Kriminalität und Zahlungsmoral im 16. Jahrhundert: Der Alltag in Duderstadt im Spiegel des Strafbuches 2701737334, 9783767530881

Wildes Tanzen, Verstöße gegen die Fastengebote, Hausfriedensbrüche und Beleidigungen - das sind typische Vergehen, die v

252 19 5MB

German Pages 180 Year 2010

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Kriminalität und Zahlungsmoral im 16. Jahrhundert: Der Alltag in Duderstadt im Spiegel des Strafbuches
 2701737334, 9783767530881

Table of contents :
Inhalt
1 Einleitung
2 Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

Citation preview

Göttinger Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur des Mittelalters Herausgegeben von Peter Aufgebauer Band 8

Heike Bilgenroth-Barke Kriminalität und Zahlungsmoral im 16. Jahrhundert Der Alltag in Duderstadt im Spiegel des Strafbuches

Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.

Mit 1 Abbildung und 1 Tabelle. Umschlagabbildung und Abbildung © Stadtarchiv Duderstadt.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © Edition Ruprecht Inh. Dr. R. Ruprecht e.K., Postfach 17 16, 37007 Göttingen – 2010 www.edition-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehrund Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG. Das Werk ist zugleich als eBook erhältlich, DOI 10.2364/2701737334 Satz: Heike Bilgenroth-Barke Layout: mm interaktiv, Dortmund Umschlaggestaltung: klartext GmbH, Göttingen Druck: buch bücher dd-ag, Birkach ISBN: 978-3-7675-3088-1

Für meine Familie

Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 1.3 1.4

Einleitung ........................................................................... 9 Forschungsstand ........................................................................11 Methodisch ................................................................................18 Quellen ......................................................................................20 Fragestellung..............................................................................21

2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.4

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550 ...................24 Verordnungen des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg ...........24 Gerichte in und vor Duderstadt und auf dem Rusteberg...............27 Das Vogtgericht in Duderstadt ....................................................28 Der Duderstädter Rat..................................................................32 Das Landgericht am Westertor....................................................35 Der Oberamtmann vom Rusteberg .............................................36 Reformen Albrechts von Brandenburg und ihre Rezeption ..........37 Ergebnisse der Verordnungstätigkeit Albrechts von Brandenburg ........................................................45

3 3.1 3.2 3.3

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546 .................... 48 Handschriftenbeschreibung .......................................................48 Aufbau des Duderstädter Strafbuches .........................................49 Quellenbewertung und Einordnung in den historischen Kontext ........................................................63

4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert .................... 69 Der städtische Frieden in Duderstadt ..........................................69 Friedensbrüche ..........................................................................72 Hausfriedensbruch in Privathäusern ...........................................73 Vergehen innerhalb der Familie..................................................81 Hausfriedensbruch in öffentlichen Gebäuden .............................83 Friedensbrüche auf offener Straße: Wortdelikte und tätliche Auseinandersetzungen ............................................88 Totschlag ...................................................................................95 Vielfalt der Frevel .......................................................................98 Delikte der Handwerker..............................................................98 Verstöße gegen Handelsbeschränkungen..................................102 Delikte bei Festen und Geselligkeiten .......................................103 Verstöße gegen die Spielverbote ...............................................108

4.2.5 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4

8

4.3.5 4.3.6 4.3.7 4.3.8 4.3.9 4.4 4.4.1

Inhaltsverzeichnis

4.4.2 4.4.3 4.5 4.5.1 4.5.2

Verstöße gegen die Brauordnung ..............................................110 Brände und Verstöße gegen die Feuerschutzvorschriften ..........111 Feldfrevel .................................................................................113 Verbotenes Fischen und Wildern ..............................................119 Holzfrevel.................................................................................120 Auflehnung gegen die Obrigkeit................................................123 Beleidigungen und tätliche Angriffe auf den Rat und seine Bediensteten.............................................................123 Verweigerung der Hand- und Spanndienste...............................126 Verstöße gegen kirchliche Vorschriften ....................................127 Täter und Opfer........................................................................131 Frauen und Männer als Täter und Opfer ....................................131 Duderstädter Ratsherren als Täter ............................................135

5 5.1 5.2 5.3

Strafgelder und Zahlungsmoral ..........................................139 Zahlungsmodalitäten................................................................140 Abrechnung mit dem Vogt vom Rusteberg ................................148 Zahlungsmoral .........................................................................149

6

Zusammenfassung ............................................................155

7 7.1 7.2 7.3

Literaturverzeichnis ......................................................... 165 Unedierte Quellen ....................................................................165 Gedruckte Quellen ...................................................................165 Darstellungen...........................................................................165

8 8.1 8.2 8.3

Register ........................................................................... 174 Personenregister ......................................................................174 Sachregister .............................................................................177 Ortsregister..............................................................................179

1 Einleitung Was zählt schon ein Feldfrevel gegenüber einem Mord, was eine Geldstrafe gegenüber einer Hinrichtung? Wenig spektakulär sind die meisten der mit Geldbußen geahndeten Vergehen, die von 1530 bis 1546 in das Duderstädter Strafbuch eingetragen wurden. Diese alltäglichen Delikte spiegeln jedoch die Normalität in ungleich größerem Maße wider als die Verbrechen, die unter die Hals- und Blutgerichtsbarkeit fielen und die eher die Ausnahme waren. Dennoch übten grausame Strafpraktiken und schwere Verbrechen auf Juristen und Historiker lange Zeit eine größere Anziehungskraft aus: Aufsehenerregende Fälle standen bis vor einigen Jahren im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Mittlerweile stehen die Untersuchungen über die Tätigkeiten der Niedergerichte gleichrangig daneben1. Mit ihren Untersuchungen, die sich vor allem auf die verschiedenen Landfrieden und Rechtsbücher konzentrierten, unterstützte die Rechtsgeschichte noch bis vor 2 einiger Zeit die Entstehung eines grausamen Mittelalterbildes . Die Forschung beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit der Entstehung und der Wandlung von Normen sowie dem Instrumentarium zu ihrer Durchsetzung. Dadurch meinte sie einen großen Teil der Rechtswirklichkeit erfasst zu haben, obwohl soziale und öko3 nomische Bedingungen weitgehend unberücksichtigt blieben . Diese verzerrte 1

2

3

Vgl. Schwerhoff, Gerd, Kriminalitätsgeschichte im deutschen Sprachraum. Zum Profil eines „verspäteten“ Forschungszweiges. In: Blauert, Andreas/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne, Konstanz 2000, S. 21–68, hier S. 25. Vgl. Gudian, Gunter, Geldstrafrecht und peinliches Strafrecht im späten Mittelalter. In: Becker, Hans-Jürgen/Dilcher, Gerhard/Gudian, Gunter/Kaufman, Ekkehard/Sellert, Wolfgang (Hg.), Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte. Festschrift für Adalbert Erler zum 70. Geburtstag, Aalen 1976, S. 273–288, hier S. 273. Auch Schuster hält das Bild vom grausamen Mittelalter für ein Zerrbild. Konstanzer Quellen lassen jedenfalls nicht das Bild einer grausamen Strafjustiz erkennen, vgl. Schuster, Peter, Der gelobte Frieden, Täter, Opfer und Herrschaft im spätmittelalterlichen Konstanz, Konstanz 1995, S. 114–115. Vgl. Blauert, Andreas/Schwerhoff, Gerd, Vorbemerkung. In: Blauert, Andreas/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1993, S. 7–15, hier S. 7. Ein Beispiel für die traditionelle Untersuchungsmethode der Rechtsgeschichte ist die Studie von Karsten Kühne. Vgl. Kühne, Karsten, Das Kriminalverfahren und der Strafvollzug in der Stadt Konstanz im 18. Jahrhundert (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, Bd. 24), Sigmaringen 1979. Kühne legt seiner Untersuchung ausschließlich normative Quellen zugrunde. Unter den Juristen untersuchte Bernhard Diestelkamp als einer der ersten den Durchsetzungsgrad von Gesetzen. Vgl. Diestelkamp, Bernhard, Das Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert – aufgezeigt am Beispiel der oberhessischen Erbgewohnheiten von 1572. In: Rechtshistorische Studien. Hans Thieme zum 70. Geburtstag, Köln/Wien 1977, S. 1–33. Beispielhaft ist aus juristischer Perspektive die Studie von Marbach über die Strafrechtspflege in den drei hessischen Landstädten Eschwege, Allendorf und Witzenhausen, in der auf der Grundlage der Bußregister der niederen Gerichtsbarkeit des landgräflichen Schultheißen von 1450 bis 1500 die Rechtswirklichkeit dargestellt wird. Vgl. Marbach, Johannes, Strafrechtspflege in den hessischen Städten an der Werra am Ausgang des Mittelalters, München 1980. Vgl. zu Eschwege auch Demandt, Karl E., Recht und Gesellschaft. Rechts-, sozial- und sittengeschichtliche Studien zur strafrechtlichen Praxis in einer hessischen Stadt des

10

Einleitung

Wahrnehmung, die insbesondere durch zahlreiche Museumsausstellungen verfestigt wurde, in denen Folterinstrumente und Abbildungen diverser Hinrichtungs4 praktiken präsentiert wurden , ist jedoch inzwischen korrigiert worden. In der Vormoderne herrschte ein Strafrecht vor, das einerseits harte Strafen androhte und andererseits auf friedlichen Ausgleich bedacht war. Das Gewähren von Gnade beziehungsweise von Strafnachlässen war ein wichtiger Bestandteil der Strafpraxis und galt als göttliche Tugend, entsprach einem christlichen Grundprinzip. Gnade wurde gewährt, um den sozialen Frieden zu wahren und die Reintegration der Mis5 setäter in die Gemeinschaft zu fördern . „Rechtliche Sanktionierung in vormoderner Zeit war also keineswegs ein mechanisch vollzogener Akt, sondern das Ergebnis eines Interaktionsprozesses, zwischen Gericht, Prozessparteien und sozialer Um6 welt, mehr aushandeln als verhängen.“ Konkret bedeutet dies, dass im 14. und 15. Jahrhundert längst nicht alle Diebe gehängt wurden. Die Rechtsprechung neigte eher zur Milde. Viele Täter kamen mit 7 8 einer Geldstrafe davon , ein ebenfalls großer Teil wurde begnadigt . Diesbezüglich 9 fügt Schuster den Belegen Demandts, Gudians, Burghartz‘ und Schuberts noch 10 weitere für die Stadt Konstanz hinzu . Auch gegen die These, die Strafverfolgung im späten Mittalter und im 16. Jahrhundert sei ineffektiv und inkonsequent gewesen, werden kritische Stimmen laut. Insbesondere auf die Ergebnisse der Studien von Andrea Bendlage für Nürnberg und Peter Schuster für Konstanz sei an dieser 11 Stelle verwiesen . Bemängelt wird, dass bei der negativen Bewertung der Strafverfolgungspraxis moderne Maßstäbe zugrunde gelegt würden. Vielmehr sei die Frage zu stellen, ob das Strafsystem im Mittelalter unbedingt der Sanktionen bedurft oder ob es nicht eher auf die Schlichtung von Streitigkeiten und Vermittlung gezielt habe. Die Aufgabe des Historikers ist es, die Unterschiede der Motive und des Handelns zu analysieren, zu begreifen und sichtbar zu machen. Laut Schuster lag dem

4

5 6 7 8

9

10 11

15. Jahrhunderts. In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde Jg. 83/1972, S. 9–56. Vgl. Boockmann, Hartmut, Das grausame Mittelalter. Über ein Stereotyp, ein didaktisches Problem und ein unbekanntes Hilfsmittel städtischer Justiz, den Wundpegel. In: Geschichte, Wissenschaft und Unterricht Jg. 38/1987, S. 1–9, hier S. 1–2. Vgl. Schwerhoff, Kriminalitätsgeschichte im deutschen Sprachraum, 2000, S. 32. Schwerhoff, Kriminalitätsgeschichte im deutschen Sprachraum, 2000, S. 32. Vgl. Gudian, Geldstrafrecht, 1976, S. 274–275. Vgl. Schubert, Ernst, Räuber, Henker, Arme Sünder. Verbrechen und Strafe im Mittelalter, Darmstadt 2007, S. 9, S. 24 und S. 36. Hier wird dargelegt, dass Freie in den Rechtsaufzeichnungen germanischer Stämme Vergehen bis hin zum Mord mit Geldzahlungen gebüßt haben. Über die Begnadigung und das Erbarmen siehe bei Schubert S. 38–45. Burghartz, Susanna, Disziplinierung oder Konfliktregelung? Zur Funktion städtischer Gerichte im Spätmittelalter: Das Zürcher Ratsgericht. In: Zeitschrift für Historische Forschung Jg. 4/1989, S. 385–407. Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht. Recht und Alltag im spätmittelalterlichen Konstanz, Paderborn 2000, S. 228 und Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 9. Vgl. Bendlage, Andrea, Henkers Hetzbruder. Das Strafverfolgungspersonal der Reichsstadt Nürnberg im 15. und 16. Jahrhundert, Konstanz 2003 und Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000.

Forschungsstand

11

damaligen Strafrecht die Idee vom Frieden zugrunde: Frieden sei eine „systemsta12 bilisierende Kategorie“ gewesen. Erst der allgemeine Verrechtlichungsprozess im 16. Jahrhundert drängte das Geldstrafrecht in den Hintergrund und brachte langsam den Durchbruch der Kör13 perstrafen mit sich . Dieser Prozess wurde durch die 1532 erfolgte Einführung der Peinlichen Gerichtsordnung „Carolina“ von Kaiser Karl V. unterstützt. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass diese Gerichtsordnung in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Duderstadt noch keine Anwendung gefunden hat, da sich 14 neue Gesetze zumeist erst zeitverzögert durchsetzten . Auch konnte die „Carolina“ aufgrund der berühmten salvatorischen Klausel an die jeweilige territoriale Gesetz15 gebung angepasst werden .

1.1 Forschungsstand Für lange Zeit war die deutsche Forschung auf dem Erkenntnisstand von Gustav 16 Radbruchs und Heinrich Gwinners „Geschichte des Verbrechens“ von 1951 stehengeblieben. In dieser Darstellung wird die Strafrechts- mit der allgemeinen Kultur- und Geistesgeschichte verbunden. Episodisch und skizzenhaft werden die Verbrechenserscheinungen von der Zeit des Tacitus bis zum beginnenden 19. Jahrhundert in 27 Abschnitten dargestellt. Lange bevor die quantifizierende Methode in Mode kam, beklagten Radbruch und Gwinner das Fehlen jedweder Kriminalstatis17 tik . Die Klage beruhte auf dem damaligen Stand der Forschung und hatte somit ihre 18 Berechtigung – auch wenn heutzutage klar ist, dass es eine aussagekräftige Statistik über Kriminalfälle im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit gar nicht geben kann. Beide Autoren beklagten schon damals zu Recht, dass das gesamte Ausmaß der Verbrechen in einer gewaltbereiten Gesellschaft gar nicht zu erfassen sei, und

12 13 14

15

16 17 18

Vgl. Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 9–11. Vgl. Schwerhoff, Gerd, Köln im Kreuzverhör. Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft in einer frühneuzeitlichen Stadt, Bonn/Berlin 1991, S. 132. Vgl. Schwerhoff, Gerd, Aktenkundig und gerichtsnotorisch. Einführung in die Historische Kriminalitätsforschung (Historische Einführungen, Bd. 3), Tübingen 1999, S. 10. Schwerhoff stellt fest, dass die Carolina im 16. und 17. Jahrhundert im Lande von sehr unterschiedlicher Geltungskraft war. Vgl. Pohl, Susanne, Schuldmindernde Umstände im römischen Recht. Die Verhandlungen des Totschlages im Herzogtum Württemberg im 16. Jahrhundert. In: Harriet Rudolph/SchnabelSchüle, Helga, Justiz = Justice = Justicia? Rahmenbedingungen von Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, Trier 2003, S. 235–256, hier S. 235. Radbruch, Gustav/Gwinner, Heinrich, Geschichte des Verbrechens. Versuch einer historischen Kriminologie, Stuttgart 1951. Radbruch/Gwinner, Geschichte des Verbrechens, 1951, S. 7. Vgl. auch Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 32. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 32.

12

Einleitung 19

gehen von einer hohen Dunkelziffer unbestrafter Vergehen aus . Neben dieser Abhandlung und einem zugleich programmatischen und skeptischen Aufsatz des 20 Rechtshistorikers Karl Siegfried Bader sind von älteren Werken der Kriminalitätsforschung keine nennenswerten Impulse ausgegangen. Die traditionelle Kriminologie stellte der „anständigen“ Gesellschaft und den als allgemein anerkannt vorausgesetzten rechtlichen Normen das kriminelle Verhalten gegenüber. Das bei diesem Ansatz im Mittelpunkt des Interesses stehende Täterverhalten wurde losgelöst vom gesellschaftlichen Kontext und den sozialen Bedingungen als individuelles Fehlver21 halten angesehen . Die Ursachen einer Normverletzung wurden nicht in einem sich aus der Situation ergebenden sozialen Handeln gesucht, sondern meist auf eine biologische und psychologische Disposition des Täters zurückgeführt. Dabei ist kritisch anzumerken, dass die traditionelle Kriminologie über die Untersuchung von sensationellen Einzelfällen, die spektakulär, aber gleichsam abnorm und untypisch sind – wie das Beispiel des Räuberhauptmanns Schinderhannes – nicht 22 hinauskam . Erst mit dem Ansatz der kritischen Kriminologie gab sich die Kriminalitätsforschung Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre eine sozialwissenschaftliche Ausrichtung. Damit schuf sie die Grundlage für eine Öffnung hin zu historischen Betrachtungsweisen, die das Verbrechen nicht mehr als anthropologische Konstante begriffen. In diesem Rahmen erfolgte eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Bedingungen für deviantes Verhalten, und auch das Vorhandensein kontro23 verser Normen wurde berücksichtigt . Grundlegend für diese Umorientierung war die Theorie des „Labeling-Approach“, der zufolge Handlungen erst dann als „kriminell“ gelten, wenn sie aufgrund von Definitionsprozessen seitens der Strafverfol24 gungsorgane oder der Gesellschaft als solche etikettiert werden . Dieser sozialwissenschaftliche Ansatz der kritischen Kriminologie hat in verschiedenen Ausprägungen in der deutschen und internationalen Forschung weitgehend Akzeptanz 25 gefunden, ist dann aber in die Defensive gedrängt worden . 19 20 21

22 23 24

25

Vgl. Radbruch/Gwinner, Geschichte des Verbrechens, 1951, S. 7 und Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 32. Bader, Karl Siegfried, Aufgaben, Methoden und Grenzen einer historischen Kriminologie. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Jg. 71/1956, S. 17–31, hier S. 19. Vgl. Schwerhoff, Gerd, Devianz in der alteuropäischen Gesellschaft. Umrisse einer historischen Kriminalitätsforschung. In: Zeitschrift für Historische Forschung Jg. 19/1992, S. 385–414, hier S. 395. Vgl. Blauert/Schwerhoff (Hg.), Vorbemerkung, 1993, S. 7. Vgl. Schwerhoff, Devianz, 1992, S. 395. Zur Bedeutung der „Labeling Approach“-Theorie für die historische Kriminalitätsforschung vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 26–27 und Frank, Michael, Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität. Das Fallbeispiel Lippe 1650–1800, Paderborn/München/Wien/Zürich 1995, S. 17. Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 24 und Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 73, 81 und 83. Es mangelte nicht an Selbstkritik durch den Meinungsführer der Kritischen Kriminologie, Fritz Sack. Sack bemängelte beispielsweise die ausschließliche Favorisierung menschlicher Interaktionen und die Vernachlässigung von Herrschaftssystem und Strukturen sozialer Ungleichheit. Doch nicht aufgrund der innerwissenschaftlichen Kritik wurde die Etikettierungstheorie in die De-

Forschungsstand

13

Dirk Blasius war der erste, der in der zweiten Hälfte der 70er Jahre die Impulse der bereits weit fortgeschrittenen internationalen, insbesondere der englischen und französischen, Kriminalitätsforschung aufnahm und versuchte, sie in die deutsche 26 Forschungsdiskussion einzubringen . In den 80er Jahren wandte sich die deutsche Forschung der Auswertung von Achtbüchern, Bußregistern und Verhörprotokollen zu und versuchte, sich diese Quellen – inspiriert durch die Forschung zur Hexenverfolgung – unter sozialgeschichtlichen Fragestellungen nutzbar zu machen. Es entstanden einige Sammelbände und Fallstudien, die die Bandbreite des devianten Verhaltens im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit aufzeigten. In die Untersuchungen wurden sowohl die normativen Rahmenbedingungen als auch die gesellschaftlichen Bedingungsfaktoren einbezogen. Zudem wurde auf die Diskrepanz von Norm und Rechtswirklichkeit hingewiesen27. Anfang der 90er Jahre war die deutsche Kriminalitätsforschung gerade dabei, sich zu konstituieren. Schwerhoff beteiligte sich mit seinem Aufsatz über die „Devi28 anz in der alteuropäischen Gesellschaft“ an der von Blasius durch den Beitrag 29 „Kriminologie und Geschichtswissenschaft“ angeregten Forschungsdiskussion unter anderem mit dem Versuch einer Definition der historischen Kriminalitätsforschung: „Die historische Kriminalitätsforschung als ein Teilbereich der allgemeinen Sozialgeschichte untersucht abweichendes Verhalten in der Vergangenheit im Spannungsfeld von Normen, Instanzen und Medien sozialer Kontrolle einerseits, von gesellschaftlichen Handlungsdeterminanten und sozialen Lagen andererseits. Umgekehrt wird Kriminalität auch als zentraler Indikator für die Erforschung von 30 gesamtgesellschaftlichen Zuständen und von historischem Wandel eingesetzt“ . Demnach liegt das Grundanliegen der historischen Kriminalitätsforschung bei der Untersuchung von deviantem Verhalten und nicht nur von Delinquenz. Damit wird

26

27

28 29 30

fensive gedrängt, sondern durch den Umschwung der öffentlichen Meinung, die die Bedrohung durch Kriminalität als immer gravierender ansah. Vgl. Blasius, Dirk, Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität. Zur Sozialgeschichte Preußens im Vormärz, Göttingen 1976; ders., Kriminalität und Alltag. Zur Konfliktgeschichte des Alltagslebens im 19. Jahrhundert, Göttingen 1978; ders., Recht und Gerechtigkeit im Umbruch von Verfassung und Gesellschaftsordnung. Zur Situation der Strafrechtspflege in Preußen. In: Der Staat Jg. 21/1982, S. 365–390; ders., Geschichte der politischen Kriminalität in Deutschland (1800– 1980). Eine Studie zu Justiz und Staatsverbrechen, Frankfurt 1983. Vgl. auch Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 176–180. Vgl. zum Beispiel Reif, Heinz (Hg.), Räuber, Volk und Obrigkeit. Studien zur Geschichte der Kriminalität in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1984; MüllerWirthmann, Bernhard, Raufhändel. Gewalt und Ehre im Dorf. In: van Dülmen, Richard (Hg.), Kultur der einfachen Leute. Bayerisches Volksleben vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, München 1983, S. 79–111 sowie van Dülmen, Richard (Hg.), Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle. Studien zur historischen Kulturforschung, Frankfurt am Main 1990 und Blauert/Schwerhoff (Hg.), Mit den Waffen der Justiz, 1993. Schwerhoff, Devianz, 1992, S. 385–414. Blasius, Dirk, Kriminologie und Geschichtswissenschaft. Bilanz und Perspektiven interdisziplinärer Forschung. In: Geschichte und Gesellschaft Jg. 14/1988, S. 136–149. Schwerhoff, Devianz, 1992, S. 387.

14

Einleitung

der Blick eröffnet auf die informellen sozialen Normen und gesellschaftlichen Kontrollmechanismen wie der Ehre, die neben dem spätmittelalterlichen Satzungsrecht existierten. Abweichendes Verhalten ist folglich kontextgebunden: Ein bestimmtes Verhalten kann innerhalb einer Gruppe akzeptiert, gesamtgesellschaftlich aber als abweichend deklariert werden. In diesem Zusammenhang steht auch das Konzept der sozialen Kontrolle. Darunter versteht man alle möglichen Arten der Definition von abweichendem Verhalten durch Personen und die Reaktion darauf durch eine Maßnahme. Dieses Konzept, das sich durch Offenheit auszeichnet, bietet den Bezugsrahmen für die historische Kriminalitätsforschung31. Gerhard Oestreich entwickelte Ende der 60er Jahre das Konzept der Sozialdisziplinierung. Im Mittelpunkt dieses Konzepts steht die Maxime von Zucht und Ordnung. Vorform ist nach Oestreich die Sozialregulierung, bei der es vornehmlich noch um eine „Harmonisierung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse“ geht. „In diesem Kontext hat Neidhard Bulst auf den Zusammenhang von Sozialdisziplinierung und der bisher weitgehend unerforschten Effektivität städtischer Exe32 kutivkräfte hingewiesen“ . Hierzu liegen nun neue Untersuchungsergebnisse für 33 Nürnberg vor . Diese lassen Zweifel an der „gradlinigen Umsetzung der obrigkeit34 lichen Vorgaben aufkommen“ . Die jüngere Forschung hat aufgrund dieser Tatsa35 che das Konzept der Sozialdisziplinierung in Frage gestellt und ist insgesamt eher 36 skeptisch eingestellt . Die zum Teil berechtigte Kritik bezieht sich vornehmlich auf die implizite Teleologie des Konzeptes und auf seine nicht zeitgemäße Staatszentrierung. Trotz der Kritik war dieses Modell entscheidender Anstoß für die nähere 37 Betrachtung frühneuzeitlicher Verhaltensnormierung . Über die Disziplinierung hinaus geht Martin Dinges mit seiner These von der „Justiznutzung“. Hier stehen die Gerichte den Untertanen als ein institutionelles Angebot zur Konfliktregulierung zur Verfügung. Genutzt wurde dieses Angebot in Kombination oder im Wechsel mit nicht-institutionellen Mitteln der Konfliktregulierung, wie zum Beispiel Anwendung von Gewalt, Schlichtung, informelle Einigung. Hierbei lässt sich kein Muster in der Nutzung von den bestehenden Möglich38 keiten erkennen . Der Ansatz der „Justiznutzung“ hat der Kriminalitätsforschung 31 32

33

34 35 36 37 38

Schwerhoff, Aktenkundig, Tübingen 1999, S. 11–12. Henselmeyer, Ulrich, Ratsherren und andere Delinquenten. Die Rechtsprechungspraxis bei geringfügigen Delikten im spätmittelalterlichen Nürnberg (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 6), Konstanz 2002, S. 20. Vgl. Bendlage, Andrea/Schuster, Peter, Hüter der Ordnung. Bürger, Rat und Polizei in Nürnberg im 15. und 16. Jahrhundert. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 82, 1995, S. 37–55 und Bendlage, Henkers Hetzbruder, 2003. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 19–20. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 178. Vgl. auch Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 88. Vgl. Schwerhoff, Kriminalitätsgeschichte im deutschen Sprachraum, 2000, S. 50. Vgl. Behrisch, Lars, Städtische Obrigkeit und soziale Kontrolle. Görlitz 1450–1600 (FrühneuzeitForschungen, Bd. 13), Epfendorf/Neckar 2005, S. 15–16. Vgl. Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 90.

Forschungsstand

15

wichtige Impulse gegeben – hat er doch neben der Repression den Blick auf die Konfliktregulierung und damit auch auf die Kleinkriminalität und die Ordnungsdelikte freigegeben. Endlich begannen die rechtshistorische und die geschichtswissenschaftliche Forschung zu kooperieren. Impulsgebend war ein Projekt der Deutschen Forschungsge39 meinschaft mit dem Schwerpunkt „Die Entstehung des öffentlichen Strafrechts“ . Für die einen fand in diesem Zeitraum die Durchdringung der beiden Disziplinen statt, für die anderen war es gar die „Hochzeit der Kriminalitätshistoriographie in 40 Deutschland“ . Darüber hinaus prägten geschlechtergeschichtliche und historischanthropologische Fragestellungen die Kriminalitätsgeschichte in diesem Jahrzehnt. Neben sozialgeschichtlichen Fragestellungen erlangten kulturhistorische Fragen an Bedeutung. Im Zuge dessen hat sich die Forschung den niedergerichtlichen Quellen zugewandt. Ulbricht brachte den Wert der niederen Gerichtsbarkeit auf den Punkt: 41 „Kleine Delikte bieten große Möglichkeiten“. In der Tat spiegeln sie Alltagssituationen eher wider als die Schwerkriminalität. Auch ermöglichen es diese Quellen, Aufschlüsse über Konfliktregulierungsstrategien in der Vormoderne zu gewinnen. Außerdem hat Peter Schuster den kriminalitätshistorischen Ansatz erweitert, indem er den Blick auf eine „Sozialgeschichte des Rechts“ gerichtet hat und damit den Blick auf eine Untersuchung der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Wirkungen des Rechts lenkt. Denn es reicht nicht aus, den Blick auf das deviante Verhalten zu richten. Erst zusammen mit der Betrachtung der Strafverfolgungspraxis ergibt sich das Bild einer uns heute fremden Rechtspraxis42. Eine kontinuierlich zunehmende Anzahl an Studien zur Kriminalitätsforschung entstand. In den Forschungsberichten dominierten noch das Erkenntnisinteresse und die unbeantworteten Fragen. Durch die Veranstaltung von Tagungen und Ein43 richtung von Arbeitskreisen eröffnete sich die Möglichkeit des Austausches . Die 44 Kriminalitätsgeschichte als eigene Disziplin hat sich etabliert . Nach der Jahrtausendwende erschienen zahlreiche Aufsätze, Sammelbände und 45 Monographien . Die Forschung hat sich neben der Rekonstruktion von historischer Wirklichkeit auch der Betrachtung der historischen Wahrnehmung dieser Wirk39

40 41

42 43 44 45

Vgl. Willoweit, Dietmar, Programm eines Forschungsprojekts. In: Willoweit, Dietmar (Hg.), Die Entstehung des öffentlichen Strafrechts. Bestandsaufnahme eines europäischen Forschungsproblems (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas, Symposien und Synthesen 1), Köln 1999, S. 1–12. Eibach, Joachim, Kriminalitätsgeschichte zwischen Sozialgeschichte und Historischer Kulturforschung. In: Historische Zeitschrift 263/1996, S. 681–715, hier S. 683. Ulbricht, Otto, Zwischen Vergeltung und Zukunftsplanung. In: Ulbricht, Otto (Hg.), Von Huren und Rabenmüttern. Weibliche Kriminalität in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1995, S. 139–170, hier S. 139. Vgl. Bendlage, Henkers Hetzbruder, 2003, S. 20. Vgl. Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 20. Vgl. Krischer, Berichte und Kritik. Neue Forschungen zur Kriminalitätsgeschichte. In: Zeitschrift für Historische Forschung, Jg. 33/2006, S.387–415, hier S. 388. Vgl. Krischer, Berichte und Kritik, 2006, S. 387–388.

16

Einleitung 46

lichkeit zugewandt . Es ist außerdem eine Konzentration der Forschung auf das 14. 47 bis 18. Jahrhundert festzustellen . Aufgrund der Vielfalt der Untersuchungen wur48 de für diese Ausarbeitung nur eine signifikante Auswahl zu Rate gezogen . Auch wenn sich die Forschung bisher vor allem für den Erfolg der Umsetzung obrigkeitlicher Normen interessiert hat, so hat sie dabei belegt, dass die städtische Justiz gravierende Vollzugsdefizite besaß und maßgeblich auf die Kooperation der 49 Stadtbewohner angewiesen war . Behrisch bezieht in seine Untersuchung aber auch den umgekehrten Fall ein, in dem er analysiert, in welchem Maße die Bürger von Görlitz ihrerseits auf die Justiz angewiesen waren und ihre Streitigkeiten vor Gericht brachten. Es geht ihm darum aufzuzeigen, wie die Defizite der informellen sozialen Kontrolle die vermehrte Justiznutzung bedingten. Die Untersuchung von Behrisch erstreckt sich über einen Zeitraum von 150 Jahren und eröffnet damit die Möglichkeit, Wandlungsprozesse und Kontinuitäten in besonderem Maße herauszuarbeiten. Es geht Behrisch dabei um den Grad und die Beweggründe für das Ineinandergreifen der beiden Ebenen der Sozialkontrolle, also der informellen Sozialkontrolle (Nachbarschaft, Familie, Freunde) und der formellen Sozialkontrolle durch die Justiz50. Zu den besonders erwähnenswerten Beiträgen zur historischen Kriminalitätsforschung, bei denen es sich überwiegend um Lokalstudien handelt, zählt die umfangreiche und gelungene Untersuchung von Schwerhoff, der die Turmbücher der Stadt Köln vom Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts ausgewertet hat. Die Turmbücher erfassten die Verbrechen der Täter, die im Turm, also im Gefängnis, 51 saßen . Die kleineren Delikte konnten angesichts des Charakters der Quelle bei dieser Untersuchung nicht berücksichtigt werden. Bereits erwähnt wurde auch die herausragende Studie von Susanna Burghartz 52 über die Konfliktaustragung vor dem Zürcher Ratsgericht . Burghartz kritisiert darin zu Recht, dass den Schwerverbrechen und der Hoch- bzw. Blutgerichtsbarkeit von der historischen Kriminalitätsforschung nach wie vor größere Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, während die alltäglichen Verbrechen nur Beachtung fän53 den, „wenn es um die Kriminalisierung von Randgruppen geht“ . Burghartz zählte zu den Ersten, die die spezifische Konfliktkultur, wie sie vor zahlreichen städtischen 46

47 48

49 50 51 52 53

Vgl. das Vorwort von Winfried Schulze zu der Reihe „Wirklichkeit und Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit“. In: Fuchs, Ralf-Peter/Schulze, Winfried (Hg.), Wahrheit, Wissen Erinnerung. Zeugenverhörprotokolle als Quellen für soziale Wissensbestände in der Frühen Neuzeit, (Wirklichkeit und Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit, Bd. 1), Münster/Hamburg/London 2002, S. 5. Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 20. Vgl. den Forschungsbericht von Krischer, Berichte und Kritik, 2006, S.387–415. Für die früheren Jahre vgl. Schwerhoff, Kriminalitätsgeschichte im deutschen Sprachraum, 2000, S. 21–68 und Schwerhoff, Gerd, Aktenkundig, 1999. Vgl. Behrisch, Städtische Obrigkeit, 2005, S. 14. Vgl. Behrisch, Städtische Obrigkeit, 2005, S. 27–28. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991. Burghartz, Disziplinierung oder Konfliktregelung?, 1989, S. 385–407. Burghartz, Disziplinierung oder Konfliktregelung?, 1989, S. 386.

Forschungsstand

17

Gerichten des Spätmittelalters fassbar wird, behandelt haben. Sie untersuchte schon früh die Fälle, die nach modernen Maßstäben als Bagatelldelikte abgetan 54 wurden und arbeitet deren Erklärungswert für die damalige Gesellschaft heraus . Ziel ihrer Lokalstudie über diejenigen Fälle, die vor dem Zürcher Ratsgericht behandelt wurden, war es daher, die Regeln, Muster und Normen der Konfliktkultur herauszuarbeiten. Das ist der Autorin ausgezeichnet gelungen. Mittlerweile gibt es zu diesem Themenkomplex zahlreiche Studien, die zum Teil bereits genannt worden sind. In den letzten Jahren sind einige Studien – insbesondere über Städte im süddeutschen Raum – erschienen, die allgemeinere und gesichertere Aussagen über die Kriminalität in der Frühen Neuzeit ermöglichen55. Henselmeyer hat eine weitere Forschungslücke geschlossen. Er hat die Rechtsprechungspraxis in Nürnberg, der zweitgrößten deutschen Stadt im Spätmittelalter, untersucht. Schwerpunkt dieser Untersuchung sind die Nürnberger Polizeiordnungen und deren Durchsetzung in 56 der Praxis im 15. Jahrhundert. Die Großstadt war im 16. Jahrhundert jedoch ein eher untypisches Phänomen. Die Ergebnisse, die für Großstädte gewonnen werden, sind für die zu 90 Prozent agrarisch geprägten deutschen Lande des 16. Jahrhunderts nicht repräsentativ und daher nicht ungeprüft auf Klein- und Mittelstädte übertragbar. Die Klein- und Mittelstädte wurden erst in wenigen Studien auf Kriminalität hin untersucht. Neben der Studie von Susanna Burghartz für Zürich, das im Untersuchungszeitraum einen Tiefstand von circa 5.500 Einwohnern erreichte und damit zu den größeren Mittelstädten57 zählte, ist die herausragende und umfassende Arbeit von Peter Schuster über die Gerichtsbarkeit der Stadt Konstanz im Spätmittelalter zu nennen. Hier werden die kleineren Delikte ebenso bearbeitet wie die größeren Verbrechen. Der große Vorteil dieser Untersuchung ist, dass das Quellenmaterial in Konstanz, insbesondere die Strafbücher, es ermöglicht, „den Vollzug der 58 Strafen und die Erhebung der Bußen en détail“ über Jahrzehnte hinweg zu verfolgen. Auf dieser Grundlage gelingt es Schuster, eine Forschungslücke zu schließen und fundierte Aussagen über die Milde und Effektivität des Strafvollzuges der Niedergerichtsbarkeit im Spätmittelalter zu machen. Er legt mit dieser Studie darüber hinaus die erste Untersuchung zur Zahlungsmoral bezüglich der Strafgelder in den 59 deutschen Landen in der Frühen Neuzeit vor . 54 55 56 57 58 59

Vgl. Burghartz, Disziplinierung oder Konfliktregelung?, 1989, S. 386. Vgl. beispielsweise Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000 und Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 12. Vgl. Isenmann, Eberhard, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, 1250–1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S. 31. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 229. Schuster war bis zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Buches zum Thema Zahlungsmoral nur die Studie von Dosio, Giorgetta Bonfiglio, Criminalità ed emarginazione a Brescia nel primo Quattrocento, in Archivio storico italiano 495–496 (1978), S. 113–164 bekannt.

18

Einleitung

Aufschlussreich und wegweisend ist die Untersuchung von Andrea Bendlage 60 über die Bediensteten der Stadt Nürnberg und die dortige Strafverfolgungspraxis . Sie schließt mit ihren neuen Erkenntnissen eine Forschungslücke und weicht in wesentlichen Bereichen von der bisherigen Forschung ab, indem sie die Nürnberger Stadtbediensteten, die für die Strafverfolgung zuständig waren, von dem Stigma der 61 „Unehrlichkeit“ befreit . Mit Görlitz untersucht Behrisch erstmals keine große Reichsstadt aus dem Süden oder Westen der deutschen Lande, sondern eine der „Autonomiestädte“ des mittleren, nördlichen und östlichen Reichsgebietes, die formal dem böhmischen 62 König unterstand, jedoch über ein hohes Maß an Unabhängigkeit verfügte . Anregungen habe ich auch der umfassenden Untersuchung von Michael Frank 63 über die niedere Gerichtsbarkeit des Dorfes Heiden bei Lippe aus dem Jahr 1995 zu verdanken. Hier habe ich Parallelen zu den Feldfreveln gefunden, die in Duderstadt und Umgebung neben den Hausfriedensbrüchen die größte Deliktgruppe gebildet haben. Die Vielfalt der Ergebnisse, die diese und andere Arbeiten zur Kriminalitätsgeschichte hervorgebracht haben, zeigt, dass eine Verallgemeinerung höchst problemtisch ist. Daher füge ich mit der Untersuchung der Kriminalität in Duderstadt einen weiteren Mosaikstein zur Verdichtung der Ergebnisse der Kriminalitätsgeschichte hinzu.

1.2 Methodisch In der historischen Kriminalitätsforschung werden quantitative und qualitative 64 Methoden gleichermaßen angewendet, sie sind aufeinander angewiesen . Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Anwendung von qualitativen Ansätzen: „Der bahnbrechenden Untersuchung von Peter Schuster folgend, bemühen wir uns gar nicht 65 um eine Kriminalstatistik“ . Die vorhandenen Daten von Straffällen in einer Stadt stellen stets die quantitative Untergrenze dar, da die Überlieferung keineswegs 66 vollständig ist. Es gilt also zu wägen und nicht zu zählen . Mit Hilfe der qualitativen Auswertung kann man die engen Grenzen der quantitativen Methode aufbrechen 67 und erweitern . Diese Untersuchung bedient sich der qualitativen Methode, die durch das Auszählen der Fälle ergänzt wird.

60 61 62 63 64 65 66 67

Bendlage, Henkers Hetzbruder, 2003. Bendlage, Henkers Hetzbruder, 2003, S. 291. Vgl. Behrisch, Städtische Obrigkeit und soziale Kontrolle, 2005, S. 13. Frank, Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 37 Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 34. Vgl. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 34–35. Vgl. Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 57.

Methodisch

19

Die Begriffe „Delinquenz“, „Delikt“, „Devianz“, „Vergehen“, „Verbrechen“ und „abweichendes Verhalten“ werden im Folgenden synonym verwendet und bezeichnen Verhaltensweisen, die im untersuchten Zeitraum strafbar waren und tatsächlich bestraft wurden. Diese Begriffe werden dabei in dem Sinne als wertneutral verstanden, dass im 16. Jahrhundert die Verletzung der herrschenden Normen nicht zwangsläufig und unmittelbar zur Kriminalisierung, zur gesellschaftlichen 68 Marginalisierung oder dauerhaften Stigmatisierung der Täter führte . Die Auswertung von Gerichtsakten wird als Möglichkeit angesehen, sich einen Zugang zu der Lebenswelt und den Handlungsstrategien der Menschen der Vormo69 derne zu eröffnen . Diese Quellen erlauben Aufschlüsse weit über den Themenkreis Konflikte und Kriminalität hinaus. Sie geben uns Antworten beispielsweise auf Fragen bezüglich der materiellen Kultur, der Arbeitswelt, der Familienbeziehungen, der Bekleidung und der Spitznamen. Aufgrund der besseren Quellenlage überwogen bisher Studien über die städti70 sche Kriminalität und Justiz . Ein weiterer Vorteil für Untersuchungen von Großstädten ist die Tatsache, dass Probleme dort verdichtet auftreten. Das von Schwerhoff untersuchte Köln zählte mit circa 30.000 Einwohnern zu den größten Städten in den deutschen Landen und bot sich aus den genannten Gründen für eine historische Studie über Kriminalität besonders an. Gewalt war nicht allein ein Problem der Unterschichten, doch es darf nicht übersehen werden, dass die große Mobi71 lität armer Leute im Mittelalter vor allem die Städte zum Ziel hatte . 72 Zunehmend werden aber auch Amtsbezirke oder einzelne Dörfer untersucht . Positiv herauszuheben ist in diesem Zusammenhang die grundlegende Untersu73 chung von Michael Frank über Heiden in der Grafschaft Lippe . Durch die Erweiterung der Quellenbasis mit Steuerlisten, Stadtbüchern und dergleichen gelingt es vielfach, das soziale Profil der Delinquenten genauer zu bestimmen. Neben den Studien, die sich mit der gesamten Bandbreite der Delinquenz in einer Stadt oder einem Dorf befassen, gibt es Arbeiten, die sich auf ein bestimmtes Delikt wie Gewalt, Holzfrevel, Wilderei, übermäßigen Luxus, Fluchen oder Gottes74 lästerung konzentrieren .

68 69 70 71 72 73 74

Vgl. Burghartz, Susanna, Leib, Ehre und Gut. Delinquenz in Zürich Ende des 14. Jahrhunderts, Zürich 1990, S. 9–10. Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 21. Zu den grundlegenden Studien zählen beispielsweise Burghartz, Leib, Ehre und Gut, 1990, Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991 und Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 37. Vgl. beispielsweise Schmidt, Heinrich R., Dorf und Religion. Reformierte Sittenzucht in Berner Landgemeinden der Frühen Neuzeit, Stuttgart 1995. Frank, Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995. Beispielsweise: Wittke, Margarete, Mord und Totschlag? Gewaltdelikte im Fürstbistum Münster 1580–1620. Täter, Opfer und Justiz (Geschichtliche Arbeiten zur westfälischen Landesforschung, Bd. 21), Münster 2002 oder Bulst, Neithard, Kleidung als sozialer Konfliktstoff. In: Saeculum 44/1993, S. 32–46.

20

Einleitung

Die mangelnde Vergleichbarkeit der Untersuchungen zur städtischen Kriminalität ist ein Problem, das auch bei einer zunehmenden Anzahl von Untersuchungen bestehen bleiben wird. Die unterschiedlichen Stadtrechte, die verschiedenen Stadtgrößen, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, die stark voneinander abweichende Organisation der Gerichte, die individuelle Anlage der Strafbücher, die unterschiedliche Praxis der verschiedenen Amtsträger, Unterbrechungen in der Überlieferung, ungleiche Untersuchungszeiträume und differierende Fragestellungen sind Faktoren, die die Vergleichsmöglichkeiten erheblich einschränken und bei verallgemeinernden Aussagen große Umsicht erforderlich machen.

1.3 Quellen Die historische Kriminalitätsforschung beschäftigt sich vorwiegend mit der Zeit ab dem Ende des 13. Jahrhunderts, weil erst dann der Grad der Verschriftlichung so weit fortgeschritten war, dass schriftliche Überlieferungen in Form von Strafbüchern oder Stadtbüchern vorliegen. Das Spätmittelalter kann also als Epoche der 75 Entstehung von Gerichtsakten gelten . Diese Akten sind zunächst vorwiegend in den Städten angelegt worden. Sie sind das Ergebnis der Ordnungsbestrebungen und Kriminalitätsbekämpfung der Stadträte. Die Strafbücher wurden nach praktischen Gesichtspunkten angelegt. Es ging nicht um eine lückenlose Erfassung aller Delikte. War eine Sanktion erfolgt, war der Fall abgeschlossen und musste nicht mehr erinnert werden. Ausstehende Zahlungen und nicht vollzogene Strafen fanden demnach eher Eingang in die Überlieferung. Zu den kriminalhistorisch interessanten Quellen zählen neben den zahlreichen Statuten der Städte und Polizeyordnungen beispielsweise Achtbücher, Straf- und Rechnungsbücher, Urfehdebücher76, Zeugenverhörprotokolle77, „schwarze Bücher“ bzw. Sündenregister oder Malefizbücher. In der Frühen Neuzeit kommen noch die Überlieferungen der übergeordneten Gerichte hinzu, wie Landgerichts- oder Hofratprotokolle, die Rechtsgutachten der Universitäten und die Gauner- und Diebeslisten. Die Gerichtsakten und Kriminalquellen bilden die umfangreichste und reichhaltigste Quellengruppe der Vormoderne, die aufgrund der vielen möglichen Herangehensweisen und ihrer Differenziertheit nur von wenigen anderen Überlieferungen

75 76 77

Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 25–26. Boockmann, Andrea, Urfehde und ewige Gefangenschaft im mittelalterlichen Göttingen (Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen, Bd. 13), Göttingen 1980. Vgl. hierzu den Sammelband von Fuchs, Ralf-Peter/Schulze, Winfried (Hg.), Wahrheit, Wissen, Erinnerung. Zeugenverhörprotokolle als Quellen für soziale Wissensbestände in der frühen Neuzeit (Wirklichkeit und Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit, Bd. 1), Münster/Hamburg/London 2002.

Fragestellung

21

78

übertroffen wird . Wenn wir dabei bedauern, dass aus dem Spätmittelalter nur wenige schriftliche Quellen überliefert worden sind, so haben wir es, je weiter wir uns auf der Zeitleiste dem 21. Jahrhundert nähern, mit einer unüberschaubaren 79 Masse an Quellen zu tun, so dass eine Auswahl unerlässlich ist .

1.4 Fragestellung An die vorliegenden Studien zur niederen Gerichtsbarkeit soll die Untersuchung des Duderstädter Strafbuches anknüpfen. Sie versteht sich als ein Beitrag zur historischen Kriminalitätsforschung und will darüber hinaus Aufschluss über die frühneuzeitlichen Lebensformen und die gesamte Bandbreite und Häufigkeit der Delinquenz in einer Kleinstadt in der Mitte der deutschen Lande im 16. Jahrhundert geben. Das genealogische Material des Strafbuches ist für die Duderstädter Stadtgeschichte von großem Interesse. Dem Strafbuch lassen sich beispielsweise die Namen der meisten Flurschützen in dem Zeitraum von 1534 bis 1546 entnehmen. Auch der Bußgeldkatalog für Duderstadt für die Feldfrevel ab 1534 ist nur im Strafbuch zu finden. Die Einordnung des Strafbuches in den Entstehungskontext hat gezeigt, dass es sich hierbei um eine verwaltungsgeschichtliche Besonderheit handelt, da es die Streitigkeiten zwischen Stadtrat und Stadtschultheiß spiegelt und weitere Rückschlüsse auf Verwaltungsangelegenheiten zulässt. Ziel meiner Arbeit ist es auch, Parallelen und Unterschiede zwischen Duderstadt und anderen Orten und Städten herauszuarbeiten, für die es schon Untersuchungen zur Kriminalität gibt. Die Quelle und meine Transkription sind im Internet einsehbar80. In der vorliegenden Studie erfolgt zunächst die Darstellung der Kompetenzen der für Duderstadt zuständigen Gerichte und der Veränderungen der Gerichts- und Verwaltungsorganisation, die durch die Verordnungstätigkeit Albrechts von Brandenburg im Eichsfeld, insbesondere in Duderstadt, herbeigeführt wurden. Anhand dessen wird deutlich werden, dass der allgemeine Verrechtlichungsprozess im 16. Jahrhundert auch die kleineren Landstädte wie Duderstadt erfasste. Es schließt sich eine detaillierte Analyse des Entstehungskontextes, des Aufbaus und des Charakters des Duderstädter Strafbuches an. Im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen die Delikte, die in das Strafbuch eingetragen wurden und deren Betrachtung im gesellschaftlichen und städtischen Kontext. Dabei können aufgrund der knappen Einträge in der überwiegenden Zahl der Fälle keine Aussagen über die soziale Stellung des einzelnen Delinquenten gemacht werden. Dies ist ein häufiges Problem von Untersuchungen rechtshistorischer Quellen81. Die einzelnen Unterka78 79 80 81

Schwerhoff, Kriminalitätsgeschichte im deutschen Sprachraum, 2000, S. 30. Vgl. Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 34–35. Vgl. unter http://www.archive.geschichte.mpg.de/duderstadt/ab/reihe56/AB4251.htm. Vgl. zum Beispiel Wettmann-Jungblut, Peter, „Stelenn inn rechter hungersnodtt“. Diebstahl, Eigentumsschutz und strafrechtliche Kontrolle im vorindustriellen Baden 1600–1800. In: Van Dülmen, Richard (Hg.), Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle. Studien zur historischen Kul-

22

Einleitung

pitel, in denen die verschiedenen Delikte näher untersucht werden, erlauben schlaglichtartige Einblicke in die Geschichte Duderstadts in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Um zu verdeutlichen, dass die ordnungspolitischen Vorschriften in viele Lebensbereiche der Stadtbewohner eingriffen, wurden möglichst viele Delikte bzw. Deliktgruppen in die Untersuchung einbezogen. Bei der Betrachtung und Interpretation des Strafbuches muss einschränkend berücksichtigt werden, dass es nur die Fälle der niederen Gerichtsbarkeit enthält, die vor dem Ratsgericht unter dem Vorsitz des Schultheißen behandelt wurden. Die Vergehen, die der hohen Gerichtsbarkeit zuzuordnen sind, fielen unter die Zuständigkeit des landesherrlichen Schultheißengerichts82. Zwar besteht generell die Schwierigkeit, mit den heutigen Maßstäben eine Zuordnung der Delikte zur Niederoder Hochgerichtsbarkeit vorzunehmen, aber die Quelle trennt hier glücklicherweise genau. Das Strafbuch gibt nicht das gesamte Ausmaß der in den Zuständigkeitsbereich des Duderstädter Ratsgerichts fallenden Kriminalität wieder, da weder alle Vergehen angezeigt wurden noch, wie im Vergleich mit den Duderstädter Rechnungsbüchern deutlich wird, der Kämmereischreiber alle Delikte im Strafbuch registriert hat. Ein Verurteilter musste, wenn er durch sein Vergehen anderen Personen Schaden zugefügt hatte, zweierlei Zahlungen entrichten: einen Schadensersatz an das Opfer und eine Geldbuße an die Stadt. Da das Strafbuch jedoch unter anderem aus fiskalischem Interesse seitens des Rates geführt wurde, gewährt es keinen Aufschluss über Entschädigungszahlungen für Opfer. Überdies lassen die sehr kurzen Einträge nahezu keine Rückschlüsse auf die Vorgänge bei Gericht zu, so dass auch dieser Aspekt in der Untersuchung nicht berücksichtigt werden kann. Auch Haftstrafen, Schandstrafen oder Stadtverweise werden im Strafbuch nicht erwähnt. Trotz der genannten Grenzen und Einschränkungen, die eine solche Untersuchung von vornherein zwangsläufig aufweisen muss, wird angestrebt, anhand des Duderstädter Strafbuches die Diskrepanz zwischen Rechtsnorm (Statuten) und Rechtswirklichkeit (Rechtsprechung) vor Augen zu führen und mittels der Gesamtheit der untersuchten Aspekte einen Einblick in den Alltag und die Normalität des städtischen Lebens in Duderstadt zu ermöglichen. Dazu soll auch die Untersuchung der Zahlungsmoral und der Zahlungsmodalitäten beitragen, die sich aufgrund des fiskalischen Charakters des Strafbuches anbietet. Die Strafgelder für die Feldfrevel wurden ausschließlich an den Rat gezahlt und werden bei der Auswertung bezüglich der Zahlungsmoral nicht berücksichtigt, da die Quelle in diesem Bereich häufig sehr lückenhaft und unübersichtlich ist.

82

turforschung, Frankfurt 1990, S. 133–177, hier S. 162. Wettmann-Jungblut stellt fest, dass die Gerichtsakten häufig über Herkunft, sozialen Status und Profession der Verurteilten schweigen. Über die vor dem Schultheißengericht im Untersuchungszeitraum verhandelten Fälle sind keine Überlieferungen im Stadtarchiv Duderstadt erhalten. Lediglich die Rechnungsbücher geben Auskunft über Gefängnisinsassen, Folter und Hinrichtungen.

Fragestellung

23

Als Grundlage für die Stadtgeschichte Duderstadts dient das Werk des langjährigen Geschichtsforschers Julius Jaeger, der sich um die Herausgabe des Duderstädter Urkundenbuchs und um zahlreiche Betrachtungen über Duderstadt am Ende 83 des Mittelalters und in der Frühen Neuzeit verdient gemacht hat . Zu Beginn seiner Veröffentlichungstätigkeit hat er die Quellen angegeben. Dies unterblieb bei späteren Publikationen. Dennoch bringt die Prüfung einzelner Sachverhalte seine profunde Quellenkenntnis immer wieder zutage, so dass seine Aussagen auch ohne Quellenangabe als gültig angesehen und dieser Arbeit an vielen Stellen zugrunde gelegt werden können. Jaeger hat bereits einige der Delikte – ob er sie dem Strafbuch oder den Rechnungsbüchern entnommen hat, muss offen bleiben – in „Bilder 84 aus der Goldenen Mark Duderstadt“ aufgelistet. Da er es aber bei einer reinen Aneinanderreihung einer kleinen Auswahl der Fälle bewenden ließ, bleibt eine systematische und umfassende Auswertung des Strafbuches der vorliegenden Untersuchung vorbehalten.

83

84

An dieser Stelle sollen nur einige seiner Veröffentlichungen aufgezählt werden: Jaeger, Julius (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Duderstadt bis zum Jahre 1500, Hildesheim 1885; ders., Duderstadt gegen Ende des Mittelalters, Hildesheim 1886; ders., Bilder aus der Goldenen Mark Duderstadt, Bd. 1 und Bd. 2, Duderstadt 1921 und 1922; ders., Alt-Duderstadt. Bilder aus einer tausendjährigen Stadt, (2. Auflage) Duderstadt 1929. Vgl. Jaeger, Bilder, Bd. 2, 1922, S. 43–44.

2 Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550 2.1 Verordnungen des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg Der allgemeine Verwaltungsausbau und die Modernisierung des Justizwesens wurden im 16. Jahrhundert sowohl auf Reichs- und Landes- als auch auf der lokalen Ebene verstärkt vorangetrieben. Diesen Entwicklungen leisteten auf Reichsebene die Beschlüsse des Wormser Reichstages von 1495 im Bereich des Rechts- und Gerichtswesens (Einrichtung des Reichskammergerichts, „Ewiger Landfrieden“) 1 und die sich langsam durchsetzende Rezeption der gelehrten Rechte Vorschub . Die erste Reichskammergerichtsordnung räumte den gelehrten Rechten deutlich Vorrang gegenüber dem lokalen und regionalen Recht sowie den örtlichen Gepflogenheiten ein. Der „Ewige Landfriede“ bestimmte das unbedingte Fehdeverbot im Reich. Diese Verfügungen wirkten sich auf das Justizwesen und die Verwaltung der meisten deutschen Landesteile aus, zumal die Landesherren in ihren Herrschafts2 gebieten deutliche organisatorische und administrative Defizite feststellten . Auf späteren Reichstagen wurden weitere Verordnungen bezüglich des Justizwesens beschlossen. Besonders die drei Reichspolizeiordnungen und die Peinliche Gerichtsordnung von Kaiser Karl V. von 1532 („Carolina“), die teilweise erstere 3 ergänzte, waren von grundlegender Bedeutung . Wohl auch aufgrund der engen Anbindung der Mainzer Kurfürsten an das Reich – sie hatten das Amt des Reichserzkanzlers inne – erfolgte die Umsetzung der neuen Reichstagsbeschlüsse, der kaiserlichen Mandate, der „Carolina“, der Reichspolizeiordnungen und weiterer 4 Reichsverordnungen im Kurfürstentum Mainz relativ zügig . Inwieweit sie jedoch zeitgleich im Eichsfeld als Exklave des Kurfürstentums durchgesetzt werden konn5 ten, ist aufgrund der dürftigen Quellenlage nicht mehr nachvollziehbar . Im Kurfürstentum Mainz, das durch die Zersplitterung des weltlichen Herrschaftsgebietes belastet war, richtete sich die Politik der Kurfürsten im 16. Jahr1

2

3

4 5

Vgl. Willoweit, Dietmar, Rezeptionen. In: Lüdersen, Klaus/Schreiner, Klaus/Sprandel, Rolf/Willoweit, Dietmar, Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas (Symposien und Synthesen, Bd. 6), Köln/Weimar/Wien 2002, S. 154. So war zum Beispiel ein Zugriff auf die einzelnen Untertanen nicht möglich. Vgl. Duchhardt, Heinz, ‚Reform‘ und ‚Modernisierung‘ im Reich des frühen 16. Jahrhunderts. In: Jürgensmeier, Friedhelm (Hg.), Erzbischof Albrecht von Brandenburg (1490–1545). Ein Kirchen- und Reichsfürst der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1991, S. 215–222, hier S. 215–216. Vgl. Härter, Karl, Deutsches Reich. In: Härter, Karl/Stolleis, Michael (Hg.), Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit. Deutsches Reich und geistliche Kurfürstentümer (Kurmainz, Kurköln, Kurtrier), Bd. 1, Frankfurt am Main 1996, S. 37–106, hier S. 40. Vgl. Härter, Kurmainz, 1996, S. 112–113. Vgl. auch Willoweit, Rezeptionen, 2002, S. 159. Willoweit erklärt, dass ein „gelehrter“ Strafprozess in Stadt- und Landgerichten nicht stattgefunden haben könne, solange dort nicht juristisch gebildetes Personal das Verfahren in die Hand genommen habe. „Und das wird vor dem 16. Jahrhundert nur ausnahmsweise vorgekommen sein.“

Verordnungen des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg

25

hundert auf „die Rückgewinnung verpfändeter Gebiete, den Erwerb kleinerer und nicht von den größeren Nachbarterritorien Kurpfalz und Hessen beanspruchter Besitzungen im Gebiet des Oberstifts und die Konsolidierung der Landeshoheit in den verbliebenen Landesteilen, die nur durch eine konfessionelle, rechtliche und 6 verwaltungsmäßige Homogenisierung zu erzielen war“ . Ein Zeichen dafür war die Vielzahl der von Mainzer Kurfürsten erlassenen „Policey-“, Stadt- und Landesverordnungen. Als erste Stadt erhielt Mainz 1469 eine neue landesherrliche Stadtordnung mit der Begründung, damit besser „Sorge für ‚gute Ordnung‘ und ‚gemeinen 7 Nutzen‘“ tragen zu können. Berthold von Henneberg (1484–1504) setzte die Politik der „Policeygesetzgebung“ im Kurfürstentum Mainz fort. Seine Verordnungen 8 blieben jedoch auf die lokale Ebene beschränkt , da er sich hauptsächlich auf die Residenz und wirtschaftliche Bereiche wie zum Beispiel Handwerk, Zünfte, Handel und Akzise konzentrierte. Von seinem Nachfolger Jacob von Liebenstein (1504– 1508) sind lediglich Maßregeln auf dem kirchlichen Gebiet erhalten, und Uriel von Gemmingen (1508–1514) musste während seiner Amtszeit die gesamte Aufmerksamkeit auf die Besitzungen in Thüringen richten. Erst Albrecht von Brandenburg (1514–1545) betrieb im Rahmen seiner weit gefächerten Verordnungstätigkeit die Herrschaftsintensivierung durch die Errichtung von Zentralinstanzen und die Kompetenzerweiterung der kurfürstlichen Beamten auf lokaler Ebene. Zunächst konstituierte er 1516/21 das Hofgericht in Mainz als einen ständigen Gerichtshof mit eigenen Beisitzern – vorher tagte es nur von Fall zu Fall – und trennte es von der allgemeinen Verwaltung9. Damit einher ging der Erlass der Mainzer Hofgerichtsordnung, des ersten Landesgesetzes, für das die Reichskammergerichtsordnung 10 den entscheidenden Anstoß gegeben hatte. Die Hofgerichtsordnung galt fast für das gesamte Erzstift, also auch für das Eichsfeld. Hier kennzeichnet sie – im Unterschied zu den kurmainzischen Kernlanden – den verspätet einsetzenden Beginn 11 der Rezeption des römisch-kanonischen Rechts . Aufgrund der räumlichen Entfernung des Eichsfeldes von Mainz wurde über den Oberamtmann vom Rusteberg als 12 Mittelinstanz Kontakt zum Hofgericht gehalten . Das Hofgericht war ein Appellationsgericht und urteilte nur in seltenen Fällen als erste Instanz. Zumindest bis zum Erlass der Untergerichtsordnung, im Rheingau sogar bis zur Mitte des 16. Jahr6 7 8

9 10

11 12

Härter, Kurmainz, 1996, S. 108. Härter, Kurmainz, 1996, S. 109. Vgl. Goldschmidt, Hans, Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum Mainz vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte, Heft 7), Berlin/Leipzig 1908, S. 5. Vgl. Goldschmidt, Zentralbehörden, 1908, S. 4–5. Es war wohl unter anderem die enge Anbindung an das Reich, die Albrecht von Brandenburg dazu veranlasste, die Hofgerichtsordnung zu erlassen, da die Reichskammergerichtsordnung einen territorialstaatlichen Instanzenzug forderte. Vgl. Duchhardt, Heinz, Das Erzstift Mainz unter Albrecht von Brandenburg. In: Arndt, Jürgen, Das Wappenbuch des Reichsherolds Caspar Sturm, Neustadt an der Aisch 1984, S. 245–251, hier S. 248. Vgl. Otte, Hofgerichtsordnung, 1964, S. 62. Vgl. Otte, Hofgerichtsordnung, 1964, S. 41–42 und S. 59.

26

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

hunderts, konkurrierte es in seiner Funktion als Appellationsgericht mit den traditionellen Oberhöfen. Ab 1550 jedoch wurde im Regelfall ab einer bestimmten Ap13 pellationssumme das Hofgericht als zuständige Instanz angerufen . Der Erlass der Hofgerichtsordnung kann als Ausgangspunkt für „die Neuordnung der Ziviljustiz in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in allen Landesteilen mit 14 Ausnahme von Erfurt“ gewertet werden, da sich die anderen Verwaltungs- und 15 Justizreformen auf sie zurückführen lassen . Albrecht von Brandenburg (Albrecht II.) sah sich bald veranlasst, mittels einer verbesserten Verwaltung die Finanzen des 16 Erzstifts zu heben . Auf seine Initiative hin entstand 1522 eine feste Behörde, der „beständige Rat“ – später auch „Hofrat“, „Regierung“ oder „Regiment“ genannt –, 17 dem auf Dauer die Landesverwaltung übertragen werden konnte . Das Mainzer Domkapitel wählte den Erzbischof, hatte die Kontrolle über das gesamte Finanzund Rechnungswesen inne, konnte außerordentliche Steuern bewilligen, übte einen großen Einfluss auf Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz aus und besaß zudem das Recht, den Erzbischof in seiner Abwesenheit zu vertreten. Daher hatte der Erzbischof gemeinsam mit dem Domkapitel festgelegt, dass er bei einer mehr als einmonatigen Abwesenheit einen Statthalter bestellen sollte. Die Einrichtung eines beständigen Rates jedoch lehnte das Domkapitel ab, da es dadurch einen Machverlust befürchtete18. Die Reformtätigkeit Albrechts von Brandenburg ist also durchaus auf Widerstände auf hoher Ebene gestoßen und nicht reibungslos verlaufen. Aufgrund der starken Zersplitterung des Stiftslandes ist es nicht zu einer Bildung 19 einer „das gesamte Territorium vertretenden Körperschaft“ , den Landständen, gekommen, die neben dem Domkapitel Kontrolle über die Herrschaft des Kurfürsten hätten ausüben können. Allein im Eichsfeld entwickelte sich eine landständische Organisation der klassischen Art, „nicht aber in den Stammterritorien an 20 Rhein und Main“ . Das wichtigste Recht der Stände im Eichsfeld war die Steuerbewilligung. Weitere Aufgaben bestanden in der Landesverteidigung und der Gesetz21 gebung . Der nächste Schritt Albrechts von Brandenburg war die Reform der Lokalverwaltungen. In diesem Punkt deckten sich seine Interessen überwiegend mit denen des Domkapitels. Hintergrund dafür war der zunehmende Bedarf an finanziellen Ressourcen. In der Hoffnung, durch die „Herstellung unbeschränkter erzbischöflicher 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Vgl. Christ, Albrecht von Brandenburg, 1991, S. 247. Otte, Hofgerichtsordnung, 1964, S. 59. Vgl. Otte, Hofgerichtsordnung, 1964, S. 61. Vgl. Goldschmidt, Zentralbehörden, 1908, S. 6. Vgl. Goldschmidt, Zentralbehörden, 1908, S. 8. Vgl. Christ, Albrecht von Brandenburg, 1991, S. 224–228. Christ, Albrecht von Brandenburg, 1991, S. 232. Christ, Albrecht von Brandenburg, 1991, S. 233. Vgl. Hussong, Ulrich, Die Verfassung der Stadt Duderstadt in Mittelalter und früher Neuzeit. In: Möller, Hans-Herbert (Hg.), Das Rathaus in Duderstadt. Zur Baugeschichte und Restaurierung (Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Bd. 6), Hannover, 1989, S. 9–40, hier S. 23.

Gerichte in und vor Duderstadt und auf dem Rusteberg

27

Stadtherrschaft, verbunden mit weitgehender Einengung des Handlungsspielraums 22 von Lokalorganen und Gemeinde“ , eine Vereinheitlichung der Verwaltungsstrukturen und eine bessere Kontrolle über die Steuer- und sonstigen Einnahmen der einzelnen Landesteile und Städte zu erlangen, erließ Albrecht von Brandenburg zwischen 1526 und 1528 eine Vielzahl von Landes- und Stadtverordnungen. Sie stimmten inhaltlich weitgehend überein und unterstellten sowohl Verwaltung als auch Justiz der Mainzer Zentralregierung. Darüber hinaus enthielten sie viele „policeyliche“ Bestimmungen. Aufgrund dieser Verordnungen wurden die Städte der Bereiche enthoben, die sie vorher – auch hinsichtlich der Gesetzgebung – weitgehend selbstständig geregelt hatten23. Von diesen Verordnungen waren auch Duderstadt und Heiligenstadt betroffen. Die Verordnungen für diese beiden Städte hoben sich aufgrund der besonderen Verhältnisse des Eichsfeldes von den anderen ab, zielten aber in die gleiche Richtung, da auch durch sie die Selbstverwaltung dieser 24 Städte entscheidend beschnitten wurde . Den Landes- und Stadtverordnungen folgten weitere Verordnungen: die Hofordnung von 1532, die Untergerichtsordnung von 1534, die Schöffengerichtsordnung von 1536, die Landgerichtsordnung für das Eichsfeld und die Ordnung für „Rat und Kanzlei“ von 1541. Auch für Duderstadt erließ der Kurfürst, neben der hier bereits erwähnten Albertinischen Ordnung vom 14. Mai 1526, weitere Verordnungen, auf die an späterer Stelle genauer eingegangen wird.

2.2 Gerichte in und vor Duderstadt und auf dem Rusteberg Anhand der Quellen lassen sich für das 14. und 15. Jahrhundert zwei Gerichte in Duderstadt nachweisen: zum einen das kurfürstliche Stadtgericht, dessen Vorsitz der Vogt innehatte, und zum anderen das Ratsgericht. Außerhalb von Duderstadt befand sich das sogenannte „Westergericht“, ein Landgericht mit einem kurfürstlichen Landrichter als Vorsitzendem. Als oberste Instanz fungierte der Oberamtmann vom Rusteberg. Im Folgenden sollen, soweit es das Quellenmaterial zulässt, die Kompetenzen der verschiedenen Gerichte erläutert werden. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Beschreibung der Befugnisse des Ratsgerichts, unter dessen Obhut die Führung des Strafbuchs stand, das dieser Untersuchung zugrunde liegt. Um die Umverteilung der Kompetenzen vom Rat auf den Vogt bzw. Schultheißen im Zuge der Verwaltungs- und Justizreform klar herausarbeiten zu können, ist auch die Erläuterung der Kompetenzen des Vogtgerichtes notwendig. Das Landgericht und das Oberamt vom Rusteberg werden nur so weit in die Betrachtung einbezogen, wie es zur Unterscheidung der ineinandergreifenden Kompetenzen der verschiedenen Gerichte erforderlich ist. 22 23 24

Christ, Albrecht von Brandenburg, 1991, S. 237. Vgl. Härter, Kurmainz, 1996, S. 109. Vgl. Christ, Albrecht von Brandenburg, 1991, S. 235.

28

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

Am Anfang des 16. Jahrhunderts griff Kurfürst Albrecht von Brandenburg durch vielseitige Verordnungen in das Gerichts- und Verwaltungswesen der Stadt Duderstadt ein. Diesen Verordnungen und ihrer Rezeption in Duderstadt soll besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, da durch sie ein gespanntes Verhältnis zwischen Rat und Vogt bzw. Schultheißen entstanden ist. Diese Spannungen nämlich gaben den Anstoß zur Führung des Strafbuches. 2.2.1 Das Vogtgericht in Duderstadt Der Vogt war der Vorsitzende des kurfürstlichen Stadtgerichts. Die Bezeichnung „Vogt“ für dieses Amt wurde im 14. und 15. Jahrhundert nicht durchgängig eingehalten. In den Quellen werden auch andere Begriffe wie zum Beispiel „Schult25 26 27 28 29 heiß“ , „Vitztum“ , „Amtmann“ , „Richter“ und „Präfekt“ benutzt. Es ist anzunehmen, dass sich das Vogtamt im Verlauf des 15. Jahrhunderts zu einem Amt entwickelte, das unter der Bedingung, dass der Vogt seine Amtspflichten ordnungsgemäß wahrnahm, auf Lebenszeit vergeben wurde. Dies belegt eine Urkunde vom 30. Juni 1436, wonach „Engelhart Doring, unserm faut, [...] das fautampt sin lepta30 ge verschriben ist“ . Ein weiterer Hinweis auf eine entsprechende Entwicklung ist, dass der Nachfolger von Engelhart Doring, Heinrich Rapkol, durch Erzbischof Dietrich zum Richter eingesetzt wurde mit „allen rechten, eren, wirden, nutzen, gefellen und gewonheiten [...], des gebruchen und genyßen sal und mag, als das von 31 alter herkomen ist, und Engelhart seliger obengenannter innegehabt hat [...]“ . Da Heinrich Rapkol die gleichen althergebrachten Gewohnheiten, Rechte und Würden genießen und gebrauchen sollte, wie schon sein Vorgänger Engelhart Doring, kann davon ausgegangen werden, dass auch er sein Amt auf Lebenszeit erhielt. In seiner Einsetzungsurkunde vom 21. Oktober 1440 wurde aber diesbezüglich eine Einschränkung gemacht. In dem Fall, dass „[...] sich der obengenannte Heinrich an dem vorgenannten richterampt nicht enhielte nach unserm willen und beheglichkeit, so mogen wir, unsere nachkomen und stift ine davon entsetzen, wann wir wollen und uns das eben ist, ane des vorgenannten Heinrich intrag und widderrede [...]“32. Ob es eine solche Einschränkung bereits für Engelhart Doring gegeben hat, lässt sich anhand der vorhandenen Quellen nicht nachweisen. Am 31. Oktober 1479 25 26

27 28 29 30 31 32

Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 102. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 243 und Nr. 255. Vgl. bezüglich der Quellenhinweise Lerch, Christoph, Die Gerichtsbarkeit der Goldenen Mark Duderstadt. In: Die Goldene Mark. Zeitschrift für die Heimatarbeit im Kreise Duderstadt, 1. Sonderheft 1953, S. 2–51 und Hussong, Verfassung, 1989, S. 9–40. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 331. An anderer Stelle wird Engelhart Doring in seiner Funktion als Vogt erwähnt. Vgl. UB Dud., 1885, Nr. 288. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 307. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 333, § 6. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 288. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 307. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 307.

Gerichte in und vor Duderstadt und auf dem Rusteberg

29

setzte Erzbischof Dietrich dann Burchhard von Entzenberg wiederum zum „[...] 33 faut zu Duderstadt synen lebtag lang [...]“ ein. Die ordnungsgemäße Ausübung seines Amtes, die von ihm mit den Worten „[...] das er solich unser fautampt 34 getrewlich versteen und by sinen eren und wirden behalten und handhaben solle“ gefordert wurde, war nicht mit einer Androhung der Amtsenthebung bei Fehlverhalten verbunden. 35 1412 wurde das Vogtamt für zehn Jahre an Hermann Lodey vergeben . Schon vor Ablauf der Amtszeit Lodeys, nämlich 1420, wurde Ernst von Grone von Erzbi36 schof Konrad als zukünftiger Nachfolger auf Lebenszeit ernannt . Daran und anhand der vorherigen Ausführungen wird ersichtlich, dass das Vogtamt in Duderstadt erst nach 1420, bei ordnungsgemäßer Amtsführung, auf Lebenszeit vergeben wurde. 37 In der Einsetzungsurkunde Burchards von Entzenberg von 1479 findet sich ein Passus, der besagt, dass der Vogt sein Amt „[...] so ofte er das zu zyten ander syns geschefts halber selbs nit warten noch vertreten oder versten kan, mit eyner andern 38 tuglichen und frommen person bestellen [...]“ sollte. Aus dieser Bemerkung geht eindeutig hervor, dass es Burchard von Entzenberg erlaubt war, einen Stellvertreter zu benennen. Es besteht Grund zu der Annahme, dass der Vogt Burchard von Entzenberg von diesem Recht Gebrauch gemacht hat, da in einer Urkunde vom 23. April 1483 Hans Lemcke als „eyn gesworen voget unde richter myns gne39 digsten, und leiben hern von Menze gerichte in Duderstadt“ bezeichnet und im folgenden Jahr Hans Kreter mit den gleichen Worten in ähnlicher Schreibweise als 40 Vogt des Gerichts in Duderstadt betitelt wurde . Die Einsetzungsurkunden der Vögte von Duderstadt wurden im 15. Jahrhundert durchgängig von dem jeweils amtierenden Erzbischof zur Ausstellung in Auftrag 41 gegeben . Spätestens seit 1364 war es jedoch dem Vitztum, dem späteren Ober42 amtmann vom Rusteberg , erlaubt, nach eigenem Ermessen Amtleute, Richter und 43 Vögte ein- oder abzusetzen . Dieses Recht wurde 1387 von dem Amtmann vom Rusteberg, Hans von Hardenberg, wahrgenommen, und daraufhin verpflichtete 33 34 35 36 37 38 39

40 41 42 43

Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 461. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 461. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 243 und Nr. 255. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 255. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, S. 501. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 461. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 482. In dem Orts- und Personenregister des Urkundenbuches schreibt Jaeger, dass Burchard von Entzenberg von 1472/73 bis 1503 Stadthauptmann und ab 1479 Vogt in Duderstadt war. Wenn Burchard von Entzenberg bis 1503 Stadthauptmann war, ist davon auszugehen, dass er ebenso lange auch das Amt des Vogtes innehatte. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 484. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 243, Nr. 307 und Nr. 461. Vgl. Kapitel Der Oberamtmann vom Rusteberg. Vgl. Vigener, Fritz, Regesten der Erzbischöfe von Mainz von 1289–1396, Bd. 2, Leipzig 1913, Nr. 1895.

30

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

sich der Landrichter Gogrebe, nach einer Absprache mit dem Amtmann und Wer44 45 ner von Malsburg , für ein Jahr in Duderstadt Gericht abzuhalten . Laut der Einsetzungsurkunde des Vogtes Burchard von Entzenberg fand 1479 diese Amtseinset46 zung durch den Amtmann vom Rusteberg statt . Zudem wurde in dieser Urkunde das Recht des Amtmannes vom Rusteberg bestätigt, dass er „alle und jegliche Amt 47 zum besten bestellen sollte“ . Von besonderer Bedeutung für das Vogtgericht war der Gerichtstag. Dies belegen drei Urkunden, in denen von verschiedenen Richtern darauf hingewiesen wird, 48 dass das Gericht „to rechter dinktit dages“ abgehalten worden war. Es ist anzunehmen, dass nur dann, wenn das Gericht zu der richtigen Dingzeit – für das Vogt49 gericht in Duderstadt war es, wie in vier Urkunden bezeugt ist, der Mittwoch – tagte, die Urteile und Beurkundungen Rechtskraft erlangten. Der Turnus, in dem 50 das Gericht abgehalten wurde, betrug sechs Wochen . Der Ort, an dem das Vogtgericht stattfand, wird in einer Aufzeichnung, die Jaeger zeitlich in den Jahren 1420 bis 1430 ansiedelt, mit den Worten „vor dem koufhus zu Duderstat“ beschrieben, was so viel bedeutet wie „vor dem Rathaus“, da zu der damaligen Zeit das „Kaufhaus“ in das Rathaus integriert war. In diesem Text wird an anderer Stelle jedoch 51 auch das Rathaus als Gerichtsort angegeben: „uf daz rodhus zu gerichte“ . In spä52 terer Zeit fanden die Gerichtssitzungen wohl immer im Rathaus statt . Das Vogtgericht war ein Schöffengericht, dessen Beisitzer die Ratsherren waren. Ferner gehörten zum Vogtgericht Ende des 14. und während des 15. Jahrhunderts Zeugen. Diese finden in allen vier Urkunden Erwähnung. Die Gerichtsdiener sind 53 seit 1436 gesondert aufgeführt . Zum Ende des 15. Jahrhunderts waren bei den Gerichtsverhandlungen zwei bis drei Schöffen, ein bis zwei Gerichtsdiener und zwei

44 45 46 47 48 49 50 51 52

53

Vgl. Wintzingeroda-Knorr, Levin Freiherr von, Die Wüstungen des Eichsfeldes, Duderstadt 1995, Reprint der Ausgabe Halle 1903, S. 882. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 185. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 461. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 461. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 198, Nr. 482 und Nr. 484. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 198, Nr. 286, Nr. 482 und Nr. 484; Lerch, Gerichtsbarkeit, 1953, S. 17. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 6, § 12. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 331. Vgl. auch Hussong, Verfassung, 1989, S. 15. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 332; vgl. auch Hussong, Verfassung, 1989, S. 15. Jaeger hingegen vertritt in seinem Aufsatz die Auffassung, dass das Stadtgericht im Rathaus und nur bei wichtigen Fällen vor dem Rathaus getagt habe. Vgl. Jaeger, Julius, Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Duderstadt. In: Unser Eichsfeld. Zeitschrift des Vereins für Eichsfeldische Heimatkunde Jg. 2/1907, Teil 1: S. 129–135 und Teil 2: S. 166–175; Jg. 3/1908, Teil 3: S. 18–30; Teil 4: S. 117–127 und Teil 5: S. 166–174; Jg. 4/1909, Teil 6: S. 97–107 und Teil 7: S. 152–163; Jg. 5/1910, Teil 8: S. 99–105 und Teil 9: S. 119–123; Jg. 7/1912, Teil 10: S. 169–174. Hier Teil 2, 1907, S. 170. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 286.

Gerichte in und vor Duderstadt und auf dem Rusteberg

31

54

bis vier Zeugen anwesend . Inwieweit die Schöffen in den Urkunden von 1393 und 55 1436 unter den Zeugen aufgeführt wurden, lässt sich nicht mehr nachprüfen . 56 Schon 1358 wurden die „scheffin“ als Beisitzer des Schultheißengerichtes erwähnt, und nach Wolf hatte der Vogt in älteren Zeiten, wenn er Gericht hielt, „eini57 ge Ratsmitglieder als Beisitzer und Schöffen hinzugezogen“ . Die Annahme, dass Ratsmitglieder als Schöffen über den gesamten Zeitraum bis zum Ende des 15. Jahrhunderts und darüber hinaus bei den Gerichtssitzungen anwesend waren, 58 wird auch durch die Erwähnung „der rat odir die scheffin“ in einer Urkunde von 1398 gestützt. Der Eid, den ein Vogt bei Amtsantritt schwören musste, enthält einen Hinweis auf seine Funktion in der Stadt: „[...] dat ich wil in dem ammechte, dat my bevolen is, eyn recht, glich richter syn, deme armen also deme riken, unde laten dat dorch leyf noch dorch leyt, noch dorch torn noch dorch hait, noch dor[ch] gyft nocht fruchte, und dat ich wil recht sterken unde unrecht krenken unde holden eyne 59 rechte sangwitticheit“ . Demnach war seine Funktion auf das Amt des Richters am Stadtgericht beschränkt. Aus der Einsetzungsurkunde Burchards von Entzenberg 60 geht hervor, dass der Vogt außerdem noch das Recht besaß, Geleit zu geben . In den Statuten der Stadt Duderstadt steht geschrieben: „Welker unser borgere eyn den andern schuldigen wil umme wertlike sake, dii schal on schuldigen bynnen der stad vor unses hern gerichte unde nicht darenbuten to keynem lantdinge eddir 61 keynerhande gerichte“ . In den Kompetenzbereich des Vogtgerichtes fielen folglich die „wertlike sake“, also die weltlichen Angelegenheiten der Bürger und Einwohner Duderstadts. Für die geistlichen Angelegenheiten und Personen waren die geistlichen Gerichte zuständig. Damit wurde dem Vogtgericht die Zuständigkeit für die geistliche Gerichtsbarkeit von vornherein abgesprochen. Dass das Vogtgericht oder der Rat dennoch Fälle verhandeln durften, in denen der Kläger ein Geistlicher war, der Beklagte aber ein Bürger oder Einwohner Duderstadts, wurde in einem anderen Paragraphen der Statuten festgelegt. Hier heißt es: „Welk borger edir medewoner vor dem rade edir vor dem gerichte to schickende heft, die enschal neyne geistlike

54 55 56 57 58 59

60 61

Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 482 und 484. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 198 und Nr. 288. 1393 wurden 14 Zeugen genannt und 1436 waren es neun Zeugen. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 102. Wolf, Johann, Geschichte und Beschreibung der Stadt Duderstadt, Bd. 1, Göttingen 1803, S. 297. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 102. Jaeger, UB Dud., 1885, S. 465. Die Eidesformel wurde gegen Ende des 15. Jahrhunderts in das Stadtbuch eingetragen. Über die Bedeutung des Eides in der Frühen Neuzeit: Holenstein, André, Seelenheil und Untertanenpflicht. Zur gesellschaftlichen Funktion und theoretischen Begründung des Eides in der ständischen Gesellschaft. In: Der Fluch und der Eid (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 15), Berlin 1993, S. 11–63. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, S. 465. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 3.

32

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

lude in syne achte bydden, ot sie denne, dat hey von geistliken luden werde angec62 laget“ . Die Zuständigkeit des Vogtgerichts erstreckte sich auch auf Fälle der Hochgerichtsbarkeit. Dies ist anhand einer Urkunde vom 10. November 1484 über den Fall Heinrich Belstedts, eines Diebes, belegbar. Belstedt wurde von dem Vogtgericht 63 zum Tod am Galgen verurteilt . Ein weiterer entscheidender Hinweis darauf, dass das Vogtgericht auch die Hoch- bzw. Halsgerichtsbarkeit innehatte, findet sich in einem Paragraphen der Statuten, in dem die Vorgänge bei Gericht geregelt werden. Dort heißt es: „Komed eyn clage vor gerichte umme ungerichte, dat da geit an den 64 hals edir an die hant [...]“ . Ferner war es die Aufgabe des Vogtes, die Beglaubigung von Akten freiwilliger Gerichtsbarkeit, nämlich von Urteilen, Besitzübertragungen und Versprechen vorzunehmen. So bezeugte er in einer Angelegenheit, die vor dem Rat behandelt und abgeurteilt worden war, die Vorgänge und das Urteil, nachdem alle Einzelhei65 ten noch einmal vor ihm dargelegt worden waren . Ein weiteres Beispiel für die 66 Beglaubigungsfunktion des Vogtes ist eine Besitzübertragung aus dem Jahr 1393 . Alle Urkunden und Urteile, die im Namen des Vogtes ausgestellt worden sind, wur67 den mit seinem eigenen Siegel beglaubigt . 2.2.2 Der Duderstädter Rat Der Duderstädter Rat bestand aus 24 Mitgliedern: Zwölf bildeten den amtierenden Rat und die anderen zwölf den alten Rat. An der Spitze des Rates stand der Bürgermeister. Alljährlich am Sonntag nach Michaelis versammelten sich der amtierende Rat und der Schultheiß, um einen neuen Rat und einen neuen Bürgermeister 68 zu wählen . In der Praxis verhielt es sich so, dass der amtierende Rat im jährlichen Wechsel jeweils die Mitglieder des alten Rates wählte. Die Ratsmitgliedschaft wurde aufgrund dieser Praxis auf Lebenszeit erworben. Verstorbene Ratsmitglieder wurden durch Kooptation ersetzt. Der Rat war also kein demokratisch gewähltes und legitimiertes Repräsentativorgan, sondern eine Interessenvertretung des Patrizi69 ats . Die Hauptaufgabe des Rates war die Verwaltung der Stadt: Darunter fielen die Durchführung von Baumaßnahmen, die Festsetzung von Preisen für Lebensmittel, das Erlassen von neuen Statuten, die Finanzverwaltung und die Pflege der Beziehungen Duderstadts zu anderen Städten. Dem Rat kam auch die Einsetzung von 62 63 64 65 66 67 68 69

Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 121. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 484. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 128. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 482. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 198. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 484. Zum genauen Ablauf der Ratswahl vgl. Hussong, Verfassung, 1989, S. 24–25 und Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 2, 1907, S. 166–169. Vgl. Hussong, Verfassung, 1989, S. 13.

Gerichte in und vor Duderstadt und auf dem Rusteberg

33

Stadtbediensteten zu. Dementsprechend wurde 1499 von dem alten und von dem neuen Rat gemeinsam der Beschluss gefasst, dass ein Scharfrichter eingestellt werden sollte, der, wie das zu dieser Zeit üblich war, gleichzeitig die Abdeckerei 70 übernehmen musste . Schon um 1279 bekam Duderstadt eine veränderte Version des Braunschweiger Stadtrechts verliehen. In Paragraph 46 des Stadtrechtes wurde festgelegt, dass „Umbe welekerhande sake de voghit nicht richten newel, so sal di rat und de borgere tosamene kommen und de des ratis wort spricht, de sal sitten to richte, und dat sal stade sin also die voghit richte. Swat dar vorborit wirt, dat sal uns ghelike also de 71 voghit dar sete“ . Dadurch wurde dem Vogt schon zu dieser Zeit erlaubt, sich bei Gericht vom Rat vertreten zu lassen. Ob der Vogt sich hauptsächlich bei Verhandlungen, in denen geringfügige Vergehen oder auch bei solchen, in denen schwerwiegende Angelegenheiten behandelt wurden, vertreten ließ, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Dieser Paragraph war die Grundlage, auf der sich ein städtisches 72 Ratsgericht herausbilden konnte . Von daher ist neben dem kurfürstlichen Stadtgericht immer auch die Gerichtsbarkeit des Rates zu nennen. Das Ratsgericht tagte unter dem Vorsitz des Bürgermeisters. Die Zuständigkeit erstreckte sich auf die „Policeyangelegenheiten“, die in etwa den heutigen Ordnungswidrigkeiten entsprachen, und auf die Dinge des städtischen Lebens. Sie wurde im Laufe der Zeit auf Kriminalfälle ausgedehnt, so dass aus heutiger Sicht die Kompetenzen des Rates und des Vogtes hinsichtlich der Gerichtsbarkeit nicht mehr eindeutig voneinander abgrenzbar sind. In juristischen Zweifelsfällen wandte sich der Duderstädter Rat noch bis zum Ende des 15. Jahrhunderts an den Braunschweiger Rat, der als Oberhof fungierte, und bat diesen um Rechtsbeistand73. Über besonders wichtige Angelegenheiten beriet der neue zusammen mit dem 74 alten Rat. Auch hatten beide Räte gemeinsam die Gesetzgebungskompetenz inne . Einige Statuten waren aufgrund von Missständen erlassen oder verschärft worden. 75 Häufig wurden die Gildemeister und die Betroffenen zu den Beratungen über einen neuen Paragraphen der Statuten hinzugezogen. Insbesondere in der Mitte des 15. Jahrhunderts, als sich Duderstadt in einer finanziell schlechten Situation befand, sind die Gildemeister an allen nachweislich in diesem Zeitraum erlassenen Paragraphen beteiligt gewesen. Aber auch die Mitglieder einer Gilde konnten Ge76 setzesinitiativen einbringen . So sind „dey rede olt und nyge myt den knokenhou77 weren [...] overkomen“ , dass das fehlerhafte Fleisch an einer ganz bestimmten 70 71 72 73 74 75 76 77

Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 320. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 6, § 46. Vgl. Hussong, Verfassung, 1989, S. 10. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 214, Nr. 215, Nr. 276 und Nr. 444. Vgl. Hussong, Verfassung, 1989, S. 15. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 21, § 24, § 103 und § 150. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 77 und § 281. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 311.

34

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

Stelle in der Stadt verkauft werden sollte. Hinter dieser kooperativ wirkenden Rechtssetzungspraxis des Rates stand in erster Linie die Absicht, durch die Gesetze das Gemeinwohl zu fördern und den Frieden in der Stadt zu bewahren. Es wird deutlich, dass die Möglichkeit bestand, die Stadtstatuten auf die bestehenden und sich verändernden Verhältnisse abzustimmen. Der Duderstädter Rat war auch auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit 78 tätig . In diesem Bereich bestand eine konkurrierende Gerichtsbarkeit zwischen dem Rat und dem Vogt. Beide Instanzen konnten unter anderem Verträge über Grundstücksangelegenheiten sowie Häuserankäufe oder -verkäufe beurkunden, 79 Vormundschafts- und Nachlassangelegenheiten regeln sowie Streitigkeiten zwischen den Bürgern schlichten. Bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts konnte der Rat seine Position in diesem Bereich immer weiter ausbauen und den Vogt, wie Wolf 80 schreibt, mehr und mehr zurückdrängen . Ein Hinweis darauf ist in den Statuten enthalten: Bei einem Vergleich der ersten Redaktion von 1434 mit der zweiten um 1478 kann festgestellt werden, dass bei dem Paragraphen über die Streitigkeiten um Geldangelegenheiten, für die zunächst nur das Vogtgericht zuständig war, von späterer Hand die Bemerkung „ader rade“ hinzugefügt worden war. Diese Streitig81 keiten konnten daher später auch vor dem Rat ausgetragen werden . Der Rat hatte im Laufe der Zeit noch weitreichendere Kompetenzen auf dem Gebiet der Gerichtsbarkeit erworben. Dem „Extractus“, einem Entscheid des Kurfürsten Alb82 rechts von Brandenburg aus dem Jahr 1533 , ist zu entnehmen, dass der Rat nicht geneigt war, seine errungenen Kompetenzen wieder abzutreten. Wie der „Extractus“ beweist, war es deshalb schwierig, die Albertinische Ordnung, die Kurfürst Albrecht von Brandenburg 1526 erlassen hatte, gegen das herkömmliche Recht durchzusetzen. Abschließend ist festzuhalten, dass die Kompetenzen des Vogtgerichts im Laufe des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts vom Rat mehr und mehr eingeengt 83 wurden. Der Rat hatte zum Teil die Halsgerichtsbarkeit an sich gezogen . Dennoch 84 konnte die Mitwirkung des Vogtes nie ganz beseitigt werden , wie unter anderem durch die Urkunden von 1483 und 1484 dokumentiert wird. Der Rat konnte seine Gerichtskompetenzen aufgrund des Kaufs von oder der Belehnung mit 16 Dörfern (Gerblingerode, Tiftlingerode, Immingerode, Nesselröden, Seulingen, Germershausen, Desingerode, Werxhausen, Esplingerode, Westerode, Mingerode, Hilkero85 de, Langenhagen, Breitenberg, Fuhrbach und Brochthausen ) erweitern, da er 78 79 80 81 82 83 84 85

Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 503, Nr. 504, Nr. 510, Nr. 511, Nr. 515 und Nr. 519. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 11: Die Bestimmung über den Verkauf von Erbgut. Vgl. Wolf, Duderstadt, Bd. 1., 1803, S. 297 und Hussong, Verfassung, 1989, S. 15. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 111. Vgl. „Extractus aus denen von seiner churfürstlichen gnaden Alberto anno 1533 ahn hießigen rath ergangenen dicisionen“, StadtA. Dud., AB 3833 (im Folgenden zitiert als „Extractus“, 1533). Vgl. Jaeger, Bilder, Bd. 1, 1921, S. 36. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 2, 1907, S. 170. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 17 recto bis 27 verso.

Gerichte in und vor Duderstadt und auf dem Rusteberg

35

86

gleichzeitig die Vogteirechte für diese Dörfer erwarb. Damit geriet er in Konkur87 renz zum kurfürstlichen Landgericht am Westertor . Infolgedessen kam es im Laufe des 15. Jahrhunderts zu Beschwerden über die Duderstädter Ratsherren, weil diese sich „vermaissen [...] auch gerichte und gerichtes hulfe zu Breitenberg, Hilkerode, Werkshusen, da doch myn gnediger herre von Menntz das halßgerichte uber 88 hait, [...]“ zu halten. Der Rat hatte demnach versucht, die niedere Gerichtsbarkeit über die Dörfer Breitenberg, Hilkerode und Werxhausen, die ihm rechtmäßig zustand, auf die hohe auszuweiten. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Rat bis in die letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts „die städtische Justizpflege in der Hauptsache alleine innegehabt“ 89 hat . Erst im 16. Jahrhundert griff Albrecht von Brandenburg mit mehreren Verordnungen in die Stadtverfassung von Duderstadt ein, stärkte die Position des kurfürstlichen Beamten in der Stadt und beschnitt die Kompetenzen des Rates. Diese grundlegenden Veränderungen führten zu Streitigkeiten zwischen dem Rat und dem Schultheißen. 2.2.3 Das Landgericht am Westertor Das kurfürstliche Landgericht wurde unter den Linden vor dem Westertor jenseits 90 der Duderstädter Stadtmauern abgehalten . Der zuständige Richter am Landgericht wurde vom Mainzer Erzbischof oder vom Amtmann vom Rusteberg einge91 setzt . Der Landrichter besaß die Hochgerichtsbarkeit über die Bewohner des 92 Umlandes, zu dem auch die 16 zu Duderstadt gehörigen Dörfer zählten . Nach einem Privileg des Königs Wenzel aus dem Jahr 1385 sollten vor diesem Gericht 93 außerdem Fälle behandelt werden, die den Landfrieden betrafen . In diesem Privileg bestimmte der König weiterhin, dass in dem Fall, in dem mehr als sechs Bürger oder Einwohner aus Duderstadt vor den Landrichter geladen wurden, sich zwei Ratsherrn sowie vier oder fünf ehrbare Bürger als Vertreter vor Gericht verantworten sollten. Ratsherren, Bürger und Beschuldigte sollten über die Anklagepunkte aufgeklärt werden, wie „das in dem lantfride begriffen und wol billichen und recht 94 ist“ .

86 87 88 89 90 91 92 93 94

Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 133 (Werxhausen), Nr. 195 (Hilkerode), Nr. 273 (Brochthausen). Vgl. Hussong, Verfassung, 1989, S. 15. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 332. Vgl. auch Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 331. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 2, 1907, S. 170. Vgl. Schmidt, Aloys, Urkundenbuch des Eichsfeldes, Teil 1 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, Neue Reihe, Bd. 13), Magdeburg 1933, Nr. 660. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 185 und Nr. 502. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 332 und Hussong, Verfassung, 1989, S. 15. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 181 und Hussong, Verfassung, 1989, S. 14–15. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 181.

36

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

2.2.4 Der Oberamtmann vom Rusteberg Die Mainzer Kurfürsten konnten aufgrund des Mitspracherechts, welches das Mainzer Domkapitel seit 1337 besaß, die Oberamtmänner nicht mehr nach eigenem 95 Gutdünken einsetzen oder ihres Amtes entheben . Die meisten Oberamtleute im Erzstift stammten aus den Familien der rheinischen und fränkischen Reichsritterschaft. Es ist nur auf die verfassungsrechtliche Sonderstellung des Eichsfeldes zurückzuführen, dass bis 1540, solange der Oberamtmann auf dem Rusteberg 96 ansässig war, die Mehrheit der Oberamtleute aus dem Eichsfelder Adel stammte . Der Oberamtmann vom Rusteberg war der oberste Verwaltungsbeamte des Eichsfeldes sowie die Mittelinstanz zwischen dem Kurfürsten und den Lokalverwal97 tungen. Dieses Oberamt war mit dem Amt des Provisors in Erfurt verbunden . Dennoch war es die Pflicht des Amtmannes, beständig auf dem Rusteberg zu woh98 nen . Die Berufungsinstanz für alle Untergerichte im Eichsfeld war das Gericht des 99 Oberamtmannes vom Rusteberg . Zu seinen Aufgaben gehörte es, dreimal im Jahr an jedem Landgericht Gericht 100 zu halten , so auch am Westergericht vor Duderstadt. Kam der Erzbischof ins Eichsfeld, übernahm dieser selbst anstelle des Oberamtmannes den Vorsitz des 101 Gerichtes . Hielt der Oberamtmann eine Gerichtssitzung ab, wurden die Vögte der umliegenden Gerichte als Beisitzer hinzugezogen. Laut der Urkunde von 1545 fungierten Hans von Grone, der Vogt von Gieboldehausen, und Heinrich Rapkol, der Vogt von Duderstadt, als Beisitzer des Oberamt102 mannes Günther von Uslar am Gericht in Bernshausen , einem Landgericht im Eichsfeld. Der Oberamtmann hatte außerdem die Kompetenz, die unteren Beamten in seinem Herrschaftsbereich einzusetzen. Wolf vertritt die Meinung, der Oberamtmann dürfe in Abwesenheit des Kurfürsten die unteren Beamten, wie zum 103 Beispiel Schultheißen, Vögte, Münzer und Zöllner einsetzen . Hartmann unterstützt diese Auffassung, indem er schreibt, „als oberstem Vertreter des Kurfürsten in der Zivilverwaltung oblag ihm [dem Oberamtmann vom Rusteberg] die Einset104 zung des Schultheißen und die Beaufsichtigung der übrigen Amtsleute“ . Darüber 95

96 97 98 99 100 101 102 103 104

Vgl. Becker von Sothen, Hans, Die mainzische Regierung des Eichsfeldes von den Anfängen bis 1802. Ein Beitrag zur Rechts- und Verwaltungsgeschichte des Eichsfeldes. In: Eichsfeld Jahrbuch Jg. 2, 1994, S. 5–77, hier S. 38. Vgl. Becker von Sothen, Regierung, 1994, S. 40. Vgl. Becker von Sothen, Regierung, 1994, S. 42. Vgl. Wolf, Johann, Politische Geschichte des Eichsfeldes, Göttingen 1993, Reprint der Ausgabe Göttingen 1793, Bd. 1, S. 98 und Bd. 2, S. 85 und Schmidt, UB Eichs., 1933, Nr. 356. Vgl. Lerch, Gerichtsbarkeit, 1953, S. 18. Vgl. Schmidt, UB Eichs., 1933, Nr. 356. Vgl. Wolf, Politische Geschichte, Bd. 2, 1993, S. 85 und S. 129–130. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 330. Vgl. Wolf, Politische Geschichte, Bd. 2, 1993, S. 85. Hartmann, Josef, Die kurmainzischen Ämter des mittleren und oberen Eichsfeldes. Untersuchungen zur Verwaltung, Bevölkerungsentwicklung und Sozialstruktur eines geistlichen Fürstentums, Magdeburg 1961, S. 50; vgl. auch Vigener, Regesten, Bd. 2, 1913, Nr. 1895.

Reformen Albrechts von Brandenburg und ihre Rezeption

37

hinaus war er oberster militärischer Befehlshaber im Eichsfeld und als Diplomat für 105 den Abschluss von Sühne-, Bündnis- und Landfriedensverträgen zuständig . Das Oberamt auf dem Rusteberg bestand bis 1540 und wurde dann aufgrund der von Albrecht von Brandenburg erlassenen Landgerichtsordnung nach Heiligenstadt verlegt, wo eine zentrale Verwaltungs- und Justizbehörde für das gesamte Eichsfeld eingerichtet wurde.

2.3 Reformen Albrechts von Brandenburg und ihre Rezeption Im Zuge des Verwaltungsausbaus des Kurfürstentums Mainz und der dort insbesondere von Kurfürst Albrecht von Brandenburg durchgesetzten Reformen des Gerichtswesens wandelte sich auch das Bild der Ratsverfassung und des Gerichts106 wesens in Duderstadt. Mit seiner ersten Verordnung für Duderstadt von 1515 , die fünf Artikel umfasste, griff Albrecht von Brandenburg erstmals tief in die vorher beschriebenen Verhältnisse ein. Als Grund für diesen Erlass führte er die Streitigkeiten zwischen dem Rat und den Gilden in Duderstadt an, über die er unterrichtet worden war. In dem ersten Artikel wurden der Schultheiß – ein Amt, das sich aus dem des 107 Vogtes entwickelt hatte –, der Bürgermeister und der Rat aufgefordert, eine unparteiische und zügige Rechtsprechung auszuüben. Grundsätzlich sollten die Gildemitglieder und die Bürger dem Schultheißen, dem Bürgermeister und dem Rat den ihnen gebührenden Respekt entgegenbringen. Sollten die Gilden Grund zu einer Beschwerde haben, so sei diese bei dem Amtmann vom Rusteberg vorzubringen, an dessen Urteil sie sich halten sollten. Könne der Amtmann vom Rusteberg die Streitigkeiten nicht schlichten, dann sollten sich die Duderstädter Gilden an den Kurfürsten wenden. Gegen den Rat sollten sie aber keinerlei Empörung in Worten oder Werken vorbringen. Weiterhin verordnete der Kurfürst, dass die Ratsherren aus dem Kreise der Gilden zur Verschwiegenheit über die Inhalte der Ratssitzungen verpflichtet seien. In dem dritten Artikel bestimmte der Kurfürst, dass der Stadtschultheiß, „so er als ein Schultheiß von Amptswegen mit dem Rat handelt, oben an sitzen und die erst Stat haben“108 sowie das Bürgerrecht mit Rechten und Pflichten 109 genießen und sie „one Intrag und Verhinderung [...] brauchen sol“ . Schon Wolf 110 äußerte in diesem Zusammenhang die Vermutung , dass der Duderstädter Rat versucht hatte, dem Vogt, in dessen Tätigkeitsbereich er im Laufe der Zeit immer 105 Vgl. Falk, Hans, Die Mainzer Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde bis zum Ende des 14. Jahrhunderts (Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte, Reihe 1, Bd. 2), Marburg 1930, S. 24. 106 Vgl. Wolf, Duderstadt, Bd. 2, 1803, S. 152–153 und S. 114–116. 107 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 102 und Hussong, Verfassung, 1989, S. 15. 108 Wolf, Duderstadt, Bd. 2, 1803, S. 115. 109 Wolf, Duderstadt, Bd. 2, 1803, S. 115. 110 Vgl. Wolf, Duderstadt, Bd. 1, 1803, S. 298.

38

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

weiter eingedrungen war, das Bürgerrecht abzusprechen oder zumindest seine bürgerlichen Rechte zu beschneiden. Die Absicht des Kurfürsten war es jedoch schon zu diesem Zeitpunkt, die Position des kurfürstlichen Beamten zu stärken. Dies gewann im Zusammenhang mit den direkten Strafmaßnahmen infolge des Bauernkrieges und der Albertinischen Ordnung von 1526 an Bedeutung. Im vierten Artikel der Verordnung wurde das Statut über den Totschlag aufgehoben. Der Kurfürst legte fest, dass die Täter von nun an nach der Reichsordnung bestraft werden sollten. Der fünfte und letzte Artikel verbot den Gilden und den Bürgern, sich ohne Erlaubnis des Bürgermeisters und des Rates zu versammeln. Würde den Gilden oder den Bürgern von Seiten des Bürgermeisters oder des Rates der Wunsch, sich zu versammeln, abgeschlagen, obwohl sie einen triftigen Grund für die Versammlung vorbringen könnten, dann sollten sie sich an den Amtmann vom Rusteberg wenden. Dieser könne die Versammlung gestatten, wenn ihm der Grund plausibel erscheine. Hinter dieser Verordnung stand zunächst die Intention, in Duderstadt wieder Ruhe und Ordnung einkehren zu lassen und die verschiedenen Gruppen in der Stadt in ihre Schranken zu weisen. Im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte es Streitigkeiten zwischen dem Rat und den Gilden gegeben, die sich hauptsächlich an der Erhöhung des Schosses (der städtischen Steuer), der Kontrolle über die Finanzverwaltung und dem Anspruch der Gilden hinsichtlich der Anteilnahme an der politischen Macht entzündet hatten111. Weiterhin stärkte der Kurfürst, indem er dem Schultheißen bei gemeinsamen Amtshandlungen mit dem Rat den Vorsitz einräumte, die Stellung des Schultheißen und beschnitt die Macht des Rates. Andererseits festigte und bestätigte er die Position des Rates gegenüber den Gilden und der Bürgerschaft, indem er den Gilden und der Bürgerschaft gebot, dem Bürgermeister und dem Rat die nötige und gebührende Ehrerbietung entgegenzubringen. In die gleiche Richtung zielte die Forderung des Kurfürsten, dass die Ratsmänner aus dem Kreis der Gilden Verschwiegenheit über die Erörterungen in den Ratssitzungen zu bewahren hätten. Auch das Verbot, sich ohne Zustimmung des Rates zu versammeln, das der Kurfürst für die Gilden und die Bürgerschaft festschrieb, stärkte die Stellung des Rates und schwächte im Gegenzug die Position der Gilden und der Bürgerschaft gegenüber dem Rat. Hinter diesem Paragraphen stand vermutlich die Befürchtung des Kurfürsten, dass auf Versammlungen ein Konsens gefunden werden könnte, der seinen oder den Ratsinteressen entgegenstand. Vor dem Hintergrund, dass die Gilden sich im 15. Jahrhundert immer wieder gegen den Rat aufgelehnt und Unruhe in der Stadt gestiftet hatten, ist das Versammlungsverbot als Gegenmaßnahme zu werten. Demnach war zumindest der Bürgerschaft jede Form der Eigeninitiative verwehrt und die der Gilden stark eingeschränkt. Der Stadtschultheiß, der Bürgermeister und der Rat sollten die Rechtsprechung zügig und auf gerechte Art und Weise vornehmen, nämlich so, dass einem „iglichen 111 Vgl. Wolf, Duderstadt, Bd. 1, 1803, S. 151.

Reformen Albrechts von Brandenburg und ihre Rezeption

39

auff sein Ansuchen und Bit furderlich und ungeweigert recht ergeen lassen, auch unsern Burgern in iren anligend Notturfften und Beschwerungen gutwillige verhöre geben und darin ires besten verstentnus und Vermögens in solichem Irem Anbringen als die vorsteer, regirer und Fursteher unserer Statt Duderstat und der Gemein darin Hilff rate und Bystand thun, dem Armen als dem Reichen und herin keinen 112 vor dem andern ansehen oder vortheyln, [...]“ . Nicht nur die Position des kurfürstlichen Stadtschultheißen sollte gefestigt und verbessert werden, sondern auch die des Amtmannes vom Rusteberg. Ihm wurde in dieser Verordnung die Position einer übergeordneten Instanz über die Stadt bestätigt, die bei Streitigkeiten, die innerhalb der Stadt nicht geschlichtet werden konnten, angerufen werden konnte und ordnend eingreifen sollte. Mit dem vierten Artikel setzte der Kurfürst das Statut bezüglich des Totschlags außer Kraft. Der Tot113 schlag sollte fortan nach „des Reichs Ordnung und gemeinen Gebrauch“ geahndet werden. Damit wollte der Kurfürst ausschließen, dass ein flüchtiger Täter, der sein Stadtrecht eigentlich für immer verwirkt hatte, „widerumb herinn gelassen werden, unangesehen des alten Brauchs in diesem Falle bishere gehalten, denen wir 114 als unpillig und unvernünftig“ ansehen. Denn der Kurfürst hielt es für gefährlich 115 bzw. „unvernunftig“ für das Gemeinwesen, wenn jemand in Duderstadt wohnte, der schon einmal einen Totschlag begangen hatte. Darüber, inwieweit diese Verordnungen eingehalten wurden oder nicht, liegt kein Zeugnis vor. Sicher ist lediglich, dass sich der Kurfürst Albrecht von Brandenburg 1521 aufgrund von weiteren Beschwerden der Gilden gegen den Rat veranlasst sah, Kommissare nach Duderstadt zu schicken, um einen Ausgleich zwischen den beiden Parteien auszuhandeln. Erstmals wurde dem Rat untersagt, übermäßige Zehrungen (üppige Festessen) abzuhalten, damit mehr Geld für den gemeinen Nutzen und den Ausbau der Stadt, insbesondere für die Stadtbefestigung, zur Verfügung stehe. Die Gilden blieben weiterhin von den Geschäften der Stadtverwaltung ausgeschlossen. Die Entsendung der Kommission zur Schlichtung des Streits in Duderstadt dokumentiert ein eindeutiges Interesse des Kurfüsten an den Duderstädter Verhältnissen und an der Erhaltung seiner Macht über die Stadt. Die Verordnung von Albrecht II. aus dem Jahr 1515, insbesondere der dritte Artikel, lässt bereits seine Absicht erkennen, durch den kurfürstlichen Beamten in Duderstadt, den Schultheißen, mehr Kontrolle über die Stadtverwaltung zu erlangen. Im Rahmen der direkten Strafmaßnahmen, denen die Duderstädter aufgrund ihrer Verwicklungen in den Bauernkrieg 1525 unterworfen wurden, ordnete der vom Kurfürsten mit den Maßnahmen betraute und instruierte Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel an, dass der Stadtschultheiß zu allen Ratssitzungen

112 113 114 115

Wolf, Duderstadt, Bd. 2, 1803, S. 114. Wolf, Duderstadt, Bd. 2, 1803, S. 115–116. Wolf, Duderstadt, Bd. 2, 1803, S. 116. Wolf, Duderstadt, Bd. 2, 1803, S. 116.

40

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550 116

zugelassen werden sollte . Dies ist als ein Vorgriff auf die im folgenden Jahr erlassene Albertinische Ordnung zu werten und als ein Zeichen für das konsequente und planvolle Vorgehen Albrechts von Brandenburg in Bezug auf die Vereinheitlichung der Verwaltung in seinem Herrschaftsgebiet zu verstehen. Die Bestimmung, dass der Stadtschultheiß an allen Ratssitzungen teilnehmen sollte, wurde auch nach dem Gnadengesuch der Duderstädter beim Kurfürsten beibehalten. Ein weiterer Bestandteil der Ordnung wurde abgemildert. Die fünf Kespeldörfer, Desingerode, Esplingerode, Germershausen, Seulingen und Werxhausen, sollten Duderstadt weiterhin Dienste und Abgaben leisten. Die Gerichtsbarkeit über diese Dörfer blieb aber, wie ursprünglich bei den Strafmaßnahmen vorgesehen, bei dem Amt Gieboldehausen117. Auf die Ereignisse des Bauernkrieges soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, da sie für die Verwaltungsgeschichte bis auf die beiden genannten Bestimmungen nur von marginaler Bedeutung waren. Die Albertinische Ordnung für Duderstadt von 1526, in der unter anderem dem Stadtschultheißen noch weitreichendere Befugnisse eingeräumt wurden als in der Verordnung von 1515 und dem Erlass von 1525, ist im Zusammenhang mit der verstärkten Stadtverordnungstätigkeit Albrechts II. in den Jahren 1526 bis 1532 zu sehen. In diesem Zeitraum hat dieser Kurfürst an die zwanzig Stadtverordnungen nach ungefähr dem gleichen Muster ausgestellt. „Lediglich die Ordnungen von Duderstadt und Heiligenstadt weichen, bedingt durch die besonderen Verhältnisse des Eichsfeldes, von dem ansonsten befolgten Schema ab, zielen aber in die gleiche Richtung.“118 Albrecht II. verwies bei der Mehrzahl dieser Verordnungen auf den Bauernkrieg. In der von Duderstadt heißt es: „Als sich des negstvergangenen sommers in unserem lande des Eichsfeldes und sonderlich in unser stadt Duderstadt von den untertanen daselbst auffruhr und emperung erhoben, daraus uns, jetzgemeldter landschaft, auch unser stadt Duderstadt merklicher nachteil und schaden 119 erwachsen ist [...].“ Der Kurfürst benutzte die Verwicklung der Städte seines Herrschaftsgebietes in den Bauernkrieg lediglich als Vorwand, um daraus für sich die Rechtfertigung, die alten Rechte und Freiheiten der Duderstädter und der anderen Städte aufzuheben und die lokalen Verwaltungen neu und einheitlich zu gestalten, abzuleiten. Die Städte konnten nach Ansicht des Kurfürsten und seiner Ratgeber dankbar sein, wenn sie überhaupt einen Teil ihrer herkömmlichen Rechte zu120 rückerhielten . Dabei stand hinter der Reform der Stadtrechte und der Neuregelung des Verhältnisses zwischen dem Landesherrn und den Städten eine von Albrecht konsequent verfolgte Politik der Vereinheitlichung der herrschaftlichen und administrativen Verhältnisse, mit der er schon 1522 durch die Schaffung 116 117 118 119

Vgl. Hussong, Verfassung, 1989, S. 21. Vgl. Hussong, Verfassung, 1989, S. 21. Christ, Albrecht von Brandenburg, 1991, S. 235. Jaeger, Julius (Hg.), Duderstadt oder Tractatus von der Stadt Duderstadt. Ursprung, Privilegien, Rechten und Gerechtigkeiten autore Johannes Barckefeld 1683, Duderstadt 1920, S. 122. 120 Vgl. Goldschmidt, Zentralbehörden, 1908, S. 12.

Reformen Albrechts von Brandenburg und ihre Rezeption

41

einer neuen Verwaltungsbehörde, eines beständigen Rats in Mainz, begonnen hat121 te . Albrecht setzte diese Reformen in der Administration durch, weil er sich dadurch einen besseren Zugriff auf die lokalen Verwaltungen sowie höhere Einnah122 men und damit eine Verbesserung seiner schlechten Finanzlage versprach . Ferner sollte eine Vereinheitlichung der Verwaltung einen besseren Zusammenhalt der weit voneinander entfernt liegenden Teile seines Herrschaftsgebietes gewährleisten. Bei näherer Betrachtung ist zu erkennen, dass in der Albertinischen Ordnung für Duderstadt vom 14. Mai 1526 die Bestimmungen aus den Verordnungen von 1515 – mit Ausnahme derjenigen über die Verfahrensweise bei Totschlag –, 1521 und 1525 wiederholt und erweitert wurden. Der erste Paragraph der Albertinischen Ordnung ist im Zusammenhang mit der Stadtverwaltung besonders hervorzuheben. Darin legte Albrecht von Brandenburg fest, „[...] dass hinfuehro und zu allen Zeiten unserer Nachkommen und Stifts Schultheisen zu Duderstadt mit im Rath daselbst sitzen, und ohne sein oder in seinem Abwesen seines Befehlshabers beisein oder wissen kein Rath gehalten, auch nichts gerathschlaget oder behandelt werden solle; es solle nun auch hinfuehro alle Verschreibungen und Missive in unseres Schultheisen und Raths Namen ausgeben werden“123. Dieser Artikel ging in der Festlegung der Stellung des Schultheißen noch über den dritten Paragraphen der Verordnung von 1515 hinaus. Er räumte dem Schultheißen, dessen Funktion vorher auf das Richteramt am Stadtgericht beschränkt war, weitreichende Kompetenzen in der Stadtverwaltung ein. Der Schultheiß sollte nunmehr an der Spitze der städtischen Verwaltung stehen, also die Position übernehmen, die vorher der Bürgermeister innegehabt hatte. Da keine Ratssitzung oder Beratung ohne die Anwesenheit des Schultheißen oder seines Vertreters stattfinden sollte, hatte der Schultheiß, der Beamter des Landesherrn war, die ständige Kontrolle über alle Vorgänge und konnte sämtliche Entscheidungen, die die Stadt betrafen, im Sinne der kurfürstlichen Politik beeinflussen. Über die politische Verfassung hinaus wurde auch die Gerichtsbarkeit neu geregelt. Der Schultheiß führte von nun an den Vorsitz bei den beiden Gerichten in der Stadt124. Auch der Passus, dass „hinfuehro alle Verschrei125 bungen und Missive in unseres Schultheisen und Raths Namen ausgeben werden“ entsprach nicht den Statuten. Dort war festgelegt, dass „[...] neyn voged dii rad126 manne, die von der stad wegen bii gerichte sitten, setten in syne briefe“ . Dieses Statut bezog sich auf die Position, die der Vogt gegen Ende des 15. Jahrhunderts und am Anfang des 16. Jahrhunderts in Duderstadt innehatte, nämlich die des Richters am Stadtgericht. Deshalb wurde ihm – entsprechend seiner Kompetenzen – verboten, diejenigen Ratsherren, die bei Gericht saßen, in seinen Schreiben zu 121 Vgl. Christ, Albrecht von Brandenburg, 1991, S. 236 und Goldschmidt, Zentralbehörden, 1908, S. 8–9. 122 Vgl. Goldschmidt, Zentralbehörden, 1908, S. 9. 123 Jaeger, Chronik Barckefeldt, 1920, S. 122. Vgl. auch StadtA. Dud., AB 8086. 124 Vgl. Jaeger, Chronik Barckefeldt, 1920, S. 85. 125 Jaeger, Chronik Barckefeldt, 1920, S. 122. 126 Jaeger, UB Dud., Nr. 521, § 108.

42

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

nennen. Diese Bestimmung wurde durch die Albertinische Ordnung aufgehoben und ersetzt. Anhand dieser Ausführungen lässt sich erkennen, dass der Vogt, im 16. Jahrhundert der Schultheiß, eine erhebliche Aufwertung seiner Stellung erfahren hatte: Vom Richter im Stadtgericht wurde er zum obersten „Verwaltungsdirektor“ der Stadt. Diese Entwicklung konnte bei den Duderstädtern, insbesondere bei den Ratsherren und dem Bürgermeister, nur mit Verbitterung aufgenommen werden, da sie sich weitreichende Eingriffe in ihre Kompetenzen und ihren „Herrschaftsbereich“ gefallen lassen mussten. Im zweiten Paragraphen bestimmte Albrecht, dass der jeweils neue Rat geloben musste, dass er helfen werde, die neue Ordnung unter Anleitung des Schultheißen zu erfüllen, und dass der Rat dem Schultheißen so gut er könne mit Rat und Tat zum Besten des Kurfürsten und der Stadt beistehen sollte. Die großen Festessen, die „unnotdürfige[n] und übermeßige[n] Zehrungen“127 der Stadtdiener, der Viermänner, der Gilden, der Handwerker und der Erbschaften sollten aufgrund der Tatsache, dass „unser stadt Duderstadt in merkliche Schulden und Unrat erwach128 sen ist [...]“ eingestellt oder zumindest gemäßigt werden. Weiterhin sollten die 129 Viermänner aus dem Kreis der Gilden die Einnahmen und Ausgaben der Stadt überwachen und am Ende des Rechnungsjahres die Endabrechnung in Anwesenheit des Amtmannes vom Rusteberg oder seines Stellvertreters, des Schultheißen und beider Räte vornehmen. Dieser Paragraph wurde von dem Duderstädter Rat zumindest für die Abrechnung der Einnahmen aus den Bußgeldern von 1534 bis 130 1540 nachweislich eingehalten . Auch wurde jeder Bürger dazu verpflichtet, pünktlich seine Steuer (Schoß) zu bezahlen. Die vom Schultheißen und vom Rat dazu bestimmten Personen sollten die noch ausstehenden Forderungen anmahnen und einnehmen. Anhand dieser beiden Bestimmungen wird der finanzielle Aspekt, der unter anderem hinter dem Erlass der Albertinischen Ordnung steht, deutlich. Die Paragraphen acht und fünfzehn betrafen das Handwerk und die Gilden insofern, als die Aufhebung der Gilden als Strafmaßnahme infolge des Bauernkrieges noch andauerte und daher die Aufsicht über das Handwerk vorübergehend anders geregelt werden musste. Darüber hinaus wurde das Versammlungsverbot für das Handwerk und das Gewerbe von 1515 wiederholt. Die weiteren Bestimmungen sahen vor, dass ohne das Wissen des Schultheißen oder des Amtmannes vom Rusteberg niemand aus der Haft entlassen werden durfte und der Schultheiß alleine das Recht besaß, Geleit zu gewähren. Dieses Recht hatte dem Vogt schon im 15. Jahrhundert zugestanden131. Es handelte sich von daher bei diesem Paragraphen nur um eine Bestätigung dieses Rechtes. Ebenso wurden Para127 Jaeger, Chronik Barckefeld, 1920, S. 123. 128 Jaeger, Chronik Barckefeld, 1920, S. 123. 129 Die Viermänner wurden jedes Jahr vom Schultheißen und vom Rat dazu abgeordnet, die Abrechnungen vorzunehmen. 130 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 53 recto, 54 recto, 59 verso, 62 recto, 65 verso, 70 recto/71 verso, 73 verso/74 recto. 131 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 461.

Reformen Albrechts von Brandenburg und ihre Rezeption

43

graphen über die Aufnahme in die Bürgerschaft und die Aufforderung, einen Stadthauptmann zu bestellen, hinzugefügt. Am Schluss stand die Bestimmung, dass die Bürgerschaft den Schultheißen und den Rat in der Verwaltung und Regierung gewähren lassen sollte, und die Ermahnung, dass alle jeden einzelnen Punkt der Ordnung einhalten sollten. Inwieweit die Albertinische Ordnung in Duderstadt in ihrer Gesamtheit Akzeptanz gefunden hat und wie lange es dauerte, bis sie gänzlich durchgesetzt werden konnte, ist nicht genau nachvollziehbar. Ein weiterer „Extractus aus denen von seiner churfurstlichen gnaden Alberto anno 1533 ahn hießigen rath ergangenen dicisionen“132 ist überliefert und beweist, dass die Durchsetzung der Albertinischen Ordnung problematisch verlief und einigen Widerstand in Duderstadt hervorrief. Auch ist die Wiederholung von Verordnungen immer ein Zeichen dafür, dass sie nicht eingehalten wurde. Der Entscheid, den Kurfürst Albrecht 1533 den Duderstädtern zukommen ließ, muss relativ umfangreich gewesen sein und mindestens zwölf Artikel umfasst haben, denn in dem Extractus steht vor der Bestimmung bezüglich des Stadtschreibers geschrieben „Articulum duodecimo per protocollum 133 [...]“ . Der erhaltene Teil des „Extractus“ reicht bereits aus, um festzustellen, dass die Bestimmungen in die gleiche Richtung zielen wie die Albertinische Ordnung. Der Entscheid von 1533 ist aufgrund von neuen Verstößen der Duderstädter gegen die Albertinische Ordnung erlassen worden. Hätten sich die Duderstädter dem Willen und der Verordnung des Kurfürsten widerspruchslos unterworfen, dann wäre er nicht erforderlich gewesen. Diesem Entscheid müssen Beschwerden des Schultheißen über die Zustände und seine Behandlung in Duderstadt vorausgegangen sein. Der Ton, der in dem „Extractus“ angeschlagen wird, ist im Verhältnis zur Albertinischen Ordnung, die einen sachlichen Charakter aufweist, schärfer geworden. So heißt es in dem Artikel über die bürgerlichen Angelegenheiten, dass „[...] burgermeister und rath für sich zu betagen und zu rechtfertigen [sich] unterstehen sollten“134. Dieser Passus ist ein Hinweis darauf, dass Bürgermeister und Rat Sitzungen abgehalten haben, ohne den Schultheißen oder seinen Stellvertreter dazu ein135 geladen zu haben . Dies wäre ein eindeutiger Verstoß gegen die Albertinische 132 StadtA. Dud., AB 3833, „Extractus“, 1533. Vgl. auch Copeyenbuch von Johannes Barckefeldt, 1683, im StadtA. Dud., copia 177. Barckefeldt verweist in seiner Chronik auf diese Verordnung (S. 131 und S. 143–144) und ist ebenso der Ansicht, dass die Albertinische Ordnung „[...] zwischen dem damaligen Schultheißen und dem Rat viel Disputirens gemachet [...]“, so dass eine weitere Verordnung notwendig gewesen sei. 133 StadtA. Dud., AB 3833, „Extractus“, 1533. 134 StadtA. Dud., AB 3833, „Extractus“, 1533. 135 Auch in den schriftlichen Verträgen, die der Rat mit den Steinmetzen in der Zeit von 1531 bis 1533 abgeschlossen hat, wird der Schultheiß nicht erwähnt. Der Schultheiß war lediglich anwesend, als der Steinmetzmeister Hencze Vorwiß am 24. November 1531 eine Urfehde wegen „schadens und hons, darin hey die gemeine stadt vorsethlick gebuet“ schwören musste. Vgl. Fricke, Hans-Reinhard, Dokumentation. In: Möller, Hans-Herbert (Hg.), Das Rathaus in Duderstadt. Zur Baugeschichte und Restaurierung (Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Bd. 6), Hannover 1989, S. 293–302, hier S. 293–297.

44

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

Ordnung, der die Verschärfung des kurfürstlichen Tonfalls – festgemacht an dem Ausdruck „unterstehen sollten“ – nachvollziehbar macht. Der nächste Abschnitt des „Extractus“ bezieht sich auf die Gerichtshoheit des Schultheißen, unter die auch die Hochgerichtsbarkeit fiel: „[...] wan dan der schultheiß zu gericht sitzet, ist unsers gnedigsten herrns ernste meinung und befehl, dass sie sich dar und des gleichen unternehmens und sonderlich die sachen gerichtlich zu entscheiden, 136 enthalten sollen [...]“ . Der Bürgermeister und der Rat werden mit diesem Worten ermahnt, sich nicht in die Gerichtsentscheidungen des Schultheißen einzumischen und seine Gerichtshoheit unangetastet zu lassen. Es lässt sich also vermuten, dass Bürgermeister und Rat vorher auf die Gerichtsentscheidungen des Vogtes bzw. des Schultheißen Einfluss genommen hatten und auch in Zukunft nicht auf dieses zur Gewohnheit gewordene Recht verzichten wollten. Dies unterstreicht die Vermutung von Jaeger, dass das Amt des Vogtes bzw. des Richters des Stadtgerichts vor dem Erlass der Albertinischen Ordnung langsam immer mehr an Bedeutung verloren hat und im Gegenzug Bürgermeister und Rat es verstanden haben, immer weitreichendere Kompetenzen an sich zu ziehen137. Dem „Extractus“ zufolge sollen Bürgermeister und Rat ab jetzt keine Entscheidungen mehr bei Gericht fällen. Sie sollen aber „sambt dem schultheisen gütlich darin […] handeln, [dass] mögen ihro churfürstlichen gnaden leiden, doch dass keine gefährde darin gebraucht, und so dieselben in der güthe nicht hingelegt und vertragen, dass alß dan solche sachen und parteyen zu rechtlicher örterung ahn ihro churfürstlchen gnaden gericht ver138 wiesen werden“ . Aus dieser Passage des „Extractus“ geht eindeutig hervor, dass Bürgermeister, Rat und Schultheiß in gutem Einvernehmen in Bezug auf die gerichtlichen Angelegenheiten handeln sollten und dass der Kurfürst dieses einvernehmliche Handeln gutheißen würde. Es ist bezeichnend für die Ablehnung, die der Duderstädter Rat dem Stadtschultheißen mit seinen neuen Kompetenzen entgegenbrachte, dass sich der Kurfürst sogar genötigt sah, ein gutes Einvernehmen zu verordnen. Sollte aber eine gütliche Einigung nicht möglich sein, so sollten diese Angelegenheiten und Parteien „[...] zu rechtlicher örterung ahn ihro churfürstlichen gnaden gericht gewiesen werden“139. An dieser Stelle wird nicht deutlich, welches Gericht gemeint war. Die Appellationsinstanz jedoch, bei der im Normalfall Einspruch gegen ein Urteil erhoben werden konnte, wäre das Gericht des Oberamtmannes vom Rusteberg bzw. später das Land- bzw. Oberlandesgericht in Heiligenstadt gewesen. Anhand des „Extractus“ kann eine Diskrepanz zwischen den Verordnungen des Kurfürsten und den tatsächlichen Verhältnissen in Duderstadt festgestellt werden. Wie bereits erörtert, hatten sich die Duderstädter diesen Bestimmungen nicht ohne Widerstand unterworfen. Sie werden besonders in der Zeit direkt nach dem Erlass 136 137 138 139

StadtA. Dud., AB 3833, „Extractus“, 1533. Vgl. Jaeger, Alt-Duderstadt, 1929, S. 30. StadtA. Dud., AB 3833, „Extractus“, 1533. StadtA. Dud., AB 3833, „Extractus“, 1533.

Ergebnisse der Verordnungstätigkeit Albrechts von Brandenburg

45

der Albertinischen Ordnung versucht haben, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Arbeit des Stadtschultheißen zu beeinträchtigen. Ihr Ziel war es, so weit wie möglich, die Verhältnisse, die vor der Verordnung geherrscht hatten, aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang haben sie vor konkreten Verstößen gegen die Albertinische Ordnung nicht zurückgeschreckt. Darüber hinaus bedienten sie sich auch mehr oder weniger legaler Mittel. So war anscheinend der Befehl des Kurfürsten notwendig, damit der Schultheiß den Dienst des Stadtschreibers in Anspruch nehmen konnte. Die Verordnung des Kurfürsten lautet: „[...] so viell den stadtschreiber belanget, ist unsers gnedigsten herrns befehl, dass derselbe dem schultheißen nicht weniger, dan burgermeisteren und rath gehorsam und gewertig seyn solle“. Dies deutet auf weitere kleine „Machtspielchen“ des Duderstädter Rates hin. Das Anrecht des Stadtschultheißen, die Dienste des Stadtschreibers in Anspruch nehmen zu dürfen, war nicht in der Albertinischen Ordnung festgeschrieben. Bürgermeister und Rat waren sich durchaus bewusst, dass sie die Arbeit des Schultheißen behindern konnten, wenn sie ihm die Dienste des Stadtschreibers verweigerten.

2.4 Ergebnisse der Verordnungstätigkeit Albrechts von Brandenburg Der Erlass der Hofgerichtsordnung zog unweigerlich eine Reform des Untergerichtswesens nach sich, da „die meisten Urteile der Untergerichte wegen reiner 140 Formmängel von den höheren Gerichten wieder aufgehoben“ wurden. Die Appellation erforderte ein einheitliches Verfahren, das auf die Grundsätze des zweitinstanzlichen Prozesses abgestimmt war. Auch in der Präambel der Mainzer Untergerichtsordnung wurde auf die durch Formfehler entstehenden Kosten für die Unter141 tanen hingewiesen . Inwieweit die Untergerichtsordnung von 1534 und die Schöffengerichtsordnung von 1536 im Einzelnen in das Duderstädter Gerichtswesen eingegriffen haben, ist nicht mehr nachvollziehbar. Das Ergebnis dieser Reformen sieht folgendermaßen aus: Der Schultheiß von Duderstadt hat den Vorsitz bei allen drei Duderstädter Gerichten inne, dem Ratsge142 richt, dem Stadtgericht und dem Westergericht . Das Ratsgericht hatte die Kriminalgerichtsbarkeit unter sich, ließ Voruntersuchungen vornehmen, befahl und überwachte die Inhaftierung und Folterung der Delinquenten und gab Anweisun143 gen zur Urteilsvollstreckung . Neben der Kriminalgerichtsbarkeit, die er im Laufe 140 Marquordt, Gerhard, Vier Rheinische Prozeßordnungen aus dem 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zum Prozeßrecht der Rezeptionszeit (Rheinisches Archiv, Bd. 33), Bonn 1938, S. 4. 141 Vgl. Christ, Albrecht von Brandenburg, 1991, S. 248. 142 Vgl. Wolf, Duderstadt, Bd. 1, 1803, S. 309 und Hussong, Verfassung, 1989, S. 22 sowie Jaeger, Chronik Barckefeldt, 1920, S. 5. 143 Vgl. Jaeger, Bilder, Bd. 2, 1922, S. 10 und S. 36. Jaeger äußert sich hier ausführlich zum Gerichtswesen des 18. Jahrhunderts. Dies lässt Rückschlüsse auf die Zustände der Verwaltung und

46

Gerichtswesen in Duderstadt von 1450 bis 1550

des Mittelalters an sich gezogen hatte, besaß der Stadtrat – immer unter dem Vorsitz des Schultheißen – die Gerichtsbarkeit über die „Policeyangelegenheiten“ (zum Beispiel Markt-, Gewerbe- und Sicherheitspolizei), die freiwillige Gerichtsbarkeit und die Zivilgerichtsbarkeit bei einem Streitwert von unter 20 Talern. Die Zivilgerichtsbarkeit über Objekte mit einem Wert von über 20 Talern kam dem Stadtge144 richt zu . Bei dem kurfürstlichen Stadtgericht wurde die Anzahl der Schöffen vom 145 gesamten Ratskollegium auf acht reduziert . Trotz allen Reformgeistes blieb das alte Landgericht vor dem Westertor bestehen. Dieses Gericht bestand noch bis 1805, büßte jedoch mehr und mehr von seiner Bedeutung ein, wie sich an der schwindenden Zahl von Gerichtstagen ablesen lässt. Zunächst wurden vier, später nur noch zwei Gerichtssitzungen pro Jahr abgehalten, zu denen aus jedem zum Gerichtsbezirk gehörenden Haus ein Mann erscheinen musste. War ein Haus nicht vertreten, war ein Bußgeld zu entrichten. Der Vorsitzende des Westergerichts war nach den Albertinischen Reformen der Duderstädter Stadtschultheiß. Das Urteil wurde vermutlich von den Schöffen – über deren Auswahl jedoch nichts bekannt ist – gefällt. Unter die Gerichtshoheit des „Unterlandgerichts vor dem Westertore“146, eines 147 Hoch- und Rügegerichtes , fielen elf nach dem Bauernkrieg bei Duderstadt ver148 bliebene Dörfer . Darüber hinaus wurden dem Westergericht sechs Dörfer aus dem Westernhagenschen Gerichtsbezirk zugeordnet, sowie das Knorrsche Dorf Neuendorf (ab 1572) und das in dem Gerichtsbezirk des Klosters Teistungenburg liegende Dorf Bösekendorf. Die Zuständigkeit des Westergerichts erstreckte sich 149 auf alle Vergehen und Verbrechen, die „auf den Straßen“ begangen wurden. Auch alle Fälle in den Dörfern Bösekendorf und Neuendorf, bei denen es um nächtliche Tumulte und blutige Verletzungen ging, wurden vor dem Westergericht verhandelt. Den Klägern blieb jedoch die Wahl, ob sie ihre Klagen beim Westergericht oder beim kurfürstlichen Stadtgericht einreichen wollten. Bei einem Streitwert von unter 20 Talern bestand auch die Möglichkeit, die Angelegenheit dem Ratsgericht 150 anzuvertrauen . Auch die Wahlmöglichkeit des Gerichtes wird wohl zu dem Bedeutungsverlust des Westergerichts beigetragen haben.

144 145 146 147 148 149 150

des Gerichtswesens im 16. Jahrhundert nach den Reformen Albrechts von Brandenburg zu, da sich seit diesen Reformen bis zum Übergang des Eichsfeldes an Preußen nicht viel verändert hat. Vgl. Hussong, Verfassung, 1989, S. 37, Fußnote 176. Vgl. Jaeger, Bilder, Bd. 2, 1922, S. 36. Vgl. Jaeger, Chronik Barckefeldt, 1920, S. 85. Zitiert nach Lerch, Gerichtsbarkeit, 1953, S. 29. Lerch gibt als Quelle an: Stadtarchiv Duderstadt die Urkunde Nr. 258b von 1632. Zitiert nach Hussong, Verfassung, 1989, S. 22. Hussong gibt als Quelle an: StadtA. Dud. 2, Nr. 22491 p. 25–27. Dabei handelt es sich um die Dörfer Gerblingerode, Tiftlingerode, Immingerode, Nesselröden, Westerode, Mingerode, Hilkerode, Langenhagen, Breitenberg, Fuhrbach und Brochthausen. Jaeger, Chronik Barckefeldt, 1920, S. 5–6. Vgl. Jaeger, Bilder, Bd. 2, 1922, S. 37 und Jaeger, Chronik Barckefeldt, 1920, S. 5.

Ergebnisse der Verordnungstätigkeit Albrechts von Brandenburg

47

Im Zuge der Gerichtsreformen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde 1534 ein Landgericht in Heiligenstadt als Mittelinstanz im Verkehr mit dem Mainzer Hofgericht etabliert. Alle Gerichte des Eichsfeldes wurden der Aufsicht dieses 151 Landgerichts unterstellt . 1540 erließ Albrecht von Brandenburg eine vollständige 152 Landgerichtsordnung und verfügte den Umzug des Oberamtmannes vom Rusteberg nach Heiligenstadt. Anstelle des Landgerichtes wurden nun in Heiligenstadt ein Oberlandgericht, die erste Berufungsinstanz für alle weltlichen Gerichte des Eichsfeldes, und eine zentrale Verwaltung eingerichtet. Der Oberamtmann blieb weiterhin oberster Vertreter des Kurfürsten im Eichsfeld und hatte zwei zunächst nicht klar abgegrenzte Behörden unter sich, nämlich die Regierung bzw. Verwal153 tung und das Oberlandgericht . Das Oberlandgericht in Heiligenstadt war nun dem Hofgericht in Mainz und die Regierung dem Mainzer Hofrat untergeordnet. Entsprechend der Verordnung des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg von 1540 sollte das Oberlandgericht mit neun Personen besetzt werden: dem Oberamtmann als Landrichter, zwei Rechtsgelehrten, zwei Geistlichen, zwei Vertretern aus der Ritterschaft und zwei Vertretern der Städte (je ein Vertreter aus Duderstadt und Heiligenstadt). Viermal im Jahr wurde Gericht gehalten, und alle vierzehn Tage fanden am Dienstag die Sitzungen des Gerichtes mit einem Richter und drei Beisitzern (je ein Vertreter der Geistlichkeit, der Ritterschaft und der Städte) statt154. Da Duderstadt einen Beisitzer zu stellen hatte, zumindest bei den Gerichtssitzungen mit dem gesamten 155 Kollegium, konnte es einen gewissen Einfluss auf das Oberlandgericht ausüben . Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Albertinischen Reformen einschneidende Veränderungen in der Behörden- und Gerichtsorganisation nicht nur im Kernland, sondern auch im Eichsfeld und in Duderstadt bewirkt haben. Der Kurfürst unterstellte die Verwaltung und die Gerichte in Duderstadt dem Vorsitz des Stadtschultheißen, die bürgerliche Selbstverwaltung wurde beseitigt. Der Kurfürst setzte sich letztlich gegen den heftigen Widerstand des Duderstädter Stadtrates durch. Das Ergebnis seiner Reformtätigkeit im Eichsfeld war eine in Bezug auf die Instanzen klar gegliederte Gerichtsbarkeit und eine zentrale Verwaltung. Er hatte damit eine Verwaltungs- und Gerichtsverfassung geschaffen, die weitgehend – bis auf geringfügige Modifikationen – bis zum Übergang des Eichsfeldes an Preußen 1802 beibehalten wurde. 151 Die Verordnung zur Errichtung eines Landgerichtes ist zusätzlich zu der Untergerichtsordnung erlassen worden. Diese Verordnung wird jedoch nicht überliefert. Vgl. Wintzingerode-Knorr, Wüstungen, 1995, S. 349. Vgl. Otte, Hofgerichtsordnung, 1964, S. 62. 152 Vgl. Otte, Hofgerichtsordnung, 1964, S. 62. Nach Otte ist die „Landgerichtsordnung“ schriftlich überliefert und befindet sich im LHA Magdeburg, Cop. 1375 B11.117 ff und StsA Würzburg, Ingr. B. 55 fol. 111. 153 Vgl. Hartmann, Ämter, 1961, S. 58. Otte vertritt die Auffassung, dass die Hofgerichtsordnung „mit den aus der Natur der Sache bedingten Änderungen als Landgerichtsordung“ für das Eichsfeld diente. Vgl. Otte, Hofgerichtsordnung, 1964, S. 65. 154 Vgl. Wolf, Politische Geschichte, Bd. 2, 1993, S. 139. Vgl. auch Hartmann, Ämter, 1961, S. 62. 155 Vgl. Hussong, Verfassung, 1989, S. 23.

3 Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546 3.1 Handschriftenbeschreibung 1

2

Das Strafbuch von 1530 bis 1546 befindet sich im Stadtarchiv Duderstadt. Es setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Der erste umfangreichere Teil ist in eine Pergamentseite eingebunden, auf der sich das Fragment einer mittelalterlichen Hand3 schrift und eine verblichene , zeitgenössische Aufschrift befindet. Dieser Teil des Strafbuches ist 35 Zentimeter hoch, 12 Zentimeter breit und 5 Zentimeter dick. Er enthält 13 Lagen, die von Hand zusammengenäht worden sind, und einige eingelegte, beschriebene Zettel. Eine zeitgenössische Foliierung wurde nicht vorgenommen. Nach der archivischen Paginierung hat dieser Teil des Strafbuches 142 Seiten im halbbrüchigen Halbfolioformat. Die Seiten sind mit Wasserzeichen versehen. Die Blätter sind mit verschiedenen bräunlichen Tinten in Geschäftskursiven durch 4 mehrere Schreiberhände beschrieben worden. Die Anzahl der Einträge pro Seite variiert zwischen einem und einunddreißig. Die Streichungen einzelner Einträge deuten darauf hin, dass das Strafgeld für das betreffende Vergehen bereits bezahlt worden ist. Häufig wurde in einem solchen Fall ergänzend die Randbemerkung „dedit“ hinzugefügt. Der zweite Teil des Strafbuches besteht aus drei zusammenge5 nähten Lagen ohne Einband . Um jede Lage sind Heftstreifen aus Pergament ge6 bunden. Dieser Teil hat 41 archivisch paginierte Seiten mit Wasserzeichen, das gleiche Papierformat wie der erste Teil und ist ebenfalls mit Tinte in Geschäftskursiven beschrieben. Aufgrund der äußeren und der inhaltlichen Anlage des Strafbuches lässt sich der zweite Teil übergangslos in den ersten Teil einfügen, so dass im Folgenden immer nur von einem Strafbuch die Rede sein wird. Die äußeren Kriterien, die für eine Zusammenführung der beiden Quellenteile sprechen, sind das übereinstimmende 7 Papierformat, identische Wasserzeichen im Papier und die gleichen Schreiberhän8 de . Darüber hinaus wurde in beiden Teilen des Strafbuches eine Einteilung in La1 2 3 4 5

6 7 8

StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a. Das Strafbuch enthält auch Delikte, die vor 1530 begangen wurden. Das älteste datierte Vergehen stammt aus dem Jahr 1521. Von der Aufschrift ist nur das Wort „pena“ erkennbar. Das Strafbuch wurde vom Kämmereischreiber und seinen Schreiberknechten geführt. Um die Eintragungen den Strafbuchteilen zuordnen zu können, wurde den Eintragungen, die dem nicht eingebundenen Strafbuchteil entnommen wurden, bei der Paginierung jeweils ein „a“ hinzugefügt. Der zweite Teil des Strafbuches, der in den eingebundenen Teil des Strafbuches integriert wurde, hat eine von dem ersten Teil unabhängige archivische Paginierung. Es handelt sich um ein Wasserzeichen mit immer gleichem Motiv. Das Motiv ist ein schnaubender Ochsenkopf, in dem ein Schwert steckt, das von einem schlangenartigen Tier umschlungen ist. In Duderstadt gab es zu dieser Zeit zwei Schreiber, den Stadtschreiber und den Kämmereischreiber. Das Strafbuch und auch das Rechnungsbuch wurden von dem Kämmereischreiber Gottfried

Aufbau des Duderstädter Strafbuches

49

gen vorgenommen und das gleiche Buchbindergarn für das Zusammennähen der Lagen verwendet. Es kann davon ausgegangen werden, dass der zweite Teil beim Einbinden übersehen wurde. Damit ist er nicht der einzige, der nicht mit eingebunden wurde. Wie an späterer Stelle nachgewiesen wird, fehlt der Anfang des Strafbu9 ches . Der eingebundene Teil des Strafbuches kann in drei Abschnitte untergliedert werden. In den ersten beiden werden Vergehen aller Art nach zwei verschiedenen Ordnungsprinzipien aufgelistet. Der dritte Abschnitt enthält dagegen ausschließlich Feldfrevel. Der nicht eingebundene Teil des Strafbuches ähnelt dem vorderen Bereich des ersten Strafbuchteils und schließt zeitlich an diesen an. Einige Vergehen aus dem vorderen Bereich des ersten Strafbuchteils werden in dem nicht eingebundenen Teil wiederholt. Daraus ergibt sich, dass dieser Teil ursprünglich nach dem zweiten und vor dem dritten Abschnitt des eingebundenen Strafbuchteils gestanden hat. In der folgenden Betrachtung werden die beiden zusammengefügten Strafbuchteile in Abschnitte untergliedert. Insgesamt gibt es sechs Abschnitte. Dem ersten Strafbuchteil entsprechen die Abschnitte eins, zwei und sechs, dem eingefügten zweiten Teil die Abschnitte drei bis fünf. Eine zeitgenössische Foliierung beider Teile hätte das Zusammenfügen erleichtert, ist aber für eine eindeutige Zuordnung nicht notwendig.

3.2 Aufbau des Duderstädter Strafbuches Die Duderstädter Rechnungsbücher, die jährlich neu angelegt wurden, zeigen, dass eine Quelle aus dem 16. Jahrhundert übersichtlich gegliedert sein kann. Der Aufbau des Duderstädter Strafbuches ist passagenweise, aber nicht durchgängig gut nachvollziehbar. Das Herausarbeiten einer klaren Gliederung wird durch die nicht geringe Anzahl von eingelegten Zetteln und Vermerken, die sich auf vorangegange10 ne Jahre beziehen, erschwert .

9 10

Stromeier geführt. Da das Strafbuch verschiedene Schreiberhände aufweist, ist anzunehmen, dass auch seine Schreiberknechte Eintragungen vorgenommen haben. Vgl. Kapitel Aufbau des Duderstädter Strafbuches. Der Anfang des Strafbuches konnte bisher im Stadtarchiv Duderstadt nicht aufgefunden werden. Die Abschnitte eins, drei und fünf, in denen die Vergehen nach dem Wohnort des Delinquenten aufgelistet worden sind, sind gut strukturiert; unübersichtlich gestaltet sind die Abschnitte zwei und vier, in denen die Vergehen in groben Zügen nach Jahren geordnet verzeichnet worden sind.

50

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546

Einteilung der Stadtviertel und Vorstädte um 1400; aus Sauerteig, Helmut: Stadtgeographie von Duderstadt. Oldenburg 1940, S. 18.

Das Strafbuch lässt sich in sechs Abschnitte unterteilen. Dem Aufbau des ersten 11 Abschnittes liegt folgende Struktur zugrunde: Die Stadtviertel (Pfarr-, Sack-, 12 Stuben- und Kleines Viertel ), aus denen sich die Innenstadt zusammensetzt, stehen als Überschriften in dieser Reihenfolge jeweils oben auf einer Seite des Strafbuches. Ihnen folgen Seiten mit den Überschriften der drei Vorstädte Obertor, Steintor und Westertor. Anschließend werden die zum Gerichtsgebiet der Stadt Duderstadt gehörigen sechzehn Dörfer in folgender Reihenfolge aufgelistet: Gerblingerode, Tiftlingerode, Immingerode, Nesselröden, Seulingen, Germershausen, Desingerode, Werxhausen, Esplingerode, Westerode, Mingerode, Hilkerode, Lan13 genhagen, Breitenberg, Fuhrbach und Brochthausen . Diese Ortsbezeichnungen sind gleichzeitig die Überschriften, unter denen die Vergehen der Duderstädter Einwohner, der Vorstadt- und Dorfbewohner eingetragen wurden. In der Regel 14 wurde das Delikt unter dem Wohnort des Delinquenten vermerkt . In diesem ersten Abschnitt des Strafbuches wurden alle Vergehen von Totschlag über Hausfriedensbruch bis hin zu Feld- und Holzfrevel aufgelistet. Dabei stammt der größte Teil der aufgeführten Delikte aus den Jahren von 1528 bis 1532. Am Anfang des Strafbuches fehlen einige Seiten, auf denen sich Eintragungen der Verfehlungen unter den Rubren „Pfarr-“ und „Sackviertel“ befinden müssten. Auch die Überschrift „Stubenviertel“ und ein Teil der darunter aufgelisteten Delikte fehlen. Dies geht daraus hervor, dass die beiden ersten beschriebenen Seiten des Strafbuches nicht mit einer Überschrift versehen sind und sich die erste Überschrift „Kleines Viertel“ erst auf Folio 4 recto befindet. Das Kleine Viertel steht in der Reihenfolge der Innenstadtviertel, die im Strafbuch durchgängig eingehalten wird, immer an letzter Stelle, also hinter dem Stubenviertel. Darüber hinaus stammte ein

11 12 13 14

Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1 recto bis 52 recto. Diese Reihenfolge wird bei der Aufzählung der Stadtviertel im Strafbuch auch an späterer Stelle immer eingehalten. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 17 recto bis 27 verso. Dies wurde anhand der Eintragungen in das Rechnungsbuch von 1533 so weit wie möglich nachvollzogen. Es handelt sich hierbei nur um das erste bereits erwähnte grobe Ordnungsprinzip, das hin und wieder durchbrochen wurde. Vgl. StadtA. Dud., AB 92, Folio 4 recto bis 33 verso.

Aufbau des Duderstädter Strafbuches

51

Großteil der Delinquenten, deren Vergehen auf den vorderen Seiten ohne Überschrift notiert wurden, aus dem Stubenviertel. Im Anschluss an die Zuordnung der Vergehen zu den oben genannten Stadtteilund Ortsbezeichnungen wurden unter dem Rubrum „Exceßus in Eggelingerode 15 und buthen des rades dorperen“ weitere Vergehen aufgelistet, die dementsprechend in Ecklingerode oder außerhalb des Gerichtsbezirks Duderstadt begangen wurden. 16 Am Ende des ersten Abschnitts erfolgte eine umfangreiche Abrechnung . 1530 17 wurden zu diesem Zweck bereits erwähnte Vergehen – zusammen mit Strafhöhe und Delinquent – noch einmal aufgelistet und durch noch nicht genannte ergänzt. 18 Inmitten dieser Aufstellung wurden die Holzfrevel gesondert aufgeführt . Der Schultheiß und der Stadtrat haben für das Jahr 1532 eine Liste derjenigen 19 Strafgelder zusammenstellen lassen, die bereits bezahlt worden waren . Im Vergleich zu den Außenständen war die Summe der Einnahmen gering. Wohl deshalb wurden die Namen der Schuldner zusammen mit der Höhe der zu entrichtenden 20 Geldbuße 1532 erneut aufgelistet . Noch im gleichen Jahr wurde zum dritten Mal 21 eine Liste derselben Vergehen erstellt . Diese enthält die Nennung der Delinquenten und der Höhe des Bußgeldes entsprechend der zweiten Auflistung. Zusätzlich dazu wurden hier die entsprechenden Vergehen erwähnt und einige neue Zahlungseingänge aus den Jahren 1530 bis 1532 verzeichnet. Wie ein Einschnitt wirkt dagegen die Abrechnung, die in Anwesenheit der Ratsherren und des Vogts vom Ruste22 berg 1532 vorgenommen wurde. Ihr folgt die Aufzählung weiterer Zahlungseingänge aus den Jahren 1532 und 1533. Nachdem endlich der überwiegende Teil der Strafgelder bezahlt worden war, fand die Endabrechnung des Rates der Stadt Duderstadt mit dem Vogt vom Rusteberg, Kunz Gutjahr, statt. 23 Im zweiten Abschnitt des Strafbuches wurden alle Vergehen aus dem Zeitraum von 1533 bis 1541 – außer den Feld-, Flur- und Wiesenfreveln – verzeichnet. Das Prinzip, dass der Auflistung der Vergehen nach Rechnungsjahren die Abrechnung 24 folgte , wird in diesem Abschnitt ständig durch Vermerke, die sich auf vorangegangene Jahre beziehen, unterbrochen. Dadurch wird dieser Abschnitt unübersichtlich. Die wenigen vollständigen Datumsangaben legen dabei die Vermutung nahe, 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 28 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 34 recto bis 52 recto. Der größte Teil dieser Vergehen wurde bereits auf StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 20 verso und 25 verso bis 27 recto verzeichnet. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 36 recto bis 36 verso. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 44 verso. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 46 recto bis 46 verso. Als Vorlage für diese Aufstellung hat wohl der eingelegte Zettel zwischen fol. 41 verso und 42 recto gedient. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 49 recto bis 51 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 51 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 52 recto bis zum eingelegten Zettel zwischen fol. 81 verso und 82 recto. Dies ist das zweite Ordnungsprinzip neben der Einteilung nach Stadtvierteln.

52

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546

dass das Rechnungsjahr Ende September nach der jährlichen Ratswahl begann und es bis zur Neuwahl des Rates im September des nächsten Jahres andauerte. 25 Der Abschnitt beginnt mit der Aufzählung der Vergehen aus dem Jahr 1533 . 26 Die Endabrechnung für 1533 wurde erst 1534 vorgenommen . Entsprechend 27 wurde das Jahr 1534 erst 1535 abgerechnet. Schon nach der Aufstellung der 28 Vergehen für das Jahr 1535 erfolgte der erste Einschnitt: Es wurden diejenigen Vergehen aufgelistet, die vom Ratsgericht nicht als solche eingestuft oder die bereits durch Zahlung erledigt worden waren. Anschließend findet sich eine Zusam29 menstellung aller unbezahlten Strafgelder des Jahres 1535 . Diese Aufstellung 30 diente vermutlich als Vorbereitung für die Jahresendabrechnung , der noch die für 31 den Rat angefertigte Abschrift der „hochgewedde“ aus dem Register des Schultheißen hinzugefügt wurde. 32 Anschließend wurden die Vergehen des Jahres 1536 notiert . Ihnen folgt ein Rückblick auf vergangene Jahre: Der nächste Eintrag enthält die Mitteilung, dass der Schultheiß „Michell Knokenhauweren“ 1532 zwar Geldbußen entgegenge33 nommen, sie aber noch nicht an den Rat weitergeleitet hatte . Unter der Über34 schrift „von dem gelde, dass nith upkomen kan“ wurden die noch ausstehenden Strafgelder der letzten Jahre, bei denen davon ausgegangen werden konnte, dass 35 die Täter sie auch in Zukunft nicht bezahlen würden, aufgelistet . 36 Diesem Nachtrag folgt die Abrechnung der Delikte von 1536 . Auf den folgenden Seiten wurden die Vergehen vermerkt, die nach Michaelis, also nach dem 29. 37 September 1536, bis Ende September 1537 begangen wurden . Der Amtsantritt des neu gewählten Bürgermeisters Henrick von Hagen war Anlass für eine neue Überschrift im Strafbuch, unter der die Vergehen für das Ende des Jahres 1537, sowie für die Jahre 1538 und 1539, soweit nachvollziehbar, nach Jahren geordnet, 38 hintereinander aufgeführt wurden . Auf einem eingelegten Zettel ist ein Fragment 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

36 37 38

Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 52 recto bis 53 verso. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 54 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 54 verso bis 59 verso. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 60 recto bis 61 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 61 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 62 recto. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 62 recto. „Hochgewedde“ war vermutlich die Aufwandsentschädigung bzw. Bearbeitungsgebühr, die an die Gerichtsherren zu zahlen war. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 62 verso bis 64 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 verso. Die gleichen Einnahmen wurden schon auf fol. 44 verso vermerkt. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 verso. Die ersten drei Fälle stammen aus der Auflistung von StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 46 recto bis 46 verso. Das bedeutet, dass sie den vorangegangenen Jahren oder 1532 zuzuordnen sind. Die anderen neun Fälle sind einzelne Wiederholungen von den Vergehen, die von fol. 52 verso bis 55 verso aufgelistet worden sind, und stammen aus den Jahr 1533. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 65 verso. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 66 recto bis 67 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 67 recto bis 70 verso.

Aufbau des Duderstädter Strafbuches

53

der Abrechnung des Vogts vom Rusteberg mit den Ratsherren für die Jahre 1538 39 und 1539 erhalten geblieben . Anschließend wurden die Vergehen des Jahres 1540 40 registriert . Der letzte reguläre Eintrag für diesen Abschnitt gibt Aufschluss über 41 eine Zahlung, die 1542 vorgenommen wurde . Weitere Informationen zu diesem 42 Zeitabschnitt sind mehreren eingelegten Zetteln zu entnehmen. 43 44 Im dritten Abschnitt wurden Vergehen aller Art aus den Jahren 1533 bis 1537 45 – im Wesentlichen nach dem Wohnort des Delinquenten geordnet – aufgelistet. Über die Hälfte der Vergehen wurde aus dem zweiten Abschnitt des Strafbuches abgeschrieben. Bei den übrigen handelt es sich um Neunennungen. Unter diesen befinden sich einige wenige Hinweise auf Holz- und Feldfrevel. Zusätzlich wird für die Stadtviertel der Innenstadt eine Unterscheidung der Vergehen nach Jahren vorgenommen. Nach der Auflistung der Vergehen der Jahre 46 1533 bis 1535 steht die Überschrift „Anno etc. [15]36“ , unter der die Vergehen 47 von 1536 folgen sollten . Diese Einteilung in zwei Zeiträume wurde zwar in groben Zügen, jedoch nicht immer ganz genau eingehalten. Bei den drei Vorstädten wie auch bei den Dörfern wurde keine Unterscheidung nach Jahren vorgenommen. Die Vergehen aller Dorfbewohner wurden unter der Überschrift „Excessus villanorum“ zusammengefasst. Dies stellt im Vergleich zum ersten Abschnitt des Strafbuches, in dem zwischen den einzelnen Dörfern unterschieden wurde, eine Vereinfachung dar. 48 Im vierten Abschnitt setzt wieder die nach Jahren fortlaufende Auflistung der 49 Vergehen ein. Sie beginnt mit der Nennung von fünf Delikten aus dem Jahr 1540 . Diese Aufstellung wird durch die Auflistung der Frevel, Bußen und Abträge der 50 Jahre 1538 und 1539 , die noch nicht bezahlt wurden, unterbrochen. Daher setzt sich diese Auflistung, bis auf wenige Ausnahmen, aus den Verfehlungen zusammen,

39 40 41 42 43 44

45 46 47 48 49 50

Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, den eingelegten Zettel zwischen fol. 70 verso und 71 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 71 recto bis 71 verso. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 72 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, die drei eingelegten Zettel zwischen fol. 73 verso und 74 recto und den eingelegten Zettel zwischen fol. 81 verso und fol. 82 recto sowie fol. 79c. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1a recto bis 7a verso. Aus der Überschrift im Strafbuch geht hervor, dass es sich um die Vergehen aus dem Jahre 1535 handeln soll. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1a recto. Dies entspricht jedoch nicht der Auflistung. Die Einteilung erfolgte wie im ersten Abschnitt des Strafbuches. Die hier registrierten Vergehen stammen aus dem Zeitraum von 1533 bis 1535. Unter dieser Überschrift finden sich auch einige Vergehen, die im Jahre 1537 begangen worden sind. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7a verso bis 23a recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7a verso. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 8a verso bis 12a recto. Die Überschrift im Strafbuch beschränkt den Zeitraum, in dem die Vergehen begangen worden sind, auf die Jahre 1538 und 1539. Dies entspricht jedoch nicht der Auflistung.

54

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546 51

die vorher bereits mindestens einmal im Strafbuch erwähnt wurden . Unmittelbar 52 daran schließt sich die Zusammenstellung derjenigen Vergehen an, von denen zumindest der Schultheiß und zum Teil auch der Rat die Bußgelder schon bekommen hatten. War beim Rat noch keine Zahlung eingegangen, wurden die Fälle meist an späterer Stelle im Strafbuch noch einmal aufgeführt. Hatten sowohl der Schultheiß als auch der Rat die Bußgeldzahlung erhalten, war der Fall erledigt. Im Februar 1542 wurden die Delikte der Jahre 1540 und 1541 aufgelistet. Der überwiegende Teil dieser Vergehen wurde vorher nicht erwähnt. Allerdings wurden vier der fünf oben genannten Delikte aus dem Jahre 1540 noch einmal wiederholt. Das fünfte war damit erledigt, dass der Schultheiß das Strafgeld dafür bereits bekommen hatte. Unter der Überschrift „Tenentes retardate von den frevelen und buschen“ wurde diese Auflistung fortgeführt, jedoch ohne im überwiegenden Teil der Fälle das Delikt zu nennen53. 54 Im fünften Abschnitt sind die Vergehen wieder im Wesentlichen nach dem Wohnort des Delinquenten geordnet. Diesem Prinzip folgend, wurde 1545 eine Liste der Delikte einschließlich einiger Feldfrevel aus den Jahren 1536 bis 1544 zusammengestellt, von denen die Geldbußen in den Vorjahren zwar dem Vogt als dem Vertreter des Landesherrn, aber noch nicht dem Rat bezahlt worden waren. Circa zwei Drittel dieser Vergehen sind vorher im Strafbuch noch nicht aufgetaucht. Die Wiederholungen stammen aus den Jahren 1536 bis 1542. Der sechste Abschnitt des Strafbuches enthält die Einträge der Feld-, Flur- und Wiesenfrevel aus den Jahren 1534 bis 1546. Diese Delikte wurden ausschließlich im Strafbuch verzeichnet. Es war die Aufgabe der Flurschützen, denen die Überwachung der Felder und Wiesen oblag, diese zu melden, damit sie vom Gericht geahndet und im Strafbuch verzeichnet werden konnten55. Den Feldfreveln ist eine Aufstellung über die Anzahl der Kötter, die in Nesselröden (23 Kötter), Desingerode (13 Kötter), Esplingerode (2 Kötter) und Germershausen (5 Kötter) ansässig wa56 ren, aus dem Jahr 1536 vorangestellt . Danach erfolgt zunächst die Auflistung derjenigen Frevel, die die Stadtflurschützen Hans Drengkeman, Andreas Schemelpennigk und Hans Piperen zwischen 1534 und 1539 vom Stadtschreiber registrieren ließen. Einen Einschnitt in der Auflistung der Feldfrevel stellt die Übersicht über die 1534 von dem Rat gemeinsam mit 51 52 53 54

55 56

Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 66 recto bis 71 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 12a recto bis 12a verso. Als Vorlage für einen Teil der Auflistung hat wohl der eingelegte Zettel zwischen fol. 11a verso und 12a recto gedient. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 21a recto bis 23a recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 25a recto bis 41a verso. Die Aufteilung entspricht der des ersten Abschnitts. Im Unterschied zum ersten Abschnitt werden die Vergehen, die von den Dorfbewohnern begangen wurden, unter der Rubrik „Villanorum“ zusammengefasst, wie auch schon im dritten Abschnitt. Auf die Aufgaben der Flurschützen wird an späterer Stelle genauer eingegangen, vgl. Kapitel Feldfrevel. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 82 recto.

Aufbau des Duderstädter Strafbuches

55

den Flurschützen festgelegten neuen Bußgelder für die verschiedenen Arten der 57 Feldfrevel dar . Anschließend wurden die Feldfrevel der Dorfbewohner von 1534 bis 1546 im Strafbuch verzeichnet. Die Namen der Dörfer dienen als Überschriften, unter denen die Frevel der Dorfbewohner notiert wurden. Diese Auflistung wird durch eine 58 kurze Passage unterbrochen, in der ergänzend die Feldfrevel der Stadt- und Vorstadtbewohner aus der Zeitspanne von 1544 bis 1545 eingefügt wurden. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Dörfer, für deren Bewohner in den Jahren 1534 bis 1546 Feldfrevel in das Strafbuch eingetragen wurden. Die Kreuze in der Tabelle besagen, dass der jeweilige Ort in dem Jahr im Strafbuch erwähnt wird. Darüber hinaus ist den Spalten, die mit „Flurschütze“ überschrieben sind, der Name des für das jeweilige Dorf zuständigen Flurschützen zu entnehmen. Die Namen der Flurschützen sind mit der Schreibweise im Strafbuch identisch. Die Schreibweisen der Namen variieren. Steht der Name des Flurschützen ohne weiteren Kommentar in dieser Spalte, dann sind zusätzlich zu dem Namen des Flurschützen auch Delikte im Strafbuch verzeichnet worden. Ist der Name des Flurschützen dem Strafbuch nicht zu entnehmen, wird durch den Vermerk „Taten verzeichnet“ deutlich gemacht, dass dennoch Delikte unter dem Namen des Dorfes notiert wurden. Für den Fall, dass nur der Dorfname, jedoch keine Delikte, in das Strafbuch eingetragen wurden, steht der Vermerk: „Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet“. Nur in zwei Fällen gaben die Flurschützen an den Rat die Information weiter, dass keine Taten begangen wurden. Die Angaben in Klammern verweisen auf die jeweiligen Seiten im Strafbuch. Die Reihenfolge der Dörfer in der Tabelle richtet sich nach der Reihenfolge, die sich an anderer Stelle im Strafbuch findet59. Begonnen wird mit Gerblingerode, Tiftlingerode, Immingerode und Nesselröden, den Dörfern der kleinen Vogtei. Es folgen die Kespeldörfer Seulingen, Germershausen, Desingerode, Werxhausen und Esplingerode. Anschließend werden die Dörfer der großen Vogtei aufgelistet. Dazu 60 zählen Westerode , Mingerode, Hilkerode, Langenhagen, Breitenberg, Fuhrbach und Brochthausen. Bei der Eintragung der Feldfrevel in das Strafbuch wurde diese Reihenfolge nicht durchgängig eingehalten.

57 58 59 60

Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 92 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 133 verso bis 135 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 17 recto bis 27 verso. Westerode gehört eigentlich zur kleinen Vogtei.

56

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546

Ort

1534 Flurschütze

1535 Flurschütze

Stadt und Vorstadt

X

Hans Drengkeman (83r-84r)

X

Andres Schemelpennigk (84r-86r)

Gerblingerode

X

Bernhart Kreter (92r): Es wurden keine Taten begangen.

X

Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet (104r).

Tiftlingerode

X

Taten verzeichnet (56r). Zuständig ist der Flurschütze von Immingerode (92v).

X

Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet (104r).

Immingerode

X

Taten verzeichnet (56v). Heine Liche (93r-93v)

X

Nesselröden

X

Casper Ramathe (94r-95r)

Seulingen

X

Germershausen

1536 Flurschütze X

Hans Drengkeman (86v-87r)

Wurde nicht berechnet (56v) Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet (104v).

X

Heine Rust (56v-57r) Heine Rust (114v-115r)

X

Hans Hottenroth (105r-105v)

X

Hans Bomcke (118r)

Hans Thwingkman (99r-100v)

X

Matten Herthoge (106v-107v)

X

Matten Herthoge (117r-117v)

X

Taten verzeichnet (101r-101v).

X

Michel Wegeneren (108r)

X

Hans Northeman (117v)

Desingerode

X

Taten verzeichnet (57v). Hans Farveren (96v-98r)

X

Taten verzeichnet (57v-58r). Jachim Kraghe (106r)

X

Hans Frittze (119r)

Werxhausen

X

Taten verzeichnet (57v). Hans Krage (95v-96r)

X

Taten verzeichnet (57v). Brendecke (105v)

Esplingerode

X

Hans Farvaren (98r-98v)

X

Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet (106v).

X

Marßschepel. Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet (119r).

Aufbau des Duderstädter Strafbuches

Ort

1534 Flurschütze

1535 Flurschütze

57

1536 Flurschütze

Westerode

X

Taten verzeichnet (102r).

X

Clawes Kyff (108v)

X

Clawes Kyff (115v)

Mingerode

X

Taten verzeichnet (102v-103r).

X

Hans Peters (109r)

X

Hans Didericks (114r)

Hilkerode

X

Andreaß Barkevelt (109v)

X

Lucas Balnhußen (116r-116v)

Langenhagen

X

Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet (110r).

Breitenberg

X

Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet (110v).

X

Cort Borcharts (115v)

Fuhrbach

X

Hans Kleyneheith (110r)

X

Henrick Struveren (118v)

Brochthausen

X

Hans Medemeck (110v)

X

Hans ßnell (117r)

58

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546

Ort

1537 Flurschütze

1538 Flurschütze

Stadt und Vorstadt

X

Andreas Schemelpennig und Hans Drengkeman (87r-89r)

X

Hans Drengkeman (89v-90r)

Gerblingerode

X

Steffan (120v)

X

Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet (126r).

X

Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet (126r).

Tiftlingerode

Immingerode

X

Taten verzeichnet (56v-57r). Casperen Buß (121r)

X

Taten verzeichnet (56v-57r). Nap (126r)

Nesselröden

X

Anthonius Moringk (121r-121v)

X

Folmaren Kock (127v)

Seulingen

X

Hans Sommeren (119v)

Germershausen

X

Valentin Dransfelth (123v)

Desingerode

X

Jochim Wittzell (120v)

Werxhausen

Esplingerode

X

Hinrick Barkevelt (128r)

1539 Flurschütze X

Hans Piperen und Hans Drengkeman (90v-91r)

X

Peteren Bomcke (128v)

X

Tat verzeichnet (58r).

X

Taten verzeichnet (58r). Jurgen Frittze (126v)

X

Taten verzeichnet (57v-58r).

X

Casper Krage (126v)

X

Taten verz. (57v). Matten Lorenz (129r) und Clawes Kalen (129v).

X

Hans Marsschepell (128r)

Aufbau des Duderstädter Strafbuches

Ort

1537 Flurschütze

1538 Flurschütze

1539 Flurschütze

Westerode

X

Simon Sulverman (122r)

X

Johan Schengkewalt (125v)

X

Taten verzeichnet (58r und 128r).

Mingerode

X

Andreaß Diderick (122v)

X

Affighe (128r)

X

Marten Bothmann (129r)

Hilkerode

X

Hans Mughe (123r)

Breitenberg

X

Hans Heine (120r)

Fuhrbach

X

Andreaß Konicke (120r-120v)

X

Hans Renshußen (127r)

Langenhagen

Brochthausen

59

60

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546

Ort

1540 Flurschütze

1541 Flurschütze

1542 Flurschütze

Stadt und Vorstadt Gerblingerode Tiftlingerode Immingerode Nesselröden

X

Hans Bunße (130r)

Seulingen

X

Cort Gotthen (130r-130v)

61

X

X

Jacob Rusth (131r-131v)

Germershausen Desingerode

X

Roleff Gelen (130v-131r)

X

Schengkewolt (129v)

X

Harmann Schorre (137v)

Werxhausen Esplingerode

Westerode Mingerode

X

X

62

Henrick Barkevelt. Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet (130r). Schengkewolt?

Hilkerode Langenhagen Breitenberg Fuhrbach Brochthausen

61 62

Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, den eingelegten Zettel zwischen fol. 130 verso und 131 recto. Diese Vergehen sind nur auf dem eingelegten Zettel verzeichnet. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 130 recto. Schengkewolt hat 1540 Vieh gepfändet.

Aufbau des Duderstädter Strafbuches

Ort

1543 Flurschütze

Stadt und Vorstadt

1544 Flurschütze

61

1545 Flurschütze

X

Drengkeman (135r)

X

Hans Drengkeman (133v-134v)

X

Balzaren Wittzell (136r)

X

Hans Ludecken: Er erhält seinen Lohn erst 1546 (138r).

Seulingen

X

Northman (135r-135v)

Germershausen

X

Hans Garden (136v) X

Lorenz Freckman (136v)

Gerblingerode Tiftlingerode Immingerode Nesselröden

X

Steffan Hottenroth (132r)

Desingerode

X

Ciriacus Frederich (133r)

X

Tat verzeichnet (58r).

Werxhausen

X

Lips Speth (131v)

X

Taten verzeichnet (57v). Jochem Pilshagen (132v)

Westerode

X

Tat verzeichnet (58r).

X

Taten verzeichnet (58r). Clawes Kyff (137r)

Mingerode

X

Jacob Helmolt (132r)

X

Hans Hildebrant (137v)

X

Hans Barkevelt (132v)

X

Hans Barkevelt (132v)

Esplingerode

Hilkerode Langenhagen Breitenberg Fuhrbach Brochthausen

62

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546

Ort

1546

Flurschütze

Stadt und Vorstadt 63

Gerblingerode

X

Nur Überschrift, keine Taten verzeichnet. (139v-140r)

Tiftlingerode

X

Hans Buß hat keinen Schaden feststellen können (140r).

Immingerode

X

Jacob Gerlach hat keinen Schaden feststellen können (140r).

Nesselröden

X

Beyerwerth (140v)

Seulingen

X

Andres Sommeren (138v-139r)

Germershausen

X

Hans Boeden (141v)

Werxhausen

X

Lips Spetht (140r)

Esplingerode

X

Hans Marsschepell (139v)

Westerode

X

Clawes Kyff (139r)

Mingerode

X

Harman Schurre (140v)

Langenhagen

X

Wilhelm Lichtte (141r)

Breitenberg

X

Matten Fredelandt (141r)

X

Hans Owden (142r)

Desingerode

Hilkerode

Fuhrbach Brochthausen

63

Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, den eingelegten Zettel zwischen fol. 139 recto und 139 verso. Der Zettel ist schwer zu entziffern. Vermutlich war Hans Knocke 1546 der Flurschütze von Gerblingerode. Hier wurden auch die entsprechenden Feldfrevel verzeichnet.

Quellenbewertung und Einordnung in den historischen Kontext

63

Der Tabelle ist zu entnehmen, dass in den Jahren 1534 bis 1537 relativ gründlich über die Feldfrevel Buch geführt wurde. Dazu passt der Eintrag von 1534, der besagt, dass der Rat mit den Flurschützen gemeinsam die Strafgelder für die verschie64 denen Feldfrevel festgelegt hat . Ab 1538, insbesondere 1540 bis 1543, weist die Aufzeichnung der Feldfrevel große Lücken auf. Erst 1546 wurde der Auflistung der Feldfrevel im Strafbuch wieder größere Aufmerksamkeit gewidmet. Das Strafbuch ist bis auf den sechsten Abschnitt nach zwei sich abwechselnden Ordnungsprinzipien angelegt worden. Es beginnt mit der Auflistung der Vergehen unter dem Wohnort des Delinquenten (Innenstadtviertel, die Vorstädte und einzelne Dörfer). Dann folgen im zweiten Abschnitt die jährlichen Auflistungen der Verfehlungen, die wiederum im dritten Abschnitt unter dem Wohnort des Täters teilweise wiederholt werden. Dieses abwechselnde Prinzip findet seine Fortsetzung im vierten und fünften Abschnitt. Das Abwechseln der Ordnungsprinzipien steht jedoch in keinem Zusammenhang mit dem Wechsel der Schreiberhände.

3.3 Quellenbewertung und Einordnung in den historischen Kontext Das Hauptcharakteristikum des Duderstädter Strafbuches sind die äußerst knapp gehaltenen Einträge – sie wirken notizbuchartig. Der Stadtschreiber hat die Begebenheiten summarisch und typisiert zusammengefasst. Dem Schreiber kommt also grundsätzlich eine Filterfunktion zu. In das Duderstädter Strafbuch hat er nur ganz wenige subjektive Bewertungen einfließen lassen. Das Strafbuch, in dem der Stadtschreiber im Auftrag des Rates die Vergehen der Duderstädter und der Bewohner der umliegenden Dörfer eintrug, wurde zunächst sehr gründlich, dann aber zunehmend unregelmäßig geführt. Es besteht – meiner Ansicht nach – eine Verbindung zwischen dem schleichenden Vernachlässigungsprozess des Strafbuches und dem Verhältnis von Rat und Schultheiß. Im 15. Jahrhundert wurden die Vergehen der Duderstädter Bürger und der Bewohner der zu Duderstadt gehörigen Dörfer in das jeweils aktuelle Stadtbuch eingetragen65. Um 153066 ging der Rat der Stadt Duderstadt dazu über, vom Kämmereischreiber ein Strafbuch führen zu lassen. Die Feststellung, dass der Rat dieses Strafbuch führen ließ, beruht auf folgenden Tatsachen: In das Strafbuch wurden diejenigen Vergehen eingetragen, die laut Statuten vom Rat mit einem Bußgeld belegt werden konnten. Ferner sind in diesem Register die Bußgelder für die Feldfrevel eingetragen worden, die ausschließlich dem Rat bzw. der Stadtkasse zustanden. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Rat ein Interesse daran hatte, diese Frevel zu registrieren. Überdies gibt ein Strafbucheintrag einen Hinweis 64 65 66

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 92 recto. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 404 und Nr. 519. Die Vergehen der vergangenen Jahre, für die die Geldbußen noch nicht entrichtet wurden, sind vermutlich nachgetragen worden.

64

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546

darauf, dass das Strafbuch im Auftrag des Rates geführt wurde: „Tenentes hochgewedde dem rade uth des schulze registeren geschreven de anno [15]35 et 67 [15]36“ . Aus diesem kurzen Eintrag geht hervor, dass „dem rade“, also für den Rat, die Vergehen aus dem Register des Schultheißen abgeschrieben wurden. Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass der Rat dieses Strafbuch führen ließ. In diesem Eintrag wird außerdem auf das Register des Schultheißen verwiesen. Der Schultheiß als Gerichtsvorsitzender ließ demnach ein zweites Strafregister über die Vorgänge vor dem Ratsgericht führen. Für ihn war es erforderlich – auch im Interesse des Landesherrn –, sich einen Überblick über die Forderungen aus den Strafgeldern zu verschaffen, da dem Landesherrn die Hälfte dieser Forderungen als Einnahmen zustanden. Dieses Register ist jedoch nicht erhalten geblieben. Das Strafbuch ist eine Ergänzung zu den jährlichen Rechnungsbüchern68, in denen nur die tatsächlich von der Stadt eingenommenen Strafgelder verzeichnet wurden. In den Rechnungsbüchern, die durchgehend um die 100 Seiten stark sind und in denen die Einnahmen und Ausgaben der Stadt aufgelistet wurden, nehmen die Einnahmen aus Strafgeldern im Höchstfall ein Blatt – und Rückseite beschrie69 ben – ein. Sie waren demnach nur ein kleiner Posten unter vielen . Die Delikte wurden im Strafbuch verzeichnet und die Eintragung solange wiederholt, bis das Bußgeld letztlich bezahlt oder abgeschrieben wurde. Es bleibt festzuhalten, dass die Kontrolle über die Strafgeldzahlungen, die eine finanzielle Einnahmequelle der Stadtkämmerei darstellten, und die Bußgeldforderungen Gründe für die Führung des Strafbuches waren. Dies belegt auch die Tatsache, dass die Quelle verhältnismäßig ausführlich über den Themenkomplex Zahlungsmodalitäten, Teilzahlungen und erlassene Strafgelder, aber wenig detailliert über die Vergehen unterrichtet. Ein weiterer Hinweis, der diese Behauptung stützt, ist, dass das Strafbuch auch Ende des Jahres 1546 noch nicht endgültig abgeschlossen wurde, obwohl man schon 1545 die letzten Vergehen70 und 1546 die letzten Feld-, Flur- und 71 Wiesenfrevel registrierte. Noch 1547 wurde das Strafbuch zur Hand genommen, 72 wenn Zahlungen nachzutragen waren . Im Gegensatz zu den Angaben, die mit den Strafzahlungen in Verbindung stehen, finden sich nahezu keine Informationen über den Verhandlungsablauf am Gericht. Ebenso wenig sind die Motive für die Vergehen oder die Zusammenhänge, in denen sie begangen wurden, notiert. Auch mangelt es an vollständigen Datums67 68 69

70 71 72

StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 62 recto. Es ist zu vermuten, dass das Strafbuch eine Filiation des Rechnungsbuches ist. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 5, 1908, S. 166–167. Jaeger äußert sich in diesem Aufsatz dahingehend, dass nach den Steuern die Einnahmen aus der Vergabe der Brauberechtigung und die Einnahmen aus dem Weinkeller des Rates die höchsten waren. Die Einnahmen aus den Bußgeldern bezeichnet er fälschlicherweise – wie an späterer Stelle nachgewiesen wird – als „willkommene Einnahmequelle“. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 25a recto bis 41a verso. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 138 verso bis 142 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 33a recto, fol. 39a recto bis 39a verso.

Quellenbewertung und Einordnung in den historischen Kontext

65

angaben. Bei vielen Delikten ist es nicht möglich, mit Sicherheit zu sagen, in welchem Jahr sie begangen wurden, weil die Jahreszahl beim Datum nicht angegeben wurde. Bei der überwiegenden Zahl der Eintragungen fehlen die Datumsangaben ganz. Im Strafbuch wurden die Vergehen in Kurzform notiert: der Täter, die Strafhöhe, ein Stichwort, das die Tat beschreibt, meistens ein Hinweis auf die Geschädigten, und hin und wieder wurden diejenigen genannt, die die Tat angezeigt hatten. Diesen knappen Eintragungen wurden nur dann Ergänzungen beigefügt, wenn diese sich auf die Strafgeldhöhe ausgewirkt haben. Die kärglichen Strafbuchvermerke dienten vermutlich als Gedächtnisstütze für mit der Materie vertraute Personen, die genau wussten, was sich hinter den wenigen Worten verbarg. Dies ist auch daran erkennbar, dass die Eintragungen bei Wiederholungen nur geringfügig variieren. Betrachtet man die verschiedenen Varianten eines Vermerks im Strafbuch und vergleicht sie mit dem Eintrag im Rechnungsbuch, können die Informationen über ein Delikt in geringem Maße vervollständigt werden73. Die knappen Einträge im Strafbuch weisen darauf hin, dass es ausreichte, wenn der Stadtschreiber wusste, von wem und wofür noch Geld einzufordern war. Da die Strafgelder häufig erst lange Zeit nach dem Begehen des Deliktes entrichtet wurden, war ein Notizbuch als Gedächtnisstütze dringend erforderlich. Das Strafbuch ist demnach eine obrigkeitliche Quelle, die vorrangig aus fiskalischem Interesse angelegt wurde. Es ist zudem davon auszugehen, dass der Rat mit der Strafbuchführung die Intention verfolgte, sich eine Grundlage für die Kontrolle der Buchführung des Schultheißen zu schaffen. In diesem Zusammenhang kann die Führung des Strafbuches als ein Versuch des Rates gewertet werden, seine ehemalige Position gegenüber dem Schultheißen zu behaupten. Aus dieser Sicht betrachtet, erfüllte das Strafbuch nur in den ersten Jahren seinen Zweck. Ab 1540 weist das Strafbuch zunehmend größere Lücken auf, so dass eine Überprüfung der Registrierungstätigkeit des Schultheißen höchstens noch in groben Zügen möglich war. Im Vergleich zu den jährlichen Rechnungsbüchern, die gut strukturiert und sauber geführt wurden, deutet der teilweise schwer nachvollziehbare Aufbau des Strafbuches darauf hin, dass ihm eine vergleichsweise geringere Bedeutung beigemessen wurde. Seine Führung wurde zeitweise sogar vernachlässigt. Dies wird zum Beispiel daran ersichtlich, dass die Vergehen für die Jahre 1540 und 1541 erst im Februar 1542 nachgetragen wurden74. Überdies ließ der Rat aufgrund der Lückenhaftigkeit des Strafbuches eine Abschrift von Delikten aus dem Register des 75 Schultheißen vornehmen . Aus einem Vergleich zwischen den Rechnungsbüchern und dem Strafbuch geht hervor, dass nicht alle Vergehen im Strafbuch notiert wurden. Die vielen eingelegten Zettel sind ein weiterer Hinweis auf die unregelmäßige 73 74 75

Im Strafbuch selbst wird durch einige Hinweise eine Verbindung zum Rechnungsbuch hergestellt. Vgl. zum Beispiel StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 55 recto, 22a verso und 26a recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 13a recto bis 23a recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 62 recto.

66

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546

Führung und Unvollständigkeit des Strafbuches. Die auf ihnen vermerkten Notizen wurden nicht immer in das Strafbuch übertragen. Ein Beispiel dafür ist das Fehlen der Abrechnung am Ende des Jahres 1537 im Strafbuch, von der lediglich ein 76 Fragment auf einem Zettel erhalten ist . Von 1532 bis 1536 wurden die Abrechnungen des Vogts vom Rusteberg, Kunz Gutjahr, mit dem Rat der Stadt Duderstadt, den Viermännern und dem Schulthei77 ßen in das Strafbuch eingetragen . Die Abrechnung wurde 1532 noch besonders gründlich durchgeführt. Das Einmahnen der ausstehenden Geldbußen erfolgte wohl so nachdrücklich, dass in diesem Jahr ungefähr zwei Drittel der Strafgelder bezahlt wurden. Die Abrechnung von 1537 befindet sich fragmentarisch auf einem eingelegten Zettel im Strafbuch. 1540 wurde für die Jahre 1538 und 1539 zusammen abgerechnet. Diese Rechnung ist ebenfalls einem eingelegten Zettel zu entnehmen, und für die Folgejahre sind die Abrechnungen im Strafbuch gar nicht mehr enthalten. Demnach kann anhand der Abrechnungseintragungen ein schleichender Vernachlässigungsprozess des Strafbuches festgestellt werden. Der Abbruch bei der Eintragung der Abrechnungen im Jahre 1540 lässt sich höchstwahrscheinlich darauf zurückführen, dass Albrecht von Brandenburg, der Mainzer Kurfürst, in diesem Jahr im Zuge seiner Verwaltungs- und Justizreformen den Umzug des Oberamtmannes vom Rusteberg nach Heiligenstadt durchführen ließ78. Es ist anzunehmen, dass erst einige Zeit vergehen musste, bis die neuen Behörden nach diesen tiefgreifenden Veränderungen ihre Arbeit vollständig aufnehmen konnten. Möglich ist auch, dass der Rat, nachdem er die Stellung des Schultheißen als Vorsitzendem des Ratsgerichts und der Duderstädter Verwaltung nach und nach akzeptiert hatte, dem Strafbuch keine große Bedeutung mehr beimaß, da der Schultheiß ein ähnliches Register führen ließ. Dementsprechend sind die Abrechnungen ab 1540 vermutlich nur noch in das Register des Schultheißen eingetragen worden, das aber nicht erhalten geblieben ist.

76 77

78

Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, den eingelegten Zettel zwischen fol. 70 verso und 71 recto. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 51 recto und 51 verso. 1532 erhält der Vogt Abgaben aus den Strafgelderträgen. Vgl. StadtA Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 51 recto. Für 1532 findet sich im Strafbuch erstmals die Erwähnung des Namens „Cuntze Gutiaren, voigt“, ohne irgendwelche Zusätze. Es kann vermutet werden, dass er neu in sein Amt eingesetzt und dies deshalb im Strafbuch verzeichnet wurde, da erst im folgenden Eintrag vermerkt wird, dass „Cunze Gutiaren, der voigt von Rusteberghe“ einen Geldbetrag erhalten hat. Die Namensschreibung variiert im Strafbuch. Auch Knieb vermutet, dass Kunz Gutjahr 1532 schon als Vogt vom Rusteberg fungierte. Vgl. Knieb, Philipp, Geschichte der Reformation und Gegenreformation auf dem Eichsfelde, Heiligenstadt 1909, S. 38. Aus der Auflistung der Vögte von Wilhelm Hucke geht hervor, dass Kunz Gutjahr außerdem in den Jahren 1551 bis 1561 Vogt vom Rusteberg gewesen ist. Vgl. Hucke, Wilhelm, Die Vögte der eichsfeldischen Ämter. In: Unser Eichsfeld. Zeitschrift des Vereins für Eichsfeldische Heimatkunde Jg. 34/1929, S. 226–230, hier S. 227. Vermutlich ist Kunz Gutjahr 1532 in sein Amt eingesetzt worden und hatte es bis 1561 durchgängig inne. Im Strafbuch ist seine Amtstätigkeit für die Jahre 1532 bis 1540 bezeugt. Vgl. Becker von Sothen, Regierung, 1994, S. 47–48.

Quellenbewertung und Einordnung in den historischen Kontext

67

Der Rat brachte dem Schultheißen nach der Einsetzung in die Position des Ratsgerichtsvorsitzenden und des Oberhauptes der Verwaltung im Jahr 1526 großes Misstrauen entgegen. Bis 1528, solange Sebastian Müller im Amt war, scheint der Rat noch keine Veranlassung dazu gesehen zu haben, eine Kontrolle über dessen Buchführung auszuüben. Sebastian Müller war kein gebürtiger Duderstädter, aber 79 er hatte schon vor Amtsantritt eine Duderstädterin geheiratet . Von den ersten Einträgen im Strafbuch sind die meisten den Jahren 1528 bis 1532 zuzuordnen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Strafbuchführung frühestens mit dem Amtsantritt des Schultheißen Michael Knochenhauer 1528, zwei Jahre nach dem Erlass der Albertinischen Ordnung, einsetzte. Knochenhauer war ein Fremder. Er war kein gebürtiger Duderstädter und hatte vor der Amtseinsetzung nachweislich nicht in Duderstadt gewohnt. Vermutlich war dies einer der Gründe, die den Duderstädter Rat dazu veranlassten, Knochenhauers Buchführung zu kontrollieren. Ein Beispiel dafür, dass die Kontrolle über die Amtsführung dieses Schultheißen anscheinend berechtigt war, ist dem Strafbuch80 zu entnehmen. Knochenhauer hatte 1532 Strafgeldzahlungen in Höhe von 22 Mark entgegengenommen. Da die Zahlungseingänge im Strafbuch verzeichnet wurden, waren sie dem Rat bekannt. Eine Strafbucheintragung aus dem Jahr 1536 besagt, dass dieser Geldbetrag dem Rat noch 81 nicht übergeben worden sei . Ohne die Führung eines Strafbuches wären diese Zahlungseingänge vermutlich – zu ungunsten des Rates – in Vergessenheit geraten. Darüber hinaus hat die neue Position des Schultheißen in der Stadt genügend 82 Konfliktstoff für Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Rat geboten . Der Entscheid des Kurfürsten von 1533 belegt, dass dem Schultheißen Michael Knochenhauer große Ablehnung seitens der Duderstädter entgegengebracht wurde. Ob seine Amtsführung den Kurfürsten veranlasste, ihn seines Amtes zu entheben, ist nicht zu klären. Ab Ende 1533 jedoch war Wulfgang Stehlin Schultheiß in Duderstadt. Auch Stehlin war kein gebürtiger Duderstädter. Zu Beginn seiner Amtszeit und dem Ende der Amtszeit Michael Knochenhauers wurde der Führung des Strafbuches die größte Aufmerksamkeit gewidmet. Schon gegen Ende der Amtszeit von Wulfgang Stehlin, aber verstärkt, als Johannes von Schnehen, ein Duderstädter, von 1538 bis 1544 das Amt des Stadtschultheißen bekleidete, wurde die Strafbuchführung vernachlässigt. Diese Entwicklung zeigt, dass sich der Duderstädter Rat nach 79 80 81 82

Vgl. Lerch, Christoph, Die Duderstädter Stadtschultheißen. In: Goldene Mark. Zeitschrift für die Heimatarbeit im Kreise Duderstadt Jg. 20/1969, S. 33–43, hier S. 39. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 44 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 verso. Vgl. Gottschalk, Karin, „auß dem Stattgericht ein Ambtsgericht zu machen“. Lokale Gerichtsbarkeit zwischen landesherrlichen Amtsträgern und städtischem Rat in Grebenstein (18. Jahrhundert). In: Flemming, Jens/Puppel, Pauline/Troßbach, Werner/Vanja, Christina/Wörner-Heil, Ortrud (Hg.), Lesarten der Geschichte: ländliche Ordnungen und Geschlechterverhältnisse. Festschrift für Heide Wunder zum 65. Geburtstag, S. 317–332. Hier wird auch für Grebenstein geschildert, wie sich der Rat und der landesherrliche Amtmann um die Kompetenzen der Gerichtshoheit gestritten haben.

68

Das Duderstädter Strafbuch von 1530 bis 1546

anfänglichem Misstrauen und verstärkten Protesten sowie dem Versuch, seine Position gegenüber dem Stadtschultheißen zu behaupten, langsam mit den vom Kurfürsten verordneten Kompetenzeinbußen und mit der neuen Stellung des Stadtschultheißen arrangiert hatte. Vermutlich wurde, nachdem dieser Prozess abgeschlossen war, die Führung des Strafbuches eingestellt. Diese Entwicklung spiegelt sich in dem schleichenden Vernachlässigungsprozess des Strafbuches, der mit dem Abbruch der Strafbuchführung endete, wider. Ein Strafbuch, das an das von 1530 bis 1546 anschließt, ist im Stadtarchiv Duderstadt nicht auffindbar. Die Rechnungsbücher von 1547 und 1548 sind nicht erhalten. In dem Rechnungsbuch, in das die Einnahmen von 154983 eingetragen wurden, befindet sich die Auflistung der Einnahmen aus Feldfreveln auf der Seite 84 neben denen aus den anderen Vergehen . Dies deutet darauf hin, dass die Führung des Strafbuches, in dem die Feldfrevel breiten Raum eingenommen hatten, nach 1546 nicht beibehalten wurde. Hinzu kommt, dass die Rechnungsbücher für den Zeitraum von 1530 bis 1546 keine Seite aufweisen, auf der die Einnahmen für die begangenen Feldfrevel registriert wurden. Offen bleiben muss die Frage, ob die Nachlässigkeit der Delinquenten beim Bezahlen der Strafgelder ein weiterer Grund für die Vernachlässigung des Strafbuches war. Der Aufwand, ein Strafbuch zu führen, war im Verhältnis zum Ertrag sehr groß und der Nutzen des Strafbuches anzweifelbar, zumal der Schultheiß ein Strafregister über die gleichen Vorgänge vor dem Gericht führen ließ. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass der Rat das Strafbuch in der Hauptsache aus Opposition zum Schultheißen, also aus fiskalischem und politischem Interesse führen ließ, bis das Gremium sich mit der neuen Ordnung arrangiert hatte.

83 84

Vgl. StadtA. Dud., AB 106. Für das Jahr 1549 existiert noch ein zweites Rechnungsbuch, in dem die Ausgaben verzeichnet worden war. Vgl. StadtA. Dud., AB 107. Vgl. StadtA Dud., AB 106, fol. 53 verso und 54 recto.

4 Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 4.1 Der städtische Frieden in Duderstadt Die Stadtherren in der Frühen Neuzeit waren sehr darauf bedacht, ihre Städte durch Stadtmauern und aufwendige Befestigungsanlagen mit Wällen und Gräben vor feindlichen Angriffen zu schützen. Allein die Tatsache, dass die Städte die immensen Ausgaben für die Instandhaltung und den Ausbau von Befestigungsanlagen nicht scheuten, macht offenkundig, welch große Bedeutung die Bewohner ihrem 1 Schutz beimaßen . Für den Bereich innerhalb der Stadtmauer wurde ein absoluter und allumfassender Friede angestrebt. Die Stadt wurde als ein Sonderfriedensbe2 reich angesehen . Die Bürger mussten schwören, den Stadtfrieden einzuhalten. Die Fehde und andere Formen der Selbsthilfe mit dem Ziel, sich eigenmächtig Recht zu verschaffen, waren verboten. Das Leben der Stadtbewohner wurde durch die städtischen Statuten stark reglementiert. Diese Vorschriften griffen – nach heutigem Verständnis – tief in den privaten Bereich des Einzelnen ein. Kleidervorschriften, Bestimmungen für das Handwerk, Hochzeits- und Taufordnungen, Maßregeln für das Verhalten bei Tanzveranstaltungen und anderen Festlichkeiten, Spielverbote usw. sollten die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Friedens sowie die Absicherung der Rechte der verschiedenen sozialen Gruppen, die in den Städten zusammenlebten, garantieren. Über die Einhaltung der Vorschriften hatte jeder Stadtbewohner zu wachen. Verstöße waren bei der Obrigkeit anzuzeigen. Dieser Idealvorstellung vom Stadtleben wird in der folgenden Untersuchung der Alltag in Duderstadt gegenübergestellt. Anhand des Duderstädter Strafbuches wird die Diskrepanz zwischen Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit, zwischen Statuten und Rechtsprechung, evident. Duderstadt war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Ackerbürgerstadt mit circa 3.200 bis 3.500 Einwohnern3. Die Stadt war von einer Befestigungsanlage, bestehend aus Mauer, Wall und Graben, umgeben. Als Reaktion auf die veränderte Waffentechnik um 1500 wurde ein zweiter, die Vorstädte umschließender 1 2

3

Vgl. van Dülmen, Richard, Kultur und Alltag in der frühen Neuzeit, Dorf und Stadt, 16.–18. Jahrhundert, Bd. 2, München 1992, S. 63. Vgl. Isenmann, Stadt im Spätmittelalter, 1988, S. 74. Auch nach Jansen wird der Stadtfriede in der Forschung als ein abgegrenzter Friedensbereich angesehen. Vgl. Jansen, Stefanie, Der gestörte Friede, 2002, S. 83–131. Vgl. Wojtowytsch, Myroslaw, Duderstadt. Ein entwicklungsgeschichtlicher Überblick. In: Gerlach, Vincenz/Meincke, Helga/Steckhan, Dietrich/Wojtowytsch, Myroslaw, Das Eichsfeld (Landschaften Niedersachsens und ihre Probleme, Folge 4), Hannover 1985, S. 55–76, S. 62. Die Einwohnerzahl beruht auf einer Schätzung, bei der die Anzahl der Schoßpflichtigen, die in den Rechnungsbüchern verzeichnet sind, mit dem Faktor 4,5 multipliziert wurde. Es wurde dabei davon ausgegangen, dass „ein Schoßpflichtiger in der Regel vier bis fünf Personen repräsentierte“. Vgl. auch Jaeger, Verfassung und Verwaltung, 1912, Teil 10, S. 172. Jaeger multiplizierte die Zahl der Schoßpflichtigen mit dem Faktor 5.

70

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

Befestigungsring angelegt, der aus Wall und Graben bestand und mit knickfähigem Holz, also einer Hecke, bewachsen war. Ein weiterer Befestigungsring, auch Knick oder Landwehr genannt, war ebenso aufgebaut und umschloss die elf Ratsdörfer sowie einen Teil der städtischen Feldflur. Der Verkehr wurde so auf die wenigen Straßen und Wege gelenkt, die mit einem Schlagbaum gesichert waren. Zur besseren Überwachung wurden Türme auf Anhöhen, auch Warten genannt, errichtet, 4 von denen aus die Straßen und die nähere Umgebung kontrolliert werden konnten . Die Bedeutung, die dem Schutz der Stadt und ihrer Bewohner zukam, kann auch an den zahlreichen Bestimmungen der Statuten über das Verhalten bei feindlichen 5 Angriffen abgelesen werden . Das enge Zusammenleben vieler verschiedener sozialer Gruppen auf engem Raum in den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten, das zwangsläufig zu Konflikten führen musste, machte Vorschriften für die Aufrechterhaltung 6 des inneren Friedens und der Sicherheit notwendig . In Duderstadt übernahm der Stadthauptmann, der in der Regel dem in dieser Gegend ansässigen Adel entstammte, neben der technischen Aufsicht über die gesamte Kriegsausrüstung von Stadt und Bürgerschaft auch die Aufsicht über die Ausübung der „Polizeigewalt“ des Rates. Zu seinen Aufgaben zählten die Kontrolle der Wachdienste bei Tag und Nacht sowie die rechtzeitige Öffnung bzw. Schließung der Stadttore und die ordnungsgemäße Aufbewahrung der Schlüssel. Er hatte für den inneren Frieden der Stadt zu sorgen und Versammlungen des Volkes zu unterbinden. Bei der Erfüllung seiner Aufgaben standen ihm in Friedenszeiten acht bis neun berittene Bedienstete zur Seite7. Der Rat besoldete neben dem Stadthauptmann einen 8 Wachtmeister, einen Feuerwächter und den Türmer . Aus den Bestallungen geht hervor, dass die Stadt nachts durch mehrere Wächter kontrolliert wurde. Ein 9 Wächter bewachte den Wall, ein anderer das Rathaus . Zwei Feuerwächter sollten nachts in ihrer Stube liegen. Der eine sollte jeweils zwischen 21 Uhr und 22 Uhr sowie zwischen 23 Uhr und 24 Uhr seine Rundgänge machen, der andere nach 10 Mitternacht zwischen 1 Uhr und 2 Uhr sowie zwischen 3 Uhr und 4 Uhr . Der Eid, den der Türmer auf dem Turm der Oberen Kirche bei Dienstantritt zu schwö4

5 6 7 8

9 10

Vgl. Wojtowytsch, Duderstadt, 1985, S. 60 und Ehbrecht, Ulrike, Die Befestigung der Stadt Duderstadt. Mauer, Türme, Wall und Landwehr: Ergebnisse der archivalischen Forschung, Duderstadt 1993, S. 98–121. Vgl. die Ausführungen über die Wehrverfassung bei Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 3, 1908, S. 18–24. Vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 117. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 3, 1908, hier S. 30. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 6, 1909, S. 97–107. Jaeger fasst in diesem Aufsatz einen Teil der Bestallungen der Stadtbediensteten zusammen und hält fest, dass diese Einsetzungen sich im Laufe der Jahrhunderte kaum verändert haben. Daher werden die hier angeführten Bestallungen, auch diejenigen, die nicht aus dem Untersuchungszeitraum stammen, für diesen als gültig angesehen. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 6, 1909, S. 102. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 6, 1909, S. 103.

Der städtische Frieden in Duderstadt

71

ren hatte, besagte, dass sich immer, bei Tag und bei Nacht, entweder der Türmer oder einer seiner Bediensteten auf dem Turm aufzuhalten habe. Sie sollten sich gründlich umsehen und bei der Entdeckung von Feuer, Kriegsvolk oder anderer 11 Gefahr die Trompete zur Warnung blasen . Darüber hinaus sollten sie zu jeder Tages- und Nachtzeit durch ein Trompetensignal diejenigen Reiter ankündigen, 12 die in die Stadt wollten oder an der Stadt vorbeiritten . Ferner waren – wie in frühneuzeitlichen Städten üblich – die Straßen nachts durch Ketten und Schläge gesichert, die von den Wächtern zu festgelegten Zeiten geöffnet und geschlossen 13 werden mussten . Durch diese Maßnahme sollten das Begehen von Straftaten bei Nacht erschwert und nächtliche Zusammenkünfte sowie Aufruhr von Bürgern verhindert werden. In diesen Zusammenhang ist auch das generelle Versammlungsverbot für Bürger und Gilden einzuordnen, das der Kurfürst erstmals 1515 14 erließ und in der Folgezeit mehrfach wiederholte . Als weitere vorbeugende Maßnahme kann das alljährliche öffentliche Verlesen der städtischen Statuten vor dem Rathaus, bei dem die gesamte Einwohnerschaft 15 Duderstadts anwesend zu sein hatte, gewertet werden . Dies sollte der Aufklärung über geltendes Recht dienen und die Paragraphen der Statuten bei den Einwohnern in Erinnerung rufen. Um das Ausufern von Streitigkeiten zumindest in einigen Fällen verhindern zu können, war es den Herren des alten und des neuen Rates erlaubt, zu zweit bei sich anbahnenden Streitigkeiten sofort einzuschreiten und zu bestimmen, dass der 16 Streit für acht Tage aufgeschoben werden sollte . Waren die Anlässe der Streitigkeiten von geringerer Bedeutung oder spontan aus einer Situation heraus entstanden, bestand die Möglichkeit, dass sich die erhitzten Gemüter innerhalb dieser Zeitspanne wieder beruhigten. Wenn trotz aller Vorkehrungen Verbrechen begangen wurden, die als Konsequenz eine Hinrichtung nach sich zogen, so wurde diese öffentlich inszeniert. Die Hinrichtungen unterlagen einem genau festgelegten Ritual, das „die Wiederherstellung des Rechts mittels Zufügung körperlicher Pein an demjenigen, der die allgemein anerkannte Ordnung verletzte“17, bezweckte. Darüber hinaus mussten die Strafen so grässlich sein, dass sie zur Abschreckung vor gleichen oder ähnlichen 18 Verbrechen dienen konnten . Ob die öffentlichen Hinrichtungen jedoch diesen 11 12 13 14 15

16 17 18

Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 6, 1909, S. 104. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 6, 1909, S. 103. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 7, 1909, S. 154 und ders., UB Dud., 1885, Nr. 520, S. 368. Vgl. Wolf, Duderstadt, Bd. 2, 1803, S. 116. Vgl. Jaeger, Julius, Duderstädter Statuten. In: Unser Eichsfeld. Zeitschrift des Vereins für Eichsfeldische Heimatkunde Jg. 13/1918, Teil 1: S. 31–50 und Teil 2: S. 72–84; Jg. 14/1919, Teil 3: S. 14–35, hier Teil 1, 1918, S. 32. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 163. Van Dülmen, Richard, Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafrituale in der frühen Neuzeit, (4. Auflage) München 1995, S. 8. Vgl. van Dülmen, Theater des Schreckens, 1995, S. 7–8.

72

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

Zweck erfüllten, ist fraglich. Muchembled vermutet, dass eine hohe Zahl von Hinrichtungen eher zur Abstumpfung der Menschen gegenüber dem Tod beigetragen 19 hat . Auch in Duderstadt hat es im 16. Jahrhundert eine Reihe von Hinrichtungen gegeben. In den Duderstädter Rechnungsbüchern für die Jahre von 1529 bis 1546 geht aus den entsprechenden Seiten unter dem Rubrum „suspensori“ hervor, dass 20 1529, 1534, 1536 und 1538 jeweils eine Person hingerichtet wurde . Jaeger entnahm anderen Ausgabeposten der Rechungsbücher Hinweise auf weitere Hinrich21 tungen in diesem Zeitraum.

4.2 Friedensbrüche Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, Abschreckungs- und Aufklärungsmaßnahmen wurden immer wieder größere und kleinere Delikte begangen, die der Duderstädter Kämmereischreiber unter einem Stichwort in das Strafbuch des Ratsgerichts eintrug. Zunächst werden hier die Friedensbrüche, also jede Art der verbalen oder tätlichen Auseinandersetzung, näher betrachtet. Der Hausfriedensbruch war eine Sonderform des Friedensbruches, da das Haus unter einem besonderen Schutz stand. Dabei wird zwischen den Hausfriedensbrüchen in Privathäusern und in öffentlichen Gebäuden unterschieden. Gesondert davon werden die Friedensbrüche auf offener Straße und der Totschlag, der laut Duderstädter Statuten ebenfalls als Friedensbruch eingestuft werden kann, analysiert. Auf eine statistische Auswertung der Häufigkeit der einzelnen Delikte im Vergleich zu der Anzahl der Eintragungen im Strafbuch muss verzichtet werden, weil die häufige Mehrfachnennung der einzelnen Delikte die Anzahl der Strafbucheintragungen auf 3.105 ansteigen ließ. Diese Zahl kann als Richtwert angesehen werden. Als Grundlage für eine statistische Auswertung ist sie jedoch ungeeignet, da sie nicht der Anzahl der Delikte entspricht. Die vormoderne Gesellschaft in der Stadt und in ländlichen Gebieten zeichnete sich durch ein hohes Maß an Konflikthaftigkeit, aber auch an Konfliktfähigkeit aus. Die Menschen in der Frühen Neuzeit kannten viele Strategien der Konfliktbewältigung. Dazu gehörte insbesondere die außergerichtliche Konfliktbewältigung. Diese Strategien standen teils in Konkurrenz, teils in Zusammenhang mit der obrigkeitli-

19 20

21

Vgl. Muchembled, Robert, Kultur des Volkes – Kultur der Eliten. Die Geschichte einer erfolgreichen Verdrängung, Stuttgart 1982, S. 35. Vgl. StadtA. Dud., AB 89a, fol. 77 verso; AB 93, fol. 97 recto; AB 95, fol. 194 recto; AB 97, fol. 395 verso. Dies waren jedoch nicht alle in Duderstadt in diesem Zeitraum vorgenommenen Hinrichtungen, vgl. Jaeger, Bilder, Bd. 2, 1922, S. 33. Vgl. Jaeger, Bilder, Bd. 2, 1922, S. 33.

Friedensbrüche

73

22

chen Konfliktlösung . Gewalt war bei Konflikten häufig im Spiel und in der vormodernen Gesellschaft klaren Regeln unterworfen, sowohl durch die auf der informellen Ebene bestehenden Ordnungsvorstellungen als auch durch die obrigkeitlichen 23 Statuten . Gewalt war die „nahezu ausnahmslos männliche Reaktion auf verbale 24 oder gestische Ehrverletzungen“ . Die Konflikte, die darin gipfelten, dass sie als Friedensbrüche in das Strafbuch eingetragen wurden, werden hier näher untersucht. Unter die Friedensbrüche fallen alle Formen von verbalen und tätlichen Auseinandersetzungen sowie die Erregung öffentlichen Ärgernisses. Es ging also zum Beispiel um Beleidigungen, das Benutzen von Schimpfworten, Streitereien, Ruhestörung, Gewaltandrohung, Schlägereien und Messerstechereien. Die folgenden Paragraphen geben Auskunft darüber, wie Friedensbrüche gemäß den Duderstädter Stadtstatuten geahndet werden sollten. Bei den Körperverletzungen richtete sich das Strafmaß nach der Schwere der Verletzung. Schläge, die Schwellungen zur Folge hatten, sowie Wunden und Scheltworte, die nicht so schwer waren, dass eine Gefängnisstrafe gerechtfertigt gewesen wäre, sollten mit fünf Mark verbüßt werden25. Wurde jedoch der Friede durch eine Gewaltanwendung gebrochen, die eine Lähmung der Finger oder der Zehen oder Wunden zur Folge hatte, die so tief waren, dass eine Gefängnisstrafe gerechtfertigt gewesen wäre, betrug das Strafgeld zehn 26 Mark . Kam es infolge eines Friedensbruches bzw. von Gewaltanwendung zur Lähmung von Körper, Augen, Armen oder Beinen oder dazu, dass der Betroffene 27 taub oder geistesgestört wurde, war eine Buße von 16 Mark zu entrichten . Einen 28 Totschlag hatte der Täter mit einem Strafgeld von 24 Mark zu sühnen . Anhand dieser Paragraphen der Statuten wird deutlich, dass das Strafmaß beim Friedensbruch von der Schwere des Vergehens abhängig war. 4.2.1 Hausfriedensbruch in Privathäusern Eine zentrale Rolle im Leben der Menschen des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit spielte nicht nur die Familie, sondern auch das Haus. Das „ganze Haus“ war eine Lebensgemeinschaft, „eine Institution, die allein unter den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen der Frühen Neuzeit das soziale Überleben orga-

22

23 24 25 26 27 28

Vgl. z.B. Eriksson, Magnus/Krug-Richter, Barbara, Streitkulturen – Eine Einführung. In: Eriksson, Magnus/Krug-Richter, Barbara (Hg.), Streitkulturen. Gewalt, Konflikt und Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft (16.-19. Jahrhundert), Köln/Weimar/Wien 2003, S. 1. Vgl. z.B. Eriksson/Krug-Richter, Streitkulturen, 2003, S. 16. Krischer, Berichte und Kritik, 2006, S. 392. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 246. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 244. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 243. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 242.

74

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 29

30

nisieren konnte“ . Daher wurde auch dem Hausfrieden, einem Sonderfrieden , in den Normvorstellungen dieser Zeit eine besondere Bedeutung beigemessen. Alle Formen der verbalen oder tätlichen Auseinandersetzung im Haus sowie Sachbeschädigung durch Gewaltanwendung im oder am Haus wurden als Hausfriedensbruch angesehen. Der Hausfrieden wurde dadurch besonders geschützt, dass die Hausbewohner das Recht besaßen, Störungen des Hausfriedens umgehend und, 31 ohne eine Strafe befürchten zu müssen, selbst zu ahnden . Im Folgenden wird sich zeigen, dass Ideal und Realität gerade in Bezug auf den Hausfrieden weit auseinanderklafften. In den Duderstädter Statuten befassen sich gleich mehrere Paragraphen mit dem Schutz des Hausfriedens. Die Störung des Hausfriedens wurde folgendermaßen reglementiert: „Welk man deme andern des dages edir des nachtes in sin hus stiget edir geit unde ome schaden deit an synem goude, ome edir synem gesinde vordreyt deyt, wor deme rade dat to wetende wert, die schal der stad eyne mark geven unde vyre weken innesitten edir utewesen, hey entledege sek des med rechte“ 32. Nach diesem Paragraphen wurden das unerlaubte Eindringen ins Haus, Beschädigungen in und am Haus sowie auch das Hervorrufen von Missmut bei dem Hausherrn und seinem Gesinde als Hausfriedensbruch angesehen. Dabei sollte der Hausfriedensbruch, gleichgültig zu welcher Tages- oder Nachtzeit er verübt wurde, auf die gleiche Weise bestraft werden: Es wurde die Zahlung von einer Mark an die Stadt gefordert und ein vierwöchiger Hausarrest verhängt oder eine ebenso lange Aussperrung aus dem Haus. Das unerlaubte Eindringen in den Haushof am Tag sollte mit einer ähnlich hohen Strafe wie der Hausfriedensbruch geahndet werden: „Welk man deme andern des dages in synen hof stiget unde sin krud nympt unde oms schaden deyt an synem ovete unde an synen tunen wie darmede beseyn wert, die schal deme vif schillinge geven unde der stad eyne mark unde schal veire weken innesitten edir utewesen unde schal den schaden gelden na rechte“33. Demnach fiel das Betreten des Hofes und das Entwenden von Gartengemüse oder Früchten bei Tag noch nicht 34 unter Diebstahl, sondern erst, wenn es bei Nacht geschah . Ein weiterer Paragraph der Statuten gestand den Hausbewohnern Straffreiheit für das zu, was sie einem 35 Missetäter antaten, den sie auf frischer Tat in ihrem Haus ertappten . Dadurch wurde den Hausbewohnern das Recht eingeräumt – dies galt insbesondere für den Hausherrn, der für die Aufrechterhaltung des Friedens im Haus verantwortlich war –, den Hausfrieden eigenmächtig zu verteidigen, ohne sich dabei strafbar zu machen. Diese Bestimmung wurde an anderer Stelle der Statuten auf das Recht auf 29 30 31 32 33 34 35

Van Dülmen, Richard, Kultur und Alltag in der frühen Neuzeit. Das Haus und seine Menschen, 16.18. Jahrhundert, Bd.1, München 1990, S. 12 und S. 23. Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 298. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 133. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 145. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 143. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 144. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 133.

Friedensbrüche

75

die straffreie Verteidigung allen Eigentums, also vom Haus auf den Garten, den Hof, die Felder, das Holz und andere Güter, ausgedehnt. Schlägereien waren als Abwehrund Verteidigungsmaßnahme geduldet. Nur wer unter diesen Umständen einen 36 Totschlag beging, musste ihn sühnen . Diese Bestimmungen der Statuten standen seit 1434 ergänzend nebeneinander. Nur der Paragraph über das Eindringen in den Hof bei Tage und das Entwenden von „Kraut“ wurde zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt gestrichen und damit außer Kraft gesetzt. Insgesamt betrachtet stand laut Statuten das Eigentum, also Haus, Hof, Garten, die Felder und das Holz, unter einem besonderen Schutz, der über die Bestimmungen, die die allgemeinen Friedensbrüche betrafen, hinausging. Aufgrund des Rechtes auf straffreie Verteidigung des Eigentums galt das Haus als ein Sonderfriedensbereich. Die Rechtsprechungspraxis, die im Strafbuch überliefert ist, bestätigt, dass der gesamte umzäunte Bereich, also Haus, Hof und Garten, als eine schützenswerte Einheit betrachtet wurde. Der Hausfriedensbruch und das Eindringen in den Hof oder den Garten wurden bis auf sehr seltene Ausnahmen von dem Ratsgericht mit einer Geldbuße von fünf Mark bestraft37. Obwohl das Eindringen in Hof oder Garten im Strafbuch nicht ausdrücklich als Hausfriedensbruch bezeichnet wurde, schloss das Recht auf Verteidigung des Eigentums auch diese Bereiche und weiteres Eigentum ein. Wenn die Verletzungen, die bei einem Hausfriedensbruch einer Person zugefügt wurden, ein bestimmtes Maß überschritten, wurde das Vergehen mit einem höheren Strafgeld geahndet. Dies wird an dem Fall von Hans Fygen deutlich, der seiner Mutter in ihrem Haus blutende Verletzungen zugefügt hatte und daher ein Strafgeld von zehn Mark entrichten sollte38. Damit galten die allgemeinen Richtlinien für Gewaltanwendung auch für die Vergehen innerhalb der Häuser. Die Gewaltakte im Haus gingen vermutlich in der Regel nicht über ein bestimmtes Ausmaß hinaus, da es sich bei der Ahndung des oben genannten Hausfriedensbruches mit einer Strafe von zehn Mark um einen Ausnahmefall handelte. Die normativ festgelegten Strafen „Hausarrest“ oder „Aussperrung aus dem Haus“ werden im Strafbuch nicht ein einziges Mal erwähnt oder angedeutet. Diese beiden Maßnahmen hätten sich negativ auf die finanzielle Situation des Täters ausgewirkt, zumal der Großteil der Hausgemeinschaften in der Frühen Neuzeit nur ein knappes Auskommen hatte. Der vierwöchige Hausarrest des Hausherrn hätte vermutlich in den meisten Fällen genügt, die wirtschaftliche Existenz der Hausgemeinschaft zu gefährden. Dies dürfte jedoch nicht im Interesse des Stadtrates gewesen sein. Die Obrigkeit und auch die Nachbarschaft waren daran interessiert, 36 37

38

Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 134. Um das Verhältnis der Strafgelder gegenüber Sachwerten zu veranschaulichen, sind folgende Beispiele zu nennen: In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts kostete ein Pferd zwischen 4 ½ und 11 Mark, 6 Malter Hafer kosteten ungefähr eine Mark. 1506 kaufte der Rat 200 Hufeisen für 10 Mark. Vgl. Jaeger, Duderstadt, 1886, S. 16 und S. 27. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 70 verso.

76

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

dass die einzelnen Hausgemeinschaften ein Auskommen hatten, da dies die allgemeine Ordnung sichern sollte. Daher verhängte der Rat eher eine Geldstrafe. Für den Zeitraum von 1521 bis 1546 sind ungefähr 180 Hausfriedensbrüche im 39 Duderstädter Strafbuch verzeichnet . Zählt man noch vier Fälle von unerlaubtem Betreten des Gartens und 32 von unerlaubtem Betreten des Hofs hinzu, dann hätten in 26 Jahren 217 Fälle , d.h. häufiger als zweimal in drei Monaten, mit Hausarrest oder Aussperrung aus den Haus bestraft werden müssen. Gerade beim Hausfriedensbruch ist jedoch von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Aus dem Duderstädter Strafbuch sind zwei Fälle zu entnehmen, in denen Männer bestraft wurden, weil sie Hausfriedensbrüche, die in ihrem Haus begangen 40 worden waren, nicht angezeigt haben . Die Strafhöhe beträgt für dieses Vergehen ebenfalls fünf Duderstädter Mark. Es ist anzunehmen, dass in einer Kleinstadt aufgrund der Kontrolle durch die Öffentlichkeit kaum eine Straftat verborgen blieb, die auf offener Straße am Tage begangen wurde. Auch nächtliche Gewaltakte jedweder Art verursachten Lärm und blieben von den Einwohnern der umliegenden Häuser wohl nur selten unbemerkt. Wenn überhaupt bot allein das Haus genug Schutz, um Streitigkeiten oder kleine Schlägereien vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Der überwiegende Teil der Hausfriedensbrüche wurde in Privathäusern begangen. So wenig ausführlich das Strafbuch auch über die Einzelheiten Auskunft gibt, so wird doch deutlich, dass der Hausfriedensbruch eine Vielzahl von Formen annehmen konnte. Kam es zu Streitigkeiten, war fast immer war Gewaltanwendung im Spiel41. Unter die heutige Kategorie Sachbeschädigung fällt zum Beispiel das Vergehen von Andreas mit dem Bart, der bei dem Haus von Mecken die Fenster 42 ausgeschlagen hat . Auch das gewaltsame Eindringen von Tile Gißeleren in das 43 Haus von Gertrud Nolten und das Delikt von Hans Muller, der in dem Haus von 44 Bestian Roleves mit einem Beil um sich gehauen hat, fallen in diese Kategorie . Darüber hinaus kam es auch zu Schlägereien im Haus. Vermutlich wurden sie meist mit Fäusten ausgetragen, da Gegenstände, die zum Schlagen benutzt wurden, im Strafbuch nur vereinzelt genannt werden. Henrick Beckman aus Nesselröden hat beispielsweise sowohl Hans Heßen von Wende als auch dessen Sohn mit einer 45 Kanne geschlagen . Warneren Nachweyden benutzte eine Schüssel, um jemanden

39 40 41

42 43 44 45

Eine exakte Zählung der Einträge ist aufgrund von Wiederholungen und zum Teil sehr ungenauen Angaben zu den einzelnen Fällen nicht durchführbar. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 recto und 28a recto. Schon Osenbrüggen hat ein Verzeichnis über die verschiedenen Formen des Hausfriedensbruches zusammengestellt. Vgl. Osenbrüggen, Eduard, Der Hausfrieden. Ein Beitrag zur deutschen Rechtsgeschichte, Erlangen 1857, S. 57–71. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 61 recto und 1a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 55 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 63 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 67 recto und 8a verso.

Friedensbrüche

77

46

im Haus von Bestian Henckelen damit zu bewerfen . Dabei entsteht der Eindruck, dass die Täter oftmals nach einem beliebigen Gegenstand gegriffen haben, der sich gerade in Reichweite befand. Dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um geplante Angriffe auf den Hausfrieden oder gegen Personen handelte, sondern eher um situationsbedingte Reaktionen, höchstwahrscheinlich auf Verletzungen der Ehre. Das Messerzücken war in vielen Städten ein häufiges Vergehen und wurde als Drohgebärde gewertet. Wenn das Messer gezückt wird, ist das der Moment, in dem beide Parteien ohne Gesichtsverlust aus dem Streit „aussteigen“ oder Dritte schlichtend eingreifen konnten47. Im Duderstädter Strafbuch wird dieses Delikt in 48 abgewandelter Form als „wapen gethogen“ nur sehr selten erwähnt. Es könnte auch sein, dass das Messerzücken im Duderstädter Raum nicht so eine hohe symbolische Bedeutung hatte, dass es eigens erwähnt werden musste. Auch in Görlitz war 49 es kein Ritual . Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass unter den vielen Hausfriedensbrüchen in Duderstadt, die nicht näher beschrieben werden, auch Fälle des Messerzückens waren. 50 Messerstechereien hingegen waren kein Ausnahmefall . Als besonders gewaltsam einzustufen ist die Tat von Henrick Beckman, die sich ebenfalls gegen Hans Heßen von Wende richtete. Beckmann hatte sein Opfer im Haus von Borchart Bor51 chardes, dem Knickmeister, mit einem Messer in die Brust gestochen . Sogar vor dem Einsatz von Schusswaffen wurde in Einzelfällen nicht zurückgeschreckt. Jurgen Knorre hatte Hans Muller vermutlich in seinem eigenen Haus mit 52 einer Flurbüchse bedroht oder angegriffen . In einem anderen Fall wurde ein 53 Schuss im Haus abgegeben . Anhand des Vermerkes über das Vergehen von Corth Bokell, der einen Tauben 54 „in ßinen huiße geworpen mit einer barden“ , wird deutlich, dass auch beeinträchtigte Menschen – wenn auch nur selten – Opfer von Gewaltanwendung wurden. Diese Auffassung wird durch eine weitere Strafbucheintragung gestützt, die besagt, dass Andreas Bothmans Frau einen Schock Leinwand an die Obrigkeit abtreten 55 musste, weil sie „seck met der blinden Kethen geslagen“ hatte . Auch der hinkende 56 Lips war in eine Schlägerei in dem Haus von Hans Marthens verwickelt . 46 47 48 49 50 51

52 53 54 55 56

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 recto. Vgl. Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 122. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso. Vgl. Behrisch, Städtische Obrigkeit, 2005, S. 232. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 12 verso, 64 recto, 2a verso, 5a verso und 27a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 67 recto und 8a verso. Für Konstanz ist der typische Ablauf einer Messerstecherei durch Zeugenaussagen überliefert. Vgl. Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 104–110. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 63 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 103, fol. 348c. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 12 verso. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 recto.

78

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

Sowohl körperlich als auch leicht geistig behinderte Menschen waren damals eine alltägliche Erscheinung. Trotz ihrer Behinderung konnten sie nur mit wenig 57 Mitleid oder Rücksichtnahme rechnen . Körperlich und leicht geistig Behinderte wurden vermutlich – soweit es möglich war – ebenso zu den anfallenden Arbeiten herangezogen wie die übrigen Hausbewohner. Ihre Behinderung wurde zwar als 58 etwas Abnormes – wie anhand ihrer Spitznamen deutlich wird –, aber nicht als etwas Außergewöhnliches wahrgenommen. Opfer von Hausfriedensbrüchen waren in vielen Fällen, wie an den bereits angeführten Beispielen ersichtlich wird, nicht der Hausherr oder ein anderer Hausbewohner, sondern andere Personen wie beispielsweise Gäste. Es lässt sich vermuten, dass oftmals mehrere Personen zusammengesessen haben und es dann zu Meinungsverschiedenheiten kam. Vermutlich entstand auf diese Weise auch ein Streit zwischen den beiden Mitgliedern des Rates Magister Stromeiger und Johan Heßen in dem Haus des Stadtschreibers Andreas Rivesthall59. In einem anderen Fall sollte Hans Eychfelth fünf Mark bezahlen, weil er in dem Haus von Borchart Borchardes 60 einen Streit angezettelt hatte . Die vielen Hausfriedensbrüche, an denen Personen beteiligt waren, die nicht zu den Hausbewohnern zählten, deuten darauf hin, dass gegenseitige Besuche von Freunden und Nachbarn üblich waren und eine Form der Geselligkeit darstellten. Vermutlich kam es auch aus beruflichen Gründen zu Zusammenkünften im Haus. Das Privathaus war ein wichtiger Ort für Treffen, Feste, Feiern und geselliges Beisammensein. In Duderstadt besaßen die Bürger ein Braurecht. Die Braupfanne wurde vom Rat verliehen, gebraut wurde im Haus. Bier bzw. Alkohol war in den Bürgerhäusern demnach vorrätig. Sicher förderte auch der Alkoholgenuss das Aufkommen von Streitigkeiten bei Geselligkeiten in den Häusern von Duderstadt. In den Gassen des Sackviertels, die nahe der Stadtmauer und etwas abseits der Marktstraße (Hauptstraße) gelegen waren, lebten hauptsächlich die ärmeren Leute der Stadt61. Dort wurden die meisten Hausfriedensbrüche begangen62; 57

58 59 60 61

62

Vgl. Schindler, Norbert, Widerspenstige Leute. Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1992, S. 90 und vgl. Barwig, Edgar/Schmitz, Ralf, Narren, Geisteskranke und Hofleute. In: Hergemöller, Bernd-Ulrich (Hg.), Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, Warendorf 1990, S. 167–199, hier S. 167. Nach Barwig und Schmitz waren die leicht geistig Behinderten Zielscheibe für „mitleidlosen Spott“. Auch Irsigler und Lassotta stellten fest, dass leicht geistig Behinderte häufig Spottobjekte waren. Vgl. Irsigler, Franz/Lassotta, Arnold, Bettler, Gaukler, Dirnen und Henker. Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt, München 1989, S. 88. Vgl. Schindler, Widerspenstige Leute, 1992, S. 89–90. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 63 recto und 7a recto; weitere Belege für das Stiften von Unfrieden finden sich auf fol. 70 recto, 11a verso und 32a verso. Vgl. Wojtowytsch, Myroslaw, Die Duderstädter Ratsherren im 16. und 17. Jahrhundert. Aspekte der sozialen Stellung einer kleinstädtischen Führungsschicht. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte Jg. 58/1986, S. 1–26, hier S. 12. Von den Hausfriedensbrüchen, die anhand des Rechnungsbuches von 1533 einzelnen Vierteln zugeordnet werden können (ca. 85), wurde nahezu die Hälfte der Hausfriedensbrüche (ca. 41) im Sackviertel begangen. Die Mehrzahl der Hausfriedensbrüche konnte den Stadtvierteln nicht zuge-

Friedensbrüche

79

dort stand auch die Mehrzahl der Häuser, in denen mehrfach der Hausfrieden 63 gebrochen wurde . Es war Aufgabe des Hausherrn, den Schutz des Hauses zu garantieren. Die Störung des Hausfriedens wurde immer auch als ein Angriff auf die Ehre des Hausherrn und sein soziales Ansehen in der dörflichen Gemeinde oder in der Stadt gewertet. Denn die Ehre war ein „symbolisches Kapital“ und diente den Menschen der Frühen Neuzeit, neben dem ökonomischen Kapital, „zur Bestimmung, Bewah64 rung und Verteidigung ihrer sozialen Position“ . Die Ehre war nicht unanfechtbar, auch wenn sie einmal erworben worden war. Unter der Kontrolle der Öffentlichkeit musste die Aufrechterhaltung der Ehre fortwährend durch die Einhaltung von Verhaltensnormen und die Erfüllung bestimmter Erwartungen gesichert werden. Daher ist es kaum möglich, den Inhalt von Ehre festzuschreiben. Es gilt vielmehr, die sozialen Normen und Regeln herauszuarbeiten, die in vielerlei Hinsicht den 65 Leitfaden für das Verhalten der Menschen bildeten . Dem Ehrgefühl wurde im Spätmittelalter ein hohes Maß an Bedeutung zugeschrieben. Die Ehre des Einzelnen war auch durch das Recht geschützt, und ihre Aufrechterhaltung bedurfte nicht unbedingt der spontanen Reaktion auf Herausforderungen. Auf diese konnte auch mit Zurückweisung oder einer Klage reagiert werden. So war die Gewaltanwendung zur Wahrung der eigenen Ehre im Spätmittelalter eher eine Option als ein 66 Muss . Das „Herausfordern aus dem Haus“, das allgemein bis ins 17. Jahrhundert praktiziert wurde, stellte einen Angriff auf die Ehre des Hausherrn dar. Angestachelt von 67 Streitigkeiten trat der Herausforderer vor das Haus des Gegners . Von dieser Position aus forderte er den Hausherren vor aller Augen unter verbalen Angriffen auf dessen Ehre auf, aus dem Haus und auf die Straße zu kommen, um mit ihm einen Zweikampf zu bestreiten. Verließ der Angegriffene das Haus nicht, wurde er öffentlich als Feigling hingestellt, der seine Ehre nicht verteidigen wolle. Laut van Dülmen

63 64 65

66 67

ordnet werden, da entweder der Tatort nicht genannt, der Vorname des Hausbesitzers nicht verzeichnet wurde oder bei Namensgleichheit zweier Hausbesitzer, die Häuser in verschiedenen Vierteln besessen haben, das Viertel nicht bestimmbar war. In einigen wenigen Fällen war der Hausbesitzer im Rechnungsbuch von 1533 gar nicht erwähnt. Vgl. StadtA. Dud., AB 92, fol. 4 recto bis 33 verso. Es waren die Häuser von Borchard Borchardes, Henrick Marthens, Tile Rins und Hans Weren. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 314. Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 314. Nähere Ausführungen über die Ehre finden sich bei Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 313–320. Schuster bestätigt mit seinen Ausführungen das Konzept der Ehre in der Vormoderne, Schuster: Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 98–100. Schubert bestätigt die Ausführungen von Schuster, Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 34. Auch Susanna Burghartz geht von dem Konzept der Ehre aus. Vgl. Burghartz, Leib, Ehre und Gut, 1990, S. 200. Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 102. Über das „Herausfordern aus dem Haus“ vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 201 und Der ehrlose Mensch. Unehrlichkeit und soziale Ausgrenzung in der frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 15–16. Vgl. auch Kramer, Karl-Sigismund, Grundriss einer rechtliche Volkskunde, Göttingen 1974, S. 32–34 und Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 111.

80

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

sind die Hausbewohner jedoch – wie zahlreiche überlieferte Fälle zeigen – nur selten auf dieses Ansinnen eingegangen. Vermutlich bevorzugten sie es, den Fall vor Gericht zu bringen und auf diese Weise ihre Ehre wiederherzustellen. Häufig wurde die Aggression lediglich durch Sachbeschädigung am Haus zum Ausdruck gebracht. Charakteristisch waren dabei das Einschlagen von Fenstern 68 und das Einrennen von Türen . Diese Art der Sachbeschädigung am Haus findet 69 sich auch im Duderstädter Strafbuch . Dies scheint darauf hinzudeuten, dass das Herausfordern aus dem Haus auch in Duderstadt praktiziert wurde. Es muss jedoch eine Vermutung bleiben, da dem Strafbuch keine eindeutigen Hinweise auf dieses Ritual zu entnehmen sind. Ein Hausherr, in dessen Haus der Hausfrieden gestört worden war, musste in der Folge um die Wiederherstellung seiner Ehre bemüht sein. In Duderstadt war es dem Hausherrn erlaubt, den Missetäter selbst zu bestrafen, wenn er ihn auf frischer Tat ertappte, und dadurch seine Ehre wiederherzustellen. Für das, was der Hausherr dem Täter zufügte, blieb er straflos70. Eine Alternative zur Gewaltanwendung, die aber ebenso zur Wiedererlangung der Ehre führte, bestand darin, bei Gericht eine Klage gegen den Störenfried einzureichen. Van Dülmen bezeichnet das Gericht als die Instanz, die den Täter vor der Öffentlichkeit verurteilen und dem Betroffenen 71 auf diese Weise seine Ehre zurückgeben konnte . Die Vergehen, die die Gärten oder Höfe betrafen, werden nur in Ausnahmefällen näher erläutert. Wahrscheinlich wird es sich in den meisten Fällen um das Entwenden von Gartengemüse oder Früchten gehandelt haben. Corth Kromgeren musste fünf Mark bezahlen, weil er Stangen, an denen Hopfen hochwachsen sollte, und 72 Meerrettich aus einem Hof entwendet hatte . Häufiger jedoch finden sich Hinweise darauf, dass jemand sein Vieh, vorwiegend Schweine, in fremde Gärten oder Höfe 73 getrieben hatte . Die Statuten bestimmten diesbezüglich, dass Schweine im eige74 nen Hof oder Haus gehalten werden mussten . Diese Bestimmung der Statuten war eine derjenigen, die am häufigsten missachtet wurden, wie die Untersuchung der 75 Feldfrevel noch zeigen wird .

68 69 70 71 72 73 74 75

Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 318–319. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 55 recto, 61 recto, 1a recto und 36a verso. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 133. Vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 199–200. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 12 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 86 verso, 88 verso, 90 verso, 91 recto und 33a recto. Vgl. Jaeger, UB Dud., Nr. 521, § 204. Vgl. Kapitel Feldfrevel.

Friedensbrüche

81

4.2.2 Vergehen innerhalb der Familie 76

Innerfamiliäre Streitigkeiten wurden selten vor Gericht ausgetragen . Dennoch hat Rebekka Habermas festgestellt, dass Tätlichkeiten gegenüber Frauen im häusli77 chen Bereich nicht eben selten waren . Auch die Ausführungen von Michaela Hohkamp über eine ländliche Region im Schwarzwald im 18. Jahrhundert unterstützen 78 diese Feststellung . In das Duderstädter Strafbuch wurde kein einziger Fall eingetragen, in dem ein Mann seine Ehefrau oder seine Kinder geschlagen hatte. Gewaltanwendung innerhalb der Familie wurde normalerweise nicht angezeigt. Darüber herrschte Still79 schweigen, insbesondere gegenüber der Obrigkeit . Wohl auch, weil der Hausherr 80 das Züchtigungsrecht gegenüber seinen Hausgenossen ausüben durfte . Nur wenn innerhäusliche bzw. innerfamiliäre Auseinandersetzungen ein gewisses Maß überschritten, wurden die Täter bestraft. Diese Fälle traten laut Strafbuch aber nicht besonders häufig auf. Zu nennen sind an dieser Stelle vier Fälle, in denen die engere Familie betroffen war. Hans Fygen fügte seiner Mutter eine blutige Verletzung zu 81 und sollte für dieses Vergehen zehn Mark bezahlen . Ferner hatte Andreas Wedige 82 seinen Bruder erschossen . Auch Simon Kerkeneren wurde mit 30 Mark zur Kasse gebeten, weil er seine 83 Magd „gestochen“ hat. Ein Strafgeld von zehn Mark wurde verhängt, weil Henrich 84 Nigeroth seine Köchin tätlich angegriffen hatte . Auch die Mädge und Hausangestellten zählten zum Haushalt und unterstanden dem Hausherrn. Nicht selten wurden auch sie Opfer von häuslicher Gewalt. In Triberg im Schwarzwald waren es hauptsächlich die Mägde, die sich aufgrund von Tätlichkeiten des Hausherrn an das

76

77

78

79 80

81 82 83 84

Vgl. Helm, Winfried, Konfliktfelder und Formen der Konfliktaustragung im ländlichen Alltag der frühen Neuzeit. In: Ostbairische Grenzmarken. Passauer Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Volkskunde Jg. 29/1987, S. 48–67, hier S. 51–52 und zum Thema eheliche Konflikte Lutz, Alexandra, Ehepaare vor Gericht. Konflikte und Lebenswelten in der frühen Neuzeit (Geschichte und Geschlechter, Bd. 51), Frankfurt/New York 2006. Vgl. Habermas, Rebekka, Frauen und Männer im Kampf um Leib, Ökonomie und Recht. Zur Beziehung der Geschlechter im Frankfurt der Frühen Neuzeit. In: van Dülmen, Richard (Hg.), Dynamik der Tradition. Studien zur historischen Kulturforschung, Frankfurt am Main 1992, S. 109– 136, hier S. 111. Vgl. Hohkamp, Michaela, Häusliche Gewalt. Beispiele aus einer ländlichen Region des mittleren Schwarzwaldes im 18. Jahrhundert. In: Lindenberger, Thomas/Lüdtke, Alf, Physische Gewalt. Studien zur Geschichte der Neuzeit, 1995, S. 276–302. Vgl. Hohkamp, Michaela, Häusliche Gewalt, 1995, S. 280. Vgl. die Diskussion über Rechte und Pflichten des Hausherrn bei Schmidt, Heinrich R., Hausväter vor Gericht. Der Patriarchalismus als zweischneidiges Schwert. In: Dinges, Martin (Hg.), Hausväter, Priester, Kastraten. Zur Konstruktion von Männlichkeit in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Göttingen 1998, S. 213–236. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 70 verso, 11a verso und 25a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 62 recto und 7a recto. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 68 verso, 2a verso und 9a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 55 verso und 65 recto.

82

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

Gericht wandten. Hier wird deutlich, was auch für Duderstadt gilt, nämlich dass die 85 Mägde ein anderes Klageverhalten zeigten als die Ehefrauen . Die Streitigkeiten innerhalb der weiteren Verwandtschaft drangen häufiger an die Öffentlichkeit und wurden eher vor Gericht ausgetragen als Probleme im Haus. Manchmal fanden die Ehefrauen von gewalttätigen Ehemännern auch Unterstüt86 zung innerhalb der Verwandtschaft . Der nicht näher zu spezifizierende Streit zwischen Hans Hottenroth und seinem Schwager Heißen war bereits vom Gericht geschlichtet worden. Bei dieser Gelegenheit hatte Hans Hottenroth versprochen, in Zukunft in Frieden mit seinem 87 Schwager zu leben. Dennoch brach er den Frieden wieder . Eine Streitigkeit zwischen Jost Barbaren und seinem Schwager, dem Stover, mündete in einer Schläge88 rei auf der Straße . In zwei Fällen brachen miteinander verschwägerte Männer 89 vermutlich deshalb den Hausfrieden, weil zwischen ihnen ein Streit entbrannt war . Eine Beleidigung Hans Sthouningks richtete sich gegen seine Schwägerin, die er als 90 eine landstreichende Hure bezeichnete . Ein weiterer Vorfall, der sich in der entfernteren Verwandtschaft abgespielte, war das gewalttätige Wüten Simon Kerkeners, das seinen Ausgang in dem Haus seines Großvaters nahm, wo er überdies noch eine Axt und ein Beil entwendete. Damit lauerte er auf offener Straße Hans 91 Theypell, der vermutlich kein Verwandter von ihm war, auf . Nicht eindeutig geklärt werden kann aufgrund der ungenauen Quellenangaben das verwandtschaftliche Verhältnis von Clawes und Gertrud Nolthen. Clawes Nolthen hatte den Haus92 frieden in Gertrud Nolthens Haus gebrochen . Anhand der Anzahl der Fälle in dieser Aufzählung wird deutlich, dass die Streitigkeiten innerhalb der weiteren Familie eher vor Gericht gebracht wurden. Auseinandersetzungen innerhalb der engeren Familie bzw. im Haus blieben hingegen Privatangelegenheit. Diese Delikte mussten schon über ein gewisses Maß hinausgehen, um vor Gericht behandelt zu werden. Die Forschung ist sich laut Schmidt darin einig, dass die obrigkeitlichen Zuchtinstanzen sich auf die Seite der Frauen stellten, um eine Disziplinierung der Ehemänner und eine Pazifizierung der Gesellschaft zu erreichen93. Für Duderstadt lassen sich aufgrund der stichwortartigen Einträge dahingehend keine Aussagen machen.

85 86 87 88 89 90 91 92 93

Vgl. Hohkamp, Michaela, Häusliche Gewalt, 1995, S. 297. Vgl. Hohkamp, Michaela, Häusliche Gewalt, 1995, S. 300. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 40 verso und 49 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 61 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 60 verso, 3a verso und 13a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 71 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 55 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 2a verso. Vgl. Schmidt, Hausväter vor Gericht, 1998, S. 230.

Friedensbrüche

83

4.2.3 Hausfriedensbruch in öffentlichen Gebäuden Der Hausfrieden wurde in den öffentlichen Gebäuden Duderstadts verhältnismäßig selten gebrochen. Als Tatorte werden das Rathaus, das Frauenhaus, die Badestube und der Thorenkasten genannt. In diesen Gebäuden – bis auf das Frauenhaus – wurde im Untersuchungszeitraum jeweils nur einmal der Hausfrieden gebrochen. 94 Der Thorenkasten stand zwischen dem äußeren und dem inneren Westertor . Er diente zur Unterbringung von schwer psychisch kranken Menschen, die aufgrund ihrer Gewalttätigkeit als eine Gefahr für die Einwohner Duderstadts angesehen 95 wurden . Das Vergehen, das Hans Fischer zur Last gelegt wurde, war, dass er Hans 96 Theypell „in der dorboeden gestecken“ hatte . Dieses Delikt wurde als Hausfriedensbruch deklariert. Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit dienten die Badestuben nicht nur der Reinlichkeit, sondern auch der Geselligkeit. Das Baden war ein wichtiger Be97 standteil des städtischen Lebens und bei der Bevölkerung sehr beliebt . Die Tätigkeiten des Baders und seiner Knechte hingegen galten als unehrlich und gerieten in der Frühen Neuzeit in Verruf, da sich der Badestubenbetrieb mehr und mehr an den 98 eines Frauenhauses, eines städtischen Bordells, annäherte . In Duderstadt gab es drei Badestuben, die sich alle jenseits der Stadtmauer befanden, jeweils eine in 99 jeder Vorstadt . Nur in einer Duderstädter Badestube wurde im Untersuchungszeitraum ein Hausfriedensbruch begangen. Ein Beteiligter an dieser Schlägerei war 100 Clawes, der Stover . Daher handelte es sich bei dem Tatort aller Wahrscheinlich101 keit nach um die Steinstove (Badestube), die der Rat an Clawes verpachtet hatte . Im Duderstädter Strafbuch finden sich keine Belege für Ausschreitungen im Wirtshaus. Gerade das Wirtshaus war ein Ort, an dem es normalerweise zu Auseinandersetzungen kam. Es war ein zentraler Treffpunkt, ein Ort der Kommunikation, an dem unterschiedliche soziale Gruppen und Schichten, Einheimische und Auswärtige, Bekannte und Fremde, aufeinandertrafen und sich austauschten. Es 102 war demnach ein unabgeschlossener Raum. Berauscht vom Alkohol trugen die 94 95 96 97

Vgl. Jaeger, Duderstadt, 1886, S. 44. Vgl. Jaeger, Duderstadt, 1886, S. 44. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 recto und 5a verso. Vgl. Tschipke, Ina, Lebensformen in der spätmittelalterlichen Stadt. Untersuchungen anhand von Quellen aus Braunschweig, Hildesheim, Göttingen, Hameln und Duderstadt (Schriftenreihe des Landschaftsverbandes Südniedersachsen, Bd. 3), Hannover 1993, S. 122–123. 98 Vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 205. Danckert stellt umfangreiche Überlegungen über mögliche Gründe für den Ruf der Unehrlichkeit der Bader an. Vgl. Danckert, Werner, Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe, Bern 1963, S. 66–78. 99 Vgl. Jaeger, Duderstadt, 1886, S. 45. 100 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 60 recto. 101 Vgl. StadtA. Dud., AB 92, fol. 54 recto. 102 Vgl. Rau, Susanne/Schwerhoff, Gerd, Öffentliche Räume in der Frühen Neuzeit. Überlegungen zu Leitbegriffen und Themen eines Forschungsfeldes. In: Rau Susanne/Schwerhoff, Gerd, Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2008, S. 27.

84

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

Menschen in anderen Städten, wie zum Beispiel in Köln oder Konstanz, hier jahre103 lang unterschwellig vorhandene oder neu aufkeimende Konflikte aus . Dieser Ort der kommerziellen Gastlichkeit mit seiner großen Zugänglichkeit, seinen vielfältigen Funktionen (trinken, essen, übernachten, Zeitvertreib, Verbreitungsort für Gerüchte, Flugblätter und Mandate usw.), machte das Wirtshaus zu einem wichtigen, aber auch instabilen und potenziell gefährlichen Ort der städtischen Öffentlichkeit. Das Besondere an diesem Ort ist, dass hier die obrigkeitlichen Normen und die informellen sozialen Regeln gleichermaßen Geltung bekamen. Es war ein Ort, der von der Obrigkeit nur in geringem Maße kontrolliert werden konnte, an dem aber die soziale Kontrolle eine wichtige Rolle spielte104. Auf Wirtshäuser in Duderstadt gibt es in den Quellen keine Hinweise. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sie dennoch gegeben hat. Orte ähnlichen Charakters waren der Weinkeller im Rathaus und die Stallknechtstube, die im 15. Jahr105 hundert beide vom Rat verpachtet wurden . In der Notiz über den Pachtvertrag der Stallknechtstube heißt es, dass das Spielen an diesem Ort verboten war und der Pächter das Gesinde des Rates und der Stadt zu „temeliken zechen“ anhalten sollte. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich dort hauptsächlich das Gesinde der Stadt und des Rates zum geselligen Beisammensein traf. Der übermäßige Alkoholgenuss wird mit dem Besuch der Stallknechtstube häufig einhergegangen sein, da andernfalls nicht bestimmt worden wäre, dass der Pächter die Gäste zu gemäßigtem Alkoholgenuss anhalten sollte. Das Strafbuch enthält keine eindeutigen Fälle von frevelhaftem Verhalten, die der Stallknechtstube zuzuordnen sind. Im Weinkeller jedoch wurde bei einem größeren Gelage von allen fünf beteiligten Männern mutwillig Wein verschüttet106. 107 Der Rat besaß das Privileg, in der Stadt Wein zu verkaufen , und versorgte da108 mit auch den Pächter des Weinkellers . Dieser wurde wahrscheinlich im 16. Jahrhundert als Branntweinschenk bezeichnet – um 1500 kam der Verkauf von 109 110 Branntwein in Duderstadt auf – und zählte zu den Bediensteten des Rates . Ob103 Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 294–297; Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 104; Schwerhoff, Gerd, Die Policey im Wirtshaus. Obrigkeitliche und gesellschaftliche Normen im öffentlichen Raum der Frühen Neuzeit. Das Beispiel der Reichsstadt Köln. In: Hochmuth, Christian/Rau, Susanne, Machträume in der frühneuzeitlichen Stadt (Konflikte und Kultur – historische Perspektiven, Bd. 13), Konstanz 2006, S. 357. 104 Vgl. Rau/Schwerhoff, Öffentliche Räume, 2008, S. 51–52. 105 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 349 (1450, Weinkeller) und S. 457 (1397) sowie Nr. 470 (1481, Stallknechtstube). 106 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 22a verso und 25a verso. 107 Vgl. auch Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 2, 1907, S. 167. Im Weinkeller lagerten stets Vorräte von Franken-, Rhein- und Elsässer Weinen. 108 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 349. 109 Vgl. Jaeger, Duderstadt, 1886, S. 23. Auch Schubert hat festgestellt, dass der Branntwein, der im 15. Jahrhundert hauptsächlich in Apotheken zu erwerben war, erst im 16. Jahrhundert weitere Verbreitung fand. Vgl. Schubert, Ernst, Randgruppen in der Schwankliteratur des 16. Jahrhunderts. In: Kirchgässner, Bernhard/Reuter, Fritz (Hg.), Städtische Randgruppen und Minderheiten (Stadt in der Geschichte, Bd. 13), Sigmaringen 1986, S. 129–160, hier S. 133.

Friedensbrüche

85

wohl kein Statut bestimmt, dass den Bewohnern Duderstadts das Brennen von Branntwein verboten war, wurde Clawes Marshußen für dieses Vergehen laut Rech111 nungsbuch von 1546 mit einer Geldstrafe belegt . Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass der Rat sich auch den Verkauf von Branntwein, den er aus Frankfurt am Main bezog, vorbehalten hatte und nicht dulden wollte, dass jemand 112 als Konkurrent tätig wurde . Ein weiterer Strafbucheintrag belegt ebenfalls, dass in Duderstadt Branntwein verkauft wurde. Simon Koeke steckte Hageman in einen Branntweinbottich, der zur Aufbewahrung dieses Getränkes aufgestellt worden war. Das Strafgeld von fünf Mark wurde allein dem Rat zugesprochen. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um einen Branntweinbottich des Rates gehandelt hat 113 und diesem der entstandene Schaden ersetzt werden sollte . Bei archäologischen Ausgrabungen wurden in einer Auffüllung unter dem Holzfußboden der ehemaligen Branntweinstube neben 30 Kleinmünzen aus dem 15. und 16. Jahrhundert zwei Knochenwürfel und Murmeln gefunden. Dies ist ein Hinweis darauf, dass in der Branntweinstube nicht nur gezecht, sondern auch mit 114 Würfeln und Murmeln gespielt wurde . Der Kleinmünzenfund lässt vermuten, dass hier auch um Geld gespielt wurde, obwohl dies streng verboten war. Einen Treffpunkt ähnlichen Charakters stellte auch das Frauenhaus dar. Die meisten Städte unterhielten im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit ein Bordell, das sogenannte Frauenhaus, das zu einem festen Bestandteil der städti115 schen Kultur und Lebensweise geworden war . Um 1400 sahen sich die Stadtherren vieler Städte aufgrund von vielfältigen Motiven zur Einrichtung von Frauenhäusern veranlasst. Dabei spielte es eine wichtige Rolle, dass die Kirche die Prostitution billigte und die Stadtherren sich von ihr einen großen ordnungspolitischen Nutzen versprachen. In einer Zeit, in der Ehen erst spät geschlossen wurden, sollte die Institution Frauenhaus zum Schutz der Frauen und Jungfrauen vor sexuellen Übergriffen dienen. Der Verfasser der Zimmerischen Chronik gestand der Prostitution darüber hinaus zu, einen förderlichen Beitrag zur Erziehung der Jugend zu leis110 1539 bis 1542 bekleidete Mesteren Everth das Amt des Branntweinschenks. Vgl. StadtA. Dud., AB 98, fol. 458 verso sowie AB 99, fol. 557 verso und AB 100, fol. 69 verso. 1543 bis 1546 hatte Clawes Kroner dieses Amt inne. Vgl. StadtA. Dud., AB 102, fol. 273 verso; AB 103, fol. 370 verso und AB 104, fol. 73 verso sowie AB 105, fol. 173 verso. Ein Weinschenk ist unter den Bediensteten des Rates im Untersuchungszeitraum nicht nachzuweisen. 111 Vgl. StadtA. Dud., AB 105, AB 150 recto. Im Strafbuch findet sich über dieses Vergehen kein Eintrag, da ab 1545 lediglich noch ein Jahr lang die Feldfrevel verzeichnet wurden. 112 Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 2, 1907, S. 167. 113 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 22a recto. 114 Vgl. Cunz, Reiner, Die Fundmünzen aus der Branntweinstube. In: Möller, Hans-Herbert (Hg.), Das Rathaus in Duderstadt. Zur Baugeschichte und Restaurierung (Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Bd. 6), Hameln 1989, S. 181–194, hier S. 181–182. Nach Cunz ist es am wahrscheinlichsten, dass das Kleingeld zusammen mit den anderen verlorenen Gegenständen durch die Dielenritzen des Holzfußbodens rutschte. 115 Vgl. Schuster, Peter, Das Frauenhaus. Städtische Bordelle in Deutschland (1350–1600), Paderborn/München/Wien/Zürich 1992, S. 39–51.

86

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 116

ten . Dennoch wurde beabsichtigt, die Prostituierten aus dem Stadtbild zu verbannen, sie räumlich von den ehrenwerten Leuten zu separieren und an einem Ort zu konzentrieren. Daher wurden die Frauenhäuser von Anfang an überwiegend in denjenigen städtischen Randgebieten angesiedelt, die eher einen schlechten Ruf 117 hatten . Dies gilt auch für das Duderstädter Frauenhaus, das an der Stadtmauer zwischen 118 dem Steintor und dem Westertor stand . Im Innenstadtbereich, zwischen diesen beiden Toren, befand sich das Sackviertel, das verhältnismäßig arme und auch unruhige Viertel in Duderstadt, in dem die meisten Hausfriedensbrüche begangen 119 wurden . Das Gründungsdatum des Duderstädter Frauenhauses ist nicht bekannt. Es war jedoch eine Einrichtung des Duderstädter Rates, der für die Unterhaltung des Frauenhauses aufkam. Dies geht unter anderem aus dem Rechnungsbuch von 1533 hervor, in dem vermerkt wurde, dass der Rat einen neuen Ofen für das Frau120 enhaus bauen und das Schloss an einer Flurtür ersetzen ließ . In den Statuten finden sich jedoch keinerlei rechtliche Bestimmungen für das Frauenhaus. Es ist daher anzunehmen, dass es, wie in anderen Städten auch, eine eigene Hausordnung 121 hatte . Der Frauenhausbesuch diente vornehmlich zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse. Daneben war es jedoch auch ein Treffpunkt, der dem Gast, ähnlich 122 dem Wirtshaus, Geselligkeit und Unterhaltung bot . Da auch im Frauenhaus Alkohol ausgeschenkt wurde, scheint es zunächst nahe zu liegen, dass es im Frauenhaus, ähnlich dem Wirtshaus, vermehrt zu Auseinandersetzungen gekommen ist. Dass dem nicht so sein muss und es im Frauenhaus nicht zu mehr Gewaltakten kam als in anderen öffentlichen Gebäuden, legt Schuster anhand von Untersuchungen 123 über die Kriminalität in Freiburg und Konstanz dar . Dagegen kommen Schwerhoff und Irsigler/Lassotta bei ihren Untersuchungen über das Kölner Frauenhaus auf dem Berlich zu einem abweichenden Ergebnis: Dieses Frauenhaus war eine 124 Brutstätte der Gewalt . Das Resultat der Untersuchung des Duderstädter Strafbuches, in dem drei Vergehen innerhalb von 26 Jahren mit dem Tatort Frauenhaus verzeichnet wurden, bestätigt hingegen die Behauptung von Schuster, dass im Frauenhaus die gleiche Anzahl an Straftaten begangen wurde wie in anderen öffentlichen Gebäuden und es daher nicht als Brennpunkt der Gewalt angesehen werden kann. Im Duderstädter Frauenhaus kam es nur zweimal zu nicht näher spezifizierter Gewaltanwendung. 116 Vgl. auch Barack, Karl August (Hg.), Zimmerische Chronik, (2. Auflage) Freiburg im Breisgau und Tübingen 1881, S. 78. 117 Vgl. Schuster, Frauenhaus, 1992, S. 42. 118 Vgl. Ehbrecht, Befestigung, 1993, S. 24–27. 119 Vgl. Kapitel Hausfriedensbruch in Privathäusern. 120 Vgl. StadtA. Dud., AB 92, fol. 68 recto und 69 recto. 121 Vgl. Schuster, Frauenhaus, 1992, S. 76. 122 Vgl. Schuster, Frauenhaus, 1992, S. 71. 123 Vgl. Schuster, Frauenhaus, 1992, S. 72. 124 Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 371–372, S. 187 und S. 192.

Friedensbrüche

87

Der Mann von Schratfelde sollte ein Bußgeld von fünf Mark entrichten, weil er „ge125 muthwilligen“ im Frauenhaus . Das Strafgeld, das Benedict Gißeleren bezahlen 126 sollte, betrug nur eine Mark . Ferner hatten sich zwei Personen gemeinsam im Frauenhaus frevelhaften Verhaltens gegenüber Harman Zafferans schuldig ge127 macht. Auch dieses Vergehen wurde mit einer Geldbuße von fünf Mark geahndet . Das Vergehen, das mit einem Strafgeld von weniger als 5 Mark geahndet wurde, hat demnach ein bestimmtes Maß an Gewaltanwendung, Schärfe der Beleidigung oder Schadenshöhe nicht überschritten. Denn die Bußgelder von 5 Mark zeugen davon, dass die Vergehen des Mannes aus Schratfelde sowie von Warneren Schaper und 128 Steffan Hoheren die Qualität eines Hausfriedensbruches erreichten , nur nicht als solcher bezeichnet wurden. Das Rathaus war vielerorts und auch – wie bereits dargelegt – in Duderstadt ein 129 multifunktionaler Raum . Im Untersuchungszeitraum wurde der Hausfrieden des 130 Rathauses trotzdem nur ein einziges Mal gebrochen . Dieses Vergehen wurde wie ein Hausfriedensbruch in einem Privathaus mit einem Strafgeld von fünf Mark geahndet. In den Duderstädter Statuten befindet sich kein Paragraph, der den Rathausfrieden unter einen besonderen Schutz stellt. Andernorts, wie beispielsweise in 131 Nürnberg, war das Rathaus ein besonders geschützer Friedensbereich , und Delik132 te, die sich im Rathaus ereigneten, wurden mit erhöhten Strafen geahndet . Auch in Duderstadt gab es einen Fall, der mit 10 Mark bestraft wurde, weil von ihm eine große Gefahr ausging: Simon Kerkener hatte versucht, das Rathaus anzustecken. 133 Dies konnte jedoch vereitelt werden . Die Mehrzahl der Delikte, die im Rathaus begangen wurden, wurde jedoch mit geringeren Bußgeldern geahndet und nicht als Hausfriedensbruch bezeichnet. So zum Beispiel das Vergehen von Andres Streckeren, der „up dem rathuiß vorwercket 134 hatte“ . Ebenso wenig als Hausfriedensbruch betrachtet wurde das Vergehen von Anna Schrader. Sie hatte Helgemeiger in der beheizbaren Stube des Rathauses 135 verbal angegriffen und sollte dafür eine Geldbuße von zwei Mark entrichten . 125 126 127 128

129 130 131 132 133 134 135

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 49 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 2a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 22 verso. Es war demnach nicht ein Übermaß an gewalttätigen Ausschreitungen in den Frauenhäusern, das zu deren Schließung im Zeitraum von 1520 bis 1591 führte. Die Schließungen der Frauenhäuser sind vielmehr auf die zunehmenden Moralisierungstendenzen im Zuge der Reformation zurückzuführen, da die Existenz der Frauenhäuser in einem krassen Gegensatz zu den neuen moralischen Grundsätzen der Herrschenden und der Geistlichkeit stand. Die Lösung konnte daher nur die Entfernung der Frauenhäuser aus den Städten sein. Vgl. Schuster, Frauenhaus, 1992, S. 189–202. Vgl. Rau/Schwerhoff, Öffentliche Räume, 2008, S.40–41. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, den eingelegten Zettel zwischen fol. 73 verso und 74 recto. Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 107. Vgl. Isenmann, Stadt im Spätmittelalter, 1988, S. 147. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 55 recto. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 33a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 33a verso.

88

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

Darüber hinaus wurden auch das Weinverschütten in der Branntweinstube des Rathauskellers und das Waffenziehen bei einer Hochzeitsfeier im Rathaussaal nicht als Hausfriedensbruch eingestuft und mit einem Strafgeld von vier bzw. drei Mark in 136 das Strafbuch eingetragen . Vergehen wie Drohgebärden (Waffenziehen) oder Übermut (Weinverschütten) wurden zwar geahndet, waren aber nicht gleichbedeutend mit einem Hausfriedensbruch. Daran ist abzulesen, dass ein Vergehen, bevor es als Hausfriedensbruch bewertet wurde, ein gewisses Maß überschritten haben musste. Von den im Strafbuch verzeichneten Hausfriedensbrüchen waren nur in einem kleinen Bruchteil der Fälle die öffentlichen Gebäude oder Orte der Geselligkeit in der Stadt betroffen. Der Großteil der Hausfriedensbrüche wurde in Privathäusern begangen. Dies steht wohl damit in Zusammenhang, dass das Haus das Zentrum des Lebens der Menschen in der Frühen Neuzeit war. Dort hielt man sich am häufigsten auf, dort saß man mit der Familie und Freunden zusammen. Das Rathaus betraten die Bewohner Duderstadts, die nicht zu den Ratsherren oder den Bediensteten des Rates zählten, im Normalfall relativ selten. Lediglich die Lein- und die Wollweber mussten ihre Produkte regelmäßig vor dem Verkauf im Rathaus prüfen lassen137. Anlässe für einen Gang zum Rathaus waren unter anderem das Bezahlen von Strafgeldern oder Steuern und das alljährliche Vorzeigen der Waffen zur Kontrolle der Wehrfähigkeit der Bürger. Obwohl die Statuten weder den Rathausfrieden besonders schützten noch irgendeine Bestimmung über das Frauenhaus enthalten, wurden der Hausfriedensbruch bzw. als vergleichbare Vergehen eingestufte Delikte an beiden Orten mit einem Strafgeld von jeweils fünf Mark geahndet, ebenso wie in Privathäusern. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in Duderstadt dem Frieden der öffentlichen Gebäude und der Orte der Geselligkeit die gleiche Bedeutung beigemessen wurde wie dem der Privathäuser. 4.2.4 Friedensbrüche auf offener Straße: Wortdelikte und tätliche Auseinandersetzungen Neben den Häusern waren auch die Straßen und der Marktplatz, die Orte also, an denen sich tagsüber das öffentliche Leben abspielte, Schauplatz für gewaltsame Auseinandersetzungen, Beleidigungen und Beschimpfungen. Diesen Örtlichkeiten werden hier alle Delikte zugeordnet, die laut Strafbucheintragung ausdrücklich auf offener Straße oder auf dem Marktplatz begangen wurden, und diejenigen, die ohne Angabe des Tatortes verzeichnet wurden. Die Möglichkeit der Ehrenminderung durch Beleidigung, Beschimpfung, Gesten und gewalttätige Angriffe war im Alltag der Frühen Neuzeit überall gegeben. Da der Ehre eine besondere Bedeutung beigemessen wurde, galt es, sie auch von Rechts 136 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso und 25a verso. 137 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 282 und § 290.

Friedensbrüche

89

wegen zu schützen. Anhand der zu Beginn dieses Kapitels vorangestellten Paragraphen der Statuten wird deutlich, dass Beleidigungen und Schimpfworte mit Friedensbrüchen und Gewaltausübung gleichgesetzt wurden und einen Angriff auf die 138 Ehre darstellten . Demnach wurden Schimpfworte gemäß den Statuten mit einem Strafgeld in Höhe von fünf Mark geahndet, genauso wie Schläge, die leichte Schwel139 lungen hervorriefen, und das Zufügen kleinerer Wunden . Darüber hinaus befassten sich weitere Paragraphen der Statuten mit der Beleidigung von Stadtbewoh140 nern . Diese Regelungen haben aber die Rechtsprechungspraxis des Ratsgerichts in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich nur geringfügig beeinflusst. Beleidigungen und Beschimpfungen werden dem Opfer gegenüber direkt geäußert. Sie unterscheiden sich dadurch von übler Nachrede und Verleumdungen, weil diese Dritten gegenüber geäußert werden. Beschimpfungen und Beleidigungen stellten einen ebenso großen Angriff auf die Ehre einer betroffenen Person dar wie tätliche Angriffe. Wortgefechte konnten schnell eskalieren und führten zu Schlägereien sowie zu anderen Gewalttätigkeiten141. Sie werden vielfach auch der Auslöser für die große Anzahl an Hausfriedensbrüchen gewesen sein. Anna Schrader und Jacob Rumper, die sich gegenseitig beschimpft hatten, soll142 ten für dieses Vergehen jeweils fünf Mark Strafgeld entrichten . Ein Strafgeld in derselben Höhe hatte Hans Frederich zu bezahlen, der Hans Muller vor dem Gericht 143 mit einem Schimpfwort angegriffen hatte . Hier zeigt sich, dass der Paragraph der Statuten angewendet worden war, der die Schimpfworte mit kleinen Wunden und Schlägen, die Schwellungen zur Folge haben, gleichsetzt, da dieser ein Strafgeld von fünf Mark vorschrieb. Meist wurden die verwendeten Schimpfworte nicht in das Strafbuch eingetragen. Bei der Registrierung wich der Kämmereischreiber auf allgemeine Begriffe wie 144 145 146 „smeworth“ oder „schelthworth“ aus . Eine der wenigen Ausnahmen war die Beleidigung, die Heine Sommer gegenüber Recken geäußert hatte: Er hatte ihn 147 einen „hundebruderen geheithen“ . Diese Beleidigung wurde als „mißehandelun138 Vgl. dazu auch Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 123. 139 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 246. 140 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 139. Die Paragraphen 137 und 138 beschäftigen sich ebenfalls mit dem Vergehen der Beleidigung, sind jedoch durchgestrichen worden. Da der Zeitpunkt der Streichung unbekannt ist, ist fraglich, ob sie im 16. Jahrhundert noch angewendet wurden. 141 Vgl. auch Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 86. 142 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 33 verso. 143 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 40a verso. 144 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 40a verso. 145 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 33a verso. 146 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 73. Vgl. darüber hinaus Kramer, Rechtliche Volkskunde, 1974, S. 50–51. Kramer verweist auf die Anwendung von Schutzformeln, die die Schreiber verwendeten, um nicht mit den ehrenrührigen Worten in Verbindung gebracht zu werden. 147 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso.

90

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 148

ge“ bezeichnet und mit einem Strafgeld in Höhe von nur zweieinhalb Mark geahndet, einem relativ geringen Betrag. Betrachtet man die folgenden Ausführungen, so wird deutlich, dass auch hier die Höhe des Strafgeldes vor der Schwere des Deliktes beziehungsweise von der Bewertung der Beschimpfungen abhing. Die Beschimpfungen, die gegen Frauen gerichtet waren, unterstellten diesen 149 häufig einen unmoralischen Lebenswandel und trafen damit die Ehre der Frauen . 150 Dabei kam es in einem Fall zur Steigerung durch Kombination von mehreren 151 Schimpfworten, als Hans Stouningk die Frau seines Bruders als eine „lundt hore“ , eine landstreichende Hure also, bezeichnete. Schwer wog auch das Vergehen von Hans Roleves aus Hilkerode. Dieser hatte eine Frau des Diebstahls bezichtigt und konnte es nicht beweisen. In diesem Fall erhält man einen vagen Eindruck davon, wie die Gerichtsverhandlung abgelaufen sein könnte, da zusätzlich erwähnt wird, dass Hans Roleves „die frawen umb Gots 152 willen gebeden [hätte], dath sey ohm dath vorgeve“ . Trotz seiner Entschuldigung blieb es bei dem Strafgeld von zwölf Mark. Die Höhe des Strafgeldes lässt sich auch dadurch erklären, dass Diebstahl mit ungewöhnlicher Härte bestraft wurde, in der gesellschaftlichen Wahrnehmung also als besonders schlimm empfunden und als besondere Bedrohung angesehen wurde. Roleves hatte die Frau zudem in den Ruf der Unehrlichkeit gebrachte, die von der Strafe für Diebstahl, dem Hängen, und dem damit unmittelbar verbundenen Kontakt zum Scharfrichter herrührte. An anderer Stelle kann ausnahmsweise auf den Vorgang geschlossen werden, der dem Gebrauch eines frevelhaften Wortes vorausgegangen war. Als Wulffgangs Kuh in einem Hof gepfändet wurde, brachte dieser seinen Ärger zum Ausdruck, indem er ein „frevelicheren word gebrucht[e]“153. Eine weitere Möglichkeit, jemandem zu schaden, war es, ein Gerücht in Umlauf zu bringen. Hans Wickelshußen jedenfalls bekam für das Gerücht, das er gegen Corth Ovenholl ausstreute, ein Strafgeld von 154 einer Mark auferlegt . 155 In Duderstadt und Konstanz richteten sich die meisten protokollierten Verbaldelikte nicht gegen den Rat, die Stadt, Gott und die Geistlichen, sondern gegen die 156 anderen Stadtbewohner oder Nachbarn . In Duderstadt waren, wie auch in Konstanz, Nürnberg und Zürich, unter den Beschuldigten, denen Wortdelikte vorge148 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso. 149 Eines der gängigsten Schimpfworte wird wohl „Hure“ gewesen sein. Vgl. Kramer, Rechtliche Volkskunde, 1974, S. 51 und Frank, Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995, S. 335 sowie Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 316. Daneben existierte eine breite Palette von anderen Schimpfworten. Ob in einer Großstadt wie Köln, einer Ackerbürgerstadt wie Duderstadt oder in dem Dorf Heiden bei Lippe, die Schimpfworte Hure oder Dieb waren allgemein gebräuchlich. 150 Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 316. 151 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 71recto. 152 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 25 verso und 37 verso. 153 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 83 verso. 154 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 verso. 155 Vgl. Kapitel Beleidigungen und tätliche Angriffe auf den Rat und seine Bediensteten. 156 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 79.

Friedensbrüche

91

157

worfen wurden, verhältnismäßig viele Frauen. Nach Henselmeyer, der die Delinquenz in Nürnberg untersuchte, waren Worte quasi die „Waffen“ der Frauen, die Männer gingen eher über zur tätlichen Auseinandersetzung. Hier zeigen sich die 158 unterschiedlichen Problemlösungsstrategien der Geschlechter . In Duderstadt und auch in Nürnberg enthalten die Statuten sehr differenzierte Aufstellungen über den Schweregrad der Wunden. Die männliche Art der Konfliktaustragung fand demnach Eingang in das normative Regelwerk. Die Beleidigungen und Beschimpfungen wurden in den Statuten nicht weiter differenziert. In der Duderstädter Praxis jedoch wurden auch sie je nach Schweregrad beurteilt. Insgesamt betrachtet wurden in das Duderstädter Strafbuch nur wenige Fälle von Beleidigung oder Beschimpfung eingetragen – in Nürnberg betrug der Anteil während des Untersuchungszeitraums nur 11 Prozent159. Dies zeigt, dass verbale Auseinandersetzungen nicht so häufig vor Gericht gebracht wurden wie tätliche Ausgriffe oder Hausfriedensbrüche. Bei der Ahndung von Vergehen wie Beleidigung und der Verleumdung oder dem Gebrauch von Schimpfworten entsteht der Eindruck, dass in Duderstadt die Strafhöhe zwar der Schwere des Vergehens angepasst wurde, das Ratsgericht sich jedoch – wenn überhaupt – nur lose an den Bestimmungen der Statuten orientierte. Hans Roleves sollte eine relativ hohe Geldbuße von zwölf Mark für die Bezeichnung einer Frau als Diebin leisten. Für die Beleidigung einer Person namens Recken wurde ein Strafgeld von zweieinhalb Mark fällig, und für den Gebrauch eines frevelhaften Wortes betrug das Strafgeld nur eine Mark. Lediglich die Praxis der Bestrafung von Schelt- bzw. Schimpfworten kann mit einem Paragraphen der Statuten in Verbindung gebracht werden, der eine Strafhöhe von fünf Mark festschrieb160. Schuster konnte für Konstanz feststellen, dass die von verbalen Angriffen Betroffenen viel Energie darauf verwandten, den ausgesprochenen Verdacht zurückzuweisen. Dies spricht auch für den hohen Wert der Reputation in der damaligen 161 Gesellschaft . Daher war es für die Menschen in der Frühen Neuzeit auch wichtig, über das „Gerede“ und „Geschwätz“ in der Stadt informiert zu sein. Das „Gerede“ war ein Stück Unterhaltung, ein Stück Informationsaustausch, aber es konnten auch Vermutungen und Unterstellungen in Umlauf gebracht werden. Dann waren die Betroffenen natürlich bemüht, ihre Ehre so schnell wie möglich wieder herzu-

157 Vgl. Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 89 für Konstanz; vgl. Burghartz, Leib, Ehre und Gut, 1990, S. 82 für Zürich und Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 78 für Nürnberg. 158 Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 78–79. 159 Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 74. 160 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 246. 161 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 82–83.

92

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 162

stellen . Wurde das „gerede“ allerdings zum „geschrey“, dann musste von der 163 Obrigkeit der Sache nachgegangen werden . Zu den Wortdelikten gehörten auch das Verwünschen, Verfluchen und die Got164 teslästerung . Diese Delikte fanden im Duderstädter Strafbuch allerdings keine 165 Erwähnung und können daher an dieser Stelle nicht weiter berücksichtigt werden. Neben den Beschimpfungen und Beleidigungen war die tätliche Auseinanderset166 zung ein weiteres Mittel der Problemlösung und Konfliktaustragung . Die Paragraphen der Duderstädter Statuten, in denen die Bestrafung anhand der Schwere der den Personen zugefügten Wunden festgelegt wurde, sind bereits erwähnt worden. Für die Bewertung von Gewalttätigkeiten enthielten die Statuten zusätzliche Paragraphen, die sich auf die benutzten Waffen bezogen. Paragraph 136 der Statuten besagt, dass jemand, der ein Schwert oder ein Messer zieht oder damit wirft oder mit einem Beil schlägt, acht Fuder Steine geben soll. Dies war durch die Zahlung 167 von einer Mark abzulösen . Bei der Betrachtung der Delikte wie dem von dem Sohn von Lorenz Renshußen, der Kalixtus Roleves „up freygeren straten meth 168 eineren ackes up den kop geslagen“ hat, und dafür fünf Mark Strafe bezahlen sollte, wird deutlich, dass in den meisten Fällen die Art der Wunden und nicht die Benutzung von Waffen das ausschlaggebende Kriterium für die Festlegung des Strafmaßes gewesen sein muss. Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass Hausfriedensbrüche mit einem Bußgeld von fünf Mark bestraft wurden, unabhängig 169 davon, ob Waffen benutzt wurden oder nicht . Schwierigkeiten bei der Auswertung der Fälle ergeben sich auch durch die verschiedenen Währungen, in denen die Strafgelder festgelegt wurden, und das ungeklärte Verhältnis der Währungen zueinander. Daher müssen gerade in Bezug auf die Bemessung der Strafgelder viele Fragen offen bleiben. Tile Wulff beispielsweise sollte zwei „hochgewedde“ bezahlen, weil er einen 170 Knecht mit einer Harke geschlagen hatte . Der Begriff „Gewedde“ stand für eine 162 Vgl. van Dülmen, Der ehrlose Mensch, 1999, S. 2–3. 163 Vgl. Krug-Richter, Barbara, Konfliktregulierung zwischen dörflicher Sozialkontrolle und patrimonialer Gerichtsbarkeit. Das Rügegericht in der Westfälischen Gerichtsherrschaft Canstein 1718/19. In: Historische Anthropologie 5, 1997, S. 231–228, hier S. 224–225. 164 Vgl. Schwerhoff, Gerd, Zungen wie Schwerter, Blasphemie in alteuropäischen Gesellschaften 1200–1650 (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 5), Konstanz 2005. Diese relativ neue Studie untersucht den Tatbestand der Gotteslästerung in allen seinen Facetten. 165 Eingehend untersucht werden diese Vergehen in dem Beitrag von Eva Labouvie, Verwünschen und Verfluchen: Formen der verbalen Konfliktregelung in der ländlichen Gesellschaft der frühen Neuzeit. In: Der Fluch und der Eid (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 15), Berlin 1993, S. 121–145. 166 Vgl. Müller-Wirthmann, Raufhändel, 1983, S. 88–89. 167 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 136. 168 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 40a verso. 169 Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 12 verso, 63 verso und 64 recto. 170 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 63 verso.

Friedensbrüche

93

Geldbuße, die an den Richter zu zahlen war. Es ist anzunehmen, dass „hochgewedde“ nur eine andere Bezeichnung für „Gewedde“ war und es sich dabei um eine Art Aufwandsentschädigung für die Gerichtsherren handelte. Dies wird dadurch bestätigt, dass in vielen Fällen die „hochgewedde“ zusätzlich zu dem Strafgeld erhoben wurden. Andererseits musste Tile Wulff – wie viele andere auch – für sein Vergehen lediglich eine Aufwandsentschädigung für die Gerichtsherren bezahlen und kein 171 Strafgeld . Ob die Vergehen in diesen Fällen als nichtig angesehen wurden und daher nur die Gerichtsgebühr bezahlt werden musste, ist wahrscheinlich, muss aber eine Vermutung bleiben. Nach welchen Kriterien sich die im Strafbuch eingetragenen Zahlungsforderungen im Einzelnen zusammensetzten, kann nicht mehr ermittelt werden. Laut den Eintragungen im Strafbuch, die nur das Minimum der tatsächlichen 172 Gewalttaten darstellen, kam es in 26 Jahren zu vier Messerstechereien und 173 174 27 Schlägereien , sechsmal wurde mit der Büchse geschossen . Hans Otte warf 175 mit einem Stein , Simon Kerkeneren lauerte Hans Theypell mit einer Axt und einem Beil auf, und Bestian Owden stieß einen Knaben von einem aufgeschichteten 176 Heuhaufen . Die Tatsache, dass ein Junge in einen Graben gestoßen wurde, zeigt, dass auch Kinder Zielscheibe von Gewaltanwendung sein konnten. Gewöhnlich trugen die Erwachsenen ihre Streitigkeiten jedoch unter sich aus. Es ist zu vermuten, dass es bei der Verrichtung der alltäglichen Geschäfte zu Streitereien kam, die in Gewaltanwendung mündeten. Stellt man eine Verbindung zwischen den Friedensbrüchen auf offener Straße und den Hausfriedensbrüchen her, die beide in gleicher Form, nämlich als Streitereien, Schlägereien, Messerstechereien usw. auftraten, dann sind Friedensbrüche das zweithäufigste Vergehen, nach den Feldfreveln, da insgesamt circa 280 Fälle registriert wurden177. In Nürnberg sind die „Tätlichkeiten“ (Gewalttaten, Körperverletzung, Messerzücken usw.) mit einem Anteil von 53 Prozent an allen Delikten mit Abstand die größte Deliktgruppe inner178 halb des Untersuchungszeitraumes (1432 bis 1434).

171 Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 63 verso. 172 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 53 verso, 63 verso, 67 recto und 68 recto. 173 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 recto, 19 verso, 24 verso, 40 verso, 53 recto, 53 verso, 54 verso, 60 verso, 61 recto, 61 verso, 63 recto, 63 verso, 64 recto, 67 recto, 5a recto, 7a recto, 29a recto, 33a recto, 33a verso, 40a recto; AB 89a, fol. 28 verso; AB 89b, fol. 30 verso und AB 94, fol. 49 verso. 174 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7a verso, 13a recto, 25a recto, 29a recto, 36a verso und AB 96, fol. 288 verso sowie AB 101, fol. 152 recto. 175 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 53 recto. 176 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 66 verso und 41a recto. 177 Von der oben genannten Zahl von 3.105 Eintragungen sind ungefähr 2.000 Feldfrevel abzuziehen. In der Zahl von 1.105 Eintragungen sind zahlreiche Wiederholungen enthalten. Berücksichtigt man diese Randbedingungen, dann sind circa 280 Friedensbrüche eine verhältnismäßig große Anzahl von Vergehen. 178 Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 74 und 83.

94

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

Die Statuten enthielten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch keinen Paragraphen, der das Schießen mit einer Büchse untersagte. Erst für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts ist ein Paragraph überliefert, der verbot, nachts Schüsse 179 mit der Büchse abzugeben . An diesem Beispiel ist ersichtlich, wie lange es dauern konnte, bis bestimmte Verhaltensweisen auch normativ reglementiert wurden. Die Gerichtsherren des Ratsgerichts wurden in der Praxis mit diesem Vergehen schon 180 zu Beginn des 16. Jahrhunderts konfrontiert. Das Schießen mit der Büchse wurde 181 mit einer Mark bestraft . Bei nächtlicher Ruhestörung durch Schießen, die in 182 Duderstadt nur in einem Fall belegt ist, betrug das Strafgeld jedoch 15 Mark . Dennoch war es nachts auf den Straßen von Duderstadt relativ ruhig. Die Sicherheitsvorkehrungen für die Nacht, das Sichern der Straßen mit Ketten und Schlägen sowie das Aufstellen von Wächtern erfüllten offensichtlich ihren Zweck. 183 Nur einmal in 26 Jahren riss der bereits erwähnte Schuss von Jacob Heßen Junior die Bewohner aus dem Schlaf und ein anderes Mal schreckte das Geschrei von 184 Balzar Stolteheiße , in der Art wie „Volk heraus“, die Bewohner auf. In einer Nacht überfiel Hans Gerlach den Bürgermeister. Ferner wurde Jacob Heßen zu einem Strafgeld von fünf Mark verurteilt, „causa des scheytendes by nacht up deren stra185 ten“ . Im Vergleich zu den Hausfriedensbrüchen, die allesamt mit einem Strafgeld von fünf Mark geahndet wurden, scheinen die Friedensbrüche auf offener Straße zwar seltener, aber dafür schwerer gewesen zu sein. Diese wurden, soweit die Geldbußen überhaupt in das Strafbuch eingetragen wurden, zum Teil ebenfalls mit einem Bußgeld von fünf Mark bestraft. Es tauchen aber vergleichsweise häufig auch höhere Bußgelder auf, was auf einen höheren Schweregrad der Wunden hindeutet. Hans Budel hatte zum Beispiel einen Mann bei einer Schlägerei so schwer verletzt, dass dieser an den Folgen gestorben war. Für dieses Vergehen sollte er ein Strafgeld von neun Mark entrichten186. Simon Kerkener wurde zu einer Geldbuße von 30 Mark 187 verurteilt, weil er seine Magd mit einem Messer traktiert hatte . Simon Kerkener wurde auch aufgrund anderer gewalttätiger Angriffe auf Personen auffällig. Nachdem er schon im Haus seines Großvaters durch Gewaltanwendung Schaden angerichtet hatte, lauerte mit er Axt und Beil dem Torwächter des Teichtores, Hans

179 Vgl. Jaeger, Duderstädter Statuten, Teil 1, 1918, S. 42. 180 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 104. Laut Schuster war Gewalt überwiegend ein „Freizeitphänomen“. Gewalt kam meistens am Sonntag, an Feiertagen oder in den Abendstunden zum Ausbruch. 181 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7a recto, 13a verso, 29a recto und 36a verso. 182 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 71 recto, 12a recto und 25a verso. 183 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 71 recto und 12a recto. 184 Vgl. StadtA. Dud., AB 89a, fol. 28 verso. 185 StadtA. Dud., AB 99, fol. 533c. Ein derartiges Vergehen wurde auch 1438 in Konstanz geahndet. Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 105. 186 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 63 verso. 187 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 68 recto.

Friedensbrüche

95

188

Theypell, auf . Für dieses Delikt sollte Kerkener ein Strafgeld von zehn Mark bezahlen. Genauso hoch war das Bußgeld, das Jacob Rodeclawes für das Schlagen 189 einer Frau auferlegt bekam . Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass die meisten Vergehen bzw. Friedensbrüche mit einer Geldbuße von fünf Mark geahndet worden sind. Nur wenige Fälle, in denen die Opfer schwerere Verletzungen erlitten, wurden mit höheren Geldbußen belegt. Die Eintragungen im Strafbuch sind in diesen Fällen detaillierter. Daraus resultiert, dass zwar häufig Friedensbrüche stattfanden, diese aber in der Regel keine schwerwiegenden Folgen für die Opfer hatten, denn Beschimpfungen und Gewaltandrohung zählten genauso dazu wie Rangeleien. Die Gewalt in der Vormoderne zielte also nicht auf die körperliche Schädigung des Opfers ab, sondern war laut Schuster festen Spielregeln unterworfen190. Diese Feststellung gilt auch für Duderstadt. Die Ergebnisse Schwerhoffs, der die Kölner Turmbücher untersucht hat, decken sich in Bezug auf die Tatorte bei Friedensbrüchen nicht mit denen dieser Untersuchung. In Köln, einer Großstadt, waren die Schauplätze gewaltsamer Auseinandersetzungen in der überwiegenden Zahl der Fälle Straßen und Plätze – Orte also, an 191 denen sich das öffentliche Leben abspielte . In Duderstadt waren es dagegen die Privathäuser. Dies könnte ein bedeutsamer Unterschied zwischen der Kriminalität in Groß- und Kleinstädten bzw. Mittelstädten in der Frühen Neuzeit gewesen sein. 4.2.5 Totschlag Im Spätmittelalter bis zum Ende des 16. Jahrhunderts kann der Totschlag auf dem Land und in der Stadt immer noch durch eine Geldbuße gesühnt werden. Die fehlende Heimtücke bzw. der fehlende Vorsatz waren die entscheidenden Kriterien, 192 durch die sich der Totschlag vom Mord unterschied und auch heute noch unterscheidet. „Die ‚Ehrlichkeit‘ des Totschlags liegt in der Offenheit des Kampfes, was 193 bei der Tatwürdigung auch den Affektgedanken einschließen konnte.“ Der Totschlag zählte gemäß den Duderstädter Statuten zu den Friedensbrü194 chen und war das schwerste Verbrechen, das in das Strafbuch eingetragen wurde. Daher war es auch das schwerste Verbrechen, über das das Ratsgericht zu urteilen hatte. Die Statuten enthalten, abgesehen von den Bestimmungen über den Tot188 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 55 verso. 189 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 53 recto. 190 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 95–97. Schuster verweist hier auf weitere Studien aus Frankreich und England, die diese These unterstützen. Dem Duderstädter Strafbuch sind keine konkreten Hinweise auf diese Spielregeln zu entnehmen. 191 Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 297–299. 192 Vgl. Schubert, Ernst, Räuber, Henker, Arme Sünder. Verbrechen und Strafe im Mittelalter, Darmstadt 2007, S. 24 und S. 209. 193 Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 209. 194 Vgl. Jaeger, UB Dud., Nr. 521, 1885, § 242.

96

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

schlag, keine Anweisungen über die Ahndung von Verbrechen, die unter die Halsbzw. Hochgerichtsbarkeit fielen, wie zum Beispiel Kindsmord, Mordbrand oder Diebstahl. Eine Ausnahme bildet die bereits erwähnte Bestimmung über das Entwenden von Gartengemüse oder Früchten bei Nacht, ein Vergehen, das gemäß den Statuten als Diebstahl anzusehen war. Damit sind die Kompetenzen des Ratsgerichts für den Untersuchungszeitraum genau abgesteckt. In das Strafbuch und die Rechnungsbücher wurden in 26 Jahren sieben Tot195 schläge eingetragen . Sechs davon wurden nachweislich vor den Mauern der Stadt verübt. Dies war im 16. Jahrhundert von großer Bedeutung, sollte doch der Stadt196 friede gewahrt bleiben . Allein die Tatsache, dass in dem Duderstädter Strafbuch der Hinweis „vor der stadt“ aufgeschrieben wurde, unterstreicht die Bedeutung dieser Tatsache für die Zeitgenossen. Die Totschläge in Duderstadt wurden mit 15 bis 60 Mark bestraft. Da die Strafgelder für Totschlag die höchsten waren, die im Strafbuch zu finden sind, ist davon auszugehen, dass es sich bei zwei weiteren Vergehen ebenfalls um Totschläge handelte, da sie vor den Stadttoren begangen und mit Strafgeldern von 20 und 50 Mark belegt wurden. Daher kann von neun Totschlägen innerhalb von 26 Jahren ausgegangen werden. Totschlag war ein Vergehen, das sich anscheinend meist vor den Stadttoren Duderstadts ereignete. Nur bei einem Fall wurde der Tatort nicht angegeben197. Drei der Täter wohnten außerhalb der Stadtmauer: Jachim Krage war in Desin198 199 gerode ansässig, Jacob Nolten in Immingerode und Andreas Taneman in einer 200 Vorstadt, dem Steintor . Für wahrscheinlich alle Täter gilt, dass sie sich vor der Stadt und nicht vor aller Augen in der Stadt des Totschlags schuldig gemacht haben. Anscheinend wurde abseits der öffentlichen Kontrolle Gewalt in höherem Maße angewendet, so dass die Auseinandersetzungen folgenschwerer waren. Die Fälle, in denen kein Täter dingfest gemacht werden konnte, wurden nicht in das Strafbuch eingetragen, da dieses nur Zahlungsforderungen enthält. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl der begangenen Totschläge über neun lag. Sowohl Schuster als auch Schwerhoff haben festgestellt, dass generell aus der Vormoderne nicht alle Tötungsdelikte in den Kriminalquellen überliefert sind201. Dem schließe ich mich hier an. 195 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso, 22 recto, 38 verso, 55 recto, 63 recto, 6a verso, 13a recto, 38a verso, 39a recto und StadtA. Dud., AB 103, fol. 348c. 196 Auch Jansen hat bei der Untersuchung der Stadtrechte im 12. Und 13. Jahrhundert herausgearbeitet, dass die Tatsache, ob ein Streit vor oder in der Stadt stattfand von Wichtigkeit war. Vgl. Jansen, Der gestörte Friede, 2002, S. 85–86, 89. 197 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 39 recto und 50 verso. 198 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 39a recto. 199 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 39a recto. 200 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 70 verso und 11a verso. 201 Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör,1991, S.282 und Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 89.

Friedensbrüche

97 202

In den Statuten gibt es vier Paragraphen, die sich mit Totschlag beschäftigen . Nur einer kommt der Praxis der Rechtsprechung nahe. Nach diesem war für den 203 Friedensbruch durch Totschlag eine Geldbuße von 24 Mark zu zahlen . Lediglich in einem Fall, dem von Tile Owden, wurde tatsächlich ein Strafgeld von 24 Mark 204 verhängt . Es wird wohl zwischen Tötung aus Notwehr, fahrlässiger Tötung und 205 Handlung im Affekt unterschieden worden sein . Zumindest ist davon auszugehen, dass der Tathergang und die Ursache der Tat bei der Bemessung des Strafgeldes eine Rolle gespielt haben. Dass Affekthandlungen durchaus als Ursache in Erwägung gezogen wurden, davon legt die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 206 1532 („Carolina“) Zeugnis ab . Es ist anzunehmen, dass das Ratsgericht bei Totschlagsdelikten auch als Schlichtungsinstanz zwischen dem Täter und der Familie des Verstorbenen fungierte. Diese beiden Parteien hatten sich vor dem Ratsgericht auch über die Entschädigungszahlungen zu einigen. Schuster hat für Basel festgestellt, dass im Falle eines Totschlags das Gericht zum Vollstrecker des Sühne- und Rachebedürfnisses des Klägers wurde. In Nürnberg wurde insbesondere bei Totschlägen oder Verwundungen eine „Taidigung“, also eine Schadensersatzleistung, zwischen den Parteien vor dem Stadtgericht ausgehandelt und beurkundet207. In vielen Rechtskreisen war bis zum Ende des Mittelalters bei Gewaltdelikten der private Ausgleich dominant. Erst wenn dies fehlschlug, wurden Gerichte eingeschaltet, um diese Aufgabe zu über208 nehmen . Gemeinsam ist allen Duderstädter Tätern, dass sie – wie aus den Rechnungsbüchern hervorgeht – keine Gefängnisstrafe für den begangenen Totschlag absitzen 209 mussten . Auch dies spricht für die Anwendung des oben genannten Paragraphen der Statuten und lässt die anderen Bestimmungen, die eine Gefängnisstrafe und 210 Ausweisung aus der Stadt verordneten, in den Hintergrund treten . Inwieweit sich jedoch der Passus im Erlass Albrechts von Brandenburg aus dem Jahr 1515, dem zufolge Totschlag fortan nicht mehr nach den Statuten, sondern nach der Reichsordnung abgeurteilt werden sollte, auf die Strafhöhe niedergeschlug oder ob er überhaupt bei der Rechtsprechung des Duderstädter Ratsgerichts im Untersu211 chungszeitraum Berücksichtigung fand , ist nicht nachvollziehbar. Es ist jedoch anzunehmen, dass diese Bestimmung in Vergessenheit geriet, da sie nur in dieser 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211

Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 135, 242, 259 und 260. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 242. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 38 verso und 50 recto. Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 275. Vgl. Radbruch, Gustav, Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, (6. Auflage 1991), Stuttgart 1975, S. 90–91. Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 157. Vgl. Schuster, Konfliktlösungsmöglichkeiten, 2002, S. 135. Die entsprechenden Seiten aus den Rechnungsbüchern 1530–1546 unter dem Rubrum „vor fangenkoest“ wurden auf die Namen der Totschläger hin überprüft. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 135 und 259. Vgl. Wolf, Duderstadt, Bd. 2, 1803, S. 114–116 und S. 152–153.

98

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

einen Verordnung genannt wurde, in den folgenden jedoch keinerlei Erwähnung fand.

4.3 Vielfalt der Frevel Zu den Freveltaten, die in dieser Untersuchung besondere Berücksichtigung finden, gehören die berufsbezogenen Delikte der Handwerker, Delikte gegen die Handelsbeschränkungen, Fehlverhalten bei Festen und bei Geselligkeiten, Verstöße gegen die Feuerschutzvorschriften, verbotenes Fischen sowie eine Vielzahl von Feld- und Holzfreveln. Die Feldfrevel sind zahlenmäßig mit fast 2.000 Fällen die größte Deliktgruppe. Dabei wird versucht, möglichst viele der in das Strafbuch eingetragenen Delikte zu berücksichtigen, um das breite Spektrum des abweichenden Verhaltens aufzuzeigen. An die Darstellung der Formen des Ungehorsams gegenüber dem Rat und den Geistlichen sowie der Schilderung der Verstöße gegen die kirchlichen Zuchtgebote schließt sich die nähere Betrachtung der Täter und Opfer an. Die Delikte sollen anhand der städtischen Statuten untersucht und im zeitlichen und städtischen Kontext betrachtet werden. 4.3.1 Delikte der Handwerker Die Handwerker hatten sich nicht nur an Bestimmungen der städtischen Statuten zu halten, sie mussten sich darüber hinaus auch den Regeln ihrer Gilden unterwerfen. Für Bäcker galten auch außerhalb von Hungers- und Kriegszeiten besonders 212 strenge Produktionskontrollen . In den Duderstädter Statuten wurde verordnet, dass die Bäcker genug Brot backen sollten, damit daran kein Mangel herrsche. Auch sollten Brot im Wert von einem Pfennig und von zwei Pfennigen sowie Wecken gebacken werden. Jeder Bäcker durfte backen, wann es ihm beliebte, bis auf sonn213 tags. Die Backwaren sollten von denen geprüft werden, die dazu bestimmt waren . Die Statuten schrieben die Strafgeldhöhe im Falle eines Verstoßes gegen diese Vorschriften nicht vor. Anhand der Eintragungen im Strafbuch wird offenkundig, dass diese Verordnungen hin und wieder nicht eingehalten wurden. Wenn dies der Fall war, wurden gleich mehrere Bäcker hintereinander verzeichnet, oder ein Eintrag steht für eine Ordnungswidrigkeit, die sich mehrere Bäcker gleichzeitig zuschulden kommen ließen. Daher ist davon auszugehen, dass in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen

212 Vgl. Reininghaus, Wilfried, Gewerbe in der frühen Neuzeit (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 3), München 1990, S. 35. 213 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 313–316. Nähere Angaben über die Personen, die die Kontrollen vorgenommen haben, sind in den Statuten nicht enthalten. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich die Kontrollkommission aus Meistern der Bäckergilde und Ratsherren zusammensetzte.

Vielfalt der Frevel

99

214

Kontrollen bei den Bäckern durchgeführt wurden . Die Prüfer bemängelten, dass 215 zu kleine Brote oder große Brote, die „nicht penniges werdt“ waren, gebacken wurden. Das Strafgeld für diese Delikte betrug entweder eine oder zwei Mark. Da das Backen von zu kleinen Broten kein Einzelfall war und die Prüfer diese Vergehen sporadisch aufdeckten, sind die Kontrollen als Schutz für die Verbraucher einzustufen und als eine Form, die Einhaltung der Statuten durchzusetzen bzw. zu starken Auswüchsen vorzubeugen, anzusehen. Zählt man lediglich die Einträge im Strafbuch in den aufeinanderfolgenden Jahren, könnte man zu dem Schluss kommen, dass in dem einen Jahr viele Bäcker gegen die Statuten verstoßen haben, in anderen Jahren wenige. Diese Schwankungen sind aber bedingt durch die unregelmäßigen obrigkeitlichen Kontrollen. Betrachtet man außerdem die Ergebnisse von Schuster für die Stadt Konstanz, so kann man Parallelen zu Duderstadt nicht nur bei den Statuten, sondern auch in Bezug auf die Vergehen von Handwerkern erkennen. So wurden beispielsweise in beiden Städten Bäcker bestraft, die zu kleine Brötchen gebacken hatten216. Auch die Fleischer oder Knochenhauer mussten sich einer Kontrolle ihrer Waren unterziehen. Die Stadtobrigkeit wollte verhindern, dass verdorbenes Fleisch in den Verkauf gelangte. Daher bestimmten die Duderstädter Statuten, dass kein Fleisch „aufgehauen“ werden sollte, bevor es nicht von den Fleischbeschauern geprüft worden war. Dies deutet auf eine beständige Kontrolle der Fleischqualität hin. Darüber hinaus wurden die Art des Feilbietens von Fleisch geregelt, der Schlachttag für Saufleisch festgelegt und die Buden neben dem Finnenpfahl auf dem Marktplatz als Ort für den Verkauf von fehlerhaftem Fleisch bestimmt. Auch sollten jedes Jahr die Fleischpreise neu festgelegt werden217. Da sich im Strafbuch keine Eintragungen über die Verstöße gegen diese Vorschriften finden, kann davon ausgegangen wer218 den, dass sie eingehalten wurden. Lediglich das Salzen des Fleisches mit Brabant 219 wurde dreimal als Vergehen im Strafbuch genannt . Bei Brabant handelte es sich wahrscheinlich um einen gängigen und günstigen Ersatzstoff für das wertvolle und teure Salz. In einem anderen Fall wurde bemängelt, dass das Fleisch bei der Prü-

214 Die Quelle gibt keinen Aufschluss über die Daten und über die Regelmäßigkeit bzw. Unregelmäßigkeit der Kontrollen. 215 Zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 40 recto, 52 verso, 55 recto und 14a verso. 216 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 132. 217 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 299–312. 218 Die gängigen Referenzwerke wie Zedler und Grimm geben keine Auskunft darüber, um was für einen Stoff es sich bei „brabant“ handelt. Vgl. Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 2, Leipzig 1860 und Zedler, Johann Heinrich, Grosses vollständiges UniversalLexikon, Bd. 4, Graz 1961. 219 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 27a recto, 33a recto und 36a recto. Wahrscheinlich war die Wirkungsweise dieses Stoffes zu der Zeit so weit bekannt, dass man um seine Ungefährlichkeit wusste. Ansonsten wären die Täter wohl nicht mit so geringen Geldstrafen davongekommen.

100

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 220

fung gesalzen war . Es ist anzunehmen, dass das Schweinefleisch gleich nach der Schlachtung gesalzen worden war, um es länger haltbar zu machen. Gängige Praxis war es jedoch, das Fleisch einen Tag im Sommer und zwei Tage im Winter zum Verkauf anzubieten, bevor es durch Einsalzen haltbar gemacht wurde. Der Rat setzte für diese Vergehen eine Strafe von einer Mark oder zwei Molder Hafer fest, obwohl das Salzen von Fleisch in den Statuten nicht explizit untersagt wurde. Insgesamt betrachtet geht aus diesen Einträgen hervor, dass die in den Statuten vorgeschriebenen Fleischkontrollen tatsächlich durchgeführt wurden. Die Statuten regelten auch, wie nach dem Tod eines Knochenhauers mit seinem Verkaufsstand zu verfahren sei: Eine solche Marktbude sollte innerhalb der Familie vererbt werden. Sie zu verkaufen war verboten. Zunächst sollte sie an den Sohn vererbt werden, der ebenfalls das Knochenhauerhandwerk ausübte. Hatte der Knochenhauer keinen Sohn, so fiel der Verkaufsstand nach seinem Tod an die Tochter, die in das Handwerk einheiratete. Hinterließ der Knochenhauer keine Kinder, gelangte die Marktbude in die Hände des Stadtrates zurück, der sie daraufhin gegen ein Entgelt wieder vergab221. Aus den Eintragungen im Strafbuch geht hervor, dass vier Duderstädter gegen 222 das Verbot, Verkaufsstände zu veräußern, verstoßen haben . Die Eintragungen geben jedoch keinen Aufschluss über die Berufe, die diejenigen Personen ausübten, 223 welche die Verkäufe tätigten . Es ist daher nur zu vermuten, dass es sich um Knochenhauer gehandelt hatte, da nur für sie die Veräußerung der Verkaufsstände ausdrücklich verboten wurde. So wurde zum Beispiel Facius Helmolt ein Strafgeld von acht Mark auferlegt, weil er seinen Verkaufsstand widerrechtlich an Melcheren 224 Garmaren veräußert hatte . Anders lag der Fall jedoch bei Ciriacus Nigeroth. Dieser sollte 1541 für den unrechtmäßigen Kauf einer halben Marktbude ein Straf225 geld von fünf Mark entrichten – vermutlich, weil dieser Kauf nicht über den Rat abgewickelt worden war. Für die anderen Handwerker in der Stadt wie zum Beispiel die Woll- und die Leinweber wurden keine berufsbezogenen Vergehen in das Strafbuch eingetragen, obwohl auch für sie umfangreiche Verhaltensregeln in den Statuten der Stadt fest226 geschrieben waren . Daher ist davon auszugehen, dass sich die Handwerker im Großen und Ganzen an die Bestimmungen gehalten haben, die ihren Beruf betrafen. Inwieweit dieses jedoch auch durch die Einbindung in die Gilden bedingt war, ist nicht überprüfbar. Gab es doch auch innerhalb der Gilden strenge Regelungen, 220 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 33a recto. 221 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 307–310. 222 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 22a recto, 27a recto, 29a recto, 32a recto und AB 105, fol. 150 recto. 223 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 22a recto, 27a recto, 29a recto, 32a recto. Vgl. auch StadtA. Dud, AB 105, fol. 150 recto. 224 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 29a verso. 225 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 22a recto und 27a recto. 226 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 282–298.

Vielfalt der Frevel

101

an die sich die Mitglieder zu halten hatten. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Mitglieder der jeweiligen Gilden vor eventuellen berufsbezogenen Missetaten zurückschreckten, da es infolge von Fehlverhalten auch zu einem Ausschluss aus der Gilde kommen konnte. Simon-Muscheid hat in ihrer Untersuchung über das Handwerk in Basel heraus227 gefunden, dass die Vergehen, die unter die Zunftgerichtsbarkeit fielen, nicht an die Öffentlichkeit drangen. Nur wenn sie ein gewisses Maß überschritten – dies war beispielsweise bei einem erheblichen Diebstahl der Fall – oder die Tat nicht „ver228 tuscht“ werden konnte, gelangte sie vor Gericht, ansonsten wurde sie gedeckt . Dies wird zumindest durch die Gildestatuten der Duderstädter Schmiede bestätigt. Dort heißt es, dass das Verursachen von Streitigkeiten auf einer Versammlung mit einer Buße von einem halben Pfund Wachs und einem Viertel Bier zu sühnen war. Außerhalb einer solchen Gesellenversammlung wäre es als Hausfriedensbruch angesehen und mit einem Strafgeld von fünf Mark geahndet worden. Ferner bestimmen die Gildestatuten, dass kein Geselle ohne Erlaubnis des Meisters und der 229 Meisterknappen eine Klage bei Gericht einreichen durfte. Diese Vorschrift diente eindeutig dem Schutz der Gilde und ihrer Mitglieder vor dem Zugriff der Obrigkeit. Ferner deutet das Vorhandensein dieser Vorschrift darauf hin, dass versucht wurde, Streitigkeiten zunächst innerhalb der Gilde beizulegen. Auch die Wollweber und die Bäcker hatten sich das Recht vorbehalten, über Streitigkeiten ihrer Gildebrüder 230 untereinander zu entscheiden und eigene Strafen zu verhängen . Aufgrund dessen kann vermutet werden, dass Streitigkeiten unter Handwerkern im Duderstädter Strafbuch kaum Niederschlag gefunden haben. Da aber im Strafbuch bei der überwiegenden Zahl der Täter die Berufe nicht angegeben sind, können keine allgemeingültigen Aussagen über die Eintragung von Auseinandersetzungen unter Handwerkern gemacht werden. Die Namen der Bäcker hingegen sind im Strafbuch fast vollständig verzeichnet. Nach Überprüfung der Eintragungen aller ihrer Vergehen anhand ihrer Namen kann festgestellt werden, dass keine Streitigkeiten oder Schlägereien unter Bäckern im Strafbuch verzeichnet wurden, ebenso wenig Auseinandersetzungen von Bäckern in dem Haus eines Berufsgenossen. Die Vergehen von Bäckern jedoch, die sich gegen Nichtgildeangehörige richteten oder gegen die allgemeinen Ordnungsbestimmungen verstießen, wie zum Beispiel das Spielen um Geld mit Nichtgilde-

227 Vgl. Simon-Muscheid, Katharina, Gewalt und Ehre im spätmittelalterlichen Handwerk am Beispiel Basels. In: Zeitschrift für Historische Forschung Jg. 18/1991, S. 1–31, S. 5–6. Unter die Zunftgerichtsbarkeit fielen zum Beispiel Vergehen wie die Überschreitung der vorgeschriebenen Gesellenzahl sowie Streitigkeiten zwischen Gildemitgliedern u.a. 228 Vgl. Simon-Muscheid, Gewalt und Ehre, 1991, S. 5–6 und 27–28. 229 Halbjährlich wurden von den Gesellen vier Meisterknappen gewählt, „die für die Lichter [Kerzen] der Bruderschaft „Unserer lieben Frau“, der die Gesellen angehörten, zu sorgen hatten“. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 8, 1910, S. 102. 230 Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 8, 1910, S. 104.

102

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 231

mitgliedern , haben im Strafbuch Niederschlag gefunden. Diese Feststellungen bestätigen, dass die Forschungsergebnisse von Simon-Muscheid zumindest auch für die Bäckergilde in Duderstadt Gültigkeit haben. Es ist daher zu vermuten, dass es sich für die anderen Duderstädter Gilden ebenso oder ähnlich verhält. Allein zwischen zwei Müllern lässt sich eine Streitigkeit anhand einer Eintragung im Strafbuch belegen. Ciriacus Andrewes, der Müller der Vorderen Mühle, hat die Vereinbarung über ein friedliches Nebeneinander mit einem anderen Müller nicht 232 eingehalten . Dies kann ein Hinweis auf Konkurrenz zwischen den Müllern sein. Diese Begebenheit, dass die Streitigkeiten zwischen den Müllern im Strafbuch verzeichnet sind, widerspricht den Ergebnissen von Simon-Muscheid nicht, da die 233 Müller keiner Gilde angehörten . 4.3.2 Verstöße gegen Handelsbeschränkungen Die Festschreibung der Maße, Gewichte und Preise diente zum Schutz der Verbraucher. Diese Vorschriften haben sich, wie schon im vorhergehenden Kapitel gezeigt wurde, als sinnvoll erwiesen, da immer wieder zu Lasten des Verbrauchers gegen sie verstoßen wurde. Nicht nur die Handwerker, sondern auch die Kaufleute und Krämer mussten sich, wenn sie nicht bestraft werden wollten, diesen Richtlinien unterwerfen. Für Duderstadt ist nur ein Vergehen von Krämern belegt, die zwei 234 Mark bezahlen mussten, weil sie „tho korthe ellen hadden“ . Auch der sogenannte Fürkauf, also der An- und Verkauf von Lebensmitteln zum Erzielen von Spekulati235 onsgewinnen , wurde in Duderstadt unterbunden. Dies ist daraus ersichtlich, dass Peter Bur und Valentin von Snehen jeweils eine Mark Strafe bezahlen sollten, da sie 236 Honigkuchen „up foerkaup gekoefft“ hatten. Verboten war es auch, Vieh ohne die Erlaubnis des Rates nach außerhalb der Stadt zu verkaufen. Als Bothmann Gänse 237 nach Göttingen verkaufte, wurde ihm dafür eine Strafe von fünf Mark auferlegt . Anscheinend war der Rat darum bemüht, zunächst den Bedarf an Lebensmitteln und anderen Gütern innerhalb der Stadt zu decken, bevor Waren nach außerhalb verkauft werden durften. Dies galt auch für den Verkauf von Leinwand. Die Weber mussten ihre Ware zunächst den Kaufleuten in Duderstadt zum Kauf anbieten. 231 232 233 234 235

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 29a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 36a verso. Vgl. Danckert, Werner, Unehrliche Leute, 1963, S. 127–129. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 46 recto und 49 verso. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 129–130. In Nürnberg kam dieses Delikt von 1432 bis 1434 insgesamt 27-mal vor und machte damit die Hälfte der Delikte aus, die Henselmeyer den Wirtschaftsdelikten zurechnet. Bei diesem Delikt war der Anteil der Frauen unter den Delinquenten in Nürnberg erstaunlich hoch. Er variierte von Jahr zu Jahr zwischen 40 und 80 Prozent. Da manche Frauen sogar mehrfach und meist mit geringen Geldbußen wegen dieses Deliktes bestraft wurden, geht Henselmeyer davon aus, dass diese Art von Geschäft in kleinerem Umfang Bestandteil der Sicherung des Einkommens der Familien war. 236 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1 recto und 5 recto. 237 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 107 recto.

Vielfalt der Frevel

103

Waren diese nicht bereit, das Leinen zu einem Preis, den der Weber in Heiligenstadt oder Göttingen dafür erzielen konnte, zu kaufen, dann war es ihm erlaubt, seine 238 Produkte ohne jegliche Beschränkung zu veräußern . Ein weiterer Artikel der Statuten zielt in die gleiche Richtung. Gäste, die Güter auf dem Markt verkauften, durften diese erst, nachdem sie einen Tag auf dem Markt feilgeboten worden waren, 239 an einen Höker verkaufen . Ob der Krämer aus Kassel gegen dieses Verbot verstoßen hat, ist aus der Eintragung nicht zu entnehmen. Er zahlte jedoch fünf Mark, 240 weil er „des rades geboth vorachttet im markedage“ . Auch diese Regelung diente wie die anderen Statuten, die das Wirtschaftsleben regelten, vermutlich in erster Linie der Sicherung der Versorgung der Stadtbevölkerung mit allen wichtigen Wa241 ren und dem Schutz der Konsumenten vor überhöhten Preisen . Auch Henselmeyer und Groebner haben für Nürnberg festgestellt, dass die Strafen, die das Wirtschaftsleben betrafen, eher den Charakter von Taxen hatten, und dazu dienten, die allgemein bekannten unrechten Geschäftspraktiken in gewissen Grenzen zu 242 halten . Darüber hinaus hat Henselmeyer belegt, dass die Kontrollen der Händler gezielte Aktionen des Rates waren; eine kontinuierliche Kontrolle fand nicht statt. Dies hatte zur Folge, dass in manchen Jahren, in denen die Kontrollen öfter stattfanden das eine oder andere Delikt wesentlich häufiger in den Büchern verzeichnet wurde als in anderen Jahren. Henselmeyer spricht von „Konjunkturen“. Es verhält sich beim Handel also ähnlich wie beim Handwerk. 4.3.3 Delikte bei Festen und Geselligkeiten Der Alltag der Menschen in der Frühen Neuzeit war ebenso von Festen und Geselligkeiten wie durch harte Arbeit geprägt. Die Zahl der Anlässe zum Feiern war groß. Gefeiert wurde, neben den regelmäßig wiederkehrenden Festen, die zum Teil durch den Kirchenkalender bestimmt wurden, insbesondere auch der Karneval. Ferner boten Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen, die Einschnitte im Leben einzelner 243 Menschen darstellten, einen Anlass zum Feiern . Um den großen finanziellen Aufwand, der mit solchen Feierlichkeiten verbunden war, einzudämmen und um die Gäste zu sittlichem Betragen anzuhalten, nahmen die Verordnungen über die Gestaltung von Hochzeitsfeiern in den Duderstädter Statuten einen breiten Raum ein. Die Duderstädter Hochzeitsordnung schränkte zum Beispiel die Zahl der Gäste ein, die Anzahl und den Umfang der Mahlzeiten, die Größe der Geschenke sowie die Art und die Höhe der Bezahlung der Spielleute. Ferner wurde bestimmt, dass Mägde und Knechte getrennt voneinander Platz zu nehmen und sich sittlich zu verhalten 238 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 289. 239 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 53. Ein Höker kauft Waren, um sie mit Gewinn weiterzuverkaufen. 240 StadtA. Dud., AB 98, fol. 435 recto. 241 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 132. 242 Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 132–134. 243 Vgl. Tschipke, Lebensformen, 1993, S. 118 und van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 126.

104

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 244

hatten . Und trotzdem waren Hochzeitsfeiern diejenigen Feste, bei denen ein besonders großer Aufwand getrieben wurde. Noch vor den Hauptfeierlichkeiten fanden in kleinem Kreis Vorfeiern statt. An den Hochzeiten selbst nahm ein großer Personenkreis Teil. Es wurde üppig gespeist, viel getrunken und Spielleute sorgten für Tanzmusik. Jeder, der die bestehende Hochzeitsordnung nicht einhalten wollte, sollte der 245 Stadt zwei Mark geben . Dieser Paragraph öffnete ein „Hintertürchen“ für diejenigen, die ihre Hochzeitsfeierlichkeiten nicht durch die Statuten der Stadt einschränken lassen wollten. Der Artikel ist am Rand mit dem Zusatz „non lege“ versehen worden. Von wann diese Eintragung stammt, ist dem Urkundenbuch nicht zu entnehmen. Es ist jedoch anzunehmen, dass diese Bestimmung auch zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch Gültigkeit besaß, zumal laut Statuten angeordnet wurde, dass der Bräutigam und der Brautvater am Freitag nach der Hochzeit vor dem Rat zu erscheinen und zu beschwören hatten, dass die Feier gemäß den Vorgaben abgehalten worden war. Wer sich dazu nicht einfand, musste fünf Mark Strafe bezahlen246. Diesem Artikel wurden keine Randbemerkungen hinzugefügt, so dass er am Anfang des 16. Jahrhunderts noch verbindlich war. Auch im Strafbuch befinden sich zwei Eintragungen, aus denen hervorgeht, dass diejenigen drei Mark bezahlen 247 sollten, die „seck nith recht geholden“ hatten bei ihren Hochzeiten . Im Untersuchungszeitraum von 1521 bis 1546 wurden in Duderstadt zwischen 248 140 und 150 Trauungen vollzogen . Bei den Feierlichkeiten ist es trotzdem nur selten zu Ausschreitungen oder Verstößen gegen die Hochzeitsordnung gekommen. Einige Hinweise auf Ausschreitungen bei Hochzeitsfeiern sind im Strafbuch enthalten. Bei dem großen Fest zur Vermählung Jacob Heßens, das im Rathaus stattfand – die großen Hochzeiten wurden im Rathaus gefeiert, die kleineren in Privat249 250 häusern – zogen Berlt Bredenbeck und Hans Klinckhart die Waffen . Das Hochzeitsfest von Kluten wurde durch einen Hausfriedensbruch von Henrick Stockfisch gestört. Dieser war mit dem Messer auf Hans Hypkenbecker losgegangen und hatte 251 diesen verletzt . Diese Hochzeit wird wie auch die von Marcus Morik in einem Privathaus stattgefunden haben. Auch während der Hochzeit von Marcus Morik 252 wurde der Hausfrieden gebrochen . Bei einer anderen Hochzeit verhielt sich Ciri253 acus Hartoge aus Nesselröden schamlos . Damit könnte gemeint sein, dass er sich 244 245 246 247 248

249 250 251 252 253

Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 209–232 und S. 426 unten. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 230. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 229. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 32a recto und 33a verso. Vgl. Ahrndts, Thomas, Hochzeiten Duderstädter Einwohner (1500–1660). In: Unser Eichsfeld. Zeitschrift des Vereins für Eichsfeldische Heimatkunde Jg. 37/1942, S. 20–23, S. 40–44, S. 65– 70, S. 74–80 und Jg. 38/1943, S. 34–72. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso und 67 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 67 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 36a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 38a verso.

Vielfalt der Frevel

105

verbotenerweise zu den Mägden oder den Jungfrauen an den Tisch begeben hatte. Insgesamt betrachtet ging es bei den Hochzeiten jedoch relativ gesittet zu, wie an der geringen Anzahl von Vergehen im Verhältnis zu der großen Anzahl von Hochzeiten erkennbar ist. Nur bei einzelnen Hochzeiten kam es zu Zwischenfällen, wurden Waffen gezogen, Hausfrieden gebrochen, wurde sich schamlos verhalten oder zu wild getanzt. Zu den beliebtesten Vergnügungen in der Frühen Neuzeit zählte nicht nur bei Vermählungsfeierlichkeiten, sondern auch bei anderen Gelegenheiten das Tanzen. Der Tanz diente der Unterhaltung, der Entspannung und der Belustigung. Zugleich war er „Ausdruck einer spezifischen Gruppensolidarität. In ihm spiegelte sich die Ordnung des Lebens wider, der Tanz vereinte die Hochzeitsgesellschaft, der Geschlechtertanz das Patriziat und das Ballett die Hofgesellschaft“254. Die Tanzformen 255 des 16. Jahrhunderts waren teils schichtübergreifend und teils sozialspezifisch . Es ist davon auszugehen, dass im 16. Jahrhundert in den Städten noch alle Schichten auf die gleiche Weise und zusammen zu tanzen verstanden, zumal sie auch 256 gemeinsam im gleichen Wirtshaus verkehrten oder feierten . Beim einfachen Volk erfreute sich die Volte, ein Tanz mit vielen Verdrehungen, wilden Bewegungen, Hüpfen und Springen besonderer Beliebtheit. In der Oberschicht bildeten sich schon im Laufe des 16. Jahrhunderts spezifische Formen des Tanzes heraus. Dabei 257 traten Ästhetik und künstlerischer Anspruch in den Vordergrund . Bei den Festlichkeiten in Duderstadt kann davon ausgegangen werden, dass alle 258 gemeinsam getanzt haben. Valentin Smedt, ein Viermann , und Hans Klinckhart, 259 ein Ratsdiener , sowie vier weitere männliche Personen mussten einen Molder Hafer als Strafe für (wildes) Tanzen bei verschiedenen Anlässen entrichten. Auch Frederich Lenhen, Bestian Roleves und Christoffel Stromeygeren hatten bei der 260 Hochzeit von Marcus Morick (vermutlich zu wild) getanzt . Nicht nur für die Zeit des Karnevals wird der Artikel der Statuten gegolten haben, der besagt, dass man wohl Reigen tanzen und lustig sein durfte, aber nur, wenn es 261 bescheiden und anständig geschehe . Die Statuten enthalten weitere Bestimmun254 Van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 130–131. 255 Vgl. Brunner, Wolfgang, Städtisches Tanzen und das Tanzhaus im 16. Jahrhundert. In: Kohler, Alfred/Lutz, Heinrich (Hg.), Alltag im 16. Jahrhundert. Studien zu Lebensformen in mitteleuropäischen Städten (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 14), Wien 1987, S. 45–64, S. 52. 256 Vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S.132. Erst im Laufe des 17. und besonders im 18. Jahrhundert entstanden beispielsweise die Kaffeehäuser für die „bessere“ Gesellschaft. 257 Vgl. Brunner, Wolfgang, Städtisches Tanzen, 1987, S. 63–64. 258 Vgl. StadtA. Dud., AB 94, fol. 2 recto und AB 95, fol. 95 recto und AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 recto. Valentin Smedt bekleidete nur in den Jahren 1535 und 1536 das Amt eines Viermannes. Es ist anzunehmen, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit wegen Tanzens in das Strafbuch eingetragen worden war, bevor er dieses Amt übernahm, da sich die Eintragung am Anfang des Strafbuches befindet. 259 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso und AB 90, fol. 68 verso. 260 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 25a recto und 29a verso. 261 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 56.

106

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

gen, die das Tanzen reglementieren. Zwischen dem Johannistag und Michaelis war das Tanzen vollständig untersagt, den Rest des Jahres sollte abends nicht mit Fackeln getanzt werden, deren Länge eine Elle überschritt. Speziell für die Karnevalszeit galt die Vorschrift, dass beim Tanzen neben Messern auch keine Masken getra262 gen werden sollten . Die Fastnacht beziehungsweise der Karneval bildete den Höhepunkt volkstümlicher Festveranstaltungen. Zu keiner Zeit im Jahr wurde so ausgelassen gefeiert, übermäßig gespeist, getrunken, getanzt, gelärmt und etlicher Schabernack getrie263 ben . Überdies wurden Umzüge, Spiele und Wettkämpfe veranstaltet, so dass die vielen nebeneinander stattfindenden Handlungen sich zu einem bunten Treiben verknüpften, das allmählich die ganze Stadt in ihren Bann zog. Den Karneval feier264 te nahezu die gesamte Stadtbewohnerschaft gemeinsam . Während außerhalb der Karnevalszeit Verkleidungen nicht geduldet wurden – in Duderstadt wurde ein Mann bestraft, weil er sich vermutlich betrügerischerweise als Priester verkleidet 265 hatte , – waren bei den Fastnachtsfeiern in Duderstadt Verkleidungen üblich und erlaubt. Allgemein sind viele Arten der Verkleidung bei Fastnachtsfeiern im 16. Jahrhundert überliefert. Männer trugen Frauenkleider, Frauen Männerkleider. 266 Manche verkleideten sich als Geistliche, Narren oder Teufel . In einer Vielzahl von Fastnachtsspielen wurden, satirisch oder parodistisch, städtische Persönlichkeiten dargestellt. Insbesondere Geistliche waren beliebte Spottobjekte, aber auch stadtbekannte Ereignisse oder die Kritik an weltlicher Obrigkeit wurden auf diese Weise 267 verarbeitet . Während der Karnevalsfeiern wurde die offizielle Ordnung quasi außer Kraft gesetzt. Der Karneval war das Fest der „verkehrten Welt“, in der vieles 268 erlaubt war, was normalerweise unter Strafe stand . Anhand der Quellen sind die oben genannten Fastnachtsbräuche für Duderstadt bisher nicht nachgewiesen 269 worden . Es ist jedoch anzunehmen, dass zumindest einige von ihnen auch Be-

262 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 59, 60, 61, und 63. 263 Vgl. Schindler, Widerspenstige Leute, 1992, S. 161. Humburg konnte belegen, dass das wilde Treiben bei den Fastnachtsfeiern das Missfallen mancher Zeitgenossen hervorgerufen hat. Vgl. Humburg, Norbert, Städtisches Fastnachtsbrauchtum in West- und Ostfalen. Die Entwicklung vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 5), Münster, 1976, S. 20–21 und S. 62. 264 Vgl. Humburg, Städtisches Fastnachtsbrauchtum, 1976, S. 22 und 146. 265 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 37 verso und 49 verso. 266 Vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 151–157. 267 Vgl. Scribner, Bob, Reformation, Karneval und die „verkehrte Welt“. In: van Dülmen, Richard/Schindler, Norbert (Hg.), Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags, 16.-20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1984, S. 117–152, insbesondere die Tabelle S. 126. Die Fastnachtsspiele sind nach Humburg jedoch eher in größeren Städten üblich gewesen. Vgl. Humburg, Städtisches Fastnachtsbrauchtum, 1976, S. 148. 268 Vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 151–153. 269 Humburg erklärt in seiner Veröffentlichung über das Städtische Fastnachtsbrauchtum in Westund Ostfalen, dass die Quellen allgemein – bis auf Ausnahmen – nur spärlich Auskunft über die Fastnachtsbräuche geben. Vgl. Humburg, Städtisches Fastnachtsbrauchtum, 1976, S. 143.

Vielfalt der Frevel

107

standteile der Duderstädter Fastnachtsfeiern waren, da sie nachweislich in großen 270 Teilen des heutigen Niedersachsens in ähnlicher Form praktiziert wurden . Einerseits waren in den Duderstädter Statuten einige Vorschriften für den Karneval enthalten. Damit wurde beabsichtigt, besonderen Ausschreitungen vorzubeugen. So wurde zum Beispiel bestimmt, dass niemand einem anderen die Schuhe oder die Hose wegnehmen durfte, dass es in dem als sittlich geltenden Rahmen erlaubt sei, den Reigen zu tanzen und lustig zu sein, dass niemand um Würste bitten, niemand mit bedecktem Antlitz tanzen oder einen Schauteufellauf machen 271 sollte . Andererseits ließ die Obrigkeit vieles durchgehen, was ansonsten bestraft worden wäre. Zur Unterstützung dieser Annahme kann die Zahl von lediglich einem begangenen Vergehen, nämlich einem Hausfriedensbruch, im Verlauf von 272 26 Fastnachtsfeiern dienen . Fastnacht wurde wesentlich intensiver gefeiert als zum Beispiel Hochzeiten, bei denen es im Vergleich – wie bereits gezeigt wurde – relativ gesittet zuging. Laut Strafbuch käme es dann jedoch bei Hochzeiten häufiger zu Ausschreitungen als beim Karneval. Daher ist zu vermuten, dass die Stadtobrigkeit während der Fastnachtsfeiern, einem Ausnahmezustand ähnlich, die meisten 273 Vergehen ungestraft ließ . Die oben erwähnten Vorschriften der Statuten enthalten Hinweise auf einige Fastnachtsbräuche. Der Brauch des Schauteufellaufens war in Norddeutschland weit verbreitet. Neben Duderstadt ist die Existenz dieses Brauches zum Beispiel 274 auch für Braunschweig, Hildesheim und Göttingen überliefert . Dabei handelte es sich um eine oder mehrere Personen mit einer Teufelsmaske, die herumliefen und 275 andere Leute erschreckten . Daneben war es üblich, dass bestimmte Personengruppen – zumeist die Handwerks- oder Junggesellen – in Verkleidung in Schauund Heischumzügen durch die Stadt zogen und dabei von den Bewohnern allerlei 276 Lebensmittel erbaten, unter anderem auch Würste . Die Ausübung dieser beiden 277 Bräuche versuchten die Duderstädter Statuten zu unterbinden . Im Reformationszeitalter wurde von der Obrigkeit vielerorts immer wieder versucht, durch Verbote sowohl die Ausübung der Bräuche zu verhindern als auch sie zu beseitigen. Dies galt vorwiegend für die Gegenden, in denen sich der Protestan-

270 Vgl. Humburg, Städtisches Fastnachtsbrauchtum, 1976, S. 62 und 155. Humburgs Untersuchungsgebiet umfasst große Teile Westfalens und Niedersachsens, unter anderem bezieht er auch Duderstadt mit ein, wie anhand der Aufstellung über Fastnachtsverkleidungen deutlich wird. 271 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 56, 60, 57. 272 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 69 verso und 29a verso. 273 Auch Schuster berichtet von Vergehen während der Fastnachtsfeiern in Konstanz, vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 106. 274 Vgl. Tschipke, Lebensformen, 1993, S. 127. 275 Vgl. Tschipke, Lebensformen, 1993, S. 127–129 und Humburg, Städtisches Fastnachtsbrauchtum, 1976, S. 51–62. Die verschiedenen Formen des Schauteufellaufes werden hier näher erläutert. 276 Vgl. Tschipke, Lebensformen, 1993, S. 127 und 129. 277 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 57 und 60.

108

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 278

tismus durchsetzen konnte . Auch in Duderstadt bekannten sich um die Mitte des 279 16. Jahrhunderts Teile der Einwohnerschaft und des Rates zum Protestantismus . Ob dies jedoch ausschlaggebend dafür war, dass auch in Duderstadt gegen die althergebrachten Fastnachtsbräuche vorgegangen wurde, kann nicht mehr festgestellt werden. Dem Strafbuch sind jedoch zwei Eintragungen zu entnehmen, aus denen hervorgeht, dass sich die Bewohner von Nesselröden und von Werxhausen bei ihren Fastnachtsfeiern nicht an die vom Rat vorgegebenen Regeln gehalten 280 hatten. In beiden Dörfern wurde jeweils ein „stechen“ durchgeführt . Dabei handelte es sich vermutlich um eine Art Wettkampf. Die Tatsache, dass diese Vergehen für zwei Dörfer belegt sind und jeweils das ganze Dorf – zumindest jedoch alle männlichen Erwachsenen – daran beteiligt waren, lässt einen Brauch vermuten, der 281 laut Strafbucheintrag „verboeden waß vom rade“ . Der Karneval besaß eine Art Ventilfunktion. Vermutlich deshalb ließ die Obrigkeit gewöhnlich während der Fastnachtsfeiern gegenüber dem bunten Treiben der Stadtbewohner Nachsicht walten. Die soziale Funktion des Karnevals bestand darin, dass einmal im Jahr das Volk symbolisch aufbegehren, in andere Rollen schlüpfen und ausschweifend leben konnte, um sich für den Rest des Jahres um so leichter mit der allgemeinen Ordnung und dem beschwerlichen Alltag zu arrangieren. Die Fastnacht besaß daher keine sozialrevolutionäre Dimension, sondern diente mit der öffentlichen Äußerung von Kritik und der Umkehrung der Werte der Kanalisierung von Frustration sowie dem Ausleben unterdrückter Aggressionen und stabilisierte auf diese Weise die öffentliche Ordnung282. 4.3.4 Verstöße gegen die Spielverbote Das Spielen war eine weitere sehr beliebte Beschäftigung in der Frühen Neuzeit. Zu unterscheiden ist das Spiel von dem Falschspiel. Auf diesen gewichtigen Unter283 schied weist Gerd Schwerhoff hin . Im Duderstädter Strafbuch findet sich kein eindeutiger Eintrag über das Falschspiel.

278 Vgl. Schindler, Widerspenstige Leute, 1992, S. 141–142. 279 Vgl. Kiermayr, Reinhold Robert, Der Verlauf der Reformation und Gegenreformation in Duderstadt, Duderstadt 1982, S. 204. Aufgrund der schlechten Quellenlage konnte Kiermayr keine genaueren Angaben über die Anzahl und das Verhältnis von Lutheranern und Katholiken machen. 280 Die Tatsache, dass auch andernorts „stechen“ stattgefunden haben, ist durch eine Schilderung von Sebastian Franck aus dem Jahr 1534 und von einem geistlichen Hofer Chronisten aus dem Jahr 1527 überliefert worden. Vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 152 und Schindler, Widerspenstige Leute, 1992, S. 162. In beiden Fällen wird jedoch nicht genauer auf den Vorgang und die Bedeutung der „Stechen“ eingegangen. 281 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 39a verso und 40a recto. 282 Vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 156. 283 Vgl. Schwerhoff, Gerd, Falsches Spiel. Zur kriminalhistorischen Auswertung der spätmittelalterlichen Nürnberger Achtbücher. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 82, 1995, S. 23–35.

Vielfalt der Frevel

109

Zu den am weitesten verbreiteten Spielen zählten die Würfel-, Wurf-, Karten- und 284 Brettspiele . Allerorts versuchte die Obrigkeit, mit Verordnungen das Spielen um Geld einzudämmen – wurde doch das Glücksspiel als Delikt nahezu als Gotteslästerung betrachtet. In Duderstadt war es ganz und gar verboten, um Geld zu spielen oder beim Spiel zu wuchern. Auch derjenige, in dessen Haus gespielt wurde, oder derjenige, der für die Benutzung von Würfeln, Licht und Tisch Geld forderte, sollte bestraft werden. Schon die Beherbergung eines Würfelspielers stand in Duderstadt 285 unter Strafe . Die Obrigkeit bezweckte mit diesen Verordnungen auch den Schutz der Spieler vor sich selbst. Sie wollte vermutlich verhindern, dass zu große Summen beim Spiel verloren wurden. Es bestand immer die Gefahr, dass im Eifer des Spiels die finanzielle Situation in Vergessenheit geriet und jemand aufgrund von Spielschulden seiner Existenzgrundlage beraubt wurde. Vielleicht wurde erhofft, dass ein Spielverbot wenigstens insoweit griff, als dass die Einsätze verringert wurden. Es wurde bestimmt nicht ganz auf Einsätze verzichtet, machte doch der Einsatz erst den Reiz des Spiels aus. Hinter den Spielverboten stand vermutlich auch die Einsicht, dass sich beim Spielen um Geld leicht jemand betrogen fühlte oder gar betrogen wurde. In der Folge könnte es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kommen, die eine Störung des Friedens und der öffentlichen Ordnung bedeuteten und daher schon bei der Ursache zu bekämpfen waren. Die Spielkultur war aber kaum zu disziplinieren286. Der Kämmereischreiber trug in das Duderstädter Strafbuch allerdings nur wenige Verstöße gegen das Spielverbot ein. Da das Spielen jedoch sehr beliebt war, ist davon auszugehen, dass oft und viel gespielt wurde, die meisten Spielrunden aber nicht aufflogen. Unter den zehn Personen, die für das Spielen um Geld laut Strafbuch eine Strafe 287 von meist einer oder zwei Mark zu entrichten hatten , befanden sich keine Frauen und kein einziger Ratsherr, wohl aber drei Gildemitglieder sowie ein Ratsbediensteter. Die zehn Personen werden in sechs Eintragungen genannt. Fünf von ihnen haben gemeinsam gespielt. Diese kleine Anzahl von Eintragungen ist jedoch keine ausreichende Grundlage, um verbindliche Ergebnisse zu formulieren. Es muss reine Vermutung bleiben, dass die Ratsherren genauso wie die übrige männliche Einwohnerschaft der Stadt gespielt haben. Auch in Nürnberg war das Spiel ein beliebter Zeitvertreib, wie Henselmeyer in seiner Untersuchung festgestellt hat288. Unter den überlieferten Delinquenten fanden sich in Nürnberg nur wenige Frauen, in Duderstadt im Untersuchungszeitraum keine. Damit liegt der Schluss nahe, dass das Spielen hauptsächlich eine Domäne 284 Vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 127. 285 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 46–50. 286 Vgl. van Dülmen, Dorf und Stadt, 1992, S. 127. Vgl. ebenso zum Thema Spielen Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 119–124. 287 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 recto, 23a recto, 27a verso, 29a recto, 36a recto. 288 Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 120.

110

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

der Männer war. In Nürnberg war das Glücksspiel nach dem Messerzücken das zweithäufigste Delikt. Hier wurden die Strafen für Glücksspiel sogar dem Vermögen angepasst. Bei reicheren Delinquenten konnten die Strafen empfindliche Höhen 289 erreichen . In Duderstadt bewegten sich die Strafgelder für Glücksspiel auf durchgängig niedrigem Niveau. 4.3.5 Verstöße gegen die Brauordnung Bier war in Duderstadt das am meisten konsumierte Getränk. In der Form von Dünnbier ersetzte es das Trinkwasser, das von der Qualität her nicht zum Trinken geeignet war. Selbst den Gefangenen wurde nicht Wasser, sondern Bier zum Trin290 ken gegeben . Der Rat der Stadt versuchte aus diesem Grund – so weit wie möglich –, die Reinhaltung der Brehme zu erreichen. Diesem Duderstädter Fluss wurde 291 auch das Wasser zum Brauen entnommen . In den Statuten wurde daher bestimmt, dass der Dreck, der sich auf dem Steinweg befand, weder in die Brehme geschüttet noch beim Nachbarn abgeladen, sondern weggefahren werden sollte. Auch die Schweine sollten nicht in der Brehme, im Teich oder im Graben gewa292 schen werden . Entgegen diesen Verschriften entsorgte Hans Sthouningk 1538 293 Mist in der Brehme . Aufgrund des knappen Strafbucheintrages über das Delikt von Hans Welker lässt sich nur vermuten, dass er sich des gleichen Vergehens 294 schuldig machte . 295 Bier war ferner das wichtigste Exportgut der Duderstädter . Auch aus diesem Grund wurde auf seine Qualität besonderer Wert gelegt. Die Bestimmungen über das Bierbrauen nehmen in den Duderstädter Statuten breiten Raum ein. Brauberechtigt waren nur diejenigen, die auch das Bürgerrecht und ein eigenes Haus besaßen. Den Bewohnern der Vorstädte war das Bierbrauen verboten. Aber auch die Bürger durften ihr Braurecht nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie ihre Steuern (Schoß) und ihr „Wachtgeld“ wenigstens zur Hälfte an Allerheiligen abgeliefert hatten. Ferner wurde aufgrund der Höhe der zu entrichtenden Steuern die Anzahl der Braue festgelegt, die einem Bürger zustanden. Zu bestimmten Zeiten durfte nicht gebraut werden. Am Sonntag war das Brauen ganz verboten, ebenso zwischen dem St. Vitustag und Michaelis. In diesem Zeitraum war nur das Brauen von Dünnbier erlaubt. Die Müller durften in dieser Zeit nur begrenzte Mengen an Malz mahlen: gerade so viel, wie für das Brauen von Dünnbier notwendig war. Dünnbier wurde in Kesseln gebraut, Bier dagegen in 289 290 291 292 293 294 295

Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 121. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 90, fol. 104 recto. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 7, 1909, S. 157. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 158, 162 und 204. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 28a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 17 recto. Vgl. Ehrhard, Gunter, Die Stadtwälder von Duderstadt zwischen 1247 und 1815. In: Eichsfeld Jahrbuch Jg. 2/1994, 79–101, hier S. 85.

Vielfalt der Frevel

111

Pfannen. Der Rat vermietete die Braupfannen jeweils für einen Tag und eine Nacht. Wer die Pfanne nicht zur rechten Zeit weitergab oder sie verbrannt hatte, der musste ein Strafgeld bezahlen. Jeder Bürger durfte nur mit seinem eigenen Korn brauen. Jeder Brauberechtigte sollte sieben Malter Gerste und drei Malter Weizen haben. Besaß er nicht so viel Gerste, war es ihm erlaubt, sie durch Weizen zu ersetzen. Das Brauen mit Hafer 296 jedoch war verboten. Fremdes Bier durfte in der Stadt nicht verkauft werden . Der 297 Rat behielt sich jedoch vor, auch Einbecker Bier zu verkaufen . Verstöße gegen die Brauordnung waren relativ selten. Nur zwei wurden in das Strafbuch und einer in ein Rechnungsbuch eingetragen. Aus dem Rechnungsbuch von 1529 geht hervor, dass Borchmann eine Strafe zahlen musste, weil er an einem 298 Sonntag gebraut hatte . Eine Strafe von fünf Ferding sollte Hans Morick, ein Bäcker, bezahlen, weil er sich für einen Brau angemeldet, ihn aber nicht durchgeführt 299 hatte . Über Hans Sthouningk wurde in das Strafbuch eingetragen, dass er die Pfanne gemietet hatte. Dies allein kostete jedoch nur eine geringe Gebühr. Sein Vergehen bestand daher entweder darin, dass er die Pfanne nicht zur rechten Zeit zurückgegeben oder sie verbrannt hatte. Dafür musste er fünf Mark Strafe bezah300 len . Clawes Nolthen sollte ein Strafgeld in derselben Höhe entrichten, da er von dem Bier getrunken hatte, dass der Rat den Schützen spendete, wenn sie im Som301 mer ihre Schießübungen abhielten . 4.3.6 Brände und Verstöße gegen die Feuerschutzvorschriften Die Angst der Menschen in der Vormoderne vor Feuer war groß, da sie es mit Eimern, Zubern und Leitern nur mit Schwierigkeiten bekämpfen konnten. Die Fachwerkhäuser und Scheunen fingen zudem sehr leicht Feuer und gingen schnell in Flammen auf. Aufgrund der großen Feuergefahr war in Duderstadt das Dörren von Hopfen in der Diele verboten. Im Haus war es nur unter der Bedingung erlaubt, dass 302 ein Zuber Wasser neben der Dörre stand . Es ist davon auszugehen, dass das Gleiche auch für das Dörren von Flachs galt, da Urban Druckeren im „Dorntzen“ Flachs gedörrt hatte und für dieses Vergehen ein Strafgeld von fünf Mark entrichten soll303 te . Zur Verhütung von Bränden bestimmten die Statuten, dass niemand mit einer Laterne oder mit einem Licht ohne den Schutz der Laterne in seine Scheune gehen 296 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 72–107. Hier wurden nur die wichtigsten Vorschriften zusammengefasst. 297 Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 5, 1908, S. 167. 298 Vgl. StadtA. Dud., AB 89a, fol. 28 verso. 299 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 29a recto. 300 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 2a recto. 301 Vgl. Jaeger, Julius, Duderstadt und sein Schützenwesen, Duderstadt 1902, S. 40. 302 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 94. 303 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 33a recto.

112

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

durfte. Die Strafe für dieses Vergehen betrug fünf Mark. Sah sich jemand trotzdem veranlasst, nachts in die Scheune zu gehen, dann sollte er zwei Nachbarn bitten, ihn zu begleiten und das Licht für ihn zu tragen. Wenn ein Feuer in einem Haus oder einer Scheune ausbrach, dann sollten der Hausherr und das Gesinde Alarm schlagen. Machten sie dies nicht, wurde eine Strafe von einer Mark fällig. Schadete das Feuer nur dem Besitzer des Hauses oder der Scheune, dann musste dieser lediglich für die Abnutzung an Eimern, Zubern und Leitern derjenigen aufkommen, die beim Löschen geholfen hatten. Entstand aber weiterer Schaden, so sollte er dem Rat fünf Mark geben. Wurde durch das Feuer jedoch anderen Schaden zugefügt, dann sollte er eine Strafe von 10 Mark bezahlen und den Schaden ersetzten. Wurde das Feuer allerdings von Mordbrennern gelegt, dann blieb der Besitzer des abgebrannten Hauses oder der Scheune straflos. Ferner wurde bestimmt, dass jeder Einwohner Duderstadts zu der Brandstelle kommen und löschen helfen musste. Bei Nichterscheinen war eine Strafe von einer Mark zu zahlen. Jeder Bürger oder Einwohner Duderstadts sollte zwei Eimer zu dem Feuer mitbringen. Gingen die Eimer verloren, so mussten sie von demjenigen ersetzt werden, in dessen Haus oder Scheune das Feuer ausgebrochen war304. Gegen die Feuerschutzvorschriften wurde in Duderstadt laut Strafbuch, vermutlich im eigenen Interesse, nur selten verstoßen. Zwar hatte Berlt Bredenbeck das 305 „lechtte nitht recht gedragen umb die stadt“ , aber da diese Tat keine schwerwiegenden Folgen hatte, wurde sie mit einem Strafgeld von nur einer Mark geahndet. Das Zündeln in Tile Rins Haus, das Ciriacus Hartoghe und seinem Sohn vorgewor306 fen wurde, erkannte das Gericht als nichtig an . Hans Groze und Andreas Schemelpennig hingegen sollten für einen Streit, den sie im Haus von Mecken angezettelt hatten, und den törichten Umgang mit einem brennenden Holzscheit fünf Mark 307 Strafe bezahlen . Dem Strafbuch und einem Rechnungsbuch sind Hinweise auf drei Brände innerhalb von 26 Jahren in Duderstadt und Umgebung zu entnehmen. Dabei ist anzunehmen, dass das Feuer, das in der Scheune von Hans Kule entstanden war, auf die Ziegelmühle übergegriffen und demnach größere Ausmaße angenommen hatte. Hans Kule entrichtete 1529 14 Mark für den entstandenen Brandschaden an der Ziegelmühle, und Borchman bezahlte zwei Mark, weil er den Rat verunglimpft 308 hatte, als die Scheune von Kule brannte . Auch Johannes Ludolff sollte zum Ausgleich für den materiellen Schaden, der entstanden war, als 1541 sein Haus brann309 te, 15 Mark bezahlen oder 15 Molder Hafer liefern . Der dritte Brand entstand in Gerblingerode vermutlich im Haus von Hans Welker, der aufgrund dieses Vorfalls 304 305 306 307

Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 43a-45. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 8a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 55 recto. Er musste dafür eine Strafe von 10 Mark entrichten. 308 Vgl. StadtA. Dud., AB 89a, 28 verso. 309 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 27a verso.

Vielfalt der Frevel

113

310

fünf Mark Strafgeld bezahlen oder fünf Molder Hafer liefern sollte . Als Glück erwies sich für die Duderstädter, dass Simon Kerkeners Versuch, das Rathaus anzu311 stecken, vereitelt werden konnte . Ein Feuer inmitten der Stadt hätte vermutlich um sich gegriffen und die ganze Stadt in Mitleidenschaft gezogen. 4.3.7 Feldfrevel Im 16. Jahrhundert war die Landwirtschaft, insbesondere der Ackerbau, der wich312 tigste Erwerbszweig der Duderstädter und der Bewohner der umliegenden Dörfer . Von der Landwirtschaft war demnach die Existenz vieler Menschen abhängig. Daher ist es einleuchtend, dass in diesem Zusammenhang mit Abstand die häufigsten 313 Vergehen, die sogenannten Feld-, Flur- und Wiesenfrevel , begangen wurden. Insgesamt wurden knapp 2.000 dieser Frevel im Strafbuch verzeichnet. Bei diesen Delikten müsste zwischen verschiedenen Formen und Motiven unterschieden werden: Grenzstreitigkeiten, Mutwillen, Not und Armut und dem Eigensinn der Nutztiere, der sie veranlasste, von selbst aus den Koppeln auszubrechen. Eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Formen des Feldfrevels soll, so weit es die Quelle zulässt, vorgenommen werden. Die Feldmark wurde von den Flurschützen überwacht. Die Flurschützen hatten die Aufgabe, das Vieh zu pfänden, das entweder herrenlos auf fremden Feldern herumlief oder von den Besitzern dorthin getrieben worden war. In der Folge erstatteten sie Anzeige und gaben dem Kämmereischreiber die Vergehen zu Proto314 koll . Die Statuten von 1434 bestimmten, dass die Dörfer, die an die Stadtflur grenzten, Flurschützen einsetzen sollten. Diese sollten dem Rat Gehorsam schwören. Wer von einem Flurschützen beim Rat angezeigt oder dessen Vieh gepfändet wurde, sollte dem Rat und den Landbesitzern, denen er Schaden zugefügt hatte, jeweils drei Schillinge geben und den Schaden ersetzen, sofern er sich nicht recht315 fertigen konnte . Die Eintragungen des Strafbuches bestätigen, dass auch einhundert Jahre später die Dörfer, aber auch die Stadt Flurschützen hatten, die für die Bewachung der Feldflur zuständig waren. Die Flurschützen mussten vermutlich auch weiterhin dem Rat ihre Eide leisten, zumindest wenn keine Feldschäden festzustellen waren: „Item die von Gervelingerode heffen seck recht geholden, eineren 310 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 36a verso. 311 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 55 recto. 312 Vgl. Ehrhard, Stadtwälder, 1994, S. 82–83. Ehrhard stützt diese Aussage auf einen Verwaltungsbericht der Preußischen Interimsregierung von 1803, StadtA., Dud2, Nr. 22491. Wenn dies für die Zeit um 1803 festgestellt worden ist, dann trifft diese Aussage umso mehr für das 16. Jahrhundert zu, da die Entwicklung in den Städten im Allgemeinen von der Landwirtschaft weg hin zur industriellen Produktion verlief. 313 Im Folgenden werden diese Vergehen unter dem Begriff Feldfrevel zusammengefasst. 314 Dies wird anhand folgender Bemerkungen deutlich: Sie hätten „schriven laten“ oder „vortheyken lathen“, StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 119 verso und 137 verso. 315 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 184.

114

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

dem anderen keinen schaden gedhan, hefft der florschutten by ßinen eyden geschett und der schulte und formunden des dorpeß by orhen eyden dass bekreffti316 getht“ . Dies war sehr selten und für den Rat daher nicht ohne Weiteres glaubhaft. Von daher ist es verständlich, dass neben dem Eid des Flurschützen auch die „formunden des dorpeß“, also die Oberen des Dorfes, und der Dorfschulze gegenüber dem Rat durch ihre Eide die Aussagen und den Schwur des Flurschützen bestätigen mussten. Die Flurschützen der Dörfer erhielten als Sold einen Teil der Einnahmen 317 aus den von ihnen angezeigten Feldfreveln . Die Flurschützen der Dörfer waren jedoch keine Bediensteten des Rates, da ihre Namen nicht unter denen der Ratsdiener in den Rechnungsbüchern eingetragen wurden. Unter den Bediensteten des Rates finden sich nur die Flurschützen, die die unmittelbare Umgebung der Stadt zu überwachen hatten. Die Flurschützen wohnten wahrscheinlich in dem Dorf, das zusammen mit der dazugehörigen Feldmark in ihren Zuständigkeitsbereich fiel. Nur in Ausnahmefällen sind Familienname und Vorname eines Flurschützen iden318 tisch mit dem eines Duderstädter Hausbesitzers im Rechnungsbuch von 1533 . Da die meisten Familiennamen und insbesondere auch die Vornamen in Duderstadt und Umgebung häufiger auftraten, kann es sich durchaus um verschiedene Personen gehandelt haben. Auch die Stadtflurschützen sind 1533 nicht als Hausbesitzer in Duderstadt verzeichnet. Da sogar sie nicht in Duderstadt gewohnt haben, zumindest dort kein eigenes Haus besessen haben, ist davon auszugehen, dass dasselbe auch für die Flurschützen der Dörfer galt. Doch nicht nur die Flurschützen, sondern auch die Landbesitzer hatten das Recht, Vieh zu pfänden. Wer auf seinem Land fremdes Vieh pfändete, das Schaden anrichtete, dem sollte der Eigentümer des Viehs den Schaden ersetzten. Dabei diente das gepfändete Vieh als Druckmittel für die Leistung von Schadensersatz. Überdies hatte der Täter ein Strafgeld zu bezahlen. Ferner galten die folgenden allgemeinen Bestimmungen: Pferde, die der Besitzer trinken lassen oder zum Feld führen wollte, sollten an Zäumen oder Seilen geführt werden. Pferde jedoch, die herrenlos herumliefen, sollten gepfändet werden. Schweine sollten im Haus oder im Hof gehalten werden319. Da diese Bestimmungen den Statuten von 1434 entstammen, ist es nicht verwunderlich, wenn im Strafbuch,

316 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 92 recto und auch 140 recto. 317 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 105 verso: „Item 4 marck, 7 gotten ß recepit Hans Hottenroth, der florschutte, hefft ßin lon gedragen von dußen jhare nach ahnwißinghe deß radeß.“ Hans Hottenroth war Flurschütze von Nesselröden. Auch die Flurschützen der anderen Dörfer wurden zum Teil aus der Stadtkasse besoldet. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 83 verso, 84 verso, 85 recto, 85 verso, 98 recto und 100 verso. 318 Vgl. StadtA. Dud., AB 92, 4 verso bis 31 recto. 319 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 146, 151–153, 184, 204. Bei der Darstellung der allgemeinen Bestimmungen der Statuten wurde hier auf die Angaben über die Strafhöhe verzichtet, da sie – wie im Folgenden noch erläutert wird – nicht mehr gültig waren.

Vielfalt der Frevel

115

das einhundert Jahre später geführt wurde, eine Art Neubewertung der Strafgelder 320 für Feldfrevel durch den Rat und die Flurschützen eingetragen worden ist : Pro Pferd pro Tag war „1 ß gotten“ zu entrichten. Die Pferde, die bei der Nachtweide aufgegriffen wurden, kosteten drei Mark. Ein ganzer Haufen Schafe kostete 5 Mark. Ein entlaufenes Schaf kostete 4 „goß“. Eine entlaufene Ziege kostete 4 „goß“. Eine entlaufene Kuh kostete 4 „goß“. Ein entlaufenes Fohlen oder Kalb kosteten 3 „goß“. Ein entlaufenes Schwein kostete 2 „goß“. Eine entlaufene Gans kostete 4 „goß“. Diese Staffelung der Strafgelder war differenzierter als die Statuten und berücksichtigte zusätzliche Faktoren. Das Strafgeld, das für ausgebrochenes Vieh erhoben wurde, war geringer als das für vorsätzlich auf fremden Feldern gehütetes Vieh. Das Weiden von Vieh bei Nacht wurde mit drei Mark strenger bestraft als das bei Tage, welches mit einer Strafe von einem Göttingischen Schilling geahndet wurde. Diese neu festgelegten Bußgelder für die einzelnen Vergehen wurden bei der Bestrafung im Großen und Ganzen eingehalten321. In den Statuten wurden sie jedoch nicht vermerkt. Die dort festgelegten Strafhöhen waren nicht mehr gültig und finden 322 daher hier keine Erwähnung . Die Neuordnung schlug sich auch in der Gestaltung des Strafbuches nieder. Vor 1534 finden sich die Feldfrevel vereinzelt zwischen den anderen Vergehen im Strafbuch wieder. Nach 1534 wurden sie, nach Dörfern geordnet, separat in der zweiten Hälfte des Strafbuches eingetragen. Dabei könnte auch die Tatsache, dass die Einnahmen aus den Feldfreveln alleine dem Rat zustanden und nicht mit dem Landesherrn geteilt werden mussten, eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Die Aufgabe der Flurschützen gehörte nicht zu den angenehmsten und beliebtesten. Andernorts war es schwierig, Flurschützen für diese Arbeit zu finden323. Die Flurschützen wurden bei der Ausführung ihrer Arbeit von den Personen, de324 ren Vieh sie gerade gepfändet hatten, häufiger beschimpft oder geschlagen . Dies deutet darauf hin, dass ihre Arbeit von den anderen Bewohnern der Mark Duderstadt nicht besonders geschätzt wurde und diese ihren Ärger über die Pfändung und ihre Abneigung gegenüber den Flurschützen auf diese Weise zum Ausdruck brach320 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 92 recto. 321 Zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 84 recto, 96 verso, 119 verso und 38a verso. In Ausnahmefällen sind geringe Abweichungen von der Strafhöhe wohl aufgrund des Ausmaßes des Feldfrevels möglich. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 102 recto und 123 recto . 322 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 146, 151–153, 184, 204. 323 Vgl. Krug-Richter, Konfliktregulierung, 1997, S. 217. 324 Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 50 verso, 141 recto, 6a verso.

116

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

ten. Beschimpfungen und tätliche Angriffe, die sich gegen die Flurschützen richteten, wurden mit einem hohen Strafgeld belegt, vermutlich auch deshalb, weil sie gleichsam als Angriffe gegen die Autorität des Rates gewertet wurden. Das Schlagen eines Flurschützen wurde mit 20 Mark geahndet, eine Beschimpfung mit der Hälfte. Der Schäfer, der gerade mit seinem Vieh auf einem fremden Feld von einem Flurschützen auf frischer Tat ertappt worden war, äußerte trotzig, der Flurschütze 325 solle doch „eine muren umb den floren machen“ . Dafür musste er fünf Mark Strafe bezahlen. Über die Stellung der Flurschützen im Dorf gibt das Strafbuch keine Auskunft. Da sie jedoch geschworen hatten, alle Personen anzuzeigen, die Feldfrevel begingen, wurden sie in die Position eines Denunzianten gedrängt. Dies war eine sehr undankbare Aufgabe und trug nicht zu ihrer Beliebtheit bei. Denn gerade die Personen, die in ihrer unmittelbaren Umgebung wohnten, waren diejenigen, die bei Fehlverhalten jederzeit mit einer Anzeige durch den Flurschützen beim Rat rechnen mussten. Für die Flurschützen war es wohl am angenehmsten, wenn sie dem Rat melden konnten, dass keine Feldfrevel begangen wurden. Wohl aus diesem Grund reichte dem Rat, wenn dieser Fall eintrat, der Eid eines Flurschützen nicht aus. Wollte jemand seine Ansprüche auf ein bestimmtes Flurstück geltend machen, dann trieb er sein Vieh immer wieder dorthin. Der Besitzer war gehalten, sich umgehend dagegen zur Wehr zu setzen, bevor der andere nach einiger Zeit versuchte, ein Gewohnheitsrecht geltend zu machen. Der Hintergrund für diese Freveltaten war vermutlich in erster Linie die Wahrung der Subsistenz des eigenen Haushaltes. Nicht nur Grenzstreitigkeiten, sondern auch Armut, Hunger und Not bewegten die Menschen dazu, Feldfrevel zu begehen. Oftmals sahen sie keine andere Möglichkeit als das Vieh, wenn sie es nicht verhungern lassen wollten, auf fremden Äckern und Weiden grasen zu lassen. Hans Knippingk hatte seine Pferde und Schweine auf fremde Felder getrieben. Aufgrund seiner Armut wurde ihm die Strafe erlassen326. Auch gegenüber den Nachkommen von Levin Busch wurde Nachsicht geübt. Ihnen wurde das Strafgeld für den Feldfrevel des Vaters erlassen, da dieser 327 als armer Mann gestorben war . Diesen beiden armen Männern waren jeweils nur 328 eine bzw. zwei Freveltaten nachzuweisen . Eine Möglichkeit, unentdeckt zu blei329 ben, bestand darin, sein Vieh nachts oder im Morgengrauen an unerlaubten Orten weiden zu lassen. Davon wurde laut Strafbuch häufiger Gebrauch gemacht. In der Nacht war die Gefahr, bei einem Vergehen ertappt zu werden, wesentlich geringer als bei Tage. Die Zahl von annähernd 70 Strafbucheintragungen, aus denen hervorgeht, dass Feldfrevel in der Nacht begangen wurden, deutet jedoch auf mehr 325 326 327 328 329

StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 97 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 94 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 93 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 90 verso, 93 recto und 94 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 114 verso.

Vielfalt der Frevel

117

oder weniger regelmäßige nächtliche Kontrollen der Feldmark durch die Flurschützen hin. Jurgen Kracht zum Beispiel wurde beim nächtlichen Hüten von Vieh von einem Flurschützen überrascht. Als der Flurschütze sein Vieh pfändete, geriet Jurgen Kracht so außer sich, dass er ihn schlug. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, zu dieser Zeit bei dem Feldfrevel gesehen zu werden. Schließlich war es schon die dritte Nacht in Folge, in der er sein Vieh auf die „gemeine“ trieb, und er ging wohl davon aus, dass die Dunkelheit ihn auch weiterhin vor der Entdeckung 330 der Tat bewahren würde . Da die nächtlichen Kontrollen von den Flurschützen vermutlich unregelmäßig vorgenommen wurden, ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer bei Feldfreveln besonders hoch war. Manche, wie zum Beispiel Hans Zaeffe, ließen sich nicht von dem Vorhaben abbringen, das Vieh bei Nacht auf fremden Feldern zu hüten, obwohl sie vor dem Erscheinen des Flurschützen gewarnt worden waren. In dem Fall von Hans 331 Zaeffe fand sich der Flurschütze tatsächlich ein und pfändete dessen Vieh . Feldfrevel konnten aber auch dadurch zustande kommen, dass die Nutztiere aus eigenem Antrieb aus Koppeln mit defekten Zäunen oder durch verwahrloste Hecken ausbrachen und das Getreide oder Gras auf fremden Feldern oder Wiesen fraßen. Dies war, wie Frank festgestellt hat, im Dorf Heiden und seiner Umgebung 332 die häufigste Ursache von Feldschäden . Die Angaben zu den Feldfreveln im Strafbuch sind jedoch zu knapp gehalten, um diese Aussage auch für Duderstadt bestätigen zu können. Manche Feldfrevel wurden vermutlich vor dem Hintergrund von Streitigkeiten 333 begangen. Dahinter stand die Absicht, einem anderen Schaden zuzufügen . Die Strafbucheinträge bezeugen, dass in mehreren Fällen durch das Reiten über Felder mit einem oder mehreren Pferden Schaden angerichtet wurde. Ein besonderes Ausmaß nahm der Feldschaden an, den Heyßo Wittzel verursachte, als er mit acht 334 Pferden über neun Morgen Hafer ritt . Da das Getreide in der Frühen Neuzeit nur das Dreifache von der ausgesäten Menge an Ertrag abwarf, war der Hafer ein wertvolles Nahrungsmittel. Einen ebenfalls sehr großen Schaden richtete Steffan Balnhußen an, als er durch „ethliche eckeren graßes gefharen met 2 wagen, vor einem 5 335 perde, vor dem anderen 6 perde gehadt und dey perde im graße loß ghan lathen“ . In beiden Fällen traf der entstandene Schaden die Eigentümer der Felder hart. Das kollektive Anrichten von Feldschaden stellte eine Ausnahme dar. Nur die Dorfbewohner von Esplingerode, Germershausen und Westerode ließen sich Feldfrevel als Gemeinschaftstat zuschulden kommen. Im Fall von Esplingerode geht aus der Strafbucheintragung hervor, dass die Tat gegen eine bestimmte Person gerich330 331 332 333

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 39 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 119 verso. Vgl. Frank, Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995, S. 316. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 87 recto, 97 verso, 103 recto und 134 recto. 334 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 94 recto. 335 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 109 verso.

118

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

tet war. Diese kollektiven Feldfrevel zeigen, dass es eine Art gegenseitiger Überwachung bzw. sozialer Kontrolle gegeben hat. Frank hat für das Dorf Heiden festgestellt, dass sich alle Dorfbewohner, die gemeinsam eine bestimmte Fläche zum Hüten ihrer Tiere zur Verfügung hatten, kollektiv gegen diejenigen unter ihnen 336 wandten, die diese Fläche über das ihnen zustehende Maß hinaus strapazierten . Ob dies allerdings die Ursache für die kollektiven Feldfrevel der Dorfbewohner im Einzugsgebiet Duderstadts war, lässt sich nicht mehr feststellen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass den Betroffenen ein Denkzettel für irgendeine Art von Fehlverhalten verpasst werden sollte. Die Feldfrevel wurden ebenso wie die anderen Vergehen in der überwiegenden Zahl der Fälle von Männern begangen. Meistens hüteten die Viehbesitzer ihre Tiere selbst auf fremden Feldern. Es war aber auch üblich, dass die Viehbesitzer bzw. Hausherren das Vieh von ihren Knechten hüten ließen337. Unter den Knechten 338 wurden verhältnismäßig häufig die der Schäfer bei Feldfreveln erwischt . Von den vier Eintragungen über Hans von Gottingen, einen Schäferknecht, enthalten drei 339 gleich mehrere Vergehen . In einem Fall beschimpfte er den Flurschützen und rechtfertigte sich für die Tat, indem er behauptete, dass der Schäfer ihm den Auftrag dazu gegeben habe. An den Feldfreveln waren Frauen nur zu drei Prozent beteiligt. Ein Großteil davon waren Witwen, die sich vermutlich aufgrund ihrer Armut zum Begehen von Feldfreveln genötigt sahen. Auch Frauen hüteten und trieben Vieh auf fremde Weiden. Sie rupften jedoch obendrein in der Saat, ein Vergehen, das sehr selten war und Männern nicht nachzuweisen ist. Auch Ulbrich hat herausgefunden, dass die Frauen ihren Anteil an der dörflichen Kleinkriminalität hatten, insbesondere den Feld- und Flurfreveln wie auch den Gartendiebstählen340. Die hohe Zahl von knapp 2.000 Feldfreveln, an der vermutlich ein Großteil der männlichen Bevölkerung in und um Duderstadt beteiligt war, legt den Schluss nahe, dass die Weideflächen für das von den Bauern und Einwohnern Duderstadts gehaltene Vieh nicht ausgereicht haben und jeder versuchte, sein Vieh irgendwie durchzufüttern. Als ein diese These unterstützender Hinweis kann die Anzahl von 70 Feldfreveln (3,5 Prozent der Feldfrevel) verstanden werden, die bei Nacht oder im Morgengrauen begangen wurden. Das Gleiche gilt für das widerrechtliche Abtransportieren von Heu, Stroh und Haferstroh. Zu den Ausgaben der Stadt Duderstadt gehörten die Löhne für die 336 Vgl. Frank, Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995, S. 313. 337 Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 97 recto, 109 recto, 110 recto, 134 recto. In ca. 4,5 Prozent der verzeichneten Feldfrevel hüteten die Knechte das Vieh auf fremden Feldern. 338 Von den circa 90 Feldfreveln aller Knechte sind 25 (knapp 30 Prozent) von den Knechten der Schäfer begangen worden. 339 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 96 recto und 97 recto. 340 Vgl. Ulbrich, Claudia, Weibliche Delinquenz im 18. Jahrhundert. Eine dörfliche Fallstudie. In: Ulbricht, Otto (Hg.), Von Huren und Rabenmüttern. Weibliche Kriminalität in der Frühen Neuzeit, Köln 1995, S. 281–311, hier S. 299.

Vielfalt der Frevel

119

Arbeiten, die auf den städtischen Wiesen und Feldern anfielen. Der Rat ließ dem341 nach Getreide anbauen und für die Heugewinnung Gras säen . Heu und Getreide 342 waren Bestandteil der Besoldung der Ratsbediensteten und wurden überdies als 343 Futter für die Pferde im Marstall benötigt . Heu war als Futtermittel ungleich kost344 345 barer als Haferstroh und wurde in 16 Fällen unerlaubt von den Wiesen und in 346 4 Fällen aus der Scheune des Rates entwendet. Stroh wurde nur in drei Fällen 347 verbotenerweise weggefahren . Hans Roleves hatte dem Schäfer vom Herweshagen zwei Fuder Heu verkauft. Für das Kaufen sowie für das Verkaufen dieses Heus wurde jeweils eine Strafe von zwölf 348 Mark festgesetzt . Es ist anzunehmen, dass Hans Roleves das Heu des Rates verkauft hat und dafür bestraft wurde. Dies ist sehr wahrscheinlich, weil das Strafgeld von sechs Mark pro Fuder Heu für den Verkauf höher war als die Strafgelder für das Entwenden von Heu von den Feldern oder aus der Scheune des Rates. Der Verkauf wurde also als schwerer wiegendes Vergehen angesehen. In Bezug auf die grundlegende Bewirtschaftungsform der Ackerflächen enthält das Strafbuch die Information, dass sowohl auf Sommer- als auch auf Winterfeldern 349 Schäden verursacht wurden . Daher ist davon auszugehen, dass auch in Duderstadt die Dreifelderwirtschaft betrieben wurde, die für das Mittelalter und die gesamte Frühe Neuzeit in den deutschen Landen vorherrschend war. Angebaut wurde überwiegend Hafer, aber auch Flachs und Weizen. Auf einigen Äckern wurden 350 Gerste und Hopfen kultiviert, zwei landwirtschaftliche Produkte, die die Bewohner Duderstadts zum Bierbrauen benötigten. 4.3.8 Verbotenes Fischen und Wildern Neben den Feldfreveln zählten auch Holzfrevel, unerlaubtes Fischen und Wildern zu den unerlaubten Formen der Sicherung des Lebensunterhalts. Fischen und die Anlage von Dämmen standen in einem engen Zusammenhang. In den sechs Fällen, in denen in fremden Gewässern gefischt wurde, waren auch Dämme angelegt wor-

341 Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 5, 1907, S. 173. 342 Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 6, 1909, S. 98. Auf dem Westerborn wurde Graswirtschaft betrieben. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 5 recto. 343 Der Marstall diente zur Unterbringung der Pferde des Rates. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 3, 1908, S. 30. 344 Haferstroh wurde nur in einem Fall entwendet, Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 8 recto. 345 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1 recto, 4 verso, 5 recto, 7 recto, 27 recto, 27 verso, 28 recto und 28 verso. 346 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 5 verso, 17 verso und 27 verso. 347 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1 verso. 348 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 41a recto. 349 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 100 recto, 107 recto und 107 verso. 350 Vgl. Ehrhard, Stadtwälder, 1994, S. 83.

120

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

351

den . Die Fische sollten sich zunächst hinter den Dämmen sammeln, um dann auf einmal abgefischt zu werden. Nur in einem Eintrag wurde der Tatort genannt. Dabei 352 handelte es sich um einen Bach „hinder dem Westerborne“ . An diesem Ort wurden insgesamt drei der sechs Vergehen begangen. Die Strafe betrug in allen sechs Fällen eine Mark. In drei weiteren Fällen ist nur das „demmen“ erwähnt. Es ist anzunehmen, dass es sich dennoch um den gleichen Sachverhalt handelte, das Bauen eines Dammes, mit der Intention, Fische als zusätzliche Nahrung zu fan353 gen . Die Statuten enthalten keine Bestimmungen über Wilderei. Die Übernutzung des Waldes durch das Abholzen, das Sammeln von Holz und die Waldweide für das Nutzvieh ließ wohl nur wenig Nahrung für das Wild übrig. Darüber hinaus gestaltete es sich schwierig, der Wilderer habhaft zu werden. So wurde im Strafbuch auch nur ein Fall von Fallenstellen verzeichnet. Eine Witwe sollte für dieses Vergehen ein 354 sehr hohes Strafgeld von 20 Mark bezahlen . 4.3.9 Holzfrevel Der Rat der Stadt Duderstadt hat im späten 14. und im 15. Jahrhundert insgesamt sechzehn Dörfer mit den dazugehörigen gemeinschaftlich genutzten Waldflächen und zusätzliche Wälder, wie zum Beispiel den Lindenberg, das Hübenthal, das Osterholz und ein Gebiet beim Dudenborn, erworben. Und dennoch zählte nicht nur das Weideland, sondern auch das Holz in Duderstadt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu den knapperen Gütern. Noch 1429 erwarb der Rat einen relativ kleinen Wald, das Huxtal. Dies ist ein Beleg dafür, dass die Wälder, die die Stadt bis dahin besaß, nicht ausreichten, um den steigenden Holzbedarf zu decken. Ein weiterer Hinweis hierauf ist, dass die Wälder, die zu den Dörfern gehörten, zum Teil von der Stadt beansprucht wurden und dass der Zugang zu den Stadtwäldern vom Rat der Stadt im Laufe des 16. Jahrhunderts mehr und mehr reglementiert wurde. Da die Wälder klein waren und relativ weit von der Stadt entfernt lagen, gestaltete sich ihre Beaufsichtigung schwierig. 1536 wurde erstmals ein Förster erwähnt, der über die Nutzung der Wälder und ihre Entwicklung bestimmen sowie die Aufsicht übernehmen sollte355. Da ein Förster allein dieser Aufgabe aufgrund der weit verstreuten Waldflächen nicht gewachsen war, wurde die Zahl der Förster bis zum Ende des 17. Jahrhunderts auf vier aufgestockt. Der Förster wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bei seiner Arbeit vermutlich vom Landvogt und vom

351 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 verso und 12 recto. 352 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 verso. 353 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 12 verso, 130 recto und 36a recto. Vgl. auch Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 134. 354 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 13 recto. Zur Wilderei in den Duderstädter Stadtwäldern vgl. Ehrhard, Stadtwälder, 1994, S. 95. 355 Vgl. Ehrhard, Stadtwälder, 1994, S. 81–84.

Vielfalt der Frevel

121

356

Ratsdiener Valentin Sperling unterstützt . Gleichzeitig wird deutlich, dass die Wahrscheinlichkeit bei einem Holzfrevel ertappt zu werden, aufgrund des Verhältnisses der Waldfläche zu der Anzahl der Förster, relativ gering war. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass aufgrund der geschilderten Bedingungen die Eintragungen im Strafbuch nur von einem kleinen Teil der tatsächlich vorgefallenen Holzfrevel Zeugnis ablegen. Die Ursache der Holzfrevel ist einerseits in der großen Bedeutung des Holzes als Brennstoff und Baustoff, andererseits in dem Mangel an Holz zu suchen. Die Duderstädter benötigten Holz zum Heizen, Kochen, Backen und Brauen. Besonders die Bierbrauerei, neben dem Hopfenverkauf eine der Haupteinnahmequellen der Stadt, verschlang eine große Menge an Holz. Auch für die Baumaßnahmen am Rathaus, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durchgeführt wurden, benötigte man viel Holz. Darüber hinaus waren die Handwerker auf Werkholz angewiesen, zum Beispiel für die Herstellung von Fässern, Möbeln und anderen Gebrauchsgegenständen. Letztlich konnte der Bedarf an Holz im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit in Duderstadt und Umgebung nicht allein durch die Nutzung der Stadtwälder gedeckt werden. Es musste zusätzlich Bau- und Brennholz gekauft werden. Der Rat verkaufte nur dann Brennholz, wenn er seine Bediensteten und die holzberechtigten Bürger mit den ihnen zustehenden Anteilen versorgt hatte und ein Rest übrig blieb357. Aufgrund der Holzknappheit wurde, wie Ehrhard vermutet, im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit in den Duderstädter Wäldern auf das Betreiben von Köhlereien verzichtet. Die Schmiede bezogen Holz- und Steinkohle aus dem Handel. Berücksichtigt man den Mangel an Holz in Duderstadt, dann wird klar ersichtlich, dass der Holzfrevel nicht der Bereicherung diente, sondern lediglich zur 358 Deckung des Eigenbedarfs . Die Statuten der Stadt bestimmten, dass derjenige, der ohne Erlaubnis in das Holz der Stadt fuhr, für das Fuder einen Ferding geben und zwei Monate Hausarrest haben oder aus seinem eigenen Haus ausgesperrt werden sollte. Für das Karrenfuder sollte ein halber Ferding bezahlt werden. Zusätzlich sollte der Delinquent vier Wochen Hausarrest erhalten oder ausgesperrt werden. Für die Bürde Holz, sei sie grün oder dürr, war die Strafe auf fünf Schillinge und vierzehn Nächte Hausarrest oder Aussperrung aus dem Haus festgelegt. Wollte jemand dieses Bußgeld nicht bezahlen, „dar schal men den wert vor panden, dar ot in dat hus kummet,“ es sei denn, er konnte die Beschuldigung mit Recht zurückweisen359. Über Hausarrest oder Aussperrung aus dem Haus als praktizierte Strafmaßnahmen gibt das Strafbuch keinen Aufschluss. Die Strafgelder, mit denen der Rat die Holzfrevel bestrafte, lagen jedoch höher, als in den Statuten festgelegt worden war. Die Strafhöhe bewegte sich zwischen einer und zehn Mark. Bei der Festlegung des Strafgeldes war ver356 357 358 359

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 2a recto und 36a recto und AB 95, fol. 167 recto. Vgl. Ehrhard, Stadtwälder, 1994, S. 86. Vgl. Ehrhard, Stadtwälder, 1994, S. 95–97. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 154.

122

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

mutlich die Art des Vergehens und die entwendete Holzmenge entscheidend, ein regelrechtes System ist jedoch nicht erkennbar. Dies liegt vermutlich darin begründet, dass die Strafen für den Holzfrevel während des Untersuchungszeitraumes entscheidend erhöht wurden. Betrug das Strafgeld am Anfang des Untersuchungszeitraumes für das Schlagen von einem Fuder Holz in einem Stadtwald nur eine Mark, so musste Hans Hoher 1540 für zwei Fuder Holz, die er aus dem Lindenberg 360 genommen hatte, schon fünf Mark bezahlen . Die Untersuchung muss sich auf Vergleiche dieser Art beschränken, da in den meisten Fällen die entwendete Holzmenge nicht in das Strafbuch eingetragen wurde. Ein Beleg dafür, dass nicht nur die Stadtwälder von den Holzfreveln betroffen waren, sondern auch Privatpersonen, ist die Klage von Hans Borchman, der Levin Duvelsneße und seinen Sohn angezeigt hatte, weil sie ihm Holz entwendet hatten. Den beiden Tätern wurde für ihr Vergehen gemeinsam eine Strafe von fünf Mark 361 auferlegt . Eine Strafe in gleicher Höhe sollte Michel Juneman entrichten, weil er 362 363 Rinde von jungen Bäumen geschält hatte . Rinde konnte problemlos von Bäumen geschält werden, die ein gewisses Alter erreicht hatten, weil es ihnen dann nicht mehr schadete. Waren die Bäume jedoch noch zu jung, gingen sie dadurch ein. Eintragungen zu dieser Art des Holzfrevels finden sich im Strafbuch zeitlich gesehen erst nach der Einsetzung des Försters. Diese Eintragungen weisen darauf 364 hin, dass der Förster Hans Klute sein Metier beherrschte, den Wald genau beobachtete und der planvollen Nutzung des Waldes den Weg bereitete, zu der besonders auch der Schutz junger Bäume zählte. Die Anzahl der Eintragungen von Holzfreveln hat mit der Einsetzung des Försters jedoch nicht zugenommen. Die Gesamtzahl der im Strafbuch verzeichneten Holzfrevel beläuft sich ungefähr auf 60. Auch der Knick, ein dichtes Gestrüpp, das einen Teil der Landwehr bildete, war von den Holzfreveln betroffen. Insgesamt wurden für den Untersuchungszeitraum 365 fünf Frevel in das Strafbuch eingetragen und weitere fünf in die Rechnungsbü366 cher . Für die Bewachung des Knickes war der Knickmeister zuständig. Dieses Amt bekleidete Borchard Borchardes zumindest für den Zeitraum von 1539 bis 367 1542 . Dass die Knickhüter schon 1533 mit einer Büchse ausgerüstet waren, belegt eine Eintragung in das Rechnungsbuch, aus der hervorgeht, dass die Knickhüter einen Mann erschossen hatten. Die Gründe für das harte Durchgreifen der Knickhüter sind nicht bekannt. Es ist zu vermuten, dass es sich um einen Fremden 360 361 362 363 364 365 366 367

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7 recto und 39a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 68 verso. Rinde enthält einen Stoff, der zum Gerben benutzt wurde. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 39a recto. Des gleichen Vergehens machte sich auch Henrick Nolthe schuldig, vgl. fol. 40a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 99, fol. 556 verso und AB 100, fol. 68 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 17 verso, 35 recto, 37a recto, 40 a verso und 49 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 89b, fol. 30 verso und AB 92, fol. 53 verso sowie AB 97, fol. 385 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 98, fol. 457 verso und AB 99, fol. 556 verso sowie AB 101, fol. 174 verso.

Auflehnung gegen die Obrigkeit

123

gehandelt hat, da der Name des Mannes nicht genannt und seine Beerdigung zudem 368 aus der Stadtkasse finanziert wurde .

4.4 Auflehnung gegen die Obrigkeit 4.4.1 Beleidigungen und tätliche Angriffe auf den Rat und seine Bediensteten Bei allen Vergehen verstoßen die Täter gegen die Vorschriften der Obrigkeit. Opfer im eigentlichen Sinn war die Obrigkeit jedoch nur dann, wenn ihr aufgrund von Freveltaten finanzieller Schaden entstand, sie durch Beleidigungen in ihrer Ehre verletzt wurde oder ihre Vertreter tätlich angegriffen wurden. Die Duderstädter Stadtschultheißen sind laut Strafbuch nie Opfer von Beleidigungen oder tätlichen Angriffen geworden. Dies kann als ein Hinweis auf den Respekt gewertet werden, der den kurfürstlichen Beamten von den Bewohnern Duderstadts entgegengebracht wurde, oder auf die Angst vor harter Strafe. Ein Eintrag des Strafbuches enthält die Information, dass ein Hausfriedensbruch in Anwesenheit des Schultheißen begangen worden ist. Jost Strecker hatte den Ratsherrn Harman Roeden im Haus von Reinhußen „wund“ geschlagen369. Diesem Vergehen ist wahrscheinlich ein Angriff auf die Ehre des Täters vorausgegangen. Der Eintrag gibt in vielerlei Hinsicht Aufschluss über die Verhältnisse in Duderstadt und die Einstellung von Personen zueinander. Jost Strecker hatte im Eifer des Gefechtes außer acht gelassen, dass sein Vergehen zwangsläufig vor dem Ratsgericht behandelt werden würde, wenn er im Beisein des Schultheißen einen Ratsherrn schlägt. Die Wiederherstellung seiner Ehre stand für ihn im Vordergrund. Die An370 wesenheit des Schultheißen, Wulfgang Stehlins , hatte ihn von seiner Tat ebenso wenig abgehalten wie das Strafgeld und die Tatsache, dass sein Opfer ein Ratsherr war. Weiterhin wird deutlich, dass der Ratsherr Harman Roeden mit dem Schultheißen, Jost Strecker und Reinhußen in dessen Haus zusammengesessen hat. Unter Berücksichtigung der Streitigkeiten, die zwischen dem Rat und dem Schultheißen vorgeherrscht haben und den Entscheid des Kurfürsten von 1533 veranlassten, lässt diese Tatsache vermuten, dass der Schultheiß trotz der Erweiterung seiner Machtbefugnisse durch die Albertinische Ordnung allmählich an Akzeptanz unter den Ratsherren gewonnen hatte. Diese Strafbucheintragung ist außerdem einer der wenigen Belege dafür, dass ein Ratsherr als einzelne Person einer Beleidigung oder einem tätlichen Angriff 368 Vgl. StadtA. Dud., AB 92, fol. 106 verso. 369 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 63 recto, 4a recto und 32a verso sowie StadtA. Dud., AB 93, fol. 2 recto. 370 Das Vergehen wurde um 1536 begangen, als Wulfgang Stehlin Schultheiß in Duderstadt war. Er war zudem der Schultheiß, der als „licenciat“ bezeichnet wurde. Vgl. Lerch, Stadtschultheißen, 1969, S. 40 und StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 32a verso.

124

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 371

372

ausgesetzt war. Daneben wurde Johannes Heßen , ein weiterer Ratsherr , Opfer 373 des Hausfriedensbruches von Henrich Stockfisch im Haus von Urban Zincken . Außerdem wurde der Bürgermeister einmal bei Nacht von Hans Gerlach überfal374 len . Die Anzahl von lediglich drei eindeutigen Fällen, in denen Angehörige des Rates oder der Bürgermeister als einzelne Personen zum Opfer von tätlichen Angriffen wurden, deutet darauf hin, dass den Ratsherren wie auch dem Schultheißen von der Einwohnerschaft Duderstadts Respekt entgegengebracht und ihnen ein relativ hohes Maß an Autorität zugestanden wurde. Der Rat als Institution und Obrigkeit war dagegen in mehreren Fällen Schmähungen ausgesetzt. Der Rat musste die Kritik von gleich zwei Männern, Borchmann und Cort Even, einstecken, die auf ihn schimpften, als die Scheune von Kulen brannte375. Cort Even kam mit einem Strafgeld von fünf Mark davon. Die Höhe des Bußgeldes von Borchmann ist im Strafbuch nicht angegeben, wird aber ebenso hoch gewesen sein. Im Rechnungsbuch von 1529 wurde jedoch eine von Borch376 mann geleistete Zahlung von zwei Mark eingetragen . Dabei handelte es sich 377 wahrscheinlich um eine Teilzahlung . Die Beschimpfungen, Beleidigungen oder Beschuldigungen, die Jacob Plumekerne gegen den Rat hervorgebracht hatte, müssen wesentlich heftiger ausgefallen sein, da er 1530 30 Mark und 1531 noch einmal 378 17 Mark Strafgeld für ein und dasselbe Vergehen bezahlte . Die Duderstädter schreckten nicht davor zurück, die Obrigkeit mit Unwahrheiten zu verunglimpfen. Jacob Recke verbreitete Unwahrheiten über den Rat und Marcus Boeßen konfrontierte den Rat mit unwahren Erzählungen über den Amt379 mann. Beide Vergehen wurden mit einem Strafgeld von zehn Mark geahndet . Die einzelnen Mitglieder des Rates waren nur in Ausnahmefällen tätlichen Angriffen ausgesetzt, der Schultheiß in keinem einzigen Fall. Dem Einzelnen gegenüber wurde weitgehend der Respekt gewahrt. Gegen den Rat als Gesamtheit hingegen wurden häufiger Unmutsäußerungen laut. Die Anlässe für diese Äußerungen hat der Kämmereischreiber bis auf den Hinweis auf Kulens brennende Scheune nicht in das Strafbuch eingetragen. Der Rat jedenfalls fühlte sich durch solche Äußerungen in seiner Ehre verletzt, sonst wären diese Fälle nicht vor Gericht behandelt worden. Die Bußgelder für die verbale Verletzung der Ehre des Rates waren relativ hoch. Sie bewegten sich im Großen und Ganzen über denen, die für die Beleidigung anderer Einwohner Duderstadts oder der Dörfer von dem Gericht

371 372 373 374 375 376 377 378 379

Vgl. zu dem Fall von Johannes Heßen StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 89b, fol. 81 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 verso und AB 89a, fol. 28 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 89a, fol. 28 verso. Vgl. Kapitel Zahlungsmodalitäten. Vgl. StadtA. Dud., AB 89b, fol. 30 verso und AB 90, fol. 32 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 32a recto und 28a recto.

Auflehnung gegen die Obrigkeit

125

festgesetzt wurden. Daraus ist abzuleiten, dass die Ehre des Rates, also der Stadtobrigkeit, als besonders schützenswürdig angesehen wurde. Die Flurschützen und die anderen Bediensteten des Rates wie Zöllner, Knechte 380 und Wächter waren häufiger Opfer von tätlichen Angriffen und von Beleidigungen als die Ratsherren selbst. Die Quelle gibt Aufschluss über die Ursache der Angriffe auf die Flurschützen, die in ihrer Tätigkeit begründet war, wie oben bereits ausgeführt wurde. Ob die Ursachen für die Angriffe gegen die anderen Ratsbediensteten ebenfalls in ihrer Tätigkeit für den Rat zu suchen sind oder eher privater Natur waren, ist nicht immer nachvollziehbar. Üblicherweise richteten sich die verbalen oder handgreiflichen Aggressionen derjenigen, die einen Feldfrevel begangen haben, direkt gegen die Flurschützen, also die ausführenden Organe des Rates, die vor Ort greifbar waren, und nicht gegen die Obrigkeit selbst. Nur in einem Ausnahmefall differenzierte der Täter, Lorenz Bothman, zwischen dem Flurschützen, dem ausführenden Organ, und dem Rat, indem er, vermutlich als sein Eigentum vom Flurschützen gepfändet wurde, nicht diesen, sondern den Rat beschimpfte381. Grundsätzlich scheint es in Duderstadt trotz allem relativ friedlich zugegangen zu sein. Henselmeyer hat für Nürnberg festgestellt, dass Konflikte mit der Obrigkeit 382 Bestandteil des Alltags gewesen seien . Auch im spätmittelalterlichen Konstanz 383 wurden „regelmäßig“ verbale Delikte gegen den Rat und seine Bediensteten protokolliert. Dies liegt wahrscheinlich unter anderem daran, dass Nürnberg und Konstanz im Spätmittelalter wesentlich größere und bedeutendere Städte waren als Duderstadt. In Nürnberg und auch in Duderstadt waren die Bediensteten des Rates ungleich häufiger Zielscheibe von Kritik und tätlichen Angriffen. Bendlage und Schuster haben für Nürnberg zudem herausgefunden, dass es für den Rat schwierig war, 384 geeignete und vertrauenswürdige Bedienstete zu finden . Der Nürnberger Rat 385 stellte nach Bendlage auch hohe Anforderungen an seine Bediensteten . Für Duderstadt gibt es diesbezüglich keine eindeutigen Hinweise und Erkenntnisse. Lediglich die tätlichen Angriffe auf die Bediensteten des Rates zeugen davon, dass diese Personengruppe eine schwierige Aufgabe zu erfüllen hatte.

380 Aus dieser Gruppe von Ratsbediensteten wurden die meisten selten oder gar nicht Opfer von tätlichen Angriffen oder Beleidigungen. 381 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 100 recto. 382 Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 103 und 113. 383 Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 77. 384 Vgl. Bendlage/Schuster, Hüter der Ordnung, 1995, S. 46–47. 385 Vgl. Bendlage, Henkers Hetzbruder, 2003, S. 291. Die Stadtbediensteten mussten sich in Nürnberg durch lokale Verbundenheit auszeichnen und wurden nur nach Fürsprache von anderen Personen, z.B. anderen Bediensteten, eingestellt. Sie benötigten keine besondere Qualifikation. Ein wichtiges Ergebnis dieser Untersuchung war, dass die städtischen Bediensteten in Nürnberg ihr Auskommen hatten. Mit diesen neuen Erkenntnissen weicht Bendlage von den Erkenntnissen der bisherigen Forschung in wesentlichen Bereichen ab.

126

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

4.4.2 Verweigerung der Hand- und Spanndienste Sechzehn Dörfer und die Vorstädte waren neben Abgaben zu „gemessenen“ und „ungemessenen“ Diensten, den sogenannten Hand- und Spanndiensten, gegenüber 386 der Stadt Duderstadt verpflichtet . Die „gemessenen“ Dienste waren nach Umfang und Zeit genau festgelegt. Darüber hinaus konnte der Rat bei Bedarf weitere, „ungemessene“ Dienste fordern. Die Dienste der Vorstädter beschränkten sich auf Arbeiten bei der Heu- und Getreideernte auf den Feldern des Rates. Die Dorfbewohner mussten Fuhr- und Pflugdienste leisten sowie bei der Ernte auf den Feldern des Rates und bei den Arbeiten zur Ausbesserung von Wegen und der Befestigungsanlage helfen. Als Gegenleistung erhielten die Vorstadt- und Dorfbewohner je nach Aufwand eine bestimmte Menge an Bier. Diese Dienste stellten eine große Belastung für die Dorfbewohner dar, obwohl der Rat sich nicht selten auch mit der Ableistung eines Teils der Dienste zufriedengab. Daher war es nur zu verständlich, wenn die Dorfbewohner versuchten, sich dieser Last zu entledigen. Dabei taten sich insbesondere die fünf Kespeldörfer (Esplingerode, Desingerode, Werxhausen, Seulingen und Germershausen) hervor. Nachdem der Erzbischof 1525 der Stadt Duderstadt die obrigkeitlichen Befugnisse über diese Dörfer aberkannt hatte, konnten die Duderstädter lediglich den Erhalt dieser Dienste durchsetzen. Die Gerichtsbarkeit über diese Dörfer ging an das Amt Gieboldehausen über. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts strebten die Kespeldörfer einen Prozess an, um sich von den Diensten zu befreien. Dieser endete nach langer Dauer nur in einem Vergleich, der die „ungemessenen“ Dienste auf drei Tage im Jahr begrenzte. Die Prozesse um die Dienste zogen sich bis ins 19. Jahrhundert hin, und die gefällten Urteile bestätigten die Ansprüche der Stadt auf diese Dienste immer wieder aufs Neue. Schon in dem Zeitraum von 1521 bis 1546 waren die Dorfbewohner vereinzelt nicht bereit, ihre Dienstpflicht zu erfüllen. Gerade während der Erntezeit war es eine große Belastung, wenn die Bauern einen oder mehrere Tage Dienst leisten sollten, anstatt die eigene Ernte einzufahren. Hans Bunße aus Westerode, Hans Schenkewalt und Andreas Heynen aus Nesselröden traten nicht zum Dienst an, um ihren Anteil an den Heufuhren zu erledigen387. Auch Henrich Nap hat einer Auffor388 derung zum Dienst nicht Folge geleistet . Valentin Rust verkündete, dass er nicht 389 bereit sei, Heu oder Getreide für den Rat einzufahren . Der Ausfall einer Arbeitskraft war insbesondere während der Erntezeit, der Spitzenzeit bäuerlicher Arbeit, eine erhebliche Belastung und eine Gefahr für die Existenz der Bauern, denn es musste jederzeit mit Regen und Unwetter gerechnet wer386 Vgl. Wojtowytsch, Duderstadt, 1985, S. 65 und Jaeger, Chronik Barckefeldt, 1920, S. 68–76 sowie Wehking, Sabine, Die Geschichte des Amtes Gieboldehausen, Duderstadt 1995, S. 161– 163. 387 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 38a verso. 388 Vgl. StadtA. Dud., AB 104, fol. 51 recto. 389 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 25 verso.

Auflehnung gegen die Obrigkeit

127

den. Daher galt es zunächst, die eigene Ernte so schnell wie möglich einzubringen. Wenn der Rat während dieser Zeit die Bauern zu Diensten verpflichtete, musste dies unweigerlich zu Interessenskonflikten führen. Vermutlich unter Berücksichtigung dieser Tatsache betrugen die Strafgelder für die Verweigerung von Diensten 390 nur eine halbe Mark oder zwei Molder Hafer . Eine erhebliche Beanspruchung für Pferd und Wagen und einen besonders großen Zeitaufwand stellten die Fuhrdienste in den Harz dar. Bei einer Fahrt in den Harz – ein genaues Ziel wurde im Strafbuch nicht vermerkt – mussten ungefähr 40 Kilometer (Hin- und Rückweg) auf schlechten Wegen zurückgelegt werden. Frank hat einem Bericht des lippischen Amtsschreibers Falkmann vom 9.12.1789 entnommen, dass ein Pferdegespann für eine Distanz von elf Kilometern zwischen fünf bis sechs Stunden Fahrzeit benötigte. Darüber hinaus musste den Pferden vor und nach Verrichtung der Arbeit ein Ruhetag gegönnt werden391. Da der Weg in den Harz wesentlich weiter war und Höhenunterschiede besondere Anstrengungen erforderten, ist davon auszugehen, dass ein Fuhrdienst in den Harz den Bauern und die Pferde mehrere Tage beanspruchte. Aus diesen Gründen ist es nicht verwunderlich, dass Hans Smedt aus Seulingen sogar zweimal die Anordnung des Rates miss392 achtete und nicht in den Harz fuhr . Auch Marten Smedt, ebenfalls aus Seulingen, 393 war nicht bereit, für den Rat eine Fahrt in den Harz zu unternehmen . Überdies weigerte sich die „olde Hundeshagen“, eine Fuhre nach Breitenberg zu leisten, das 394 circa 3,5 Kilometer von Duderstadt entfernt lag . 4.4.3 Verstöße gegen kirchliche Vorschriften Bei der Betrachtung der Angriffe auf örtliche Geistliche und Verstöße gegen die kirchlichen Vorschriften muss in Erwägung gezogen werden, dass die Reformation 395 – zwischen 1522 und 1524 wurde in Duderstadt erstmals lutherisch gepredigt – innerstädtische Konflikte hätte hervorrufen können. Kiermayr hat in seiner Untersuchung über die Reformation und Gegenreformation in Duderstadt jedoch festgestellt, dass in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts keine Konflikte zwischen Lutheranern und Altgläubigen aktenkundig geworden sind. Daraus und unter Berücksichtigung weiterer Faktoren zieht er den Schluss, dass es nicht zum glaubensbedingten Bruch innerhalb der Einwohnerschaft Duderstadts kam, sondern sich 396 vielmehr ein sanfter Übergang vom Katholizismus zum Protestantismus vollzog . Da in dieser Untersuchung der Zeitraum von 1521 bis 1546, also überwiegend die Zeit, nachdem die ersten lutherischen Predigten in Duderstadt gehalten worden 390 391 392 393 394 395 396

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 25 verso und 38a verso. Vgl. Frank, Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995, S. 284. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 20 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 91, fol. 34 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 17 recto. Vgl. Hussong, Verfassung, 1989, S. 27. Vgl. Kiermayr, Reformation, 1982, S. 265.

128

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

waren, genauer betrachtet wird, kann keine Unterscheidung zwischen Vergehen vorgenommen werden, die mit der Reformation in Zusammenhang standen und denen, die auch vorher schon vorgekommen sind. Im Laufe des 16. Jahrhunderts taten sich in den Städten der deutschen Lande die Räte, in deren Aufgabenbereich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Moral fiel, vielfach und verstärkt durch Verordnungen im Sinne der kirchlichen 397 Moralvorstellungen hervor . Sie erließen Polizei- und Kirchenordnungen im Sinne einer „neuen Sittlichkeit“. Diese richteten sich unter anderem gegen unsittliches Verhalten in Kirchen und Ausschreitungen bei Fastnachtsfeiern. Sie regelten die 398 Sonntags- und Feiertagsheiligung sowie die Einhaltung der Fastengebote . Die Verordnungen wendeten sich gegen Trunksucht, Völlerei, Ehebruch, Feindschaft, Zauberei, Gefühlsaufwallungen usw. Es gab mancherorts Lasterkataloge, die sich an den Zehn Geboten orientierten. Quasi die ganze Bibel wurde ausgewertet und schien 399 sich in ein Gesetzbuch zu verwandeln . Willoweit stellt fest, dass es der Obrigkeit 400 darum ging, den Katalog der strafbaren Verhaltensweisen zu erweitern . Diese Erweiterung entstand vor dem Hintergrund, dass gegenwärtiges Unglück wie Kriege, Missernsten, Hungersnöte und Teuerungen auf menschliches Fehlverhalten zurückgeführt wurde. Mit den neuen Verordnungen sollte das Verhalten der Unterta401 nen im Sinne eines gottgefälligen Lebens normiert werden . Ziel der damaligen Politik war es, Gottes Zorn und seinen Strafen durch die Verhinderung von straf402 würdigem Verhalten zu entgehen . „Die Botschaft lautet: Auch der vermeintlich kleine Sünder trägt zum Unglück aller bei und muss daher durch abschreckende 403 Strafen auf den rechten Weg gezwungen werden“ . So entstand im 16. Jahrhundert eine Schnittmenge von Verhaltensweisen, die sowohl nach kirchlichem als auch nach weltlichem Recht strafbar waren und von beiden Instanzen hätten bestraft werden können. Mit der Anzahl der Verordnungen stieg auch die Zahl der 404 Zuwiderhandlungen, wie Schwerhoff feststellt . Im 16. Jahrhundert war die Auffassung weit verbreitet, dass Gott straft, wenn der Richter nicht straft. Diese Auffassung zwang die Obrigkeit zur konsequenten Straf405 verfolgung . Nachdem die weltliche Obrigkeit im Zuge der Reformation das Kir397 Laut Schwerhoff waren die Städte die treibende Kraft bei der Bekämpfung der Gotteslästerung im Spätmittelalter. Vgl. Schwerhoff, Zungen wie Schwerter. Blasphemie in alteuropäischen Gesellschaften 1200–1650, Konstanz 2005, S. 126. In diesem Buch analysiert Schwerhoff umfassend das Phänomen Gotteslästerung. 398 Vgl. Isenmann, Stadt im Spätmittelalter, 1988, S. 211. Vgl. auch Willoweit, Expansion des Strafrechts, 2002, S. 353. Er schreibt: „Und als gewiß dürfen wir auch annehmen, daß die Chance, diesen Strafanspruch durchzusetzen, im letzte Drittel des 16. Jahrhunderts deutlich zunimmt.“ 399 Vgl. Willoweit, Expansion des Strafrechts, 2002, S. 342–343. 400 Vgl. Willoweit, Expansion des Strafrechts, 2002, S. 334. 401 Vgl. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 217. 402 Vgl. Willoweit, Expansion des Strafrechts, 2002, S. 335. 403 Willoweit, Expansion des Strafrechts, 2002, S. 338. 404 Vgl. Schwerhoff, Zungen wie Schwerter, 2005, S. 117. 405 Vgl. Willoweit, Expansion des Strafrechts, 2002, S. 346.

Auflehnung gegen die Obrigkeit

129

chenregiment übernommen hatte, wurde die Missachtung der Verhaltensregeln, die die kirchliche Disziplin sicherstellen sollten, durch weltliche Gesetze sanktioniert. Die von der weltlichen Obrigkeit erlassenen Kirchenordnungen spielten in diesem Prozess wahrscheinlich eine Schlüsselrolle. Sie bildeten die Grundlage für die Übertragung der Werte und Normen aus dem kanonischen Recht in das weltliche Recht. Das hatte zur Folge, dass die Missachtung auch dieser Werte und Normen 406 durch das Strafrecht, das effektivste Mittel, sanktioniert wurde . Auch Schwerhoff stellt in seiner Untersuchung zur Blasphemie fest, dass ihre Bestrafung von Beginn an 407 vorwiegend als Angelegenheit der weltlichen Gerichtsbarkeit angesehen wurde . Vor diesem Hintergrund werden zunächst die Duderstädter Statuten betrachtet: Für den Untersuchungszeitraum finden sich dort diesbezüglich nur die Verbote, am 408 Sonntag zu brauen und am Sonntag oder den Aposteltagen zu backen . Die Vergehen gegen die Heiligung des Sonntags und die Verstöße gegen die Fastengebote fielen unter die Ratsgerichtsbarkeit und wurden in das Strafbuch eingetragen. In sieben Fällen verstießen Männer gegen das Verbot, am Sonntag zu arbeiten. 409 Wie bereits erwähnt, hielt sich Borchmann nicht an das sonntägliche Brauverbot . 410 In vier weiteren Fällen wurde an Sonntagen , und in zwei Fällen an Ostern Feldarbeit verrichtet. Hierbei handelte es sich um Verstöße einzelner Personen gegen die Sonn- bzw. Feiertagsheiligung. Die Duderstädter und die Einwohner der umliegenden Dörfer hielten sich in einigen Fällen nicht an die umfangreichen Fastengebote. Eine besondere Bedeutung wurde dem Fasten in den sechs Wochen vor Ostern (Quadragesima: von Aschermittwoch bis Karsamstag) beigemessen. Überdies waren nach Aschermittwoch, Pfingsten, dem Fest Kreuzerhöhung (14. September) und dem Fest der Heiligen Lucia jeweils der Mittwoch, Freitag und Samstag zu Fastentagen (Quatemberfasten) erklärt worden, ebenso wie die Tage vor den Apostelfesten (Vigilfasten). Kurz vor Jahresende, im Advent, wurde erneut gefastet411. Nur in einem Fall verstieß eine Einzelperson gegen die Fastengebote: Der „teneuthbrekeren“ (Zähneausbrecher) hatte an „unßer Leven Frawen Avende“ Fleisch 412 gegessen . Charakteristisch für dieses Vergehen scheint aber zu sein, dass es in Gemeinschaft begangen wurde. Hans Berkeveld, Hans Henze, Hans Muller, Andreaß Reydeman, Matten Reydeman und Valentin Tastingk aus Langenhagen wurde zur Last gelegt, am Abend vor dem Aposteltag Simon und Judas Fleisch 413 gegessen zu haben . An späterer Stelle wurde erneut im Strafbuch eingetragen, 406 407 408 409 410 411

Vgl. Willoweit, Expansion des Strafrechts, 2002, S. 354. Vgl. Schwerhoff, Zungen wie Schwerter, 2005, S. 301. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 85 und 315. Vgl. StadtA. Dud., AB 89a, fol. 28 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 36 verso, 27a recto und AB 105, fol. 150 recto. Vgl. Denzler, Georg/Andresen, Carl, dtv-Wörterbuch der Kirchengeschichte, München 1982, S. 213–214. 412 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 60 verso. 413 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 27 recto.

130

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

dass „alle wonhafftig tho Langenhagen“ am Abend vor dem Aposteltag Simon und 414 Judas Fleisch gegessen hatten . In beiden Fällen war pro Person ein Strafgeld von vier Mark zu entrichten. Höchstwahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine 415 Wiederholung des Eintrags . An anderen Stellen sind ebenfalls immer mehrere Personen hintereinander eingetragen worden, denen das Essen von Fleisch in der 416 Fastenzeit vorgeworfen wurde . Auch hierbei wurden die Fälle mehrmals aufgelistet, wohl deshalb, weil das Strafgeld noch nicht entrichtet worden war. In diesen Fällen variieren die Strafgelder zwischen einer und drei Mark. Hans Roleves wurde 417 für selbiges Vergehen ein Strafgeld von sechs Gulden bzw. zwölf Mark berechnet . Da immer mehrere Männer aufgrund des gleichen Deliktes hintereinander in das Strafbuch eingetragen wurden, ist anzunehmen, dass es sich um kollektive Vergehen handelte und die Fastengebote insbesondere bei Festlichkeiten außer Acht gelassen wurden. 418 Hans Marthens sollte ein Strafgeld von 15 Mark „causa deß Crucifix“ bezahlen. Genaueres geht aus der Strafbucheintragung jedoch nicht hervor. Ersichtlich ist immerhin, dass auf Frevel, die an christlichen Symbolen verübt wurden, besonders hohe Strafen standen und diese Frevel vor dem Ratsgericht abgeurteilt wurden. Die Bewohner Nesselrödens lagen im Streit mit ihrem Pfarrer. Einmal schlugen 419 sie sich mit ihm in dem Haus von Magister Stromeiger . Der Pfarrer aus Nesselröden wurde in dem Haus von Henrick von ßeßen ein weiteres Mal Opfer eines tätlichen Angriffs. Er wurde von Jachem Wittzell und Jachem Krage aus Desingerode 420 sowie Jacob Rust aus Nesselröden geschlagen . Ebenso wie diese Vergehen wurde auch der Schaden, den Hans Knocke aus Nesselröden an den Zäunen anrichtete, die sein Grundstück von dem des Dorfpfarrers trennten, vor dem Ratsgericht behan421 delt . Diese im Strafbuch verzeichneten Delikte legen Zeugnis davon ab, dass der Pfarrer aus Nesselröden häufiger mit den Dorfbewohnern aneinandergeraten ist. Doch damit nicht genug: Dem Pfarrer aus Nesselröden wurde zur Last gelegt, im Haus von Stangen seinen Küster geschlagen und mit Jurgen Branth den Hausfrie422 den im Haus von Hans Grumpen gebrochen zu haben . Diese Fälle wurden von dem Ratsgericht bestraft. Inwieweit die Auseinandersetzungen der Dorfbewohner von Nesselröden und Desingerode mit dem Pfarrer aus Nesselröden auf Diskrepanzen in Bezug auf die Religionszugehörigkeit zurückzuführen sind, ist bedauerlicherweise den Strafbucheinträgen nicht zu entnehmen.

414 415 416 417 418 419 420 421 422

StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 35 verso. Eine Jahreszahl ist jedoch nicht angegeben. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 26 recto, 27 recto, 34 recto, 34 verso, 35 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 25 verso, 34 recto, 49 recto. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 14a recto, 22a verso und 36a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 61 recto und 6a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 15a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 40a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 39a verso.

Täter und Opfer

131

Insgesamt betrachtet kann festgehalten werden, dass bis auf den Pfarrer aus Nesselröden keine Personen geistlichen Standes Opfer von tätlichen Angriffen 423 wurden . Da bis auf einige wenige Fälle die Fastengebote und die Sonn- und Feiertagsheiligung eingehalten wurden, ist anzunehmen, dass der Respekt vor den kirchlichen Würdenträgern und den Zuchtgeboten in Duderstadt relativ hoch war. Außerdem befindet sich der Untersuchungszeitraum in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: Es kann daher angenommen werden, dass sich die neuen Verordnungen noch nicht überall durchgesetzt hatten und in die Statuten aufgenommen worden waren. Damit stützen die Ergebnisse aus Duderstadt die Auffassung, die sich für Schwerhoff für einige Städte (Konstanz, Zürich, Basel, Köln Nürnberg) zu dem Gesamteindruck verdichtet, dass die Gotteslästerung nirgendwo ein Massendelikt darstellte424. Festzuhalten ist, dass die Verstöße gegen die kirchlichen Vorschriften in Duderstadt durch Geldbußen gesühnt werden sollten.

4.5 Täter und Opfer 4.5.1 Frauen und Männer als Täter und Opfer Die überwiegende Anzahl der Delikte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit 425 wurde von Männern begangen . Die Untersuchungsergebnisse für Duderstadt stimmen mit denen für Konstanz, Nürnberg und Zürich überein: Die Präsenz von 426 Frauen vor den spätmittelalterlichen Gerichten war gering . Schubert weist außerdem darauf hin, dass „Frauen selbst bei gleichen Delikten milder, das heißt auch 427 seltener bestraft wurden als Männer“ . Es ist daher von besonderem Interesse festzustellen, welche Vergehen von Frauen und welche von Männern begangen 428 wurden, um eventuelle geschlechtsspezifische Unterschiede aufzuzeigen . Grundsätzlich ist festzuhalten, dass bei allen Vergehen in Duderstadt der Anteil der Täter höher war als der der Täterinnen. Bei vielen Vergehen treten gar keine Frauen als Täterinnen auf, wie zum Beispiel beim Spielen, beim wilden Tanzen, 423 Vgl. Wolpers, Georg, Liste der Pfarrer des Kreises Duderstadt. In: Unser Eichsfeld Jg. 31/1936, S. 8–10 und Jaeger, Bilder, Bd. 2, 1922, S. 72–76. Lediglich Andreas Rivestahl, Pfarrer in Breitenberg, könnte Opfer eines unbestimmbaren Vergehens geworden sein. Dabei ist jedoch nicht sicher, ob es sich bei Andreas Rivestahl um den Pfarrer in Breitenberg gehandelt hat oder um den Stadtschreiber. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 40 verso. 424 Vgl. Schwerhoff, Zungen wie Schwerter, 2005, S. 141. 425 Vgl. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 214. 426 Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 74 und Burghartz, Susanna, Kein Ort für Frauen? Städtische Gerichte im Spätmittelalter. In: Lundt, Bea, Auf der Suche nach der Frau im Mittelalter. Fragen, Quellen, Antworten, München 1991, S. 50. 427 Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 214. 428 Vgl. zur Untersuchung der weiblichen Kriminalität den Sammelband von Ulbricht, Von Huren und Rabenmüttern, 1995.

132

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

beim Hantieren mit Feuer, bei den Verstößen gegen die Brauordnung, bei Messerstechereien, beim Schießen mit der Büchse und beim Totschlag. Dabei wird ersicht429 lich, dass Frauen in der Regel nicht mit Waffen drohten oder sie benutzten . Das Tragen von Waffen und ihr Gebrauch war eine Domäne der Männer. Frauen waren lediglich sehr selten in Schlägereien verwickelt. In zwei Fällen haben sich Frauen 430 mit anderen Frauen geschlagen . Zwei weitere Eintragungen zeugen davon, dass 431 sich jeweils zwei Frauen untereinander nicht friedfertig verhalten haben . Nur der 432 Knecht von Hans Wulffgang hatte sich „met eineren frawen geslagen“ , ansonsten waren Frauen in knapp 20 Fällen – ohne Berücksichtigung der Hausfriedensbrüche – Opfer tätlicher Übergriffe von Männern. Es wurden jedoch verbale Angriffe von Frauen gegen Männer oder Hinweise auf Wortgefechte, wenn auch nur in geringer Anzahl, im Strafbuch verzeichnet. Anna Schrader war in dieser Hinsicht gleich zweimal auffällig geworden. Sie hatte Helgemeiger verhöhnt und sich mit Jacob Rumper gegenseitig Schimpfworte an den Kopf 433 geworfen . Die Witwe von Bernhart Schrader hat vor Gericht falsch Zeugnis über einen Mann namens Stapel abgelegt. Letztlich hat sie jedoch mitgeteilt, dass sie 434 „von Stapel oberztugt“ sei und ihr falsches Zeugnis zurückgenommen . Ein Grund dafür, dass Frauen gegen Männer eher mit der Gewalt der Worte vorgingen, könnte zum Teil in ihrer körperlichen Unterlegenheit gelegen haben. Aber auch drei Män435 ner hatten über Frauen bei Gericht falsch Zeugnis abgelegt . Damit ist die Zahl der Fälle in Duderstadt im Untersuchungszeitrum relativ ausgeglichen. Frauen setzten sich eher verbal gegen Männer zur Wehr als in Form von tätlichen Angriffen. Tätliche Angriffe von Frauen hingegen richteten sich – wenn über436 haupt – eher gegen ihre Geschlechtsgenossinnen . Festzuhalten ist, dass sich das Konfliktverhalten von Frauen und Männern unterscheidet. Es läuft nach unter437 schiedlichen Mustern ab .

429 Vgl. Burghartz, Disziplinierung oder Konfliktregelung?, 1989, S. 401. Burghartz hat festgestellt, dass die Züricher Frauen bei tätlichen Auseinandersetzungen nur sehr selten Waffen benutzten. Diese Feststellung macht auch Schuster für die Stadt Konstanz, vgl. Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 88. 430 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7a recto und 33a verso. 431 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 35 recto und AB 89b, fol. 30 verso. 432 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 61 recto. 433 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7 verso und 33a verso. 434 StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 79 recto c. 435 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 37 verso, 71 recto, 13a verso und 33a verso. Insgesamt wurden sechs Fälle von falschen Aussagen vor Gericht im Strafbuch verzeichnet. Dabei haben sich neben den bereits erwähnten Aussagen noch weitere vier Männer dieses Vergehens schuldig gemacht. Drei richteten sich gegen andere Männer und in einem Eintrag wird kein Adressat genannt. Vgl. hierzu StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 10 recto, 10 verso, 22 verso, 69 recto, 7a verso und 13a verso. 436 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7a recto und 33a verso. 437 Vgl. Burghartz, Kein Ort für Frauen? , 1991, S. 54.

Täter und Opfer

133

In fünf von circa 180 Fällen waren Frauen Opfer von Hausfriedensbrüchen. As438 mus Klute hatte die Frau von Homan in ihrem eigenen Haus überfallen und Andreas Duvelsneße hatte den Hausfrieden im Haus der Witwe von Bestian Muller 439 gebrochen . Hans Winrick und Struningk hatten Drenkemans Frau im Haus von Lemcke geschlagen. Neben den Häusern von Gertrud Nolthen und der Witwe von Bestian Müller wurden das von der Mutter von Henrick und Eggele Nigeroth sowie 440 das von Katharina Picht Schauplatz von Hausfriedensbrüchen . Nur in einem einzigen Fall hat eine Frau, die Frau von Bartolomeus Sander, einen Hausfriedensbruch begangen. Das Ratsgericht hatte den Hausfriedensbruch schon abgeurteilt, als der Vogt vom Rusteberg dieser Frau aus nicht genannten Gründen im Nachhi441 nein das Strafgeld wieder erließ . Hausfriedensbrüche, Schlägereien und andere tätliche Auseinandersetzungen, bei denen die Ehre auf dem Spiel stand, waren demnach überwiegend Männersache. Die Ehre der Frauen war hauptsächlich in Bezug auf ihr sittliches Verhalten angreifbar. So versuchte Hans Stouningk, die Ehre der Frau seines Bruders zu verletzen, als er falsche Aussagen über sie machte und sie als landstreichende Hure 442 bezeichnete . In einem Fall machte sich die Witwe Grobecker schuldig, weil sie an einen Frem443 den in Duderstadt zu versteuerndes Gut verkauft hatte . Gemäß den Statuten waren Verkäufe von schoßpflichtigem Gut nur an die Bürger der Stadt erlaubt, und zudem musste der Kaufvertrag vor dem Rat abgeschlossen werden. Die Strafe für 444 die Nichteinhaltung dieser Paragraphen betrug zwei Mark . Der Verkauf von steuerpflichtigem Gut wurde tatsächlich gemäß dieser Paragraphen geahndet. Ebenso wie die Witwe Grobecker sollte auch Andreas Nap zwei Mark bezahlen, weil er mit der Worbsgen einen Handel mit zu versteuerndem Gut vor dem Rat verborgen 445 gehalten hatte . In diesen beiden Fällen waren also Frauen und Männer beteiligt. Da bei weiteren vier Fällen, die das Verkaufen oder Kaufen zu versteuernden Gutes betrafen, ausschließlich Männer involviert waren, sind auch bei diesem Vergehen 446 die Männer als Täter in der Mehrheit . Die Frau von Michel Luch beging einen Diebstahl kleinerer Art. Letztlich wurde jedoch der Name ihres Mannes in das Strafbuch eingetragen, da er sich des Behaltens gestohlener Ware schuldig gemacht hatte. Er sollte aufgrund dessen ein Straf-

438 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 60 recto. Die Ursachen für die Hausfriedensbrüche und der Tathergang wurden grundsätzlich nicht in das Strafbuch eingetragen. 439 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 68 recto und 9a verso. 440 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 8a recto und 36a verso. 441 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 recto, 66 recto und 8a recto. 442 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 71 recto. 443 Vgl. StadtA. Dud., AB 89b, fol. 30 verso. 444 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 2. 445 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 18 recto. 446 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 17 verso, 24 verso, 27a verso.

134

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 447

geld von zehn Mark entrichten . Das Vergehen der Frau trat in den Hintergrund. Es entsteht der Eindruck, dass der Ehemann für das Vergehen der Frau zur Verantwortung gezogen wurde und er demnach für das Verhalten der Frau in der Öffent448 lichkeit geradezustehen hatte . Die Tatsache, dass Frauen in Duderstadt dennoch befugt waren, Geldangelegenheiten mit amtlichen Stellen zu regeln, wird an späte449 rer Stelle behandelt . Der Tat der Frau von Michel Luch sind aber auch mehrere von männlichen Tätern verübte kleinere Diebstähle gegenüberzustellen. Jurgen Apelen von Thwinge hatte auf dem Markt einen kleinen Diebstahl begangen, der 450 mit fünf Mark Strafgeld zu Buche schlug . Auch der Diebstahl von Meerrettich und Hopfenstangen aus einem Garten durch Corth Kromgeren sowie das Stehlen von 451 zwei Fudern Holz durch Krether aus Gerblingerode wurden mit einer Geldstrafe geahndet. Aufgrund dieser Ausführungen ist nicht nur ersichtlich, dass Männer häufiger kleinere Diebstähle begingen als Frauen, sondern auch, dass nicht bei jedem Diebstahl eine Todesstrafe verhängt wurde. Bei Diebstahl wurde – abhängig von der Schwere des Diebstahls – differenziert, und die Täter kamen bei kleineren Diebstählen mit einer Geldstrafe davon. Auch in anderen Städten wurde bei diesem Delikt je nach dem Wert des Diebesgutes zwischen kleinem und großem Diebstahl 452 unterschieden . Diebstahl generell war im Zeitalter begrenzter Ressourcen ein 453 schwerwiegendes Delikt und wurde konsequent sanktioniert . Knapp 2.000 Eintragungen in das Strafbuch betreffen Feldfrevel. In circa 60 bis 70 Fällen, etwa 3 Prozent, waren Frauen die Täterinnen. Der größte Anteil an den Frauen, die Feldfrevel begingen, waren Witwen und ältere Frauen. Unter den Täterinnen befanden sich aber auch Mägde und junge Mädchen. Schon allein die Zahl der an Feldfreveln beteiligten Knechte (ca. 90) überstieg die Zahl der Feldfrevel aller Frauen. Auch Knaben wurden dreimal häufiger als Täter für Feldfrevel in das Strafbuch eingetragen als Mädchen. Die Feldarbeit war in der Hauptsache Aufgabe der Männer. Da der Feldfrevel eng mit diesem Arbeitsbereich zusammenhing, ist es einleuchtend, dass die männlichen Täter auch in diesem Bereich der Delikte dominierten. In den Haushalten, die von einer Witwe geführt wurden, übernahm diese den Part des Mannes. Dabei wurde sie von ihren Söhnen unterstützt454. Lediglich das Rupfen von Saat (3 Fälle) war ein Feldfrevel, der ausschließlich Frauen zur Last 455 gelegt wurde .

447 448 449 450 451 452 453 454 455

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 28 verso, 40 verso, 49 verso. Vgl. van Dülmen, Haus, 1990, S. 41–44. Vgl. Kapitel Zahlungsmodalitäten. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 69 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 12 recto (Meerrettich und Hopfenstangen) und 6a verso (Holz). Vgl. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 193. Vgl. Schwerhoff, Aktenkundig, 1999, S. 117. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 93 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 84 verso, 87 recto und 88 recto.

Täter und Opfer

135

Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Zahl der Täterinnen, deren Vergehen unter die niedere Gerichtsbarkeit fielen, gering war. In vielen Bereichen, wie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Tragen und dem Gebrauch von Waffen, dem Spielen und wilden Tanzen, wurden keine Täterinnen verzeichnet. Diese Bereiche können daher als männliche Domäne angesehen werden. Auch die tätliche Gewaltanwendung war ein Bereich, in dem überwiegend Männer die Täter waren und ihre Ehrenhändel ausfochten. Daher war auch die Zahl der männlichen Opfer von Gewaltanwendung erheblich höher als die der weiblichen. Es gilt – bis auf sehr seltene Ausnahmen – die Regel, dass Frauen an gewalttätigen Auseinandersetzungen nur als Opfer beteiligt waren. Abgesehen von diesen Bereichen treten Frauen sehr wohl als Täterinnen auf, sind aber im Verhältnis zu den Männern unterrepräsentiert. Daher lässt sich vermuten, dass Frauen in der Öffentlichkeit weniger präsent waren als Männer456. Studien zur Rolle der Frau in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten fehlen. Ebenso bleibt das Thema Frauen und Öffentlichkeit ein 457 Desiderat der Forschung, wie Susanne Claudine Pils kürzlich festgestellt hat. Festzuhalten bleiben jedoch die Erkenntnisse von Susanna Burghartz für Zürich, die ich durch die Duderstädter Verhältnisse und Delikte bestätigt sehe. Burghartz stellt fest, dass in Zürich im Spätmittelalter kein besonderes Interesse daran herrschte, von Rats wegen die Beleidigungsangelegenheiten der Frauen zu regeln. „Die Rechtsnormen waren an den Konfliktmustern der Männer orientiert. Die Konfliktformen von Frauen waren allenfalls ‚mitgemeint‘.“ Die Ehre der Frauen wurde nach ihrem Verhalten gegenüber Männern im sexuellen Bereich beurteilt, also letztlich auch wieder über die Männer definiert. Im Konfliktfall war die Ehre der Frau vielfach Teil der Ehre des Ehemannes oder Vaters, die er zu schützen, zu verteidigen und wiederherzustellen hatte.458 Betrachtet man die eingetragenen Vergehen aus dem Duderstädter Strafbuch und auch die Statuten, so kann man feststellen, dass diese Ergebnisse auch für Duderstadt gelten. So kommt es beispielsweise auch vor, dass Peter Peters Frau mit einem Delikt im Strafbuch ver459 zeichnet ist, ihr eigener Vorname aber nicht genannt wurde. 4.5.2 Duderstädter Ratsherren als Täter Der Ratssitz schützte nicht vor Strafe. Die Duderstädter Ratsherren werden, wenn auch nur selten, als Täter im Strafbuch erwähnt. Im Gegensatz dazu stellten die

456 Vgl. auch Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 91. 457 Vgl. Pils, Susanne Claudine, Raum schichten. Frauen und Öffentlichkeit in der frühneuzeitlichen Stadt. In: Rau, Susanne/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Norm und Struktur, Bd. 21), Köln/Weimar/Wien 2008, hier Seite 213–214 und 226. 458 Vgl. Burghartz, Disziplinierung oder Konfliktregelung?, 1989, S. 401–402; Burghartz, Kein Ort für Frauen?, 1991, S. 59. 459 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7 verso.

136

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert 460

Ratsherren in der Mittelstadt Kitzingen , in Konstanz und Nürnberg eine große 461 Gruppe unter den Delinquenten . Schuster hat herausgefunden, dass die gesellschaftliche Oberschicht „keineswegs einen friedlicheren Umgang untereinander 462 pflegte als die anderen sozialen Schichten“ . Die Gewalt war meistens zielgerichtet, also nicht spontan. Auch die Angehörigen der patrizischen Familien in Nürnberg waren „deutlicher Bestandteil“ der Gruppe der Delinquenten. Ihre Namen 463 kann man bei nahezu allen Deliktarten nachweisen . Ihr hohes Sozialkapital schützte die städtische Oberschicht bis zu einem gewissen Grad vor sozialer Ausgrenzung und harten Strafen. Die Duderstädter Ratsherren untereinander unterschieden sich auffällig in der Häufigkeit der Übertretung der Statuten. Über die Hälfte der 41 Ratsherren hat sich während ihrer Amtszeit laut Strafbuch nichts zuschulden kommen lassen, während einigen gleich mehrere Vergehen zur Last gelegt wurden. Auch vor ihrer Amtseinsetzung ließen sich die Ratsherren nicht viel und nichts Schwerwiegendes zuschulden kommen. Erwähnenswert ist jedoch das Vergehen von Hans Gerlach, der, etliche Jahre bevor er Ratsherr wurde, bei Nacht dem Bürgermeister aufgelauert hatte464. Daraus geht hervor, dass jemand, der ein solches Vergehen begangen hatte, nicht als ein Krimineller angesehen wurde, da Hans Gerlach sonst nicht nach ein paar Jahren einen Sitz im Rat hätte einnehmen können. Kleiderordnungen waren in ganz Europa weit verbreitet. Mittels der Kleiderordnungen griff die Obrigkeit regulierend in das gesellschaftliche Gefüge ein. Es war festgeschrieben, wer was in der Öffentlichkeit tragen durfte und wer nicht. Die Kleidung machte den Stand, die Schichtzugehörigkeit des jeweiligen Trägers, nach außen hin sichtbar. Die soziale Ungleichheit war ein Grundprinzip in der vormodernen Gesellschaft. Verstöße gegen die Kleidervorschriften wurden daher als Verstöße gegen die Gesellschaftsordnung geahndet465. Die Schwierigkeit bei der Gestaltung der Kleider-, Luxus- und Aufwandsordnungen war, sie so zu gestalten, dass sie auf eine breite gesellschaftliche Akzeptanz stießen. Denn nur dann war es möglich, Verstöße zu ahnden, ohne dass es zu Protesten oder gesellschaftlicher 466 Unzufriedenheit kam . 467 Auffällig, aber nicht verwunderlich ist es, dass gerade Hans Rode, ein Ratsherr , 468 gegen die Kleidervorschriften verstieß , da es sich bei den Ratsherren um wohlha460 461 462 463 464

Vgl. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 183. Vgl. auch Schwerhoff, Kriminalitätsgeschichte im deutschen Sprachraum, 2000, S. 34. Schuster, Der gelobte Frieden, S. 112. Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 168. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 recto. Es ist anzunehmen, dass es sich um die gleiche Person handelt. 465 Vgl. Bulst, Neithard, Kleidung als sozialer Konfliktstoff. Probleme kleidergesetzlicher Normierung im sozialen Gefüge. In: Saeculum 44, Jg. 1993, S. 32. 466 Vgl. Bulst, Kleidung als sozialer Konfliktstoff, 1993, S. 41. 467 Vgl. StadtA. Dud., AB 90, fol. 3 recto. Da er im Rechnungsbuch von 1531 nicht als „primo electus“ eingetragen worden ist, ist davon auszugehen, dass er schon zu dem Zeitpunkt, als sein Vergehen im Strafbuch verzeichnet wurde, Ratsherr war.

Täter und Opfer

137

bende Duderstädter Bürger handelte, die sich teure Kleidungsstücke leisten konn469 ten . Hans Rode wurde für das Tragen eines braunen Mantels aus Köln mit einer 470 Geldstrafe von zwei Mark in das Strafbuch eingetragen . Vermutlich erregte der Mantel mit seiner braunen Farbe große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Die braune Farbe des Mantels war jedenfalls Grund des Anstoßes, da sie eigens im 471 Strafbuch erwähnt wurde . Offensichtlich unterhielt Hans Rode kein Pferd für die Stadt, denn sonst hätten er und seine Familie wertvolle Schmuckstücke tragen dürfen und allerlei andere Sonderrechte in Bezug auf die Kleidung in Anspruch 472 nehmen können . Darüber hinaus musste eine Hebamme 2 Mark bezahlen, weil sie mit einem „olden underrock“ bekleidet war. Weitere Delikte dieser Kategorie wurden nicht in das Strafbuch eingetragen. Im Gegensatz dazu war in Nürnberg die Ahndung der Verstöße gegen die Kleider- und Luxusverordnungen Teil des Ge473 richtsalltags. 474 475 476 Die Ratsherren begingen Feld- und Holzfrevel , Hausfriedensbrüche , einer 477 warf mit einem Stein , Johannes Snehen war in eine Schlägerei verwickelt und 478 Henricus Nigeroth verletzte seine Köchin . Dies stellt zwar nur einen geringen Anteil der im Strafbuch verzeichneten Taten dar. Die Ratsherren bildeten jedoch auch nur eine sehr kleine Gruppe innerhalb der Bevölkerung. Insofern verstießen sie nicht seltener gegen geltendes Recht als der Rest der Bevölkerung. Bei einigen Vergehen erscheinen sie gar nicht als Täter im Strafbuch wie beim Spielen um Geld, bei Ausschreitungen bei Feierlichkeiten und im Frauenhaus sowie bei den Verstö-

468 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 189–193. 469 Vgl. Wojtowytsch, Duderstädter Ratsherren, 1986, S. 13. 470 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1 verso. Auch die Bademutter (Hebamme) sollte zwei Mark bezahlen, weil sie einen „olden underrock“ getragen hatte. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 6 recto. Aus welchen Gründen dies als ein Vergehen gegen die Statuten angesehen wurde, ist nicht ersichtlich, da die Kleidervorschriften nur übermäßigen Prunk untersagten. Der Unterrock der Bademutter aber war alt; vielleicht war er auch schmutzig oder blutbefleckt und erregte daher den Unmut der Duderstädter Einwohner und des Rates. 471 Das Tragen von braunen Schuhen war verboten. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 193. 472 Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 189–193. 473 Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 125. 474 Hans und Henrich von Hagen und Hans Holthman haben jeweils nur einen Feldfrevel begangen. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1 verso, 27 verso, 89 verso. Jurgen Morick ließ sich während seiner Amtszeit mehrere Feldfrevel zuschulden kommen. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 128 verso, 131 recto, 132 recto und 136 recto. 475 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1 recto, 5 verso, 27 verso. Die Ratsherren Henrich Grotenberlt, Henrich Heßen, Hans Holthmann und Magister Stromeiger wurden jeweils aufgrund eines Holzfrevels in das Strafbuch eingetragen. 476 Die Ratsherren ließen sich insgesamt nur drei Hausfriedensbrüche zuschulden kommen. An einem Hausfriedensbruch im Haus des Stadtschreibers waren zwei Ratsherren beteiligt. Zwei weitere Hausfriedensbrüche sind Henricus Nigeroth zuzurechnen. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 recto, 70 recto, 8a recto, 11a recto und 32a verso. 477 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 53 recto. 478 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 29a recto, 55 verso und 65 recto.

138

Kriminalität in Duderstadt im 16. Jahrhundert

ßen gegen die Brauordnung. Die Ratsherren standen jedenfalls nicht über den Statuten, sondern waren in diese eingebunden. Inwieweit die Ratsherren Nachsicht gegenüber ihresgleichen geübt haben, ist nicht überprüfbar. Auch die Angaben über die Zahlungsmoral, das Erlassen von Teilbeträgen der Strafgelder und das Zurückweisen von Vergehen durch das Gericht enthalten keine eindeutigen Anhaltspunkte im Hinblick auf diese Fragestellung. Es ist jedoch festzuhalten, dass keine Anzeige eines Ratsherrn gegen einen anderen in das Strafbuch eingetragen wurde. Den Hausfriedensbruch zweier Ratsmitglieder im Haus des Stadtschreibers beklagte der Schultheiß bei Gericht479. Dieser Einzelfall könnte ein Hinweis auf die Streitigkeiten zwischen Rat und Schultheißen sein. Es kann lediglich vermutet werden, dass dieses Vergehen ohne die Anzeige des Schultheißen nicht vor dem Gericht behandelt worden wäre. In dem Fall von Henricus Nigeroth wurde die Hälfte des Strafgeldes auf seine Bit480 te hin erlassen . Ob die anderen Ratsherren ebenfalls um Erlass eines Teils ihres Strafgeldes baten, geht aus den Eintragungen nicht hervor. Dies wird aufgrund der geringen Beträge auch nicht notwendig gewesen sein. Auffällig ist jedoch, dass die meisten Ratsherren ihre Strafgelder erst gar nicht bezahlten. Die Zahlungsmoral und die Zahlungsmodalitäten werden in den folgenden Kapiteln näher untersucht.

479 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 verso. 480 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 55 verso und 65 recto.

5 Strafgelder und Zahlungsmoral Mit der Festlegung des Strafmaßes war der Fall noch längst nicht abgeschlossen. Erst, wenn das Bußgeld bezahlt oder die Strafe abgesessen war, konnte der Fall endgültig zu den Akten gelegt werden. Die Betrachtung der Strafverfolgungspraxis ist von besonderem Interesse, weil sie Einblicke in die Vorgänge nach der Gerichtsverhandlung zulässt. Das Strafbuch erlaubt unter anderem die nähere Betrachtung der folgenden Aspekte: Gnadenpraxis, Zahlungsmoral und Zahlungsmodalitäten. 1 Vielerorts diente die Gerichtsbarkeit als Einnahmequelle der Gerichtsherren . Die Geldbußen der Gerichtsherren stellten für den gemeinen Mann eine Bedrohung dar. Denn Bargeld war knapp. Schon kleine Beträge bedeuteten für den kleinen 2 Mann, der nur wenig Bargeld erwirtschaften konnte, eine große Belastung . Wie sich die Einnahmesituation des Ratsgerichtes in Duderstadt gestaltete, wird hier eingehend dargelegt. In der Untersuchung der einzelnen Frevel hat sich bereits gezeigt, dass es in Duderstadt ein geregeltes Strafmaß gab. Die Strafgeldbeträge, die das Ratsgericht für die einzelnen Vergehen festlegte, waren weitgehend gleich. Für einen Hausfriedensbruch zum Beispiel sollten alle Täter durchgängig ein Strafgeld von fünf Mark bezahlen. Bei der Festlegung des Strafmaßes spielte es daher keine Rolle, ob ein Täter arm oder reich war3. Lediglich bei Gesuchen um Straferlass oder Strafminderung wurde die soziale und finanzielle Situation des Täters insofern berücksichtigt, als das Ratsgericht in einigen Fällen Gnade vor Recht ergehen ließ und die Armen das Strafgeld nicht zu zahlen brauchten. Die meisten Paragraphen der Duderstädter Statuten enthalten Angaben über die Höhe der Strafgelder, die für bestimmte Vergehen verhängt werden sollten. Für die überwiegende Zahl der Vergehen waren Geldstrafen festgeschrieben. Nur in einigen Paragraphen wurden von vornherein anstelle eines Strafgeldes Naturalleistungen, wie die Leistung von Steinfuhren, die Ablieferung von Steinen, von Hafer oder Korn, gefordert4. Diejenigen Paragraphen, in denen kein Strafmaß genannt wurde, 5 legten Verfahrensweisen fest, beispielsweise für Erbschaftsangelegenheiten . Wie bereits dargestellt, wich die Höhe der Strafgelder, die den Tätern vom Gericht auferlegt wurde, häufig von den Vorgaben der Statuten ab. Da die folgende Darstellung der Zahlungsmodalitäten einen Einblick in die Praxis bieten soll, werden die normativen Bestimmungen bei diesem Teil der Untersuchung ausgeblendet. Das Strafbuch wurde unter anderem aus fiskalischem und machtpolitischem Interesse geführt und gibt daher verhältnismäßig ausführlich Aufschluss über Zah1 2 3 4 5

Vgl. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 120–122. Vgl. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 121. Der Kurfürst hat in der Verordnung bereits 1515 angeordnet, dass Arm und Reich vor dem Gericht gleich zu behandeln seien. Vgl. Wolf, Duderstadt, Bd. 2, 1803, S. 152–153 und S. 114–116. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 24, 25, 72, 94, 116, 136, 142, 152,155, 178, 182, 208, 227, 238, 240 und 256. Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 8–10.

140

Strafgelder und Zahlungsmoral

lungsmodalitäten und Zahlungsmoral. Die Feldfrevel, die im letzten Abschnitt des Strafbuches verzeichnet worden sind, werden bei der Untersuchung der Zahlungsmoral nicht berücksichtigt, da die Quelle in diesem Bereich häufig sehr lückenhaft 6 und unübersichtlich ist . Da Entschädigungszahlungen für Opfer, auch wenn sie in den Statuten festge7 schrieben waren , nicht zu den Einnahmen der Stadtkasse zählten, finden sie im Strafbuch kaum Erwähnung. Es lässt sich nur ein Hinweis darauf finden, dass Entschädigungszahlungen geleistet werden sollten. Ein Strafbucheintrag bestimmte, dass Ciriacus Bredenbeck drei „hochgewedde“ zu bezahlen hatte. Ein „hochge8 wedde“ stand dem Rat, eins dem Gericht und das dritte dem Kläger zu . Daraus ist ersichtlich, dass auch die Höhe der Entschädigungszahlungen vom Ratsgericht festgelegt wurde.

5.1 Zahlungsmodalitäten Der Zahlungsverkehr in der Frühen Neuzeit wurde üblicherweise sowohl in Natura9 lien als auch mit Geld abgewickelt . Ein Beispiel dafür ist die Besoldung der Stadtbediensteten von Duderstadt, die neben Geldzahlungen auch Naturalleistungen als 10 Lohn für ihre Dienste erhielten . Das Duderstädter Ratsgericht hingegen verhängte für den überwiegenden Teil der Vergehen Geldstrafen. Unter den im Strafbuch eingetragenen Währungen dominieren die Duderstädter Mark und der Göttingische Schilling. Ein Problem bei der Untersuchung der Zahlungsmodalitäten ist die Vielzahl der Währungen, in denen die Strafgelder in Duderstadt festgelegt und mit denen sie bezahlt wurden. Da das Verhältnis der einzelnen Währungen zueinander nicht eindeutig geklärt werden kann, muss dieser Aspekt bei dieser Untersuchung unberücksichtigt bleiben. Nur ein relativ geringer Anteil der Strafen wurde von vornherein in Naturalien (Hafer, Leinwand, usw.) festgelegt. Sehr selten wurde bestimmt, dass Strafen abgearbeitet werden sollten. Die Vergehen, für die das Ratsgericht als Strafe Naturalien ansetzte, waren sehr vielfältig. Besonders häufig war es ein Feldschaden, der durch Hafer oder Saathafer ersetzt werden sollte11. Daneben wurden auch Holzfrevel12, wildes Tanzen13, die 6 7 8 9

10 11

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a. Die Feldfrevel sind von Folio 92 recto bis Folio 142 recto verzeichnet. Vgl. zum Beispiel Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 521, § 43a. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 70 recto. Fricke hat nachgewiesen, dass im Duderstadt des 17. Jahrhunderts die Steuerzahlungen zu einem Achtel aus anderen Leistungen als Geldzahlungen bestanden. Vgl. Fricke, Hans-Reinhard, Steuerpflicht und Steuerzahlung in Duderstadt im 17. Jahrhundert. In: Eichsfeld Jahrbuch Jg. 3/1995, S. 68–95, hier S. 92. Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 6, 1909, S. 98. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 23 verso, 39a verso, 40a verso und 140 verso.

Zahlungsmodalitäten

141

14

Nichtleistung von Hand- und Spanndiensten und anderes mehr mit der Abgabe von Hafer bestraft. Hafer scheint neben Geld eines der wichtigsten Zahlungsmittel im Duderstadt des 16. Jahrhunderts gewesen zu sein. Daneben wurden die Strafen auch in anderen Naturalleistungen festgelegt. So sollte zum Beispiel Tile Nachwey15 den als Buße für den von ihm begangenen Hausfriedensbruch 200 Ziegel liefern . Es ist anzunehmen, dass der Rat die Ziegel für den groß angelegten Rathausumbau, 16 der zu Beginn der 1530er Jahre vorgenommen wurde, benötigte . Ferner bestand die Möglichkeit, eine vom Gericht angesetzte Geldstrafe durch 17 18 Hafer oder andere Naturalien abzuleisten . Dies wird durch die Tatsache belegt, dass zum Beispiel Clawes Hartoge aus Seulingen einen Teil seines Strafgeldes durch 19 die Lieferung von Saathafer beglich. Auch Hoeße von Bernshausen überbrachte 20 dem Rat für einen Teil seiner Schuld Fische anstelle von Geld . Ebenso gut konnte 21 die Strafe auch dadurch abgegolten werden, dass Wagennaben für den Rat herge22 stellt oder Fuhrdienste geleistet wurden. Hans Hypkenbecker arbeitete sein Straf23 geld ab . Zum Ausgleich der Unkosten, die Bestian aus Gerblingerode aufgrund seiner Verpflegung im Gefängnis verursacht hatte, verrichtete er Arbeiten für den 24 Stadtrat . Nur sehr wenige der Vergehen, die im Strafbuch verzeichnet sind, wurden von Frauen begangen. Von diesen sollten immerhin drei Frauen ihre Strafe durch die Abgabe von Leinwand begleichen. Die Tochter von Anna Fischer hatte für die 25 Schlägerei mit einer Magd einen halben Schock Leinwand abzuliefern . Ähnlich erging es Anna Schrader und Peter Peters Frau, die beide aufgrund von zwischen ihnen entstandenen Streitigkeiten jeweils einen Schock Leinwand zur Tilgung ihrer 26 Strafe abtreten sollten . Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Gericht in anderen Fällen für die gleichen Vergehen eine Geldstrafe verhängt hat. Daher be12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

25 26

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 22 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso und 4 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 25 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 21 recto. Vgl. Rechnungen und Verträge des Rates mit den Handwerkern für den Rathausbau bei Fricke, Dokumentation, 1989, S. 294–298. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 11a verso, 35 verso, 40a recto, 50 verso, 56 verso, 109 recto, 130 recto. Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 234. In Konstanz wurde ebenso verfahren. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 11a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 40 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 36a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 32a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 38a recto. In Duderstadt war es üblich, dass die Gefangenen für ihr Kostgeld selbst aufkommen mussten. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 23 recto, 63 recto, 2a verso und die Rechnungsbücher für den Zeitraum von 1530 bis 1546 unter dem Rubrum „vor fangenkoest“. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 33a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7 verso.

142

Strafgelder und Zahlungsmoral

steht Grund zu der Annahme, dass die Art der Ableistung der Strafe Verhandlungsgegenstand gewesen ist. Bei der Festlegung der Strafen war in seltenen Fällen die Option offengelassen worden, in welcher Form die Strafe abgeleistet werden sollte. So ließ der Rat Engelhart die Möglichkeit offen, für Spielen entweder eine Mark zu bezahlen oder 27 2 Schock Stroh zu schneiden . Für das gleiche Vergehen konnte die Strafe aber auch aufgesplittet werden, wie es bei Melcheren Garmaren der Fall war. Er sollte eine Mark bezahlen, einen Molder Hafer und einen Schock irgendeines anderen 28 Gutes liefern . Die Delinquenten, die ihre Schuld selbst bezahlten, gaben das Geld nicht immer 29 30 persönlich bei den zuständigen Stellen (im Rathaus , bei Gericht oder dem 31 Schultheißen ) ab. Zu dieser kleinen Gruppe von Übeltätern gehörten wohl einige wenige Dorfbewohner, die den weiten Weg in die Stadt scheuten und das Geld jemand anderem zur Übergabe mitgaben. Für einige Fälle ist nachweisbar, dass es sich bei den Überbringern der Bußgelder um Mitglieder des Ratskollegiums, deren Bedienstete (einen Wartmann, den Knickmeister oder den Arzt) oder auch um 32 einen Viermann handelte. Sie hatten vermutlich die Strafgelder sowohl bei den in den Dörfern ansässigen Delinquenten als auch bei denen, die in der Stadt wohnten, angemahnt und sie in deren Namen abgeliefert. Eine weitere Gruppe von Straftätern, die das Geld nicht persönlich abgeben konnten, waren diejenigen, die sich im Gefängnis befanden, wie in den Fällen von Hans Beithe und Hans Henze vermutet 33 werden kann . Ein Hinweis darauf, dass Frauen in Duderstadt Geldangelegenheiten mit amtlichen Stellen regeln konnten, ist die Tatsache, dass in zwei Fällen die Ehefrau des Delin34 quenten das Geld überreichte . Zwei weitere Strafbucheintragungen zeigen, dass Witwen die Strafgelder für andere Männer bei den zuständigen Stellen abliefern konnten. Witwen genossen gegenüber den Ehefrauen die Möglichkeit, ihre privatrechtlichen Angelegenheiten eigenständig zu regeln. Sie konnten nach dem Tod des 35 Ehegatten selbstverantwortlich für Familieneigentum und Nachwuchs eintreten . In beiden Fällen lässt sich vermuten, dass Hans Beithe und Hans Henze zur Zeit der 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 36a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 29a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 51 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251und AB 4251a, fol. 62 verso, 9a recto, 12a recto, 14 a recto, 33a recto und 33a verso. Der Schultheiß Wulfgang Stehlin wurde auch „licenciat“ genannt. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 51 recto. Die Viermänner aus dem Kreis der Gilden waren mit den Kämmerern gemeinsam für die Verwaltung der Stadtfinanzen zuständig und verantwortlich. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 68 recto, 50 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 22a recto, 37a recto. Vgl. hierzu und zur Stellung der Witwen in der Gesellschaft: Opitz, Claudia, Emanzpiert oder marginalisiert?, Witwen in der Gesellschaft des späten Mittelalters. In: Lundt, Bea, Auf der Suche nach der Frau im Mittelalter. Fragen, Quellen, Antworten, München 1991, S. 29, 40–41.

Zahlungsmodalitäten

143

Strafgeldzahlung im Gefängnis saßen. Anhand der sehr kurz gehaltenen Vermerke im Strafbuch, die über die Zahlungseingänge für Hans Beithe Auskunft geben, bei denen die Witwe Griß und Heine Beckman als Überbringer der Geldbeträge auftraten, lässt sich entnehmen, dass in diesem Zusammenhang kein Unterschied zwi36 schen Mann und Frau gemacht wurde . Grundsätzlich kommt der Delinquent für sein Strafgeld selbst auf. Anhand von wenigen Beispielen wird deutlich, dass auch die Möglichkeit bestand, dass andere, meist Familienmitglieder oder Verwandte, die Zahlung des Strafgeldes übernah37 38 39 men . Manchmal mussten die Bürgen oder die Erben für die Strafgeldzahlung einstehen. Die Strafbucheintragungen wurden hauptsächlich so gestaltet, dass der Delinquent genannt und ihm das Strafgeld zugewiesen wurde. Davon geprägt, dass zu den Bewohnern eines Hauses in der Frühen Neuzeit die Familie, unverheiratete 40 Geschwister des Hausherrn und das Gesinde zählten , wurden die Eintragungen des Täternamens im Wesentlichen nach folgendem Schema gestaltet: Wenn der Täter der Hausherr selbst war, wurde dessen Name in das Strafbuch eingetragen. Hatte aber ein anderes Mitglied der Hausgemeinschaft die Tat begangen, setzte sich der Name des Täters aus dem Namen des Hausherrn bzw. Familienoberhauptes und einem Zusatz zusammen. Der Zusatz gab an, ob es sich um den Sohn des Hausherrn 41 42 („Tile Owden ßon“ ), seine Frau („Peter Peters frawe“ ), seinen Bruder, eine Be43 dienstete („Jacob Henckelen mageth“ ) oder einen Bediensteten („Claweß Grot44 zen knecht“ ) handelte. Ein Grund für die Gestaltung der Namen in den Strafbucheintragungen nach diesem Schema ist darin zu sehen, dass der Kämmereischreiber genau wissen musste, wer welchen Betrag zu entrichten hatte. Damit es auch bei Namensgleichheit nicht zu Verwechslungen kommen konnte, wurde, falls notwendig, zusätzlich der Beruf des Missetäters dem Namen hintangestellt: „Philip45 46 pus Moringk, custos“ oder „Philippus Morick, knochenhaweren“ . Trat die Gleichnamigkeit jedoch innerhalb der engeren Familie auf, so wurde dem Namen ein „junioren“ bzw. „ßenioren“ hinzugefügt. Die Durchsetzung der Familiennamen

36 37

38 39 40 41 42 43 44 45 46

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 50 recto. Auch die Steuerzahlungen im Duderstadt des 17. Jahrhunderts erfolgten nicht nur vereinzelt durch andere Personen als den Steuerpflichtigen selbst. Meist handelte es sich um Familienmitglieder, die sich untereinander bei den Steuerzahlungen unterstützten. Vgl. Fricke, Steuerpflicht, 1995, S. 91–92. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 8a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 27a recto. Vgl. van Dülmen, Haus, 1990, S. 23. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 60 recto. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7 verso. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 85 verso. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1 verso. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 69 verso. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 70 recto. Die Namensschreibung differiert häufig.

144

Strafgelder und Zahlungsmoral 47

bzw. der Zweinamigkeit hatte sich schon im 13./14. Jahrhundert vollzogen . Im 48 Laufe der Zeit verdrängten die Familiennamen die Spitznamen , so dass im Duderstädter Strafbuch, das in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts geführt wurde, lediglich einige Einträge an die mittelalterliche Spitznamengebung erinnern. Eine Variante war die Nennung des Vornamens im Zusammenhang mit einem körperli49 50 chen Merkmal , wie zum Beispiel „der hinckende Lips“ oder „die blinde Kethe“ . Gerade auch bei diesen Beispielen wird eindeutig gewesen sein, wer gemeint war. Neben der Zahlung des Strafgeldes in voller Höhe war es üblich, die Strafe durch Teilzahlungen abzutragen. Dabei bestand die Möglichkeit, Teilzahlungen in Natura51 lien und in Geld miteinander zu kombinieren . Betrug ein Strafgeld 16 Duderstädter Mark oder mehr, dann legte das Gericht von sich aus zwei Zahlungstermine fest, 52 an denen jeweils die Hälfte des Strafgeldes zu zahlen war . In einem Fall wurde bei einer geringeren Geldbuße nach einem ähnlichen Prinzip verfahren: Dem Delinquenten wurde die Wahl gelassen, einen Teil bis zu einem bestimmten oder die 53 ganze Summe zu einem späteren Termin zu bezahlen . Häufig wurden Zahlungs54 fristen von 8 oder 14 Tagen in das Strafbuch eingetragen, selten bestimmte Ter55 mine angegeben wie „habet tidt usque Osteren“ oder „up dey Binachten to 56 leystende“ . Aufgrund der Kürze der Eintragungen ist zu vermuten, dass die Zahlungsfristen zwar bei allen Strafgeldern festgesetzt, sie in den meisten Fällen jedoch nicht in das Strafbuch eingetragen wurden. Die Praxis bei Teilzahlungen war die folgende: Ging eine Teilzahlung ein – ob innerhalb der festgelegten Frist oder nicht, ist oftmals nicht nachvollziehbar –, wurde eine neue Zahlungsfrist für den Restbe57 trag, die meistens 14 Tage betrug, festgelegt . In dem Fall von Michel Juneman wurde angedroht, die Strafe „ane gnade und behelp“ von fünf auf zehn Duderstädter Mark zu verdoppeln, falls er die fünf Mark nicht innerhalb von 14 Tagen ableiste58 te . Dies ist das einzige Beispiel für Härte in der Verfahrensweise mit Zahlungen, das in dem Strafbuch zu finden ist. Für Konstanz hat Schuster festgestellt, dass die

47

48 49 50 51

52 53 54 55 56 57 58

Vgl. Schindler, Widerspenstige Leute, 1992, S. 80 und Schwarz, Ernst, Deutsche Namensforschung. Ruf- und Familiennamen, Bd. 1, Göttingen 1949, S. 160. Diese Veröffentlichung enthält eine zusammenfassende Darstellung über die Entstehung und Entwicklung der Ruf- und Familiennamen. Vgl. Schindler, Widerspenstige Leute, 1992, S. 84. Vgl. Schindler, Widerspenstige Leute, 1992, S. 88. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 7a recto. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 50 verso. Auch in Konstanz war der Rat bereit, über die Zahlungsmodalitäten zu verhandeln. Er genehmigte Fristverlängerungen und Ersatzleistungen. Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 233. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 38 verso und 39 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol., 5 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 36 recto, 38 recto, 36a recto und 36a verso. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 22a recto. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 67 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 27a verso. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 39a recto.

Zahlungsmodalitäten

145

59

Überschreitung der Zahlungsfristen alltäglich war. In Nürnberg wurden den Delinquenten Fristen eingeräumt, innerhalb derer sie die Haft antreten oder die Geld60 buße bezahlen sollten . In der Frühen Neuzeit war es gängige Praxis, dass die Obrigkeit aus Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse der Delinquenten zu einem Verzicht auf die ange61 setzten Strafgelder oder zu einer Strafgeldminderung bereit war . Auch in Duderstadt wurden den Missetätern unter bestimmten Bedingungen die Strafgelder ganz oder teilweise erlassen bzw. sie wurden abgeschrieben, weil keine Chance zu bestehen schien, jemals das Strafgeld von dieser Person zu erhalten. Dabei stand die finanzielle Situation des einzelnen Übeltäters im Vordergrund, so zum Beispiel bei Hans Knippingk, der mit seinen Schweinen Feldschaden verursacht hatte. Der Eintrag seines Vergehens im Strafbuch wurde mit den Worten „Ist vor nith, ist vo62 rarmeth“ kommentiert. Hier wird deutlich, dass ihm das Strafgeld aus Rücksichtnahme auf seine Armut erlassen wurde. Auch das Vergehen, der verursachte Feldschaden, deutet darauf hin, dass er die Schweine nicht ausreichend füttern konnte und sie deshalb auf fremde Wiesen und Felder getrieben hatte. Bei Levin Busch war die Sachlage ähnlich. Er bekam ebenfalls aufgrund eines verursachten Feldschadens ein Strafgeld zugewiesen, das nach seinem Tod mit der Begründung erlassen 63 wurde, dass er „in armode gestorven“ sei. Auch „Henrich under dem damme“ 64 wurde nach seinem Tod das Bußgeld für den verursachten Feldschaden erlassen . Es ist anzunehmen, dass häufig von der Einmahnung der Strafgelder abgesehen wurde, wenn die Delinquenten verarmt bzw. nicht zahlungsfähig waren oder wenn 65 sie verarmt gestorben waren . Generell wurde es sicher so gehandhabt, dass nach 66 dem Tod eines Delinquenten die Erben für das Strafgeld aufkommen mussten . Ebenso wie die Armut konnte ein schwerer Schicksalsschlag der Grund für die Erlassung des Strafgeldes sein. Von den zwölf Männern aus Seulingen, die Holzfrevel begangen hatten, waren fünf in einem Feuer umgekommen oder durch Feuer ihres Besitzes beraubt worden. Infolgedessen wurde auf das Strafgeld, das diese 67 fünf Männer hätten entrichten müssen, verzichtet .

59 60 61

62 63 64 65 66 67

Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 233. Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 136. Vgl. Willoweit, Dietmar, Richten nach Gnade. Beobachtungen an Hand ländlicher Quellen vom Mittelrhein und angrenzender Landschaften. In: Schlosser, Hans/Sprandel, Rolf/Willoweit, Dietmar (Hg.), Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Formen und Entwicklungsstufen. (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Symposium und Synthesen, Bd. 5), Köln/Weimar/Wien 2002, S. 189–205. Ausführlich zu dem Thema Gnade siehe bei Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 273–311. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 94 recto. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 93 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 93 recto. Vgl. auch StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 27a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 64 verso.

146

Strafgelder und Zahlungsmoral

Vielleicht sind es dieselben oder ähnliche Gründe, aufgrund derer das Strafgeld auch anderen Delinquenten erlassen wurde, die beim Ratsgericht darum baten, ihnen das Strafgeld oder ein Teilbetrag davon zu erlassen. Der Fall von Henrich Nigeroth ist nur ein Beleg dafür, dass eine solche Bitte durchaus erfolgreich sein 68 konnte . Vermutlich baten auch die Delinquenten, die einen Teil ihres Strafgeldes direkt beim Gericht ablieferten, um die Erlassung der Restschuld. Festzuhalten ist, dass Teilbeträge von Strafgeldern relativ häufig erlassen wurden. Grundsätzlich könnte davon ausgegangen werden, dass der Verzicht auf Strafgelder sowohl zu Lasten des Schultheißen bzw. des Landesherrn als auch des Rates ging, da beiden jeweils die Hälfte der Einnahmen aus den Strafgeldern zustand. In einigen Strafbucheintragungen ist dies auch ausdrücklich festgehalten. Bemerkenswert ist jedoch, dass es zwar Hinweise darauf gibt, dass ausschließlich der Anteil des Rates von dem Verzicht auf das Strafgeld betroffen war, aber keine darauf, dass allein der Schultheiß davon betroffen war. Daher ist anzunehmen, dass der Rat im Umgang mit den Delinquenten nachsichtiger war als der Schultheiß. Darüber hinaus kann vermutet werden, dass sich in diesen Unterschieden das Konkurrenzverhalten zwischen Rat und Schultheiß ausdrückte. Dies kam besonders zum Tragen, wenn der Rat bei dem einen oder anderen Vergehen nicht mit dem Urteil des Schultheißen, der der Vorsitzende des Ratsgerichts war, einverstanden war. Der Rat hatte die Möglichkeit sein Missfallen auszudrücken, indem er auf seine Hälfte des Strafgeldes verzichtete. Ein vager Hinweis darauf, dass es sich tatsächlich so zugetragen haben könnte, ist die Bemerkung „des rades deil ist loeß gegeven nach gestalt deren sache“69. Dies wäre zugleich auch die Erklärung dafür, dass kein Straferlass allein zu Lasten des Schultheißen ging, da ihm als Gerichtsvorsitzendem das letzte Wort bezüglich des Urteils zustand. Auch der Vogt vom Rusteberg, der Vertreter der übergeordneten Instanz, besaß das Recht, Strafgelder zu erlassen. Er 70 machte jedoch nur in sehr seltenen Fällen davon Gebrauch . Gesondert zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang noch diejenigen Strafgelder, die vom Rat abgeschrieben werden mussten, weil die Delinquenten nicht mehr greifbar waren. Pancratius Kopman zum Beispiel war weggezogen und Hans Theypell weggelaufen, ohne vorher die Strafgelder zu entrichten. Auch Philippus Morick hatte die Stadt verlassen, nachdem er erklärt hatte, dass er sein Strafgeld nicht bezahlen wolle. Ob er ausgewiesen wurde – dies ist eher anzunehmen – oder 71 freiwillig die Stadt verließ, geht aus der Quelle nicht eindeutig hervor . Die Abhängigkeit des einzelnen Delinquenten von einer ordnungsgemäßen Buchführung zeigt sich in dem Fall von Hans Fygen. Dieser behauptete, von den zehn Mark, die er dafür bezahlen musste, dass er seiner Mutter blutende Verletzun68 69 70 71

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, den eingelegten Zettel zwischen fol. 73 verso und 74 recto. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 36a recto. Vgl. zum Bespiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 recto, 66 recto und 8a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9a recto.

Zahlungsmodalitäten

147

gen zugefügt hatte, fünf Mark bereits gezahlt zu haben. Zunächst war die Zahlung nicht ausfindig zu machen. Erst später – wie die Benutzung einer anderen Tinte für 72 den Eintrag dokumentiert – hatten sich die fünf Mark wieder „eingefunden“ . So viel Glück war nicht jedem beschieden. Auch Jacob Rekershußen erklärte, er habe sieben von zehn Mark bereits bezahlt, als er die verbleibenden drei Mark abliefern 73 wollte. Die 7 Mark konnten jedoch nicht mehr gefunden werden . Ob diese Zahlung tatsächlich geleistet wurde, ist fraglich. Eine Eintragung im Strafbuch darüber ist nicht vorhanden. Im Strafbuch wurden die Gerichtstermine häufig nicht vollständig notiert: Mal fehlt das Datum, mal die Jahreszahl. Anhand der wenigen vollständig ausgeschriebenen Gerichtstermine können keine eindeutigen Aussagen über die Häufigkeit der 74 Gerichtssitzungen gemacht werden . Das Ratsgericht tagte nach Jäeger alle zwei Wochen. Diese Aussage bezieht sich allerdings auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Jaeger nennt für diese Zeit als Gerichtstage den Mittwoch, den Freitag 75 und den Samstag . Auch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts liegen die Ge76 richtstermine in der überwiegenden Zahl der Fälle auf einem Freitag , nicht ganz 77 so häufig auf einem Mittwoch und sehr selten an anderen Wochentagen. Darauf aufbauend kann vermutet werden, dass sich über die Jahrhunderte hinweg in Bezug auf die Gerichtstage und eventuell auch den Turnus der Gerichtssitzungen nicht viel geändert hat. Die Frage, ob bestimmte Termine für die Annahme der Zahlungen von den zuständigen Stellen festgelegt wurden, muss offen bleiben, da die Quelle in diesem Fall keine eindeutigen Angaben enthält. Es entsteht jedoch der Eindruck, dass die 78 Zahlungen nahezu jederzeit – auch sonntags – entgegengenommen wurden. In einigen Fällen ist nachvollziehbar, dass der Gerichtstermin auch der Zahlungster79 min für die Strafgelder sein konnte . Eine Vermutung in dieser Hinsicht wird durch die Tatsache erhärtet, dass hin und wieder – allerdings ohne Angabe eines Datums – 80 das Gericht auch der Zahlungsort war . Neben der Zahlung vor Gericht konnte das

72

73 74 75 76 77 78 79 80

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 11a verso. Das war kein Einzelfall. Auch in Konstanz gab es – wenn auch selten – Zweifelsfälle bezüglich des Zahlungseingangs oder bezüglich der Eintragung der Tat. Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 232. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 14a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 recto, 22 recto, 37 recto, 37 verso. Vgl. Jaeger, Bilder, B.2, 1922, S. 10. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 recto, 22 recto, 37 recto und 39 verso. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9 recto und 37 verso. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 5a verso und 50 recto. Vielleicht wurden die Zahlungen nach dem Besuch des Gottesdienstes angenommen. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 4 verso (15. September 1531) und 39 verso. Vgl. zum Beispiel StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9a recto, 12a recto, 33a verso und 62 verso.

148

Strafgelder und Zahlungsmoral 81

82

Geld auch auf dem Rathaus , beim Licenciaten bzw. beim Schultheißen abgeliefert werden. Die Einnahmen aus den Strafgeldern standen zur einen Hälfte dem Rat und zur anderen Hälfte dem Kurfürsten zu, der in Duderstadt durch den Schultheißen 83 vertreten wurde . Ausnahmen von dieser Regelung waren die Einnahmen aufgrund von Feldfreveln und auch von Vergehen an den Bediensteten sowie an dem Eigentum des Rates. Diese Einnahmen standen dem Rat in voller Höhe zu. Darunter 84 fallen zum Beispiel Strafgelder für das Schlagen des Flurschützen oder das Stoßen 85 von Personen in den Branntweinbottich . Der Rat unterhielt auch das Gefängnis und kam zunächst für die Unkosten für die Versorgung der Gefangenen auf. Im Nachhinein ließ er sich diese Kosten von den Delinquenten erstatten. Manche 86 zahlten mit Geld, andere arbeiteten die entstandenen Unkosten ab .

5.2 Abrechnung mit dem Vogt vom Rusteberg Einmal im Jahr wurde eine umfangreiche Abrechnung über die Einnahmen aus den Strafgeldern unter Aufsicht des Vogtes vom Rusteberg, Kunze Gutjahr, vorgenommen. Bei dieser Abrechnung waren neben dem Vogt vom Rusteberg der Schultheiß, die Ratsherren und die Viermänner, also die Vertreter aus dem Kreise der Gilden, welche mit den Kämmerern gemeinsam für die Stadtfinanzen zuständig waren, 87 anwesend . Dem Vogt vom Rusteberg stand – wie oben erwähnt – die Hälfte der Strafgelder zu. Die Einnahmen aus den Feldfreveln hingegen fielen alleine an den Rat. Der Vogt orientierte sich mit seinen Forderungen nicht an den Einnahmen aus den Strafgeldern. Er beanspruchte die Hälfte der Strafgelder, die als Forderungen im Strafbuch eingetragen waren. Über die noch ausstehenden Strafgelder heißt es bei der Abrechnung für das Jahr 1533, die „hefft die radt in tho manende alleine und der 88 schulze ßin part enweck“ . Für das Jahr 1533 wurden Strafgelder in Höhe von 90 Mark in das Strafbuch eingetragen. Die Hälfte, also 45 Mark, standen dem Vogt zu. Sie wurden ihm jedoch nicht als Gesamtsumme ausgezahlt. Der Vogt hatte 81 82 83

84

85 86 87 88

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 51 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 51 verso. Vgl. Wolf, Duderstadt, Bd. 1, 1803, S. 316. Diese Behauptung lässt sich für den Anfang des 16. Jahrhunderts auch anhand des Strafbuches bestätigen. Besonders eindeutige Beispiele finden sich in StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 1a recto, 12a verso und 13a recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 60 recto. Die Vermutung stützt sich auf die Bemerkung: „Tile Owden tenetur 20 marck dem rade.“ Auch die Gerichtsgebühren von zwei Hochgewedden waren „dem rade“ zu zahlen. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 22a recto. Diesem Strafbucheintrag wurde die Bemerkung hinzugefügt: „[g]ehort dem rade alleine“. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 2a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 59 verso. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 53 recto.

Zahlungsmoral

149

bereits im Vorfeld eine Teilzahlung von zehn Mark erhalten, die ebenso von den 45 Mark abgezogen wurden, wie weitere zehn Mark, 19 Göttingische Schillinge und 2 Goßler, für die die Mainzer Räte bei ihrem Besuch in Duderstadt Bier und Wein 89 konsumiert hatten . Die restlichen 24 Mark und 4 Goßler blieb der Rat dem Vogt zunächst schuldig. Die Abrechnungen der anderen Jahre gestalteten sich ähnlich. Auch von den 44 Mark, die dem Vogt als Anteil an den Forderungen aus Strafgeldern für das Jahr 1534 zustanden, wurden fünf Mark und vier Göttingische Schillinge für den Wein abgezogen, den die Fürstin von Braunschweig bei ihrem Besuch 90 in Duderstadt im Haus von Magister Stromeiger getrunken hatte . Die Duderstädter bezahlten die Forderungen des Vogtes aber nicht als Gesamtsumme, sondern meist in Teilbeträgen, wie bereits angedeutet wurde.

5.3 Zahlungsmoral Die Zahlungsmoral hinsichtlich der Strafgelder war in Duderstadt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht besonders gut. Diese Aussage schließt die Strafgelder, die die Duderstädter für die Feldfrevel entrichten mussten, aus. Diese konnten nicht untersucht werden, da die Quelle in diesem Bereich häufig sehr lückenhaft und unübersichtlich ist. Nicht nur die Ratsherren hatten eine schlechte Zahlungsmoral. Anhand der wenigen Eintragungen, bei denen das Datum der Gerichtsverhandlung und die Daten der Zahlungseingänge verzeichnet wurden, wird deutlich, dass der zeitliche Abstand zwischen den Terminen in diesen Fällen von einem halben bis zu zwei Jahren reichte. Heinrich mit dem Bart, der Krämer, wurde für das Vergehen, sich als Priester verkleidet zu haben, am 18. Mai 1530 von dem Ratsgericht dazu verurteilt, sechs Duderstädter Mark zu bezahlen. Die erste Teilzahlung von zwei Mark, ging am 13. August 1531 ein, die zweite von einer Mark am 19. Mai 1532. Damit hatte er nach fast zwei Jahren gerade einmal die Hälfte des Strafgeldes entrichtet91. Auch die Zahlungsfristen, die vermutlich vom Gericht in jedem Fall festgesetzt wurden, fanden wenig Beachtung. Steffan Hoheren wurde am 1. September 1531 dazu verurteilt, innerhalb von 14 Tagen zehn Duderstädter Mark zu bezahlen. Nach sieben 92 Monaten ging von ihm eine Teilzahlung von fünf Mark ein . Diese Beispiele zeigen, dass die Stadtkasse nicht mit einem regelmäßigen Einkommen aus den Strafgeldern rechnen konnte. Noch weniger konnten die Kämmerer darauf vertrauen, dass sie den ganzen vom Gericht festgelegten Strafgeldbetrag einnehmen konnten. Im Gegenzug wird es aber auch keine Verjährung von Strafgeldern gegeben haben.

89 90 91 92

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 53 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 59 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 37 verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 38 recto.

150

Strafgelder und Zahlungsmoral

Vermutlich aufgrund der schlechten Zahlungsmoral kamen Eintragungen zustande, die sich nicht nur auf die Zahlungsfähigkeit – wie bereits oben ausgeführt –, sondern auch auf die Zahlungswilligkeit der Delinquenten beziehen. Nach dem Urteil des Ratsgerichts hatte Bartolomeus Morick Senior eine falsche Aussage über Casper Stolteheyße gemacht. Dem Eintrag im Strafbuch ist zu entnehmen, dass Morick nicht bereit war, das Strafgeld von zweieinhalb Mark zu entrichten. Es ist daher anzunehmen, dass er mit dem Urteil des Ratsgerichtes nicht einverstanden 93 war . Auch der Strafbucheintrag über das Vergehen seines Sohns Philippus wurde mit dem Kommentar „woll nichts geven“ ergänzt. Dem wurde außerdem noch 94 hinzugefügt, dass Philippus die Stadt verlassen hat . Weiterhin wurde – wenn auch nur in Einzelfällen – im Strafbuch festgehalten, dass jemand bereit war, sein Strafgeld zu entrichten. Dem Strafbucheintrag zu Hans Tilebole wurde in einer anderen 95 Tinte nachträglich die Bemerkung „hefft wille“ hinzugefügt . Wahrscheinlich hatte er, nachdem er bereits zwei Mark von seinem Strafgeld abgetragen hatte, bei einer Zahlungserinnerung kundgetan, dass er den ausstehenden Forderungen nachkommen wollte. Die ausführliche Abrechnung der Strafgelder aus dem Jahr 1532 lässt erkennen, dass die Duderstädter und die Bewohner der umliegenden Dörfer nicht mit einer besonders guten Zahlungsmoral ausgestattet waren. Verzeichnet waren Forderungen in Höhe von 334 Mark. Es ist anzunehmen, dass bereits einige Mahnungen erfolgt waren, bevor ungefähr 220 Mark der ausstehenden Strafgelder eingenommen werden konnten. Die Außenstände betrugen demnach 114 Mark. Daran kann abgelesen werden, dass ungefähr ein Drittel der Strafgelder nicht bezahlt wurde96. Die anderen Abrechnungen mit dem Vogt vom Rusteberg wurden nicht so detailliert im Strafbuch festgehalten. Daher und aufgrund der zwischen den Abrechnungslisten auftauchenden Einträge über Einnahmen entsteht der Eindruck, dass im Jahre 1532 besondere Mühe darauf verwandt wurde, die ausstehenden Strafgelder einzumahnen. Für die Folgejahre wurden die Zahlungseingänge nicht in dem Maße in das Strafbuch eingetragen. Die Rechnungsbücher jedoch geben Auskunft über die Einnahmen aus den Strafgeldern. 1533 betrugen sie circa 47 Mark, 1534 circa 9 Mark und 1535 circa 78 Mark97. Die Abweichungen bei der Höhe der Einnahmen aus den Strafgeldern sind beträchtlich. Da manche Zahlungseingänge jedoch erst wesentlich verzögert zu verbuchen waren, ist zu berücksichtigen, dass sich unter den Zahlungseingängen auch immer Strafgelder befanden, die anderen Jahren zugeordnet werden müssten. Im Schnitt nahm die Stadtkasse pro Jahr nur circa 45 bis 50 Mark ein. Dies war ungefähr die Hälfte von dem, was an Forderun93 94 95 96 97

Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a und den eingelegten Zettel zwischen fol. 73 verso und 74 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9a recto. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 9a verso. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 38 recto bis 52 recto. Vgl. StadtA. Dud., AB 92, fol. 52 recto, AB 93, fol. 49 verso und AB 94, fol. 49 recto und 49 verso.

Zahlungsmoral

151

gen in das Strafbuch eingetragen wurde, und gleichzeitig der Anteil, den der Vogt vom Rusteberg beanspruchte. Bei der schlechten Zahlungsmoral der Duderstädter in Bezug auf die Strafgelder handelt es sich ebenso wenig um Einzelfälle wie die vom Ratsgericht beschlossenen 98 Strafminderungen oder Straferlässe . Auch Schwerhoff hat für Köln festgestellt, dass die Bestrafung durch Geldbußen flexibel erfolgte und der Magistrat sich häufig 99 mit einer Summe zufriedengab, die ein Täter aufbringen konnte . Die gleiche Praxis konnte auch Gudian anhand von Gerichtsprotokollen für das 14. und 15. Jahrhundert im mittelrheinischen Raum feststellen. Er vertritt darüber hinaus die Ansicht, dass die Gerichtsherren die Täter nicht nur aus Selbstlosigkeit schonten, sondern dass hinter der Milde ein wirtschaftliches Interesse stand. Es galt, die Täter 100 wirtschaftlich nicht zu ruinieren, um sie als Abgabepflichtige zu erhalten . Auch der Duderstädter Rat verfolgte mit Strafminderungen oder Straferlässen eine solche Politik. Als Beleg dafür sind zum Beispiel die bereits erwähnten Straferlässe aufgrund von Armut anzuführen. Das Anmahnen der Strafgelder durch die Ratsbediensteten oder Ratsmitglieder zeigt aber auch, dass versucht wurde, zumindest einen Teil der Strafgelder einzunehmen. Die Obrigkeit musste auch darauf achten, dass möglichst viele Strafgelder eingenommen wurden, um ihre Autorität aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund musste sie ihren Forderungen Nachdruck verleihen. Andernfalls liefe sie Gefahr, dass sich niemand mehr an die Verbote des Rates und die Paragraphen der Statuten hielte. Die öffentliche Ordnung hätte sicher stark gelitten, wenn die Täter von vornherein davon hätten ausgehen können, dass die vom Ratsgericht verhängten Strafgelder lediglich symbolischen Charakter haben101. Gnade und Strafnachlass waren demnach eher die Ausnahme als die Regel im 102 Rechtsalltag . Auch im Duderstädter Strafbuch sind die Vermerke über Nachlässe oder Gnade nur selten. Die Verhandlungen über die Strafnachlässe oder die Vorgänge bis hin zum Erwirken eines Gnadenerlasses sind im Duderstädter Strafbuch 103 nicht überliefert . Die Einnahmen aus den Strafgeldern waren für die Stadtkasse kein kalkulierbarer Posten, da sie von Jahr zu Jahr variierten. 1532 wurden besonders viele Vergehen begangen bzw. aufgedeckt, so dass Strafgeldforderungen von 334 Mark in das 98

99 100 101 102 103

Fricke weist in seinem Aufsatz über die Steuerpflicht und Steuerzahlungen in Duderstadt im 17. Jahrhundert ebenfalls auf die schlechte Zahlungsmoral der Duderstädter hin. Daraus wird ersichtlich, dass die finanzielle Situation der Stadt Duderstadt nicht nur aufgrund der niedrigen Einnahmen aus den Strafgeldern, die nur einen kleinen Anteil ausmachten, sondern auch aufgrund des unvollständigen Steueraufkommens beeinträchtigt wurde. Vgl. Fricke, Steuerpflicht, 1995, S. 68–95. Vgl. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 138. Vgl. Gudian, Geldstrafrecht, 1976, S. 280. Diese Ansicht vertritt auch Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 75. Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 137–138. Vgl. Boockmann, Urfehde, 1980. Ihr ist es gelungen, in den Gerichtsakten von Göttingen Hinweise über den Verlauf von Gerichtsverhandlungen zwischen Tätern und Obrigkeit zu sammeln und einen Einblick in die Zähigkeit der Verhandlungen zu ermöglichen.

152

Strafgelder und Zahlungsmoral

Strafbuch eingetragen wurden. 1533 hingegen betrugen die Strafgeldforderungen nur noch 90 Mark. In der Folgezeit pendelten sie sich bei circa 100 Mark pro Jahr 104 ein . Bei diesen Forderungen handelte es sich im Vergleich zu den Steuereinnahmen, die über die Hälfte der Jahreseinnahmen des städtischen Etats ausmachten, 105 um eine unbedeutende Summe . Sie wurde für die Stadt noch dadurch verringert, dass der Vogt vom Rusteberg die Hälfte der festgelegten Forderungen pro Jahr beanspruchte. Als Zahlungseingänge konnten höchstens gut zwei Drittel der Summe, in der Regel eher die Hälfte oder weniger verbucht werden. Im besten Fall erzielte die Stadt Duderstadt immerhin einen geringen Ertrag wie zum Beispiel 1532. Generell scheint es jedoch so zu sein, dass mit den Einnahmen gerade einmal die Forderungen des Vogtes vom Rusteberg beglichen werden konnten. In manchen Jahren musste die Duderstädter Stadtkasse aufgrund der schlechten Zahlungsmoral einen Verlust verbuchen, weil dem Vogt vom Rusteberg mehr ausgezahlt werden musste, als eingenommen worden war. Wahrscheinlich trug dies dazu bei, dass der Rat die Führung des Strafbuches einstellen ließ und die Einnahmen aus den Strafgeldern und Feldfreveln nachweislich ab 1548 nur noch in die Rechnungsbücher eingetragen wurden106. Denn der Aufwand, der nötig war, ein Strafbuch führen zu lassen, stand in keinem Verhältnis zum Nutzen. Außerdem war das Strafbuch des Rates entbehrlich, da der Schultheiß ein Strafregister mit dem gleichen Inhalt führen ließ. Das Strafregister des Schultheißen war vermutlich in einem besseren Zustand, denn der Rat ließ bei Lückenhaftigkeit seines Strafbuches Abschriften daraus vornehmen. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass der Rat das Strafbuch führen ließ, weil er sich zunächst in Opposition zu dem Schultheißen als dem Vorsitzenden des Ratsgerichts und der Verwaltung befand. Auch wollte er die vom Kurfürsten verordnete Vorrangstellung des Schultheißen – mit der ein Machtverlust des Rates einherging – nicht akzeptieren. Die schleichende Vernachlässigung des Strafbuches könnte demnach den Prozess der langsam zunehmenden Anerkennung der Stellung des Schultheißen durch den Rat widerspiegeln. Als Ergebnis für Duderstadt bleibt festzuhalten, dass im Durchschnitt ungefähr die Hälfte der Bußgelder entrichtet wurde. Giorgetta Bonfiglio Dosio hat für die oberitalienische Stadt Brescia für die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Prüfung des Strafvollzuges vorgenommen. Sie kommt zu dem Schluss, dass nur wenige der verhängten Bußen vollständig gezahlt wurden: In Brescia sind es 12,7 Prozent und ein ebenso großer Teil ist ganz erlassen worden. Fast die Hälfte der Bußen (46,4 Prozent) wurde nur teilweise entrichtet

104 Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 46 verso, 53 recto und eingelegter Zettel zwischen 73 verso und 74 recto. 105 Vgl. Jaeger, Verfassung und Verwaltung, Teil 4, 1908, S. 120. 106 Vgl. StadtA. Dud., AB 106, fol. 56 verso und 57 recto.

Zahlungsmoral

153

107

oder teilweise erlassen . Die eingegangenen Zahlungen bilden laut Schuster jedoch 108 nur das Minimum der bezahlten Strafgelder . In Zürich wird 1350 verfügt, dass jeder Rat die in seiner Amtszeit verhängten 109 Bußen selbst einziehen soll. Die Ausführungen von Susanna Burghartz gehen dahin, dass sie nach gründlichem Abwägen der Argumente vorsichtig formuliert, dass „Zweifel daran berechtigt [seien], dass in allen Fällen tatsächlich die gesamte 110 Buße bezahlt worden ist“. Schuster kann seine Untersuchung des Bußenvollzuges für die Stadt Konstanz in den Jahren 1444 bis 1453 auf eine solide Quellenbasis stellen: „Vor uns breitet sich die komplexe Buchhaltung des spätmittelalterlichen Strafvollzugs in der Niederge111 richtsbarkeit aus. “ Schuster gewinnt für Konstanz den Eindruck, dass die Exekutive „mit Geduld, Sorgfalt, Nachdruck und Hartnäckigkeit ihre Sache betrieb und so die Bußfälligen an einer langen Leine laufen ließ, die gelegentlich angezogen, aber selten aus der Hand gelegt wurde.“ Schuster hat für Konstanz festgestellt, dass 112 circa drei Viertel aller Delinquenten ihre Buße in voller Höhe entrichten musste . Nach Schuster entstand dadurch einerseits ein hoher Verwaltungsaufwand, andererseits aber auch ein hohes Maß an Durchsetzungskraft, das die herkömmliche Deutung über den Bußen- und Strafvollzug im Spätmittelalter – nämlich dass dieser 113 nicht besonders wirkungsvoll gewesen sei – evident widerlege. In Duderstadt wurde über die Geldbußen, die das Ratsgericht verhängte, gründlich Buch geführt. Gibt es Lücken im Strafbuch, konnte auf das ordentlich geführte Register des Schultheißen zurückgegriffen werden. Das Strafbuch des Rates und das Register des Schultheißen waren gemeinsam die Grundlage dafür, dass alle Geldbußen, die zu entrichten waren, auch über Jahre erinnert wurden. Die Eintragungen im Strafbuch beispielsweise wurden so lange wiederholt, bis der Betrag gezahlt oder abgearbeit wurde. Von Zeit zu Zeit wurde auch in Duderstadt der Druck auf die Delinquenten verstärkt, und die ausstehenden Bußgelder wurden zum Teil erfolgreich angemahnt. Für die Autoriät und Glaubwürdigkeit der Obrigkeit war ein möglichst konsequenter und erfolgreicher Bußenvollzug von großer Bedeutung. Es entsteht der Eindruck, dass der Rat in Duderstadt im 16. Jahrhundert es nur halbwegs gut verstand, das richtige Maß an Druck und Gnade beim Vollzug der Bußen anzuwenden. So bestand der Rat zwar hartnäckig auf der Zahlung der Geldbußen, drückte aber bei den Zahlungsfristen ein Auge zu. Die Zah107 Vgl. Dosio, Criminalità, 1978, S. 138. Dosio ist nach Schuster eine der Wenigen, die den Strafvollzug untersucht haben. Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 228–229; Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 127 und Burghartz, Leib, Ehre und Gut, 1990, S. 89. 108 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 229. 109 Vgl. Burghartz, Leib, Ehre und Gut, S. 89. 110 Burghartz, Leib, Ehre und Gut, S. 89. 111 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 231. 112 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 243–244. 113 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 243 und Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 73.

154

Strafgelder und Zahlungsmoral

lungsmoral der Ratsherren jedoch war besonders schlecht. Die meisten von ihnen bezahlten ihre Geldbußen nicht. Damit waren sie kein gutes Vorbild für die anderen Delinquenten. Dieses Verhalten stellte außerdem eine Gefahr für Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft des geltenden Rechts dar. Wie in Duderstadt konnten die Delinquenten auch in Konstanz und Nürnberg über die Modalitäten der Bußzahlung verhandeln: Zahlungsziele wurden verlängert, 114 Bußgelder umgewandelt in Naturalabgaben oder zu leistende Arbeit . Insgesamt 115 blieben in Konstanz 40 Prozent der Bußen zwei oder mehr Jahre offen . Offen bleibt in Duderstadt und auch in Konstanz, ob der Rat die Umwandlung von Bußen aus Gnade oder auf Wunsch des Delinquenten vornahm. Ich schließe mich Schus116 ters Vermutung an, dass wohl beides vorgekommen sein wird . Schuster hat für Konstanz herausgefunden, dass sich „feste Tarife“ für die Umwandlung von Strafen herausgebildet hatten. So konnten in Konstanz Stadtverweisung, Turmhaft oder Geldbußen durch Arbeitsleistungen ausgelöst werden. In Duderstadt und in Konstanz war das Bußensystem der Niedergerichtsbarkeit auf Geldzahlungen ausgerichtet. Schuster zweifelt einen von fiskalischem Interesse geleiteten Bußenvollzug an, zumal die Bußzahlungen in Konstanz nur einen Anteil 117 von 0,6 bis 3,6 Prozent des städtischen Haushaltes ausmachten . Auch Henselmeyer schätzt den fiskalischen Stellenwert der Geldbußen in Nürnberg nicht allzu 118 hoch ein . Falls das Duderstädter Ratsgericht nach der Abrechnung mit dem Vogt vom Rusteberg noch Einnahmen aus den Bußgeldzahlungen zu verbuchen hatte, dann fielen sie im Stadthaushalt nicht ins Gewicht. Im Gegenteil: Der Rat musste im Bereich der Strafgelder nach der Abrechnung mit dem Vogt eher mit einem Defizit rechnen.

114 Vgl. auch Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 138. 115 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 233. Die Gnadenpraxis in Konstanz begegnet in allen Phasen der Rechtsfindung und -durchsetzung. Beispiele dazu vgl. Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S.119–159. 116 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 234. 117 Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 250. 118 Vgl. Henselmeyer, Ratsherren und andere Delinquenten, 2002, S. 56.

6 Zusammenfassung Das Duderstädter Strafbuch ist Zeugnis einer „Periode des Wandels“ und als eine verwaltungsgeschichtliche Besonderheit anzusehen. Erst in Verbindung mit anderen rechtlichen (zum Beispiel den Statuten) und seriellen Quellen (zum Beispiel den Rechnungsbüchern) erschließt sich sein Inhalt in vielerlei Hinsicht. Das Strafbuch vermittelt einen Einblick in einen spezifischen Ausschnitt des Duderstädter Alltagslebens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Das Strafbuch und andere Quellen der Gerichtsbarkeit können nicht nach einem vorgefertigten Schema ausgewertet werden. Für jede Quelle müssen ein eigener Zugang und eine eigene Fragestellung entwickelt werden. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gab es in Duderstadt viele Veränderungen, doch der Stadtfrieden blieb weitgehend gewahrt. Betrachtet man die Anzahl der Einträge in das Strafbuch und deren Inhalt, kann man nicht von einem ordnungsbedrohenden Zustand in Duderstadt in der Zeit von 1528 bis 1546 sprechen, auch wenn das Strafbuch die Fälle der Hochgerichtsbarkeit nicht enthält. Lediglich in den Jahren von 1528 bis 1533, in der Zeit also, als Michael Knochenhauer Schultheiß in Duderstadt war, gab es schwerwiegende Konflikte zwischen dem Rat und dem Schultheißen. Dies kann damit zusammenhängen, dass Knochenhauer ein Fremder war oder auch in seiner Persönlichkeit begründet gewesen sein. Die Auseinandersetzungen sind darauf zurückzuführen, dass die Kompetenzen des Duderstädter Ratsgerichts durch die Verordnungen des Mainzer Kurfürsten Albrecht von Brandenburg zu Beginn des 16. Jahrhunderts so weit beschnitten wurden, dass dem Rat, unter dem Vorsitz des Schultheißen, lediglich die niedere Gerichtsbarkeit mit den Verstößen gegen die Statuten und die freiwillige Gerichtsbarkeit als Aufgabenbereiche verblieben. Totschlag war das schwerste Delikt, das in den Zuständigkeitsbereich des Ratsgerichtes fiel. Anhand der Strafbucheinträge sind keine Bestrebungen dieses Gerichtes erkennbar, seine Kompetenzen erneut auf die hohe Gerichtsbarkeit auszuweiten. Das Fehlen solcher Bestrebungen hängt vermutlich damit zusammen, dass der Stadtschultheiß als Vorsitzender das Gericht kontrollierte. Die Strafverfolgung sowie die Unterhaltung des Gefängnisses und die Versorgung der Gefangenen zählten jedoch weiterhin zu den Aufgaben des Stadtrates1. Die Neuorganisation der Verwaltung und des Gerichtswesens in Duderstadt durch die Albertinische Ordnung von 1526 hatte Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Rat und dem Schultheißen hervorgerufen. Im Zuge dieser Reformen wurde die bürgerliche Selbstverwaltung, an deren Spitze Rat und Bürgermeister standen, beseitigt. Ab 1526 übernahm der Schultheiß die Oberaufsicht über die Stadtverwaltung und den Vorsitz des Ratsgerichts. Der Duderstädter Rat war je1

Im Strafbuch wurden zum Teil die Forderungen notiert, die die Täter für die Verpflegung im Gefängnis zu zahlen hatten. Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 23 recto, 63 recto, 2a verso, 38a recto und die Eintragungen in den Rechnungsbüchern unter dem Rubrum „vor fangenkoest“.

156

Zusammenfassung

doch nicht bereit, die neue Position des Schultheißen zu akzeptieren. Dies und die Tatsache, dass der 1528 eingesetzte Schultheiß Michael Knochenhauer kein gebürtiger Duderstädter war, werden den Rat veranlasst haben, neben dem Register des Schultheißen ein eigenes Strafbuch über die Vorgänge vor Gericht anlegen zu las2 sen . Auf der Grundlage dieses Strafbuches war es dem Rat möglich, die Korrektheit der Buchführung des Schultheißen zu kontrollieren. In der Führung eines zusätzlichen Strafbuches drückten sich demnach das Misstrauen und die Ablehnung aus, die diesem Fremden vom Rat entgegengebracht wurden. Ferner versuchte der Rat auf diese Weise, seine ursprüngliche Position gegenüber dem Schultheißen so weit wie möglich zu bewahren. Das Strafbuch ist folglich Ausdruck der oppositionellen Haltung des Rates gegenüber dem Schultheißen. Aufgrund der anhaltenden Streitigkeiten zwischen Rat und Schultheiß sah sich der Kurfürst veranlasst, den Duderstädtern 1533 einen weiteren Entscheid zuzustellen, der in erster Linie die vorangegangenen Verordnungen wiederholte und ihnen damit Nachdruck verlieh, aber auch einige zusätzliche Bestimmungen enthielt. Im gleichen Jahr setzte der Kurfürst einen neuen Schultheißen, Wulfgang Stehlin, ein. Stehlin stammte, wie schon Knochenhauer, nicht aus einer alteingesessenen Duderstädter Familie. Zum Ende seiner Amtszeit jedoch setzte allmählich ein schleichender Vernachlässigungsprozess des Strafbuches ein. Dieser spiegelt die zunehmende Akzeptanz der neuen Position des Schultheißen durch den Rat wider. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass ab 1538 ein gebürtiger Duderstädter, Johannes von Schnehen, das Amt des Stadtschultheißen bekleidete. Die Akzeptanz der Kompetenzen des Schultheißen und das entwickelte Vertrauen in seine Arbeitsweise und seine ordnungsgemäße Buchführung hatten zur Folge, dass der Rat 1546 die Führung des Strafbuches einstellen ließ. Die beiden Parteien hatten sich wohl einander angenähert, und es war nicht mehr notwendig, aus politischen und fiskalischen Gründen ein Strafbuch zu haben. Der Abbruch der Strafbuchführung ist auch als ein Zeichen der Einsicht zu werten, dass ein zusätzliches Strafbuch für den Rat im Verhältnis zum Nutzen einen viel zu großen Aufwand bedeutete. Zu dem Gerichtsbezirk des Ratsgerichtes gehörten neben Duderstadt die elf Ratsdörfer3. Die Gerichtshoheit über die fünf Kespeldörfer Desingerode, Esplingerode, Germershausen, Seulingen und Werxhausen war dem Ratsgericht infolge des Verhaltens des Rates im Bauernkrieg entzogen und an das Amt Gieboldehausen übertragen worden. Dennoch wurden einige Vergehen der Bewohner dieser Dörfer 4 aus den Jahren 1521 bis 1532 in das Strafbuch eingetragen . Sie stammten aus der Zeit nach 1525/1526, in der sich der Duderstädter Rat bemühte, vom Kurfürsten das Privileg der Gerichtshoheit über diese Dörfer zurückzuerhalten. Da im Straf2 3 4

Vgl. Lerch, Stadtschultheißen,1969, S. 39–40. Vgl. Kapitel Der Duderstädter Rat Vgl. StadtA. Dud., AB 4251 und AB 4251a, fol. 20 verso bis 23 verso. Bei den Vergehen handelte es sich überwiegend um Feld- und Holzfrevel, aber auch um Hausfriedensbrüche, falsche Aussagen vor Gericht und einen Totschlag.

Zusammenfassung

157

buch an späterer Stelle die Vergehen der Dorfbewohner nicht mehr unter den einzelnen Dörfern, sondern unter dem übergreifenden Rubrum „excessus villanorum“ verzeichnet wurden, kann die Frage, ob vielleicht doch nur die hohe Gerichtsbarkeit an das Amt Gieboldehausen übergegangen war und die niedere Gerichtsbarkeit dem Duderstädter Ratsgericht verbliebenen war, nicht endgültig beantwortet werden. Der Vergleich von Statuten und Strafbuch hat die Diskrepanz zwischen Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit zutage treten lassen und gezeigt, dass das Duderstädter Ratsgericht weit davon entfernt war, mechanisch geltendes Recht zu vollstrecken. Da durch die Statuten längst nicht alle vorkommenden Delikte reglementiert wurden, wird deutlich, dass die alleinige Auswertung von normativen Quellen nicht ausreicht, um die tatsächliche Bandbreite dessen zu beschreiben, was von den Zeitgenossen als abweichendes Verhalten angesehen wurde. Die Rechtsprechung des Ratsgerichts wich besonders bei Hausfriedensbrüchen und dem Eindringen in Hof oder Garten stark von den Vorgaben der Statuten ab. Diese Delikte wurden nicht wie vorgeschrieben auch mit Aussperrung aus dem Haus oder Hausarrest, sondern lediglich mit einer Geldstrafe geahndet. Diese starke Abweichung der Rechtsprechung von der Rechtsordnung hängt vermutlich damit zusammen, dass die Statuten aus dem Jahre 1434 stammten5. Diese Version der Statuten wurde zwar innerhalb der knapp einhundert Jahre bis 1521 in eingeschränktem Maße bearbeitet und ergänzt, blieb aber dennoch an vielen Stellen unzureichend. Die Rechtsprechung und die Bestrafung der Delikte wurden zügiger den gesellschaftlichen Gegebenheiten sowie den vorhandenen Verhaltensnormen angepasst als die Statuten. Auf Aussperrung und Hausarrest wurde vom Ratsgericht vermutlich verzichtet, um die Täter nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen. Nur in einigen wenigen Fällen hielt sich das Ratsgericht an die Vorgaben der Statuten über die Strafhöhe, so beispielsweise bei dem Verkauf von zu versteuerndem Eigentum und in Bezug auf die Kleidervorschriften. In der überwiegenden Anzahl der Fälle wich die Höhe der Geldbußen von den Vorgaben der Statuten ab. Für besonders schwere Körperverletzung war eine Buße von 16 Mark festgeschrieben. In der Praxis hingegen betrug das Strafgeld in einem Fall sogar 30 Mark. Für Totschlag wurde nur in einem von neun Fällen die vorgeschriebene Geldbuße in Höhe von 24 Mark von dem Gericht festgesetzt. Bei diesem Delikt wird besonders deutlich, wie stark die Höhe der Strafgelder von den Vorgaben abweichen konnte: So betrug in einem Fall der geforderte Geldbetrag sogar 60 Mark, und in einem anderen Fall lag das Strafgeld mit 15 Mark deutlich unter der vorgegebenen Summe. Insgesamt betrachtet boten die Statuten lediglich einen Orientierungsrahmen für die Rechtsprechung des Rates6. Trotz aller Abweichungen in der Praxis setzte das Ratsgericht die Strafgelder nicht willkürlich fest. So wurden zum Beispiel – mit nur einer Ausnahme – alle Hausfriedensbrüche mit einem Strafgeld von fünf Mark geahndet. Auch in Bezug auf die anderen Delikte wird deutlich, dass weitgehend 5 6

Vgl. Jaeger, UB Dud., 1885, Nr. 421. Dies stellte auch Schuster für Konstanz fest. Vgl. Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 51.

158

Zusammenfassung

eine einheitliche Bestrafung erfolgte und dass damit alle Bewohner Duderstadts vor dem Ratsgericht weitgehend gleich waren. Schuster kommt für Konstanz zu dem 7 gleichen Ergebnis . Neben dem schriftlich fixierten Recht bestand ein breiter städtischer Konsens 8 darüber, was Recht und was Unrecht ist . Der Rat hatte sich bei der Rechtsprechung daran zu halten, da vormoderne Herrschaft nur „auf der Grundlage eines gelebten 9 Konsenses über die legitimen Formen ihrer Ausübung“ möglich war. Womöglich bestand auch ein Bedürfnis der Einwohner nach einem gewissen Maß an obrigkeit10 licher Kontrolle . Dadurch war es dem Ratsgericht möglich, Vergehen zu bestrafen, die in den Statuten keine Erwähnung fanden. Darunter fiel beispielsweise die Nichteinhaltung der Fastengebote. Im Hinblick darauf war im Mittelalter und besonders in der Frühen Neuzeit die vorherrschende Überzeugung, dass alle von Gott bestraft werden würden, wenn sich nur einer aus ihrer Mitte nicht an die Gebote der 11 Kirchenzucht hielte . Aufgrund dessen konnte das Ratsgericht das Verzehren von Fleisch in der Fastenzeit mit einem Strafgeld belegen, ohne Proteste aus der Bürgerschaft erwarten zu müssen. Die gerichtlichen Quellen geben also Aufschluss über das, was als Recht und Unrecht angesehen wurde, und damit auch über die für die Duderstädter gültigen Verhaltensnormen im 16. Jahrhundert. Das Ratsgericht in Duderstadt bestrafte ohne rechtliche Grundlage auch diejenigen Vergehen, durch die dem Rat oder der Stadtkasse Schaden entstand oder durch die der Frieden der Einwohner gestört wurde. Dazu gehörten zum Beispiel die Verweigerung der Hand- und Spanndienste, das Branntweinbrennen und das Schießen mit einer Büchse bei Nacht. Die letzten beiden Vergehen finden jeweils nur einmal im Strafbuch Erwähnung. Der Rat, der seit 1526 gemeinsam mit dem Schultheißen die Gesetzgebungskompetenz innehatte, sah aufgrund der geringen Anzahl der Fälle keinen dringenden Handlungsbedarf. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde ein Statut gegen nächtliche Ruhestörung erlassen. Hier zeigt sich, wie langsam die Gesetzgebung auf die gesellschaftlichen Vorkommnisse reagierte. Die Gesetzgebung ist Gesetzeserneuerung12. Sie musste auf die Konflikte in der Gesellschaft, die mit den sozialen Verhältnissen zusammenhängen, reagieren, denn die Gesetze mussten konsensfähig sein und sollten helfen, den Frieden zu sichern. Die Statuten enthielten Bestimmungen über die Ahndung von Feldfreveln. In den entsprechenden Paragraphen wurde jedoch nicht zwischen den verschiedenen Formen des Feldfrevels unterschieden. Aufgrund dessen konnten diese nicht gerecht geahndet werden, da zum Beispiel kein Unterschied zwischen vorsätzlich verübten Delikten und dem Schaden gemacht wurde, den entlaufenes Vieh verur7 8 9 10 11 12

Vgl. Krischer, Berichte und Kritik, 2006, S. 378. Vgl. auch Jansen, Der gestörte Friede, 2002, S.118–119. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 446. Vgl. Behrisch, Städtische Obrigkeit, 2005, S. 18. Vgl. Burghartz, Leib, Ehre und Gut, 1990, S. 134. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 11.

Zusammenfassung

159

sachte. Anhand der hohen Zahl der Feldfrevel wurde dem Rat deutlich, dass hier Abhilfe geschaffen werden musste. Er legte 1534 gemeinsam mit den Flurschützen neue Strafgeldhöhen für die einzelnen Formen der Feldfrevel fest, die jedoch nur im Strafbuch und nicht in den Statuten festgehalten wurden. Hier reagierte der Rat in seiner Rechtsprechung auf gesellschaftliche Erfordernisse, ohne dies in den Statuten zu verankern. Neben der rechtlichen Vorgabe und dem gesellschaftlichen Konsens, die die Grundlage für die Rechtsprechung bildeten, gab es Formen sozialer Kontrolle durch die Nachbarschaft. Die kollektiven Feldfrevel, die in das Duderstädter Strafbuch eingetragen wurden, sind ein Hinweis auf diese Form der Bestrafung, die als Überrest der mittelalterlichen Praxis der Selbstjustiz angesehen werden kann. Im Untersuchungszeitraum sind ungefähr 180 Hausfriedensbrüche begangen worden. Damit ist der Hausfriedensbruch das zweithäufigtste Delikt, das in das Strafbuch eingetragen wurde. Bevor ein Delikt als Hausfriedensbruch eingestuft wurde, musste es ein gewisses Maß an Gewaltanwendung erreichen. Nicht jede unbedachte Geste oder jeder Unfug – wie das Verschütten von Wein – galten als Hausfriedensbruch. Zählt man zu den 180 Hausfriedensbrüchen 100 weitere Friedensbrüche hinzu, so kommt man auf eine Anzahl von ungfähr 280 Fällen von Gewaltanwendung in 26 Jahren. Nicht nur in Duderstadt war Gewalt ein Phänomen des Alltags, sondern in der Frühen Neuzeit allgemein, wie aus allen bisher erfolgten Untersuchungen über die Kriminalität in dieser Zeit hervorgeht13. Dabei weist die Gewaltbereitschaft insbesondere der Männer nicht auf die „archaischen, spontanen und wenig zivilisierten Verhaltensstandards spätmittelalterlicher Menschen hin, die noch keine weitreichende Triebkontrolle in interpersonellen Auseinandersetzungen erlaubten“ und sie ist auch nicht „Ausdruck einer fundamentalen gesellschaftlichen Krise, die zu Entwurzelungserscheinungen, der Auflösung traditioneller Gemeinschaftsmuster und als Reaktion darauf zu Marginalisierungsbestrebungen der Mehrheit gegenüber 14 Außenseitern und Randgruppen führte“ . Vielmehr deutet sie auf eine andere Art der Selbstwahrnehmung hin. Hinter der Gewaltbereitschaft in der Frühen Neuzeit steht das Konzept der Ehre. Die Angegriffenen reagierten sehr empfindlich auf die Verletzung ihrer Ehre und waren stets bemüht, sie umgehend wiederherzustellen. Als Ergebnis umfangreicher Forschungen kann angesehen werden, dass Streitigkeiten und Gewalttaten in der vormodernen Gesellschaft einem standardisierten Muster folgten. Die Menschen vermochten das Gericht funktional zur Durchset13

14

Vgl. zum Beispiel Burghartz, Leib, Ehre und Gut, 1990, S. 200; Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 135; Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 114. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 447; Rummel, Walter, Verletzung von Körper, Ehre und Eigentum, Varianten im Umgang mit Gewalt in Dörfern des 17. Jahrhunderts. In: Blauert, Andreas/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Mit den Waffen der Justiz, Zur Kriminalitätsgeschichte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1993, S. 86–114; hier S. 86. Burghartz, Leib, Ehre und Gut, 1990, S. 14. Burghartz weist diese älteren Vorstellungen zu Recht zurück.

160

Zusammenfassung

zung ihres Rechts oder eben zur Bewahrung ihrer Ehre einzusetzen. Das Vortragen des Streites oder der Angelegenheit vor Gericht war aber nur eine der Möglichkeiten, einen Streit ohne Ehrverlust zu beenden. Die Wiederherstellung der Ehre konnte beispielsweise durch die Verurteilung des Täters vor einem Gericht geschehen oder durch einen tätlichen Angriff erfolgen. Gewalt war aber auch ein weit verbreitetes Instrument zur Durchsetzung des eigenen Rechts, in dem Fall, in dem der Arm der Obrigkeit nicht weit genug reichte, um die Einhaltung des Rechts zu gewährleisten. Aus diesem Grund wurde nach Schuster die Gewalt zwar als Friedbruch geahndet, aber nicht moralisch bewertet. Es ging in der Rechtspraxis in erster Linie um Sühne, Ausgleich der Interessen und die Wiederherstellung des Friedens. Mörder, Räuber und Diebe mussten dagegen feststellen, dass es nur entweder die Integration gab oder die Ausgrenzung15. Nach Krischer sind die Ehre, die vielfältigen Formen ihrer Verletzbarkeit sowie ihrer Wiederherstellung weiterhin 16 zentrale Themen der Kriminalitätsgeschichte . Die Gewalt zielte nicht auf eine dauerhafte Schädigung des Gegners, auch wenn 17 bei den Auseinandersetzungen häufig sogar Waffen benutzt wurden . Der Waffengebrauch war Männersache. Duderstädter Frauen ist der Waffengebrauch anhand des Strafbuches nicht nachzuweisen. Da auch die Züricher Frauen nur sehr selten 18 zur Waffe griffen , ist anzunehmen, dass Frauen ihre Konflikte grundsätzlich eher verbal oder durch Handgreiflichkeiten lösten. Denn auch Frauen besaßen eine Ehre, die hauptsächlich in Bezug auf einen moralischen Lebenswandel angreifbar war und die es zu verteidigen galt. Insgesamt mussten Duderstädter Frauen ungleich seltener als Männer vor dem Ratsgericht erscheinen. Diese Feststellung bestätigt die Ergebnisse diverser anderer Studien über die Delinquenz in der Frühen Neuzeit. Generell gilt, dass Frauen nicht nur wesentlich seltener Straftaten begingen als Männer, sondern auch, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Art der Vergehen gab19. So waren Frauen in viel geringerem Maße an Gewaltdelikten beteiligt als Männer. Angriffe von Frauen gegen Männer sind laut Strafbuch nicht vorgekommen. Wenn Frauen an gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Männern beteiligt waren, dann als Opfer. Die Gewalttätigkeiten von Frauen richteten sich allenfalls gegen ihre Geschlechtsgenossinnen. Delikte, die laut Strafbuch ausschließlich Männern zur Last gelegt wurden, waren Spielen um Geld, wildes Tanzen, Arbeiten und Brauen am Sonntag, unerlaubtes Fischen, Schießen mit der Büchse, die berufsbezogenen Vergehen wie das Salzen von Fleisch mit Brabant und das Backen minderwertigen Brotes sowie, mit einer 15 16 17 18 19

Vgl. Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 114 und 153–158. Vgl. Krischer, Berichte und Kritik, 2006, S. 396. Vgl. Schuster, Konfliktlösungsmöglichkeiten, 2002, S. 133. Vgl. Burghartz, Leib, Ehre und Gut, 1990, S. 142. Vgl. Burghartz, Leib, Ehre und Gut, 1990, S. 201und Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, 1991, S. 178 und S. 407.

Zusammenfassung

161

Ausnahme, der Hausfriedensbruch. Das einzige Vergehen, dessen ausschließlich die Duderstädter Frauen beschuldigt wurden, war das Rupfen von Saat, das zu den Feldfreveln zählte. Die Täter stammten aus allen Teilen der Bürgerschaft. Unter ihnen fanden sich Bäcker, Knochenhauer, Schneider, Bauern, Knechte, Viermänner und Ratsherren. Dies zeigt, dass im Strafbuch nicht ausschließlich die Vergehen der Mitglieder von Randgruppen, sondern die aller Einwohner vermerkt wurden. Die Täter, die mit ihren Vergehen in das Duderstädter Strafbuch eingetragen wurden, wurden nicht als kriminell angesehen. So war es in Duderstadt möglich, dass jemand, obwohl er einige Jahre zuvor den Bürgermeister bei Nacht auf der Straße überfallen hatte, Ratsherr werden konnte. Auch Schuster stellte für Konstanz fest, dass weder Weinpanschen das Vertrauen in die Kelterkünste einer Winzerfamilie noch ein Bußdelikt das Vertrauen in das städtische Wachpersonal erschüttern konnte20. Weder in Duderstadt noch in Zürich oder Konstanz ist eine moralische Verurteilung oder soziale 21 Ausgrenzung der Delinquenten erkennbar . Es waren die Alltagsdelikte, die in das Duderstädter Strafbuch eingetragen wurden, nicht die schweren Verbrechen oder Sonderfälle, die unter die Gerichtsbarkeit des kurfürstlichen Schultheißen fielen. Beide Gerichte waren darauf angewiesen, dass die Vergehen bei ihnen angezeigt wurden. Die Einwohner Duderstadts und der Dörfer hatten dem Ratsgericht gegenüber eine Meldepflicht. Die Voraussetzung dafür, dass der Meldepflicht nachgekommen wurde, war wiederum der Konsens über Recht und Unrecht. Zwei Männern wurde laut Strafbuch zur Last gelegt, Hausfriedensbrüche, die in ihren Häusern begangen worden waren, nicht angezeigt zu haben. Demnach wurde der Meldepflicht nicht in jedem Fall Genüge getan. Da der Hausherr ein Züchtigungsrecht gegenüber den anderen Hausbewohnern besaß, gelangten die Vergehen innerhalb der Familie im Normalfall nicht vor das Ratsgericht, sondern nur dann, wenn sie über ein gewisses Maß hinausgingen. Die Überprüfung der Mitglieder der Duderstädter Bäckergilde anhand des Strafbuches ergab, dass Streitigkeiten unter den Bäckern nicht vor dem Ratsgericht ausgetragen wurden. Falls Streitigkeiten innerhalb einer Gilde auftraten, wurden sie auch dort geschlichtet und geahndet und drangen eher selten an die Öffentlichkeit. Dieses Ergebnis bestätigt die Erkenntnisse, die Simon-Muscheid bei ihrer Untersuchung über das Handwerk in Basel gewonnen hat22. Die Duderstädter Ratsherren ließen sich während ihrer Amtszeit nur wenige Delikte zuschulden kommen. Ebenso selten, in zwei Fällen, wurden sie Opfer tätlicher Angriffe. Der Rat als Instanz beklagte sich jedoch bei Gericht über die eine oder andere Schmährede, die gegen ihn gerichtet worden war. Anhand der hohen Strafgelder ist ersichtlich, dass die Ratsherren besonders empfindlich auf verbale Angrif-

20 21 22

Vgl. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 237. Vgl. Burghartz, Leib, Ehre und Gut, S. 87 und Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 254. Vgl. Simon-Muscheid, Gewalt und Ehre, 1991, S. 27–29.

162

Zusammenfassung

fe reagierten. Denn für diese wurden höhere Strafgelder fällig als die für Schmähreden, durch die die Ehre der anderen Stadtbewohner angegriffen wurde. Eine schwierige Aufgabe hingegen hatten die Flurschützen zu verrichten. Sie wurden bei der Ausführung ihrer Aufgabe, das Vieh zu pfänden, das auf fremde Wiesen und Felder getrieben worden war, häufiger Opfer von Beleidigungen oder tätlichen Angriffen. Die knapp 2.000 Feldfrevel, die die Flurschützen dem Kämmereischreiber meldeten, waren das häufigste Delikt, das für Duderstadt und Umgebung in das Strafbuch eingetragen wurde. Da die Landwirtschaft im 16. Jahrhundert der wichtigste Erwerbszweig der Duderstädter und der Bewohner der umliegenden Dörfer war, ist davon auszugehen, dass der Überwachung der Feldflur große Bedeutung zukam. Die Kontrolle des zur Stadt gehörigen Waldgebietes gestaltete sich ungleich schwieriger als die der Feldflur, da der Wald weit verstreut lag. Der große Holzbedarf der Duderstädter konnte nicht durch die Nutzung der stadteigenen Wälder gedeckt werden, so dass beim Holzfrevel von einer großen Dunkelziffer auszugehen ist. Der Holzfrevel diente aufgrund der Holzknappheit nicht der Bereicherung, sondern eher der Deckung des Eigenbedarfs. Die Zahlungsmoral der Duderstädter in Bezug auf die Strafgelder war mäßig. Es lässt sich schwer einschätzen, ob die Bereitschaft, die Bußen zu bezahlen, nicht vorhanden war oder den Bewohnern die finanziellen Mittel dazu nicht zur Verfügung standen. Im Schnitt wurde lediglich die Hälfte der Geldbußen entrichtet. In Konstanz war der Bußenvollzug eindeutig effektiver. Eine schlechte Zahlungsmoral oder das Bitten um Erlassung eines Teils des Strafgeldes wirkte sich in Duderstadt jedoch nicht negativ auf das Ansehen von Personen aus. Dies zeigt sich unter anderem am Beispiel der Ratsherren, die nur sehr selten die Strafgelder für die von ihnen begangenen Vergehen entrichteten. Das Duderstädter Ratsgericht war hin und wieder bereit, sich mit einem Teil der Geldbuße zufriedenzugeben oder die Strafe in Form von Naturalien entgegenzunehmen. Darüber hinaus gab es auch die Möglichkeit, die Strafe abzuarbeiten. Das Gericht berücksichtigte demnach die wirtschaftliche Situation der Täter und ließ in einigen wenigen Fällen Gnade vor Recht ergehen23. Auf einen Straferlass konnte jedoch nur hoffen, wer durch einen schweren Schicksalsschlag getroffen wurde oder verarmt war. Betrachtet man den Bußenvollzug in Duderstadt, der eine Ebene unter der Rechtsprechung und den Rechtstexten liegt, so entsteht der Eindruck, dass die Stadtherren immer auch die Verantwortung für den städtischen Frieden im 24 Hinterkopf hatten . Die Einkünfte aus den Strafgeldern waren keine zuverlässige Einnahmequelle für die Stadtkasse, da von Jahr zu Jahr unterschiedlich viele Freveltaten begangen oder aufgedeckt wurden, die Zahlungsmoral differierte und Zahlungen oftmals erst stark 23 24

Vgl. Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 150. Vgl. für Konstanz Schuster, Eine Stadt vor Gericht, 2000, S. 254–256 und Schuster, Der gelobte Frieden, 1995, S. 143–147.

Zusammenfassung

163

zeitverzögert eingingen. Häufig entstand der Stadtkasse sogar nach der alljährlichen Abrechnung mit dem Vogt vom Rusteberg ein Defizit. Denn diesem stand die Hälfte der Forderungen aus den Strafgeldern zu. Die Strafgelder für die Feldfrevel wurden ausschließlich an den Rat gezahlt und werden bei der Auswertung bezüglich der Zahlungsmoral nicht berücksichtigt, da die Quelle in diesem Bereich häufig sehr lückenhaft und unübersichtlich ist. Insgesamt betrachtet fügen die Ergebnisse der Auswertung von rechtlichen Quellen den Untersuchungen anderer sozialgeschichtlicher Quellen weitere Aspekte aus der Wirklichkeit des Alltagslebens hinzu. Die Strukturgeschichte, die sich auf die Auswertung von Rechnungsbüchern stützt und die die Erforschung der Sozialstruktur eines Gemeinwesens zum Ziel hat, kann durch die historische Kriminalitätsforschung erweitert werden, indem sie die Analyse von Strukturen mit der von abweichendem Verhalten kombiniert25. Da abweichendes Verhalten in der Frühen Neuzeit nicht zur gesellschaftlichen Marginalisierung führte, ist Kriminalitätsge26 schichte keine Randgruppengeschichte . Es ging in der Frühen Neuzeit vielmehr darum, den Rechtsfrieden wiederherzustellen und die Delinquenten wieder einzugliedern. Dies zeigt auch, dass die Delinquenten sich zwar abweichend von der Rechtsnorm verhalten haben, aber nicht unbedingt abweichend von dem seinerzeit geltenden Ehrenkodex oder dem gesellschaftlichen Normensystem. So wird deutlich, dass es in der Gesellschaft zwei konkurrierende Normensysteme gegeben hat, 27 die eine einander ausgleichende Funktion hatten . Die in vielen Strafregistern geschilderten Vorgänge bei Gericht lassen Schlüsse auf Normen, Verhaltensmuster, 28 Kommunikations- und Konfliktstrukturen im Alltag zu . Man sollte aber nicht bei der immer genaueren Erforschung der Deliktstruktur stehen bleiben, sondern in Betracht ziehen, dass „unter anderem in den sich wandelnden Einstellungen der Gesellschaft zur Missetat und zum Missetäter allgemeine soziale und mentale Ver29 änderungen aufgespürt werden können“ . Alle vorliegenden Studien belegen, dass sich bis zum Ende des 16. Jahrhunderts der obrigkeitliche Strafanspruch immer mehr durchgesetzt hat. Damit einher ging die Entstehung des öffentlichen Strafrechts, das spätestens ab der Mitte des 17. Jahrhunderts „die Pluralität mittelalterlicher Ausgleichs- und Schlichtungsme30 chanismen an den Rand drängte“ . Zukunftsweisend ist, die Auswertung der Gerichtsakten mit anderen Quellengattungen zu ergänzen. Katharina Simon-Muscheid hat in ihrer beachtenswerten Studie Inventarlisten und Verhörprotokolle ausgewertet und weitreichende Er-

25 26 27 28 29 30

Vgl. Schwerhoff, Devianz, 1992, S. 405. Vgl. Schwerhoff, Devianz, 1992, S. 404. Vgl. Burghartz, Disziplinierung oder Konfliktregelung?, 1989, S. 400. Vgl. Burghartz, Ehre, Leib und Gut, 1990, S. 12. Schubert, Räuber, Henker, Arme Sünder, 2007, S. 38. Krischer, Berichte und Kritik, 2006, S. 401.

164

Zusammenfassung

kenntnisse über Objekte des Alltags im Schnittpunkt von Beziehungsnetzen ge31 wonnen . Eine weitere wichtige Aufgabe der historischen Kriminalitätsforschung ist die systematische Auswertung der Gerichtsakten unter einer geschlechtergeschichtlichen Fragestellung, da Frauen in diesen Akten häufiger als in anderen Quellen erwähnt werden, so dass ihre Auswertung Kenntnisse über die Stellung der Frau 32 sowie alltägliches Verhalten von und gegenüber Frauen vermittelt . Auch im Hinblick auf diese Aspekte kann die historische Kriminalitätsforschung als ein unverzichtbarer Bestandteil der Sozialgeschichte angesehen werden.

31

32

Simon-Muscheid, Katharina, Die Dinge im Schnittpunkt sozialer Beziehungsnetze. Reden und Objekte im Alltag (Oberrhein, 14. bis 16. Jahrhundert), (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte, Bd. 193), Göttingen 2004, S. 355. Vgl. Schwerhoff, Devianz, 1992, S. 409.

7 Literaturverzeichnis 7.1 Unedierte Quellen Ausschnitte aus den Rechungsbüchern von 1530–1546, Stadtarchiv Duderstadt: von 1529, AB 89a; von 1530, AB 89b; von 1531, AB 90; von 1532, AB 91; von 1533, AB 92; von 1534, AB 93; von 1535, AB 94; von 1536, AB 95; von 1537, AB 96; von 1538, AB 97; von 1539, AB 98; von 1540, AB 99; von 1541, AB 100; von 1542, AB 101; von 1543, AB 102; von 1544, AB 103; von 1545, AB 104; von 1546, AB 105 und von 1549, AB 106 und AB 107. „Extractus aus denen von seiner churfürstlichen gnaden Alberto anno 1533 ahn hießigen rath ergangenen dicisionen“, Stadtarchiv Duderstadt, AB 3833. Strafbuch von 1530–1546, Stadtarchiv Duderstadt, AB 4251. Strafbuchausschnitt von 1535–1540, Stadtarchiv Duderstadt, AB 4251a.

7.2 Gedruckte Quellen Barack, Karl August (Hg.), Zimmerische Chronik, Bd. 2, (2. Auflage) Freiburg im Breisgau/Tübingen 1881. Jaeger, Julius (Hg.), Duderstadt oder Tractatus von der Stadt Duderstadt. Ursprung, Privilegien, Rechten und Gerechtigkeiten autore Johannes Barckefeld 1683, Duderstadt 1920. Jaeger, Julius (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Duderstadt bis zum Jahre 1500, Hildesheim 1885. Radbruch, Gustav, Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, (6. Auflage) Stuttgart 1975. Schmidt, Aloys, Urkundenbuch des Eichsfeldes, Teil 1 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, Neue Reihe, Bd. 13), Magdeburg 1933. Vigener, Fritz, Regesten der Erzbischöfe von Mainz von 1289–1398. Zweite Abteilung (1354–1396), Erster Band (1354–1371), Leipzig 1913.

7.3 Darstellungen Ahrndts, Thomas, Hochzeiten Duderstädter Einwohner (1500–1660). In: Unser Eichsfeld. Zeitschrift des Vereins für Eichsfeldische Heimatkunde, Jg. 37/1942, S. 20-23, S. 40-44, S. 65–70, S. 74–80, Jg. 38/1943, S. 34–72. Bader, Karl Siegfried, Aufgaben, Methoden und Grenzen einer historischen Kriminologie. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 71/1956, S. 17–31. Barwig, Edgar/Schmitz, Ralf, Narren, Geisteskranke und Hofleute. In: Hergemöller, BerndUlrich (Hg.), Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, Warendorf 1990, S. 167–199.

166

Literaturverzeichnis

Becker von Sothen, Hans, Die mainzische Regierung des Eichsfeldes von den Anfängen bis 1802. Ein Beitrag zur Rechts- und Verwaltungsgeschichte des Eichsfeldes. In: Eichsfeld Jahrbuch, Jg. 2, 1994, S. 5–78. Bendlage, Andrea, Henkers Hetzbruder. Das Strafverfolgungspersonal der Reichsstadt Nürnberg im 15. und 16. Jahrhundert, Konstanz 2003. Bendlage, Andrea/Schuster, Peter, Hüter der Ordnung. Bürger, Rat und Polizei in Nürnberg im 15. und 16. Jahrhundert. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 82, 1995, S. 37–55. Behrisch, Lars, Städtische Obrigkeit und soziale Kontrolle. Görlitz 1450–1600 (FrühneuzeitForschungen, Bd. 13), Epfendorf/Neckar 2005. Blasius, Dirk, Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität. Zur Sozialgeschichte Preußens im Vormärz, Göttingen 1976. Blasius, Dirk, Geschichte der politischen Kriminalität in Deutschland (1800–1980). Eine Studie zu Justiz und Staatsverbrechen, Frankfurt 1983. Blasius, Dirk, Kriminalität und Alltag. Zur Konfliktgeschichte des Alltagslebens im 19. Jahrhundert, Göttingen 1978. Blasius, Dirk, Kriminologie und Geschichtswissenschaft. Bilanz und Perspektiven interdisziplinärer Forschung. In: Geschichte und Gesellschaft, Jg. 14/1988, S. 136–149. Blasius, Dirk, Recht und Gerechtigkeit im Umbruch von Verfassung und Gesellschaftsordnung. Zur Situation der Strafrechtspflege in Preußen im 19. Jahrhundert. In: Der Staat, Jg. 21/1982, S. 365–390. Blauert, Andreas/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne, Konstanz 2000. Blauert, Andreas/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1993. Boockmann, Andrea, Urfehde und ewige Gefangenschaft im mittelalterlichen Göttingen (Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen, Bd. 13), Göttingen 1980. Boockmann, Hartmut, Das grausame Mittelalter. Über ein Stereotyp, ein didaktisches Problem und ein unbekanntes Hilfsmittel städtischer Justiz, den Wundpegel. In: Geschichte, Wissenschaft und Unterricht, Jg. 38/1987, S. 1–9. Brunner, Wolfgang, Städtisches Tanzen und das Tanzhaus im 16. Jahrhundert. In: Kohler, Alfred/Lutz, Heinrich (Hg.), Alltag im 16. Jahrhundert. Studien zu Lebensformen in mitteleuropäischen Städten (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 14), Wien 1987, S. 45–64. Bulst, Neithard, Kleidung als sozialer Konfliktstoff. In: Saeculum 44/1993, S. 32–46. Burghartz, Susanna, Disziplinierung oder Konfliktregelung? Zur Funktion städtischer Gerichte im Spätmittelalter: Das Zürcher Ratsgericht. In: Zeitschrift für Historische Forschung, Jg. 4/1989, S. 385–407. Burghartz, Susanna, Kein Ort für Frauen? Städtische Gerichte im Spätmittelalter. In: Lundt, Bea, Auf der Suche nach der Frau im Mittelalter. Fragen, Quellen, Antworten, München 1991, S. 49–64. Burghartz, Susanna, Leib, Ehre und Gut. Delinquenz in Zürich Ende des 14. Jahrhunderts, Zürich 1990. Christ, Günter, Albrecht von Brandenburg und das Mainzer Erzstift. In: Jürgensmeier, Friedhelm (Hg.), Erzbischof Albrecht von Brandenburg (1490–1545). Ein Kirchen- und Reichsfürst der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1991.

Darstellungen

167

Cunz, Reiner, Die Fundmünzen aus der Branntweinstube. In: Möller, Hans-Herbert (Hg.), Das Rathaus in Duderstadt. Zur Baugeschichte und Restaurierung (Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Bd. 6), Hameln 1989, S. 181–194. Danckert, Werner, Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe, Bern 1963. Demandt, Karl E., Recht und Gesellschaft. Rechts-, sozial- und sittengeschichtliche Studien zur strafrechtlichen Praxis in einer hessischen Stadt des 15. Jahrhunderts. In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Jg. 83/1972, S. 9–56. Denzler, Georg/Andresen Carl, dtv-Wörterbuch der Kirchengeschichte, München 1982. Diestelkamp, Bernhard, Das Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert – aufgezeigt am Beispiel der oberhessischen Erbgewohnheiten von 1572. In: Rechtshistorische Studien. Hans Thieme zum 70. Geburtstag, Köln/Wien 1977, S. 1–33. Dosio, Giorgetta Bonfiglio, Criminalità ed emarginazione a Brescia nel primo Quattrocento. In: Archivio storico italiano, 495-496/1978, S. 113–164. Duchhardt, Heinz, Das Erzstift Mainz unter Kardinal Albrecht. In: Arndt, Jürgen, Das Wappenbuch des Reichsherolds Caspar Sturm, Neustadt an der Aisch 1984, S. 245–251. Duchhardt, Heinz, ‚Reform‘ und ‚Modernisierung‘ im Reich des frühen 16. Jahrhunderts. In: Jürgensmeier, Friedhelm (Hg.), Erzbischof Albrecht von Brandenburg (1490–1545). Ein Kirchen- und Reichsfürst der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1991, S. 215–222. van Dülmen, Richard, Der ehrlose Mensch. Unehrlichkeit und soziale Ausgrenzung in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1999. van Dülmen, Richard, Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit. Das Haus und seine Menschen 16.-18. Jahrhundert, Bd. 1, München 1990. van Dülmen, Richard, Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit. Dorf und Stadt 16.–18. Jahrhundert, Bd. 2, München 1992. van Dülmen, Richard, Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafrituale in der frühen Neuzeit, (4. Auflage) München 1995. van Dülmen, Richard (Hg.), Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle. Studien zur historischen Kulturforschung, Frankfurt am Main 1990. Ehbrecht, Ulrike, Die Befestigung der Stadt Duderstadt. Mauern, Türme, Wall und Landwehr: Ergebnisse der archivalischen Forschung, Bd. 1 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Duderstadt, Bd. 3), Duderstadt 1993. Ehrhard, Gunter, Die Stadtwälder von Duderstadt zwischen 1247 und 1815. In: Jahrbuch Eichsfeld, Jg. 2/1994, S. 79–101. Eibach, Joachim, Kriminalitätsgeschichte zwischen Sozialgeschichte und Historischer Kulturforschung. In: Historische Zeitschrift 263 (1996), S. 681–715. Eriksson, Magnus/Krug-Richter, Barbara, Streitkulturen – Eine Einführung. In: Eriksson, Magnus/Krug-Richter, Barbara (Hg.), Streitkulturen. Gewalt, Konflikt und Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft (16.–19. Jahrhundert), Köln/Weimar/Wien 2003, S. 1–16. Falk, Hans, Die Mainzer Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichfelde bis zum Ende des 14. Jahrhunderts (Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte, 1. Reihe, 2. Heft), Marburg 1930. Frank, Michael, Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität. Das Fallbeispiel Lippe 1650–1800, Paderborn/München/Wien/Zürich 1995. Fricke, Hans-Reinhard, Dokumentation. In: Möller, Hans-Herbert (Hg.), Das Rathaus in Duderstadt. Zur Baugeschichte und Restaurierung (Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Bd. 6), Hannover 1989, S. 293–302.

168

Literaturverzeichnis

Fricke, Hans-Reinhard, Steuerpflicht und Steuerzahlung in Duderstadt im 17. Jahrhundert. In: Jahrbuch Eichsfeld, Jg. 3/1995, S. 68–95. Fuchs, Ralf-Peter/Schulze, Winfried (Hg.), Wahrheit, Wissen, Erinnerung. Zeugenverhörprotokolle als Quellen für soziale Wissensbestände in der Frühen Neuzeit (Wirklichkeit und Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit, Bd. 1), Münster/Hamburg/London 2002. Goldschmidt, Hans, Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum Mainz vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte, Heft 7), Berlin/Leipzig 1908. Gottschalk, Karin, „auß dem Stattgericht ein Ambtsgericht zu machen“. Lokale Gerichtsbarkeit zwischen landesherrlichen Amtsträgern und städtischem Rat in Grebenstein (18. Jahrhundert). In: Flemming, Jens/Puppel, Pauline/Troßbach, Werner/Vanja, Christina/Wörner-Heil, Ortrud (Hg.), Lesarten der Geschichte: ländliche Ordnungen und Geschlechterverhältnisse. Festschrift für Heide Wunder zum 65. Geburtstag, Kassel 2004, S. 317–332. Groebner, Valentin, Der verletzte Körper und die Stadt. Gewalttätigkeit und Gewalt in Nürnberg am Ende des 15. Jahrhunderts. In: Lindenberger, Thomas/Lüdtke, Alf, Physische Gewalt. Studien zur Geschichte der Neuzeit, Frankfurt am Main 1995. Gudian, Gunter, Geldstrafrecht und peinliches Strafrecht im späten Mittelalter. In: Becker, Hans-Jürgen/Dilcher, Gerhard/Gudian, Gunter/Kaufmann, Ekkehard/Sellert, Wolfgang (Hg.), Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte. Festschrift für Adalbert Erler zum 70. Geburtstag, Aalen 1976, S. 273–288. Habermas, Rebekka, Frauen und Männer im Kampf um Leib, Ökonomie und Recht. Zur Beziehung der Geschlechter im Frankfurt der Frühen Neuzeit. In: van Dülmen, Richard (Hg.), Dynamik der Tradition. Studien zur historischen Kulturforschung, Frankfurt am Main 1992, S. 109–136. Härter, Karl/Stolleis, Michael, Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 1, Frankfurt 1996. Hartmann, Josef, Die Kurmainzischen Ämter des mittleren und oberen Eichsfeldes. Untersuchungen zur Verwaltung, Bevölkerungsentwicklung und Sozialstruktur eines geistlichen Fürstentums, Magdeburg 1961. Helm, Winfried, Konfliktfelder und Formen der Konfliktaustragung im ländlichen Alltag der Frühen Neuzeit. Ergebnisse einer Auswertung von Gerichtsprotokollen. In: Ostbairische Grenzmarken. Passauer Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Volkskunde, Jg. 29/1987, S. 48–67. Henselmeyer, Ulrich, Ratsherren und andere Delinquenten. Die Rechtsprechungspraxis bei geringfügigen Delikten im spätmittelalterlichen Nürnberg (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 6), Konstanz 2002. Heydenreuter, Reinhard, Kriminalitätsgeschichte Bayerns, Regensburg 2003. Hochmuth, Christian/Rau, Susanne (Hg.), Machträume der frühneuzeitlichen Stadt (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 13), Konstanz 2006. Hohkamp, Michaela, Häusliche Gewalt. Beispiele aus einer ländlichen Region des mittleren Schwarzwaldes im 18. Jahrhundert. In: Lindenberger, Thomas/Lüdtke, Alf, Physische Gewalt. Studien zur Geschichte der Neuzeit, Frankfurt am Main, 1995, S. 276–302. Holenstein, André, Seelenheil und Untertanenpflicht. Zur gesellschaftlichen Funktion und theoretischen Begründung des Eides in der ständischen Gesellschaft. In: Der Fluch und der Eid (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 15), Berlin 1993, S. 11–63.

Darstellungen

169

Hucke, Wilhelm, Die Vögte der eichsfeldischen Ämter. In: Unser Eichsfeld. Zeitschrift des Vereins für Eichsfeldische Heimatkunde, Jg. 34/1929, S. 226–230. Humburg, Norbert, Städtisches Fastnachtsbrauchtum in West- und Ostfalen. Die Entwicklung vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 5), Münster 1976. Hussong, Ulrich, Die Verfassung der Stadt Duderstadt in Mittelalter und früher Neuzeit. In: Möller, Hans-Herbert (Hg.), Das Rathaus in Duderstadt. Zur Baugeschichte und Restaurierung (Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Bd. 6), Hannover 1989, S. 9– 40. Irsigler, Franz/Lassotta, Arnold, Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker. Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt. Köln 1300–1600, München 1989. Isenmann, Eberhard, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, 1250–1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988. Jaeger, Julius, Alt-Duderstadt. Bilder aus einer 1000-jährigen Stadt, (2. Auflage) Duderstadt 1929. Jaeger, Julius, Bilder aus der Goldenen Mark Duderstadt, Bd. 1 und 2, Duderstadt 1921 und 1922. Jaeger, Julius, Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Duderstadt. In: Unser Eichsfeld. Zeitschrift für Eichsfeldische Heimatkunde, Jg. 2/1907, Teil 1: S. 129–135 und Teil 2: S. 166–175; Jg. 3/1908, Teil 3: S. 18–30; Teil 4: S. 117–127 und Teil 5: S. 166–174; Jg. 4/1909, Teil 6: S. 97–107 und Teil 7: S. 152–163; Jg. 5/1910, Teil 8: S. 99–105 und Teil 9: S. 119–123; Jg. 7/1912, Teil 10: S. 169–174. Jaeger, Julius, Duderstadt gegen Ende des Mittelalters, Hildesheim 1886. Jaeger, Julius, Duderstadt und sein Schützenwesen, Duderstadt 1902. Jaeger, Julius, Duderstädter Statuten. In: Unser Eichsfeld. Zeitschrift des Vereins für Eichsfeldische Heimatkunde, Jg. 13/1918, Teil 1: S. 31–50 und Teil 2: S. 72–84; Jg. 14/1919, Teil 3: S. 14–35. Jansen, Stefanie, Der gestörte Friede. Konfliktwahrnehmung und Konfliktregelung in Stadtrechtsquellen des 12. und 13. Jahrhunderts. In: Schlosser, Hans/Sprandel, Rolf/Willoweit, Dietmar (Hg.), Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Formen und Entwicklungsstufen (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Symposium und Synthesen, Bd. 5), Köln/Weimar/Wien 2002, S. 83–131. Kiermayr, Reinhold Robert, Der Verlauf der Reformation und Gegenreformation in Duderstadt, Duderstadt 1982. Knieb, Philipp, Geschichte der Reformation und Gegenreformation auf dem Eichsfelde, Heiligenstadt 1909. Kramer, Karl-Sigismund, Grundriß einer rechtlichen Volkskunde, Göttingen 1974. Krischer, André, Berichte und Kritik. Neue Forschungen zur Kriminalitätsgeschichte. In: Zeitschrift für Historische Forschung, Jg. 33, 2006, S. 387-415. Kroeschell, Karl, „recht unde unrecht der sassen“. Rechtsgeschichte Niedersachsens, Göttingen 2005. Krug-Richter, Barbara, Konfliktregulierung zwischen dörflicher Sozialkontrolle und patrimonialer Gerichtsbarkeit. Das Rügegericht in der Westfälischen Gerichtsherrschaft Canstein 1718/19. In: Historische Anthropologie 5/1997, S. 231–228. Kühne, Karsten, Das Kriminalverfahren und der Strafvollzug in der Stadt Konstanz im 18. Jahrhundert (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, Bd. 24), Sigmaringen 1979.

170

Literaturverzeichnis

Labouvie, Eva, Verwünschen und Verfluchen: Formen der verbalen Konfliktregelung in der ländlichen Gesellschaft der frühen Neuzeit. In: Der Fluch und der Eid (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 15), Berlin 1993, S. 121–145. Lerch, Christoph, Die Gerichtsbarkeit in der Goldenen Mark Duderstadt vom Mittelalter bis zur Gegenwart. In: Die Goldene Mark. Zeitschrift für die Heimatarbeit im Kreise Duderstadt, 1. Sonderheft, 1953. Lerch, Christoph, Die Duderstädter Stadtschultheißen. In: Die Goldene Mark. Zeitschrift für die Heimatarbeit im Kreise Duderstadt, Jg. 20/1969, S. 33–43. Lutz, Alexandra, Ehepaare vor Gericht. Konflikte und Lebenswelten in der frühen Neuzeit (Geschichte und Geschlechter, Bd. 51), Frankfurt/New York 2006. Marbach, Johannes, Strafrechtspflege in den hessischen Städten an der Werra am Ausgang des Mittelalters, München 1980. Marquordt, Gerhard, Vier rheinische Prozeßordnungen aus dem 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zum Prozeßrecht der Rezeptionszeit (Rheinisches Archiv, Bd. 33), Bonn 1938. Muchembled, Robert, Kultur des Volkes – Kultur der Eliten. Die Geschichte einer erfolgreichen Verdrängung, Stuttgart 1982. Müller-Wirthmann, Bernhard, Raufhändel. Gewalt und Ehre im Dorf. In: van Dülmen, Richard (Hg.), Kultur der einfachen Leute. Bayerisches Volksleben vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, München 1983, S. 79–111. Opitz, Claudia, Emanzipiert oder marginalisiert? Witwen in der Gesellschaft des späten Mittelalters. In: Lundt, Bea, Auf der Suche nach der Frau im Mittelalter. Fragen, Quellen, Antworten, München 1991, S. 29–43. Osburg, Katharina, Der 30-jährige Krieg in Duderstadt: Die Aussagen des Duderstädter Strafregisters, Duderstadt 1998 (unveröffentlichte Staatsexamensarbeit). Osenbrüggen, Eduard, Der Hausfrieden. Ein Beitrag zur deutschen Rechtsgeschichte, Erlangen 1857. Otte, Albert, Die Mainzer Hofgerichtsordnung von 1516/21 und die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Zivilgerichtsbarkeit im 16. Jahrhundert. Geschichte, Quellen und Wirkung des Gesetzes für die Zentraljustizbehörde eines geistlichen Fürstentums, Düsseldorf 1964. Pils, Susanne Claudine, Raum schichten. Frauen und Öffentlichkeit in der frühneuzeitlichen Stadt. In: Rau, Susanne/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Norm und Struktur, Bd. 21), Köln/Weimar/Wien 2008. Pohl, Susanne, Schuldmindernde Umstände im römischen Recht. Die Verhandlungen des Totschlages im Herzogtum Württemberg im 16. Jahrhundert. In: Harriet Rudolph/ Schnabel-Schüle, Helga, Justiz = Justice = Justicia? Rahmenbedingungen von Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, Trier 2003, S. 235-256. Radbruch, Gustav/Gwinner, Heinrich, Geschichte des Verbrechens. Versuch einer historischen Kriminologie, Stuttgart 1951. Rau, Susanne/Schwerhoff, Gerd, Öffentliche Räume in der Frühen Neuzeit. Überlegungen zu Leitbegriffen und Themen eines Forschungsfeldes. In: Rau, Susanne/Schwerhoff, Gerd, Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Norm und Struktur, Bd. 21), Köln/Weimar/Wien 2008, S. 11–52. Reif, Heinz (Hg.), Räuber, Volk und Obrigkeit. Studien zur Geschichte der Kriminalität in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1984. Reininghaus, Wilfried, Gewerbe in der frühen Neuzeit (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 3), München 1990.

Darstellungen

171

Rummel, Walter, Verletzung von Körper, Ehre und Eigentum. Varianten im Umgang mit Gewalt in Dörfern des 17. Jahrhunderts. In: Blauert, Andreas/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1993, S. 86–114. Schindler, Norbert, Widerspenstige Leute. Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1992. Schmidt, Heinrich R., Hausväter vor Gericht. Der Patriarchalismus als zweischneidiges Schwert. In: Dinges, Martin (Hg.), Hausväter, Priester, Kastraten. Zur Konstruktion von Männlichkeit in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Göttingen 1998, S. 213–236. Schubert, Ernst, Räuber, Henker, Arme Sünder. Verbrechen und Strafe im Mittelalter, Darmstadt 2007. Schubert, Ernst, Randgruppen in der Schwankliteratur des 16. Jahrhunderts. In: Kirchgässner, Bernhard/Reuter, Fritz (Hg.), Städtische Randgruppen und Minderheiten (Stadt in der Geschichte, Bd. 13), Sigmaringen 1986, S. 129–160. Schuster, Peter, Das Frauenhaus. Städtische Bordelle in Deutschland (1350–1600), Paderborn/München/Wien/Zürich 1992. Schuster, Peter, Der gelobte Frieden. Täter, Opfer und Herrschaft im spätmittelalterlichen Konstanz, Konstanz 1995. Schuster, Peter, Eine Stadt vor Gericht. Recht und Alltag im spätmittelalterlichen Konstanz, Paderborn 2000. Schuster, Peter, Konkurrierende Konfliktlösungsmöglichkeiten. Dynamik und Grenzen des öffentlichen Strafanspruchs im Spätmittelalter. In: Lüderssen, Klaus/Schreiner, Klaus/Sprandel, Rolf/Willoweit, Dietmar (Hg.), Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Formen und Entwicklungsstufen (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Symposium und Synthesen, Bd. 6), Köln/Weimar/Wien 2002, S. 133–151. Schuster, Peter, Richter ihrer selbst? Delinquenz gesellschaftlicher Oberschichten in der spätmittelalterlichen Stadt. In: Blauert, Andreas/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne, Konstanz 2000, S. 359–378. Schwarz, Ernst, Deutsche Namensforschung. Ruf- und Familiennamen, Bd. 1, Göttingen 1949. Schwerhoff, Gerd, Aktenkundig und gerichtsnotorisch. Einführung in die Historische Kriminalitätsforschung, Tübingen 1999. Schwerhoff, Gerd, Devianz in der alteuropäischen Gesellschaft. Umrisse einer historischen Kriminalitätsforschung. In: Zeitschrift für Historische Forschung, Jg. 19/1982, S. 385– 414. Schwerhoff, Gerd, Die Policey im Wirtshaus. Obrigkeitliche und gesellschaftliche Normen im öffentlichen Raum der Frühen Neuzeit. Das Beispiel der Reichsstadt Köln. In: Hochmuth, Christian/Rau, Susanne, Machträume in der frühneuzeitlichen Stadt (Konflikte und Kultur – historische Perspektiven, Bd. 13), Konstanz 2006. Schwerhoff, Gerd, Falsches Spiel. Zur kriminalhistorischen Auswertung der spätmittelalterlichen Nürnberger Achtbücher. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Jg. 82, 1995, S. 23–35. Schwerhoff, Gerd, Köln im Kreuzverhör. Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft in einer frühneuzeitlichen Stadt, Bonn/Berlin 1991.

172

Literaturverzeichnis

Schwerhoff, Gerd, Kriminalitätsgeschichte im deutschen Sprachraum. Zum Profil eines „verspäteten“ Forschungszweiges. In: Blauert, Andreas/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne, Konstanz 2000, S. 21-68. Schwerhoff, Gerd, Zungen wie Schwerter. Blasphemie in alteuropäischen Gesellschaften 1200-1650 (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 5), Konstanz 2005. Scribner, Bob, Reformation, Karneval und die „verkehrte Welt“. In: van Dülmen, Richard/ Schindler, Norbert (Hg.), Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags, 16.–20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1984, S. 117–152. Simon-Muscheid, Katharina, Die Dinge im Schnittpunkt sozialer Beziehungsnetze. Reden und Objekte im Alltag (Oberrhein, 14. bis 16. Jahrhundert), (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 193), Göttingen 2004. Simon-Muscheid, Katharina, Gewalt und Ehre im spätmittelalterlichen Handwerk am Beispiel Basels. In: Zeitschrift für Historische Forschung Jg. 18/1991, S. 1–31. Tschipke, Ina, Lebensformen in der spätmittelalterlichen Stadt. Untersuchungen anhand von Quellen aus Braunschweig, Hildesheim, Göttingen, Hameln und Duderstadt (Schriftenreihe des Landschaftsverbandes Südniedersachsen, Bd. 3), Hannover 1993. Ulbricht, Otto (Hg.), Von Huren und Rabenmüttern. Weibliche Kriminalität in der Frühen Neuzeit, Köln 1995. Wehking, Sabine, Die Geschichte des Amtes Gieboldehausen, Duderstadt 1995. Wettmann-Jungblut, Peter, „Stelen inn rechter hungersnodtt“. Diebstahl, Eigentumsschutz und strafrechtliche Kontrolle im vorindustriellen Baden 1600–1850. In: van Dülmen, Richard (Hg.), Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle. Studien zur historischen Kulturforschung, Frankfurt am Main 1990, S. 133–177. Willoweit, Dietmar, Die Expansion des Strafrechts in Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts. In: Schlosser, Hans/Sprandel, Rolf/Willoweit, Dietmar (Hg.), Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Formen und Entwicklungsstufen (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Symposium und Synthesen, Bd. 5), Köln/Weimar/Wien 2002, S. 331-354. Willoweit, Dietmar, Rezeptionen. In: Lüderssen, Klaus/Schreiner, Klaus/Sprandel, Rolf/ Willoweit, Dietmar (Hg.), Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Formen und Entwicklungsstufen (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Symposium und Synthesen, Bd. 6), Köln/Weimar/Wien 2002, S. 153–162. Willoweit, Dietmar, Richten nach Gnade. Beobachtungen an Hand ländlicher Quellen vom Mittelrhein und angrenzender Landschaften. In: Schlosser, Hans/Sprandel, Rolf/Willoweit, Dietmar (Hg.), Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Formen und Entwicklungsstufen. (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Symposium und Synthesen, Bd. 5), Köln/Weimar/Wien 2002, S. 189–205. Wintzingeroda-Knorr, Levin Freiherr von, Die Wüstungen des Eichsfeldes, Duderstadt 1995, Reprint der Ausgabe Halle von 1903. Wittke, Margarete, Mord und Totschlag? Gewaltdelikte im Fürstbistum Münster 1580–1620. Täter, Opfer und Justiz (Geschichtliche Arbeiten zur westfälischen Landesforschung, Bd. 21), Münster 2002. Wolf, Johann, Geschichte und Beschreibung der Stadt Duderstadt, Göttingen 1803. Wolf, Johann, Politische Geschichte des Eichsfeldes, Göttingen 1993, Reprint der Ausgabe Göttingen 1793.

Darstellungen

173

Wojtowytsch, Myroslaw, Die Duderstädter Ratsherren im 16. und 17. Jahrhundert. Aspekte der sozialen Stellung einer kleinstädtischen Führungsschicht. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 58/1986, S. 1–26. Wojtowytsch, Myroslaw, Duderstadt. Ein entwicklungsgeschichtlicher Überblick. In: Gerlach, Vincenz/Meincke, Helga/Steckhan, Dietrich/Wojtowytsch, Myroslaw, Das Eichsfeld (Landschaften Niedersachsens und ihre Probleme, Folge 4), Hannover 1985, S. 55–76. Wolpers, Georg, Verzeichnis eichsfeldischer Pfarrer im Mittelalter nach dem Duderstädter Kalandsbuche. In: Unser Eichsfeld, Zeitschrift des Vereins für Eichsfeldische Heimatkunde, Jg. 24/1929, S. 22–24.

8 Register 8.1 Personenregister Affighe 59 Albrecht von Brandenburg, Kurfürst von Mainz 21, 24–28, 34 f., 37, 39–47, 66, 97, 155 Andreas mit dem Bart 76 Andrewes, Ciriacus 102 Apelen, Jurgen 134 Bademutteren 137 Balnhußen, Lucas 57 Balnhußen, Steffan 117 Barbaren, Jost 82 Barkevelt, Andreaß 57 Barkevelt, Hans 61 Barkevelt, Henrick 60 Barkevelt, Hinrick 58 Beckman, Heine 143 Beckman, Henrick 76 f. Beithe, Hans 142 f. Belstedt, Heinrich 32 Berkeveld, Hans 129 Berthold von Henneberg 25 Bestian 141 Beyerwerth 62 Boeden, Hans 62 Boeßen, Marcus 124 Bokell, Corth 77 Bomcke, Hans 56 Bomcke, Peteren 58 Borchardes, Borchart 77–79, 122 Borcharts, Cort 57 Borchman(n) 111 f., 124, 129 Borchman, Hans 122 Bothmann 102 Bothman, Lorenz 125 Bothmann, Marten 59 Bothmans, Frau von Andreas 77 Branth, Jurgen 130 Bredenbeck, Berlt 104, 112 Bredenbeck, Ciriacus 140 Brendecke 56

Bunße, Hans 60, 126 Bur, Peter 102 Burchhard von Entzenberg 29–31 Busch, Levin 116, 145 Buß, Casperen 58 Buß, Hans 62 Clawes, der Stover 83 Diderick, Andreaß 59 Didericks, Hans 57 Dietrich, Erzbischof von Mainz 26, 28 f., 35 f., 126 Doring, Engelhart 28 Dransfelth, Valentin 58 Drengkeman, Hans 54, 56, 58, 61 Drenkemans, die Frau von 133 Duvelsneße, Andreas 133 Duvelsneße, Levin 122 Duvelsneße, Sohn von Levin 122 Ernst von Grone 29 Even, Cort 124 Everth, Mesteren 85 Eychfelth, Hans 78 Farveren, Hans 56 Fischer, Anna, die Tochter 141 Fischer, Hans 83 Freckman, Lorenz 61 Fredelandt, Matten 62 Frederich, Ciriacus 61 Frederich, Hans 89 Frittze, Hans 56 Frittze, Jurgen 58 Fürstin von Braunschweig 149 Fygen, Hans 75, 81, 146 Garden, Hans 61 Garmaren, Melcheren 100 Gelen, Roleff 60 Gerlach, Hans 94, 124, 136 Gerlach, Jacob 62 Gißeleren, Tile 76 Gißeleren, Benedict 87

Personenregister

Gogrebe 30 Gotthen, Cort 60 Griß, die Witwe 143 Grobecker, die Witwe 133 Grotenberlt, Henrich 137 Grotzen, der Knecht von Claweß 143 Groze, Hans 112 Grumpen, Hans 130 Günther von Uslar 36 Gutjahr, Kunz (auch Gutiaren, Cunze) 51, 66, 148 Hageman 85 Hans von Gottingen 118 Hans von Grone 36 Hans von Hardenberg 29 Hartog(h)e, Ciriacus 104, 112 Hartoge, Clawes 141 Heine, Hans 59 Heinrich mit dem Bart 149 Heinrich Rapkol 28, 36 Heißen 82 Helgemeiger 87, 132 Helmolt, Facius 100 Helmolt, Jacob 61 Henckelen, Bestian 77 Henckelen, Jacob, die Magd von 143 Henrich under dem Damme 145 Henrick von Hagen 52 Henrick von ßeßen 130 Henze, Hans 129, 142 Hermann Lodey 29 Herthoge, Matten 56 Herzog Heinrich von BraunschweigWolfenbüttel 39 Heßen, Hans 76 f. Heßen, Henrich 137 Heßen, Jacob 94 Heßen, Jacob Junior 94, 104 Heßen, Johan 78 Heßen, Johannes 124 Heynen, Andreas 126 Hildebrant, Hans 61 Hoeße 141 Hoher, Hans 122 Hoheren, Steffan 87, 149 Holthmann, Hans 137 Homan, die Frau von 133

175

Hottenroth, Hans 56, 82, 114 Hottenroth, Steffan 61 Hundeshagen, die olde 127 Hypkenbecker, Hans 104, 141 Jacob von Liebenstein 25 Juneman, Michel 122, 144 Kalen, Clawes 58 Karl V., Kaiser 11, 24, 97 Kerkener(en)s, Simon 81 f., 87, 93–95, 113 Kethen, die blinde 77, 144 Kleyneheith, Hans 57 Klinckhart, Hans 104 f. Klute, Asmus 133 Klute, Hans 122 Kluten 104 Knippingk, Hans 116, 145 Knocke, Hans 62, 130, Knok(ch)enhauweren, Michell (auch Michael) Schultheiß in Duderstadt 52, 67, 155 f. Knorre, Jurgen 77 Kock, Folmaren 58 Koeke, Simon 85 Konicke, Andreaß 59 Kroner, Clawes 85 Renshußen, Hans 59 Renshußen, Lorenz 92 Konrad, Erzbischof von Mainz 29 Kopman, Pancratius 146 Kracht, Jurgen 117 Krage, Casper 58 Krag(h)e, Jachem 56, 96, 130 Krage, Hans 56 Kreter, Bernhart 56 Kreter, Hans 29 Krether 134 Kromgeren, Corth 80, 134 Kule, Hans 112, 124 Kurfürst von Mainz (siehe auch Mainzer Kurfürst) 24–28, 33–47, 67 f., 71, 123, 139, 148, 152, 155 f. Kyff, Clawes 57, 61 f. Lemcke 133 Lemcke, Hans 29 Lenhen, Frederich 105 Licenciat 123, 142, 148 Liche, Heine 56

176

Register

Lichtte, Wilhelm 62 Lips, der hinkende 77, 144 Lorenz, Matten 58 Luch, die Frau von Michel 133 f. Ludecken, Hans 61 Ludolff, Johannes 112 Mainzer Kurfürst 24 f., 36, 66, 155 Mann aus Schratfelde 87 Marshußen, Clawes 85 Marsschepell, Hans 58, 62 Marthens, Hans 77, 130 Marthens, Henrick 79 Mecken 76, 112 Medemeck, Hans 57 Morick, Bartolomeus Senior 150 Morick, Hans 111 Morick, Jurgen 137 Morick, Philippus 143, 146 Mori(c)k, Marcus 104 f. Moringk, Anthonius 58 Moringk, Philippus 143 Mughe, Hans 59 Muller, Bestian, die Witwe von 133 Muller, Hans 76 f., 89, 129 Müller, Sebastian 67 Nachweyden, Tile 141 Nachweyden, Warneren 76 Nap 58 Nap, Andreas 133 Nap, Henrich 126 Nigeroth, Ciriacus 100 Nigeroth, die Mutter von Henrick und Eggele 133 Nigeroth, Köchin von Henrich (Henricus) 81, 137 f., 146 Nolten, Gertrud 76, 82, 133 Nolten, Jacob 96 Nolthe, Henrick 122 Nolthen, Clawes 82, 111 Northeman, Hans 56 Northman 61 Oberamtman vom Rusteberg (siehe auch Amtmann vom Rusteberg) 25, 27, 29, 36, 44, 47, 66 Otte, Hans 93 Ovenholl, Corth 90 Owden, Bestian 97

Owden, der Sohn von Tile 143 Owden, Hans 62 Peters, die Frau von Peter 135, 141, 143 Peters, Hans 57 Pfarrer aus Nesselröden 130 f. Picht, Katharina 133 Pilshagen, Jochem 61 Piperen, Hans 54, 58 Plumekerne, Jacob 124 Ramathe, Casper 56 Recke, Jacob 124 Recken 89, 91 Reinhußen 123 Rekershußen, Jacob 147 Renshußen, Hans 59 Renshußen, Lorenz 92 Reydeman, Andreaß 129 Reydeman, Matten 129 Rivesthall, Andreas 78, 131 Rode, Hans 136 f. Rodeclawes, Jacob 95 Roeden, Harman 123 Roleves, Bestian 76, 105 Roleves, Hans 90 f., 119, 130 Roleves, Kalixtus 92 Rumper, Jacob 89, 132 Rust, Heine 56 Rust(h), Jacob 60, 130 Rust, Valentin 126 Sander, die Frau von Bartolomeus 133 Schaper, Warneren 87 Schemelpennig, Andreas 54, 56, 58, 112 Schengkewalt, Johan 59 Schengkewolt 60 Schenkewalt, Hans 126 Schorre, Harmann 60 Schrader, Anna 87, 89, 132, 141 Schrader, die Witwe von Bernhart 132 Schurre, Harman 62 Smedt, Hans 127 Smedt, Marten 127 Smedt, Valentin 105 Snehen, Johannes 137 Sommer, Heine 89 Sommeren, Andres 62 Sommeren, Hans 58 Sperling, Valentin 121

Sachregister

Speth(t), Lips 61 f. ßnell, Hans 57 Stangen 80, 130 Steffan 58 Stehlin, Wulfgang 67, 123, 142, 156 Stockfisch, Henrich 124 Stockfisch, Henrick 104 Stolteheiße, Balzar 94 Stolteheyße, Casper 150 Stouningk, Hans 90, 133 Stover 82 Strecker, Jost 123 Streckeren, Andres 87 Stromeier, Gottfried 49 Stromeiger, Magister 78, 130, 137, 149 Stromeygeren, Christoffel 105 Struningk 133 Struveren, Henrick 57 Sulverman, Simon 59 Taneman, Andreas 96 Tastingk, Valentin 129 Teneuthbrekeren 129

177

Theypell, Hans 82 f., 93–95, 146 Thwingkman, Hans 56 Tilebole, Hans 150 Uriel vom Gemmingen 25 Valentin von Snehen 102 Wedige, Andreas 81 Wegeneren, Michel 56 Welker, Hans 110, 112 Werner von Malsburg 30 Wickelshußen, Hans 90 Winrick, Hans 133 Wittzel, Heyßo 117 Wittzell, Balzaren 61 Wittzell, Jachem 130 Wittzell, Jochim 58 Worbsgen, die 133 Wulff, Tile 92 f. Wulffgang, Hans 90, 132 Zaeffe, Hans 117 Zafferans, Harman 87 Zincken, Urban 124

8.2 Sachregister Albertinische Ordnung 27, 34, 38, 40–47, 67, 123, 155 Amtmann vom Rusteberg (auch Oberamtmann und Vogt vom Rusteberg) 25, 27–30, 35–39, 42, 44, 47, 66 f., 124 Bäcker 98 f., 101 f., 111, 161 Badestube 83 Bauernkrieg 38–40, 42, 46, 156 Beleidigung 73, 82, 87–92, 123–125, 135, 162 Bier 78, 101, 110 f., 119, 121, 126, 149 Branntwein 84 f., 88, 148, 158 Brauen 110 f., 119, 121, 129, 160 Bürgermeister 32 f., 37 f., 41–45, 52, 94, 124, 136, 155, 161 Carolina 11, 24, 97 Dämme bauen 119 f. Diebstahl 21, 74, 90, 96, 101, 118, 133 f. Dunkelziffer 12, 76, 117, 162

Ehre 14, 38, 77, 79 f., 86, 88–91, 123– 125, 133, 135, 159–163 Ewiger Landfriede 9, 24, 35, 37 Familie 16, 19, 36, 73, 81 f., 88, 97, 100, 102, 114, 136 f., 142–144, 156, 161 Fasten 129–131, 158 Fastnacht (siehe auch Karneval) 106– 108, 128 Fehdeverbot 24, 69 Feldfrevel 9, 18, 21 f., 49–55, 62–64, 68, 80, 85, 93, 98, 113–119, 125, 134, 137, 140, 145, 148 f., 152, 156, 158 f., 161– 163 Feuer 70 f., 98, 111–113, 132, 145 Fische fangen 98, 119 f., 141, 160 Fleisch 33, 99 f., 129 f., 158, 160 Flurschütze 21, 54–63, 113–118, 125, 148, 159, 162 Frauenhaus 83, 85–88, 137

178

Register

Frieden 10 f., 34, 69–75, 82, 88 f., 93–97, 109, 158–160, 162 f. Fuhrdienste 126 f., 139, 141 Garten 74–76, 80, 96, 118, 134, 157 Geselligkeit 78, 83, 86, 88, 98, 103 Gewalt 11, 13 f., 19, 70, 73–83, 86–89, 92–97, 101, 132, 135 f., 159–161 Gilde 33, 37–39, 42, 71, 98, 100–102, 109, 142, 148, 161 Gnade 10, 40, 139, 144, 151, 153 f., 162 Hafer 75, 100, 105, 111–113, 117–119, 127, 139–142 Halsgerichtsbarkeit 32, 34 Hand- und Spanndienste (siehe auch Fuhrdienste) 126, 141, 158 Handel 25, 98, 102, 121, 133 Handwerk 25, 42, 69, 98–103, 107, 121, 141, 161 Hausfriedensbruch 18, 50, 72–78, 83, 86–94, 101, 104, 107, 123 f., 132 f., 137–139, 141, 156 f., 159, 161 Hochzeit 15, 69, 88, 103–107 Hofgericht 25 f., 45, 47 Holzfrevel 19, 50 f., 98, 119–122, 137, 140, 145, 156, 162 Karneval (siehe auch Fastnacht) 103, 105–108 Körperverletzung 73, 93, 157 Landgericht am Westertor (siehe auch: Westergericht) 35, 46 Landgerichtsordnung 27, 37, 47 Messerstecherei 73, 92–94, 104, 106, 132 Messer zücken 77, 92, 110 Mühle 102, 112 Müller 102, 110 Oberland(es)gericht 44, 47 Rathaus 30, 43, 70 f., 83–85, 87 f., 104, 113, 121, 141 f., 148 Reformation 66, 87, 106–108, 127 f. Reichskammergerichtsordnung 24 f. Reichspolizeiordnung 17, 24 Ruhestörung 73, 94, 158 Sachbeschädigung 74, 76, 80 Schimpfworte 73, 89–91, 132

Schlägerei 73, 75–77, 82 f., 89, 93 f., 101, 132 f., 137, 141 Schöffen 27, 30 f., 45 f. Sonn- und Feiertagsheiligung 128–131 Soziale Kontrolle 13 f., 16, 76, 79, 84, 96, 118, 159 Spielen 84, 101, 108 f., 131, 135, 137, 142, 160 Stadtfrieden 69, 155 Stadtgericht 27 f., 30–33, 41–46, 96 f. Stadtmauer 35, 69, 78, 83, 86, 96 Stadtschreiber 43, 45, 48, 54, 63, 65, 78, 131, 137 f. Streit 10, 16, 21, 34–39, 46, 71, 73, 76– 82, 93, 96, 101 f., 112 f., 116 f., 123, 130, 138, 141, 155 f., 159–161 Tanzen 69, 104–107, 131, 135, 140, 160 Teilzahlungen 64, 144 Thorenkasten 83 Totschlag 38 f., 41, 50, 72 f., 75, 95–97, 132, 155–157 Untergerichtsordnung 25, 27, 45, 47 Verkauf von zu versteuerndem Gut 133, 157 Verleumdung 89, 91, 132 Vorkauf 102 Waffen 70, 77, 88, 91 f., 104 f., 132, 135, 160 Wald 120–122, 162 Wein 64, 84 f., 88, 91, 149, 159, 161 Westergericht (siehe auch: Landgericht am Westertor) 27, 36, 45 f. Wilderei 19, 119 f. Wirtshaus 83 f., 86, 105 Wunden 73, 89, 91 f., 94 Zahlungsmodalitäten 22, 64, 124, 134, 138–140, 144 Zahlungsmoral 17, 22, 138 f., 149–154, 162 f.

Ortsregister

179

8.3 Ortsregister Basel 97, 101, 131, 161 Bösekendorf 46 Braunschweig 33, 39, 83, 107, 149 Breitenberg 34 f., 46, 50, 55, 57, 59, 60–62, 127, 131 Brehme 110 Brescia 17, 152 Brochthausen 34 f., 46, 50, 55, 57, 59–62 Desingerode 34, 40, 50, 54–56, 58, 60–62, 96, 126, 130, 156 Eichsfeld 21, 24–27, 30, 35–37, 40, 46 f., 66, 69 Esplingerode 34, 40, 50, 54–56, 58, 60–62, 117, 126, 156 Fuhrbach 34, 46, 50, 55, 57, 59–62 Gerblingerode 34, 46, 50, 55 f., 58, 60–62, 112, 134, 141 Germershausen 34, 40, 50, 54–56, 58, 60– 62, 117, 126, 156 Göttingen 102, 103, 107, 118 Heiden 18–19, 90, 117 f. Hildesheim 107 Hilkerode 34 f., 46, 50, 55, 57, 59–62, 90 Immingerode 34, 46, 50, 55 f., 58, 60–62, 96 Kleines Viertel 50 Köln 16, 19, 86, 95, 131, 137, 151 Konstanz 10, 17, 77, 84, 86, 90–92, 94, 99, 107, 125, 131 f., 136, 141, 144, 147, 153 f., 157 f., 161 f. Langenhagen 34, 46, 50, 55, 57, 59–62, 129 f. Mainz 24–27, 29, 35–37, 41, 45, 47, 66, 149, 155 Mingerode 34, 46, 50, 55, 57, 59–62 Nesselröden 46, 50, 54–56, 58, 60, 62, 76, 104, 108, 114, 126, 130 f. Neuendorf 46 Nürnberg 10, 14, 17 f., 87, 90 f., 93, 97, 102 f., 109 f., 125, 131, 136 f., 145, 154 Obertor 50 Pfarrviertel 50 Sackviertel 50, 78, 86 Schwarzwald 81

Seulingen 34, 40, 50, 55 f., 58, 60–62, 126 f., 141, 145, 156 Steintor 50, 86, 96 Stubenviertel 50 f. Tiftlingerode 34, 46, 50, 55 f., 58, 60–62 Werxhausen 34 f., 40, 50, 55 f., 58, 60–62, 108, 126, 156 Westerode 34, 46, 50, 55, 57, 59–62, 117, 126 Westertor 35, 46, 50, 83, 86 Zürich 17, 90 f., 131 f., 135, 153, 160 f.