobias Rehberger: On Otto, S. 52 f.

weise nicht erwehren kann. Das Prinzip der Arbeit mit Randmaterial finden sich schon bei David Carson, einer Kultfigur des Graphikdesign in den 1990er Jahren: »Ich musste damals interessante Layouts aus eigentlich langweiligen Photos […] entwickeln. Wenn das nicht zufriedenstellend ausfiel, bin ich auf die Wirkung von zunächst beiläufigem Originalmaterial wie Begleitbriefe, Manuskripte und Photokopien ausgewichen.« 309 Graphisch unkommentiert sind nur einige der Beiträge wie die Serie von Filmausschnitten, die Vorschläge für Kostüme, das Storyboard, die an sich schon soviel visuelle Information lieferten, dass eine zusätzliche Steigerung für unnötig gehalten wurde. Der Bildteil von On Otto beschränkt sich auf die Wiedergabe der Projektergebnisse selbst, zeigt keine Installationsansichten. Konzeptionelle Gründe lassen dies plausibel erscheinen: Die Ausstellungsarchitektur hatte selbst hohe Eigendynamik, sie bestand in vielfach verschachtelten stoffbespannten Boxen, in der die Filmsequenzen gezeigt wurden, eine »quietschbunte Kubenwelt.« 310 Anders als die Arbeiten von I die every day ist On Otto eine primär konzeptuelle Arbeit und erst in zweiter Linie eine skulpturale. Der Film und dessen raumgreifende, installative Präsentation sind unterschiedliche Dinge. Nicht so sehr das Ende der Produktion als fertiges Ergebnis soll gezeigt werden, als vielmehr der Prozess

309 David Carson: The End of Print, Kat. Neue Sammlung München 1995, S. 72. 310 Eva Karcher: Rolle rückwärts. Prada-Filmkunstprojekt, in: Süddeutsche Zeitung, 4.5.2007.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger selbst, ähnlich wie bei Demands Processo grottesco. Mit dem Verzicht auf Abbildung einer komplexen Ausstellungsarchitektur erinnert On Otto an Demands Nationalgalerie. Auch dort sollten Bilder der vielfältigen Display features nicht mit Arbeiten im Katalog konurrieren. Installationsansichten sind ausgelagert auf eine andere Publikation, den begleitenden Interviewband, was ähnlich auch bei Rehbergers On Otto unter Einbezug des zweiten Bandes On Solo geschieht: Dort findet sie sich, der Systematik entsprechend, On Otto als letzte Einzelausstellung verzeichnet, mit einem Grundriss der Ausstellungsarchitektur und Installationsansichten. Dadurch ist das Erscheinen eines zweiten, dokumentarisch orientierten Katalogs legitimiert, On Otto entlastet, sein Status als Künstlerbuch gesteigert. Es wird vermieden, das Thema der präsentierten Filmarbeit auf die Erstellung von On Otto selbst auszudehnen und dadurch zu doppeln. Von der Idee der Umkehrung der Arbeitsprozesse her, auf der der Film basiert, wäre es denkbar gewesen, den einführenden Text sowie das Interview erst am Ende zu bringen. Die Übertragung des Themas auf die Konstituenten eines Katalogs ist auch deshalb nicht durchgeführt, weil dies schon in einem früheren Stadium des Projekts geschehen ist: Bereits 1998 stellte Tobias Rehberger im Moderna Museet Stockholm die Idee eines von seinem Ende her produzierten Films vor. Die Ausstellung JP005 (Model for a Film) bestand nur in dem Teil der Produktionskette, den Rehberger sich als letzten bzw. ersten Schritt vorstellte: der skulptural-architektonischen Form, in der der Film gezeigt werden sollte, ein Holzkubus mit einer Sitzgelegenheit und einer Projektion, die nur aus Licht bestand. Der Film selbst existierte noch nicht oder nur als Idee. Die Umkehrung des filmischen Prozesses ist allein im Katalog umgesetzt, wodurch er wie Applesandpears zum integralen Bestandteil der Ausstellung und zu ihrer Komplettierung wird. Die äußere Form ist bescheiden, ein schmaler Paperbackband, die Art der Umsetzung unspektakulär. Sie fällt dem Leser erst gar nicht ins Auge, sondern kündigt sich durch kleine Irritationen an. Der Katalog trägt auf dem Umschlag keinen Titel, sondern nur das kleine Logo des Museums, was noch als Fortsetzung des materialen Understatements gelesen werden könnte. Innen beginnt er mit Bibliographie und Danksagung. Nach dem Ausstellungsverzeichnis folgt der Bildteil beginnend mit einem kryptischen Detail, der Holzmaserung der eingebauten Kinobox, die erst in Außen-, dann in Innenaufnahme gezeigt ist. Es schließen sich ein Interview und die Einführung an, Impressum und schließlich Titel befindet sich ganz hinten. Die Position der Bibliographie verwundert etwas, die Abwesenheit eines Titels auch, dagegen ist die Bildstrecke ja von außen nach innen denkbar. Dass die Seitenzahlen mit der letzten beginnen und von da an wie ein Countdown rückwärts laufen, nimmt man zunächst kaum wahr. Die eigentliche, auch funktionale Konfrontation mit dem Umkehrungsprozess ergibt sich erst beim Lesen des Interviews, das mit der letzten Seite beginnt und konsequent zurückschreitet. Das Moment der Irritation, das an ähnliche Strategien der Herstellung von Mehrdeutigkeit und Unlesbarkeit in Applesandpears und I die every day erinnert, vermittelt sich hier stark. Der

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Wechsel von Schwedisch und Englisch trägt zur Verwirrung bei, die gesteigert wird durch die Verteilung des Textes: Die Zeilen beginnen auf allen rechten Seiten in Leserichtung links flatternd-unregelmäßig und suggerieren dadurch ein Zeilenende, während sie rechts bündig abschließen, was sonst einen Anfang signalisiert, sind also ebenfalls umgedreht. Man wird, auch jenseits dieser typographischen Verunsicherung, durch die Anordnung der Texte auf einfache, aber wirkungsvolle Weise auf den medialen Unterschied zwischen einer potentiell reversiblen Bildsequenz und einem Text in einem Buch mit seiner linearen Zeichen, Zeilen- und Seitenfolge gestoßen, der nicht in beide Richtungen lesbar ist, außer auf kurze Strecken als Palindrom, wie es als Katalogtitel mit »Otto« verwendet ist. Von JP005 (Model for a Film) aus wird auch die Entscheidung plausibler, in On Otto den Katalog nicht in Analogie zu der ausgestellten und in ihm gezeigten Arbeit als Palindrom zu gestalten: Einmal, da dies eine Selbstwiederholung und ein Déjà-vu-Erlebnis beim Katalogrezipienten bedeuten würde, der den älteren Katalog kennt. Das inhaltliche Argument ist noch einleuchtender: Bei JP005 (Model for a Film) gab es ja den eigentlichen Film noch nicht, nur einen skulpturalen Bestandteil des Projekts. So konnte der Katalog diese noch inexistente Stelle besetzten und auf seinen eigene Inhalt anwenden. Er wird so selbst zum Modell, zum Entwurf. Bei On Otto ist die Arbeit existent, sie noch einmal dem Prozess der Umkehrung zu unterwerfen, wäre wohl eine Volte zuviel gewesen. Anders als beispielsweise Thomas Demands Katalog L’Esprit d’Escalier (2007), der das Motiv der Treppe durch Stanzungen in die Buchform überträgt, dominiert nicht der Inhalt den Aufbau und die Erscheinungsform. On Otto bildet gleichsam die Rahmenerzählung, referenziert weniger auf sich selbst als auf eine übergeordnete Ebene. Interessant ist bei gleicher Thematik von JP005 (Model for a Film) und On Otto der materiale Gegensatz beider Kataloge: Was als eher bescheidene Umsetzung eines Projektes mit skizzenhaftem Charakter begann, hat sich nach zehn Jahren zum kapitalen Großkatalog angewachsen. Damit ist eindrücklich auch ein Karriereverlauf abgebildet. Großformatig, fast monumental fällt auch der Katalog zu zwei Ausstellungen Rehbergers 2008 aus, also relativ kurz nach On Otto/On Solo. Interessieren soll hier vor allem, wie das Problem der Retrospektive angegangen wird. Bereits Applesandpears hatte drei Einzelausstellungen zusammengefasst, dabei versucht, Kohärenz zu schaffen und eine Zusammenschau zu bieten, jedoch gleichzeitig die Ausstellungen individuell zu präsentieren und im Gesamtkatalog etwas zu produzieren, das mehr sein sollte als die Summe seiner Teile. Mit On Solo erscheint erstmals ein chronologischer Überblick über die Einzelausstellungen Rehbergers. Der Katalog eines aktuellen Projekts wird verbunden mit einer retrospektiven Monographie; in der Aufteilung in Einzelbände sind beide Aspekte jedoch klar getrennt. In seiner nächsten Publikation geht Rehberger ähnlich vor, wobei er Ausstellungskatalog und Monographie stärker verknüpft. Die Retrospektive von 2008 im Stedelijk-Museum Amsterdam und im Museum Ludwig in Köln lief unter dem Titel The chicken-and-egg-no-problem wall painting, spielte mit der Henne-Ei-Metapher an auf das Abhängigkeits- und Wechselverhältnis von Ursache

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger

Abb. 46

Tobias Rehberger 1993–2008, Köln 2008, S. 94 f.

und Wirkung, auf das alte Problem der Beziehung zwischen Vorhandenem und Neuem, erklärte es aber souverän-salopp mit »no problem« zu gar keinem Problem. In der Ausstellung reihte Rehberger Arbeiten nicht chronologisch oder thematisch, sondern räumlich linear auf und beleuchtete sie von einer Seite. Die an Boden und Wand geworfenen, zum Teil farbigen Schatten und Lichtreflexe bildeten eine neue Installation, die durch Nachzeichnen der Schatten und Hinzufügen graphischer Elemente als Wandarbeit ausgebaut wurde. Die Ausstellung zeigte somit gleichzeitig vorhandene, ältere Arbeiten als auch eine neue, die aus den vorhandenen generiert wird. Der Katalog greift beide Aspekte auf. Allerdings verschieben sich die Gewichte hin zur retrospektiven Monographie: Dies wird bereits aus dem Katalogtitel deutlich, der nüchtern Tobias Rehberger 1993–2008 lautet und den flamboyanten Titel der Ausstellung nicht mehr aufführt. Die Referenz auf die Ausstellung ist damit gelockert, auch wenn im Inhaltsverzeichnis der Ausstellungstitel zweimal auftaucht, einmal als Überschrift für ein Interview zur Ausstellung, dann als Inhaltsangabe für die Bildstrecke mit Installationsansichten aus dem Stedelijk Museum. Ein Werkverzeichnis nimmt den größten Teil der Publikation ein und beginnt chronologisch mit den ältesten Arbeiten. Gegenüber On Solo, wo die ausgestellten Werke im weiteren Raumzusammenhang abgebildet und mit den Abbildungen von Postern, Einladungskarten und Katalogen vereint waren, ist jetzt der Blick auf einzelne Objekte gerichtet und nicht auf das Ensemble der jeweiligen Ausstellung – wenn sich Objekt- von Installationsansichten auch häufig nur schwer unter-

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele scheiden lassen und teilweise dieselben Bilder auftauchen. Beide Teile werden verknüpft und vermischt: Eingestreut in die Retrospektive sind immer wieder Bildstrecken der Museumsinstallation, wo die vorher abgebildeten Arbeiten »in Aktion« in der aktuellen Ausstellung zu sehen sind. (Abb. 46) Dabei stimmen die Arbeiten, die auf den Installationsansichten und den Einzelaufnahmen gezeigt sind, nicht immer überein, sondern es sind teilweise andere, zusätzliche gezeigt. Mit dieser Differenz zwischen »Vorbild« und »Abbild« erinnert das Verfahren an das von Thomas Demand, der eine exakte Gegenüberstellung von Bildvorlagen und den darauf beruhenden Photoarbeiten vermeidet. Um die Bilder der Retrospektive von denen der Installation zu trennen, sind letztere ganzseitig gegeben und durch eine gegenüberliegende Leerseite freigestellt. Dadurch wirken sie präsenter als die übrigen Bilder, die durch breite Ränder, durch Interferenz mit weiteren Abbildungen sowie mit den Bildlegenden zurückgenommen sind. Die qualitative Präsenz der Installationsansichten sucht so die quantitative Überlegenheit der retrospektiven Abbildungen auzubalancieren. Uta Grosenick beschreibt im Vorwort die Intention des Katalogs: »Die historische Herangehensweise an sein Werk, die Tobias Rehberger […] konsequent verweigerte, wird in dieser Monographie spielerisch umgesetzt.« (S. 7) Als spielerisch-verspielte Elemente könnte man die bunten Lesebändchen zählen, analog zu Klettverschlüssen und den Gummis der bisherigen Kataloge. Doch insgesamt ist die subjektive Gestaltung stark zurückgenommen, vor allem, wenn man ihn mit den vorangehenden Ausstellungskatalogen wie Geläut vergleicht. Schaltete Rehberger sich dort in die Gestaltung mit ein, so ist sie diesmal komplett Alexandra Papadopoulou und ihrem Büro überlassen. Der retrospektive Aspekt wird unterstrichen durch den Abschnitt »Werkbeschreibungen«. Sie sind nicht nur Deskription, sondern auch Interpretation und Kontextualisierung. Es dürfte vor allem dieser Teil sein, der als »Abhilfe« gegen die oben zitierte Verunsicherung in Rehberger-Ausstellung empfohlen wird.311 Auf dem hinteren Umschlag ist er eigens hervorgehoben. Ein ähnliches Verzeichnis gibt es zwar bereits im Pocket Dictionary von 2001, der aber nicht in einem derart prominenten Ausstellungszusammenhang veröffentlicht und deshalb weniger wahrgenommen wurde, im Gegensatz zum Katalog, der zur Ausstellung in zwei bekannten Museen als Monumentalband erscheint. Zu den Werkbeschreibungen kommen weitere Elemente eines historisch-wissenschaftlichen Katalogverständnisses: Bibliographie und Ausstellungsverzeichnis. Der Katalog ist als Komplement zur Ausstellung intendiert und bekommt eine Funktion, welche die Kunst dort bewusst nicht haben sollte, nämlich Dokument zu sein und in chronologischer Reihung die Entwicklung des Œuvres zu veranschaulichen. Dies hing auch mit der Installation selbst zusammen, die mit ihrem Schattenbild und ihrer Wandmalerei so groß, aber auch so ephemer war wie kaum eine vorhergehende Arbeit Reh-

311 S. D. [Sandra Danicke] in: art, 11/2008, S. 128.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger bergers. Festhalten und Abbilden waren diesmal eminent wichtig, die entstandenen Bilder das Bleibende. Diese dokumentarisch-informative Funktion ist in anderen Katalogen Rehbergers wie Applesandpears und in I die every day zugunsten eines Verständnisses des Katalogs als eigenständige Arbeit zurückgenommen. Tobias Rehberger 1993–2008 hat so für die Ausstellung eine wichtige Referenz- und Entlastungsfunktion. Die von den Kuratoren gewünschte Retrospektive findet im Katalog und nicht im Museum statt. Die Kunstwerke können in immer neue Zusammenhänge gestellt werden und ein Eigenleben führen. Sie werden von Reproduktionen im Katalog gedoubelt. An dieser Stelle könnte man die Betrachtung der Ausstellungskataloge Rehbergers beenden, scheint doch mit der retrospektiven Monographie als Ausstellungskatalog das Thema der »Wiederauferstehung« vorhandener Arbeiten kaum mehr zu steigern. Was aber noch lohnend erscheint, ist ein Blick auf die Rolle und Präsentation der Bücher und Kataloge als Gegenstand in Ausstellungen und Katalogen.

»Total-Service-Denken« – Kippenberger, Rehberger »Ein Katalog war ein eigenständiges künstlerisches Werk und musste in allen Aspekten diesen Ansprüchen genügen. Die Gestaltung und Produktion von Katalogen und Künstlerbüchern gehörte zu jenem Total-Service-Denken […], demzufolge man keinen der normalerweise mit der Produktion und dem Handel mit bildender Kunst zusammenhängenden Vorgänge – Einladungskarte, Eröffnungstermin, Party, Essen, […] Plakate und andere PR/Werbung, schließlich Katalog – der automatischen Entscheidung der Profis oder der Routine überlassen durfte.«312

Hier ist nicht von Tobias Rehberger die Rede, sondern von Martin Kippenberger, bei dem Rehberger Anfang der 1990er Jahre studierte. Auch wenn Kippenberger nicht eigentlich zu den »zeitgenössischen«, d. h. noch lebenden Künstlern gehört, da er 1997 starb, so trifft, was Diedrich Diederichsen als seine Katalogpoetik herausstellt, auch auf viele gegenwärtig aktive Künstler zu, verblüffend auch auf Rehberger, ein Zusammenhang, der bisher selten bemerkt wurde. Das Interesse soll im Folgenden nicht nur dem Stellenwert von Katalogen an sich gelten, sondern auch der Art, wie sie in Ausstellungen und Werkverzeichnissen präsentiert werden; dies wiederum im Hinblick auf das Problem der Retrospektive. Rehberger macht Publikationen schon bald als Bestandteil seines Werks deutlich: Bereits Cancelled Projects von 1995 enthält neben dem Verzeichnis der Ausstellungen auch eines bis dato produzierter Kataloge. Sie sind jeweils mit dem Cover bebildert, bekommen so eigene Präsenz, die freilich noch durch den Hinweis »Weitere Arbeiten in:« relativiert ist: Kataloge sind als Referenzmedien, aber noch nicht als autonome Werke deklariert, auch, da es noch überwiegend um Gruppenkataloge handelt. Doch zunehmend werden

312 Diedrich Diederichsen: Die Leseratte, in: Uwe Koch (Hg.): Kommentiertes Werkverzeichnis der Bücher von Martin Kippenberger 1977–1997, Köln 2002, S. 14.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele sie als eigenständige Medien begriffen, bis hin zur Ausstellung flach 2010 im Museum für angewandte Kunst Frankfurt, bei der sie erstmals als Werke präsentiert sind. Von Kippenberger gibt es eine derart viele Künstlerbücher und Kataloge, dass ihre Bedeutung kaum zu übersehen war und in Form eines kommentierten Werkverzeichnisses gewürdigt wurde – über 140 Publikationen führt es auf. Während er aber ein solches erst post mortem bekam, sorgen jüngere Künstler bereits zu Lebzeiten für eine entsprechende Dokumentation ihrer Druckerzeugnisse. Hierin bilden sich Prozesse der Institutionalisierung des Kunstbetriebs und Professionalisierung der Produzenten ab. Bei Rehberger geschieht dies, in Anbetracht seiner langjährigen und großen Produktion, relativ spät, 20 Jahre nach dem Erscheinen seines ersten Katalogs 313, was zusammenhängt mit seiner allgemeinen Reserve gegenüber der wissenschaftlich-dokumentarischen Form und mit der Absicht, Kataloge eher als Medium der Neuproduktion als der Retrospektive zu verwenden. So erscheint dann auch kein Werkverzeichnis, das allein die Kataloge und Bücher zum Gegenstand hätte. In Anlehnung an die Poetik Kippenbergers sind sie nicht isoliert präsentiert, sondern eingebunden in den Werkzusammenhang. Auch geschieht eine systematische Dokumentation erst in anderen retrospektiven Katalogen wie On Solo. Dort sind, wie wir gesehen haben, Einladungskarten, Plakate und Katalogcover als integrale Betandteile der jeweiligen Ausstellung mit abgebildet, im Kontext von Installationsansichten und Werkabbildungen – was bei Rehberger in vielen Fällen eine besondere Berechtigung hat, wo das Plakat als Impuls häufig eng mit der Ausstellung verbunden ist. Diese scheinbaren Nebenprodukte wie Einladungskarten und Kataloge bekommen in zeitgenössischer Kunst immer höhere Präsenz314, werden zunehmend in Ausstellungen gezeigt, in Katalogen abgebildet und dadurch in den Werkkontext integriert; wir werden bei den Publikationen Olafur Eliassons noch darauf zurückkommen. Bei Rehberger scheint sich das Bewusstsein für die Bedeutung von Katalogen zu verstärken: In Tobias Rehberger 1993–2008 sind Büchern und Ausstellungskataloge noch zusammengefasst mit Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, Literatur über Rehberger also, und noch nicht als eigene Werkgruppe geführt. Dies geschieht erst in flach. Wenn auch nicht eigens im Titel genannt, so waren sie Bestandteil der Ausstellung, unter der Rubrik ›Buchkunst‹ – was den Akzent auf ihren Kunstwert legte. Das Buch hat wieder eine Doppelfunktion: Es soll sowohl einen Überblick bieten über die Ausstellung im Museum als auch über die begleitende Plakatierung im öffentlichen Raum in Frankfurt, wofür Rehberger Plakate entworfen hatte, die von ihm besonders geschätzte Konsumprodukte oder Dienstleistungen bewarben. Wie im Katalog Geläut, wo es eine Bildstrecke mit solchen Plakaten gab, sind öffentlicher Raum und Kunstraum verbunden, an beiden Orten sind 313 Tobias Rehberger: Hochhäuser, Felsen, Rudis, Tore, Schäferhunde, Frankfurt/Main 1990. 314 Vgl. Claudia Herstatt: Zum Wegwerfen viel zu Schade. Galerien verschicken Einladungen, die manchmal fast schon Kunstwerke sind, in: Weltkunst, Nr. 11/2008, S. 114.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger

Abb. 47 Tobias Rehberger: flach, Kat. Museum für Angewandte Kunst Frankfurt/Main 2010, S. 184f.

dieselben Objekte zu sehen, werden aber unterschiedlich wahrgenommen. Die Schnittstelle ist wiederum der Katalog: Hier sind Photos der Plakate im Außenraum ebenso wie Installationsansichten im Innenraum abgebildet, die Ausstellung wird erst durch diese beiden Seiten im Katalog komplettiert. Interessant ist die Präsentation der Bücher in Ausstellung und Katalog: Die Publikationen sind nicht einzeln abgebildet und systematisiert, in ihrem Maßstab aneinander angeglichen wie im Werkverzeichnis von Martin Kippenberger oder auch in der Encyclopedia von Olafur Eliasson. Sie sind als Ensemble im Raumzusammenhang der Ausstellung photographiert, aufgeschlagen oder teilweise aufgestellt, in schräger Aufsicht, etwa aus der Höhe eines stehenden Betrachters, auf zwei Doppelseiten abgebildet. (Abb. 47) Die Liste mit den bibliographischen Angaben flankiert auf Außenspalten die über zwei Seiten gezogenen Photos, die so die Bücher an die Originalgröße annähern. Ähnlich wie in Applesandpears sind Text und Bild getrennt, es gibt kein Verweissystem, die Liste folgt ihrer eigenen chronologischen Anordnung. Der Zugriff ist dem Leser nicht zu leicht gemacht, nur in wenigen Fällen kann er die Beschreibungen den Büchern zuordnen, da mehrere liegend aufgeschlagen sind oder sich die Buchtitel in der Schrägansicht schwer lesen lassen.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Die Bücher sind in der Ausstellung in zwei Arten präsentiert, von denen nur die erste im Katalog abgebildet ist315: einmal in großen Vitrinen, die an sich bereits skulpturale Objekte, Möbel im Stile Rehbergers darstellen. Bei ihnen handelt es sich nicht um rein funktionale, elegante Tische, wie sie etwa Thomas Demand zur Präsentation seiner Kataloge 2009 in der Ausstellung Nationalgalerie verwendet hatte, sondern um Glaskuben, die auf Sockeln ruhen und so an Minimal-Art-Skulpturen etwa von Donald Judd erinnern. Die Sockel sind weiß, doch die obere Fläche, auf der die Bücher liegen, ist hellblau gestrichen, an den Kanten im Spiel mit Retro-Ästhetik weich abgerundet. Die Vitrinen haben keine Seitenwände, die einen Blick auf die senkrechte Lese-Ansicht von oben konzentrieren würde, wie es bei Demands Vitrinen der Fall war. Die präsentierten Bücher sind von allen Seiten zu sehen und bekommen weniger den Charakter von Publikationen als von Skulpturen auf einem Podest. Zu dieser Anmutung trägt die Inszenierung der Bücher selbst bei: Die meisten sind flach ausgelegt, einige jedoch senkrecht aufgestellt, andere aufgeschlagen und in ihrer Position fixiert mittels zwischen die Seiten gesteckter Elemente aus Plexiglas, die ihrerseits Objekte sind und dem skulpturalen Repertoire Rehbergers zu entstammen scheinen. Die Bücher zeigen ihr stark farbiges Innenleben und ergeben bizarre Formen, gerade das Künstlerbuch cOPy BrAIN, die zum Zeitpunkt der Ausstellung neueste Produktion, ist so aufgespreizt, dass neonrote- und grüne Seiten entgegenleuchten, ähnlich ist der Buchblock von Tobias Rehberger 1993–2008 so angehoben, dass der orangerote Vorsatz sichtbar wird, über dem sich die Seiten wie Flügel eines Vogels wölben. Es gibt zu den Katalogen Legenden, jedoch sind sie nicht, wie sonst meist üblich, in den Vitrinen neben die Objekte gelegt oder auf Schildern angebracht, sondern von außen als schmale Streifen auf die Vitrinenscheiben geklebt. Damit ist die Zuordnung von Text und Exponat erschwert, aber gleichzeitig der Bezug zur Ausstellung mit den Plakaten hergestellt, die ebenfalls senkrecht an die Wände aufgebracht sind. Die Zettel werden zu Affichen, die sich in der Sicht durch die Vitrinen mit den Wänden und den anderen Arbeiten darauf verbinden. Das Thema der Überlagerung transparenter Flächen ist so abermals präsent. Für den Katalog sind Photos mit derartigen Situationen ausgewählt. Zusammen mit den Legenden im Katalog, die auf ähnlich breiten Spalten gedruckt sind, entsteht ein Dopplungseffekt. Insgesamt sind die Objekte in den Vitrinen und im Katalog in ihren skulpturalen Eigenschaften und als Bestandteil der Gesamtinstallation inszeniert, bei der ein retrospektiver Charakter wiederum vermieden ist. Durch Abbildung im Katalog ist dieser prospektiv-skulpturale Aspekt akzentuiert gegenüber der zweiten Präsentationsart der Bücher in der Ausstellung. Neben den Vitrinen ist an einer Wand ein schmaler Tisch mit Sitzgelegenheiten aufgebaut. Hier liegen die Bücher, die in den Vitrinen als museale Exponate ausgestellt und 315 Laut Auskunft des Museums für Angewandte Kunst Frankfurt vom November 2011. Im Katalog ist nur die Sicht in die Vitrinen abgebildet, was man an den leichten Lichtreflexen im Glas erkennt.

Die Wiedergeburt der Ausstellung – Kataloge bei Tobias Rehberger vom Besucher abgetrennt sind, zum Berühren und Blättern offen aus, in der Art einer öffentlichen Leseecke oder Bibliothek. Die Funktion als Gebrauchsobjekte ist betont, was sich trifft mit weiteren Arbeiten wie Plakaten, die auch in ihrer Funktionssituation im öffentlichen Raum gezeigt werden. Die Bücher changieren mit diesen zwei Präsentationsarten zwischen Kunst- und Funktionsobjekten, wie die Arbeiten in Rehbergers Ausstellungen und wie die Präsentationseinheiten, mit denen sie gezeigt werden. Hier ließe sich nochmals auf Kippenberger zurückkommen, die Art, wie er Bücher ausstellte und das Problem der Retrospektive anging: 1993 präsentierte er im Centre Pompidou seine Buchproduktion, im Rahmen der Ausstellung mit dem ironischen Titel candidature à une rétrospective. Er zeigte sie in einer 16 Meter langen Reihe von Vitrinen chronologisch angeordnet. Jedoch waren sie mit Material angereichert, das die Systematik durchbrach: Gegenüber befanden sich Kataloge und Bücher anderer Autoren, die als Anregungen und Referenzen gedient hatten. »Aufgrund der langen, geschlossenen Reihe und der Fülle des Materials war es nahezu unmöglich, dieses Durcheinander aus seltenen Künstlerbüchern, irgendwelchen Katalogen, Kultbüchern, Geheimtips und unsinnigem Schund auf die Ordnung hin zu lesen, die von der anderen Seite gegeben war […].«316

Das »Eigene« und das »Fremde« vermischte sich im Blick des Betrachters, was in der Buchproduktion Kippenbergers mit der Appropriation von Formaten und Reihentiteln eine zentrale Praxis war. Wie bei Rehberger wird durch die Art der Präsentation das Dokumentarische einer Retrospektive unterlaufen.

Zwischenfazit Tobias Rehberger benützt Kataloge weniger als Medium der Information denn der Transformation und Übersetzung, was auch Interpretation und Neuproduktion bedeutet, bei der Kontrollverlust, Missverständnisse und Irritationen einkalkulierte Bestandteile sind. Verschiedene Arten der Abbildung unter graphischer Veränderung des Ausgangsmaterials, aber auch der Verzicht auf Kontextualisierungen tragen zur Verselbständigung des Katalogs bei. Die Zusammenarbeit mit »Interpreten«, die Auslagerung der Gestaltung spielt dabei, ähnlich wie in seinen skulpturalen und konzeptuellen Arbeiten, eine wesentliche Rolle. Hier werden Angebote zur Partizipation gemacht, zur Umsortierung und Veränderung des Materials, im Gegensatz zu Katalogmodellen der 1960er Jahre aber verstanden als konzeptuell verstandene Möglichkeiten einer »Benutzung«, weniger als tatsächlich wahrzunehmende. Speziell der Katalog als graphisch zu gestaltendes Objekt bietet Gelegenheit zum Einbezug von biographisch-privat verbundenen Personen wie seinem Bruder 316 Roberto Ohrt in: Koch, Werkverzeichnis Kippenberger, S. 30.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Chris Rehberger oder seiner Frau Alexandra Papadopoulou, die beide professionelle Graphikdesigner sind. Die Personalisierung, die Herstellung einer Beziehung zwischen Kunst und (Privat)leben, auf die Tobias Rehberger in zahlreichen Arbeiten Wert legt, lässt sich so im Katalogmedium weiter- und vorführen, am deutlichsten im Katalog Geläut – bis ich’s hör …, wo sich Rehberger auch selbst mehr als in anderen Katalogen ins Spiel bringt. Dort ist auch die Prozessualität der Kunstproduktion als Faksimile eines Katalogs im Entwurfsstadium demonstrativ hervorgehoben und einem konventionell-statischen, »perfektem« Verzeichnisteil entgegengesetzt. Diese Betonung des Prozessualen lässt sich auch in vielen weiteren Künstlerkatalogen beobachten, etwa bei Thomas Demand, oder, in Verbindung mit dem Privaten, bei Pipilotti Rist. Hier liegt also ein Interessensschwerpunkt zeitgenössischer Katalogproduktion überhaupt. Generierung von Veränderungen bei der Reproduktion einer Ausstellung findet sich ausgebaut in folgenden Katalogen Rehbergers wie I die every day, wo der Topos ›Scheitern als Neuanfang‹ virtuos als Ergebnis einer missglückten Übertragung der Ausstellung in den Katalog, als fehlgeschlagene Katalogproduktion inszeniert wird, die aber graphischästhetisch eigenwertige Ergebnisse zeitigt, so dass man von einer »Wiedergeburt« der Ausstellung aus dem Geist des Katalogs sprechen könnte. Die Autonomie der Buchproduktion drückt sich auch darin aus, dass sie ausgestellt und als Teil des Werks präsentiert wird. Es ergibt sich eine potentiell fortsetzbare Kette von Ausstellungen und Katalogen, die wiederum Ausgangspunkt für neue Projekte werden können. Mit zunehmendem Erfolg und wachsender Nachfrage produziert Rehberger auch umfangreichere, eher dokumentarisch orientierte Kataloge. Die Reserve gegenüber rein retrospektiven Ausstellungs- und Katalogprojekten führt zu Kombinationen zwischen retro- und prospektiven Katalogen, die Bestandteile mit unterschiedlichem Akzent zu trennen (On Otto. On Solo, 2008) oder wie in Tobias Rehberger 1993–2008 und flach (2010) zu vereinigen suchen. Diese Spannung zwischen konservierend-dokumentarischem und autonom-künstlerischem Katalog als autonomes künstlerisches Medium ist auch in den Publikationen Olafur Eliassons präsent. Noch stärker als bei Rehberger scheinen sie medienreferenziell auf die Vermittlung ihrer Vermitteltheit und auf die Kommunikation mit dem Leser ausgerichtet. Bei Olafur Eliasson sei die Rolle weiterverfolgt, die Kataloge und Bücher in Büchern selbst spielen.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge »Books play an important role« »Avoid too conclusive catalogues« – Von der Katalogkritik zum Katalogœuvre »Books play an important role in your work« stellt Hans Ulrich Obrist in einem Interview mit Olafur Eliasson 2008 fest, um das Thema ›Bücher und Kataloge‹ zu eröffnen.317 Es wird kaum mehr als angerissen, erwähnt werden als eine Art Vorschau Eliassons zukünftige Publikationsprojekte und seine Vorliebe für Bücher von Dieter Roth, bald landet das Flugzeug, in dem beide sitzen, und das Gespräch über Bücher ist für diesmal beendet. Bei Eliasson denkt man vor allem an seine aufwendigen und großen Arbeiten, seine gigantischen künstlichen Sonnen und Nebel wie in The Weather Project in der Turbinenhalle der Tate Modern 2003/04, sein Spiel mit Natur- und Wahrnehmungsphänomen, das sich nicht nur in Museen findet, sondern auch in zahlreichen architektonischen Projekten wie der Fassade des Opernhauses von Reykjavik. Dass Bücher eine wichtige Rolle im Werk Eliassons spielen, scheint in der Wahrnehmung demgegenüber fast unterzugehen. Immerhin fand ein Buch als Filmrequisit, als repräsentatives Coffee Table Book im Haus des englischen Premierministers, Eingang in Roman Polanskis Film Ghostwriter (2009): An prominenter Stelle ist der voluminöse Taschen-Band Studio Olafur Eliasson. An Encyclopedia zu sehen. Von keinem anderen Künstler seiner Generation sind so viele eigenverantwortete Publikationen erschienen. Im Herbst 2011 waren es über 60 318, Gruppenkataloge und Bücher über Eliasson nicht eingerechnet, und es kommen ständig neue dazu. Dabei handelt es sich nicht nur um Ausstellungskataloge, sondern auch um Monographien, Künstlerbücher, um Dokumentationen von Projekten und Symposien, wobei die Trennung der Gattungen bereits schwierig ist. Bei Tobias Rehberger etwa ist die Zahl der Publikationen groß, aber noch einigermaßen überschaubar – in der Ausstellung flach waren 22 gezeigt, und auf dem relativ beschränkten Raum von zwei Doppelseiten eines Katalogs abgebildet und aufgeführt. Sie lassen sich überwiegend als Ausstellungskataloge einordnen, und auch wenn die Grenzen zwischen den Buchgattungen offen gehalten werden, so ist bei ihm nur bisher ein Buch ausdrücklich als Künstlerbuch bezeichnet. Bei Thomas Demand ist die Lage ähnlich, obgleich sich die Bandbreite seiner Publikationen zuletzt sehr erweitert hat. Bei Eliasson erschweren Menge und Heterogenität des Materials sowie die Vielfalt der Aktivitäten und Anlässe, zu denen sie erschienen sind, zunächst Einordnung und Zugang. Beim Durchblättern von großformatigen und aufwendigen Katalogen stellt sich auf einer subjektiven Ebene häufig ein Gefühl des Staunens und des Überwältigtseins ein, ähnlich wie bei manchen monumentalen Arbeiten Eliassons, gefolgt von einem Abwehrreflex angesichts des Überwältigungsversuchs und 317 Hans Ulrich Obrist: Olafur Eliasson. The Conversation Series 13, Köln 2008, S. 138. 318 Vgl. http://www.olafureliasson.net/publications.html#Bibliography (23.05.2014).

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele seiner perfekten Inszenierung. Bei Eliasson scheint die Autonomisierung und Professionalisierung der von Künstlern initiierten Buchproduktion am stärksten fortgeschritten, Ergebnis und Aufweis weitreichenden Vernetzseins, die Möglichkeiten der Abbildung und der Übertragung von Arbeiten in das Buchmedium ausgiebig genutzt. Nicht umsonst spricht Luca Cerizza von der Eignung Eliassons als »perfect ›case study‹«319 für zeitgenössische Künstlerpublikationen überhaupt. In einem Interview mit der erstaunlichen Entwicklungsgeschichte vom photokopierten, alternativen Low-Budget-Katalog Ende der 1990er Jahre hin zu zahllosen Publikationen und zur arriviert-monumentalen Encyclopedia konfrontiert, erklärt Eliasson interessanterweise den Impetus zum Büchermachen als »paradox« aus seinem Unbehagen am Katalog zu Beginn seiner Karriere. Er äußert Skepsis gegenüber der standardmäßigen Produktion Anfang der 1990er Jahre »with the purpose of solidifying the position of the artist as early as possible«, mit den hergebrachten Bestandteilen wie Ausstellungsdokumentation, Kuratorenessay und »of course, an interview with the artist.«320 Dies erstaunt zunächst, denn man würde annehmen, dass auch Eliasson Kataloge und Interviews als Mittel zur Etablierung benützt und so früh als möglich damit begonnen hätte; immerhin ist auch diese Äußerung in einem Interview innerhalb eines Katalogs zu lesen. Stattdessen nimmt er eine medienreflexive, katalogkritische Position ein. Anfangs habe er es überhaupt vermieden, Kataloge zu machen: »I realised that the worst thing for me would be to have a book consolidate my work within a fixed context or tradition. I was afraid that my work would be misconceived because art history, […] was very formal at the time […]. So for quite a while […] I avoided making a catalogue.« 321

Das erinnert an die Äußerung Barnett Newmans, wonach Kunst »a struggle against the catalogue« sei. Der Katalog wird als unangenehme Festschreibung, Festlegung begriffen. »The sleek picture book, the footnote-peppered monograph, the eulogistic catalogue are various attempts to pin down the artist, to explain away his art in defining it. […] The catalogue is the enemy […]«322 kommentiert Thomas B. Hess Newmans Äußerung – freilich ebenfalls im Rahmen eines Katalogs, in dem er die Widerständigkeit von Newmans Bildern zu zeigen sich bemüht. Die Kunst soll ihre Autonomie bewahren gegenüber dem Zugriff des Katalogs und damit der Kunstgeschichte, die auf Kategorisierung und Einbindung in ihr Geschichts- und Theoriegebäude aus ist. Diese Kritik am Katalog lässt sich stärker gerichtet auf das Kunstsystem und seine Institutionen auch in der Konzeptkunst der 1960er Jahre wiederfinden und in der Entwicklung des Künstlerbuchs als

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Olafur Eliasson: TYT (Take Your Time), Vol. 2: Printed Matter, Köln 2009, S. 2. Interview mit Luca Cerizza in: Eliasson, TYT 2, S. 50. Ebd., S. 50. Barnett Newman, Kat. Museum of Modern Art, New York 1972, S. 15. Newmans Äußerung entstammt nach Thomas B. Hess einem Textentwurf für einen Katalog des Malers Adolph Gottlieb.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge eigengesteuerte, alternative Publikationsform. In diese Tradition stellt sich Eliasson mit seinen ersten Veröffentlichungen, die er bewusst als Kataloge und gleichzeitig als Künstlerbücher bezeichnet. Dabei ergibt sich ein erneutes Paradox: Anstatt auf kommentatorische und interpretatorische Texte von Kunstkritikern oder -historikern zu verzichten, setzt Eliasson ganz bewusst auf sie. Seit den 1960er Jahren, angefangen mit Ed Ruschas rein aus Bildern bestehendem Photobuch Twentysix Gasoline Stations, gilt die Abwesenheit von (Meta)texten als Indikator oder gar als Voraussetzung für den Status als autonomes Künstlerbuch und damit als Distinktionsmerkmal vom traditionellen Katalog. So heißt es etwa in der Verlagsmeldung über das Künstlerbuch cOPy BrAIN von Tobias Rehberger, es komme »auf über 300 Seiten bis auf Titel und Impressum ganz ohne Text aus.« 323 Eliasson dagegen investiert einen Großteil des Budgets seines ersten Einzelkatalogs von 1997 in das Honorar für einen Text des von ihm besonders geschätzten Kunsthistorikers Jonathan Crary, der seitdem zu Eliassons Stammautoren zählt.324 Wenn Eliasson sich als anfangs »young and uncertain« und als Spätentwickler in Sachen Katalogproduktion beschreibt, was relativ ist, denn Eliasson hatte bereits eine Anzahl Gruppenkataloge vorzuweisen, so hat er doch von Anfang an ein Gespür für den Wert und die Nachhaltigkeit von Texten und für die Zusammenarbeit mit interessanten Autoren. Bereits ein Jahr nach seinem »Erstling« erscheint der Katalog Users, der im zitierten Interview als Beispiel für die bescheidenen Anfänge seiner Buchproduktion genannt wird, noch von günstiger Herstellung als Paperback in reinem Schwarzweißdruck und kleiner Auflage von 400 Exemplaren. Der Anlass ist aber schon ein prominenter, nämlich die Beteiligung an der Biennale in São Paulo. Das Buch ist bereits 200 Seiten stark und enthält Texte von gleich 14 Autoren (Abb. 48), darunter Daniel Birnbaum, Hans Ulrich Obrist, Lars Bang Larsen, Jan Winkelmann, die nicht nur Beobachter der Kunstwelt, sondern in den folgenden Jahren als Kuratoren auch Mitwirkende sind, so dass sich die Wahl der Autoren auch als strategisch im Hinblick auf zukünftige Zusammenarbeit lesen lässt – wenn man ein solches Denken unterstellt. Dabei haben die Texte nicht die traditionelle Funktion von Katalogtexten, zu erklären oder kunsthistorisch zu verorten: »I guess the fear of being misconceived […] turned into a wish to support a certain way of verbalising my work, surrounding it with texts, not just to protect it from art history, but to keep it open, […] and to avoid too conclusive catalogues.«325 In der Tat erscheinen Texte in Eliassons Katalogen oftmals als eine Diskurswolke, die Dinge diffus erscheinen lässt, ein Streueffekt stellt sich ein, bedingt durch die Vielzahl der Texte und Gegenstände, verfasst von Autoren, die jeweils unterschiedliche 323 http://www.dumont-buchverlag.de/sixcms/detail.php?id=6146 (5.5.2014). 324 Olafur Eliasson: The curious garden, Kat. Kunsthalle Basel 1997. Weitere Texte Crarys: Abstraktes Sehen, in: Your Lighthouse, S. 20–31, Your Colour Memory, in: Minding the world, S. 219–225. 325 Eliasson, TYT 2, S. 51.

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Abb. 48, 49 Olafur Eliasson: Users, Kat. Biennale São Paulo, [Berlin] 1998, o. S.

fachliche Hintergründe und Perspektiven haben. Diese Strategie, den Katalog zum Schauplatz einer Versammlung unterschiedlichster Texte und Autoren zu machen, und dabei eher Deutungsmöglichkeiten zu öffnen als zu begrenzen, findet sich auch bei Katalogen anderer Künstler, wie bei Eliassons langjährigem Atelierkollegen Thomas Demand, der enger kunstkommentatorische, werkbezogene Texte auch mit essayistischen oder literarisch-fiktionalen Texten mischt, siehe den erwähnten Katalog zur Ausstellung im Kunstverein Freiburg aus dem selben Jahr 1998 mit zwölf Textbeiträgen. Allerdings stehen sie bei Demand meist im engeren Bezug auf dessen Bilder, während sie in Users eher lose, assoziative Berührungspunkte mit Eliassons Arbeit aufweisen, Wahrnehmungsphänomene, Reflexionen über leere Räume, Flug- und Zugmaschinen, die Sonne zum Gegenstand haben (Birnbaum), Briefe an den Künstler (Obrist) oder Berichte über die Begegnung mit ihm sind (Winkelmann). Aber ein konkreter, interpretierender Bezug auf einzelne Arbeiten wäre auch schwierig, da sie im Katalog nicht abgebildet sind. Es werden Verweise auf sie gegeben durch Pläne und Projektskizzen, Making-of-Photos weiterer Arbeiten (Abb. 49), Referenzbilder zu den Essays der Autoren, alles in der Tat nicht »too conclusive«. Die Vermeidung von endgültigen und eine Ausstellung möglichst objektiv wiedergebenden Katalogen ist eine Konstante im Œuvre Eliassons, sie sind eher Ort für Diskurse und Spiel mit Darstellungsformen. Gerade diese Haltung macht ihn für Kuratoren und Institutionen interessant, siehe sein Katalog Surroundings Surrounded zur Ausstellung im ZKM Karlsruhe, der auf einem ähnlichen Konzept der Rücknahme des Werks gegenüber

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge den Beiträgen einer Unzahl von Autoren bestand und als monumentaler Paratext Eliassons Werk umkreist.

Die Bibliographie als Werkverzeichnis und Werk Ende 2009 erschien ein Werkverzeichnis aller bis dahin erschienenen Publikationen Eliassons. In ähnlicher Weise wie bei Tobias Rehberger sei die Frage gestellt, wie sie in Verzeichnissen und in Ausstellungen selbst inszeniert werden, welche Rückschlüsse sich daraus für die Bedeutung des Mediums ergeben. Als Vorstufe des Werkverzeichnisses in der Form eines eigenständigen Buches soll der Teil eines Katalogs Aufmerksamkeit bekommen, der sonst wenig beachtet wird, da er sich ganz hinten befindet und als Anhang und »Apparat« nur dokumentarisch-referenzielle Funktion zu haben scheint: die Bibliographie als ein Katalog im Katalog. Aber auch solche Verzeichnisse haben werkkonstruktive Funktion, durchaus im Sinne eines Apparats oder Instruments. Die Entwicklung der Bibliographien Eliassons gibt Aufschluss über den wachsenden Stellenwert der Publikationen als Werkbestandteil. In der Phaidon-Monographie von 2002 sind einer Chronologie Abbildungen von Einladungskarten, Plakaten und vereinzelt auch Katalogcovern eingefügt.326 Hier wird bereits das »Beiwerk« einer Ausstellung als abbildungswürdig und als integraler Bestandteil der künstlerischen Aktivitäten gesehen, ähnlich wie in Tobias Rehbergers On Solo. In einer folgenden Bibliographie im engeren Sinn sind Kataloge und Artikel nach Autorennamen geordnet, der Künstler selbst, auch wenn er als Autor die meisten Einträge hat, erscheint noch eingeordnet in die egalisierende alphabetische Systematik. Hier sind Kataloge und Bücher noch nicht eigens als Werkgruppe hervorgehoben, ähnlich wie in Tobias Rehberger 1993–2008. Von dessen Umgang mit der Buchproduktion unterscheiden sich die Angaben in Eliassons Katalogen durch den Anspruch auf Vollständigkeit und Eigenständigkeit. In The Weather Project (2004) gibt es eine Bibliographie der Publikationen, aufgegliedert, analog zum Ausstellungsverzeichnis, in Kataloge zu Einzel- und Gruppenausstellungen. Sie nimmt auch denselben Raum ein wie das Ausstellungsverzeichnis, eine Doppelseite, und stellt damit ihre Bedeutung unter Beweis. Eine abermalige Steigerung an Eigengewicht und wissenschaftlich-dokumentarischem Anspruch stellt der Anhang im Katalog zur Ausstellung Take Your Time im San Francisco Museum of Modern Art 2007 dar 327, eine Art Kombination der vorhergehenden Systematiken, auf nunmehr 13 Seiten, dreispaltig und in kleinem Druck. Zusätzlich gibt es einen Index, in dem nicht nur Werk- und Ausstellungstitel aufgeführt sind, sondern auch Museen und Institutionen, Personen und sogar Themen, auf die in Abbildungen oder Essays Bezug genommen wird. Mehr kann man zur wissenschaftlichen Aufarbeitung eines Werkes und als Quellenmaterial für künftige Beschäftigung kaum tun. Ein Index im Retrospektivkatalog von Thomas Demand zur Ausstellung im MoMA, 2005, 326 Madeleine Grynsztejn (Hg.): Olafur Eliasson, London 2002, S. 148–158. 327 Olafur Eliasson: Take your time, Kat. San Francisco Museum of Modern Art, London 2007.

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Abb. 50 Bibliographie aus: Studio Olafur Eliassson. An Encyclopedia, Köln 2008, S. 516.

der sich als Äquivalent heranziehen lässt, verzeichnet dagegen »nur« Personen und Werke, die in den Begleittexten referenziert sind. Derartige Indizes sind keine Routineangelegenheit, in ihnen drückt sich ein Interesse von Seite des Künstlers und noch mehr der ausstellenden Institution aus, das Werk mit dem kunstgeschichtlichen und gesellschaftlichen Diskurs zu verknüpfen und dadurch Relevanz herzustellen. Nicht zuletzt aus der Üppigkeit und Akribie von Bibliographie und Indizes resultiert der hohe Stellenwert, der dem Katalog von Seiten des ausstellenden Museums zugesprochen wird, er ist »destined to become the authoritative text on Eliasson as well as a lasting resource on contemporary installation art.«328 Vom »struggle against the catalogue« ist man denkbar weit entfernt. Die bisherige Aufarbeitung und Darstellung der Publikationen Eliassons war zwar an Vollständigkeit nur schwer zu überbieten, aber für den Rezipienten recht spröde. Die visuelle Darbietung steigert sich im Weiteren: In Studio Olafur Eliasson. An Encyclopedia 328 http://www.sfmoma.org/about/press/press_exhibitions/releases/308 (25.4.2014).

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge

Abb. 51 Uwe Koch (Hg.): Kommentiertes Werkverzeichnis der Bücher von Martin Kippenberger 1977–1997, Köln 2002, Taf. 12.

(2008) ist eine illustrierte Bibliographie abgedruckt, als noch kondensierter und nüchterner Vorgänger des separaten Buches Take Your Time. Vol. 2 – printed matter (2009). (Abb. 50) Sie nimmt die Stelle ein, die in anderen Katalogen eine bebilderte Werkübersicht hat, die indexikalisch einen Überblick über das vorher großformatig reproduzierte Werk gibt, und in der Tat ist das Künstlerbuch Your House weiter vorn in Encyclopedia als eigenständiges Objekt abgebildet. Was den Werkcharakter der Publikationen zusätzlich betont, ist der einheitlicher Reproduktionsmaßstab bei der Abbildung der Cover, wie man ihn in Werkverzeichnissen von Malern findet, etwa im erwähnten Catalogue raisonné der Gemälde von Gerhard Richter, aber auch in dem der Bücher von Martin Kippenberger. Die Bebilderung steigert die akkumulierende Schlagkraft der Bibliographie, auch sind die Abbildungen systematisch in Längsspalten geordnet, im Gegensatz eben zum Kippenberger-Verzeichnis, wo die einzelnen Cover locker und nicht linear über die Seiten verteilt sind, aus ästhetischen Gründen, und wohl auch, um ein Kippenberger gewidmetes Buch nicht zu streng erscheinen zu lassen. (Abb. 51) Bei Eliasson ist die

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele linear-chronologische Abfolge gewählt, durch die sich Entwicklungen verfolgen lassen und in der die Stetigkeit der Produktion vor Augen geführt wird. Als einkalkulierter Nebeneffekt entwickeln die unterschiedlichen Größen, Formate und Farben der Cover einen mosaikartigen Reiz. Auf der letzten Seite der Auflistung bleibt Platz frei – Raum für zukünftige Publikationen. Es soll nicht der Eindruck eines abgeschlossenen, sondern eines offenen, fortzusetzenden Prozesses entstehen. Interessanterweise sind den Publikationen Kategorien wie Künstlerbuch, Katalog, Monographie und Interviewbuch zugeordnet. Dass diese Bezeichnungen auch zutreffen, dagegen lässt sich von außen schwer argumentieren, schließlich handelt es sich um Angaben der Produzenten selbst. Die Informationen gehören damit zu den paratextuellen Hinweisen, ähnlich wie Gattungsangaben, etwa »Roman« in literarischen Texten, zu denen Genette schreibt: »Dieser Status ist insofern offiziell, als Autor und Verleger ihn diesem Text zuschreiben wollen und kein Leser diese Zuschreibung rechtmäßig ignorieren oder vernachlässigen darf, selbst wenn er sich nicht verpflichtet fühlt, ihr zuzustimmen.«329 Aus der Zuschreibung lässt sich die Absicht eines Autors zur Steuerung der Rezeption, aber auch sein Selbstverständnis ablesen. So legt beispielsweise Florian Slotawa Wert darauf, dass bei Abbildungen seiner Arbeiten in bestimmten Fällen auf Bildlegenden die Werkgattung »Skulptur« mit angegeben ist. Das Abgebildete soll damit nicht als Ready-made oder Installation verstanden werden, aber auch nicht als reine Photoarbeit.330 Für Thomas Demand ist vergleichbar die Definition von Bildkategorien wichtig, etwa als »Detail« oder »Production still«, wie zu sehen war. In Bibliographien von Künstlerkollegen Eliassons sind derartige Gattungsangaben zu Büchern selten. In Rehbergers Katalog flach sind keine gemacht, was auch dem geringen Interesse Rehbergers an der Definition von Funktionskategorien entspricht. In der Bibliographie im Katalog zu Demands Ausstellung im MoMA 2005 gibt es einen Abschnitt »Exhibiton Catalogues and Books«, wo aber ebenfalls keine näheren Angaben gemacht werden, wohl weil dafür keine Notwendigkeit gesehen wird. Im Verzeichnis von Kippenbergers Büchern werden Einordnungen getroffen, allerdings gibt es dort nur die Option für jeweils eine Kategorie, entweder »Katalog« oder »Künstlerbuch«. In Encyclopdia erwecken die Angaben im Verbund mit der maßstabsgetreuen Abbildungsart und den präzisen Formatangaben den Eindruck wissenschaftlicher Objektivität. Sie definieren lakonisch und lassen das Dilemma der Kategorisierung als keines erscheinen. Bei Eliasson ist oft mehr als eine Möglichkeit angegeben und eine Kombination offengelassen: Funcionamiento silencioso wird als »Artists’s book / exh. cat.« bezeichnet, ebenso Sonne statt Regen, The Blind Pavilion, Your engagement has consequences und viele mehr. Diese Angaben werden noch Anlass geben, einige der Publikationen auf die Bezie329 Genette, Paratexte, S. 94. 330 »Florian Slotawa: Schätze aus 2 Jahrtausenden, 2001, Skulptur«, in: Albert Coers: deposito provvisorio, Berlin 2008, S. 68.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge hung Ausstellung-Katalog hin zu befragen. Bei vielen Publikationen, bei denen es möglich gewesen wäre, wurde gerade nicht ausschließlich die prestigeträchtigere Einordnung als reines Künstlerbuch gewählt, mit der Verlage und Ausstellungshäuser, aber auch Künstler selbst gern renommieren, wie Barbara Bader kritisch angemerkt hat 331, sondern die Mischform angegeben. Es geht bei diesen Kategorisierungen also auch um die demonstrative Überschreitung und Erweiterung der Gattungsgrenzen wie ›Monographie‹ und ›Ausstellungskatalog‹. Neu erscheint die Kategorie des Interviewbuchs (»Conversation book«), die mehrfach vertreten ist.332 Sie fließt mit der von Katalog und Künstlerbuch zusammen, da auch dort Interviews vielfach breiten Raum einnehmen. Der größte Teil an Text in Encyclopedia selbst besteht aus einem Gespräch, insofern könnte die Publikation auch als Interviewbuch angesprochen werden. Die Verschmelzung der Kategorien ›Werkkatalog‹, ›Künstlerbuch‹, ›Monographie‹, ›Interviewbuch‹, die mit den Statusangaben in der Bibliographie implizit verfolgt wird, lässt sich hier am besten beobachten. 2009, nur wenige Monate nach Encyclopedia, erschien TYT (Take Your Time) vol 2: printed matter (im Folgenden TYT 2), ein Werkkatalog der produzierten Bücher, aber mit künstlerischem und selbstreflexivem Anspruch. Die Wichtigkeit, die ihm beigemessen wird, lässt sich auch am Publikationskontext erkennen. Er erschien als zweiter Band der vom Studio Eliasson selbst produzierten und herausgegebenen Reihe über die Arbeit des Studios. Der erste Band 333 bietet einen Überblick über die räumlichen Experimente, also einen Schwerpunkt von Eliassons Arbeit, siehe auch das von ihm gegründete Institut für Raumexperimente. Wenn der zweite Band den Publikationen gewidmet ist, so werden sie als auf gleicher Stufe stehend und von erstrangiger Bedeutung dargestellt. Verzeichnisse der erschienenen Publikationen gibt es natürlich auch von anderen Künstlern, für die Bücher eine große Rolle spielen, etwa von Christian Boltanski 334, Dieter Roth335, oder eben von Martin Kippenberger, und es scheint, als ob die Aufmerksamkeit auf die eigenen Publikationen bei zeitgenössischen Künstlern allgemein immer größer wird. So hat etwa auch Thomas Huber 2012 einem Katalog seiner Texte eine kommentierte und mit Coverabbildungen illustrierte Bibliographie beifügen lassen 336, was die Wichtigkeit der Texte und des gedruckten Mediums für ihn unterstreicht. Dieses Vorgehen, diese Sorgfalt scheint sich immer mehr zum Standard zu entwickeln. Doch sind solche Bücherkataloge, zumal, wenn sie als eigenständige Bücher erscheinen, meist erst nach einer langen Karriere wie bei Boltanski oder im Fall von Roth und Kippen-

331 Vgl. Bader, Künstlerbücher, S. 55 ff. 332 Neben Obrist, Olafur Eliasson, Conversation Series, auch The Goose Lake Trail (Southern Route). A Road Conversation between Olafur Eliasson and Hans Ulrich Obrist, Köln 2006. 333 TYT (Take Your Time) Vol. 1: Small spatial experiments, Berlin 2007. 334 Christian Boltanski: Artist’s books 1969–2007, Paris 2008. 335 Dieter Roth: Bücher + Editionen. Catalogue Raisonné, Hamburg/London 2004. 336 Thomas Huber: Mesdames et Messieurs. Conférences 1982–2010, Genf 2012.

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Abb. 52 Olafur Eliasson: TYT 2: Printed Matter, Köln 2009, S. 18f.

berger sogar erst posthum zusammengestellt. Außerdem sind sie in bibliographischer Katalogtradition und als pragmatische Liste gestaltet, als ein Verzeichnis von Büchern, das nicht auf sich selbst, sondern auf Elemente außerhalb verweist. TYT 2 signalisiert gegenüber den dokumentarisch-wissenschaftlich angelegten Katalogen weitergehenden, auch performativen Anspruch. Die sachliche Darstellung in Form eines klassischen Werkverzeichnisses ist auf die vorausgegangenen Publikationen ausgelagert, so dass jetzt freier mit dem Material umgegangen werden kann, auch in Form anderer Systematiken. Der Meta-Katalog soll dem Leser vor Augen führen, wie viele Möglichkeiten der Anordnung und Abbildung es gibt, jenseits der gewohnt-linearen, und wie relativ und relational sie sind, durchaus im Sinn einer Vermittlung der Vermitteltheit. Dabei sind auch die Eigenschaften des Buchmediums reflektiert. Es gibt mehrere Arten eines Verzeichnisses. Ein graphisch sehr auffälliges findet man nicht vorne, sondern ähnlich wie in Demands Lenbachhaus-Katalog erst nach einer Bildstrecke. (Abb. 52) Es handelt sich dabei aber nicht um ein Inhaltsverzeichnis, das den Aufbau des Buches abbildet, wie man vielleicht denken könnte, sondern um eine Liste der Bücher Eliassons, die in ihm enthalten sind, chronologisch nach Erscheinungsjahr geordnet. Die typographische Darstellung ist ungewöhnlich: Die Titel der einzelnen

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge Bücher sind der Anzahl ihrer Seiten, also ihrer Dicke entsprechend groß gedruckt. Auf diese Weise ist ihre materielle Erscheinung visualisiert, ohne sie selbst abzubilden, wie es in Encyclopedia mit den Einbänden geschehen war, das Prinzip eines einheitlichen Maßstabs ist aber beibehalten. Die Chronologie ist ebenfalls graphisch übersetzt: Die Publikationen eines Jahres sind einen festgelegten Abstand eingerückt, so dass sich eine treppenartige Abfolge von gleichbreiten, aber unterschiedlich hohen Absätzen ergibt, da die Höhe ja durch die Menge der im Jahr erschienenen Bücher, aber auch durch die ihrer Seiten bestimmt ist. Zeitliche und räumliche Systematik sind so verknüpft. Diese Darstellungsart assoziiert man mit dem stufenförmigen Modell einer Fort- und Höherentwicklung, von kleinen Anfängen zu einem erreichten Plateau. Um diese wohl als zu als prätentiös und eindeutig empfundene Assoziation abzuschwächen und verschiedene Modelle zeitlicher Anordnung vorzuführen, ist die Stufenfolge keine auf-, sondern eine absteigende, die Publikationen also chronologisch rückläufig, in Leserichtung oben links beginnend angeordnet. Damit ist die Anordnung gegenläufig zu der im Rest des Buches. Die Stufen verlaufen nicht in ununterbrochener Folge, sondern bis zum unteren Seitenrand und beginnen dann wieder oben auf einer neuen Seite. Die Art der Darstellung gibt dann auch, durch die Verknüpfung unterschiedlicher Parameter, kein zu eindeutig-lineares Bild der Buch- und Katalogproduktion: Zwar nehmen Dicke und Anzahl der Publikationen aufs Ganze gesehen zu, und es lässt sich eine Konzentration in jüngerer Zeit ablesen, doch gibt es bereits zu Anfang umfangreichere Kataloge wie Users, ebenso wie es auch dünnere mit jüngerem Erscheinungsdatum gibt. Dass einzelne Bücher wie etwa Your House, Studio Olafur Eliasson. An Enycyclopedia, Surroundings Surrounded das Mittelfeld der Doppelseite schlagzeilenartig beherrschen, verstärkt den nicht-linearen Eindruck. Ein anderer Modus der Repräsentation ist der in ausführlicheren Einzeldarstellungen, bei denen Cover und einzelne Seiten abgebildet sind und ein Text über Entstehungszusammenhang, Autoren und Besonderheiten beigefügt ist. Hier sind die Kataloge und Bücher zwar insgesamt chronologisch aufsteigend angeordnet und nummeriert, aber mit zahlreichen Ausnahmen, Schleifen und Sprüngen. So beginnt die Bezifferung mit »2« für users (1997), schreitet mit »3« und »4« fort, dann aber taucht bereits »7« auf. Nummer 1, also der erste Katalog, wird erst viel später aufgeführt. Mit dieser subjektiven Anordnung ist natürlich auch eine Gewichtung verbunden. Als dritte Abbildungs- und Anordnungsart sind die Publikationen als Objekte im Raumzusammenhang wiedergegeben, in Regalfächern im Atelier Eliassons. (Abb. 53) Durch die senkrechte Aufstellung wird jetzt die Höhe deutlich, während es bei der typographischen Umsetzung die Tiefendimension war, auch treten jetzt die Cover und ihre Farbigkeit in den Vordergrund. Der Atelierzusammenhang ist durch die spezielle Form der Regale hergestellt, die als Präsentationseinheiten für Arbeiten Eliassons entwickelt wurden. Die Publikationen sind vor, hinter oder neben Arbeitsmodelle von Skulpturen und geometrischen Körpern gestellt. Durch die Nachbarschaft mit den dreidimensio-

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Abb. 53

Olafur Eliasson: TYT 2, S. 22f.

nalen Modellen ist Körperlichkeit und Objekthaftigkeit der Bücher betont, ihr Charakter als Artefakte, ihre Zugehörigkeit zum Gesamtwerk Eliassons und seines Studios. Die Aufstellung folgt keiner Chronologie, sondern ist rein ästhetisch bestimmt durch die Kombination untereinander, durch das Prinzip der Abwechslung und der Assoziation mit den Modellen. Im Gegensatz dazu steht eine weitere Systematik, die nach einem inhaltlichen, diachronen Prinzip verfährt: Aufgeschlagene Kataloge, in denen die Abbildung einer bestimmten Arbeit auftaucht, sind als Gruppe zusammengelegt und photographiert, so dass sich eine Collage von Abbildungen derselben Arbeit ergibt – wir werden noch darauf zurückkommen. Diese Art der Ordnung ist auch eine ästhetische, dabei notwendig selektiv und exemplarisch, da ja nicht alle Bücher durch Abbildung auf eine Arbeit referieren, und nicht alle Arbeiten in allen Katalogen vertreten sind. Nach dem Durchspielen von so vielen Möglichkeiten der Darstellung, Abbildung und Ordnung von Büchern gibt es, gleichsam als Erholung und als Rückkehr zu gewohntkonventionellen Verfahren, am Ende, als Katalog im Katalog, ein linear-chronologisch fortlaufendes Verzeichnis der Publikationen als Bibliographie, die als letzte Nummer sich selbst aufführt und damit gleichzeitig das Impressum liefert, ein letztes Spiel mit der

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge selbstreferenziellen Logik eines Katalogs und mit den obligatorischen Bestandteilen eines Buches. Die Zuschreibungen der Publikationsgattungen aus Encyclopedia finden sich hier wieder. Als kleiner, aber nicht ganz unbedeutender Unterschied ist die Einordnung nicht am Ende der bibliographischen Angaben zu lesen, sondern am Anfang, gleich unter dem Buchtitel, wo sie größeres Gewicht bekommt. Nach dem Blick auf TYT 2 in seiner betont »poetischen« Katalogform verwundert es kaum, dass das Buch selbst hier als »artist’s book« rubriziert ist.

Bücher und ihre Ausstellung (Mediating experience) Seine Publikationen versteht Eliasson als künstlerische Aktivitäten mit deutlichem Ortsund Zeitbezug, »anchored in a concrete space or location, usually a social experiment, a symposium, or a museum exhibition.« 337 Eliasson betont das Referenzkriterium, das wir zur Definition des Ausstellungskatalogs herangezogen hatten – der Bezug auf das Ereignis ›Ausstellung‹. Allerdings ist dieses nur mehr eines unter mehreren, die zum künstlerischen Kontext gehören, die Museumsaustellung ist erst an letzter Stelle genannt. Dies ist untertrieben, denn die überwiegende Anzahl von Publikationen entstand und entsteht weiterhin als Ausstellungskataloge. Doch ist das Spektrum der Anlässe erweitert. Das Werkverzeichnis-Künstlerbuch TYT 2 wird selbst ausgestellt, und zwar anlässlich der Buchmesse artelibro in Bologna im Herbst 2009, begleitet von Podiumsgesprächen, Vorträgen, Interviews – und der Ausstellung der im Katalog vorgestellten Publikationen mit dem programmatischen Titel Mediating experience: Olafur Eliasson’s books. Gezeigt werden die Publikationen nicht auf der Buchmesse selbst und nicht in einem Museum – anders als etwa die Bücher Demands und Rehbergers – sondern in der Universitätsbibliothek von Bologna. Dort sind sie nicht in Vitrinen und damit als Kunstwerke mit Distanz zum Betrachter ausgestellt, sondern aufgeschlagen auf den langen Tischen des historischen Lesesaals. Der Ort sowie die Präsentation fordern zur Benutzung und Berührung auf, zum haptischen Kontakt, ähnlich, wie Eliassons Installationen und Skulpturen auf die körperliche Einbeziehung des Betrachters zielen. Nur Your House, ein großformatiges und empfindliches Buch, ist dem direkten Zugriff entzogen und wird von einem Aufseher, der durch seine weißen Handschuhe und seine Dienstleistung wie ein Butler erscheint, dem Besucher vorgeführt, der Status als Künstlerbuch dadurch unterstrichen. Mit der Ansiedelung im Studiensaal einer Universitätsbibliothek, noch dazu der von Bologna, einer der ältesten Universitäten Europas, betont Eliasson die Verbindung seiner Arbeit mit der Wissenschaft. Durch die visuell eindrücklichen Einbettung in den Hintergrund der Bücherschränke ist auf die Bedeutung von historischen Büchern unterschiedlichster Themenfelder als Quelle und Anregung verwiesen. Seine eigenen Publikationen ordnen sich ein in die Wissenschaftsgeschichte, erheben den Anspruch, Beiträge zum Diskurs zu sein und die in der Vormoderne noch wenig, dann immer stärker differenzier337 Eliasson, TYT 2, S. 51.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele ten Felder von Kunst und (Natur)wissenschaft wieder einander anzunähern. Der barocke Lesesaal lässt sich als Verkörperung dieser Bezüge und der Einheit der Wissenschaften und Künste lesen. Einen historischen Konnex stellt auch ein Objekt Eliassons her, das in der Bibliothek zusätzlich zu den Publikationen präsentiert ist: ein Nachbau eines Apparats aus dem 18. Jahrhundert, mit dem sich durch einen fixierten Stift auf einer durch den Besucher in Schwingungen versetzten Schreibunterlage Bewegungsmuster graphisch aufzeichnen lassen, ein Pendel-Harmonograph. Während der Ausstellung entsteht etwas Neues, und das Moment der Interaktion mit dem Betrachter, für Eliasson kaum verzichtbar, ist ebenfalls integriert. Die Ausstellungskontexte sagen viel aus über das »Katalogwollen« der Künstler: Tobias Rehberger präsentiert seinen Katalog flach in einem Museum seiner Heimatstadt Frankfurt, feiert dies in einer rauschenden Party.338 Es fällt schwer, sich Rehberger und seine Bücher in einem altehrwürdigen italienischen Barocklesesaal vorzustellen. Zwar strebt auch Rehberger eine Kontexterweiterung an, doch ist es weniger die Verbindung von Kunst und Wissenschaft als von Kunst, Design, Lebens- und Produktwelt. Durch die Präsentation ist der Status der Bücher als Kunstobjekte betont, also der Transfer vom gestalteten Gebrauchsobjekt zur Kunst. Zugleich ist der Ausstellungsbezug seines Katalogs enger: In ihm finden sich Installationsansichten, auch ist die Art der Kontextualisierung durch Beschriftung in Ausstellung und Katalog ähnlich. Dagegen ist in TYT 2 die Beziehung zur Ausstellung schwächer. Im Buch finden sich keine Ansichten der Ausstellungssituation, die die Selbstreferenz durchbrochen hätten, und keine Hinweise auf sie, bis auf die knappe Erwähnung im Impressum und im Vorwort des Kurators Luca Cerizza. Andererseits ist das Buch ein klassischer »pragmatischer« Ausstellungskatalog: Alle ausgestellten Arbeiten sind in ihm aufgelistet. Damit ist er Demands Nationalgalerie ähnlich, wo es zudem auch keine Installationsansichten gibt. Dort ist die Ausstellung in den Begleittexten allerdings viel präsenter und insgesamt recht eigentlich der Anlass für seine Entstehung. Anders bei TYT 2: Der Katalog ist nicht das Ergebnis der Ausstellung, für ihn und die auszustellenden Objekte wird a posteriori ein passender Kontext gesucht – und mit der Bologneser Buchmesse und Bibliothek gefunden. Im Vorwort dankt Luca Cerizza allen, die das Buch und die Ausstellung, »that accompanies it« 339, möglich gemacht haben. Das Verhältnis hat sich also geradezu umgekehrt gegenüber der etablierten Formel »diese Publikation begleitet die Ausstellung …«, oder »erscheint anlässlich der Ausstellung« für einen Katalog, wodurch ihm eine nachrangige, dienende Funktion zugewiesen ist. Das Buch sucht sich seine Begleitung und zeigt sich dadurch letztlich unabhängig von einer Ausstellung. Die Präsentation der Bücher Eliassons hebt sich gegenüber ähnlichen Projekten von Künstlern durch die Anbindung an einen nicht kunstspezifischen Veranstaltungskontext 338 http://frankfurtfashion.blogspot.com/2010/05/tobias-rehberger-katalogprasentation.html (23.5.2014). 339 Eliasson, TYT 2, S. 5.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge ab. Durch die Entscheidung, die Publikation nicht im Rahmen eines Museums oder einer Galerie vorzustellen, wird das Bestreben deutlich, Rezeptionswege zu erweitern und ein Publikum auch außerhalb des Kunstkontextes zu erreichen.

Der Betrachter im Katalog Blätternde Hände In den Katalogen und Büchern ist die Absicht erkennbar, den Betrachter einzubeziehen, ihm eine Erfahrung zu vermitteln, gleichzeitig diese Erfahrung als vermittelt bewusst zu machen. Häufig sind in TYT 2 zusammen mit dem jeweiligen Buch Hände abgebildet, die es halten, darin blättern, so gleich zu Beginn: Man sieht einige Kataloge auf einem Tisch liegen, ein weiterer ist von zwei Händen aufgeschlagen, rechts unten im Bild sind Kopf und Brille – trägt nicht auch Eliasson eine solche? – der dazugehörigen Person angeschnitten, gerade genug, um durch einige zusätzliche Informationen den Leser zu Spekulationen über die Identität der Person anzuregen. (Abb. 54) Die Hände lassen mehrere Interpretationen zu. Einmal unterstreichen sie den haptisch-sinnlichen Aspekt der Präsentation. Dann weisen sie auf den Prozess der Herstellung und den Anteil des Künstlers hin, bieten dem Betrachter aber darüberhinaus die Möglichkeit zur Identifikation: es könnten auch seine Hände sein, die in den Büchern blättern. Eine Aufforderung zur Nachahmung steckt in den Bildern, die Distanz zwischen Objekt und Betrachter/Benutzer soll aufgehoben werden. Wessen Hände sind es, die im Buch blättern? »To us, it doesn’t matter who is leafing through the book«340 antwortet Anna Engberg-Pedersen, Mitarbeiterin von Eliasson. Dieses bewusste Offenlassen, und damit auch die Absicherung gegenüber dem Anschein, hier werde unzeitgemäßer Kult eines Künstlers betrieben, wird jedoch vonseiten des Verlags, wohl nicht zuletzt aus Gründen des Marketing, zugunsten größerer Eindeutigkeit und Fokussierung auf Eliasson selbst eingeschränkt: »Olafur Eliasson […] blättert in langen Abbildungsfolgen in seinen Büchern. Trotz vielfältigen Erscheinungsformen ist die Autorenschaft immer deutlich zu erkennen.«341 Die Mitabbildung der blätternden Hände dient also auch als verbindendes und wiedererkennbares Element in der vielfältig-heterogenen Menge der Publikationen, als Verstärkung und Visualisierung der Metapher von der gestalterischen Handschrift. Mögen es auch die Hände der gestaltenden Graphiker Michael Heimann und Hendrik Schwantes sein: Hände als individuell-persönliche Körperteile verbürgen Autorschaft und Identität des durch sie Produzierten, haben die Funktion von Stellvertretern. Auf einem Bild halten sie einen Katalog in den Vordergrund 342, eine Geste des Zeigens; der Oberkörper ist im Hintergrund noch zu erkennen, jedoch ist

340 E-mail vom Mai 2010 an den Verfasser. 341 http://www.amazon.de/Printed-Matter-Take-Your-Time/dp/3865607004 (28.5.14). 342 Eliasson, TYT 2, S. 36.

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Abb. 54

Olafur Eliasson: TYT 2, S. 4f.

das Gesicht, eigentliches Merkmal zur Identifizierung, bewusst abgeschnitten, so dass die Hände, die mit dem Katalog in einer Schärfeebene liegen, das Subjekt vertreten. Sie erinnern an einen bekannten Bildtopos: In Künstler-Selbstporträts wie dem Dürers von 1500 nehmen sie meist einen prominenten Platz ein, sind sie doch die Organe, die das Kunstwerk erschaffen; als pars pro toto stehen sie für die Künstlerpersönlichkeit und seine Potenz. Nicht umsonst nannte der Filmemacher und Kunsthistoriker Hans Cürlis seine Reihe von Dokumentarfilmen über Künstler Schaffende Hände (1923–33) und konzentrierte sich auf die Aufzeichnung der Bewegungsprozesse der Hände bei der Entstehung von Zeichnungen oder Plastiken. Als ikonographische Parallele lässt sich auf die Schöpferhand Gottes verweisen, wie sie vor allem in mittelalterlicher Kunst zu sehen ist, aus den Wolken greifend, körperlos. An solche Darstellungen erinnern auch die Hände, die in der Präsentation des Katalogs in zweiter Ordnung auftauchen. Auf der Webseite Eliassons ist ein Kurzfilm zu sehen, in dem Hände durch TYT 2 blättern.343 Der Reiz der filmischen Inszenierung liegt nicht zuletzt in der Doppelung der im Buch abgebildeten Hände. Sie hat Parallelen im Werk von Eliasson, wo häufig die Differenz von zwei Wahrnehmungsebenen Thema ist, unter anderem mit dem Mittel des Spiegels. Die auf zwei Abbildungsebenen vorhandenen Hände fordern den Betrachter zum Vergleich heraus und legen die Vermutung nahe, dass es sich in Katalog und Film um dieselben handelt –

343 http://www.olafureliasson.net/publications/tyt_vol2_video.html (14.05.14).

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge die Identität von Produzent und Werk ist aufs Neue bestätigt. Das Blättern selbst wird zur Performance. Geblättert wird betont nicht-linear, so, wie auch im Katalog die einzelnen Publikationen mit Lücken, Sprüngen und Wiederaufnahmen angeordnet sind; es wird zurückgeblättert, verweilt, und einige Seiten sorgfältiger durchgesehen, dann werden wieder Seiten schneller über den Daumen laufen gelassen. Es entsteht der Eindruck eines Betrachters, der das Buch zum ersten Mal in der Hand hat und sich einen Überblick verschaffen, vielleicht auch haptisch die Druck- und Papierqualität überprüfen möchte. Dem Zuschauer wird der Eindruck vermittelt, den Abschluss eines kreativen Prozesses mitzuerleben, indem er die Hände ganz aus der Nähe gezeigt bekommt, bei der Arbeit, oder doch bei der Prüfung der Resultate. Man könnte einwenden, dass ein solcher Modus der Präsentation von Druckerzeugnissen sehr weit verbreitet ist, vor allem als Video, nicht zuletzt aus praktischen Gründen, da die Seiten nicht erst anderweitig fixiert werden müssen. Trotzdem: Die Zunahme solcher Darbietungsformen in den letzten Jahren deutet auf eine forcierte Vermittlung von Prozessualität und Authentizität hin. Die Abbildung in Katalogen von Händen, die Bücher oder einzelne Reproduktionen präsentieren, lässt an Arbeiten mit ähnlichem Bildmotiv denken. Einer der ersten, der seine Hände zusammen mit einem von ihm produzierten Buch photographierte, dürfte Ed Ruscha gewesen sein, mit den zwei lakonisch betitelten Schwarzweißphotos Hand Showing Book Cover, Hand Showing Book Spine (1963), die sein Buch Twentysix Gasoline Stations zeigen. (Abb. 2) Das Buch, das Bilder enthält, leuchtet hell vor einem dunklen Hintergrund und wird wiederum zum Bild. Die Hand, die das Buch berührt und es dem Betrachter gleichzeitig zeigt, hebt es auch als skulptural-haptisches Objekt hervor. Ruscha äußert sich zum Status seiner Bücher: »I consider my books to be strictly visuals materials. I even perceive them as bits of sculpture, in a way. They were three-dimensional, they were thick.«344 Die Vermittlung von Sinnlichkeit und Körperhaftigkeit ist auch ein zentrales Thema in der Inszenierung der Publikationen Eliassons. Die Hände im Bild lassen sich aber auch als Verweis auf den reproduzierten Charakter der Abbildungen und ihre Vermitteltheit lesen, darin vergleichbar der Photoserie Utopie/ Black Square 2001ff von Mischa Kuball, die Reproduktionen von Arbeiten Kasimir Malewitschs aus Katalogen zeigt, berührt und gehalten durch Kuballs Hände. (Abb. 55) Die Lesarten sind ähnlich wie bei Eliasson auf Mehrdeutigkeit angelegt. Die Hände verweisen auf »die Ebene der Reproduktion, die ja gerade nicht handgemacht, sondern mechanisch hergestellt ist.« 345 Bei der Geste der Finger handelt es weniger um ein Blättern als um das Festhalten und Niederdrücken einer Seite. Dies ist bei der Photorepro-

344 Richard Marshall (Hg.): Ed Ruscha, New York 2003, S. 59. 345 Monika Steinhauser in: Mischa Kuball: Utopie/Black Square 2001 ff. Kat. Kunstsammlung der RuhrUniversität Bochum u.a., Frankfurt/Main 2004, S. 13.

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Abb. 55

Mischa Kuball: Utopie / Black Square 2001ff.

duktion manchmal nötig, um die Vorlage plan zu halten, wobei der Reproduzent normalerweise darauf achtet, dass seine Finger nicht ins Bild gelangen, da sie ja »Fremdkörper« darstellen. Da es sich, im Unterschied zum Katalog Eliasson, auch zum Buch Ruschas, nicht um eigene Arbeiten, sondern um die eines anderen Künstlers, noch dazu die eines der ikonisch mächtigsten der Kunstgeschichte handelt, überwiegt bei Kuball doch der Eindruck einer Distanzierung. Bei Eliasson sind die Hände innerhalb eines eigenen Produkts und nicht in Einzelbildern, sondern im Kontinuum eines zum Durchblättern bestimmten Mediums aufgenommen, signalisieren eher den Produktionsprozess und die Involviertheit des Betrachters.

Einbeziehung durch Abbildung Die Hände in TYT 2 stehen metonymisch für einen Leser, der »handgreiflich« in den Rezeptionsvorgang einbezogen gezeigt wird. Betrachter sind auch in anderen Katalogen Eliassons häufig mit abgebildet. Darin unterscheiden sie sich von den Installationsansichten in Katalogen Tobias Rehbergers, bei denen trotz der Benutzbarkeit der Kunstwerke das Objekthafte, Skulpturale im Vordergrund steht. Ausschließlich menschenleer werden

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge Räume gezeigt in Katalogen Thomas Demands, entsprechend der Leere seiner Bilder. Betrachter würden hier eher stören, die Aufmerksamkeit von den Bildern und Räumen abziehen und ein narratives, anekdotisches Potential entfalten, das den Bildern und den begleitenden Texten vorbehalten sein soll. Es gibt wenige Ausnahmen: So findet sich im Katalog Phototrophy eine Installationsansicht von Lichtung, ausgestellt auf der Biennale Venedig 2003, wo sich Betrachter auf einer Bank im Vordergrund als Silhouetten abzeichnen.346 Hierbei handelt es sich allerdings um eine Situation aus dem Außenraum, deren Reiz die Überschneidung von realer und abgebildeter Baumlandschaft ist. Die auf der Bank pausierenden und in die Ferne blickenden Betrachter fügen zum Bildsujet des Waldes und lassen an romantische Bildmotive denken. Im Interviewbuch zu Nationalgalerie ist eine Person in einer Installationsansicht abgebildet, dabei handelt es sich jedoch um eine Mitarbeiterin, die an den Vorhängen näht, also um eines der ebenfalls seltenen Making-of Bilder bei Demand. (Abb. 29) Bei Arbeiten, die auf physische Interaktion zwischen Kunstwerk und Betrachter angelegt sind, ist die Abbildung von Personen notwendig, um räumliche Zusammenhänge oder die Funktion einer als benutzbar angelegten Installation überhaupt zu klären. Der Betrachter weist auf die Arbeit hin, macht sie erst zu einer solchen. Zum Beispiel würde auf einer Abbildung von Eliassons Ice floor (1998) ohne die auf dem Eis rutschenden Besucher nicht recht deutlich, dass es sich um eine Eisfläche handelt. Und sie schiene nicht vom Publikum angenommen. Auch bei der Arbeit Heat pavilion (2001)347, einem beheizten Metallschirm im kalten Außenraum, ist eine Abbildung »in Gebrauch« durch Besucher kaum verzichtbar, da die Arbeit sonst allein als Skulptur wahrgenommen würde. Die Aufnahme mit einer Wärmekamera variiert gleichzeitig den Abbildungsmodus. (Abb. 56) Willkommen sind Aufnahmen, die Bewegung und Dynamik transportieren, etwa das Photo eines Mädchens, das bei einer von Eliasson verursachten Überschwemmung (Erosion, 1997) über eine Pfütze springt.348 (Abb. 57) Das Schwarzweißbild stellt die Einmaligkeit des temporären Eingriffs und dessen narrativ-szenisches Potential heraus. Teilweise bringen Betrachter, ähnlich den Staffagepersonen auf Landschaftsgemälden, ein erzählerisches Element mit sich. So ist die Arbeit Green river (1998)349 durch ein Bild vertreten, auf dem ein Mann von einer Brücke, auf den sich grün färbenden Fluss blickt. (Abb. 58) Er hat einen großen Rucksack auf dem Rücken, was zu Spekulationen einlädt: Haben er und der Inhalt seiner Tasche vielleicht etwas mit der Färbung zu tun? Doch finden sich in den Katalogen Eliassons auch viele Abbildungen, auf denen kein Betrachter gezeigt ist, dort, wo es die bildhafte Wirkung stören würde. Dasselbe Bild von 346 Thomas Demand, Phototrophy, S. 9. 347 Abbildung in: Olafur Eliasson: My now is your surroundings. Process as object, Kat. Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig, De Appel Foundation Amsterdam u.a., Köln 2001, o. S. 348 Eliasson, My now is your surroundings, 2001, o. S. 349 Eliasson, The Weather Project, 2003, S. 18.

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Abb. 56 Olafur Eliasson: Heat Pavilion (2000), aus: My now is your surroundings, Köln 2001, o. S.

Green river gibt es in einer anderen Publikation auch ohne ihn, da er dort vielleicht zu narrativ-ablenkend wirkte.350 Häufig sind auch Alternativen gegeben, nur dann und wann ein Photo mit Besuchern in eine Bildstrecke eingebaut wie im Katalog The mediated motion (2001). Dem Betrachter kommt dabei durchaus die Rolle eines Statisten vor, der die angebotene Bühne mit Leben füllt oder zur Verdeutlichung eines Maßstabs dient, ähnlich wie Figuren in Architekturmodellen. Sie tauchen vor allem auf, wenn damit die große Dimension der Räume und der Installation vermittelt werden soll. Besonders deutlich wird dies im Katalog The Weather Project zur Ausstellung in der Tate Modern, wo Besucher vor der Installation, einer riesigen künstlichen Sonne, zu graphischen Silhouetten, zum Ornament der Masse werden.351 Die Abbildung von Einzelpersonen und von Personengruppen legt unterschiedliche Möglichkeiten der Kunsterfahrung nahe. So sieht man auf einer Katalogseite von hinten eine Gruppe von Besuchern, die gemeinsam und dicht gedrängt die enge, steile Treppe des Kunsthauses Bregenz emporsteigen. Daneben ist doppelseitig der große, bis auf die Bodenarbeit aus gestampfter Erde leere Ausstellungsraum abgebildet, in dem sich nur eine Person befindet, die in Betrachtung des Bodens versunken scheint, und die nach

350 Grynsztejn, Olafur Eliasson, London 2002, S. 104 f. 351 Eliasson, The Weather Project, 2003, Abb. 196.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge

Abb. 57 Olafur Eliasson: Erosion (1997), aus: ebd.

Figur und Frisur der Künstler selbst sein könnte. 352 (Abb. 59) Kollektive und individuelle Kunsterfahrung schließen sich also nicht aus. Zugleich wird ein zeitlicher und räumlicher Ablauf hergestellt: erst die enge dunkle Treppe zum Ausstellungsraum als Vorbreitung und erwartungsvoller Weg zum Licht, dann der durch das Oberlicht helle und weite Raum. Die Bühnenhaftigkeit des Ausstellungsgebäudes kommt solchen dramatischen Aufladungen entgegen. Die Abbildung der Einzelfigur hat aber auch wieder eine deiktische Funktion: Sie weist durch ihren Blick auf den Boden hin, der sonst als monochromer und minimalistischer Eingriff auf der Abbildung vielleicht gar nicht richtig wahrgenommen werden würde; indem die Figur auf dem Kunstwerk geht und im Moment des Schreitens abgebildet ist, signalisiert sie dessen Betretbarkeit und physische Nähe. Auch bewegt sie sich nach links, in Richtung der leicht abfallenden Schräge und macht den Eingriff deutlicher. Der Katalogrezipient soll sich mit der Situation identifizieren und gleichzeitig die Interaktion von Kunst und Betrachter nachvollziehen. Häufig wird dieser anonymisiert, um eine Identifikation zu erleichtern, etwa indem er durch Langzeitbelichtung unscharf abgebildet, als Rückenfigur oder nur angeschnitten gezeigt wird. Im Katalog zur Austellung The mediated motion zeigt eine Photoserie Eliassons den Weg durch die Ausstellung

352 Take your time, Kat. SFMOMA 2008, Abb. 117 und 118.

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Abb. 58 Olafur Eliasson: Green river (2000), aus: The Weather Project, Kat. Tate Modern London 2003, S. 18.

in Detailaufnahmen, ihm entstammt auch das zuvor erwähnte Photo der Besuchergruppe. Nach Bildern von Böden, Treppenläufen, Treppenstufen sind wie zum Abschluss eines Teilparcours Füße zu sehen, die Füße des Betrachters.353 Das Bild scheint bewusst in die Bildstrecke eingebaut, danach folgen wieder bewegungsunscharf-verwackelte Bilder vom Boden des Ausstellungsraumes. Der Künstler geht als modellhafter Besucher durch die Ausstellung und teilt seine Eindrücke im Katalog dem Leser mit, dem Betrachter zweiter Ordnung. Das Blättern der Hände im Katalog, das wir oben verfolgt hatten, hat eine ähnliche Funktion: Die Grenze zwischen Rezipienten und Produzenten soll fließend gehalten werden.

»Dear Visitors,« – die Kommunikation mit dem Leser in (Para)texten Vorwort, Tagebuch, Brief Die Einbeziehung des Betrachters, die Überbrückung der Distanz zwischen Katalogrezipient und Künstler erfolgt nicht nur durch Bilder, sondern auch durch Texte. Neben einer Vielzahl von Autoren, die Eliasson einbindet, schaltet er sich selbst ein und kom353 Eliasson, mediated motion, S. 31.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge

Abb. 59 Olafur Eliasson: Take your time, Kat. San Francisco Museum of Modern Art 2007, Abb. 117, 118.

muniziert direkt mit dem Rezipienten. Dies ist vergleichbar mit der bildlichen Präsenz etwa Tobias Rehbergers in Geläut, wo er in Bildern auftaucht, oder Eliassons selbst in Photos vom Ausstellungsaufbau oder beim Gang durch die Ausstellung wie im erwähnten Bildessay. In den Katalogen und Künstlerbüchern der 1960er bis 1980er Jahre haben Künstlertexte häufig einen dezidiert emanzipatorischen Impetus. Man will die Diskurshoheit nicht an die Kunstkritik abtreten und die künstlerische Praxis nicht auf die herstellendbildnerische beschränken. »L’artiste n’étant pas obligatoirement un idiot ou un analphabète, pourquoi n’écrirait-il pas aussi?« fragt Daniel Buren rhetorisch in einem Ausstellungskatalog von 1981.354 So haben Künstlertexte aus dieser Zeit noch mehr von Positionierung, Selbstbehauptung, Statement. In zeitgenössischen Katalogen ist die Selbstäußerung von Künstlern per Text viel selbstverständlicher geworden, siehe etwa Tacita Dean, die selbst ausführliche Bildlegenden zu ihren Filmarbeiten verfasst355, oder auch

354 Daniel Buren: Pourquoi écrire? Ou: une fois n’est pas coutume (1981), zit. nach: ders.: Les Écrits, Bordeaux 1991, Bd. 2, S. 321. Zur Emanzipation und Autonomisierung von Künstlertexten vgl. auch Michael Glasmeier (Hg.): Künstler als Wissenschaftler, Kunsthistoriker und Schriftsteller, Köln 2012. 355 Zum Beispiel in: Tacita Dean, Kat. Museu d’Art Contemporani, Barcelona 2001.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Thomas Demand. Der Selbstkommentar ersetzt den Fremdkommentar oder erweitert ihn, vorherrschend ist das Paradigma der Kommunikation. So auch bei Eliasson, wo eigene Texte weniger als Kommentar oder Beschreibung der Arbeiten auftauchen. Auffällig ist ihre kommunikative Funktion, die direkte Ansprache des Betrachters, was sich bereits an Titeln von Ausstellungen und Büchern ablesen lässt (Your engagement, Your House, …). Sie erscheinen als exemplarische Wortmeldung eines Teilnehmers, lassen sich lesen als Aufforderung an den Gegenüber, auch als Rezipient am Diskurs über Kunst teilzunehmen. Ein Vorwort des Künstlers, eine Anrede ad lectorem ist »Teil der Autorenstrategie zur Leserlenkung, Korrektur des Erwartungshorizonts, Beteiligungsangebot und Einstimmung auf die ästhetische Erfahrung.« 356 In zwei Texten, die den Katalog The mediated motion einleiten, wendet sich Eliasson selbst an das Publikum. Im Katalog fällt die Aufgabe, ein Vorwort zu schreiben, gewöhnlich dem Kurator der Ausstellung zu, denn er trägt die Hauptverantwortung für das Projekt, sein Zustandekommen und seine Form. Der Künstler soll dagegen durch sein Werk sprechen. Doch hier ist das Vorwort des Kurators Eckhard Schneider kaum als ein solches zu bezeichnen, es ist kurz und übt auch optisch Zurückhaltung. Im Inhaltsverzeichnis ist es nicht als eigener Beitrag aufgeführt. Es steht an wenig auffälliger Position, gegenüber dem Innentitel, noch außerhalb des eigentlichen Katalogs, der mit dem Titel beginnt, überlässt gleichsam dem Künstler die Bühne. Eliasson dagegen tritt als Verfasser von gleich zwei Vorworten in Erscheinung, die als offene Briefe an die Besucher seiner Ausstellung formuliert sind, was die Überschrift als Anrede und das brieftypische Komma danach signalisiert, »Dear Everybody,« und »Dear Visitors,«. Mit »Dear Everybody« ist eine Briefanrede verwendet, wie man sie an Adressaten richtet, die man möglichst allgemein, aber nicht formell-distanziert, etwa mit »to whom it may concern« oder »Dear Sir/Dear Madam« ansprechen will. Sie soll ein informell-vertrauliches Verhältnis zum Leser herstellen, dabei größtmögliche Offenheit signalisieren. Im zweiten Brief sind neben den Besuchern weitere Personen angesprochen, denen eine Beteiligung an der Ausstellung zugeschrieben wird: »Dear Peter,« heißt es etwa. Dadurch, dass der Architekt des Ausstellungsgebäudes, Peter Zumthor, adressiert ist, und dies unvermittelt mit seinem Vornamen und in der (im Deutschen) vertraulichen zweiten Person, wird er mit dem »normalen« Besucher auf einer Stufe stehend dargestellt; ebenso wie dieser ist er ein Mitwirkender an der kollektiven Ausstellung, steht in einem kollegialen Verhältnis. Die Briefe suggerieren durch ihre Anreden, ihre Anordnung und die in ihnen gemachten Angaben einen Zeitsprung in ihrer Abfassung: Der erste erwähnt die Distanz von einem Monat zur Ausstellungseröffnung. Auf ihn folgt eingeschoben, um durch den

356 Stichwort ›Vorwort‹ in: Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 71989, S. 1019.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge räumlichen Abstand den zeitlichen zu betonen, ein kunsttheoretischer Text von MerleauPonty, dann erst der zweite Brief Eliassons, der von der Situation der bereits eröffneten Ausstellung spricht. Beide Briefe enthalten in etwa dasselbe, nämlich Reflexionen über das Zusammenspiel von Bewegung, der Architektur des Kunsthauses und der Ausstellung und die Funktion des Betrachters, der durch seine Anwesenheit eigentlich erst die Ausstellung schafft: »It is you and your expectations – your trip to and through the exhibition – that create this show.« 357 Mit den Briefen soll anhand der (für den Leser nicht überprüfbaren) zeitlichen Differenz ihrer Abfassung eine Bewegung hin auf die Ausstellung zu vermittelt werden, was natürlich angesichts der Tatsache, dass beide Texte im selben Medium des Katalogs zu lesen sind, paradox ist und auf eine fiktionale Ebene führt. ›Motion‹ und ›Mediation‹ sind Schlüsselwörter, die im Brief Eliassons ständig wiederholt und fortgesponnen werden, als eine sich selbst umkreisende Redefigur, die Bewegung auch verbal erzeugen will. Zusätzlich zu den Briefen findet sich ein Text, der mit »diary talk/Gesprächstagebuch« überschrieben ist, ein schriftlicher Austausch über Fragen der Wahrnehmung und Darstellung der Ausstellung zwischen Eliasson und Marianne Krogh Jensen. Sie hatte Eliasson als Kuratorin für den dänischen Pavillon der São Paulo Biennale 1998 eingeladen, in Users und dann wiederholt Texte für Kataloge beigesteuert und ist seit 2003 mit ihm verheiratet. In welcher Form genau der Austausch stattgefunden hat, erfährt man nicht, wahrscheinlich per E-Mail, da die einzelnen Texte rasch aufeinander folgen, meist in täglichem Wechsel. Die Bezeichnung als Tagebuch stellt zusätzlich zu den Briefen den Prozessaspekt in den Vordergrund, die Abschnitte sind jeweils mit Datum gekennzeichnet. Zwei sich eigentlich ausschließende Textsorten sind gemischt: die eines Tagebuchs, die Intimität suggeriert, außerdem meist eine monologische Struktur hat, dann die des Briefwechsels, die das Element des Dialogs, der Kommunikation betont. Der direkte mündliche Austausch, ist trotz der schriftlichen Mediums durch den Neologismus »Gesprächstagebuch« oder, im Englischen noch prägnanter, »diary talk« hervorgehoben. Der Leser, der zunächst direkt angesprochen und durch Fragen zum Dialog aufgefordert wurde, wird Zeuge eines Austausches, der als Modell für die Kommunikation zwischen Künstler und Betrachter verstanden werden soll. Die Texte sind so angeordnet, dass sie neben der zeitlichen Annäherung eine steigende Intimität und Personalisierung vermitteln: Auf das sehr allgemeine »Dear Everybody« folgt das auf den Besucherkreis der Ausstellung eingeschränkte »Dear Visitors« und zuletzt die Ansprache einer namentlich genannten, persönlich bekannten Person, die dem Künstler auch privat sehr nahesteht. Der Leser tritt quasi immer näher an den Künstler und dessen Welt heran und kann an ihr teilhaben. Die Form des Tagebuchs schließlich entfaltet den Reiz »der Unmittelbarkeit, der Subjektivität«.358 357 Eliasson, mediated motion, S. 7. 358 Stichwort ›Tagebuch‹ in: Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, S. 918.

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Gespräche und Interviews Der »Talk« ist bereits eine Form des Gesprächs, einer austauschenden Begegnung zweier Personen, eines Interviews.359 Wie Eliasson in TYT 2 kritisch selbst feststellt, sind Künstlerinterviews vielfach seit der Entdeckung der Form in den 1970er/80er Jahren in Ausstellungskatalogen Standard.360 Dem Reiz einer Möglichkeit der Selbstäußerung als Alternative zum Kuratorentext steht Skepsis gegenüber Inflation und Routine dieser Form gegenüber. Schon Genette merkt zum Interview (mit Schriftstellern) an, es funktioniere oft »mit austauschbaren Klischees, mit einem Vorrat typischer Fragen, zu dem sich ein symmetrischer Vorrat typischer Antworten herausgebildet hat.«361 Trotzdem gibt es auch von Eliasson zahlreiche Interviews, und auch die kritische Äußerung ist Teil eines solchen – in einem Katalog. Das Problem versuchen Eliasson und viele Künstlerkollegen zu lösen, einmal auf einer terminologischen Ebene, indem der Begriff des Gesprächs oder im Englischen der »conversation« bevorzugt wird. Als »spoken exchange of news and ideas between people«362 ist diese Form offener, paritätischer und kommunikativer, zugleich alltäglicher und weniger formell – oder suggeriert es zumindest. Ein Gespräch geht von der Gleichwertigkeit der Teilnehmer und einem idealerweise gleichen Gesprächsanteil aus, ein Interview dagegen von einer eher kategorischen Unterscheidung von Interviewer/Fragendem und Interviewtem/Befragtem, von einem Gefälle der Parteien. Außerdem haftet einem Gespräch nicht der Geruch des Funktional-Journalistischen und des Flüchtigen an, es erhebt Anspruch auf längere Dauer und Gründlichkeit. Das Englische »conversation« umfasst auch den im Deutschen bildungssprachlich-antiquierten Begriff der »Konversation«, also einer zwanglosen, meist auf Bildungsgegenstände gerichteten Unterhaltung, siehe auch die Buchgattung ›Konversationslexikon‹. Kurz, ein Gespräch »besitzt glanzvollere Adelstitel als das Interview«363, wie Genette bemerkt. Entsprechend heißt die 2006 von Hans Ullrich Obrist initiierte Reihe Conversation-Series (auch wenn die einzelnen Treffen als Interviews bezeichnet sind). Und in TYT 2 ist der Interviewtext mit »A conversation between […]« überschrieben, was im erster Satz wieder auftaucht: »I’d like to begin this conversation […]«.364 Zusammen mit dem Gebrauch einer anders konnotierten Terminologie wird versucht, gerade auch bei Eliasson, die Form des Interviews zu variieren, es aus dem Kontext einer Ausstellung zu lösen, in andere Text- oder Kommunikationsformen zu überführen, den 359 Zur Interviewform vgl. den Band von Michael Diers/Lars Blunck/Hans Ulrich Obrist (Hg.): Das Interview. Formen und Foren des Künstlergesprächs, Hamburg 2011; Christoph Lichtin: Das Künstlerinterview. Analyse eines Kunstprodukts, Bern 2004. 360 Eliasson, TYT 2, S. 50. Interviews sind auch feste Bestandteile von Reihen, etwa der Phaidon-Monographien (zum Beispiel Antony Gromley, 1995, Jeff Wall, 1996). 361 Genette, Paratexte, S. 345. 362 Stichwort ›Conversation‹ in: Concise Oxford English Dictionary, Oxford 112006. 363 Genette, Paratexte, S. 347. Vgl. insgesamt die Kapitel »Interviews« und »Gespräche« (S. 343 ff ). 364 Eliasson, TYT 2, S. 5.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge Kreis der Teilnehmer zu erweitern. Häufig ist das Gespräch gesondert von einer Ausstellung publiziert und ihm damit selbst Werkcharakter verliehen, siehe die Gattung ›Conversation book‹, die innerhalb der Kategorisierung von Publikationen eigens aufgestellt wird. Dabei ist das Interview meist eingebettet in eine Reise, etwa mit dem Flugzeug, wie im eingangs zitierten Interview mit Hans Ulrich Obrist, oder mit einem Fahrzeug durch Island, die Expeditionscharakter hat, und die »A Road Conversation« betitelt ist.365 Dadurch bieten sich assoziative Anschlussmöglichkeiten, und die Überthemen Bewegung, Prozess und Wahrnehmung liegen jederzeit in Reichweite. Zugleich bekommt ein Gespräch unter diesen Umständen auf weite Strecken den Charakter einer anderen Gattung, nämlich der Live-Reportage oder auch des Dramas, da die Beschreibung dessen, was gerade passiert, als eine Art Mauerschau selbstverständlicher Teil des Gesprächs ist und aufgezeichnet wird. So beginnt ein Gespräch: »Obrist: Can you tell me where we are here? I’m lost. Eliasson: We are on the reverse side of Iceland. South behind us, north in front.« 366 Für den Leser ergibt sich die Möglichkeit, an der Reise, an den globalen Aktivitäten teilzunehmen und, in Gestalt des Gesprächspartners, ganz nahe beim Künstler zu sein. In einem Ausstellungskatalog ist die Auswahl des Gegenüber, alternativ zu einem Kuratoreninterview, eine Möglichkeit, das Interview aus seinem institutionellen Rahmen zu lösen. Im Katalog zur Ausstellung im San Francisco Museum of Modern Art von 2008 ist ein Gespräch Eliassons mit dem amerikanischen Künstler Robert Irwin (*1928) abgedruckt. Irwin gehört mit seinen wahrnehmungs- und raumbezogenen Installationen zu den prominentesten Vertretern des Light-and-Space-Movements an der amerikanischen Westküste, das auch für Eliasson von Interesse war, besonders während seines USA-Aufenthalts Anfang der 1990er Jahre. Die Überschrift »Take Your Time: a conversation« platziert das Gespräch als Teil der Ausstellung, indem sie deren Titel voranstellt. Auch dass beide Teilnehmer im Inhaltsverzeichnis als Autoren genannt werden, wie die Verfasser der Essays, deutet auf das Verständnis als zugehörig zum Werk hin. Präsentiert ist eine Art Gemeinschaftsarbeit, Irwin wird, obwohl an der Ausstellung nicht direkt beteiligt, von Eliasson einbezogen. Insgesamt ist das Gespräch eine Hommage an den verehrten »dienstälteren« Künstler Robert Irwin, dem auch die Rolle eines Lehrers oder Mentors zukommt, der aber inzwischen von seinem jüngeren Kollegen an Bekanntheit übertroffen wird. Ein in den Gesprächstext eingefügtes Photo der Interviewpartner veranschaulicht ihr Verhältnis: Eliasson sitzt leicht nach hinten versetzt und richtet lächelnd den Blick auf Irwin, der beide Hände gestikulierend erhoben hat und offensichtlich gerade etwas erzählt. (Abb. 60) Dieser Eindruck bestätigt sich im Text: Irwin hat wahrnehmbar mehr Gesprächsanteile als Eliasson. Als Illustrationen der im Interview erwähnten Arbeiten 365 The Goose Lake Trail (Southern Route). A Road Conversation between Olafur Eliasson and Hans Ulrich Obrist, Köln 2006. 366 Obrist, Olafur Eliasson, Conversation Series, S. 93.

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Abb. 60 Olafur Eliasson im Gespräch mit John Irwin, aus: Take your time, 2007, S. 52.

sind nur die von Irwin abgebildet, Eliasson ist ja im Rest des Katalogs vertreten. Diese Art des Gesprächs unter »Kollegen«, bei dem der Künstler einen Partner sucht, erinnert an das oben besprochene Gespräch Demand-Kluge im Serpentine-Katalog. Ähnlich wie im Verhältnis Eliasson-Irwin liegt ein erheblicher Altersunterschied zwischen beiden Gesprächspartnern. Jedoch ist der Gesprächstext mit Abbildungen von Demands Arbeiten kontextualisiert, was bei Eliasson-Irwin nicht der Fall bzw. genau umgekehrt ist, und es stehen im Gespräch doch deutlich Demands Arbeiten im Mittelpunkt, also eher eine klassische Interviewsituation. Eine Strategie im Versuch, die dualistische Struktur eines Interviews aufzulösen und mehr Personen einzubeziehen, ist die Erweiterung der Teilnehmerzahl zu einer Gruppe. In Encyclopedia, der Publikation, die dem Studio, dem Kollektiv als Arbeitsform gewidmet ist, nimmt neben dem Kunsthistoriker Philip Ursprung und Olafur Eliasson Anna Engberg-Pedersen von der Seite des Studios aus teil. Drei Personen, das ist schon die Mindestzahl für eine Gruppe, die eine größere Zahl an Interaktionen ermöglicht und eine Enthierarchisierung der Beteiligten signalisiert, wenn die Gesprächspartner in der Runde auch nicht unabhängig von einander sind. Eine andere Möglichkeit ist die Umkehr der Rolle von Fragendem und Befragtem. In den Vorwort-Briefen in The mediated motion stellt Eliasson im staccato Fragen an den Besucher und auch an den Architekten des Ausstellungsgebäudes, im »Gesprächstage-

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge

Abb. 61 Olafur Eliasson/Chris Rehberger: The Weather Project, S. 66f.

buch« beginnt Eliasson den Dialog mit Fragen. Explizit schlüpft er in die Rolle eines Interviewers und bedient sich journalistischer Formen im Rahmen der Ausstellung The Weather Project in der Tate Modern 2003/04. Dort wurden Museumsmitarbeiter mittels einer Multiple-choice-Umfrage zum Thema ›Wetter‹ einbezogen. Ein ausgefüllter Satz der Fragebögen ist exemplarisch im Katalog abgedruckt, gefolgt von einer statistischen Auswertung. Die Ergebnisse sind durch Chris Rehberger in Diagramme umgesetzt, welche die prozentualen Anteile der Befragten wiedergeben, zugleich als farbstark-autonome Graphiken Eigenwert besitzen. (Abb. 61) Alle möglichen Darstellungsmethoden wie Balkendiagramme, Kurven, Mengendiagramme werden auf die Ergebnisse jeweils einer Frage angewendet. Die gestellte Frage ist wie ein Bildtitel groß über die Graphik gesetzt. So kann der Teilnehmer der Umfrage sich im Katalog gleich doppelt repräsentiert und am Projekt beteiligt sehen, einmal nüchtern-sachlich im Fragebogen, dann in subjektiv-künstlerisch visualisierter Form. Hier gibt es Ähnlichkeiten zwischen den Vorgehensweisen von Olafur Eliasson und Tobias Rehberger – nicht zuletzt durch die Person des eingeschalteten Interpreten, Chris Rehberger. Auch in Applesandpears wurden Bilder von Arbeiten transformiert, die ebenfalls auf Interaktion zwischen einem Gegenüber und dem Künstler beruhten. Die Form des Interviews ist in The Weather Project auch auf der Textebene transformiert und fiktionalisiert. Zusammen mit den visuell übersetzten Umfrageergebnissen ist

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele eine »Round-Table-Discussion« abgedruckt367, also ebenfalls eine Form, die allgemeine und egalitäre Beteiligung suggeriert. Sie befindet sich genau in der Mitte des Katalogs, nimmt eine zentrale und auch vermittelnde Stellung zwischen den Beiträgen ein. Fast 30 Seiten sind der Diskussion gewidmet – recht viel, selbst wenn man in Rechnung stellt, dass die oberen Seitenhälften von den Graphiken eingenommen werden. Befragt wird einer der Direktoren der Tate, Nicholas Serota, aber auch Jacques Herzog, für den Museumsbau verantwortlicher Architekt, dazu Mitarbeiter der Presseabteilung und der pädagogischen Vermittlungsarbeit. Die Namen sind auf einem Deckblatt alphabetisch aufgelistet, um die Gleichberechtigung der Teilnehmer hervorzuheben, Eliasson erscheint so in der Mitte der Gruppe, als neutraler Mitdiskutant, und nicht weiter herausgehoben. Doch mit Fragen begonnen und moderiert wird die Diskussion von ihm; er wendet sich von einem zum nächsten, es entsteht der Eindruck eines Kontinuums, auch dadurch, dass manche Personen nach längerem Schweigen wieder zu Wort kommen. Der Leser ist erstaunt über die Vielzahl der teilnehmenden Personen, die sich für ein so ausführliches Gespräch Zeit nehmen. Es erinnert an ein Symposium mit den Beiträgen verschiedener Referenten, wie Eliasson es in späteren Publikationen dokumentiert hat. Die Diskussion hat jedoch auch ein fiktionales Moment: Sie besteht aus einzelnen unabhängig voneinander geführter Interviews mit einer oder zwei Personen, die vom Künstler editiert, zusammengefügt und als Einheit präsentiert werden. Im Vorwort ist sie als »reproduced in the form of a ›round table‹ « vorgestellt.368 Erst in der Danksagung am Ende des Katalogs wird das Verfahren genauer mitgeteilt, es ähnelt dem Samplen von Tonaufnahmen, und damit auch dem Bildumgang in den Katalogen Eliassons. Vergleicht man mit diesem doch sehr ausgedehnten und variantenreichen Gebrauch der Interviewform deren in Katalogen Rehbergers, so scheint sie weniger stark akzentuiert. Gegenüber der Selbstäußerung steht das Offenlassen der Interpretation für den Rezipienten im Vordergrund. Die Zusammenarbeit mit einem Gegenüber ist eher auf den außertextuellen Bereich beschränkt, siehe etwa seine Gemeinschaftsarbeit mit Eliasson in der Ausstellung The secret bulb. Das Bedürfnis nach einem verbal-diskursiven Schutz gegenüber kunstgeschichtlicher Einordnung oder gegenüber der Gefahr missverstanden zu werden, wie es Eliasson als Motivation für die umfangreichen Texte in seinen Katalogen beschreibt, ist geringer. Gerade die Provokation von Missverständnissen spielt für Rehberger ja eine wesentliche Rolle. Natürlich hängt das Auftauchen von Interviews auch mit der Nachfrage und damit wachsendem Erfolg zusammen. So finden sich ab Ende der 1990er Jahre Interviews häufiger, vor allem aber in monographisch-retrospektiv orientierten Ausstellungskatalogen wie in On Otto und Tobias Rehberger 1993–1995. Es handelt sich ausschließlich um Kuratoreninterviews, nicht um Gespräche mit von den Künstlern vorgeschlagenen Wunschpartnern. Die Interviews mit Rehberger stehen damit in engem 367 Eliasson, Weather Project, S. 66–94. 368 Eliasson, Weather Project, S. 16.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge Bezug zur jeweiligen Ausstellung, anders als diejenigen, die in die Gesprächsbücher von Hans Ulrich Obrist mit Demand und Eliasson Eingang gefunden haben. Während dort das Interview als Mittel zur Anregung eines intellektuellen/künstlerischen Diskurses im Vordergrund steht, bedient sich Rehberger des Interviews also in eher konventionellerer Form, ausstellungsbezogen und als punktuelle Erklärung, was ja durch die komplexen Titel bereits vorgegeben ist. In Tobias Rehberger 1993–1995 ist im Interview zu Die-DasHenne-Ei-kein-Problem-Wandmalerei die erste Frage die nach der Erklärung des Titels. Mit der Replik »Ja, natürlich!« äußert Rehberger Bereitschaft zur Auskunft und Kommunikationslust, wozu das Eingangsbild in den Katalog passt, das ihn telefonierend zeigt. Es signalisiert zusammen mit dem folgenden Interview einen Einblick in Arbeitsprozesse und auch in Privates, wozu ein Telefongespräch gehört. Hier sieht man, wie die Katalogbestandteile ›Interview‹ und ›Künstlerporträt (bei der Arbeit)‹ aufeinander bezogen sind, und tatsächlich finden sich Photoporträts häufig innerhalb von Interviews, wobei sich unterschiedliche Gewichtungen zur Darstellung des Werkverständnisses ausmachen lassen: Während eine in ein Interview eingestreute Bildstrecke Neo Rauch beim Malen zeigt 369 (Abb. 24), also im Dialog mit dem Bild, ist in anderen Fällen der Gesprächspartner mit abgebildet, siehe das Beispiel Eliasson-Irwin, was das Gespräch, den Akt der Kommunikation selbst als Bestandteil künstlerischer Aktivität bezeichnet. Die Vermittlung eines Einblicks in die privat-intime Lebenswelt des Künstlers ist allgemein häufig Anliegen von Interviews in Künstlerkatalogen. Wird er bei Rehberger eher bildredaktionell vermittelt und bei Eliasson durch die Gattung des ›diary talk‹, so suggerieren Kataloge von Pipilotti Rist noch erheblich mehr Nähe. Einer ihrer Kataloge appropriiert, mit gefüttertem, rosafarbenem Leder überzogen, die Gestalt eines Tagebuchs oder Poesiealbums, dem man nur Allerpersönlichstes anvertraut.370 (Abb. 62) Wesentlicher Bestandteil ist dort ein Interview, das sich auf über 80 Seiten erstreckt und emphatisch vorgestellt wird: »In einem faszinierenden persönlichen Gespräch mit Richard [Julin] erzählt die Künstlerin über ihre Arbeit und ihr Leben.«371 Die Intimität des Gesprächs ist nicht nur durch die konsequente Verwendung der Vornamen der Partner hergestellt, sondern auch durch das Setting: Es findet statt während des gemeinsamen Kochens in der Wohnung von Rist, in der Küche, dem Raum, der als der zentral-private Ort einer Wohnung gilt, in dem ein Großteil der Kommunikation stattfindet. Die Kochrezepte sind ebenfalls beigefügt und reichern die Epitexte um das Interview an, lenken die Aufmerksamkeit auf das Ritual des Kochens. (Abb. 63) Die Schilderung der begleitenden Handlungen und die Vorgänge in den Gesprächspausen sind wie der Nebentext eines Dramas in das Gespräch aufgenommen: »[Stunden später am Tisch, nachdem Yuji ein Stückchen 369 Neo Rauch, Kat. Museum Frieder Burda Baden-Baden 2011. 370 Herzlichen Glückwunsch!, Kat. Ausstellung Gravity, Be My Friend, Magasin 3 Stockholm Konsthall, Baden/Schweiz 2007. 371 Ebd., S. 8.

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Abb. 62, 63 S. 97.

Pipilotti Rist: Herzlichen Glückwunsch! Kat. Stockholm Konsthall 2007, Cover und Kochrezept,

seines Zahns abgeschlagen hat, Richard die alte Seemansvorspeise Gubbröra und Balz die Hauptspeise Alpenbraten mit Zwetschgen zubereitet hat]«.372 Kochen, privater Alltag und das Sprechen über Kunst sind so eng verknüpft. Und es ist kein Zufall, dass Olafur Eliasson einen weiteren der Bände, welche die Tätigkeit seines Studios darstellen, Küche und dem Kochen widmet.373 Auch damit ist Einblick gegeben in den eher privaten Teil der Studioarbeit und der Aktivitäten während Tagungen und Symposien. Alltag und Kunst sind wie bei Rist als zusammengehörig gezeigt, sinnlich-wahrnehmungsästehtische und gemeinschaftsbildende Funktion betont.

Danksagungen und Epiloge Die Danksagung wird als Paratext in Katalogen leicht übersehen, ist aber dennoch aufschlussreich. Sie steht in Nähe der Widmung, wie man sie in literarischen oder auch wissenschaftlichen Texten findet. Wie diese ist sie »die (aufrichtige oder unaufrichtige) Zurschaustellung einer (wie auch immer gearteten) Beziehung zwischen dem Autor und

372 Ebd., S. 58 f. 373 TYT (Take Your Time) Vol. 5: The Kitchen, Köln 2013.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge irgendeiner Person, Gruppe oder Entität.«374 Innerhalb des institutionellen Rahmens von zeitgenössischen Katalogen ist sie oft Standard, jedoch lassen Länge, Positionierung und Gestaltung Rückschlüsse zu auf die Beteiligten, auf Gewichtungen und nicht zuletzt Stellung und Selbstverständnis des Künstlers. In der repräsentativsten, aber auch konventionellsten Form ist sie ins Vorwort des Kurators eingebaut. Dass der Künstler ebenfalls einen Dank ausspricht, war in Ausstellungskatalogen lange nicht üblich. Mit dem abgedruckten Künstlerdank drückt sich auch ein gestiegener Anteil an Autorschaft aus, das Bemühen, das Verhältnis zu den Veranstaltern einer Ausstellung neu zu bestimmen. Die inzwischen im Kunstbetrieb fest verankerte Konvention lädt zum ironischen Umgang ein. Damien Hirst benutzt die Dankesfloskel, indem er sie übersteigert und dadurch ad absurdum führt: »A million billion thank yous to Millicent Wilner. Without her endless belief, patience, and super hard work this would not have happened« heißt es im Katalog Superstition.375 Und: »He is totally grateful to the following for putting in more than was humanly possible to get this show on the road.« Der Verweis auf unendlichen Glauben und jenseits des Menschenmöglichen liegenden Einsatz bekommt im Katalog zu einer ›Superstition‹ betitelten Ausstellung eine zusätzliche ironische Note. Auch Tobias Rehberger spielt mit der Konvention. So sind in Applesandpears die »Danksagung des Herausgebers« und die »Danksagung des Künstlers« untereinander abgedruckt und, bis auf die Namen von Künstler und Kuratorin, identisch.376 Durch die doppelte Nennung wird das Ritual des wechselseitigen Dankens sichtbar und implizit, durch die musterhafte Übererfüllung der Dankespflicht, dessen Redundanz. In Geläut ist dem Dank eine eigene Rubrik gewidmet, doch sind keine Institutionen genannt und auch nicht die Funktionen der Beteiligten, sondern nur Vor- oder Spitznamen, die meisten salopp per Hand geschrieben und häufig abgekürzt, wie »Zicko«, »Tho« »MP«, was nur die Eingeweihten verstehen. Das Flapsige, Familiäre und Private ist betont. Hierzu passt auch die Vermittlung des Privat-Intimen in den Katalogbüchern Pipilotti Rists, das sich verbindet mit einer Akzentuierung des kollaborativen Moments. Rists Kataloge gehören zu den wenigen, in denen sich regelrechte Widmungen finden. Ihre üppigen Danksagungen »mit denen Rist fast ein eigenes Genre zu etablieren scheint«377 sind oft buchtechnisch besonders inszeniert: So ist wie in einem Poesie- oder Photoalbum die entsprechende Seite durch ein transparentes, strukturgeprägtes Einlegeblatt geschützt, das Wert und Privatheit signalisiert.378 Dem Dank der Künstlerin steht kein Dank eines Kurators gegenüber, was sich auch deplatziert ausnehmen würde in Katalogen, die ganz

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Genette, Paratexte, S. 132 f. Damien Hirst: Superstition, Kat. Gagosian Gallery London, London 2007, S. 168. … (whenever you need me), S. 50. Kampmann, Künstler sein, S. 197. Pipilotti Rist: Remake of the weekend, Kat. Hamburger Bahnhof Berlin, Kunsthalle Wien u.a., Köln 1998, o. S.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele autonom-autopoetisch sind. Enthusiastisch sind die Überschriften: »I Love You« 379 oder »LOB SEI IHNEN«, überschwänglich die Dankesreden: »Ich küsse den Himmel, dass es Euch gibt«.380 Die Personen, denen gedankt wird, sind nicht nur einfach aufgezählt, sondern Rist gewährt freimütig Einblick in die Art ihrer Beziehungen, betont dabei stets, was sie von den jeweiligen Partnern und Personen gelernt habe, was ihr künstlerisch oder lebenspraktisch von Nutzen gewesen sei. Die Danksagung ist so auch Autobiographie und Bericht über den Modus operandi. Sie hat gleichzeitig individualisierende und kollektivierende Funktion381, und diese Betonung der kollektiven Autorschaft findet sich, bei aller Unterschiedlichkeit, auch bei Demand und Eliasson. Der Trend zum ausladenden Dank in Katalogen findet eine Parallele in Romanen meist englischsprachiger Provenienz, ein Vergleichspunkt wäre das Verhältnis von globalem Erfolg und Üppigkeit des Dankes.382 Demgegenüber sind die Danksagungen in den Katalogen Thomas Demands zunächst kurz und nüchtern gehalten, was als Zurückhaltung und Understatements erscheint. Oft gibt es gar keinen eigenen Dank durch den Künstler, und der Part bleibt Kuratoren überlassen. So ist er etwa in Klause, nur wenige Zeilen umfassend, an das Ende eines nüchtern mit »Nachtrag« betitelten Textes gestellt. Doch je aufwendiger die Ausstellungsprojekte und je mehr Personen, Firmen, Institutionen einbezogen werden, desto mehr heischen sie einer gesonderten Danksagung. So gibt es im Katalog Nationalgalerie eine separate, dem kuratorischen »Dank« gegenübergestellte Rubrik »Der Künstler dankt«. Es folgt eine fast 100 Namen umfassende Liste mit an der Ausstellung, aber auch an den Vorträgen und Diskussionen des Rahmenprogramms Beteiligten. Sie ist, wie der übrige Text, typographisch sehr zurückhaltend inszeniert, liest sich aber wie ein Querschnitt durch das Who’s who der intellektuell-künstlerischen deutschen und internationalen Szene. Der Dank bedeutet Bekräftigung der multiplen Autorschaft der Ausstellung, und hier gilt ähnlich wie für die Widmung: »Der Adressat der Zueignung ist gewissermaßen immer verantwortlich für das ihm zugeeignete Werk, dem er nolens volens ein Quentchen seiner Unterstützung und damit seiner Anteilnahme zukommen lässt. […] Muß man noch einmal daran erinnern, dass der Bürge im Lateinischen auctor hieß?«383 Auf Involvierung der Beteiligten sind auch die Danksagungen in den Katalogen Eliassons gerichtet, in weit höherem Maß als bei Demand. Auffällig sind Länge und meist prominente Platzierung des Danks. In The Weather Project ist er nicht ins Impressum

379 Himalaya. Pipilotti Rist. 50 kg (nicht durchtrainiert), Kat. Kunsthalle Zürich u. a., Köln 1999, o. S. 380 Pipilotti Rist: Remake of the weekend, o. S. 381 Kampmann, Künstler sein, S. 197. Vgl. auch Änne Söll: Arbeit am Körper. Videos und Videoinstallationen von Pipilotti Rist, München 2004, S. 208. 382 Vgl. Ursula März: Ingrids Geduld. Der neueste Trend: nicht enden wollende Danksagungen, in: ZEIT, Nr. 9/2014, 20.2.2014, S. 50. 383 Genette, Paratexte, S. 132 f.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge integriert oder angehängt, sondern durch gegenüberliegende Leerseiten als eigener Textteil freigestellt, noch vor dem Impressum, gehört also noch zu dem Teil des Katalogs, der die Ausstellung und das Projekt darstellt. Die Parallelität der Anordnung und der Überschriften »Curators« bzw. »Artists Acknowledgemements« verdeutlicht die Stellung des Künstlers als der Kuratorin systematisch gleichrangig. Eliassons Dank übertrifft den der Kuratorin jedoch erheblich an Länge und bekommt den Charakter eines narrativen Epilogs zum Ausstellungsprojekt insgesamt, geht damit über die Erfüllung einer Pflicht als Konvention hinaus. Anhand verschiedener Personengruppen werden die Stationen der Ausstellungsrealisation dargestellt. Die Danksagung ist damit zugleich ein Making-of, in der Art eines »in order of appearence«, ähnlich wie in den Katalogen von Rist. Verquickt ist sie mit einem Bericht über methodische Vorgehensweisen, die dem Leser erst jetzt offengelegt werden, etwa über die Zusammensetzung der Round-table-Diskussion in der Mitte des Katalogs. Damit ähnelt sie dem Nachwort eines Romans oder dem Abspann eines Films, in dem auf die zugrundeliegenden Fakten und die Art der Adaption verwiesen wird. Sie zielt darauf, den Leser hinter die Kulissen blicken zu lassen, ihm durch die Offenlegung der Prozesse das Gemachtsein nicht nur der Arbeiten, sondern des Katalogs insgesamt zu vermitteln. Die Narration der Danksagung steuert auf den Katalog als das Medium zu, welches das Projekt abschließt und das der Leser in Händen hält. Dann erst folgt der Dank an die einladende Institution, die Sponsoren und als persönlicher Schluss, an Eliassons Frau. Dabei ist nach Personalisierung gestrebt: Es werden konkrete Namen genannt, nicht nur Firmen, Funktionsbezeichnungen oder Institutionen. In Danksagungen kommt die akkumulierende Funktion eines Katalogs, einer Liste zum Tragen. Ihre Länge gibt Aufschluss über Umfang und Wichtigkeit des Unternehmens. In Life in Space 3, der Dokumentation eines Symposiums, steht die kommentierte Liste der Gäste am Anfang, am Ende wird denselben Personen noch einmal gedankt. Dies erinnert an literarische Kataloge, wie etwa den Schiffskatalog in der Ilias. Solche epischen Schilderungen beginnen häufig mit einer Aufzählung der Beteiligten, ebenso Theaterstücke mit der von auftretenden Personen. Die lange Liste der Personen, denen gedankt wird, sie ist eine der Mitwirkenden.

»Reaching out to these worlds« – Kooperationen Der Katalog als Sammelband von Essays (Surroundings Surrounded) Die Absicht Eliassons, bei Projekten Personen einzubeziehen und das Feld der Mitwirkenden zu erweitern, lässt sich nicht nur in vorwortähnlichen Briefen, Interviews und Danksagungen verfolgen, die vom ihm selbst stammen oder an denen er einen bestimmenden Anteil hat, sondern auch im Versuch, eine Vielzahl von Autoren mit ihren Texten im Katalog zu versammeln. Dabei geht es nicht nur um die Gewinnung prominenter Autoren aus dem Kunstbereich, sondern auch um die Verknüpfung mit Diskursen außerhalb, mit Natur- und Sozialwissenschaften. Im Katalog zur Ausstellung Surroundings

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Surrounded 384 sind diese Texte in den Mittelpunkt gerückt und das Verhältnis vom traditionellen »Haupttext« eines Ausstellungskatalogs, den ausgestellten Arbeiten, und den Peritexten, also Texten, die sich um die Hauptsache herum bewegen, damit auch das Verhältnis von Text und Bild umgedreht. Während es in einem Ratgeber für Künstler zur Katalogerstellung heißt: »Anderes als bei vielen Büchern werden in einem Ausstellungskatalog in der Regel immer die Abbildungen die Hauptrolle spielen« 385, so befinden sie sich hier zwischen über 700 Textseiten eindeutig in der Minderheit. 61 Autoren sind am monumentalen Peritext um Eliassons Arbeiten beteiligt, der zum Haupttext wird. Der umfangreiche Band ist durch den Untertitel Essays on Space and Science als Publikation eigenen Rechts gegenüber der Ausstellung gekennzeichnet. Damit ist auch eine Gattungsangabe gemacht, die sich vom Ausstellungskatalog abgrenzt. Gegenüber der Kompilation des Katalogs Users von 1998 ist die Auswahl der Autoren und Texte stärker eingeschränkt, obwohl alle 14 Autoren abermals beteiligt sind. Zwar ist die Gattung ›Essay‹ sehr offen, aber Briefe und fiktionale Texte sind ausgeschlossen. Die Angabe »on Space and Science« grenzt den Gegenstand der Texte ein, bleibt jedoch noch vage genug, um Vieles unterbringen zu können. Er sind nicht der Künstler und dessen Werk, um das es in den Texten geht, sondern seine Interessen, Architektur, Urbanistik und Naturwissenschaften im weitesten Sinn. Diese Eingrenzung ist im Pressetext betont: »Olafur Eliasson verzichtet in diesem Buch auf die Dokumentation und Interpretation seines Werks« heißt es dort kategorisch zu Beginn. Nach dieser für den Rezipienten vielleicht enttäuschend klingenden Mitteilung ist aber gleich seine Neugier angesprochen: Eliasson lege »die Quellen seiner künstlerischen Arbeit offen.«386 Dies erinnert an die erwähnten Ankündigungen zu Katalogen von Thomas Demand, Daniel Richter und Luc Tuymans, in denen Einblick in den künstlerischen Prozess durch Abbildung von Bildvorlagen und Quellenmaterial versprochen wurde, was hier aber nur indirekt der Fall ist, denn der Katalog präsentiert ja nicht die von Eliasson rezipierten Bücher und Texte, sondern Essays zu seinen Interessensgebieten. Für den Katalog ist dann auch eine Form gewählt, die ihn von einem konventionellen Ausstellungskatalog in Bildbandformat unterscheidet. Relativ klein (16 × 21 cm) und dick, erinnert er eher an wissenschaftliche Textsammlungen, Handbücher und Kompendien. Der Einband ist ein Klappumschlag, bei dem die Coverabbildung auf die innere Umschlagseite übergreift. Dieses Übergreifen nimmt den Begriff ›surrounding‹ (Umgebung, Umfeld) auf und zieht sich durch die ganze Gestaltung. Bild- und Textteile umge-

384 Olafur Eliasson: Surroundings Surrounded. Essays on space and science, Kat. Neue Galerie Graz 2000, Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe 2001, hg. v. Peter Weibel, Cambridge/Mass. 2001. 385 Martin Schack: Der Ausstellungskatalog, in: Melanie Fastenrath (Hg.): Kompendium für Künstler. Ein Ratgeber, Witten 2002, S. 96. 386 http://hosting.zkm.de/eliasson/deutsch/katalog/ (30.5.2014).

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge ben einander: Von außen sind im Buchblock dünne, in Abständen eingelagerte Schichten von Photostrecken zu erkennen. Die typographische Gestaltung des Innenteils verstärkt die wissenschaftliche Anmutung: Auf einem breiten Außenrand, wie man ihn aus Fachbüchern kennt, befinden sich Anmerkungen, aber auch Diagramme, Formeln und Karten, über ihren Informationswert hinaus Zitat einer (natur)wissenschaftlich konnotierten Bildpraxis. Die Illustrationen sind einheitlich als schwarze Strichzeichnungen wiedergegeben und heben sich ab gegenüber den Farbphotos von Eliassons Arbeiten. Als Essaysammlung mit größtenteils naturwissenschaftlicher Ausrichtung positioniert sich der Katalog nicht nur redaktionell und gestalterisch, sondern auch sprachlich entsprechend: Er ist komplett auf Englisch, obwohl die Ausstellungen mit Graz und Karlsruhe im deutschsprachigem Raum stattfanden. Rein produktionstechnisch ist dies eine Entlastung, denn eine Übersetzung hätte die Textmenge verdoppelt. Was in manchen, mit Beiträgen eher spärlich ausgestatteten Katalogen ein willkommenes Anwachsen ist, hätte hier zur Seitenexplosion geführt. Auch sparte man sich so bei den größtenteils englischsprachigen Autoren die Kosten einer Übersetzung. Dass überwiegend solche ausgewählt wurden, ist aber eine bewusste Setzung, wie die Sprachwahl insgesamt: Die Publikation will möglichst international erscheinen und orientiert sich an Tagungsbänden in der Sprache der Naturwissenschaften, Englisch. Die Positionierung in diesem Bereich ist auch durch die Wahl des Verlags unterstützt: Der Katalog erscheint nicht bei einem Kunstbuchverlag wie Hatje-Cantz oder DuMont, wie bisherige Ausstellungskataloge des ZKM, etwa Rehbergers Geläut 387, sondern bei MIT Press, einem Verlag mit dezidiertem Schwerpunkt auf Naturwissenschaft und Technik. Dieser kann durch die Publikation seinerseits sein interdisziplinäres Programm unter Beweis stellen, das er beschreibt als »based in science and technology […], in fields as diverse as architecture, social theory, economics, cognitive science, and computational science.«388 Der Ausstellungskatalog bekommt mit Surroundings noch einmal eine schon fast vergessene Funktion: die eines Manifests zur Propagierung eines überindividuellen gesellschaftlichen Anliegens, das durch Kunst erreicht werden soll. Die Kataloge der historischen Avantgarde zeichnen sich durch solche aus, etwa der Futuristen oder des Blauen Reiter. Der Katalog selbst ist bereits ein handgreifliches Statement. Die verbale Bekräftigung findet sich im Vorwort von Peter Weibel: Ein neues Band zwischen Kunst und Naturwissenschaft entstehe, die Überwindung der einst von C. P. Snow beschriebenen Kluft zwischen natur- und geisteswissenschaftlicher Kultur 389 sei im Gange: »[…] it has been demonstrated that art and science can share the same terrain, even though their products are different.« Damit diese Allianz zustande kommt, muss die zwischen Kunst und 387 Vgl. die Übersicht der zwischen 1999 und 2004 im ZKM veröffentlichten Ausstellungskataloge unter http://on1.zkm.de/zkm/mnk/publik/kataloge (30.5.2014). 388 http://mitpress.mit.edu/mitpress/history/default.asp (14.5.2014). 389 C. P. Snow: The two cultures and the scientific revolution (1959), Cambridge 2001.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Kunstkritik verhindert werden: »The exclusivity with which art theory and art criticism are renounced renders possible a new alliance between science and art.«390 Dieser Ausschluss ist dann doch weniger radikal durchgeführt als angekündigt: Das Prinzip der Interdisziplinarität, des Überschreitens von Fachgrenzen, auf das Eliasson Wert legt, würde durch eine strenge Auswahl eingeschränkt. Einige seiner Stammautoren wie Daniel Birnbaum, Jonathan Crary, Ina Blom, Hans Ulrich Obrist sind, bei aller Beweglichkeit zwischen den Bereichen, doch eher der Kunstgeschichte und -theorie zuzuordnen. Ihr Ausscheiden wäre schmerzlich gewesen und von ihnen dezidiert naturwissenschaftlich ausgerichtete Texte zu verlangen schwierig. So ist auch der eine Bestandteil des Titels, »Space«, so offen gewählt, dass Vieles darunter subsumiert werden kann. Insgesamt scheint das Konzept nicht ohne Widersprüche: Im Pressetext werden, recht allumfassend, »Texte aus den Bereichen Natur- und Geisteswissenschaft, sowie Architektur und Kunsttheorie« als Bestandteile genannt, kurz darauf ist aber, wie im Vorwort, vom »Ausschluss von Kunsttheorie und Kunstgeschichte« die Rede.391 In der Verlagsankündigung wird dann doch der Aspekt der Zusammenarbeit und Inklusion hervorgehoben, als »unique collaborative enterprise by artist, curator, scientists, and art critics«.392 Im Zusammenhang der Betonung des kollaborativen Moments sei hier auch die Beteiligung des Kurators erwähnt, die diesmal besonders ausgeprägt ist: Die Auswahl der Autoren geht auf ein gemeinsames Brainstorming von Eliasson und Weibel zurück, wie im Vorwort offengelegt ist. Weibel steuert also nicht nur selbst Texte bei, sondern suchte auch einen Teil der Autoren aus. Auch in Hinsicht auf eine Entkoppelung von Ausstellung und Katalog, wie oben im Zusammenhang der Kataloge Rehbergers angesprochen, manifestiert sich das »Katalogwollen« Weibels und trifft sich mit dem Eliassons. Die Installationsansichten in Surroundings stammen aus vorhergehenden Ausstellungen, nicht aus Graz oder Karlsruhe, haben also nur eine schwache Referenz. Die Publikation erschien als Buchhandelsausgabe auch erst nach der Ausstellungseröffnung, obwohl das Problem der Abbildung von aktuellen Installationsansichten ja nicht bestand.393 Dies hat sicher mit der Menge der redaktionell zu bewältigenden Texte zu tun, passt aber auch zum Konzept einer Trennung von Ausstellung und Katalog, wie es Peter Weibel vertritt, der als Herausgeber das Medium in Richtung eines handbuchartig-enzyklopädischen Referenzwerks orientiert, wie auch an weiteren Katalogen des ZKM zu beobachten ist.394 390 Peter Weibel in: Olafur Eliasson: Surroundings Surrounded, S. 16. 391 http://hosting.zkm.de/eliasson/deutsch/katalog/(14.5.2014). 392 http://www.amazon.de/Olafur-Eliasson-Surroundings-Surrounded-Science/dp/0262731487 (14.5.2014). 393 Die Laufzeit war 31.5. bis 26.8.2001, Erscheinungsdatum laut Verlagsangabe Januar 2002. 394 Ähnliche Beispiele sind Ikonoclash (2002), Future Cinema (2003), Making Things Public (2005), alle bei MIT Press, erwähnt wurde bereits Lichtkunst aus Kunstlicht (2006), vgl. http://on1.zkm.de/zkm/ abteilung/publikationen (20.5.2014).

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge

Synergien und Selbstständigkeit Im Zusammenhang mit der Erweiterung des Entstehungsanlasses jenseits einer Kunstausstellung sind auch die Publikationen Eliassons zu sehen, die Ergebnis von Kooperationen mit Firmen und von Aufträgen sind. Von ihnen gibt es eine ganze Menge, Beispiele sind die Publikationen zum Projekt Dufttunnel für VW bzw. die Autostadt GmbH in Wolfsburg 2005, Your mobile expectations, 2007, bei dem der Anlass ein Auftrag von BMW war, zum Symposium Life in Space 3 von 2008, das von der Firma Zumtobel finanziert wurde. Hier arbeitet Eliasson nicht mit Museen und Galerien zusammen, und die Anlässe sind auch keine Ausstellungen, aber es gelingt ihm, die entstandenen Arbeiten nicht zuletzt durch die Publikationen auch innerhalb des Kunstkontextes zu platzieren. Dufttunnel lässt sich als ein Kunst-am-Bau-Projekt für einen privaten Auftraggeber beschreiben, Your mobile expectations als eine Auftragsarbeit, deren Ergebnis aber auch in Kunstmuseen, im SMOFA (2007) oder in der Pinakothek der Moderne München (2008) ausgestellt wurde, so dass sich die Projektdokumentation doch auch als anlassbezogener Katalog verstehen ließe. Kommunikationsstrategien, die durch den Ausstellungskatalog erprobt sind, werden übertragen. Es reicht, wenn in der eingeschliffenen paratextuellen Formel »Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung« das Wort ›Ausstellung‹ durch ›Projekt‹ ersetzt wird, wie im Impressum von Dufttunnel. Einen auf den ersten Blick vergleichbaren Katalog zu einer Auftragsarbeit gibt es von Gerhard Richter, anlässlich seiner Serie Rot, Gelb, Blau für die BMW Firmenzentrale in München395, die wir im Zusammenhang mit der Abbildung von Bildvorlagen erwähnt hatten. Allerdings liegen hier zwischen dem Auftrag von 1973 und der Publikation immerhin 34 Jahre. Der Kontext einer Auftragsarbeit und die Tatsache, dass die Gemälde nie in einem Museum ausgestellt waren, ließ zunächst kein großes Interesse von Seiten der Kunstwissenschaft und Institutionen aufkommen, und die Auftraggeber maßen damals einer begleitenden Publikation offensichtlich keine große Bedeutung bei. Dass sie dann 2007 von BMW initiiert und finanziert erschien, hängt auch zusammen mit dem inzwischen gestiegenen Bewusstsein innerhalb der Firmen für die positiven Auswirkungen auf ihr Image durch Förderung von Kunst und den damit verbundenen Publikationen, die natürlich in die Öffentlichkeitsarbeit integriert werden. Der Katalog ersetzte eine öffentliche Ausstellung. Eliassons Publikationen, die aus Aufträgen/Kooperationen resultieren, erscheinen dagegen in zeitlich engerem Zusammenhang, und die Initiative geht primär von ihm aus. Bei den inhaltlichen Interessen gibt es ähnlich wie in Surroundings Surrounded Überschneidungen im Bereich von Naturwissenschaft und Technik. Durch das Sponsoring ergibt sich eine Win-win-Situation: Die Publikation ist für die Firma Nachweis ihres kulturellen Engagements, bedeutet Prestige und kann als Teil der Selbstdarstellung verwen-

395 Richter/Friedel, Rot, Gelb, Blau, München u. a. 2007.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele det werden. Für den Künstler liegt der Gewinn in der Finanzierung einer Publikation, die das Œuvre an Katalogen und Büchern weiter bereichert, ein Projekt dokumentiert und als Referenz für weitere Aufträge dienen kann. Es ergibt sich die Gelegenheit, das Projekt mit weiterem Textmaterial und mit älteren Arbeiten zu umgeben, diesen dadurch zu neuer Präsenz zu verhelfen, sie in Buchform nochmals auszustellen. Alle genannten Beispiele Eliassons sind mit solch einem retrospektiven Bildteil versehen. Manchmal kann bei der Buchproduktion auch direkt auf die personellen und technischen Ressourcen der Firma oder deren Geschäftskontakte zurückgegriffen werden. Dazu ein Beispiel aus der Praxis von Thomas Demand: Er ließ den von Prada gesponserten Katalog Processo grottesco von der Druckerei drucken, die auch Modekataloge und andere Produkte für Prada und Gucci herstellt. Dies hat Vorteile, was Qualität, zeitliche und preisliche Flexibilität angeht: »Wenn Sie Prada im Rücken haben, macht der Drucker sehr vernünftige Angebote, weil er die als Kunden braucht.« 396 Mit einer Zusammenarbeit steht die Publikation jedoch bereits in einen paratextuellen Kontext, der vom jeweiligen Partner vorgeprägt ist. So weckt Demands Processo grottesco/ Yellowcake äußerlich Assoziationen an die exklusiven Produkte der Modemarke. Und deren hauseigene Buchprodukte sind ebenfalls dem Label entsprechend gestaltet: 2010 erschien Prada 397, eine über 700 Seiten starke Darstellung der Produkte und Aktivitäten des Unternehmens, das in Format, dem Bezug aus schwarzem Kunstleder und seinem Schuber dem Buch Demands durchaus ähnelt. Auch für die Zusammenarbeit mit Verlagen gilt, dass das sonstige Programm das Erscheinungsbild und die Wahrnehmung beeinflusst: So tritt Eliassons Encyclopedia als Taschen-Monumentalband auf und weckt so Assoziationen nicht nur mit anderen Bänden der Reihe zu Kunstklassikern wie Leonardo da Vinci oder Michelangelo, sondern auch mit solchen zu Design, Livestyle, Stars, also mit einer Umgebung, in der sich zeitgenössische Kunst, die auf ihre Autonomie bedacht ist, ungern verortet. Dass eine Publikation nicht ausschließlich im Kunstbereich angesiedelt ist, eröffnet andererseits neue Möglichkeiten, ein Publikum zu erreichen. So liegt Eliassons Dufttunnel nicht nur im Kunstbuchhandel oder in Museumsläden aus, sondern natürlich auch im Shop der Autostadt Wolfsburg und in weiteren, nicht auf Kunst spezialisierten Buchläden und Geschäften und kann dort rezipiert werden. Und die Publikation Life in Space 3, Dokumentation eines Symposiums in Verbindung mit einem Geschäftsbericht der Firma Zumtobel, erreicht alle Empfänger eines solchen Jahresberichts – von denen der größere Teil wenig mit der Kunst Eliassons oder mit zeitgenössischer Kunst überhaupt in Berührung gekommen sein dürfte.

396 Gespräch des Autors mit Thomas Demand, Berlin, 26.10.09. Es handelt sich um die Druckerei Grafiche Mariano, die auch Tobias Rehberger: On Otto/On Solo herstellte. 397 Miuccia Prada/Patrizio Bertelli (Hg.): Prada, New York 2010.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge Was für andere vielleicht problematisch wäre, eine Verwässerung des Profils oder gar Kompromittierung bedeutete, ist für viele zeitgenössische Künstler und besonders Eliasson Teil der künstlerischen Strategie und den damit verbundenen Publikationen. In einem Interview begründete Eliasson seine Zusammenarbeiten mit Firmen mit der Beengtheit und Selbstreferenzialität des Kunstsystems: »There’s a certain problem of elitism in the art world. […] So I’m reaching out to these other worlds.« 398 Das Bild vom Künstler als Grenzüberschreiter, als Forscher und Pionier, der neue Welten erkundet, schwingt hier mit. Das Aushandeln der Spielregeln einer Zusammenarbeit und die Sondierung der jeweiligen Grenzen gehört für Eliasson mit zum Konzept. Um sich auf die Kooperation mit Firmen, Verlagen und Kunstinstitutionen einlassen zu können, ohne sich funktionalisieren oder übernehmen zu lassen, braucht es Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit, auch was die Infrastruktur für Publikationen angeht. Ansonsten wäre das künstlerische Projekt schnell von den PR-Büros und Hausgraphikern der Firmen aufgesogen und deren Corporate Identity einverleibt. Doch Eliasson hat sich mit seinem Studio eine Plattform aufgebaut, die mit einem festen Stamm von Autoren, Redakteuren, Photographen, Graphikern im Gegenteil in der Lage ist, Publikationen in Eigenregie zu gestalten und dem jeweiligen Partner anzubieten. So kann die graphische Identität der Publikationen beibehalten oder gar übertragen werden. Ein Beispiel für diese Implementierungsstrategie ist die Publikation zum Symposium Life in Space 3 (2008), die von Zumtobel finanziert und nicht von einem von der Firma beauftragen Graphikbüro konzipiert wurde, sondern von Andreas Koch, einem Künstler und Graphiker, der für Eliasson schon mehrere Bücher entworfen hat. Sie ist als Doppelpublikation gestaltet: Ein Teil besteht aus der Dokumentation des Symposiums, der andere aus dem Jahresbericht der Zumtobel-Gruppe. Mit ihr hatte Eliasson bei Ausstellungen in technischen Fragen der Beleuchtung immer wieder zusammengearbeitet, und das Symposium kreist dann auch um Licht und Farbwahrnehmung. Im Inhaltsverzeichnis sind beide Anteile in paralleler Systematik geführt: Ein Teil gibt den Verlauf des Symposiums wieder, an den sich ein katalogartiger Abschnitt von Arbeiten Eliassons mit Licht anschließt, der andere den Jahresbericht, als Teilhaberversammlung, nach Tagesordnungspunkten gegliedert. Das ähnliche Layout und die Nummerierung der Programmbzw. Tagesordnungspunkte suggeriert die Entsprechung beider Teile, was buchtechnisch unterstrichen ist, da sie eigenständige Bände, aber um 180 Grad gedreht und an dem Umschlägen aneinandergeklebt sind. (Abb. 64) Sie spielen so mit dem Thema der Zusammengehörigkeit von Bestandteilen einer Publikation bei gleichzeitiger Autonomie, ähnlich wie Rehbergers durch Spanngummis verbundene Kataloge On Otto und On Solo, die durch Klettstreifen aneinandergehefteten Einzelkataloge von Applesandpears oder auch Demands Processo grottesco und Yellowcake, wo zwei Kataloge in einem Schuber zusam398 Obrist, Eliasson, Conversation Series, S. 145.

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Abb. 64 Olafur Eliasson: Life in Space 3, Dornbirn 2008, Cover.

mengefasst sind. Anders als bei Rehberger und Demand sind bei Eliasson die Teile fest aneinander fixiert. Damit ist ein gemeinsames Interesse der Parteien als Schnittmenge und Überschneidung visualisiert und das Band der Zusammenarbeit als flexibel, ohne allzu feste Bindung, aber nachhaltig und dauerhaft markiert. Dass beide Bände gleiches Format und Dicke haben, spiegelt die Absicht wider, beide Partner als gleichwertig darzustellen und keine Seite als untergeordnetes Anhängsel erscheinen zu lassen. Interessant ist der bibliothekarische Umgang mit dieser Publikation: In einem Fall wurden beide Teile bibliographisch und auch physisch durch unterschiedliche Signaturen und Standorte getrennt.399 Offensichtlich erschien die Trennung der Bereiche ›Kunst‹ und ›Wirtschaft‹ hier konsequent. In der Frühphase der Künstlerbücher, Mitte und Ende der 1960er Jahre, war das Buchmedium Ausdruck einer autonomen, häufig institutionskritischen Produktionsstrategie. Künstler versuchten, andere Wege zu gehen als über die klassische Museumsoder Galerieausstellung, deren Ergebnis der konventionelle Ausstellungskatalog gewesen wäre. Die Buch- und Katalogprojekte Eliassons lassen sich als Fortsetzung dieser subversiven Strategie sehen, allerdings in einer Kunstwelt mit ganz anderen Rahmenbedingungen. Um Unabhängigkeit und den eigenen Standpunkt bei Zusammenarbeiten zu behaupten, ist Professionalisierung und damit Arbeitsteilung notwendig. So bekommt die 399 Im Exemplar der Kunstbibliothek Berlin ist die Klebestelle deutlich zu erkennen (Sig. 8 2009 2685); der Geschäftsbericht ist unter »Periodika« eingeordnet (Sig. Per 8/1729-2007/08).

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge Atelier-Arbeitsgemeinschaft selbst Züge eines Unternehmens, eine interessante Entwicklung400, auf die hier nur insofern eingegangen werden soll, als sie sich auf die Publikationen auswirkt, die ihrerseits eine Manifestation dieser Verselbständigung des Atelierunternehmens sind. 2006 spricht Eliasson von einem »small publishing project […], it might turn into a publishing house.« Er erwähnt den Plan, fünf bis zehn Bücher innerhalb der nächsten zwei Jahre in eigener Regie zu veröffentlichen.401 Dabei übernimmt Eliasson aber nur zum Teil das Konzept eines Selbstverlags, wie sie für die Underground-Künstlerbücher der 1960er Jahre charakteristisch waren und wie es sie in Europa und den USA auch heute in großer Vielfalt und Kleinteiligkeit gibt.402 Die Tätigkeit des Studio Eliasson beschränkt sich dabei auf Konzeption, Redaktion, Lektorat, Graphik. Die Publikationen werden unter der Herausgeberschaft des Studios veröffentlicht, Werbung, Vertrieb und Verkauf aber trotzdem durch renommierte Verlage wie Walther König oder Taschen übernommen. Bei der Darstellung der Publikationen auf der Internetseite des Studios sind keine Informationen über Preise oder Bestellmöglichkeiten gegeben, diese kommerziellen Aspekte sind delegiert, was Professionalität signalisiert. Ebenso wenig werden Kunstwerke dort verkauft, wofür natürlich die Galerienvertretung zuständig ist, als einzige Produkte werden modulare Lampen als Multiples angeboten. Damit unterscheidet sich Eliassons verlegerische Aktivität aber auch von einem anderen, ebenfalls durch etablierte Künstler initiierten Verlag wie Other Criteria, der 2005 von Damien Hirst und einigen befreundeten Künstlern als »publishing company« 403 gegründet wurde – also in etwa demselben Zeitraum, in dem auch Eliassons Studio sich professionalisierte und die publizistische Aktivität verstärkte. Other Criteria setzt jedoch ganz bewusst auf Vermarktung und Verkauf eigener, vor allem Hirsts Produkte, und spielt damit auch gezielt, ähnlich wie in künstlerischen Arbeiten, mit dem Befremden, das so offen dargestellte kommerzielle Interessen im Umgang mit Kunst hervorrufen. Bücher und Kataloge haben im Programm ihren Platz, sind aber mit Multiples, Schmuck, T-Shirts, Poster in einem großen Warenpool zusammengefasst, dessen Eklektizismus betont wird. Die Positionierung als Herausgeber/Verlag »Studio Olafur Eliasson« ist vor

400 Zum »Studio« als Arbeitsform vgl. Philip Ursprung: Arbeiten in der globalen Kunstwelt: Olafur Eliassons Werkstatt und Büro, in: Michael Diers/Monika Wagner (Hg.): Topos Atelier. Werkstatt und Wissensform, Berlin 2010, S. 137–150; ders.: Vom Beobachter zum Teilnehmer. In Olafur Eliassons Atelier, in: Studio Olafur Eliasson, An Encyclopedia, S. 20–31; Kathrin Baumstark: Der veränderte Werkbegriff in der bildenden Kunst am Modell des Studio Olafur Eliasson, Saarbrücken 2011. 401 Obrist, Eliasson, Conversation Series, S. 138. 402 Vgl. Christoph Keller/Michael Lailach (Hg.): Kiosk. Modes of Multiplication. A Sourcebook on Indipendent Art Publishing 1999–2009, Kat. Kunstbibliothek Staatliche Museen zu Berlin, Zürich 2009; Craig Dworkin/Annette Gilbert/Simon Morris u.a. (Hg.): Do or DIY. Zur Geschichte und Praxis des Selbstverlags, Köln 2013. 403 Siehe die Selbstdarstellung unter https://othercriteria.com/info/other-criteria-english (28.5.2014).

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele allem ein Signal nach außen, das auf die Existenz, Aktivität und Unabhängigkeit des Studios aufmerksam macht. Sie hat ihren Niederschlag auch in Bibliothekskatalogen gefunden, wobei, verständlicherweise, Unsicherheit darüber herrscht, wie »Studio Olafur Eliasson« einzuordnen sei. Es ist sowohl unter »Körperschaften« geführt, das heißt Institutionen wie Museen, Galerien, Kunstvereine, als auch unter »Anbieter«, also Verlage.404 Mit dem Auftritt als Kollektiv ist der Aspekt der Zusammenarbeit und der Einbeziehung nach innen und nach außen betont. Das Netz als Form, das in Arbeiten Eliassons und Publikationen immer wieder auftaucht, gerinnt zur offensichtlichen strukturellen Metapher für das Studio und die Verbindung der Mitarbeiter untereinander.405 Im ersten vom Studio herausgebrachten Band, Take Your Time 1 – Small spatial experiments (2007) sind die Namen der Mitarbeiter des Studios am Ende des Buches, als Impressum, Organigramm und Danksagung zugleich, um ein dreidimensionales Netzgitter angeordnet, auf Papierstreifen und wie zufällig in unterschiedlichen Abständen und Winkeln aufgelegt, als dynamisch-entropische, aber nicht chaotische Wolke. Dabei steht der Name Eliassons nicht im Zentrum, das weitgehend frei bleibt, sondern nicht weiter hervorgehoben, als einer unter den vielen. Mittels der Entfernung von der Mitte kann auch eine Differenzierung zwischen dem Studio enger und lockerer verbundenen Mitarbeitern getroffen werden. Und dieses Netz lässt sich um den jeweilig involvierten Projektpartner und auch den Leser erweitert denken.

Künstlichkeit und Erlebnis – die Ausstellung im Katalog Künstlichkeit als Site-specificity Die angestrebte Einbeziehung von Außenstehenden als Teilnehmende motiviert auch die »Erlebnisqualität«, die manche Kataloge Eliassons bieten. Der Katalogrezipient soll die Ausstellung nacherleben und eher räumlich-sinnlich als kognitiv nachvollziehen, was durch Visualisierungen anhand von Plänen und großangelegten Bildstrecken geschehen kann, aber auch durch Hineinnahme der jeweiligen Wahrnehmungsart in den Katalog, etwa durch parfümierte Seiten oder Reliefprägungen auf dem Einband. Dabei wird stets die Vermitteltheit der Erfahrungen betont, sei es explizit in den Begleittexten, sei es durch das Artifizielle der Präsentation im Buch selbst, das ja an sich ein Medium, ein Vermittelndes ist. Gegenüber der dokumentarischen Funktion eines Katalogs sind häufig Störfaktoren eingebaut und das Bildmaterial transformiert, so dass Katalogbücher mit hohem künstlich-künstlerischem Anteil als Parallelwerke zu den Ausstellungen entstehen. Bereits 404 Im Katalog der Kunstbibliothek Berlin ist zu TYT 2 das Studio als Körperschaft und Anbieter genannt, Erscheinungsort ist Köln (Walther König). Im Eintrag zu TYT 1 sind die Angaben umgekehrt. 405 Zum Bild des Netzwerks vgl. Julia Gelshorn/Tristan Weddigen: Das Netzwerk. Zu einem Denkbild in Kunst und Wissenschaft, in: Hubert Locher/Peter J. Schneemann (Hg.): Grammatik der Kunstgeschichte. Oskar Bätschmann zum 65. Geburtstag, Zürich 2008.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge in den Titeln von Ausstellungen und Katalogen fällt die oft wiederholte Verwendung des Adjektivs »mediated« auf, so hieß etwa die Ausstellung von Eliassons Buchproduktion 2009 Mediating Experience. Ein frühes Beispiel für diese Vermittlung der Vermitteltheit ist The mediated motion – siehe auch hier der Titel – zur Ausstellung im Kunsthaus Bregenz 2001. Gezeigt war ein Parcours zum Thema der künstlichen Landschaft, unter anderem ein Boden aus gestampftem, moosbewachsenem Erdreich, ein Teich voller Wasserlinsen, eine Reihe von Hängebrücken im Nebel. Auffällig ist die Gestaltung der Publikation als Wendebuch, das aus zwei Teilen gleicher Stärke besteht, die um 180 Grad gegeneinander gedreht sind und in der Mitte zusammentreffen. Ein Teil hat deutschen Text, der andere englischen. Sowohl von vorn als auch von hinten kann der Katalog wie gewohnt mit dem Schnitt rechts aufgeschlagen werden. Diese Gestaltung dient dazu, zwei Bestandteile voneinander abzusetzen, die dennoch in einem Verbund auftreten sollen, häufig bei Publikationen in unterschiedlichen Sprachen406, aber auch in Katalogen mit der Beteiligung von zwei Institutionen oder Künstlern. Diese abgrenzende und gleichzeitig enthierarchisiernde Funktion wird, wie bereits angesprochen, in Life in Space 3 deutlich, der Kombination aus Symposiumsdokumentation und Jahresbericht, deren Bände gedreht sind. In The mediated motion liegt kein derartiger funktionaler Grund vor. Die Drehung des Katalogs kann man sich am ehesten erklären mit der beabsichtigten Vermittlung der Aspekte von Bewegung und Relativität, die in den Begleittexten immer wieder betont wird. Indem der Leser den Katalog dreht und wendet, soll er ein oben und unten erfahren, die Bedingtheit des Standpunktes und die Veränderlichkeit der Perspektive, Themen, die in der Ausstellung mit den auf- und absteigenden Treppen, mit den Spiegelungen der Decke in den Wasserflächen ebenfalls verhandelt werden. Einkalkuliert ist das Moment der Verunsicherung, wie denn der Katalog aufzuschlagen und zu handhaben sei. Er lässt sich von beiden Seiten aus lesen, die nicht unterschiedlich gewichtet und beide gleich gültig sind. Fortgesetzt ist diese Vermittlung der Relativität von Wahrnehmung durch den expliziten Aufbau eines Gegensatzes zwischen einer »objektiven« und einer »subjektiven« Abbildungsart der Ausstellung im Katalog. Die eine Gruppe von Bildern sind großformatige, meist auf Doppelseiten wiedergegebene Aufnahmen, die durch perfekte Ausleuchtung, hohe Tiefenschärfe und weitwinklige Raumerfassung dokumentarischen, auch repräsentativen Charakter haben, indem sie die Architektur des Kunsthauses gut zur Geltung kommen lassen, darin vergleichbar den Installationsansichten in Tobias Rehbergers

406 Zum Beispiel Gerhard Theewen (Hg.): Lawrence Weiner: Bremerhaven, Köln 2005, mit englischem und deutschem Teil. Ein Beispiel für Wendebücher als Kataloge mit Beteiligung von zwei Institutionen ist Neo Rauch: Begleiter, Kat. Pinakothek der Moderne München, Museum der Bildenden Künste Leipzig 2010, für zwei Künstler Albert Hien: Ortobotanico/Albert Coers: Biblioteca botanica, Kat. Kunstmuseum Heidenheim 2006; Mit dem Wendebuch gespielt ist darüber hinaus bei dichotomen Begriffen, zum Beispiel Ute Scheffler: Frauen & Männer, Leipzig 2011.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Geläut. Durch geringe Größe und Schärfe entgegengesetzt ist eine Photoserie Eliassons an den Randspalten. Der Gegensatz ist bereits im Inhaltsverzeichnis signalisiert, wo sowohl Eliassons Bilder als auch die des professionellen Photographen als »Photos« aufgelistet sind. Sonst wird der Bildteil in zeitgenössischen Katalogen meist nicht als eigene Rubrik geführt (in oft älteren Katalogen mit ›Tafeln/Plates‹). In The mediated motion sind Photos aber als eigener Abschnitt unter Angabe des jeweiligen Autors aufgelistet, um den medialen Akt der Abbildung der Ausstellung hervorzuheben. Die Namensnennung des Photographen der Installationsansichten bedeutet eine Aufwertung, und lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Zusammenarbeit sehen; die Photostrecke Eliassons bekommt durch die Auflistung den Charakter einer Arbeit, die nur im Katalog existiert und so eigenes Gewicht hat. Sie läuft am Seitenrand, wird vom Text umflossen und behauptet sich als davon unabhängiges Element. Die Subjektivität dieser Bildstrecke wird signalisiert durch die variable Abfolge und Positionierung auf der Seite, aber auch durch die Bilder selbst: Es sind überwiegend Details, meist vom Boden, von Treppengeländer und Türen, in denen der abgeschrittene Weg partiell erfasst ist. Die Bilder sind größtenteils unscharf, womit sich die Dynamik der Bewegung durch die Ausstellung vermitteln soll. Die Verwendung zweier Bildtypen derselben Arbeit erinnert an Demands Katalog Klause, wo nicht die »offiziellen« Aufnahmen der Papiermodelle abgebildet wurden, sondern andere. Diese unterscheiden sich, ähnlich wie die Eliassons, von den endgültigen Bildern durch geringere Schärfe und Ausschnitthaftigkeit, wodurch der Eindruck von subjektiver Wahrnehmung und Unklarheit verstärkt wird. Das Material ist ebenfalls sequentiell als Bildstrecke angeordnet, die den Betrachter durch die Räume der Installation führt. Ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch in der Trennung beider Bildtypen bei Demand. Während Eliasson sie im Katalog nebeneinander laufen lässt, einen Bildvergleich ermöglicht und damit auf eine etwas medienaufklärerisch-didaktische Ebene gerät, entscheidet sich Demand für die Nichtabbildung der endgültigen Bilder und die Präsentation zusätzlichen Materials, das durch diese Isolierung zu einer eigenen Arbeit wird. Auch die Art der Unschärfe ist unterschiedlich: Bei Demand handelt es sich um keine durch Bewegung entstandene, das ganze Bild umfassende Unschärfe wie bei Eliasson, sondern eine von vornherein durch die Kameraeinstellungen festgelegte geringe Tiefenschärfe. Die Verbindung Katalog-Ausstellungsraum und die Vermittlung von Künstlichkeit, die Eliasson in The mediated motion anstrebt, ist nachdrücklicher umgesetzt in einem Katalog, der 2003 zur Ausstellung Funcionamiento silencioso im Museo Reina Sofia Madrid erschien. Er nimmt Bezug auf den Ausstellungsraum, einen Kristallpalast aus dem 19. Jahrhundert, auf den architektonischen Typus des Glashauses und der darin artifiziell erzeugten Lebenswelt – für Eliasson ein willkommener Anknüpfungspunkt. Ähnlich wie im Kunsthaus Bregenz war ein Parcours künstlicher Landschaft zu sehen, aber ergänzt durch Artefakte, die stärker den technischen und architektonischen Aspekt betonten, wie Your spiral view (2002), ein Tunnel aus facettenartig zusammengesetzten verspiegelten Metalldreiecken.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge

Abb. 65 Olafur Eliasson: Funcionamiento silencioso, Kat. Museo Reina Sofia, Palacio de Cristal Madrid 2003, o. S.

In den Katalog ist der Aspekt der Künstlichkeit so transportiert, dass sich ein Zwitterwesen zwischen Künstlerbuch und Ausstellungskatalog ergibt. Wie bei Surroundings Surrounded tut man sich beim Blick von außen schwer mit einer Einordnung. An Textelementen finden sich nur Künstlername und Titel als schmale Rückenprägung, auf dem Einband eine ganz kleine Angabe zum Herausgeber. Die weitgehende Abwesenheit einer Kontextualisierung deutet auf ein Künstlerbuch hin, auch die Gestaltung des Einbands: Graupappe ist mit teils flächigen, teils durch Linienschraffur beschriebenen Dreiecken in einem hellen Silberton bedruckt, wodurch sich verschiedene Helligkeitswerte ergeben, damit der räumliche Eindruck einer kristallinen Struktur. Sie bildet den formalen Zusammenhang mit dem Ausstellungsort, dem Kristallpalast, und den im ausgestellten und im Katalog abgebildeten Arbeiten. Für die Einordnung als Ausstellungskatalog spricht, neben dieser Referenz auf die Ausstellung und ihren Ort, ein Verzeichnis der ausgestellten Arbeiten und die Paginierung, die Zuordnung zu Seiten möglich macht, Auffindbarkeit sichert, und die in »reinen« Künstlerbüchern als funktionales, verweisendes Element meist getilgt ist. Die Zuordenbarkeit der Arbeiten zu den Seiten ist weitgehend gewährleistet, nicht aber ihre Erkennbarkeit. Man blättert durch eine Mischung aus Abbildungen und autonomen Graphiken. Randlos nebeneinandergesetzte Photos greifen teilweise auf folgende Seiten über, sind dadurch geteilt, ähnlich wie in Surroundings Surrounded. Durch den Effekt der Solarisation, einer Umwandlung von dunklen Tönen in hellere, durch Erhöhung des Hell-Dunkel-Kontrasts, durch Ersetzung von Farben und den Druck auf farbiges Papier sind Aufnahmen von historischen Gewächshäusern und von Eliassons Arbeiten verändert, »remixed«. (Abb. 65) Graphische Themen sind kaleidoskopartige Brechung, Spiegelung, Überlagerung, kristalline und geometrische Strukturen. Die Wahl von Details aus

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Gitter- und Netzstrukturen verstärkt den Kunstcharakter. Es entsteht ein scherenschnittartiger, ornamentaler Eindruck, über dessen Künstlichkeit kein Zweifel bestehen kann. Anders als in The mediated motion sind nicht zwei Wahrnehmungsarten, eine subjektive und eine objektive, versuchsweise nebeneinandergestellt, sondern der Schwerpunkt ist ganz auf eine, die subjektiv-künstlerische gelegt. Als materiale Mimesis des Glashauses sind die Abbildungen teilweise auf Transparentpapier gedruckt. Auf das Thema des Gewächshauses ausgerichtet ist auch die Farbigkeit der Textteile: Sie sind auf grasgrünem Papier gedruckt; um der botantisch-vegetabilen Vielfalt Rechnung zu tragen, herrschen auch in der Schriftfarben Grüntöne vor. Der Topos von ›Veränderung/Bewegung‹, assoziiert mit ›Natur‹, mit dem Eliasson in Installationen wiederholt spielt, findet sich auch in Buchform mit den Farben der Seiten umgesetzt: Das beginnt mit der Pflanzenfarbe grün, auf dem die Texte stehen, wechselt ins Blaue, und durchläuft in einer mehrere Seiten umfassenden Sequenz heftiger Kontraste zwischen Papier und Druckfarbe das gesamte Farbspektrum. Die lineare Anordnung der Seiten innerhalb eines Buches kommt dem Spiel mit Zeitabläufen entgegen, ähnlich, wie Thomas Demand Katalogseiten zur Wiedergabe einer Filmsequenz benutzt. Eliasson und die beteiligten Graphiker, unter ihnen wiederum Andreas Koch, versuchen Inhalte der Installationen in die Buchform zu übersetzen. Der Effekt der räumlichen, sinnlichen Immersion kann natürlich nicht in derselben Form reproduziert werden. Dabei geht Eliasson grundsätzlich von einer Gleichwertigkeit der durch Ausstellung oder Buch zu machenden Erfahrungen aus. »A book can attain the same level of physical and emotional performativity as an artwork.«407 Das Ziel ist nicht, die Überlegenheit des Mediums ›Ausstellung‹, einer Primärerfahrung, gegenüber einer sekundären zu vermitteln – womit ja die Relativität wieder aufgehoben wäre. Im Gegenteil, das gedruckte Medium soll sich als autonom gegenüber der Ausstellung behaupten. Die Künstlichkeit ist dabei ostentativ, wichtig das Moment der Dekonstruktion. Gleichzeitig ist der Katalog eine Geschichte des Ausstellungsorts und der Bauform ›Glashaus‹. Als Pendant zur Verzeichnis der gezeigten Arbeiten findet sich eine Auflistung von Bauten, deren Abbildung per Angabe der Seitenzahl auffindbar gemacht ist, wie die Arbeiten Eliassons. Die Chronologie beginnt um 1800, führt über Joseph Paxton und Richard Buckminster Fuller hin zu Olafur Eliasson, der sich somit in eine Ahnenreihe und Entwicklungslinie der Architektur einschreibt. Die historischen Photographien sind mit den Bildern der Ausstellung kombiniert und demselben graphischen Veränderungsprozess unterworfen. Die Platzierung von historischer Chronologie und der Liste der ausgestellten Arbeiten auf einer Doppelseite unterstreicht diese Fusion von Geschichte und Gegenwart, von Architektur und Kunst, von Natur und Artifiziellem. Die Begleittexte stammen teils von Eliasson selbst, womit der Charakter eines Künstlerbuchs verstärkt

407 Interview mit Luca Cerizza in: TYT 2, S. 51.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge wird, teils von Wissenschaftlern. Letztere sind zum Teil Wiederaufnahmen aus Surroundings Surrounded und unterstreichen den Diskurs- und Wissenschaftscharakter. In der Publikation treffen also verschiedene Buchtypen zusammen, fusionieren zu einem Hybridprodukt, zu einer Züchtung, wie man sie sich im Gewächshausvorstellen kann: Künstlerbuch, Ausstellungskatalog, diskurs- und architekturgeschichtliche Monographie über einen Bautypus. Tobias Rehberger bespielt denselben Ort des Kristallpalastes zwei Jahre später. Es ist interessant zu sehen, wie sich die Arbeiten und der Katalog I die every day zum Ausstellungsort verhalten. Auch Rehberger bezieht sich in Skulpturen aus Plexiglas formal auf die Transparenz des ehemaligen Gewächshauses. Sie ist im Katalog in der Überlagerung von Farbfeldern aufgegriffen, die Referenz auf den Ort aber durch den Zwischenschritt der Arbeiten abgeschwächt. Die Gestaltung des Katalogs als Fehlleistung, die zu neuen Ergebnissen führt, war nicht durch den Ort selbst motiviert. Dagegen findet sich bei Funcionamiento der Ortsbezug weniger in der Ausstellung selbst, die in einem Neuarrangement überwiegend vorhandener Arbeiten bestand, als vielmehr im Katalog, der das Thema ›Künstlichkeit‹ forciert. Dies lässt das Potential eines Katalogs deutlich werden, Ort und Ausstellung im Nachhinein enger zu verknüpfen und so eine Innovation zu bieten. Einige Monate nach der Ausstellung in Madrid zeigte Eliasson im Kunstbau Lenbachhaus München die Installation Sonne statt Regen, die in einer Leuchtwand bestand, deren Helligkeit und Farbigkeit sich kontinuierlich veränderte. Es ergaben sich so Lichtsituationen, die oft erstaunliche Natürlichkeit, oft penetrante Künstlichkeit vermittelten. Beim Blättern durch den Katalog zur Ausstellung in Madrid mit der Sequenz von verschiedenfarbigen Papieren stellt sich unwillkürlich eine Assoziation an die in München ausgestellte Arbeit ein. Dies zeigt, wie bestimmte Motive in mehreren Katalogen präsent sind, ohne dass eine Arbeit abgebildet sein muss. Der Katalog Funcionamiento dient als thematischer und formaler Verweis auf die kommende Ausstellung, als Art Preview, oder zur Wiedererkennung aus dem Rückblick. Einzelne Kataloge und Bücher werden so untereinander verknüpft zu einem zusammenhängenden Œuvre. Die Publikation zu Sonne statt Regen übertrifft Funcionamiento noch in Bezug auf Autonomie und Vermittlung von Dekonstruktion, erscheint als Fortsetzung in Richtung Künstlerbuch. Ihr Status ist offengelassen: Von »Publikation« ist im Impressum neutral die Rede, in der Bibliographie in Encyclopedia wiederum von Künstlerbuch und Ausstellungskatalog zugleich. Was sie vom Ausstellungskatalog entfernt, ist das Fehlen von Texten. Es ist ein reines Bilderbuch, ohne einen umgebenden Apparat von Texten wie wissenschaftlichen Essays, wie oft bei anderen Publikationen Eliassons. Die Photos sind keine Ausstellungsdokumentation, sondern eine unabhängige Bildserie, deren Zusammenhang mit der Ausstellung sich nur assoziativ herstellen lässt. Abgebildet sind Landschaftsaufnahmen im Panoramaformat, an ihnen orientiert sich auch das überlange Querformat, das sich beim Aufschlagen nochmals verdoppelt. Dies erinnert an

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Abb. 66 Olafur Eliasson: Sonne statt Regen, Kat. Kunstbau Lenbachhaus München 2003, o. S.

die Ausstellungssituation: Die Installation bestand aus einer langgestreckten Leuchtwand, welche entlang des gesamten ursprünglich als U-Bahn-Schacht gebauten Ausstellungsraums lief. Die Lichtinstallation selbst evozierte die Erfahrung von Himmel und weiter Landschaft. Hier wird auch die Schnittmenge von Buch und Ausstellung sichtbar: die Konstruktion von Natur, speziell von Landschaft durch Künstler und Betrachter. Das überweit gedehnte Panoramaformat bedeutet an sich bereits eine Verfremdung von Natur. Eine Anspielung auf das Thema der Lichtveränderung bildet das Papier im Vorsatz: Es ist ein sehr helles Grau, das zunächst als weiß wahrgenommen wird und erst im Kontrast zum Papier des Innenteils auffällt. Etwas weniger subtil wird eine ähnliche Wahrnehmungsveränderung ausgelöst in Encyclopedia: Schlägt man das großformatige Buch auf, strahlt einem wie ein Reflektor eine leuchtend hellgrüne Fläche entgegen. Ihre Farbigkeit verändert das jeweilige Licht merklich und verleiht der nächsten Umgebung wie Händen und Tisch einen Grünstich. Das Bildmaterial in Sonne statt Regen ist einem Dekonstruktionsprozess unterworfen. Es wird mit Abbildungsgrößen, Wahrnehmungsphänomenen, Bildbeschneidungen und Collagierungen gespielt. Das Buchmedium ist seiner Sequenzialität genutzt, Montagen sind über mehrere Seiten mit graduellen Veränderungen von Größe und Position entwickelt, Abbildungen greifen über die Seiten. Auch hier lässt sich assoziativ eine Verbindung zur Ausstellung herstellen: Die Farbveränderungen verliefen in horizontaler Bewegung linear durch den Raum. Die Bildchoreographie ist etwa folgende: Daumennagelgroße Abbildungen schweben isoliert auf der Seite, ihre Kanten sind trapezförmig zugeschnitten oder die Bilder insgesamt verzerrend gekippt. Die konvergierenden Bild-

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge ränder rufen ein perspektivisches Fluchten hervor. Die Größen beginnen zu variieren und Räumlichkeiten auf der Seite zu ergeben, größere Abbildungen erscheinen weiter vorn, kleinere weiter hinten. Als Höhepunkt sind Ausschnitte aus unterschiedlichen Landschaften puzzleartig zusammengesetzt zu einem seitenfüllenden Panorama mit gemeinsamem Horizont und einem prismatisch aufgesplitterten Bildraum. (Abb. 66) Es folgt als Kontrast eine ausgedehnte Serie doppelseitiger »unversehrter« Panoramen mit jeweils gleichliegendem Horizont, die den Materialfundus für die vorhergehenden Konstruktionen darstellt und so rückverweist. Diese Aufnahmen existieren separat als eigene Photoserie The horizon series (2002). Mit dem Verzicht auf einen die Ausstellung dokumentierenden Katalog kann Eliasson eine Photoserie in Buchform abbilden, damit die Werkgruppe der photographischen Arbeiten stärken, sie mit einem graphischen Remix und mit einer Installation kombinieren. Dabei spricht das Buch, mehr noch als andere Publikationen Eliassons und in größerem Maße als die Ausstellung selbst, verschiedene Gruppen von Rezipienten an: Es bietet etwas sowohl dem Liebhaber von Landschaftsbildern als auch dem von ausgefeilten medialen Wahrnehmungsdekonstruktionen.

Die Inszenierung der Ausstellung (Minding the World) Die Vermittlung des Erlebnisses einer Ausstellung und damit der Künstlichkeit von mimetisch erzeugten Prozessen ist nicht nur auf visuelle Mittel beschränkt, sondern umfasst auch haptische und olfaktorische. Im Katalog zu Dufttunnel (2005), einem Durchgang aus um den Besucher rotierenden Blumenkästen, ist Sinneserfahrung ins Medium des Buches übersetzt: Beim Reiben über die Seiten, auf denen in der Installation vorkommende Pflanzen abgebildet sind, wird Duftstoff freigesetzt. Die Künstlichkeit dieser synästhetischen Verbindung von Bild und Geruch ist nicht zu übersehen und trifft sich mit der hochartifiziellen und technisch aufwendigen Installation. Dazu gibt sich der Katalog die Form eines historischen Pflanzenbuches, in dem sich Stiche à la Maria Sibylle Merian befinden – die Artifizialität tritt im historisierenden Gewand auf, eignet sich entsprechende Typographie und Bildmaterial an. Im Gegensatz zu Funcionamiento und Sonne statt Regen ist Minding the world (2004)408 ein Ausstellungskatalog mit direkterer Referenz und mit starken informativdokumentarischen Anteilen: Das Inhaltsverzeichnis führt immerhin acht Ausstellungen auf, darunter solche, deren begleitende Publikationen eher als Künstlerbücher angelegten sind, wie The Blind Pavilion (2003), Your now is my surroundings (2000), The curious garden (1997), oder Ausstellungen, zu denen kein Katalog publiziert wurde. Das Buch lässt sich innerhalb der Publikationsgeschichte Eliassons als ein bewusst gesetzter Baustein lesen: Eine Lücke in der Reihe eher dokumentarisch orientierter Kataloge wird geschlossen. Der Katalog bekommt den Charakter einer retrospektiven Monographie. Aber auch

408 Minding the world, Kat. Ausstellung ARoS Aarhus Kunstmuseum 2004.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele diese Katalogvariante hat Werkcharakter, Ausstellungskatalog und Künstlerbuch verschränken sich einmal mehr. Der Schwerpunkt ist auf die Vermittlung von visuell-haptischen Erfahrungen gelegt – in Analogie zum Parcours der Ausstellungen. Dieser Bezug ist buchtechnisch aufwendig inszeniert: In den Einband aus rotem Leinen ist ein Relief geprägt, das an das Cover von Funcionamiento erinnert, aber stärker auf Vermittlung von Haptik zielt. Die Reliefgraphik kombiniert Versatzstücke aus Eliassons Arbeiten wie kristalline Strukturen und perspektivisch ineinandergreifende Flächen. Um den Einband ist eine Buchbinde mit der Graphik gelegt, die dem Einband eingeprägt ist, als dessen zweidimensionale Fortsetzung. Der Katalogtitel als Schriftrelief ist schwer lesbar, der Künstlername auf der Binde dagegen leicht. Der Charakter des Katalogs als einer Künstlermonographie wird so unterstrichen. Am Rand von Buchbinde und Einband befindet sich eine grüne, vielfach durchbrochene, an den Grundriss eines Labyrinths erinnernde Wabenstruktur. Durch ihre Lage an der Kante leitet sie zum Vorsatz über, ähnlich wie in Surroundings Surrounded ist so eine Verbindung zwischen Einband und Innenteil hergestellt. Durch optischen Umkippeffekt lässt sie sich im Vorsatz auch als räumliche Struktur aus weißen Kuben und grünen Schatten lesen, ähnelt der graphischen Wirkung einer dreidimensionalen Arbeit Eliassons, Quasi brick wall, 2002. Zusammen mit den Farben Weiß und Grün hat sie leitmotivischen Charakter für den ganzen Katalog, wo ähnliche Strukturen, allerdings funktional in Gestalt von Ausstellungsgrundrissen oder den Grundrissen von Katalogseiten auftauchen. Neben Innen und Außen, Ornament und Funktion verschränken sich in Minding the world Monographie und Ausstellungsdokumentation. Mehrere einzelne Ausstellungen als Sammelband zusammenzufassen, ist gängige Praxis vor allem bei Künstlern, die installativ und mit Raumbezug arbeiten – siehe etwa Applesandpears von Tobias Rehberger. Bei Eliasson ist die Zahl der Ausstellungen aber außergewöhnlich hoch, und ungewöhnlich ist auch die Art der Inszenierung. Der Rezipient ist als sich bewegender Besucher gedacht. Die Einheit der jeweiligen Ausstellung wird im Vorwort herausgestellt: »The exhibitions are presented precisely as totalities, as existing in time and space and not as conglomeration of seperate work.« Der Zeitfaktor ist graphisch beschrieben durch den Weg des Besuchers: Auf dem Deckblatt der jeweiligen Ausstellung sieht man schwarze, dünne Linien, die sich mäandernd umkreisen und verdichten, und damit eine Bewegung beschreiben. In ihrem handschriftlich-fließenden Gestus scheinen sie schnell und spontan gezogen. Diese Skizze steht für den ersten Entwurf Eliassons, mithin den Prozess der Konzeption der Ausstellung selbst – auch wenn die Autorschaft der Zeichnungen nur eine implizite ist. Blättert man um, so zeigt sich auf der darunterliegenden Seite ein nüchternparallelperspektivischer Grundriss der Ausstellungsräume mit durchnummerierten Arbeiten. Die Fiktion des Arbeitsprozesses ist fortgeführt, an dem der Leser teilhaben kann: von der ersten Skizze zur fertigen Ausstellung. Nach dieser Übersicht und schrittweisen Hinführung beginnt der eigentliche Rundgang durch die Ausstellung in Bildern. Die Informationen sind außer den Titelangaben ausschließlich visueller Art. Erklärungen zu den

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge Arbeiten, den Prozessen und der Art ihrer Erzeugung gibt es nicht, der Betrachter soll durch Bildbetrachtung, Kombination von Skizzen und Abbildungen und durch Lektüre der Essays sich das jeweilige erschließen – oder einfach in das Bilderbad eintauchen. Die Abbildungen sind durch Layout und Darstellungsart multipliziert. Doppelseitige wechseln sich ab mit einseitigen, mit Rand, randlos, als Serie auf einer Einzelseite; alle Möglichkeiten der Präsentation scheinen durchexerziert, wie um den Betrachter auf die Relativität und Willkür des Verfahrens aufmerksam zu machen. Häufig sind in photographische Bildstrecken Linearzeichnung eincollagiert. Dies dient nicht nur der formalen Variation des Layouts, sondern soll wiederum die Prozessualität unterstreichen: Zwei Zustände sind gezeigt, der des planerischen Entwurfs und der ausgeführten Arbeit. Durch das Gegeneinander der Darstellungsarten ist abermals die Relativität von Wahrnehmung und Wirklichkeit thematisiert. Mit dieser Offenlegung des Konstruktiven und der Betonung des Prozessualen geht aber auch ein Effekt einher, der für die Katalogproduktion insgesamt von großer Bedeutung ist: Durch unterschiedlicher Darstellungsformen vergrößert sich die Menge des Bildmaterials, das sich durch kombinatorische Mischung weiter vervielfacht. Auch scheinbar nebensächliche, »paratextuelle« Elemente von Bildern wie Ränder lassen sich als Mittel zur Bildvariation deuten. Sie dienen als Trennelement und ermöglichen das Collagieren, ohne Bilder ineinander verschwimmen zu lassen. Auch stellen sie in manchen Fällen ein optisches Gegengewicht zu Helligkeiten auf der gegenüberliegenden Seite her. Insgesamt entwickeln sie starke graphische Eigendynamik und werden eingesetzt, um das Layout variantenreicher zu machen, gerade in Fällen, wo nahezu identische Abbildungen durch den Rand differenziert werden409. Sie fungieren so als Bild-Multiplikatoren. Begleitet wird der Gang durch die Ausstellung durch einen horizontalen Streifen von Miniaturbildern unten auf der Seite, die das Bewegungsmoment forcieren und die Bildmenge weiter variieren. Größe und Abfolge erinnern an ›thumbnails‹ auf Internetseiten, die durch Klicken vergrößert werden können. In der Tat tauchen gelegentlich Bilder zweimal, einmal als Art Vorschaubild, dann größer auf. Ähnlich wie der Rand ist hier die Größe ein Mittel zur Differenzierung und Multiplizierung. Auf ihnen sind häufig Ausschnitte aus den Installationen zu sehen, aber auch Aufnahmen von ganzen Räumen, von Besuchern auf dem Weg von einer Installation zur nächsten. Eine ähnliche fortlaufende Bildleiste hatte Eliasson, in etwas größerem Format, in seiner Photostrecke im Katalog The mediated motion verwendet, dort den Gegensatz zum weiteren Bildmaterial durch die Ausschnittbildung und die Bewegungsunschärfe stärker betont. Die Bilder sind aber auch in Minding the world zum Teil in ihrer Farbigkeit verändert: Farbbilder sind schwarzweiß wiedergegeben und so zu einem graphischen Ensemble zusammengezogen, die Miniaturbilder oft grün eingefärbt. Grün, das in vielen graphi-

409 Zum Beispiel Abbildungen von The Weather Project, S. 178 f.

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Abb. 67 Olafur Eliasson: Minding the world, Kat. Aarhus Kunstmuseum 2004, S. 194 f.

schen Elementen wiederkehrt, steht wie oft in Eliassons Arbeiten und Katalogen für Natur und ihre Manipulierbarkeit. Da mehrere Arbeiten Eliassons mit Licht- und Farbveränderungen zu tun haben, etwa Sonne statt Regen, ist es für den Betrachter in manchen Fällen nicht leicht zu entscheiden, was zum graphischen Konzept gehört, sich intradiegetisch innerhalb der Erzählung des Katalogs abspielt oder was unabhängig davon Bestandteil der abgebildeten Arbeit ist. Was erst nach Beliebigkeit aussieht, stellt sich bald als Konzept heraus: Der Betrachter soll Herumwandern, Flanieren zwischen den Bildern, versuchen, Bezüge herzustellen. Die Setzungen der Abbildungen weniger in geschlossenen Zeilen oder Abfolgen als in Blöcken mit viel weißem Raum um sie lädt dazu ein. Die Bilder werden zu Grundrissen, um die das Auge umherwandern kann. Als Flaniermeile der Bilder angelegt ist besonders die retrospektive Überblicksstrecke über Arbeiten von 1993–2004, die am Ende der Einzelausstellungen steht. (Abb. 67) Sie ist als eigene Arbeit durch einen langen, narrativen Titel ausgewiesen (The disruption of the habit and other uncertain buildings) und entsprechend präsentiert: Die Abbildungen sind, anders als vorher, mit einer mattgelben Fläche hinterlegt, dadurch hervorgehoben, ähnlich wie Bilder auf einer Galeriewand. Die Trennung einzelner Arbeiten ist aufgehoben zugunsten eines Neben- und Aneinander von Bildblöcken. Vom Kurator wird diese Bildstrecke emphatisch angesprochen als »Utopian exhibition, […] constituting an inde-

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge

Abb. 68 Olafur Eliasson: Minding the world, S. 226.

pendent artistic project created specially for this catalogue«.410 Die Bildzusammenstellung rückt den Katalog in Richtung Künstlerbuch und wertet ihn auf. Der Anspruch, als eigene Ausstellung zu gelten, wird graphisch weiter unterstrichen: Dem Bilderlabyrinth ist am Ende des Katalogs quasi als Catalogue raisonné ein eigener Grundriss beigefügt, in Analogie zu denen der »realen« Ausstellungen. Jede der zwölf Doppelseiten des Bildparcours ist verkleinert und reduziert auf Umrisse noch einmal abgebildet, die Bildflächen durch Nummern mit Legenden der abgebildeten Arbeit verknüpft. Die grünen Seitengrundrisse ergeben wiederum graphisch interessante architektonisch-geometrische Formen. (Abb. 68) Einen ähnlichen Meta-Katalog hat Wolfgang Tillmans in seinem Buch Manual (2007) angelegt. (Abb. 69) Auch dort sind alle einzelnen Seiten noch einmal in Miniaturformat abgebildet und die Arbeiten auf ihnen mit Bildlegenden versehen. Doch anders als bei Eliasson geschieht das ohne graphisch abstrahierende Übersetzung, sondern in reproduzierend-photographischer Form, im selben Abbildungsmodus, in dem auch die Photoarbeiten und Installationsansichten wiedergegeben sind. Der Teil ist »Index« betitelt, ent410 Eliasson, Minding the world, S. 6.

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Abb. 69 Wolfgang Tillmans: Manual, Köln 2007, S. 426.

sprechend nüchtern und systematisch ist das Ergebnis. Auch paratextuelle Seiten wie Titel und Impressum sind mit abgebildet, ebenso die Seiten des Verzeichnisses selbst, der Spiegelungseffekt ist somit klarer als bei Eliasson. Der Index ist gleichzeitig Inhalts- und Werkverzeichnis. Er präsentiert sich nicht als eigene Arbeit, sondern ist dienender Bestandteile des Gesamtkatalogs. Eliassons Katalog will aber nicht »Manual« sein, sondern die räumliche Erfahrungsdimension nahebringen durch einen Rundgang durch die Ausstellungen. Ein Schwergewicht des Katalogs liegt auf der »Benutzerführung« durch die Bildregie, aber auch durch weitere (typo)graphische Mittel: Die Miniaturbilder schweben über einer Linie am unteren Rand, die gleichsam als »grüner Faden« durch das gesamte Buch läuft. Die Linie spielt zusammen mit den französischen, nach außen zeigenden Anführungszeichen, die in unterschiedlichen Semantiken verwendet werden: Sie fungieren als Pfeil, als Richtungsweiser auf die zum Umblättern bestimmte Ecke und die kommenden Seiten. Links von der Linie zeigen sie auf die Linie selbst und laden ein, ihrem Verlauf durch die Ausstellungen zu folgen. Neben der zentrierten Paginierung weisen sie vor und zurück, rahmen diese gleichzeitig als öffnendes und schließendes Anführungszeichen. Sie erinnern an die interaktiven

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge Pfeile auf Webseiten, mit denen man weiterklicken kann, und damit wie die Vorschaubilder an eine Bildschirm-Ästhetik, die den virtuellen Charakter der Bilder unterstreicht. Auch das relativ dünne Papier, das Inhalte der folgenden oder vorausgehenden Seite durchscheinen lässt, unterstützt den Eindruck eines fortlaufenden Parcours. Für Texte wie Abbildungen ist dasselbe matte Papier benutzt, was ein Understatement der ganzseitigen Farbphotos bedeutet. Sie rücken enger mit den Linearzeichnungen zusammen. In Klause verwendet Thomas Demand, ein ähnlich mattes Papier und deutet damit in einer vergleichbaren Zurücknahme den Status der Photos als eigene Kategorie gegenüber den abwesenden endgültigen Photos an. Bei Eliasson entsteht dagegen eine durchgängige Bildinstallation als Vermittlung der Wege durch die Ausstellungen. Angesichts der Häufung in vielen unterschiedlichen Formaten und großer Zahl – laut Verlag 572 Abbildungen – verliert das Einzelbild an Bedeutung zugunsten eines bewegten Bildkontinuums.411

»Like a DJ who resamples a lot of old music« – Sampling, Remix und Collage In einem Gespräch über den Katalog seiner Publikationen, TYT 2, vergleicht Eliasson die Arbeitsweise bei der Erstellung des Buches mit der eines Diskjockeys: »I think you’re like a DJ who samples a lot of old music. Hopefully there will be a fresh beat in it that can re-activate some of the old tunes in a different manner!« 412 Dieses Prinzip des Sampling erinnert an Tobias Rehberger, wo die Überführung von Vorgegebenem in ein neues Produkt ein zentrales Verfahren ist. Dies haben wir innerhalb seiner Kataloge verfolgt, an einem weiteren Beispiel wird es besonders explizit: Für den Katalog der Ausstellung Suggestions from the visitors of the shows #74 and #75 (1997) im Portikus Frankfurt entwirft Rehberger im wörtlichen Sinn eine Cover-Version seines Katalogs Cancelled Projects (1995): Dieser bekommt einen neuen Einband aus teils farbig bedrucktem, teils transparentem Kunststoff, so dass das vorhandene Cover noch zu erkennen ist. In die Innentasche zwischen alten und neuen Einband ist Material zur Aktualisierung gesteckt. Hier finden sich Ansichten der neuen Ausstellung und ein Text, der Techniken und Entwicklungen des Remix in der Popmusik beschreibt.413 Das Material ist nicht zusammengeheftet beigelegt, sondern als lose Blätter, die der Rezipient sich neu zusammenstellen kann und muss – auch hierin ein Spiel mit der Praxis des Sampling und Remix, bei dem einzelne Versatzstücke neu arrangiert werden. Nicht nur bei ihm: »Dieses Buch ist nebst neuem und verändertem Zeugs ein Remix aus meinem ersten und dem zweiten Buch« 414 schreibt Pipilotti Rist in einem Katalog von 1999 und gibt damit ostentativ ihr Verfahren an. In der Tat übernimmt sie über 411 Ähnliches Papier ist verwendet in Innen Stadt Außen (2010) und TYT 1 (2008). Das Papier hat innerhalb der Publikationen des Studio Eliasson einen Wiedererkennungseffekt und stellt Kohärenz her. 412 Interview mit Luca Cerizza in: TYT 2, S. 50. 413 Daniel Haaksman: Re-Worked, Re-Mixed, in: Suggestions from the visitors of the shows #74 and #75, Kat. Portikus Frankfurt/Main 1997. 414 Himalaya. Pipilotti Rist, o. S.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele 50 Seiten ganz ohne Veränderung. Und ›Remix‹ ist als künstlerisches Konzept und Titelbestandteil bei Georg Baselitz in Erinnerung, der sich Mitte der 2000er Jahre jahrzehntealte Bildmotive noch einmal vornahm, zu neuen Bildern verarbeitete und als Bezeichnung auf den Begriff aus der Jugend- und Popkultur zurückgriff. Die auffällige und von den Produzenten betonte Verwendung von Strategien der wiederholenden Neuzusammensetzung, um die Verfahren auf einen Nenner zu bringen, lässt die Frage auftauchen, wie sie sich des Mediums des Katalogs bedienen, welche Begrifflichkeiten und Intentionen sich anbinden lassen, um abschließend wieder auf Eliassons Praxis und das Konzept der Vermittlung der Vermitteltheit zurückzukommen. Ursprünglich im engeren Kontext der digitalen Aufnahme und Weiterverarbeitung von Tönen und Geräuschen angesiedelt, gehört Sampling gerade ab Anfang/Mitte der 1990er Jahre, als die hier näher betrachteten Künstler in die Katalogproduktion einsteigen, zu den in Musik und Kunst vielpraktizierten und -diskutierten Verfahren, die mit den Themen Wiederholung, Zitat, Authentizität, Wirklichkeitskonstruktion verknüpft sind. In Film und Bildender Kunst ist es verwandt mit den Techniken der Montage und Collage, die sich nach dem Grad der Homogenität bzw. Heterogenität des Ausgangsmaterials unterscheiden, das zusammengefügt wird.415 Für die Neuaufbereitung von bereits Vorhandenem bietet sich ›Sampling‹ als weiter, nicht auf Musik beschränkten Begriff an. Durch die Kombination mit der Vorsilbe ›Re‹ kommt der Aspekt der (Selbst)Wiederholung stärker zum Tragen; Dieser findet sich ja auch in ›Remix‹, darüber hinaus auch in ›Reproduktion‹ und ›Retrospektive‹, Begriffen, die wir bei der Beschäftigung mit Katalogen immer wieder als zentral beobachten konnten. Das Medium, in dem die Künstler arbeiten, zeichnet Richtungen vor. So ist ein Remix bei Rist auch durch ihr bevorzugtes Medium, Video, bereits vorgegeben, wo Bilder immer wieder mit anderen zusammengeschnitten, mit Tonspuren versehen oder farblich verändert werden. Das Verfahren ist auf den Katalog übertragen, wo über die gleichen Bilder andere Texte gelegt werden, Bildausschnitte aus Videos herausgenommen und kombiniert werden. Zur Popmusikkultur, aus der die Begriffe ›Sampling‹ und ›Remix‹ ja stammen, ist Rist auch als ehemaliges Mitglied einer Band affin, deren Bilder in Katalogen auch auftauchen und somit in die künstlerische Identität integriert sind. (Abb. 70) Man könnte den Begriff des Remix und der Montage auch auf die Art der Selbstdarstellung Rists allgemein ausdehnen: Durch jeweils unterschiedliche Bilder in verschiedenen Kleidungen, Frisuren und Kontexten entsteht der Eindruck einer multiplen, stets im Wandel begriffenen und sich neu zusammensetzenden Persönlichkeit.416 415 Vgl. Nünning, Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, Stichwort ›Montage/Collage‹, S. 453; Diedrich Diederichsen: Montage/Sampling/Morphing. Zur Trias von Ästhetik/Technik/Politik (1994) http://www.medienkunstnetz.de/themen/bild-ton-relationen/montage_sampling_morphing/scroll/ (15.4.2014) 416 Vgl. dazu ausführlicher das Kapitel »Pipilotti Rist – Eine kontroverse ›Person‹« in: Kampmann, Künstler sein, S. 171–206.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge

Abb. 70

Pipilotti Rist: Im not the girl who misses much, Stuttgart 1994, o. S.

Für die Kataloge von John Bock spielt die Arbeitsweise ebenfalls eine entscheidende Rolle, wobei sein Schwerpunkt nicht im Film, sondern in der Performance liegt oder zumindest bisher lag. Die von ihm dabei vorgetragenen Texte stellen bereits Collagen dar, die sich aus ganz unterschiedlichen Bereichen und den jeweiligen Fachsprachen, wie Ökonomie, Soziologie, Psychologie zusammensetzen. Das dokumentarische Material ist nicht einfach zu Photobüchern zusammenmontiert, sondern wird mit Zeichnungen, Texten und Fundstücken in Collagen übersetzt. Während es bei Pipilotti Rist doch größtenteils medial homogenes, meist digitales Material aus Videos, Photos und Texten ist, das zusammengeschnitten und übereinandergelegt wird, geht es bei Bock ins Plastisch-Installative, man merkt, dass sich bildhauerische und performative Interessen verbinden. Hier scheint der Begriff der Collage durchaus im wörtlichen Sinn als ›Klebebild‹ angemessen, für das der »Materialreiz der Faktur, die reliefhafte Struktur heterogener Bildelemente und der Signalwert handgreifl. Realien«417 charakteristisch ist. Bock bedient sich aus einem Bildpool nicht nur eigener Arbeiten, sondern auch aus Medien oder der Kunstgeschichte, damit ähneln seine Kataloge denen Eliassons. Dessen medienaufklärerischer Impetus ist ihm aber fremd: Lustvoll wird mit Arten der Illusion, des Trompe-l’oeil gespielt. Eingeklebte Photos sind samt Tesastreifen mitreproduziert, wie bei Rehbergers

417 Olbrich, Lexikon der Kunst, Stichwort ›Collage‹, Bd. 2, S. 16.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele

Abb. 71 John Bock: Malträttierte Fregatte, Berlin 2009, S. 90 f.

Geläut, aber zusätzlich mit Zeichnungen oder dreidimensionalen Objekten, Wattestäbchen, Fadenknäuel, Drähten, Zahnpastawülsten in barock anmutender Üppigkeit überlagert.418 (Abb. 71) Die Ebenen der Dokumentation und des neu Hinzugefügten überschneiden sich. Das Eincollagieren ist eine Wiederholung und Fortführung der performativen Handlung. Der Illusionismus ist auf die Spitze getrieben und nicht, wie bei Eliasson kühl-elegant inszeniert und durch graphische Eingriffe gebrochen, auch soll kein Making-of vermittelt werden, wie in Collagen Rehbergers. Das Prozessuale ist nicht auf das Medium des Katalogs bezogen, sondern auf die Performance, die so im Raum eines Katalogs ein Re-Enactment erfährt. Bei stärkerer Konzentration auf das filmische Medium werden diese wilden Collagen aus Text, Bild, Objekt zur Montage aus einzelnen Stills.419 Kataloge bilden so auch eine Verschiebung innerhalb der künstlerischen Arbeitsmedien oder der Kategorien ab, unter denen die Arbeiten präsentiert werden, auch wenn das Ausgangsmaterial ähnlich ist. Da eine gefilmte Performance von einem für das Medium konzipierten Film zunächst schwer zu unterscheiden ist und die Übergänge 418 John Bock: Malträtierte Fregatte/Maltreated frigate, Kat. Aktion Magazin Staatsoper Unter den Linden, Berlin 2007. 419 John Bock: Filme/films, Kat. Schirn-Kunsthalle Frankfurt, Köln 2007.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge

Abb. 72 Olafur Eliasson: TYT 2 – printed matter, S. 96f.

fließend sind, führt die Neuzusammensetzung im Katalog den Unterschied deutlicher vor Augen, als es sich aus dem Material selbst erschließen würde. Bei Eliasson wird Resampling in TYT 2 als variierende Mehrfachverwendung modellhaft praktiziert in Text- und Bildcollagen, die sich aus den bereits partiell reproduzierten Büchern zusammensetzen. Für die Textcollage wählt Eliasson Zitate aus seinen Katalogen.420 Die einzelnen Bausteine sind dabei in der Typographie des jeweiligen Fundortes wiedergegeben, die unterschiedlichen Quellen so als heterogen ausgezeichnet, zusätzlich zur auffälligen Markierung mit gelb unterlegten Fußnoten. Doch Eliasson beschränkt sich überraschenderweise nicht auf eine Collage von Zitaten. Er kommentiert sie in Textabschnitten ohne Fußnoten, die zunächst nicht zuzuordnen sind, und fügt sie so zu einem Fließtext zusammen. Durch diesen Kommentar ist die Autorschaft Eliassons gestärkt, die sonst auf den Akt der Zitatauswahl beschränkt bliebe. Durch Verzicht auf einen Kommentar würde das Prinzip der Montage/Collage, bei der »[…] die Partikel unvermittelt zusammengefügt sind, heterogen bleiben und als erkennbare Bruchstücke

420 Eliasson, TYT 2, S. 82–87.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele inhomogen wirken«421, klarer hervortreten. Doch Eliasson legt Wert auf eine Einbindung in einen vermittelnden, diskursiven Zusammenhang. Das »Eigene« und das »Fremde« ist typographisch so aneinandergereiht, dass die Trennlinien noch wahrnehmbar, aber nicht besonders deutlich sind, betont ist eher das Kontinuum der Texte. Die Collage bekommt so den Charakter einer fiktiven Gesprächsrunde mit einer Vielzahl von Teilnehmern, deren Moderator und Kommentator Eliasson ist. Dies erinnert an den Zusammenschnitt verschiedener Interviews im Katalog The Weather Project. Der kollektive Aspekt von Katalogtexten soll in einer solchen Tafelrunde herausgestellt werden. Gleichzeitig ist durch dieses Best-of ein Querschnitt durch die Textproduktion und Themen gesetzt. Damit wird die Wichtigkeit von Texten in Katalogen überhaupt hervorgehoben, ihre Rolle gegenüber Bildern als mindestens gleichwertiger Bestandteil. Der Ansammlung von Texten aus unterschiedlichen Publikationen entspricht eine von Abbildungen, und es ist interessant zu sehen, wie systematisch in den Kategorien von ›Text‹ und ›Bild‹ gedacht wird. Hier ist eine andere etwas andere Systematik verwendet: Zusammengestellt ist nicht einfach ein Best-of aller Bilder, sondern eine Auswahl von Arbeiten, die in ihren unterschiedlichen Katalogabbildungen auf jeweils einer Doppelseite collagiert werden, so dass ein diachroner Längsschnitt durch die Publikationen anhand einer Arbeit entsteht.422 Die Kataloge werden mit der aufgeschlagenen Abbildung auf einen neutralen Hintergrund gelegt, arrangiert und photographiert; durch die gebündelte, starke Farbigkeit der Katalogabbildungen im Kontrast zum Grau des Untergrundes, durch unterschiedlichen Formate der Bücher ergeben sich reliefartige, ästhetisch interessante Kompositionen. Die Collage wird zu einem autonomen Bild, ähnlich wie die der Abbildungen und deren Seitengrundriss in Minding the world. Und auf der letzten Collage hält gleichermaßen als Abschluss der Reihe und zum Aufweis der Gemachtheit wiederum eine Hand ein Buch ins Bild. (Abb. 72) Das Nebeneinanderlegen von Abbildungen der gleichen Arbeit verfolgt bei Eliasson auch einen medienaufklärerischen Zweck. Durch die Konfrontation mit den vielfältigen Möglichkeiten der Abbildung von Kunstwerken und ihrer Anordnung soll einmal mehr eine Reflexion über die Vermitteltheit visueller Erfahrung in Gang gesetzt werden. Die Installation Sonne statt Regen beispielsweise ist in sieben Katalogen immer anders abgebildet: als Einzelbild, als Bildserie auf einzelnen folgenden Seiten, im Raster, als Streifen, als freie Aneinanderreihung, kombiniert mit weiterem Bildmaterial. So scheint auch als letzter Katalog, der von einer Hand gehalten wird, bewusst der gewählt, in dem die Installation The Weather Project, eine künstliche gelb leuchtende Sonne, im Unterschied zu den übrigen Farbabbildungen in Schwarzweiß wiedergegeben ist, um auf die Relativität der Reproduktion im Buchmedium umso stärker hinzuweisen.

421 Nünning, Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, Stichwort ›Montage/Collage‹, S. 454. 422 Eliasson, TYT 2, S. 90–97.

»Dear Everybody« – Olafur Eliassons Kataloge Der Vergleich mit einem DJ, der ältere Musik resampelt, lässt sich fortführen, indem man ihn auf das Einmischen von »musikfernen« Geräuschen ausdehnt. Visuell findet sich dieses Verfahren verstärkt in frühen Katalogen Eliassons wie The curious garden (1997), dort wird eigenes Bildmaterial und Found footage bildassoziativ gegenübergestellt, in Users (1998) vermischt. Diese Kataloge signalisieren nicht zuletzt dadurch ihren alternativen Anspruch als Künstlerbücher. Auch wenn in späteren Katalogen mehr auf eigenes Bildmaterial aus Ausstellungen zurückgegriffen und dieses variiert wird, so gibt es immer wieder Kombinationen mit anderen Quellen. So ist etwa The Weather Project systematisch mit Bildmaterial angereichert, das bewusst im Hinblick auf Heterogenität und Buntheit ausgewählt scheint: Es sind Bilder aus der älteren Kunst wie Breughels Turmbau zu Babel, aber auch Medienbilder aus Fernsehen und Zeitung. Es finden sich Wettergraphiken, Bilder von Wolkenformationen, die von Eliasson, aber auch von Bildagenturen stammen. Für Eliasson könnte gelten, was Diedrich Diederichsen für die Montage (und Collage) als »aufklärerischen« Umgang beschrieben hat: Ihr wohnt eine Dialektik von Konstruktion und Destruktion inne, die für den Betrachter nachvollziehbar gemacht wird: »In der Montage sind die Nähte genau wie die Herkunftskontexte erkennbar und damit auch die gestalterische oder künstlerische Praxis selbst.«423 In diese Richtung weist auch eine Äußerung Eliassons, aus einem Essay in The weather project, wo so viel mit zusammenmontiertem Material gearbeitet wird. Als letzter Text im Katalog fungiert er auch als Epilog, als Statement, in dem es heißt: »[…] every part of the construction behind the presentation of art must be made a transparent part of this presentation.«424 Dies lässt sich auch auf den Katalog selbst anwenden: Die Funktionsweise des Mediums und die Vermitteltheit aus einer Vielzahl von Bildquellen selbst soll demonstrativ offengelegt werden.

Zwischenfazit Aus einer katalogkritischen Haltung heraus, die sich an der Praxis des Künstlerbuchs orientiert, entwickeln sich Kataloge Eliassons zu einem wesentlichen Mittel der Kommunikation und Selbstdarstellung. Wie sich auch aus der Darstellung der Buchproduktion in Katalogen selbst ablesen lässt, wird sie immer wichtiger, bis zu ihrer Ausstellung und Neuinszenierung in Buchform, die Werkverzeichnis und Künstlerbuch kombiniert. Kunst soll in den Katalogen Eliassons vermittelt werden als etwas, das dynamisch und in ständiger Veränderung ist, mit angrenzenden Feldern wie Naturwissenschaft, Soziologie, Design, Architektur in Austausch steht, auf Vernetzung und Kooperation angelegt auch über den Kunstbereich hinaus Relevanz entwickelt. Die Abbildung von in Katalogen blätternden Händen lassen sich lesen als Einbeziehung des Rezipienten und als Angebot zur Identifikation, ebenso wie die häufige Abbildung von Betrachtern in Installationsansichten. 423 Diederichsen, Montage/Sampling/Morphing. 424 Museums are radical, in: The Weather Project, Kat. Tate Modern, London, S. 138.

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Katalogkunst – Kunstkatalog: Fallbeispiele Kommuniziert wird mit dem Leser häufig durch direkte Ansprache, Briefe und persönliche Bildessays; durch Einbeziehung von Partnern, die in Gesprächen und Interviews die Rolle des Lesers stellvertretend übernehmen. Unter diesem Aspekt der Kommunikation und Involvierung lassen sich auch sehen die Ausdehnung auf den Dialog (Natur)Wissenschaft-Kunst durch Einbeziehung von Naturwissenschaftlern als Autoren und die Betonung der kollektiven Arbeitssituation innerhalb des Studios. Der Eindruck von Prozesshaftigkeit und kontinuierlichen Bewegung wird durch Berichte von unterschiedlichen Phasen des jeweiligen Projekts vermittelt, durch Skizzen und Bilder vom Making-of, durch Bildüberschuss, ein dynamisiertes Layout und häufigen Wechsel der Abbildungsart. Der Betrachter soll statt einer Dokumentation der Ausstellung den durch sie intendierten Dekonstruktionsprozess der Wahrnehmung nachvollziehen. Bild- und Textmaterial wird gesampelt, verändert, neu zusammengesetzt. Die Verfahren werden transparent gemacht und haben dabei einen medienaufklärerischen-didaktischen Anspruch, ähnlich wie die Arbeiten selbst, nämlich die Vermitteltheit von Wahrnehmung und Erfahrung auf der medialen Ebene des Buches vor Augen zu führen. Hier ergibt sich ein Schnittpunkt mit den Katalogen Demands, die ebenfalls einen Reflexionsprozess über Modi der Wahrnehmung in Gang bringen wollen, bei Demand allerdings spezifischer auf Bilder, und hier auf die Frage nach den Konnotationen von Bildern und dem Verhältnis von Original und Abbildung ausgerichtet. Ein weiterer Unterschied ist eine größere Zurückhaltung Demands, was die kommunikativen Anliegen und deren Mitteilung angeht: Er wahrt eher Distanz zum Leser, was auch an der geringeren Zahl seiner in Katalogen veröffentlichten eigenen Äußerungen in Form von Textbeiträgen und Interviews abzulesen ist. Dem Rezipienten wird viel an eigener Interpretationsarbeit überlassen, bei Eliasson wird der Rezipient dagegen mit einem großen Angebot an visueller und sprachlicher Information konfrontiert, gewissermaßen mit einer künstlich erzeugten Nebelwolke, die zu eindeutige-einordnende Aussagen über die Arbeiten vermeiden soll. Der Werkcharakter von Ausstellungskatalogen wird durch Präsentationsformen unterstrichen, bei Thomas Demand durch Ausstellung in Vitrinen, bei Tobias Rehberger durch Abbildung von Coverseiten in Katalogen und auch zuletzt durch Ausstellung. Doch blieb die Präsentation der Kataloge bei Demand auf den räumlichen Ausstellungszusammenhang beschränkt, und wurden bei Rehberger die Kataloge nicht als einzelne Werkgruppe, sondern im breiteren Arbeitskontext gezeigt. Bei Eliasson sind Publikationen mit noch mehr Nachdruck und Professionalität als werkimmanent gekennzeichnet, sie sind entscheidender Teil von Marketing (wertneutral verstanden), Kommunikation, Vermittlung und Diskursprägung.

»Der Katalog […] gibt gar kein Bild«? – Schlussbetrachtungen

»Der Katalog […] gibt gar kein Bild und ist in vielem schwach; eine Reihe von Bildern, die drin reproduziert worden sind, wurden von uns gar nicht gehängt. Walden hat ihn im voraus zusammengestellt nach den eingesandten Photos; die Ausstellung selbst ist im Grunde etwas ganz anderes gewesen. Überhaupt diese langweiligen Photographien!« 425

So schreibt Franz Marc nach der Ausstellung Erster Deutscher Herbstsalon von 1913 enttäuscht an Alfred Kubin. In einer der ersten überlieferten kritischen Reflexionen über einen Ausstellungskatalog wird die mangelnde Referenz zwischen Ausstellung und Katalog beklagt. Die Tatsache, dass im Katalog Bilder reproduziert werden, die in der Ausstellung gar nicht zu sehen sind, in der späteren Katalogpraxis gängiges Mittel zur Bildvermehrung und -verbreitung, ist für Marc negativ, fand doch noch während der Hängung eine weitere Auswahl statt, die sich von der des Katalogs unterscheidet. Marcs Unmut kann man als heutiger Rezipient des Katalogs nachvollziehen: Abgedruckt sind kleinformatige, flaue Schwarzweißreproduktionen, ihre Anordnung folgt nicht, wie in der Ausstellung, thematischen oder ästhetischen Kriterien, sondern nüchtern alphabetisch den Künstlernamen. Der Name der ausstellenden Galerie Der Sturm, der Bewegung und Aufbruch vermitteln soll, kontrastiert mit dem Katalog, die Heftigkeit der damaligen Reaktionen auf die Ausstellung und deren epochemachende Bedeutung ist aus ihm kaum zu ergründen. Man kann die Äußerung Marcs im Zusammenhang sehen mit einer allgemeinen Kritik am Katalogmedium – und implizit auch an der Reproduktion, gegenüber der gegenwärtigen, einmaligen Erfahrung von Kunst. Wir haben im Zusammenhang mit den Katalogen Olafur Eliassons diesen »struggle against the catalogue« (Barnett Newman) gestreift. Diese Kritik am Katalog und die Verweigerung ihm gegenüber zieht sich bis in die Gegenwart und lässt sich etwa bei Maurizio Cattelan beobachten, der es lange Zeit ablehnte »einer Retrospektive seines Werks und damit einem verbindlichen Katalog zuzustimmen«426, in radikalerer Art auch bei Tino Sehgal, der von seinen Arbeiten keine 425 Zit. nach Andreas Hüneke (Hg.): Der Blaue Reiter. Dokumente einer geistigen Bewegung, Leipzig 1986, Der Blaue Reiter, S. 474. 426 Glasmeier, Transformation des Ausstellungskatalogs, S. 193.

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»Der Katalog […] gibt gar kein Bild«? – Schlussbetrachtungen Reproduktionen und entsprechend auch keinen Katalog anfertigen lässt und stattdessen auf performativ-diskursive Formen wie Interviews zurückgreift, die Ausstellungen begleiten und in ephemereren Medien wie Zeitungen erscheinen.427 Und es ist nicht zuletzt die Strategie des Bild- und damit Katalogverzichts, die seine Arbeiten umso rarer und interessanter werden lässt. Uns haben Künstler interessiert, die mit dem Katalog arbeiten, mit der Spannung, dem Unterschied zwischen dem Kunsterlebnis einer Ausstellung, der Reproduktion von Ausstellung und Kunst im Katalog, ihn nicht als rein dokumentarisches Medium verstehen, aber sich auch nicht vollkommen davon verabschieden, »ein Bild« einer Ausstellung in ihren Katalogen geben zu wollen. Sie gehen sehr bewusst mit der Referenz auf eine Ausstellung und deren Übertragung um. Bei den Künstlern, deren Kataloge im Fokus standen, lässt sich als gemeinsames Interesse die Betonung der Differenz zwischen Ausstellung und Katalog feststellen, die Absicht, über das Ereignis hinauszugehen, im Sinn einer Ergänzung, Steigerung – wobei ein Bezug nie ganz aufgegeben wird. Wir haben gesehen, wie unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten sich gerade auch in den Strategien der Katalogerstellung artikulieren. Bei Thomas Demand findet eine Textund Bildregie statt, welche die Ausstellung durch Bildredaktion im Nachhinein thematisch zuspitzt, sie mit narrativen Elementen anreichert, und eine Distanz zwischen der Ausstellung mit ihren Bildern und dem Besucher eher auf- als abbaut. Auch findet sich hier die Strategie der Bildverknappung, die der Freigiebigkeit in Katalogen etwa eines Gerhard oder Daniel Richter entgegengesetzt erscheint. Bilder und Skizzen aus dem Entstehungsprozess der Arbeiten werden zunächst bewusst nicht abgebildet, teilweise auch die ausgestellten Bilder gar nicht gezeigt. Im Katalog erscheinen Bildvarianten, die diesem gegenüber der Ausstellung eine eigene Wertigkeit verleihen. Durch Hinzufügen von Texten wird die Ausstellung um ein diskursives Moment erweitert. Eine Neuschöpfung der Ausstellung im Mittel des Katalogs findet sich bei Tobias Rehberger, wobei die Praxis der Übersetzung eine große Rolle spielt. Wie in seinen Arbeiten wird das Ausgangsmaterial, das Bildmaterial der ausgestellten Arbeiten, einem Transformations- und Interpretationsprozess unterworfen, der das Wiedererkennen und Zuordnen erschwert, mit Maßstäblichkeiten und graphischen Reproduktionsmöglichkeiten spielt. Auf Kontextualisierungen in Form von Bildlegenden ist teils verzichtet. Die Beziehungen zu Ausstellungsraum und -ort spielen aber trotzdem eine große Rolle, und so finden sich in den meisten Katalogen Installationsansichten. Die verzeichnend-referenzierende Funktion eines Katalogs wird nicht ausgeblendet, sondern auch ironisch zum Gegenstand gemacht. Eliassons Kataloge gehen am freiesten mit dem Ausstellungsbezug eines Katalogs um. Ausgestellte Arbeiten sind teilweise gar nicht abgebildet. Auf die Anbindung an einen

427 Zum Beispiel: Tino Sehgal/Peter Sloterdijk: Kunst im Futur II, in: ZEIT, Nr. 24/2005, 9.6.2005.

»Der Katalog […] gibt gar kein Bild«? – Schlussbetrachtungen konkreten Anlass wird Wert gelegt, dieser aber häufig in Projekten und Aufträgen außerhalb des Kontextes einer Kunstausstellung gesucht. Damit erklärt sich auch der Umfang des Œuvres an Publikationen. Bewusst werden Buchformen jenseits des Ausstellungskatalogs gewählt, etwa Interviewbuch, Projektdokumentation, autonomes Künstlerbuch, mit dem Katalog verquickt und auch offensiv als Mischformen deklariert. Hier bildet sich in Katalogen auch eine Verschiebung des Werkbegriffs ab: zur künstlerischen Aktivität gehört nicht mehr nur das Ausstellen an sich, sondern wesentlich Kommunikation und Vernetzung; der Ausstellungskatalog, der Formen annehmen kann, die mit der Funktion eines Verzeichnisses von Kunstwerken nur noch locker in Verbindung steht, wird zum Sammelort für jeweils selbständige Beiträge, zur Plattform für übergreifende, auch wissenschaftlich-theoretische und gesellschaftliche Diskurse. Vergleicht man die »frühen« Kataloge von Demand, Rehberger, Eliasson von etwa Mitte der 1990er Jahre mit denen, die zehn bis 15 Jahre später erschienen sind, so fällt auf, dass künstlerische Konzepte und Interessen ziemlich konsistent geblieben sind, während die Kataloge selbst aufwendiger und technisch raffinierter, die Partner bei den Projekten prominenter werden. Bilder einer Ausstellung als Ausgangspunkt für assoziativnarrative Texte finden sich beispielsweise bereits in einem schmalen Katalog Demands von 1998428, und dann in anderer Form im monumentalen Katalog Nationalgalerie von 2009 in der Zusammenarbeit mit Botho Strauß. Die Abbildung von ausgestellten Kunstwerken und ihre Veränderung durch auffällige Reproduktionsvarianten im Katalog vor Augen zu führen, ist Konzept bereits im ersten Einzelkatalog von Tobias Rehberger 429, ebenso wie sich die Idee einer rückwärts ablaufenden Filmproduktion in zwei zehn Jahre auseinander liegenden Katalogen findet. Und die Gegenüberstellung und Mischung von Bildern von Natur- und von künstlich erzeugten Phänomenen zum Zweck der Vermittlung der Vermitteltheit findet sich in frühen Katalogen Olafur Eliassons, ebenso die Versuch, mit dem Rezipienten möglichst direkt zu kommunizieren und ihn in die Produktion von Kunst einzubeziehen. Kataloge bekommen so, jenseits des unmittelbaren Ausstellungszusammenhangs, den prospektiven Charakter der Skizzierung einer Projektidee, die später wieder aufgenommen und variiert werden kann. Aus den individuellen Katalogstrategien lassen sich auch übergreifende Interessen ablesen, die für die zeitgenössische Kunst- und Katalogproduktion charakteristisch sind. Ein gemeinsames Interesse ist die Vermittlung von Prozessen und nicht nur von Ergebnissen, was den Einblick in die Arbeitssitutation im Atelier und das Privatleben mit einschließt. Die Ausprägungen sind unterschiedlich: Bei Thomas Demand lässt sich zunächst eine Zurückhaltung gegenüber der Offenlegung des Arbeitsprozesses ablesen; sie wird zunehmend aufgegeben, siehe Processo grottesco, der das Prozesshafte bereits im Titel führt. Dennoch versucht er das Augenmerk des Rezipienten weniger auf das technische 428 Thomas Demand, Kat. Kunstverein Freiburg 1998. 429 Cancelled Projects, 1995.

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»Der Katalog […] gibt gar kein Bild«? – Schlussbetrachtungen Making-of als auf die vorbereitende Recherche zu legen, bei der der Künstler als Sammler und als Teil eines bildrezipierenden Kollektivs erscheint. Dieses Bildersammeln und ordnen, das zum geradezu enzyklopädischen Projekt wird und für das der Katalog ein geeignetes Medium ist, trifft sich mit ähnlichen Interessen etwa bei Gerhard Richter, Wolfgang Tillmans, Hans-Peter Feldmann, Luc Tuymans, die in ihren Ausstellungen und Katalogen jeweils Einblick in ihre Sammlungen geben, die für sich genommen bereits Werkcharakter besitzen. Das Bildmotiv »Künstler bei der Arbeit« taucht bei Demand bis auf beiläufig-versteckte Darstellungen nie auf. Andere zeitgenössische Künstler kommen meist bereitwilliger der Nachfrage nach Katalogabbildungen vom Making-of nach, die ja auch von Seiten des Betrachters besteht, oder nutzen die Gelegenheit zur performativen Selbstdarstellung, siehe etwa Markus Lüpertz. Auch Eliasson tritt selbst in Erscheinung, aber meist eingebunden in eine Gruppe von Mitarbeitern oder als Gesprächspartner, was den kollaborativen Charakter vor Augen führen soll. Tobias Rehberger bildet weniger das eigentliche Making-of ab, sondern überträgt die Prozesshaftigkeit in den Katalog selbst, der als mehrbändiges, sich kontinuierlich erweiterndes Produkt, als Entwurf oder als verunglückter Druck inszeniert wird. Die Arbeiten sind teilweise verquickt mit Bildern aus dem Privatleben des Künstlers, wo er als Reisender, Konsument und Fußballbegeisterter entgegentritt, was den Anteil des Lebens an der Produktion von Kunst vor Augen führen soll. Diese Verknüpfung von Kunst und privatem Alltag findet sich sehr stark auch in den Katalogen von Pipilotti Rist, in die etwa das Kochen als kommunikativer Akt integriert ist, wo mit Paratexten wie der Danksagung und mit Buchformen wie dem Tagebuch gespielt ist, was gesteigerte Intimität verheißt. Eine weitere Gemeinsamkeit ist das Bewusstsein für die medialen Möglichkeiten des Katalogs, um durch Wiederholung bestimmten Arbeiten und Bildern Nachdrücklichkeit zu verleihen oder aber sie zu variieren und so neu aufzubereiten. Thomas Demand, dessen Bilder ja sein Hauptinteresse und -kapital bilden, setzt den Katalog zur Steuerung der Verbreitung von Bildern und Vorlagen ein. Das Moment der Innovation von Bild- und Textpraktiken und der Einführung von bisher nicht verwendeten Bildkategorien, die Signalisierung eines »Das erste Mal« ist ausgeprägt. Kataloge bekommen so stark werkkonstruktive Bedeutung. Während hier die einzelne Publikation als Novität akzentuiert ist und der Fokus auf einem einzelnen Ausstellungsprojekt liegt, scheint bei Eliasson eher das Kontinuum von Katalogen, die Fortführung und Wiederaufnahme von Arbeiten auffällig. Dies zeigt sich in der dichten Folge von Neuerscheinungen, bei denen Texte und Bilder mehrmals verwendet, neu kombiniert werden. Gemeinsam ist das Neuzusammenstellen der Arbeiten – und auch der Kataloge selbst – für Publikationen, in Form von Übernahmen ganzer Ausschnitte oder als Collagen. Auch lässt sich eine Entwicklung ablesen: Anfang und Mitte der 1990er scheint die Hochzeit der Sampling-Remix-Bildcollage in Ausstellungskatalogen gewesen zu sein, etwa ab Mitte der 2000er Jahre werden die Gestaltungen häufig wieder klarer. Dies kann

»Der Katalog […] gibt gar kein Bild«? – Schlussbetrachtungen man schließen aus Vergleichen etwa der ersten Kataloge Eliassons mit solchen jüngeren Datums, zum Beispiel Minding the world (2004); aber auch bei Pipilotti Rist, etwa I’m not the girl who misses much (1994) und Herzlichen Glückwunsch! (2007) oder bei John Bock. Hier spiegeln aber sich nicht nur Verschiebungen in ästhetischen Präferenzen der Gestaltung wider, sondern auch innerhalb der Arbeitsweise der Künstler, ihrem fortgesetzten Karriereweg, wobei das Ordnen, Überblickgewinnen und die retrospektive Sicht gegenüber eher experimentellen, auch institutionell unabhängigeren Publikationen der ersten Jahre in den Vordergrund tritt. Die Kataloge werden damit »repräsentativer«. Um auf die Frage nach der Situierung von aktueller Katalogproduktion innerhalb der Geschichte des Mediums zurückzukommen, im besonderen gegenüber den Katalogen der Avantgarde der 1960er und 1970er Jahre: Im Blick auf die näher untersuchten Künstlerkataloge ergeben sich Kontinuitäten, aber auch Unterschiede, etwa beim Umgang mit Autorschaft und mit Texten. Dank der Vorarbeit der Künstler, die sich ab den 1960er Jahren in Künstlerbüchern und Katalogen zu Wort meldeten, werden bildende Künstler heute kaum mehr als illiterat oder intellektuell unterlegen wahrgenommen. Wenn sie in Katalogen schreiben, so ist es nichts kategorisch Außergewöhnliches mehr. Sie verfassen selbst von Fall zu Fall Werkbeschreibungen oder einleitende Essays, konzentrieren sich sonst auf das Gesamtkonzept, die Auswahl von Autoren und die Bildredaktion. Insgesamt scheint es, und das könnte man als weitere Tendenz der Kataloge festhalten, dass die Spezialisierung innerhalb der Kunstwelt in Produzenten von Texten und von Arbeiten bildender Kunst eher anerkannt und benutzt würde, als dass eine Emanzipation von einer Beschränkung auf einen Bereich angestrebt wäre. Tobias Rehberger setzt eher auf Spezialisierung, und in der Tat basieren seine Arbeiten ja auf einer Trennung der Sektoren der Mitwirkung. Thomas Demand ist ein intellektueller Künstler, der, wie wir sahen, eine sehr bewusste Textregie betreibt und in Katalogen vereinzelt auch Texte beisteuert. Jedoch setzt er bewusst auf die Zusammenarbeit mit Schriftstellern als »Sprachspezialisten«. Am ehesten lässt sich Eliasson in die Tradition der Publizisten-Künstler stellen, mit seinen Anreden an die Besucher und den Resümees am Ende von Katalogen, aber auch mit den publizistischen Aktivitäten seines Studios. Einen großen Anteil an der Textproduktion haben, in Fortführung und Variation der Ansätze der Avantgarde, selbstinitiierte Gespräche und Interviews als eine Form erweiterter Autorschaft, doch scheint die Figur des Kurators als Interviewpartner – siehe Hans Ulrich Obrist – und damit seine Autorschaft stärker sichtbar. Die Künstlerbücher und -kataloge der 1960er und 1970er sind auch wichtige Bezugspunkte, was den Umgang mit Reproduktionen und die Selbständigkeit der Bilder angeht, etwa für Demand die von Ed Ruscha, und damit der Autonomisierung des Katalogs gegenüber der Ausstellung. Doch scheint der Umgang mit Bildern ein anderer, erweiterter: In der konzeptuellen Verwendung der Photographie, etwa bei Feldmann, Kosuth, Baldessari, ging es eher um Abbildung als Denk- oder Verweisspiel, weniger als autonomes ästhetisches Produkt, und was sie in ihren Büchern und Katalogen zeigen, sind häufig

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»Der Katalog […] gibt gar kein Bild«? – Schlussbetrachtungen asketische Schwarzweißphotos. Demgegenüber bieten zeitgenössische Kataloge meist üppige, großformatige Bilder. Dies hat mit medientechnischen Entwicklungen, vor allem aber mit einem anderen Umgang mit der Abbildung zu tun. Es werden Bilder gezeigt, die nicht nur Verweischarakter haben, sondern, wie bei Demand, eigenwertige Endprodukte sind, die bewusst auf die mimetisch-abbildende Funktion der reproduzierenden Techniken setzen, mit ihr spielen und ihrer besonders bedürfen, wie die ephemeren Modelle Demands, aber auch die Installationen Rehbergers und Eliassons. Man könnte hier das Schlagwort vom ›Iconic turn‹ aus den 1990er Jahren ins Spiel bringen und in diesem Zusammenhang das neu erwachte Interesse an der Rolle von Bildern bei der Konstruktion und Destruktion von Wirklichkeit. Die Vermittlung von immersiven Erlebnissen und Erfahrungen in Ausstellungen, sei es in den Videoinstallationen von Pipilotti Rist, den Wahrnehmungsräumen von Olafur Eliasson oder den Bildwelten Thomas Demands, sie beruft sich nicht zuletzt auf die Wirkmacht der Bilder in Katalogen, die nicht nur affirmativ, sondern auch »Medium der Repräsentationskritik«430 sein können. Die bilderreiche Ausstattung, die gesteigerte Materialität und aufwendigere Gestaltung von Katalogen hängt, wie bereits eingangs angesprochen, auch mit einer veränderten Situation der Institutionen und des Marktes in der Kunst(buch)welt zusammen. In den 1960ern war Büchermachen für Künstler eine alternative Ausdrucksform jenseits der gewohnten Formate, verbunden auch mit Institutionenkritik. Dagegen fördern ab den 1990ern Ausstellungshäuser, Verlage, Stiftungen zunehmend Publikationen, gewinnt mit der Ausstellung auch wieder der Katalog an Bedeutung, in den Spezifika des Künstlerbuchs integriert werden. Diesen »Marsch durch die Institutionen« des Künstlerbuchs als Ausstellungskatalog hat Barbara Bader am Beispiel der Förderprogramme in den USA zur Erstellung von Künstlerbüchern beschrieben.431 Für die Künstler der 1960er Jahre bedeuten Institutionen häufig Reibungsflächen, siehe etwa Ed Ruscha, der Twentysix Gasoline Stations gerade damit bewirbt, dass das Buch von der Library of Congress zurückgewiesen wurde – was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann – und es in Anzeigen mit dem Schriftzug »REJECTED« versieht, was wie ein Qualitätssigel erscheinen muss.432 Wie positionieren sich zeitgenössische Kataloge demgegenüber? Eliasson antwortet in einem Interview im Zusammenhang mit den vom Studio Eliasson selbst herausgegebenen Publikationen auf die Frage nach den Unterschieden zur Situation in den 1960er Jahren: »There are also some substantial advantages in today’s situation – one being the fact that the art and cultural practices in the 60s were much more marginalised and much smaller.«433

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Vgl. Dickel, Künstlerbücher, S. XVI. Bader, Künstlerbücher, S. 55. Ed Ruscha and Photography, Kat. Withney Museum New York 2004, S. 120. Interview mit Hans Ulrich Obrist, in: The experiment marathon, Kat. Reykjavik Art Museum u. a. 2008, London 2009, S. 12.

»Der Katalog […] gibt gar kein Bild«? – Schlussbetrachtungen Ausdruck und zugleich Instrument dieser Sichtbarkeit sind nicht zuletzt Kataloge. So legen es zeitgenössische Künstler eher auf eine Zusammenarbeit mit Institutionen, mit Firmen und Verlagen an, bei der sie durchaus selbstbewusst den Status von Kunst einsetzen und ihre Interessen mit denen der Partner aushandeln. Die Publikationen stehen damit freilich, wie etwa die von Prada geförderten Ausstellungskataloge Demands und Rehbergers und die Verlagspublikationen Eliassons, in einem Kontext, der Rückwirkungen auf Erscheinungsbild und Wahrnehmung hat. Wir haben künstlerische Strategien im Umgang mit dem Katalogmedium verfolgen können, und es eröffnet sich ein reichhaltiges Feld für künftige Untersuchungen: Der Blick auf Katalogœuvres ließe sich auf weitere Künstler ausdehnen, interessante, hier nur angerissene Aspekte könnten beispielsweise sein, inwiefern Kataloge gegendert sind, wie Weiblichkeit gezielt signalisiert wird, etwa in den Katalogen von Pipilotti Rist und Sophie Calle. Auch die nationalen Unterschiede in der Katalogproduktion und ihren Stellenwert inmitten einer häufig für komplett globalisiert gehaltenen Kunstwelt könnte man durch einen Vergleich etwa der deutsch-kontinentaleuropäischen mit der angloamerikanischen stärker herausarbeiten und dabei sehen, wie sich der unterschiedliche Stand öffentlicher Kunstförderung in den Katalogen niederschlägt, gegenüber der privaten von Galerien, Auktionshäusern, Stiftungen. Auch könnte man die Produktionsprozesse bei der Erstellung eines Katalogs, die Kommunikation und Interaktion zwischen Künstler, Kurator, Autoren, Graphiker, Verlag, Druckerei für ausgewählte Fälle noch genauer beschreiben, über verschiedene Entwurfstadien verfolgen, so zu einem tatsächlichen Making-of kommen und die Beziehungen der Akteure weiter freilegen. Was die »Gattungen« von Katalogen angeht, so ließen sich Längsschnitte durch die Geschichte von Museen oder Großausstellungen anhand ihrer Kataloge ziehen. Auch Auktionskataloge, die analog zur steigenden Bedeutung von Auktionen immer umfangreicher werden, wären im Vergleich zu Institutionenkatalogen untersuchen, ebenso wie in medialer Hinsicht Webseiten und Onlinekataloge von Künstlern, ihre Informations- und Entlastungsfunktion zugunsten des gedruckten Mediums. An Katalogen lassen sich Verschiebungen und Differenzen innerhalb einer individuellen, aber auch einer allgemeinen künstlerischen Praxis ablesen. Um mit Marcel Broodthaers zu sprechen: »A s’occuper d’art, on ne tombe jamais que d’un catalogue à l’autre.«434

434 Zit. nach: Marcel Broothaers, Kat. Galerie nationale du Jeu de Paume, Paris 1991, S. 227.

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Nachbemerkung Diese Studie wurde im Herbst 2012 als Dissertation am Institut für Kunstwissenschaft und Medientheorie der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe eingereicht und für die Publikation leicht überarbeitet. Herzlicher Dank gilt vor allem Wolfgang Ullrich für die ständige Gesprächsbereitschaft, dann den Teilnehmern von Doktorandenkolloquien und Tagungen sowie allen anderen, die durch Unterstützung, Anregungen und Kritik die Entstehung der Arbeit und die Zeit der Promotion insgesamt begleitet haben, in Karlsruhe, Berlin, München und andernorts, insbesondere Simon Bieling, Jacob Birken, B., G. und M. Coers, Thomas Demand, Elisabeth Fritz, Annette Gilbert, Walter Grasskamp, Albert Hien, Daniel Hornuff, Beate Klompmaker, Natalie Moser, Dietz-Rüdiger Moser, Jörg Scheller, Paulina Spiechowicz. Und Eva-Maria Troelenberg. Für die Bereitschaft, aus der Studie über Bücher ein Buch zu machen und für die gute Zusammenarbeit sei Katja Richter und Verena Bestle vom Verlag de Gruyter gedankt, ebenso den Herausgebern der Reihe Ars et Scientia. München, im Frühjahr 2014

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Abbildungsverzeichnis

[1] Clive Phillpot: Artist’s Books, 2011, nach: http://www.manystuff.org/?p=12738. [2] Ed Ruscha: Hand Showing Book Cover, Hand Showing Book Spine (1963), aus: Richard Marshall (Hg.): Ed Ruscha, New York 2003, S. 69. [3] Katalog der Salon-Ausstellung Paris 1763. [4] Schnitt von Erich Heckel nach E. L. Kirchner, Kat. Die Brücke, Galerie Arnold, Dresden 1910. [5] Andy Warhol, Kat. Moderna Museet Stockholm 1968, mit Eintragung. [6] Thomas Demand, Kat. Lenbachhaus München 2002, S. 82f. [7] Thomas Demand: Nationalgalerie, Kat. Neue Nationalgalerie Berlin 2009, o. S. [8] Thomas Demand: Phototrophy, Kat. Kunsthaus Bregenz 2004, S. 120 f. [9] Gerhard Richter, Kat. Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris 1993, Bd. 3: Werkübersicht 1962–1993, Nr 442 bis 447. [10] Wolfgang Tillmans: if one thing matters, everything matters, Kat. Tate Britain London 2003, S. 33. [11] Gerhard Richter: October 18, 1977, Kat. Museum of Modern Art New York 2000, S. 111. [12] Thomas Demand, Kat. Museum of Modern Art New York 2005, S. 20. [13] Gerhard Richter: Rot, Gelb, Blau. Die Gemälde für BMW, München 2007, Abb. Nr. 20. [14] Luc Tuymans: I don’t get it, Gent 2007, S. 76f. [15] Thomas Demand: Klause, Kat. Museum für Moderne Kunst Frankfurt 2006, o. S. [16] Thomas Demand: Kat. Serpentine Gallery London 2006, S. 51. [17] Thomas Demand: Kat. Serpentine Gallery, S. 72–73. [18] Thomas Demand: Klause, o. S. [19] Thomas Demand: Processo grottesco. Yellowcake, Kat. Fondazione Giorgio Cini, Biennale Venedig, Mailand 2007. [20] Thomas Demand: Processo grottesco, Abb. 271b. [21] Thomas Demand: Processo grottesco, Abb. Nr. 457–454. [22] Thomas Demand: Processo grottesco, Abb. Nr. 451. [23] Thomas Demand: Processo grottesco, Abb. 269. [24] Porträt Neo Rauch, Kat. Museum Frieder Burda, Baden-Baden 2011, S. 48. Photo: Timm Rautert. [25] Porträt Markus Lüpertz, Kat. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland Bonn 2009, S. 369. [26] Thomas Demand: Executive. Von Poll zu Presidency, Köln 2012, S. 62 f. [27] Installationsansicht Thomas Demand: Nationalgalerie, Neue Nationalgalerie Berlin 2009. Photo: Nic Tenwiggenhorn. [28] Thomas Demand: Nationalgalerie, Kat. Neue Nationalgalerie Berlin 2009, Vorsatz. [29] Thomas Demand/Hans Ulrich Obrist: Thomas Demand und die Nationalgalerie, Köln 2009, innere Umschlagseite.

246

Abbildungsverzeichnis [30] Thomas Demand/Udo Kittelmann (Hg.): Nationalgalerie. »How German is it«, Frankfurt/Main 2009, Vorsatz. [31] Tobias Rehberger: Applesandpears, Köln 2002/ … (whenever you need me), Kat. Westfälischer Kunstverein Münster 2001, Cover. [32] Tobias Rehberger: Applesandpears, Cover. [33] Tobias Rehberger: Seascapes and other portraits, Kat. Frac Nord-Pas de Calais Dunkerque 2000, S. 1. [34] Tobias Rehberger: Seascapes and other portraits, S. 5. [35] Tobias Rehberger: Cancelled Projects, Kat. Museum Fridericianum Kassel, S. 38 f. [36] Tobias Rehberger: Standard Rad, in: Seascapes and other portraits, S. 16. [37] Tobias Rehberger: Standard Rad, in: The secret bulb in Barry L., Kat. Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig 1999, o. S. [38] Tobias Rehberger: Geläut – bis ich’s hör… Kat. Museum für Neue Kunst am ZKM Karlsruhe 2002, S. 85. [39] Pipilotti Rist, Kat. Fundació Joan Miró Barcelona 2010, S. 80. [40] Tobias Rehberger: I die every day, 1 Cor. 15,31, Kat. Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía Madrid 2005, Innentitel. [41] Tobias Rehberger: I die every day, S. 79. [42] Tobias Rehberger: On Otto, Kat. Fondazione Prada Mailand 2007, Cover. [43] Tobias Rehberger: On Solo, Kat. Fondazione Prada Mailand 2007, Cover. [44] Tobias Rehberger: On Solo, S. 142 f. [45] Tobias Rehberger: On Otto, S. 52 f. [46] Tobias Rehberger 1993–2008, Köln 2008, S. 94 f. [47] Tobias Rehberger: flach, Kat. Museum für Angewandte Kunst Frankfurt/Main 2010, S. 184 f. [48] Olafur Eliasson: Users, Kat. Biennale São Paulo, [Berlin] 1998, Inhaltsverzeichnis, o. S. [49] Olafur Eliasson: Users, 1998, o. S. [50] Bibliographie aus: Studio Olafur Eliassson. An Encyclopedia, Köln 2008, S. 516. [51] Uwe Koch: Kommentiertes Werkverzeichnis der Bücher von Martin Kippenberger, 1977–1997, Köln 2002, Taf. 12. [52] Olafur Eliasson: TYT [Take Your Time], Vol. 2: Printed Matter, Köln 2009, S. 18 f. [53] Olafur Eliasson: TYT 2, S. 22 f. [54] Olafur Eliasson: TYT 2, S. 4 f. [55] Mischa Kuball: Utopie/Black Square 2001 ff. [56] Olafur Eliasson: Heat Pavilion (2000), aus: My now is your surroundings. Kat. Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig, u. a., Köln 2001, o. S. [57] Olafur Eliasson: Erosion (1997), aus: My now is your surroundings, 2001, o. S. [58] Olafur Eliasson: Green River (2000), aus: The Weather Project, Kat. Tate Modern London 2003, S. 18. [59] Olafur Eliasson: Take your time, Kat. San Francisco Museum of Modern Art 2007, Abb. 117, 118. [60] Olafur Eliasson im Gespräch mit John Irwin, aus: Take your time, 2007, S. 52. [61] Olafur Eliasson: The Weather Project, S. 66 f. [62] Pipilotti Rist: Herzlichen Glückwunsch!, Kat. Stockholm Konsthall 2007, Cover. [63] Kochrezept aus: Pipilotti Rist: Herzlichen Glückwunsch, S. 97. [64] Olafur Eliasson: Life in Space 3, Dornbirn 2008, Cover. [65] Olafur Eliasson: Funcionamiento silencioso, Kat. Museo Reina Sofia, Madrid 2003, o. S. [66] Olafur Eliasson: Sonne statt Regen, Kat. Kunstbau Lenbachhaus München 2003, o. S. [67] Olafur Eliasson: Minding the world, Kat. ARoS Aarhus Kunstmuseum 2004, S. 194 f. [68] Olafur Eliasson: Minding the world, S. 226.

Abbildungsverzeichnis [69] [70] [71] [72]

Wolfgang Tillmans: Manual, Köln 2007, S. 426. Pipilotti Rist: I’m not the girl who misses much, Stuttgart 1994, o. S. John Bock: Malträtierte Fregatte, Köln 2007, S. 90 f. Olafur Eliasson, TYT 2 – printed matter, S. 96 f.

© für die Werke von Thomas Demand beim Künstler und VG-Bildkunst, Bonn 2014, mit freundlicher Genehmigung von Thomas Demand, © für die Werke von Olafur Eliasson, Tobias Rehberger, Mischa Kuball bei den Künstlern, mit freundlicher Genehmigung von Studio Olafur Eliasson, Studio Tobias Rehberger, Mischa Kuball. © für alle anderen bei den Autoren.

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Personenverzeichnis

Adriani, Götz 139 Ammann, René 49, 59

Eskildsen, Ute 19 Eugenides, Jeffrey 42, 43, 44, 47

Bader, Barbara 16, 19, 171, 232 Balkenhol, Stephan 79, 90, 142 Baselitz, Georg 7, 220 Bätschmann, Oskar 9, 26, 206 Baumgarten, Lothar 9, 117 Benjamin, Walter 131 Birnbaum, Daniel 165, 166, 200 Blom, Ina 150, 151, 200 Blunck, Lars 114, 188 Bock, John 3, 221, 222, 231 Bonami, Francesco 36 Broodthaers, Marcel 233 Buren, Daniel 28, 185

Feldmann, Hans-Peter 11, 31, 230, 231 Feuerbach, Anselm 147 Flechtheim, Alfred 28 Florschuetz, Thomas 42 Friedel, Helmut 37, 201

Carson, David 152 Caruso St John 36, 99, 100 Casebere, James 42 Cassirer, Paul 29 Cattelan, Maurizio 227 Celant, Germano 35, 78, 80, 151 Cerizza, Luca 12, 22, 106, 164, 176, 210, 219 Christo & Jeanne-Claude 71 Christov-Bakargiev, Carolyn 91 Crary, Jonathan 165, 200 Cürlis, Hans 178 Dean, Tacita 3, 38, 39, 50, 87, 185 Dickel, Hans 10, 232 Diederichsen, Diedrich 157, 220, 225 Eco, Umberto 24, 43, 51, 88, 125 Engberg-Pedersen, Anna 177, 190

Gaensheimer, Susanne 43, 59, 109 Gaugin, Paul 147 Genette, Gérard 12, 13, 60, 70, 170, 188, 195, 196 Glasmeier, Michael 6, 7, 10, 16, 17, 21, 25, 27, 33, 42, 185, 227 Gould, Glenn 107 Grosenick, Uta 156 Grünbein, Durs 42 Gursky, Andreas 53, 58 Heimann, Michael 177 Herzog, Jacques 192 Hess, Thomas B. 164 Hien, Albert 207, 234 Hirst, Damien 3, 11, 122, 123, 195, 205 Hodgkins, Howard 42 Honert, Martin 87, 88 Hopper, Edward 42 Huebler, Douglas 30, 31 Huber, Thomas 171 Hütte, Axel 42 Irwin, Robert

189

Jensen, Marianne Krogh Julin, Richard 193

187

250

Personenverzeichnis Kampmann, Sabine 85, 195, 196, 220 Kippenberger, Martin 3, 157, 158, 159, 161, 169, 170, 171 Kirchner, Ernst Ludwig 27 Kittelmann, Udo 69, 96, 97 Kluge, Alexander 47, 49, 50, 72, 88, 100, 190 Koch, Andreas 203, 210 Koch, Friedrich Georg 25, 26, 28, 34 König, Kaspar 4, 119 Kosuth, Joseph 30, 231 Krajewski, Markus 33, 117 Kuball, Mischa 179, 180 Larsen, Lars Bang 165 Lauf, Cornelia 30, 32 LeWitt, Sol 18, 20 Loers, Veit 104 Long, Richard 20, 21, 32 Lorrain, Claude 25, 29 Luginbühl, Bernhard 122 Lüpertz, Markus 85, 186, 230 Mack, Heinz 123 Mack, Michael 98 Mackert, Gabriele 17, 25, 30, 32 Marc, Franz 227 Marcoci, Roxana 44, 61, 64 Matzner, Florian 127 Mizusaki, Naomi 77, 99 Moeglin-Delcroix, Anne 2, 20, 22, 31, 32 Muniz, Vic 49 Newman, Barnett 164, 227 Nicolai, Carsten 39 Nikkels, Walter 9, 10, 19, 56, 99, 113, 117, 119, 151 Nooteboom, Cees 42 Obrist, Hans Ulrich 40, 47, 60, 62, 65, 88, 94, 95, 100, 126, 163, 165, 166, 171, 188, 189, 193, 200, 203, 205, 231, 232 Papadopoulou, Alexandra 104, 142, 143, 156, 162 Parr, Martin 10, 30 Phillpot, Clive 15, 16, 17, 18, 22, 30, 32, 110 Polanski, Roman 163 Prada, Miuccia 148, 202, 233

Prado, Jorge 117 Proust, Marcel 70 Ranciere, Jacques 97 Rauch, Neo 4, 42, 46, 85, 86, 193, 207 Rehberger, Chris 106, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 130, 131, 142, 143, 147, 162, 191 Richter, Daniel 3, 58, 66, 67, 79, 123, 198, 228 Richter, Gerhard 3, 57, 58, 60, 61, 62, 63, 65, 67, 79, 82, 84, 85, 86, 96, 120, 126, 169, 201, 230 Rist, Pipilotti 3, 38, 85, 106, 141, 142, 162, 193, 194, 195, 196, 197, 219, 220, 221, 230, 231, 232, 233 Roters, Eberhard 26, 28, 29 Roth, Dieter 99, 113, 163, 171 Ruscha, Ed 1, 18, 19, 20, 21, 30, 31, 64, 99, 103, 113, 165, 179, 180, 231, 232 Scheller, Jörg 147, 234 Schneemann, Peter J. 11, 21, 122, 206 Schneider, Eckhard 44, 186 Schwantes, Hendrik 177 Sehgal, Tino 227, 228 Serota, Nicholas 192 Siegelaub, Seth 30 Snow, C. P. 199 Stingel, Rudolf 56, 57, 58 Storr, Robert 61 Strauß, Botho 16, 41, 45, 46, 47, 48, 50, 88, 91, 93, 97, 98, 99, 100, 229 Theewen, Gerhard 17, 20, 207 Tillmans, Wolfgang 3, 4, 11, 57, 58, 123, 217, 218, 230 Tiravanija, Rirkrit 117 Tocha, Veronika 5, 80, 102 Tuymans, Luc 38, 65, 66, 67, 79, 198, 230 Ullrich, Wolfgang 6, 10, 27, 33, 34, 40, 75, 106, 114, 142, 234 Ulrichs, Timm 104 Van der Rohe, Mies

91, 94

Wall, Jeff 188 Walther, Franz Erhard 123 Warhol, Andy 18, 24, 29, 30, 31, 140

Personenverzeichnis Waters, John 49 Weibel, Peter 32, 108, 198, 199, 200 Weiner, Lawrence 28, 30, 31, 207 Weisbeck, Markus 54, 99, 116 Weiwei, Ai 148 Wesely, Michael 82

Whiteread, Rachel 79, 108 Winkelmann, Jan 109, 136, 165, 166 Wölfflin, Heinrich 33, 59, 60 Zschocke, Nina 74, 118, 120 Zumthor, Peter 44, 186

251