Krebs: Neue Chancen auf Gesundheit [1. Aufl.] 9783662613535, 9783662613542

Krebs ist besser behandelbar geworden, als die meisten Menschen vermuten. Schon heute können 2 von 3 Patienten mit Krebs

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Krebs: Neue Chancen auf Gesundheit [1. Aufl.]
 9783662613535, 9783662613542

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XI
Wie entsteht Krebs? (Wilhelm Holtkamp)....Pages 1-12
Krebs vorbeugen (Wilhelm Holtkamp)....Pages 13-27
Krebs rechtzeitig erkennen (Wilhelm Holtkamp)....Pages 29-59
Diagnostik bei Krebsverdacht (Wilhelm Holtkamp)....Pages 61-72
Krebs bekämpfen (Wilhelm Holtkamp)....Pages 73-86
10 Regeln für Ihren Kampf gegen Krebs (Wilhelm Holtkamp)....Pages 87-98
Therapie der 10 häufigsten Krebserkrankungen (Wilhelm Holtkamp)....Pages 99-116
Back Matter ....Pages 117-120

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Wilhelm Holtkamp

Krebs Neue Chancen auf Gesundheit

Krebs

Wilhelm Holtkamp

Krebs Neue Chancen auf Gesundheit

Wilhelm Holtkamp Bad Zwischenahn, Deutschland

ISBN 978-3-662-61353-5 ISBN 978-3-662-61354-2  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61354-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Fotonachweis Cover © flashmovie/stock.adobe.com Lektorat: Fritz Kraemer Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort

Beunruhigt, aber auch etwas ungehalten, stellte sich Klaus Berner in meiner Sprechstunde vor. Er hatte eine ungewöhnlich lange Fahrt auf sich genommen, um sein medizinisches Anliegen anzusprechen. „Man hat mir mitgeteilt, ich hätte nur noch ein Jahr zu leben und mir geraten, meine Angelegenheiten zu regeln. Das kann ich nicht akzeptieren.“ Die Darmkrebsoperation hatte er zwar gut überstanden, aber während des Eingriffs entnommene Proben zeigten eine bereits fortgeschrittene Krebserkrankung mit Streuung in Bauchhöhle und Leber. Von seinem Beruf als selbstständiger Kaufmann gewohnt, Lebensentscheidungen selbst zu treffen, sah er sich jetzt mit einem Schicksal konfrontiert, das er anscheinend nicht ändern konnte. Durch die furchtbare Diagnose war er zunächst wie paralysiert, aber dann zur Auffassung gelangt, dass eine kampflose Kapitulation trotz der scheinbar verschwindend geringen Heilungsaussichten für ihn nicht infrage komme. Im Bewusstsein, dass es nicht einfach werden würde, entschloss er sich, einer weiteren Behandlung eine Chance zu geben. Das Gespräch liegt 10 Jahre zurück. Der Krebs ist seit Abschluss der Behandlung nicht mehr zurückgekehrt. Herr Berner ist beschwerdefrei, arbeitet wieder in seinem Betrieb, den er nach Eröffnung der Krebsdiagnose übereilt verkauft hatte, und ist beruflich voll engagiert. Krebs überleben? Geht das überhaupt? Ist Krebs nicht ein Schicksal, das trotz aller Fortschritte unweigerlich früher oder später zum Tod führt? Sich einem vermeintlich unabwendbarem Schicksal zu fügen, ist bei der Diagnose Krebs heute nicht mehr angebracht. Krebs ist besser behandelbar geworden, als es die meisten Menschen vermuten. Schon heute kann die Mehrzahl der Patienten mit Krebs dauerhaft geheilt werden. Die unheimliche Krankheit Krebs beginnt, viel von ihrem Schrecken zu verlieren und wird zunehmend vergleichbar mit anderen heilbaren Erkrankungen. Eine Besonderheit aber bleibt: Krebs tritt in außergewöhnlich vielfältigen Ausprägungen, unterschiedlichen Erscheinungsformen und Verläufen auf, was eine ebenso komplexe, an den individuellen Patienten angepasste („personalisierte“) Therapiestrategie erfordert. Aus diesem Grund ist die Behandlung von Krebs meistens umfangreicher und oft auch eingreifender als die anderer Krankheiten. Dieses Buch orientiert Sie über die vielfältigen Behandlungsstrategien, die heute gegen Krebs eingesetzt werden. Die aktuelle Behandlung der häufigsten Krebsarten wird erklärt und es wird ausführlich dargestellt, worauf es für Sie bei V

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Vorwort

einer Krebstherapie am meisten ankommt. Zehn Regeln aus meiner klinischen Praxis helfen Ihnen, den Kampf gegen Krebs besser zu führen und leichter zu meistern. Krebserkrankungen nehmen auf der ganzen Welt dramatisch zu. Warum das so ist und was man heute über die Krebsentstehung weiß, wird im einleitenden Kapitel dargestellt. In Deutschland erkrankt bereits fast jeder zweite Mensch im Lauf seines Lebens an Krebs – mit zunehmender Tendenz. Dieser Entwicklung müssen Sie nicht tatenlos zusehen! Krebs ist zwar meistens eine Erkrankung des höheren Lebensalters, aber die Grundlagen für die spätere Krebserkrankung werden bereits in jungen Jahren gelegt. Vertrauen Sie nicht nur auf ihr Glück, sondern werden sie selbst aktiv! Tatsächlich können die meisten Krebserkrankungen durch Vorbeugung und Früherkennung vermieden werden. Sie finden in diesem Buch konkrete Ratschläge, wie Sie Krebs vorbeugen und wie er rechtzeitig entdeckt werden kann. Eine erbliche Vorbelastung oder bestimmte Vorerkrankungen erhöhen noch zusätzlich das individuelle Risiko, an Krebs zu erkranken. Die „gesetzliche“ Standardvorsorge reicht dann oft nicht mehr aus. Es ist immer noch zu wenig bekannt, dass in diesem Fall die Vorsorge individuell angepasst werden sollte. Wie die moderne Krebstherapie, sollte auch die Krebsvorsorge personalisiert sein. Der Kampf gegen Krebs wird auch noch in absehbarer Zukunft eine der größten Herausforderungen der modernen Medizin bleiben. Es ist aber an der Zeit, den Mythos, den die Krebserkrankung immer noch umgibt, durch Aufklärung, Wissen und Handeln zu ersetzen. Nutzen Sie Ihre Chance auf Gesundheit mit den neuen Möglichkeiten der Vorbeugung, Früherkennung und Therapie! Prof. Dr.Wilhelm Holtkamp

Danksagung

Die Wiedergabe von Tristan und Pappochelys rosinae erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Museums für Naturkunde Berlin, Leibnitz Institut für Evolutions- und Biodiversivitätsforschung, Herrn PD. Dr. Oliver Hampe und Frau Yara Haridy sowie Herrn Niels Nielsen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Charlie Boone, Phd, FRSC Donelly Centre for Cellular and Biomolecular Research, University of Toronto für den anregenden Kommentar und die Genehmigung, die Abb. „A genetic map showing interactions between genes in a cell“ in diesem Buch verwenden zu dürfen. Frau Dr. phil. Christine Boving danke ich für die freundliche Durchsicht des Manuskriptes.

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Inhaltsverzeichnis

1 Wie entsteht Krebs?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Krebs vorbeugen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3 Krebs rechtzeitig erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4 Diagnostik bei Krebsverdacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5 Krebs bekämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 6 10 Regeln für Ihren Kampf gegen Krebs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 7 Therapie der 10 häufigsten Krebserkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

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Über den Autor

Prof. Dr. med Wilhelm Holtkamp Nach dem deutschen und amerikanischen medizinischen Staatsexamen Forschung am Max-Planck-Institut Göttingen und klinische Tätigkeit als Facharzt für Krebsmedizin an den Universitätskliniken Göttingen und Münster, den Maria-Hilf Kliniken Mönchengladbach und bis 2017 als Direktor der Medizinischen Klinik Ammerland, einem Lehrkrankenhaus der Universität Hannover. Habilitation und Ernennung zum apl. Professor an der Universität Göttingen. Seine Arbeiten zur hormonellen Regulation der Mammakarzinome wurden mit dem Carlo-Erba-Preis der Arbeitsgemeinschaft für Internistische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft ausgezeichnet.

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Wie entsteht Krebs?

Inhaltsverzeichnis Krebs – der blinde Passagier des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Das Gleichgewicht von Zellverbrauch und Zellersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Kopierfehler und deren Reparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Freie Radikale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Äußere Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Anhäufung von Mutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Der blinde Passagier wird zum Steuermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Die 8 Eigenschaften von Krebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Der Krebs wird manifest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Krebs – der blinde Passagier des Lebens Krebs ist nicht nur so alt wie das Leben, er ist wahrscheinlich auch eine unvermeidbare Begleiterscheinung des Lebens in der Form, wie es auf unserem Planeten entstanden ist. Bereits in Knochen von 150 Millionen Jahre alten Dinosauriern wurde Knochenkrebs nachgewiesen. Auch in Skeletten von Menschen aus der Steinzeit, Ureinwohnern aus der vorkolumbianischen Zeit und sogar bei 2 Millionen Jahre alten Vorläufern des Menschen fand man Hinweise auf Knochentumore und -metastasen (Abb. 1.1). Krebs ist also nicht erst mit der Zivilisation, Umweltverschmutzung und Industrialisierung aufgetreten, sondern ist offensichtlich eine Erkrankung, die bei allen komplexen mehrzelligen Lebewesen entstehen kann, oder – wie wir noch sehen werden – fast zwangsläufig entstehen muss.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Holtkamp, Krebs, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61354-2_1

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1  Wie entsteht Krebs?

Abb. 1.1  T-Rex „Tristan“ im Naturkundemuseum Berlin (links). Knochenkrebs im linken Oberschenkelknochen eines 240 Mio. Jahre alten Reptils (rechts). Nicht nur an zahlreichen Dinosaurierskeletten, wie dem T-Rex „Tristan“ finden sich Hinweise auf Knochentumore. 2008 wurden in einem Kalksteinbruch bei Vellberg, etwa 80 km nordöstlich von Stuttgart, 20 Exemplare der Reptilienart Pappochelys rosinae entdeckt. Der Vorläufer der Schildkröte lebte vor 240 Mio. Jahren im mittleren Trias, also zur Zeit der ersten Dinosaurier. Unter den Fossilien fand sich auch ein Oberschenkelknochen mit einer auffallenden Wucherung. Die computertomographischen Untersuchungen des Knochens am Naturkundemuseum Berlin und der Charité ergaben, dass das Tier an einem Knochenkrebs (Osteosarkom) erkrankt war. Dieser äußerst bösartige Tumor ist noch heute einer der häufigsten Krebsarten bei Kindern und Jugendlichen. Die Entdeckung, die 2019 im angesehenen amerikanischen Fachblatt JAMA Oncology publiziert wurde (Haridy 2019), zeigt, dass Krebs keine Zivilisationskrankheit ist, sondern eine uralte, tief in den Genen aller Lebewesen verwurzelte Erkrankung, die uns wie ein blinder Passagier seit Jahrmillionen begleitet. (Mit freundlicher Genehmigung des Museums für Naturkunde, Berlin) (Haridy und Witzmann 2019)

Das Gleichgewicht von Zellverbrauch und Zellersatz Wie kann es dazu kommen, dass aus einer einzelnen gesunden Körperzelle ein unkontrolliert wachsender Krebs wird? Unser Körper besteht aus ca. 37 Billionen Zellen. Bei einem erwachsenen Menschen sterben in jeder Sekunde rund 50 Millionen Zellen ab und werden durch exakte Kopien ersetzt (Bianconi 2013). Diese Notwendigkeit einer ständigen, lebenslangen Zellerneuerung ist eine der Voraussetzungen für die Krebsentstehung. Die Zellerneuerungsrate ist in den verschiedenen Organen sehr unterschiedlich. Am schnellsten werden Blutzellen ausgetauscht. Auch die Zellen der Hautoberfläche oder der Innenwand des Darms verbrauchen sich aufgrund der starken mechanischen Beanspruchung schneller als die der meisten anderen Organe und werden daher innerhalb von einigen Tagen

Kopierfehler und deren Reparatur

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ersetzt. Die Leber als zentrales Entgiftungsorgan erneuert sich vollständig in weniger als 2 Jahren, Fett- und Knochenzellen erst nach 8 bis 10 Jahren (Spalding 2005). Nur wenige Zellen des Körpers bleiben, wenn sie nicht durch äußere Einflüsse zerstört werden, lebenslang bestehen; hierzu zählen die Nervenzellen des Gehirns, da sie Informationen für die Dauer des Lebens speichern müssen, die Zellen der Augenlinse, Eizellen und die Sinneszellen des Innenohres. Mit Ausnahme der letztgenannten Organe ist Ihr Körper also – egal welches Alter in Ihrem Pass steht – tatsächlich höchstens 10 Jahre alt! Im gesunden Organismus besteht ein gut kontrolliertes Gleichgewicht von Zellneubildung, Zellausreifung und Zelltod. Das Programm für ein normales Funktionieren der Zellteilung ist in der Erbsubstanz (DNA) aller Körperzellen abgelegt. Körperzellen werden in großen Mengen von Vorläuferzellen (sog. multipotenten Progenitorzellen) gebildet, die sich – allerdings zeitlich begrenzt – auch selbst erneuern können. Aus ihnen entstehen die verschiedenen Gewebe, wie z. B. Haut, Darm oder Leber. Bedarfsgesteuert sorgen sie für den stetigen Zellnachschub. Die Vorläuferzellen wiederum werden ihrerseits von wenigen Stammzellen gebildet, die sich im Gegensatz zu allen übrigen Körperzellen lebenslang selbst erneuern können und damit potenziell unsterblich sind. Sie sind derartig effektiv, dass sich z. B. aus einer einzelnen Stammzelle das gesamte blutbildende System erneuern kann! (Haas et al. 2018) Stammzellen sind die stille Zellreserve des Körpers; sie teilen sich selbst eher selten und liegen geschützt in bestimmten Nischen der Organe. Die übrigen Körperzellen gehen spätestens nach 40 Zellteilungen durch ein in der Erbsubstanz festgelegtes Selbstvernichtungsprogramm (Apoptose) zugrunde.

Kopierfehler und deren Reparatur Bei jeder Zellteilung muss die gesamte Erbinformation auf die Tochterzellen kopiert werden. Die in der DNA codierte Erbinformation ist im Zellkern gespeichert. Die im Erbgut enthaltende Datenmenge umfasst 1,4 Gigabyte, was dem Informationsgehalt von etwa 750 Büchern oder 2 CDs entspricht. Diese Datenmenge enthält alle für die Entstehung und das Funktionieren unseres Körpers notwendigen Informationen. Im Rahmen des sehr komplexen Kopiervorgangs treten auch ohne den Einfluss äußerer Störungen Fehler auf, die zu einer Änderung der Erbsubstanz führen können. Man nennt diese Kopierfehler Mutationen (abgeleitet vom lateinischen mutare: sich ändern). Die Wahrscheinlichkeit für eine einzelne Mutation wird pro Zellteilung auf 1:10 Milliarden kopierter Informationen geschätzt. Das scheint zunächst äußerst selten zu sein; da jedoch jede Körperzelle eine Datenmenge von 1,4 Gigabyte enthält, kommt es bei jeder Zellteilung zu mindestens einer Mutation. Während ausgereifte Zellen nur eine begrenzte Lebensdauer aufweisen, bevor sie auf natürliche Weise zugrunde gehen, sind Mutationen in Stammzellen besonders schwerwiegend, da die Kopierfehler für die Dauer des gesamten Lebens an alle aus einer einzelnen Stammzelle hervorgehenden Körperzellen weiter gegeben werden. Betreffen die Mutationen Stammzellen von Ei- und Spermienzellen, werden Sie sogar auf kommende Generationen weiter vererbt.

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1  Wie entsteht Krebs?

Mutationen können das Erbgut der Zelle so verändern, dass es zu Störungen des Gleichgewichts von Zellverbrauch und Zellneubildung und damit zur Entstehung von Krebs kommt. Damit diese unvermeidlichen Kopierfehler folgenlos bleiben, hat der Organismus im Laufe der Evolution zahlreiche, sehr effiziente Mechanismen entwickelt, um die meisten Fehler sofort zu erkennen und zu reparieren. Ohne diese Reparaturmechanismen würden alle Lebewesen bereits in sehr jungem Lebensalter unweigerlich an Krebs erkranken. Die Reparaturmechanismen der Zelle sind extrem gut wirksam; so ist beispielsweise die Fehlerrate bei der Kopie einer CD 60.000 mal höher als die Fehlerrate bei der Kopie des Erbguts!

Freie Radikale Kopierfehler sind aber nicht die einzige mögliche Ursache für die Krebsentstehung. In den Körperzellen bilden sich auch während normaler Stoffwechselvorgänge laufend Stoffe, die Mutationen auslösen können und die Krebsentstehung fördern, wenn sie nicht rechtzeitig neutralisiert werden. Diese schädlichen Substanzen („freie Radikale“) fallen insbesondere bei der Energiegewinnung innerhalb der Zelle oder auch bei Entzündungen vermehrt an. Die Fähigkeit des Körpers, mit diesen Giften umzugehen, sie zu neutralisieren und auszuscheiden, ist individuell unterschiedlich, genetisch festgelegt und beeinflusst das Krebsrisiko.

Äußere Einflüsse Neben derartigen Ursachen, die ihren Ursprung innerhalb der Zelle haben, kommen noch eine Vielzahl von äußeren Einflüssen hinzu, die zu Mutationen führen und damit das Krebsrisiko erhöhen. Der Mensch ist – auch in seiner natürlichen, ursprünglichen Umwelt – ständig umgeben von zahlreichen krebserregenden Faktoren (Karzinogenen), die wir über die Nahrung, Haut oder Luft aufnehmen oder die in Form von Strahlung auf uns einwirken. Hierzu zählen zahlreiche pflanzliche Gifte, wie z. B. Aflatoxine, bestimmte Bakterien und Viren, natürliche radioaktive Strahlung oder UV-Licht. Aflatoxine sind Schimmelpilzgifte, die sich in Nahrungsmitteln bilden können und zu den stärksten krebsauslösenden Substanzen überhaupt gehören. Andere äußere krebsauslösende Faktoren, wie z. B. Asbest, Feinstaub oder Industriechemikalien verschiedenster Art, sind erst durch Einwirkung des Menschen in die Umwelt freigesetzt worden oder sind direkt auf menschliches Verhalten zurückzuführen, wie z. B. das Tabakrauchen, eine ungesunde Ernährung oder ein übermäßiger Alkoholgenuss (Abb. 1.2).

Anhäufung von Mutationen

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Abb. 1.2  Krebs entsteht nicht plötzlich, sondern entwickelt sich unbemerkt über einen Zeitraum von 10 bis 20 Jahren aus einer einzelnen Körperzelle. In dieser Zeit häufen sich in der zunächst gesunden Körperzelle nach und nach kritische Mutationen an. Auf jedem der Schritte kann die Entwicklung zu Krebs noch gestoppt werden. Die Zelle besitzt Reparaturmechanismen, mit denen sie durch Mutationen ausgelöste Fehlfunktionen beheben oder sich selbst zerstören kann, lange bevor Krebs entsteht. Erst wenn die Zelle alle 8 kritische Eigenschaften erworben hat („full house“), wird sie zur Krebszelle. Wie viele Mutationen wir ansammeln, wird von der Menge an Karzinogenen, denen wir im Laufe unseres Lebens in der Umwelt ausgesetzt sind, oder uns freiwillig aussetzen, der genetisch festgelegten Funktion unserer Zellentgiftungsmechanismen und dem Zufall bestimmt. Ein gesunder Lebensstil, unser Immunsystem und weitere Faktoren können die Entstehung von Krebs verhindern, indem sie beeinflussen, wie häufig wir uns Mutationen aussetzen und auch wie oft mutierte Zellen repariert oder durch den kontrollierten Zelltod vernichtet werden. Krebs entsteht durch das Zusammenwirken all dieser Faktoren über einen langen Zeitraum hinweg, weswegen es in den meisten Fällen nicht möglich ist, eine einzelne konkrete Krebsursache festzustellen. Durch unsere Lebensführung können wir unser individuelles Krebsrisiko beeinflussen.

Anhäufung von Mutationen Obwohl die weitaus meisten Mutationen folgenlos bleiben oder repariert werden, entziehen sich einzelne Mutationen der Reparatur und verbleiben damit im Erbgut der betroffenen Zelle; sie werden bei jeder Zellteilung auf die Tochterzellen weitergegeben. Die einzelne Zelle „vergisst“ keine Mutation. Auch wenn eine einzelne Mutation fast nie ausreicht, um Krebs auszulösen, sammeln sich im Laufe des Lebens in jeder einzelnen Körperzelle weitere Mutationen an, sodass das Krebsrisiko mit zunehmendem Alter stetig zunimmt. Je häufiger und je länger ein Mensch Karzinogenen ausgesetzt ist, desto höher ist auch sein Risiko, Krebs zu bekommen. Die Tatsache, dass Krebserkrankungen weltweit immer häufiger werden, beruht darauf, dass wir immer älter werden, oder – anders formuliert – Krebs ist der Preis, den wir für unsere höhere Lebenserwartung bezahlen müssen.

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1  Wie entsteht Krebs?

Wenn Krebs bei vielzelligen Organismen also nahezu gesetzmäßig mit steigendem Alter zunimmt, stellt sich die Frage, warum die Natur im Lauf der Evolution keine noch wirksameren Schutzmechanismen gegen Mutationen und damit gegen die Häufung von Krebs in höherem Lebensalter entwickelt hat. Dafür werden derzeit meist 2 mögliche Erklärungen aufgeführt: In der Frühzeit der Menschheit verstarben die meisten Menschen in wesentlich jüngerem Alter als heute an den verschiedensten anderen Ursachen, jedoch nur selten an Krebs. Nur wenige Menschen erreichten ein höheres Lebensalter als 40 Jahre. Da in der Natur das Weiterleben meistens nach Ende der reproduktiven Phase endet, wenn es nicht bereits vorher durch andere Ursachen geendet hat oder beendet worden ist, bestand bisher in der Evolution keine unmittelbare Notwendigkeit, Strategien zu entwickeln, um das Überleben von Menschen über die reproduktive Phase hinaus zu verlängern (Greaves 2003). Denn das Überleben der Menschheit als Ganzes hängt nicht von der Zahl der Alten ab, oder anders gesagt: eine im Lauf der Evolution entstandene neue Eigenschaft, die mit einer niedrigeren Krebshäufigkeit bei Menschen jenseits der reproduktiven Phase einhergeht, würde nicht mehr ausreichend oft auf die Nachkommen vererbt werden können. Eine andere Erklärung erscheint jedoch noch plausibler zu sein: Da sich die Umweltbedingungen im Laufe der Entwicklung der Erde stetig änderten, mussten sich auch die Arten ständig anpassen und weiterentwickeln, um zu überleben. Das wäre nicht möglich, wenn die Organismen ihre Erbinformation völlig fehlerfrei ohne Änderung auf die nächsten Generationen übertragen würden. Um grundlegend neue Eigenschaften zu entwickeln, bedarf es Veränderungen am Erbgut. Obwohl viele Mutationen die Überlebenschance verschlechtern, können andere auch zu einer verbesserten Anpassung und zu einem entscheidenden Überlebensvorteil führen. Die Natur nimmt den Tod des einzelnen Individuums im Kauf, indem sie ständig mit Erbänderungen experimentiert, um das Überleben der ganzen Art durch Anpassung zu ermöglichen. Mutationen sind also notwendig, ohne sie gäbe es keine Evolution und damit auch keinen Menschen. Mutationen kommen häufig vor, können aber in gewissen Grenzen kompensiert werden. Wie blinde Passagiere sind sie zwar vorhanden, haben aber meistens noch keine negativen Auswirkungen auf die Zelle. Welche Mutationen entscheiden darüber, dass Krebs entsteht? Wie kann es so weit kommen, dass der blinde Passagier schließlich das Ruder übernimmt?

Der blinde Passagier wird zum Steuermann Treten Mutationen in unwichtigen Abschnitten der DNA auf, bleiben sie auch ohne Korrektur folgenlos. Im englischen Sprachraum nennt man sie daher auch passenger-Mutationen. Treten sie allerdings ausgerechnet in den DNA Abschnitten auf, die für die Reparatur der Erbsubstanz oder für die Zellteilung notwendig sind (driver – Mutationen), kann das ein erster Schritt zur Krebsentstehung sein. Gene, die für die Zellteilung erforderlich sind (Protoonkogene) sind streng kontrolliert und werden nur aktiviert, wenn eine Zellteilung erforderlich

Schutzmechanismen

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wird. Dies kann im Rahmen der Zellerneuerung oder bei Reparaturvorgängen, wie z. B. Verletzungen, notwendig werden. Andere Gene (Tumorsupressorgene) wirken den Protoonkogenen entgegen und stoppen das Zellwachstum, sobald es nicht mehr erforderlich ist. Der Mensch passt also seine Zellteilungen durch gezielte Aktivierung von Protoonkogenen und Tumorsuppressorgenen den unmittelbaren Erfordernissen des Lebens an. Eine Mutation kann nun zu einer unkontrollierten, anhaltenden Aktivierung eines Protoonkogens führen, was zu einer dauerhaften Stimulation der Zellteilung einer einzelnen Körperzelle führt. Man bezeichnet dieses mutierte, nicht mehr kontrollierte Protoonkogen dann als Onkogen (Krebsgen). Andererseits können Mutationen auch Tumorsuppressorgene inaktivieren; als Folge verliert die Zelle eine Wachstumsbremse, die sie normalerweise an der unkontrollierten Zellteilung hindert. Das Ergebnis ist in beiden Fällen eine ungehemmte Zellteilung, die Bremsen versagen, während die mutierte Zelle gleichzeitig Gas gibt. Die Fähigkeit zur unbegrenzten Zellteilung ist aber noch nicht Krebs, sondern nur ein erster Schritt in Richtung Krebs. Es müssen noch weitere Eigenschaften hinzukommen. Erst wenn es der mutierten Zelle gelingt, alle anderen Schutzbarrieren zu überwinden, manifestiert sich eine Krebserkrankung (Abb. 1.2).

Schutzmechanismen Neben der bereits erwähnten Möglichkeit, Mutationen auf Genebene zu reparieren und damit rückgängig zu machen, besitzt die Zelle noch weitere Schutzmechanismen. Alle vom Erbgut ausgehenden Signale werden innerhalb der Zelle wie bei einem Stafettenlauf kaskadenartig über Signalwege weitergereicht, bis sie an ihrem Zielort eine bestimmte Funktion, z. B. eine Zellteilung, auslösen. Überträger der Signale sind spezialisierte Eiweissmoleküle. Die zahlreichen, für alle Funktionen der Zelle notwendigen, unterschiedlichen Signalwege sind wechselseitig miteinander verbunden, überschneiden und regulieren sich gegenseitig (Constanzo et al. 2016). Mutationen können zwar dazu führen, dass einzelne Signalwege gehemmt oder aktiviert werden; da aber die Signalwege untereinander vernetzt sind, kann das Signal meist auch eine alternative Route nehmen, wenn ein einzelner Signalweg blockiert ist und so über Umwege doch noch das Ziel erreichen (Barabasi 2016). Die Vernetzung ähnelt dem Aufbau des Internets, bei dem eine einzelne lokale Störung auch nicht ausreicht, um einen vollständigen Zusammenbruch des Netzwerks auszulösen (Abb. 1.3). Die Signalübertragung der Zelle ist aber noch wesentlich komplexer, da sich die Signalwege wechselseitig regulieren und fehlerhaft aktivierte Signalketten von anderen, noch funktionierenden Signalwegen gehemmt werden können. Die Zelle hat damit die Möglichkeit, auch oberhalb der Ebene der DNA durch Mutationen ausgelöste Störungen in der Signalübertragung zu kompensieren (Abb. 1.3). Aber selbst wenn kritische Fehler im Erbgut nicht mehr repariert werden können und auch die Kontrolle durch Vernetzung der Signalwege versagt hat, gehen die weitaus meisten entarteten Zellen in diesem Stadium zugrunde.

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1  Wie entsteht Krebs?

Abb. 1.3  Die Signalübertragung innerhalb der Zelle (links) ist stark vernetzt und ähnelt dem Aufbau des Internet (rechts). Jeder Punkt entspricht einer Verknüpfung eines Signalwegs. Innerhalb der Zelle überkreuzen sich die vielen verschiedenen Signalwege mehrfach, sodass die Signalausbreitung an verschiedenen Stellen ihres Weges durch andere Signalketten verstärkt oder abgeschwächt werden kann („crosstalk“). Wie der Ausfall eines einzelnen Knotenpunktes die Informationsübertragung im Internet nicht beeinflusst, reicht eine Störung eines einzelnen Signalwegs in der Zelle nicht aus, um einen vollständigen Zusammenbruch des Netzwerks auszulösen. Da Signale innerhalb des Netzwerks mehrere alternative Routen nehmen können, sind in der Regel Störungen an mehreren kritischen Schnittpunkten des Netzwerkes erforderlich, bevor Krebs entstehen kann. (Quellen: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Internet_map_1024. jpghttp://science.sciencemag.org/content/353/6306/aaf1420)

Eine einzelne entartete, potenziell unsterbliche Zelle ist also noch nicht gleichbedeutend mit einer Krebserkrankung. Das kann daran liegen, dass einige Mutationen zwar die Zellteilung fördern, aber gleichzeitig andere Zellfunktionen so stören, dass die Zelle nicht mehr überlebensfähig ist. Als weitere Barriere gegen Krebs besitzt die Zelle die Möglichkeit, sich aktiv selbst zu zerstören, wenn Fehlfunktionen auftreten, indem sie ihr Selbstvernichtungsprogramm aktiviert. Damit schützt sie den übrigen Organismus, bevor sie ganz außer Kontrolle gerät. Auch unser Immunsystem bewahrt uns vor Krebs, indem es krankhaft veränderte Zellen erkennt und vernichtet. Immunzellen patrouillieren ständig in unserem Körper, nicht nur um eingedrungene Erreger, sondern auch auch um gealterte oder kranke Körperzellen zu beseitigen. Um der Immunüberwachung zu entgehen, müssen Krebszellen Strategien entwickeln, mit denen sie die Immunabwehr täuschen und ausschalten können.

Die 8 Eigenschaften von Krebs Aufgrund der vielfältigen Schutzmechanismen gelingt es nur sehr wenigen Zellen, den zahlreichen Kontrollen auf Dauer zu entgehen und langfristig zu überleben. In diesen Zellen können sich in einem Jahre – bis Jahrzehnte andauerndem Vor-

Der Krebs wird manifest

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gang zusätzliche Mutationen ansammeln, die zu weiteren Änderungen führen (Abb. 1.2). Wie in einem Evolutionsprozess erwirbt die entartete Zelle so nach und nach neue Eigenschaften, mit denen sie schließlich sämtliche Kontroll- und Reparaturmechanismen ausschalten oder umgehen kann. Krebs entsteht also nicht plötzlich, sondern ist der Endpunkt einer langen Reihe von bereits Jahre bis Jahrzehnte zuvor eingetretenen Genveränderungen. Während dieser Zeit wandelt sich eine einzelne, gesunde Zelle über mehrere Zwischenschritte in eine Krebszelle um. Damit aus einer gesunden Zelle schließlich Krebs wird, muss die Zelle eine Kombination von 8 kritischen Eigenschaften erworben haben (Hanahan 2011): • Unbegrenzte Zellteilung • Unsterblichkeit • Produktion von Wachstumsbeschleunigern • Resistenz gegenüber Wachstumshemmern • Gefäßneubildung • Optimierung des Energiestoffwechsels • Abwehr des Immunsystems • Gewebeinvasion und Streuung in entfernte Organe Reihenfolge, Anzahl, Art und Ausprägung der einzelnen Mutationen sind bei keinem Krebs genau gleich und können sogar zwischen einzelnen Zellen eines Tumors unterschiedlich sein. Entscheidend ist nur, dass die Zelle – auf welchem Weg auch immer – alle genannten Eigenschaften zusammen erworben hat. Die Krebszelle teilt sich jetzt ungehemmt und bildet Tochterzellen aus, die sich ihrerseits wiederum ungehemmt immer weiter teilen, sodass in kurzer Zeit ein rasch wachsender Zellhaufen (Tumor) entsteht. Durch den Wachstumsdruck beginnen die Krebszellen aus ihrem Verband auszubrechen und sich in den umgebenden gesunden Organstrukturen auszubreiten. Von dem wachsenden Tumor lösen sich Zellen ab, die über die Blut- und Lymphgefäßbahnen in andere Organe des Körpers verschleppt werden können (Metastasen). Die weitaus meisten Krebszellen gehen dabei zugrunde. Nur sehr wenigen Zellen gelingt es, sich in den anderen Organen festzusetzen.

Der Krebs wird manifest Infolge der beschleunigten Zellteilung hat der Tumor einen deutlich gesteigerten Energie- und Nährstoffbedarf und ist daher ab einer kritischen Größe von einigen Millimetern nicht mehr überlebensfähig. Viele Tumoren kommen über dieses noch ungefährliche Frühstadium nicht hinaus, stellen ihr Wachstum ein oder sterben ab. Nur wenn Krebszellen aufgrund weiterer Mutationen in der Lage sind, zusätzliche Energiereserven zu mobilisieren, können sie weiter wachsen. Hierzu aktivieren sie dauerhaft Stoffwechselwege, die zwar auch in gesunden Zellen vorhanden sind, aber von diesen nur dann genutzt werden, wenn schnell Energie

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für kurzzeitige Leistungsspitzen bereitgestellt werden muss. Zur weiteren nachhaltigen Verbesserung ihrer Energieversorgung setzen Krebszellen Faktoren frei, die gesunde Blutgefäße aus der Umgebung dazu veranlassen, in den Tumor einzuwachsen und neue Blutgefäße auszubilden. Auch dieser Mechanismus ist im Genprogramm aller gesunden Zellen angelegt, wird aber nur dann aktiviert, wenn Verletzungen repariert werden müssen. Die Blutgefäße wachsen mit dem immer größer werdenden Tumor mit und versorgen ihn mit Nährstoffen und Sauerstoff. Werden bösartige Tumore operativ entfernt, kann man die oft sehr großen, den Tumor durchziehenden Blutgefäße gut erkennen. Auf diese Weise gelingt es dem Tumor, sich auf Kosten des übrigen Organismus mit Energie zu versorgen und weiter zu wachsen. Das ungehemmte und sich stetig beschleunigende Tumorwachstum entzieht dem Körper kontinuierlich Energie. Spätestens ab diesem Zeitpunkt macht sich der Tumor durch Allgemeinsymptome wie Leistungsabfall, Gewichtsabnahme, Müdigkeit oder vermehrtes Schwitzen bemerkbar. Erst jetzt wird die Krebserkrankung als solche klinisch manifest. Löst der Krebs dagegen vorher lokale Symptome in dem Organ, in dem er entstanden ist aus, wie Kompression von umgebenden Gewebestrukturen, Schmerzen oder Funktionsstörungen, wird als schmerzloser Knoten getastet oder bei einer Routineuntersuchung zufällig entdeckt, liegt meist ein früheres Stadium mit günstigeren Heilungsaussichten vor. Ein wichtiges Ziel in der Bekämpfung von Krebs liegt also in seiner Früherkennung, lange bevor er sich durch Allgemeinsymptome bemerkbar macht.

Zusammenfassung Bis auf wenige Ausnahmen ist die Entstehung einer Krebserkrankung ein langsamer Prozess, der 10 bis 20 Jahre dauern kann und in mehreren Zwischenschritten abläuft. In diesem Zeitraum können sich infolge innerer und äußerer Einflüsse im Erbgut der Zelle Mutationen ansammeln, durch die sie nach und nach 8 kritische Eigenschaften erwirbt, die für eine Krebszelle typisch sind. Auf jedem der Schritte kann die Entwicklung zu Krebs noch gestoppt werden. Die Zelle besitzt vielfältige Kontroll- und Schutzmechanismen, mit denen sie durch Mutationen ausgelöste Fehlfunktionen rechtzeitig erkennen und beheben kann, lange bevor Krebs entsteht. Ohne diesen Schutz würde Krebs bei allen Organismen zwangsläufig und bereits in frühem Lebensalter auftreten. Nur wenn alle Schutzmechanismen versagen oder von der mutierten Zelle umgangen werden, kann Krebs entstehen. Aber selbst dann kann sich ein Tumor noch spontan zurückbilden, wenn Tumorzellen die neuen Eigenschaften durch weitere Mutationen wieder verlieren oder die Zelloberfläche so verändert wird, dass sie vom Immunsystem als fehlerhaft identifiziert und beseitigt werden. Krebs entsteht also nicht plötzlich, sondern ist ein langsamer Prozess, bei dem 4 Phasen unterschieden werden können (Abb. 1.4). Die erste Phase der Gesundheit geht der Krebsentstehung voraus. Irgendwann im Verlauf des Lebens treten

Literatur

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Abb. 1.4  Die Krebserkrankung entwickelt sich schrittweise in 4 Phasen. In jeder Phase wird Krebs auf unterschiedliche Art bekämpft. Obwohl Krebs schon in Phase III vorhanden ist, wird er erst in der letzten Phase als Krankheit wahrgenommen

die ersten Mutationen auf (Phase 2). Später kommen weitere kritische Mutationen hinzu, bis die erste Krebszelle, die alle kritischen Mutationen angesammelt hat, entstanden ist (Phase 3). Bis sich aus dieser einzelnen Zelle ein Tumor entwickelt hat, der zu Beschwerden führt, vergeht wiederum Zeit. In dieser Phase trägt der Patient zwar den Tumor bereits in sich, ist aber noch beschwerdefrei. Auch dieses Zeitintervall kann mehrere Jahre betragen. Erst in der letzten Phase kommt es zu Beschwerden (Phase 4). Erst jetzt wird der Krebs als Krankheit wahrgenommen und damit manifest. (Abb. 1.4). In jeder Phase kann Krebs auf unterschiedliche Art bekämpft werden: • in der Phase 1 durch eine Lebensweise, die dem Krebs vorbeugt, • in der Phase 2 durch die Erkennung und Beseitigung von Krebsvorstufen, • in der Phase 3 durch die Früherkennung und Beseitigung von Krebsgewebe und • in der Phase 4 durch die Behandlung der manifesten Krebserkrankung

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Krebs vorbeugen

Inhaltsverzeichnis Schützen Sie Ihre Gene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Rauchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Alkohol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Berufliche Exposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Übergewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 UV-Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Viren, Bakterien, Parasiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Schützen Sie Ihre Gene Unser individuelles Krebsrisiko hängt insbesondere von der Zahl und Art der Mutationen ab, die wir im Laufe unseres Lebens in unserem Erbgut anhäufen, während Erbfaktoren die kleinere Rolle spielen. Wie viele Mutationen wir ansammeln, wird von der Menge an Karzinogenen, denen wir während unseres Lebens ausgesetzt sind, oder uns freiwillig aussetzen, der genetisch festgelegten Funktion unserer zellulären Schutzmechanismen und auch dem Zufall bestimmt. Der Mensch ist bereits in seiner natürlichen Umwelt ständig von zahlreichen krebserregenden Faktoren umgeben. Hierzu zählen die in der Nahrung enthaltenen Karzinogene, bestimmte Bakterien und Viren, natürliche radioaktive Strahlung oder UV-Licht. Andere krebsauslösende Faktoren, wie z. B. Asbest, Feinstaub, oder Industriechemikalien verschiedenster Art, sind erst durch Einwirkung des Menschen in die Umwelt freigesetzt worden oder sind direkt auf menschliches Verhalten zurückzuführen, wie z. B. das Tabakrauchen, eine ungesunde Ernährung oder übermäßiger Alkoholgenuss.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Holtkamp, Krebs, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61354-2_2

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Abb. 2.1  Die meisten Krebserkrankungen werden durch unseren Lebensstil gefördert, ein kleinerer Teil beruht ausschließlich auf Zufall oder Vererbung und ist damit unvermeidbar. Schützen Sie ihre Gene, indem Sie Karzinogene vermeiden ([M] © Wilhelm Holtkamp/Mooi Design/shutterstock)



Wir können unsere Gene schützen und unser individuelles Krebsrisiko vermindern, indem wir durch eine gesunde Lebensführung Karzinogene vermeiden (Abb. 2.1).

Rauchen Sie werden bestimmt jemanden kennen, der seit vielen Jahren raucht und völlig gesund erscheint. Dazu kann man nur sagen: Bislang Glück gehabt! Leider sieht die Realität anders aus. Rauchen tötet mehr Menschen als Alkohol, Rauschgiftsucht, Verbrechen, Selbstmorde, Autounfälle und AIDS zusammengenommen. 30 % aller Todesfälle sind auf die Folgen des Rauchens zurückzuführen. Das Rauchen von Tabak ist auch die mit Abstand häufigste Krebsursache. Fast die Hälfte aller Krebsarten in Westeuropa und fast 90 % aller Lungenkarzinome werden durch Tabakrauch verursacht! Die im Tabakrauch enthaltenen Karzinogene werden nicht nur in der Lunge, sondern auch in der Mundhöhle, Speiseröhre und dem gesamten Magen- Darmtrakt aufgenommen und über die Harnwege ausgeschieden. Neben Lungenkarzinomen werden daher auch andere Karzinome durch Tabakrauch begünstigt; hierzu zählen Karzinome der Mundhöhle, des Kehl-

Alkohol

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kopfes, der Speiseröhre, der Bauchspeicheldrüse, des Darms und der ableitenden Harnwege. In der klinischen Praxis begegnet man deswegen oft Rauchern, die gleichzeitig an einem Lungen- und Harnblasenkrebs leiden. Seit dem Aufkommen der Zigarette vor 160 Jahren ist das Lungenkarzinom eine der häufigsten Krebsarten geworden, an der allein in Deutschland jedes Jahr 57.000 Menschen erkranken (RKI 2019). Tabakrauch enthält mindestens 4000 verschiedene Chemikalien, von denen 55 als karzinogen eingestuft werden. Die Lungen eines Mannes, der 40 Jahre lang stark geraucht hat, mussten in dieser Zeit mit 7 bis 8 kg Teer fertig werden. Regelmäßiges Rauchen über Jahre führt zur Ansammlung von irreversiblen Genschäden in den exponierten Körperzellen. Das Krebsrisiko steigt mit der Menge der gerauchten Zigaretten und der Jahre in denen geraucht wurde, an. 

Die wichtigste Regel in der Vorbeugung von Krebs ist daher, nicht zu rauchen.

Nichtraucher haben im Vergleich zu langjährigen Rauchern ein deutlich niedrigeres Krebsrisiko. Trotzdem kann Lungenkrebs auch bei Nichtrauchern auftreten und viele Menschen erkranken trotz lebenslangen Rauchens nicht. Das liegt daran, dass – wie wir im ersten Kapitel gesehen haben – Karzinogene im Tabakrauch oft Jahrzehnte einwirken müssen, bis ein Raucher schließlich Lungenkrebs entwickelt und viele Raucher vorher an anderen, durch Tabakkonsum verursachten Krankheiten wie Herzinfarkt, Arteriosklerose und Schlaganfall versterben und damit den Ausbruch ihrer Krebserkrankung nicht mehr erleben. Bei anderen Rauchern haben besonders effiziente Entgiftungsmechanismen in den Körperzellen bislang verhindern können, dass Krebs entsteht, sodass sie die mit jeder Zigarette näher rückende Schwelle zum Krebs noch nicht überschritten haben. Andere haben zwar viele Mutationen angesammelt, aber durch Zufall ist es noch zu keiner Mutation in kritischen Genen gekommen. Neben den tödlichen Folgen ist Rauchen teuer, verfärbt die Zähne, führt zu vorzeitiger Hautalterung, besonders im Gesicht, zu Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit, chronischen Lungenproblemen und verkürzt die Lebenszeit um 5 bis 8 Jahre. Eigentlich genug Gründe das Rauchen zu beenden!

Alkohol Sie haben es sicher schon geahnt: nach der Darstellung der verheerenden Folgen des Rauchens folgt meistens auch ein Plädoyer gegen den übermäßigen Alkoholkonsum. Kurz gesagt: Unabhängig von seinen zahlreichen anderen gesundheitlichen Nachteilen ist Alkohol selbst kein direktes Karzinogen. Bei der Verstoffwechselung des Alkohols, der in den Schleimhäuten des oberen MagenDarmtraktes und vor allem in der Leber stattfindet, entstehen allerdings Stoffe mit karzinogener Wirkung, wie z. B. Acetaldehyd. In einigen alkoholhaltigen Getränken, insbesondere fassgelagerten Spirituosen, wie Portwein, Sherry oder

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einige Obstbränden, ist Acetaldehyd in größeren Mengen sogar bereits als Begleitsubstanz enthalten. Bei nicht luftdichter Lagerung kann sich der Gehalt dieses Giftes noch weiter erhöhen. Nebenbei bemerkt, gilt Acetaldehyd auch als einer der Hauptursachen des „Katers“. Insbesondere die Kombination von Rauchen und Alkohol führt zu einer deutlich höheren Rate von Karzinomen der Mundhöhle, des Rachens, der Speiseröhre, des Magens und Leber. Als Ursache wird u. a. vermutet, dass Alkohol ein Lösungsmittel für Karzinogene aus dem Tabakrauch darstellt und dadurch deren Aufnahme über die Schleimhäute begünstigt. Weitere Ursachen für den Zusammenhang zwischen hohem Alkoholkonsum und Krebs sind die Fehlernährung chronischer Alkoholiker und das gehäufte Auftreten von chronischen Entzündungen der Leber und der Bauchspeicheldrüse bei diesen Menschen. Alkohol in größeren Mengen, regelmäßig oder in Verbindung mit Tabak konsumiert, wirkt daher besonders krebsfördernd und sollte unbedingt vermieden werden. Aber auch ein regelmäßiger Alkoholkonsum in kleineren Mengen begünstigt die Entstehung von Übergewicht und damit ebenfalls indirekt auch das Krebsrisiko. Ein Zusammenhang zwischen mäßigem Alkoholkonsum und anderen Krebsformen, insbesondere Magen-, Brust- und Dickdarmkrebs gilt zwar aufgrund von zahlreichen Studien als nachgewiesen, scheint aber – im Vergleich zum Rauchen – geringer zu sein. Deswegen schwanken die internationalen Angaben zur noch unbedenklichen Höchstmenge Alkohol beträchtlich. Einige Fachgesellschaften vertreten sogar den Standpunkt, dass Alkohol in jedweder Menge als krebserregend einzustufen und Angaben zu Höchstmengen daher irreführend seien. Die Deutschen Gesellschaft für Ernährung rät in Ihrer neuesten Empfehlung, Alkohol nicht regelmäßig und am besten zu den Mahlzeiten zu trinken und eine Trinkmenge von maximal 20 g bei Männern und 10 g bei Frauen pro Tag nicht zu überschreiten. Dies entspricht weniger als 2 Gläsern Wein (Gesamtmenge 200 ml) oder 500 ml Bier pro Tag bei Männern oder 1 Glas Wein oder Bier pro Tag bei Frauen. Die unterschiedlichen Mengenangaben für Männer und Frauen haben ihre Ursache darin, dass Frauen im Durchschnitt weniger Körperwasser aufweisen als Männer und auch das Acetaldehyd langsamer abbauen.

Berufliche Exposition Derzeit sind 35 Karzinogene bekannt, die bei Menschen in bestimmten Berufen zu einer erhöhten Krebsrate führen können (Abb. 2.2). Als Folge von eingeatmetem radioaktivem Radongas treten im Zinn-, Feldspat-, Eisen- und insbesondere Uranbergbau bei ungeschützten Arbeitern häufig Lungenkarzinome auf. Schätzungen zufolge verstarben allein im ostdeutschen Uranbergbau, der noch bis 1990 im Erzgebirge stattfand, 15.000 Grubenarbeiter an Lungenkrebs. Andere, durch die berufliche Tätigkeit ausgelöste Karzinome sind Tumore des Nasenrachenraums bei Arbeitern in der Chromindustrie oder wiederum Lungenkarzinome beim Umgang mit Asbest. Diese Karzinome sind als Berufskrankheit anerkannt. Im Gegensatz zu manchen Entwicklungsländern sind berufs-

Ernährung

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Abb. 2.2  Als die erste berufsbedingte Krebserkrankung wurde bereits im 18. Jahrhundert der bei Schornsteinfegern gehäuft auftretende Hodenkrebs erkannt. Schornsteinfeger wurden zur damaligen Zeit von kleinen Jungen im Alter von 5 oder 6 Jahren begleitet, die aufgrund ihrer geringen Größe besser in die oft heißen und verqualmten Abzugsröhren klettern konnten. Neben Lungenkrankheiten kam es bei diesen Kindern nach einigen Jahrzehnten vermehrt zu Hautkrebs im Bereich der Hoden. Diese Form der Kinderarbeit wurde erst 1875 mit der Einführung einer Berufslizenz für Schornsteinfeger in England verboten. Paradoxerweise gilt der „kleine Schornsteinfeger“ auch heute noch als ein Glückssymbol. (Pinterest, L. Klang)

bedingte Karzinome bei uns durch Schutzmaßnahmen erfreulicherweise seltener geworden, sodass ich hier nicht näher auf sie eingehen möchte. Man schätzt, dass sie zusammengenommen etwa 4 % aller Karzinome auslösen. Schutzvorschriften im Umgang mit karzinogenen Materialien sind in Deutschland vergleichsweise weit entwickelt und sollten daher unbedingt eingehalten werden.

Ernährung Über unsere Nahrung nehmen wir ständig Karzinogene auf. Unser Körper hat sich aber im Lauf der Evolution an viele dieser Substanzen anpassen können und Stoffwechselwege entwickelt, um Gifte unschädlich zu machen und schnell

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2  Krebs vorbeugen

a­uszuscheiden. Für unseren Organismus neu sind dagegen tausende künstlicher Pestizide, Lösungsmittel, Weichmacher, Chemikalien, die aus der Verpackung in Nahrungsmittel übergehen oder Zusätze, die Haltbarkeit, Farbe, den Geschmack oder die Struktur von Lebensmitteln verbessern sollen. Obwohl diese Chemikalien mittlerweile strengen Kontrollen unterliegen, sind sie in der öffentlichen Wahrnehmung als mögliche Krebsverursacher sehr präsent. Tatsächlich sind die meisten – wenn nicht alle Pestizide – für den Menschen toxisch und viele haben ein mutagenes Potenzial, wobei die exakte Abschätzung der Höhe des Risikos sehr schwierig ist. Anders verhält es sich mit bestimmten Schimmelpilzgiften, die in unserer Nahrung – insbesondere bei falscher Lagerung – vorkommen können und die eine sehr starke karzinogene Wirkung aufweisen. Hierzu zählen insbesondere die schon erwähnten Aflatoxine, die mit kontaminierter Nahrung aufgenommen werden und Leberkrebs auslösen. Aflatoxine sind der Grund dafür, dass Leberkrebs weltweit die häufigste Krebsart darstellt. Sie bilden sich vorwiegend auf verdorbenen Hülsenfrüchten, Nüssen (insbesondere Paranüsse, Pistazien, Erdnüsse), Getreide und Gewürzen und können auch über Milch oder den Verzehr von Fleisch, das von Tieren stammt, die mit kontaminiertem Futter gemästet wurden, aufgenommen werden. Die Aflatoxine gehen mit der DNA eine direkte Verbindung ein und wirken so krebserregend. Ein Befall von Nahrungsmitteln oder eine Exposition kann mit verschiedenen Testverfahren relativ einfach nachgewiesen werden. 

Nahrungsmittel sollten trocken und nicht zu lange gelagert und bei scheinbar noch so geringem Schimmelbefall grundsätzlich nicht verzehrt werden.

Besondere Vorsicht ist bei fetthaltigen Nüssen und überalterten Gewürzen angebracht, weil der Schimmelpilzbefall oft unbemerkt bleibt. Werfen Sie die ganze Packung oder das Glas weg, wenn Sie Schimmelspuren im Toastbrot oder Aufstrich bemerken! Gewürze oder gemahlene Nüsse sollten Sie zügig verbrauchen oder regelmäßig erneuern. Auch im Rahmen der Nahrungszubereitung können sich karzinogene Stoffe, (sog. heterozyklische aromatische Amine, Acrylamide, polyzyklische Hydrocarbone, N-Nitrosoverbindungen) bilden. Die Karzinogene entstehen insbesondere beim Grillen und Räuchern von Fleisch und Fisch über offenem Feuer und beim Anbraten mit Fett. Sie sind auch in der Brotkruste, Pommes frites, Chips und anderen gerösteten Lebensmitteln enthalten. Die aufgenommenen Karzinogene werden durch den Körperstoffwechsel zum Teil abgebaut und ausgeschieden, wobei jedoch die Fähigkeit der Giftelimination individuell sehr unterschiedlich ist. Da die Karzinogene erst bei höheren Temperaturen entstehen, sollten insbesondere protein- und fetthaltige Nahrungsmittel daher besser bei Temperaturen   30 Packungsjahren und weniger als 15 Jahren Nikotinkarenz oder Alter > 50 Jahre, Zigarettenkonsum von > 20 Packungsjahren und mindestens ein zusätzlicher Risikofaktor, z. B. familiäre Häufung von Lungenkrebs. 1 Packungsjahr = Zahl der täglich konsumierten Zigarettenpackungen multipliziert mit der Zahl der Raucherjahre.

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3  Krebs rechtzeitig erkennen

wird – geht jedoch mit einer Strahlenbelastung einher; sie wird von den Krankenkassen in Deutschland erst bei begründetem Tumorverdacht und nicht als Vorsorgeleistung übernommen. Eine strahlenfreie Vorsorgeuntersuchung wäre eine Magnetresonanztomographie (s. Kap. 4), ist aber aufgrund des hohen Aufwands und der hohen Kosten derzeit keine Alternative. Empfehlung  Lassen Sie bei Auftreten von anhaltenden Lungenbeschwerden, wie z. B. einem seit 3 Wochen bestehendem, trockenem Hustenreiz, umgehend eine Diagnostik einleiten. Da auf einer konventionellen Röntgenaufnahme des Brustkorbs kleine Lungenkarzinome übersehen werden können, sollte bei weiter persistierenden Beschwerden die Diagnostik möglichst frühzeitig eine Computertomographie der Lungen einschließen, solange keine spezifischeren Tests vorliegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie Raucher sind oder in Ihrer Familie eine Häufung von Lungenkrebs besteht. Eine jährliches Screening-CT kommt für Sie in Betracht, wenn Sie einer der in der Fußnote genannten Risikogruppen angehören1. Alle Faktoren müssen zusammen vorliegen. In diesem Fall sollten Sie sich – auch bei Fehlen von Beschwerden – in einem auf das Organ Lunge spezialisierten (pneumonologischen) Tumorzentrum vorstellen. Sie sollten das Rauchen bereits eingestellt haben, denn es ist natürlich nicht sinnvoll, an aufwendigen Vorsorgeuntersuchungen gegen Lungenkrebs teilzunehmen und gleichzeitig mit fortgesetztem Rauchen das persönliche Krebsrisiko weiter zu erhöhen. Bauchspeicheldrüse Ein Krebs der Bauchspeicheldrüse (exogenes Pankreaskarzinom) führt oft erst spät zu Beschwerden und wird daher leider meistens im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Weil er dann nicht mehr heilbar ist, ist eine rechtzeitige Diagnose lebensentscheidend. Erschwerend kommt hinzu, dass Bauchspeicheldrüsenkarzinome in Frühstadien mit nicht-invasiven bildgebenden diagnostischen Verfahren, wie einer Bauchsonographie oder einem CT, gelegentlich übersehen werden können. Die genaueste Untersuchungsmethode ist derzeit die Endosonographie, ein kombiniert endoskopisch-sonographisches Verfahren. Bei dieser Methode wird – wie bei einer Magenspiegelung – ein spezielles Endoskop, an dessen Spitze eine Miniatur-Ultraschallsonde eingebaut ist, über den Magen in den Zwölffingerdarm eingeführt. Diese Organe liegen dem Pankreas unmittelbar an, sodass von dort aus sehr genaue, hochauflösende Ultraschalluntersuchungen der Bauchspeicheldrüse möglich sind. Als Screeninguntersuchung ist die Endosonographie jedoch nicht geeignet, da die Invasivität der Methode und die relative Seltenheit der Pankreaskarzinome nicht im ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Eine einfache Methode ist dagegen die Bestimmung von sog. Tumormarkern (CEA, CA 19-9) im Blut, die sich bei einigen Patienten mit Pankreaskarzinompatienten nachweisen lassen, aber leider wenig empfindlich und unspezifisch sind und auch bei anderen Pankreaserkrankungen erhöht sein können.

Personalisierte Früherkennungsuntersuchungen

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Ein erhöhtes Krebsrisiko haben Patienten mit einer chronischen Entzündung oder bestimmten zystischen Gewebeveränderungen der Bauchspeicheldrüse, einem Diabetes mellitus oder einem gehäuften familiärem Auftreten von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Zysten sind flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, die bei etwa 10 % aller Menschen innerhalb der Bauchspeicheldrüse – oft zufällig – nachgewiesen werden können. Obwohl es sich in den allermeisten Fällen um harmlose Veränderungen handelt, sind einige zystische Veränderungen bösartig oder können es im weiteren Verlauf werden. Pankreaszysten müssen daher mit bildgebenden Verfahren (z. B. Endosonographie, CT, MRT) weiter abgeklärt und auf bestimmte verdächtige Veränderungen (Zystengröße, Anschluss an das Bauchspeicheldrüsengangsystem, Art des Zysteninhalts, Gewebestrukturen innerhalb der Zyste u. a.) untersucht werden. Bestehen Hinweise, kann im Rahmen einer Endosonographie eine Probe aus der Zystenflüssigkeit entnommen und weiter untersucht werden. Derzeit wird geprüft, ob eine DNA-Mutationsanalyse der Zystenflüssigkeit die diagnostische Aussage weiter verbessern kann. Empfehlung  Zystische Gewebeveränderungen im Pankreas sind häufig und müssen sorgfältig abgeklärt werden, da sie manchmal langsam wachsende Vorläufer von Krebs sein können. Je nach feingeweblichem Typ und Entartungsrisiko werden sie entweder mit bildgebenden Verfahren bzw. endosonographisch kontrolliert oder chirurgisch entfernt. Bei den anderen Risikogruppen haben sich Screeninguntersuchungen mit den bisherigen Methoden aus den genannten Gründen als bisher nicht ausreichend effizient erwiesen. Es ist allerdings zu erwarten, dass mit der Verfeinerung der genetischen Diagnostik schon sehr bald molekularbiologische Verfahren in der klinischen Routine eingesetzt werden können, die über einen einfachen Bluttest (Liquid biopsy) eine Vorhersage über das individuelle Risiko und auch eine Frühdiagnose des Pankreaskarzinoms erlauben werden. Dies würde erstmalig eine gezieltere Vorsorge und rechtzeitige Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs ermöglichen. Erkrankungen mit erhöhtem Krebsrisiko Einige gutartigen Erkrankungen, insbesondere, wenn sie ein Leben lang bestehen, können zu Krebs führen. Es handelt sich dabei oft um Krankheiten, die durch eine chronische Entzündung verursacht sind. Hierzu zählen bestimmte chronische Gewebsveränderungen an der Speiseröhrenschleimhaut, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, die chronische Virushepatitis, Leberzirrhose, die chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse und einige seltenere Krankheiten. • Chronische Speiseröhrenentzündung Ösophagus“)

mit

Gewebeveränderung

(„Barrett-

Durch den chronischen Rückfluss von Magensäure kann es zu einem chronischen Reizzustand am Übergang zwischen Mageneingang und Speiseröhre kommen,

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3  Krebs rechtzeitig erkennen

Abb. 3.8  Endoskopisches Bild einer Barrettveränderung der Speiseröhre (Barrett-Ösophagus). a) natives endoskopisches Bild mit Nachweis der flächigen, landkartenartigen, dunkelrosa gefärbten Barrettschleimhaut, b) noch bessere Abgrenzbarkeit der Barrettschleimhaut (dunkelrote Areale) in der endoskopisch zuschaltbaren Falschfarbendarstellung

was die Entstehung von Gewebeveränderungen begünstigt, die man als ­Barrett-Ösophagus bezeichnet (Abb. 3.8). Patienten mit dieser Veränderung haben ein leicht erhöhtes Risiko, an Speiseröhrenkrebs zu erkranken. Obwohl Karzinome an der Übergangszone Magen/Speiseröhre absolut gesehen noch vergleichsweise selten sind, werden sie doch – wie bereits erwähnt – an dieser Lokalisation in letzter Zeit zunehmend häufig diagnostiziert (Abb. 3.8). Ausgedehnte Barrett-Veränderungen im Bereich des Mageneingangs müssen daher im Rahmen einer Magenspiegelung endoskopisch überwacht werden. Verändert sich das Barrett-Gewebe und geht in eine Krebsvorstufe über (intraepitheliale Neoplasie), muss diese im Rahmen einer Magenspiegelung – in der Regel ambulant – entfernt werden. Auf diese Weise gelingt es mittlerweile, auch großflächige Barrettareale schonend zu beseitigen und das Krebsrisiko deutlich zu senken. Empfehlung  Da sich kleine Barrett-Veränderungen ohne intraepitheliale Neoplasie nur selten zu einem Karzinom weiterentwickeln, ist in diesen Fällen eine einmalige endoskopische Kontrolle mit Biopsieentnahmen nach 1 Jahr und dann alle 3 bis 4 Jahre ausreichend. Bei Größenzunahme oder Vorliegen von weiteren Risikofaktoren, wie einem sehr ausgedehnten Befund müssen dagegen weitere regelmäßige endoskopische Kontrollen mit Biopsieentnahmen nach individueller Maßgabe des endoskopierenden Gastroenterologen erfolgen, um ein weiteres Fortschreiten in Richtung auf einen Speiseröhrenkrebs rechtzeitig zu erkennen und endoskopisch zu behandeln. Alternativ besteht die Möglichkeit großflächige Barrettareale vorbeugend endoskopisch zu beseitigen. Nach Entfernung von intraepithelialen Neoplasien sind endoskopische Nachkontrollen bereits nach 3 Monaten, dann für 2 Jahre halbjährlich und danach jährlich erforderlich.

Personalisierte Früherkennungsuntersuchungen

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• Entzündliche Darmerkrankungen Die Colitis ulcerosa (CU) ist eine chronische Entzündung der Dickdarmschleimhaut. Man nimmt an, dass sie durch eine übersteigerte Immunreaktion gegen Darmbakterien verursacht wird. Insbesondere wenn der gesamte Darm betroffen ist, treten im Verlauf der Erkrankung häufig Vorstufen von Darmkrebs auf, aus denen Dickdarmkarzinome entstehen können. Dabei handelt es sich nur zum Teil um die bereits bekannten Polypen; bei der CU können die Krebsvorstufen oft sehr flach und in der umgebenden entzündlich veränderten Darmschleimhaut endoskopisch schwieriger zu entdecken sein. Die CU muss daher endoskopisch sehr sorgfältig überwacht werden. Die Genauigkeit der Koloskopie kann durch den Einsatz von speziellen Färbelösungen oder durch elektronische Farbfilter, die bösartige Veränderungen optisch hervorheben, noch verbessert werden. Durch regelmäßige Vorsorgekoloskopien lässt sich das erhöhte Krebsrisiko bei der CU deutlich senken. Patienten mit Morbus Crohn, einer anderen Form der entzündlichen Darmerkrankung, haben dagegen nur ein leicht erhöhtes Darmkrebsrisiko, weswegen regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen hier nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht generell notwendig sind. Empfehlung  Spätestens nach einer Krankheitsdauer von 10 Jahren, bei Befall des ganzen Dickdarms, oder ab einem Lebensalter von 40 Jahren sollten bei den Betroffenen jährliche Vorsorgekoloskopien vorgenommen werden, um Krebsvorstufen rechtzeitig zu entfernen. Da die Schwere, Ausdehnung und Dauer der Entzündung das Krebsrisiko maßgeblich beeinflusst, ist eine nachhaltige Hemmung der Entzündung, wie sie bei dieser Erkrankung nicht zuletzt durch die modernen immunologischen Therapien in den meisten Fällen gelingt, der beste Schutz vor Krebs. Eine andere Form einer chronischen Darmentzündung ist die sog. glutensensitive Enteropathie oder Sprue. Die Sprue wird durch eine Allergie auf das in der Hülle des Weizenkorns vorkommendes Protein Gluten verursacht. Sie befällt ausschließlich den Dünndarm. Die Behandlung besteht in einem lebenslangen Verzicht auf Weizenprodukte und andere glutenhaltige Nahrungsmittel. Bereits kleinste Glutenspuren, z. B. als Verunreinigungen in anderen Nahrungsmitteln, können einen Rückfall verursachen, sodass es trotz konsequentem Glutenverzicht leider oft zu entzündlichen Schüben der Dünndarmschleimhaut kommt. Je schlechter die Erkrankung eingestellt ist und je länger sie anhält, umso häufiger kann Krebs in den Lymphgeweben des Dünndarms (Lymphome) auftreten. Empfehlung  Der beste Schutz besteht auch hier in der konsequenten Bekämpfung der Entzündung, in diesem Fall durch das lebenslange Vermeiden von Gluten. Patienten mit Sprue müssen regelmäßig ärztlich auf eine mögliche Aktivität der Erkrankung kontrolliert werden. Dies schließt neben einer klinischen Untersuchung und Befragung eine Blutuntersuchung mit der Bestimmung von spezifischen Antikörpern und ggf. eine Endoskopie mit Biopsie ein. Ergeben sich Hinweise für ein Lymphom, sind die nächsten diagnostischen Schritte eine bildgebende Untersuchung des Bauchraums – am besten ein MRT – und eine

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3  Krebs rechtzeitig erkennen

Abb. 3.9  Videokapsel zur nicht-invasiven endoskopischen Untersuchung des Magen-Darmtraktes. Die Kapsel wird wie eine Tablette geschluckt und sendet während ihrer Reise durch den Verdauungstrakt bis zu 6 Bilder pro Sekunde an eine externe Empfangseinheit. Es entsteht ein Videofilm, der wie eine Endoskopie ausgewertet werden kann. Die Untersuchung eignet sich insbesondere zur Diagnostik des Dünndarms, der aufgrund seiner Länge für eine endoskopische Untersuchung nur mit speziellem Instrumentarium zugänglich ist. Allerdings ist die Gewinnung einer Gewebeprobe mit der Kapsel nicht möglich. (public domain, Quelle: Kates Lonles, Hand Holding PillCam SB2, Flickr)

endoskopische Diagnostik des gesamten Dünndarms, die entweder mit einem speziellen Endoskop oder mittels Kapselendoskopie erfolgen kann (Abb. 3.9) • Chronisch entzündliche Lebererkrankungen Bei bestimmten chronischen Entzündungen der Leber (chronische Virushepatitis, nicht-alkoholische Fettleberhepatitis, Leberzirrhose) treten gehäuft Leberzellkarzinome auf, die früh im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung entdeckt werden können. Das Risiko für ein Leberzellkarzinom ist bei der chronischen Virushepatitis besonders hoch. Während die Virushepatitis C heute fast immer medikamentös heilbar ist, gelingt dies bei Patienten mit einer chronischen Virushepatitis B derzeit noch deutlich seltener (siehe auch Kap. 2). Die nicht durch vermehrten Alkoholkonsum oder Viren verursachte Fettleberhepatitis ist meistens Folge von Diabetes oder Übergewicht („alimentäre Fettleber“) und heute eine der am schnellsten zunehmenden Erkrankungen. Bei weiterem Fortschreiten kann sich auch aus ihr eine Leberzirrhose und schließlich sogar Leberkrebs entwickeln. Die Behandlung der alimentären Fettleber besteht in einer konsequenten Gewichtsabnahme, unter der sie sich – und damit auch das Krebsrisiko – vollständig zurückbildet. Empfehlung  Bei den betroffenen Patienten sollte alle 6 Monate eine Ultraschalluntersuchung der Leber erfolgen. Die Genauigkeit der Ultraschalluntersuchung kann mit einem Ultraschallkontrastmittel (Kontrastmittelsonographie) und einer sonographischen Härtemessung der Leber (Elastographie) noch verbessert werden. Wie bereits erwähnt, ist die beste Strategie gegen das durch Hepatitis B bedingte erhöhte Leberkrebsrisiko eine vorbeugende Impfung.

Zusammenfassung – Personalisierte Früherkennungsuntersuchungen

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Therapiebedingter Krebs Einige Erkrankungen lassen sich nur durch Therapien bekämpfen, die leider als Nebenwirkung ein erhöhtes Krebsrisiko nach sich ziehen. Hierzu zählen die Strahlentherapie, einige Chemotherapien und auch immunhemmende Therapien, wie sie z. B. nach einer Organtransplantation und bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen (wie z. B. Rheuma oder entzündlichen Darmerkrankungen) zunehmend eingesetzt werden. Die lebenslange Hemmung der Immunfunktion, wie sie nach Organtransplantationen notwendig ist, führt zu einer Hemmung der körpereigenen Immunabwehr auch gegen Krebszellen und einer Verdopplung des Risikos, im Laufe des Lebens an einem Krebs zu erkranken. Ein therapiebedingter Krebs kann auch lange nachdem die Therapie beendet wurde – z. B. erst nach 20 Jahren – auftreten. So führt die großvolumige Strahlenbehandlung einer bestimmten Art von Lymphdrüsenkrebs, wenn sie mit einer bestimmten Chemotherapie kombiniert wurde, nach 20 Jahren zu einer leichten Zunahme von Blutkrebs. Auch kann es nach einer Bestrahlung des Halsbereichs noch nach Jahrzehnten zu Schilddrüsenkrebs kommen. Eine längere Behandlung mit Östrogenen – z. B. wegen Menopausenbeschwerden – geht mit einem leicht erhöhten Risiko für einen Krebs der Brustdrüse und der Eierstöcke einher. Selbst Operationen am Magen oder auch die Neueinpflanzung von Harnleitern in den Darm begünstigen die Entstehung von Karzinomen in den betroffenen Organen. Bevor derartige Therapieverfahren eingesetzt werden, müssen daher alle anderen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft worden sein; auch noch nach Jahrzehnten muss an die Möglichkeit einer therapiebedingten Krebsform gedacht werden. Empfehlung  Jeder Mensch, bei dem eine derartige Behandlung notwendig war, hat ein erhöhtes Krebsrisiko. Neben der konsequenten Teilnahme an den genannten allgemeinen Screeninguntersuchungen auf Krebs, ist daher dringend zu empfehlen, mit dem behandelnden Arzt ein erweitertes Vorsorgeprogramm zu erarbeiten, das dem jeweiligen therapiebedingten individuellen Krebsrisiko angepasst ist.

Zusammenfassung – Personalisierte Früherkennungsuntersuchungen Obwohl derzeit für 6 der 10 häufigsten Karzinome aufgrund des begrenzten Nutzens kein allgemeines Screening der Bevölkerung empfohlen wird, möchte ich Ihnen zusammenfassend raten, über die Standardvorsorge hinaus gezielt zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen, wenn sie einer der beschriebenen Risikogruppen angehören. Ist in Ihrer Familie bereits mehrfach Krebs aufgetreten oder leiden sie an einer Erkrankung, die mit einer chronischen Entzündung von Organen, insbesondere im Bereich der Speiseröhre, des Darms, der Leber oder der Bauchspeicheldrüse, einhergeht, kann bei Ihnen ein erhöhtes

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3  Krebs rechtzeitig erkennen

Krebsrisiko bestehen. In diesem Fall sollte Ihr Arzt ein für Sie individuell zugeschnittenes Vorsorgeprogramm erarbeiten. Das gleiche gilt, wenn Sie mit einer immunhemmenden Therapie behandelt werden. Auch bei normalem Krebsrisiko können einige zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll sein, die allerdings über den von den Krankenkassen finanzierten Gesundheits-Check-up (in Deutschland einmal zwischen dem 18. und 34. Lebensjahr, ab 35 alle 3 Jahre) hinausgehen und daher nicht immer übernommen werden. Meine Empfehlung umfasst zunächst eine jährliche Sonographie des Bauchraums spätestens ab dem 50. Lebensjahr. Diese Untersuchung kann z. B. im Rahmen von anderen Krebsvorsorgeuntersuchungen oder auch bei einem allgemeinen Check-up erfolgen. Die Sonographie selbst hat keine Nebenwirkungen und erlaubt, sofern sie von einem geübten Arzt durchgeführt wird, eine sehr gute Beurteilung der soliden Organe Bauchraums. In meiner eigenen Praxis habe ich so immer wieder mehrmals pro Jahr Nierenkarzinome bei diesbezüglich beschwerdefreien Patienten „zufällig“ entdeckt – in einem Stadium, in dem eine Heilung des Tumors noch möglich war. Auch andere, nicht tumorbedingte, aber dennoch therapiebedürftige Veränderungen, wie z. B. Gallenblasenpolypen, können so leicht entdeckt und rechtzeitig behandelt werden. Fallen zystische Läsionen in der Bauchspeicheldrüse auf, sollten diese kontrolliert und ggf. mit anderen radiologischen Verfahren (CT, MRT) oder mit einer Endosonographie weiter abgeklärt werden. Lassen Sie außerdem jährlich eine eingehende Laboruntersuchung von Blut und Urin vornehmen, einschließlich einem Test auf okkultes Blut im Urin. Insbesondere Menschen, deren Eltern oder Geschwister an Magen- oder Speiseröhrenkrebs erkrankt sind, sollten sich einer einmaligen Magenspiegelung unterziehen, auch wenn sie keine Beschwerden haben. Waren Verwandte bereits in jungem Lebensalter erkrankt, sollte die Vorsorgegastroskopie entsprechend bereits in jungem Lebensalter erfolgen. Mit einer Magenspiegelung können gleichzeitig mehrere Informationen gewonnen werden: eine Barrett-Veränderung in der Speiseröhre, ein Helicobacterbefall und andere Veränderungen der Magenschleimhaut mit erhöhtem Krebsrisiko. All diese Veränderungen sind therapeutisch behandelbar mit dem Ziel, der Entwicklung eines Speiseröhren- oder Magenkarzinoms vorzubeugen. Von der Lunge ausgehende Beschwerden, wie ein über 3 Wochen anhaltender Hustenreiz, sollten auch bei unauffälligem Röntgenbild bereits früh mit einem CT weiter abgeklärt werden, wenn die Beschwerden weiter persistieren, da in einer konventionellen Röntgenuntersuchung der Lunge kleine Lungenkarzinome übersehen werden können. Sind Sie älter als 50 Jahre, haben länger als 20 Packungsjahre geraucht und liegen möglicherweise weitere Risikofaktoren vor, sollten Sie Kontakt zu einem spezialisierten Zentrum aufnehmen und sich bezüglich einer Vorsorge-CT beraten lassen. Die Bedeutung von Gentests zur Beurteilung des individuellen Krebsrisikos entwickelt sich zurzeit sehr rasch. Gelingt es, mit diesen Verfahren ein erhöhtes Krebsrisiko nachzuweisen, könnten die Betroffenen gezielter an ­ Vorsorgeprogrammen teilnehmen und es könnten auch neue – dringend

Grenzen der Früherkennung

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notwendige – individualisierte Vorsorgeprogramme, z. B. auf Lungenkrebs, entwickelt werden. Auch wird derzeit intensiv untersucht, ob durch den Nachweis von Tumor-DNA im Blut („Liquid biopsy“) eine Frühdiagnose bei verschiedenen Krebsarten möglich ist. Dies wäre insbesondere bei denjenigen Krebsarten ein großer Fortschritt, bei denen heute noch keine ausreichend wirksamen Früherkennungsmöglichkeiten existieren, insbesondere dem Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Grenzen der Früherkennung Bei allen anderen Krebsarten haben sich, mit Ausnahme von besonders betroffenen Risikogruppen, Vorsorgeuntersuchungen bisher nicht durchsetzen können. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Früherkennungsuntersuchungen sind nur dann sinnvoll, wenn der Krebs in einem so frühen Stadium diagnostiziert werden kann, dass er entweder noch geheilt oder durch eine früh einsetzende Behandlung ein besseres Ergebnis als bei einer späten Diagnose erzielt werden kann. Obwohl dies für die meisten Tumore gilt, gibt es leider auch einige Krebsarten, die bereits gestreut haben, wenn der Primärtumor noch sehr klein, oder noch gar nicht erkennbar ist. In diesen Fällen kann die Entfernung eines noch so früh erkannten Primärtumors den Verlauf der Erkrankung letztlich nicht ändern, es sei denn, es gibt für diese Krebsform noch andere, auch im generalisierten Stadium wirksame Therapiemöglichkeiten. Einige dieser bereits sehr früh generalisierten Tumoren sind heute heilbar geworden; hierzu zählen mehrere Formen der akuten und der chronischen Leukämien und die meisten von Lymphgewebe ausgehenden Krebsarten. Andererseits sind einige Krebsarten einfach zu selten, um allgemeine Vorsorgeuntersuchungen zu rechtfertigen, oder es gibt für sie derzeit noch keine ausreichend empfindlichen, spezifischen und risikoarmen diagnostischen Tests. Bei jedem medizinischen Verfahren müssen Nutzen, Aufwand und Risiken im ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Das gilt auch für die Vorsorge. Vorsorgeuntersuchungen sind nämlich keineswegs risikofrei. Das größte Risiko besteht in der zu häufigen Diagnose von Verdachtsfällen, die sich später als harmlos herausstellen, aber eine überflüssige, belastende, risikoreiche, unter Umständen sogar gefährliche und nicht zuletzt teure Diagnostik nach sich ziehen. Ein weiteres, gelegentlich vorgebrachtes theoretisches Argument gegen Früherkennungsuntersuchungen besteht darin, dass mit ihr auch Karzinome entdeckt werden, die sich vielleicht im weiteren Verlauf spontan zurückgebildet hätten oder so langsam wachsen, dass sie sich nie im Laufe des Lebens bemerkbar gemacht hätten. Es gibt tatsächlich Hinweise dafür, dass sich sehr kleine bösartige Brusttumore ohne spezifische Therapie gelegentlich zurückbilden können. Die „zu frühe“ Diagnose dieser Tumoren würde ebenfalls in einer für die Betroffenen überflüssigen Belastung und letztlich nutzlosen Therapie resultieren. Es muss aber an dieser Stelle klargestellt werden, dass es sich hierbei um Ausnahmen handelt. Die weitaus überwiegende Zahl der Patienten profitiert von der Entfernung der Frühkarzinome und wird so vor der manifesten Krebserkrankung bewahrt.

3  Krebs rechtzeitig erkennen

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Warnzeichen beachten! Erst wenn ein Tumor eine gewisse Größe erreicht hat, führt er zu Beschwerden und wird dann erstmals als Krankheit wahrgenommen, die den betroffenen Menschen spätestens jetzt veranlassen, einen Arzt aufzusuchen. Die klinischen Symptome einer Krebskrankheit können ganz unterschiedlich sein. Hierzu zählen: • • • • • • • • •

ungewollte Gewichtsabnahme, anhaltende Appetitlosigkeit, Übelkeit anhaltende Schwäche, leichte Erschöpfbarkeit Blutarmut, Blässe wiederkehrende Schmerzen anhaltender Hustenreiz wiederkehrende Stuhlunregelmäßigkeiten Blutspuren im Stuhlgang, Urin oder Auswurf Hautveränderungen, Gelbfärbung der Haut und der Augen tastbare Knoten

Je nach Krebsart und Stadium der Erkrankung treten die Symptome einzeln, kombiniert oder in unterschiedlicher Stärke auf. Außerdem können viele der aufgelisteten Symptome auch bei anderen, vergleichsweise harmlosen und vorübergehenden Erkrankungen vorkommen, sind also nicht spezifisch oder gar beweisend für eine Krebserkrankung. Dennoch sind sie allesamt Warnzeichen, die – vor allem wenn sie anhalten – nicht bagatellisiert werden sollten. Wenn Sie eines dieser Symptome bemerken, sollten sie daher zur weiteren Abklärung umgehend einen Arzt aufsuchen. Vergeuden Sie keine Zeit! Ich beobachte es in meiner klinischen Praxis leider zu oft, dass Patienten die Warnsymptome zu lange nicht beachtet haben, und erst mit einer fortgeschrittenen Erkrankung vorstellig wurden. Im Grunde genommen wussten sie im Grunde schon länger, krank zu sein, haben aber diesen unangenehmen Gedanken zunächst weit von sich geschoben – meistens in der Hoffnung, dass sich die Beschwerden doch von alleine geben würden, manchmal auch aus Angst vor der möglichen Diagnose. Die lästigen Gedanken werden durch andere Tätigkeiten so lange verdrängt, bis die Symptome so deutlich geworden sind, dass sie sich nicht mehr ignorieren lassen. 

Begehen Sie nicht diesen Fehler! Reden Sie sich nicht ein, die Beschwerden werden schon irgendwann von selbst verschwinden!

Literatur

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Literatur Aberle D (2011) The national lung screening trial research team reduced lung-cancer mortality with low-dose computed tomographic screening. N Engl J Med 365:395–409. https://doi. org/10.1056/nejmoa1102873 Brenner H, Schrotz-King P et al (2016) Rückgang der Inzidenz und Mortalität von Darmkrebs in Deutschland. Analyse zeitlicher Trends in den ersten 10 Jahren nach Einführung der Vorsorgekoloskopie. Dtsch Arztebl Int (2016) 113(7):101–106. https://doi.org/10.3238/ arztebl.2016.0101 Gemeinsamer Bundesausschuss (GBA) Früherkennung von Krebserkrankungen (2019) https://www.g-ba.de/themen/methodenbewertung/ambulant/frueherkennung-krankheiten/ erwachsene/krebsfrueherkennung/ Løberg M, Lousdal ML, Bretthauer M, Kalager M (2015) Benefits and harms of mammography screening. Breast Cancer Res 17(1):63. https://doi.org/10.1186/s13058-015-0525-z Pasechnikov V, Chukov S, Fedorov E, Kikuste I, Leja M (2014) Gastric cancer: prevention, screening and early diagnosis. World J Gastroenterol 20(38):13842–13862. https://doi. org/10.3748/wjg.v20.i38.13842 Ukena D et al (2018) Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms, Lang-version 1.0 http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Lungenkarzinom.98.0.html Wentzensen N (2016) Epidemiologie, Prävention und Früherkennung des Zervixkarzinoms Onkologe (Berl). 22(10):725–736. https://doi.org/10.1007/s00761-016-0092-7

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Diagnostik bei Krebsverdacht

Inhaltsverzeichnis Wege zur Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Untersuchungsgang am Beispiel Brustkrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Untersuchungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Wege zur Diagnose Besteht der Verdacht auf eine Krebserkrankung, muss natürlich zunächst möglichst schnell geklärt werden, ob tatsächlich Krebs vorliegt. Hierzu sind eine Reihe weiterer Untersuchungen notwendig. Blutuntersuchungen („Labortests“) können zwar einen Anfangsverdacht weiter erhärten, aber – mit Ausnahme von Blutkrebs – derzeit lediglich indirekte Hinweise auf eine Krebserkrankung geben. Es kommen daher in der Regel zunächst bildgebende Verfahren zum Einsatz, wie z. B. eine Ultraschall- oder einfache Röntgenuntersuchung. Verdichten sich hierbei die Hinweise auf Krebs, wird meistens ein zweites bildgebendes Verfahren – z. B. ein CT oder MRT – eingesetzt, das genauer, aber auch aufwendiger ist. Bestätigt sich der Verdacht, ist es bis auf sehr wenige Ausnahmen immer erforderlich, eine Gewebeprobe (Biopsie, Punktion) zu gewinnen. Denn mit bildgebenden Verfahren allein kann eine Krebserkrankung nicht mit ausreichender Sicherheit nachgewiesen werden. Nur die feingewebliche („histologische“) Untersuchung unter dem Mikroskop beweist letztlich die Krebserkrankung, weshalb auch nicht mit einer Krebstherapie begonnen werden darf, bevor deren Ergebnis vorliegt. Die Gewebeprobe ist aber noch aus einem weiteren Grund notwendig. Im Tumorgewebe lassen sich mikroskopisch und biochemisch bestimmte Merkmale nachweisen, die es erlauben, die Aggressivität des Tumors einzuschätzen und eine auf den individuellen Patienten zugeschnittenen Therapie zu planen. Jeder Krebs weist individuelle, molekularbiologische und molekulargenetische © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Holtkamp, Krebs, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61354-2_4

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Gewebemerkmale auf, die eine Voraussetzung für den Einsatz der modernen zielgerichteten Therapien sind. Erst wenn im Krebsgewebe ein bestimmtes Zielmolekül, z. B. ein Östrogenrezeptor, nachgewiesen wurde, ist eine darauf abgestimmte, „zielgerichtete“ Therapie auch ausreichend wirksam. Meistens werden die Untersuchungen an intraoperativ entnommenen Tumorgewebe vorgenommen, es kommt es aber auch vor, dass die notwendigen Untersuchungen allein an bioptisch gewonnenen Gewebeproben vorgenommen werden, beispielsweise beim kleinzelligen Bronchialkarzinom, das eher selten operiert wird. Ergibt die Gewebeprobe wider Erwarten einen gutartigen Befund, obwohl in den bildgebenden Verfahren ein Krebsverdacht besteht, sind Kontrollen – meistens eine erneute Biopsie – notwendig, weil auch die Möglichkeit besteht, dass der Krebs bei der ersten Punktion nicht getroffen wurde. Während das Vorhandensein von Krebs in der Gewebeprobe die Krebserkrankung beweist, ist sie bei fehlendem Nachweis von Krebszellen in der Gewebeprobe dagegen noch nicht mit völliger Sicherheit ausgeschlossen. Erst wenn die Kontrollen und mehrere unabhängige Untersuchungsverfahren übereinstimmend keine Hinweise für Krebs ergeben, kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem gutartigen Befund ausgehen. Daraus wird deutlich, dass dem Spezialisten, der die Gewebeproben beurteilt (Pathologe), eine sehr hohe Verantwortung zukommt. Da aber auch der Pathologe (zum Glück nur selten!) irren kann, ist es bei nicht eindeutigen oder seltenen Befunden üblich, die Präparate zusätzlich von weiteren Spezialisten beurteilen zu lassen. 

Die endgültige Diagnose ergibt sich also erst in der Zusammenschau aller Untersuchungsergebnisse, idealerweise im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz.

Ist die Krebsdiagnose eindeutig gestellt, muss als zweites geklärt werden, ob und wie weit sich der Krebs bereits ausgebreitet hat (Staging). Hierzu werden – der jeweiligen Krebsart angepasst – gezielt weitere bildgebende Verfahren eingesetzt. Eine Aufstellung der Untersuchungsmöglichkeiten finden Sie im nächsten Abschnitt. Selbstverständlich kommen nicht alle genannten Verfahren zum Einsatz, da die Metastasierung bei den verschiedenen Krebsarten sehr unterschiedlich verläuft. Es sind daher bei jeder Krebsart nur einzelne bestimmte Untersuchungen erforderlich, wobei das Ziel der Diagnostik darin besteht, mit möglichst geringem Aufwand und Nebenwirkungen das Krankheitsstadium genau zu ermitteln. Für die Planung der weiteren Behandlung ist es besonders wichtig zu wissen, ob der Tumor die Organgrenzen bereits überschritten hat, und ob es Hinweise für eine Beteiligung der umgebenden Lymphknoten oder für Fernmetastasen gibt. Erst wenn die die Ausbreitungsdiagnostik vollständig ist und alle Informationen vorliegen, kann die Krebstherapie festgelegt werden.

Untersuchungsgang am Beispiel Brustkrebs

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Untersuchungsgang am Beispiel Brustkrebs Ein typischer Untersuchungsgang bei Brustkrebs besteht zunächst in der Befragung des Patienten nach Symptomen einschließlich einer familiären Belastung (Anamnese) und einer Tastuntersuchung von Brust und Achsellymphknoten. Wird ein Knoten getastet, oder handelt es sich um eine planmäßige Vorsorgeuntersuchung, schließt sich als erstes bildgebendes Verfahren eine Röntgenuntersuchung der Brust (Mammographie) an, ggf. auch eine Sonographie. Wenn das Brustgewebe in der Mammographie sehr dicht erscheint, was bei einigen jungen Frauen der Fall sein kann, ist die Aussagefähigkeit der Mammographie einschränkt. In diesem Fall kann auf eine Kernspinuntersuchung der Brust als weiteres bildgebendes Verfahren ausgewichen werden. Besteht in den bildgebenden Verfahren der Verdacht auf einen Brustkrebs, wird mittels einer gezielten („stereotaktischen“) Punktion (s. u.) eine Gewebeprobe gewonnen. Bestätigt sich in der feingeweblichen Untersuchung die Diagnose Brustkrebs, schließt sich im Rahmen der Ausbreitungsdiagnostik eine Röntgenuntersuchung der Brustorgane und eine Sonographie des Bauchraums an, um zu klären, ob der Tumor bereits in Lunge und Leber gestreut hat. Weitere Untersuchungen, z. B. zum Nachweis einer Knochenmetastasierung (mittels Knochenszintigraphie), werden nur vorgenommen, wenn entsprechende Symptome oder Laborbefunde darauf hinweisen oder sich bereits in der Röntgenaufnahme entsprechende Hinweise finden. Nach ausführlicher Erläuterung aller Befunde und den sich daraus ergebenden therapeutischen Konsequenzen mit dem Patienten und nach Besprechung in der interdisziplinären Tumorkonferenz wird der Tumor – in der Regel unter Erhaltung der Brust – zunächst operativ entfernt, sofern das Einverständnis der Patientin gegeben ist. Während der Operation werden die Achsellymphknoten mit einer speziellen Färbung oder szintigraphischen Röntgentechnik (Sentinel-Biopsie, s. u.) untersucht und befallene Lymphknoten entfernt. Das entfernte Tumorgewebe wird nach der Operation auf bestimmte Eigenschaften hin untersucht (Östrogen- und Progesteronrezeptorgehalt, HER2-neu, Ki-67, ggf. molekulargenetischer Test). Wenn alle Untersuchungsergebnisse eingegangen sind, wird in der Tumorkonferenz das für den individuellen Patienten optimale therapeutische Vorgehen festgelegt (z. B. keine weitere Therapie erforderlich, Nachsorge, Nachbestrahlung, adjuvante- oder palliative Hormon-, zielgerichteteoder Chemotherapie, Therapiekombinationen). Der in der Tumorkonferenz unter Anwendung der aktuellen wissenschaftlichen Standards interdisziplinär erarbeitete Therapievorschlag wird mit dem Patienten besprochen, wobei in die Therapieentscheidung auch die individuelle Konstitution und die speziellen Wünsche des Patienten eingehen.

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Untersuchungsverfahren Die hier beschriebenen Untersuchungsverfahren können zur Diagnose und zur Ausbreitungsdiagnostik der Krebserkrankung eingesetzt werden. Es sind jeweils nur einige der aufgeführten Untersuchungen erforderlich, da jede Krebsart einen unterschiedlichen Verlauf nimmt und ein spezifisches Ausbreitungsmuster aufweist. Einige Krebsarten streuen beispielsweise sehr früh und häufig in die Leber, andere dagegen nur sehr selten oder erst bei weit fortgeschrittener Erkrankung. Die Untersuchungen sollten prinzipiell so gewählt werden, dass die Diagnose mit möglichst geringem Aufwand und Nebenwirkungen, aber mit hoher Sicherheit gestellt werden kann. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass einige Untersuchungsverfahren eine sehr hohe, andere nur eine vergleichsweise schlechtere Trefferrate haben. Die erforderlichen Untersuchungen werden daher nach ihrer Aussagekraft und Invasivität abgestuft eingesetzt. Erst die Kombination von mehreren unabhängigen Verfahren erlaubt eine ausreichend sichere Diagnose. Die Genauigkeit einer diagnostischen Untersuchung wird mit den Begriffen Sensitivität und Spezifität beschrieben. Im Fall einer Krebserkrankung bedeutet Sensitivität eines Tests, wie häufig durch die Untersuchung bei an Krebs Erkrankten der Krebs erkannt wird (richtig positiv), die Spezifität gibt an, wie häufig der Test bei gesunden Patienten unauffällig ist (richtig negativ). Eine Untersuchung ist am genauesten, wenn sie gleichzeitig eine hohe Sensitivität und Spezifität aufweist. Eine hohe Sensitivität (100 %) bei niedriger Spezifität (50 %) reicht beispielsweise allein nicht aus, da der Test zwar alle krebskranken Patienten identifizieren, aber gleichzeitig auch bei jedem 2. gesunden Menschen eine nicht vorhandene Krebserkrankung vermuten würde. Da aber nahezu kein einzelner Test eine 100 % Sensitivität bei gleichzeitiger 100 % Spezifität aufweist, erlaubt erst die Zusammenschau von mehreren unabhängigen Untersuchungen eine ausreichend sichere Diagnose. Aus diesem Grund werden im Rahmen der Diagnostik oft mehrere verschiedene Untersuchungsverfahren eingesetzt.

Sonographie Die Sonographie oder Ultraschalluntersuchung ist ein einfach anzuwendendes und nebenwirkungsfreies bildgebendes Verfahren, das in nahezu allen Bereichen der Medizin angewendet wird. Wie bei einem Echolot sendet der Schallkopf unhörbare Schallwellen von hoher Frequenz (Ultraschall) aus, die von den Gewebestrukturen des Körpers unterschiedlich stark reflektiert werden. Die zurückgeworfenen Wellen werden in ein Bild umgesetzt, das eine Beurteilung der inneren Organe ermöglicht. Im Gegensatz zu den Röntgenuntersuchungen kommt es ohne Strahlung aus. Mit dem Ultraschall lassen sich am besten solide Körpergewebe und Flüssigkeiten untersuchen, während er durch die Luft der Lunge oder des Darms gestreut wird. Bei Krebsverdacht wird der Ultraschall am häufigsten zur Untersuchung der Bauchorgane, der Schild- und Brustdrüse, der Hoden und der Lymphknoten eingesetzt. Bei bestimmten Fragestellungen kann die Aussage der Untersuchung durch eine intravenöse Gabe von Kontrastmittel noch weiter verbessert werden. Eine Sonografie des Bauchraums dauert etwa 20 min. Vor der Untersuchung sollten Sie nüchtern sein, d. h. bereits 8 h vorher nichts essen oder trinken (Abb. 4.1).

Untersuchungsverfahren

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Abb. 4.1  Sonographie des Bauchraums (© New Africa/Shutterstock)

Röntgenuntersuchung Obwohl die Röntgenuntersuchung das älteste bildgebende Diagnoseverfahren darstellt – es wurde bereits 1895 entdeckt – wird es auch heute noch insbesondere zur Diagnostik der Lunge und der Knochen eingesetzt. Der Patient befindet sich zwischen der Strahlenquelle und einem Röntgendetektor – z. B. einer Filmkassette. Da die Körpergewebe für Röntgenstrahlen unterschiedlich strahlendurchlässig sind, zeichnen sich die Organe durch die unterschiedliche Schwärzung des Filmmaterials auf dem Film ab. Eine Röntgenuntersuchung ist einfach und schnell durchführbar. Im Bereich der Lunge weist sie eine deutlich geringere Strahlenbelastung auf als das CT und entspricht etwa der natürlichen Strahlenbelastung, der wir in einem Zeitraum von einer Woche ausgesetzt sind. Sie wird deswegen auch häufig als Erstuntersuchung oder zur Verlaufskontrolle eines bekannten Lungenbefundes eingesetzt. Mammographie Die Mammographie ist eine Röntgenuntersuchung der Brustdrüse. In der Regel werden im Rahmen einer Untersuchung von jeder Seite zwei Aufnahmen – von oben und seitlich – durchgeführt. Hierzu wird bei stehendem Patienten die Brustdrüse zwischen zwei Plexiglasscheiben gelegt, die anschließend für die Aufnahme zusammengedrückt werden. Dies ist etwas unangenehm, dauert aber nur einige Sekunden (Abb. 4.2). Bei 6 von 100 Frauen zeichnen sich in der Aufnahme verdächtige Läsionen ab, die mit einer erneuten Untersuchung, Sonographie oder einer Gewebeprobe weiter abgeklärt werden müssen. In den weitaus meisten

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4  Diagnostik bei Krebsverdacht

Abb. 4.2  Mammographie (© LStockStudio/Shutterstock)

Fällen handelt es sich dabei um gutartige Veränderungen. Zum weiteren Stellenwert der Mammographie siehe auch Abschnitt Brustdrüse. Computertomographie (CT) Die Computertomographie ist eine spezielle Röntgentechnik, bei der die Röntgenquelle wie eine Spirale um den Patienten rotiert. Es entstehen so Schichtbilder, die im Vergleich zu konventionellen Röntgenaufnahmen wesentlich genauer sind und auf denen auch die Bereiche „hinter“ den Organen abgebildet werden, die bei einer herkömmlichen Röntgenaufnahme im Strahlenschatten liegen. Im Gegensatz zur Sonographie stellt Luft kein Hindernis dar, sodass auch Tumore im Bereich der Lunge sehr gut abgebildet werden können. Die Aussagekraft einer CT wird durch die Gabe von jodhaltigem Röntgenkontrastmittel noch erheblich verbessert, sodass auch Gefäßstrukturen, die Durchblutung des Tumors oder sogar seine 3-dimensionale Struktur erkennbar werden. Bei einer Nierenschwäche, bestimmten Schilddrüsenerkrankungen oder einer Allergie kann die Verwendung von Kontrastmittel eingeschränkt sein. Aus diesem Grund werden Nieren- und Schilddrüsenwerte vor der Untersuchung überprüft. Auch eine Schwangerschaft stellt – wie bei allen anderen Röntgenverfahren – eine Kontraindikation dar. Bei der Einnahme bestimmter Diabetesmittel gelten ebenfalls besondere Vorsichtsmaßregeln. Die Computertomographie dauert etwa 20 min. Für die Dauer der Untersuchung liegt der Patient, während der CT- Ring an ihm entlangfährt (Abb. 4.3).

Untersuchungsverfahren

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Abb. 4.3  Computertomographie (CT). (© Tyler Olson/Shutterstock)

Magnetresonanztomographie (Kernspintomographie, MRT) Ähnlich wie bei der CT werden bei der MRT Schichtbilder gewonnen, wobei das Verfahren mit Radiowellen und starken Magnetfeldern arbeitet und daher ganz ohne Röntgenstrahlung auskommt. Es ist aufgrund seiner Technik insbesondere für die sehr genaue Darstellung von Weichteilgeweben (z. B. Bindegewebe, Muskulatur, Gehirn) geeignet. Auch bei der MRT kann ein Kontrastmittel eingesetzt werden, das im Vergleich zu Röntgenkontrastmitteln aber deutlich besser verträglich ist. Allerdings gilt auch bei Patienten mit Nierenschwäche besondere Vorsicht, während die Bestimmung der Schilddrüsenwerte nicht erforderlich ist. Da das MRT mit starken Magnetfeldern arbeitet, dürfen Patienten mit magnetisierbaren Metallimplantaten, zu denen auch Schrittmacher gehören, nicht untersucht und auch keine metallhaltigen Gegenstände in den Untersuchungsraum mitgenommen werden. Bitte lassen sie Ihre Kreditkarte draußen, wenn Sie keine unangenehme Überraschung bei Ihrem nächsten Besuch am Geldautomaten erleben wollen! Die Untersuchung dauert mit 30 bis 60 min deutlich länger als ein CT. Während der gesamten Untersuchungszeit sollte der Patient – mit Ausnahme von Pausen – innerhalb eines breiten Rings möglichst ruhig liegen (Abb. 4.4). Da das Gerät laute Geräusche erzeugt, wird vor der Untersuchung ein Hörschutz angelegt. Wenn für Sie der Aufenthalt in engen, geschlossenen Räumen ein Problem darstellt, sollten Sie die Untersucher vorher informieren; durch akustischen Kontakt mit dem Röntgenarzt, Entspannungstechniken, Musik, Untersuchungspausen, ggf. auch Medikamente kann Ihnen die Angst in den allermeisten Fällen genommen und die Untersuchung durchgeführt werden.

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4  Diagnostik bei Krebsverdacht

Abb. 4.4  Modernes Magnetresonanztomographiegerät (MRT) (© Siemens)

Szintigraphie Bei diesem bildgebenden Verfahren (auch nuklearmedizinische Untersuchung genannt) wird eine schwach radioaktiv markierte Substanz (Tracer) verabreicht, die sich in dem zu untersuchenden Organ anreichert, bevor sie wieder ausgeschieden wird. Eine Strahlendetektor scannt die vom Patienten abgegebene Strahlung, die dann in ein Bild umgerechnet wird. Da krankes Gewebe oder Metastasen das Mittel besonders stark anreichern, lassen sie sich auf den Bildern gut von gesundem Gewebe abgrenzen. Die Szintigraphie eignet sich besonders für die Untersuchung der Schilddrüse und der Knochen (Skelettszintigraphie). Letztere ist sehr gut geeignet, um in einem einzigen Untersuchungsgang das gesamte Skelett auf das Vorhandensein von Metastasen zu untersuchen. Die Strahlenbelastung ist relativ gering und mit mehreren Röntgenaufnahmen der Knochen vergleichbar. Die Untersuchung dauert etwa eine Stunde, kann aber erst nach einer Wartezeit von etwa 3 h durchgeführt werden, da sich der Tracer in dieser Zeit in den Knochen anreichern muss. Positronenemissionstomographie (PET-CT) Die PET-Untersuchung ist ein szintigraphisches Verfahren. Mithilfe unterschiedlicher, spezieller Tracer können verschiedene Stoffwechselvorgänge innerhalb des Körpers sehr genau sichtbar gemacht werden. Da Tumorzellen zur Energiegewinnung in großen Mengen Zucker aus dem Blutkreislauf aufnehmen und verstoffwechseln, wendet man in der Tumordiagnostik meist einen zuckerhaltigen Tracer an (FDG-PET), der intravenös verabreicht wird. Die gemessene Strahlung wird in ein Bild umgesetzt. Regionen mit einer verstärkten Speicherung

Untersuchungsverfahren

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des Tracers stellen sich in den Bildern als leuchtende Areale dar und heben sich deutlich vom umliegenden Gewebe ab. Da Krebszellen üblicherweise einen sehr hohen Stoffwechsel haben, leuchten sie in der PET meistens besonders stark. Gleichzeitig wird eine CT Untersuchung durchgeführt und die Bilder aus beiden Verfahren kombiniert, sodass die Stoffwechselaktivität sehr genau innerhalb des Körpers lokalisiert werden kann. Die Kombination beider Verfahren ermöglicht es beispielsweise zu klären, ob es sich bei einer im CT diagnostizierten Raumforderung um ein stoffwechselaktives, lebendiges Krebsgewebe oder um Narbengewebe handelt (Abb. 4.5). Ähnlich wie bei der Szintigraphie muss der Tracer etwa 2 bis 3 h vor der Untersuchung appliziert werden. Die Untersuchung dauert etwa 30 bis 60 min und wird am liegenden Patienten durchgeführt. Für das PETCT müssen sie nüchtern sein, das heißt, Sie sollten vor der Untersuchung keine Nahrung mehr zu sich nehmen und nur Wasser oder ungesüßten schwarzen Kaffee oder Tee getrunken haben. Nach der Untersuchung sollten Sie viel trinken, um den Tracer schnell wieder auszuscheiden (Abb. 4.5). Endoskopie Die Endoskopie erlaubt die Inspektion von inneren Organen mit steuerbaren Sonden (Endoskope), die in ein Hohlorgan oder eine Körperhöhle vorgeschoben

Abb. 4.5  Computertomographie eines Lungenkarzinoms (links), Szintigraphischer Nachweis einer verstärkten Stoffwechselaktivität innerhalb des Tumors und der umgebenden Lymphknoten im PET-CT (rechts)

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4  Diagnostik bei Krebsverdacht

werden. Zur Untersuchung der Hohlorgane (Speiseröhre, Magen, Dünn- und Dickdarm, Gallenwege, Luftröhre, Bronchialsystem, Harnwege, Hals-NasenOhren) werden flexible Endoskope in natürliche Körperöffnungen eingeführt. Die Instrumente sind weich, in allen Ebenen steuerbar und weisen, je nach Einsatzgebiet, Durchmesser von 3 bis 13 mm auf. Die Untersuchungen sind heute in leichter Sedierung ohne wesentliche Belästigung des Patienten sicher und ambulant durchführbar. Vor den endoskopischen Untersuchungen des oberen Verdauungstraktes (Ösophagogastroduodenoskopie) und der Luftwege (Bronchoskopie) sollten sie nichts gegessen und getrunken haben, für die Untersuchung des Dickdarms (Koloskopie) muss am Tag vor der Untersuchung mit einer Darmreinigung begonnen werden. Moderne Videoendoskope besitzen einen hochauflösenden Videochip, der das Bild in HD-Qualität auf einen Untersuchungsmonitor überträgt. Mit einigen neueren Endoskopen ist sogar eine mikroskopische Untersuchung der Gewebe im Patienten „vor Ort“ möglich. Während der Endoskopie können über den Arbeitskanal des Instruments Gewebeproben (Biopsien, Punktionen) entnommen und zahlreiche minimal invasive chirurgische Eingriffe vorgenommen werden, wie die Abtragung von Frühkarzinomen und Polypen, eine Blutstillung oder die Implantation von Stents zur Überbrückung krebsbedingter Verengungen. Spezielle Endoskope sind mit einer winzigen Ultraschallsonde ausgerüstet, die neben der Bildgebung gleichzeitig auch eine Ultraschalluntersuchung der dem Hohlorgan benachbarten Organe „von innen“ ermöglicht (Endosonographie). Veränderungen innerhalb dieser Organe oder vergrößerte Lymphknoten können unter Sicht sehr gezielt und sicher punktiert, und auf diesem Weg Gewebe für die feingewebliche Untersuchung gewonnen werden. Mit diesem einfachen, minimal invasiven Verfahren können dem Patienten aufwendige diagnostische Operationen erspart werden. Eine Endoskopie der Körperhöhlen (Bauchhöhle, Pleuraspalt, Gelenke) ist dagegen wesentlich seltener erforderlich und auch wesentlich aufwendiger, da hierzu zunächst operativ ein vorübergehender Zugangsweg geschaffen werden muss. Auch ist für diese Untersuchungen meistens ein kurzer stationären Aufenthalt notwendig. Biopsie und Punktion Wie bereits erwähnt, ist die feingewebliche Untersuchung das wichtigste und genaueste Verfahren in der Krebsdiagnostik. Untersuchungen zur Gewinnung von Tumorgewebe für diagnostische Zwecke bezeichnet man als Biopsie oder Punktion. Sie können entweder nach lokaler Betäubung der Einstichstelle von außen durch die Haut (perkutan) oder während einer Endoskopie oder Operation vorgenommen werden. Bei der sonographisch gesteuerten perkutanen Punktion von Bauchorganen (mit Ausnahme der Milz und des Ovars) wird meist eine sehr dünne Hohlnadel mit einem Außendurchmesser von 0,8 mm (Feinnadelpunktion) verwendet und unter kontinuierlicher sonographischer Sicht von aussen in das Tumorgewebe gesteuert. Mit dieser Technik können auch sehr kleine Herde ohne größere Belastung des Patienten gezielt erreicht werden. Die Punktionen können auch unter radiologischer Sicht (CT oder MRT) erfolgen. Da die Nadeln einen kleineren Außendurchmesser haben als Nadeln, die von Gefäßchirurgen

Untersuchungsverfahren

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zur Naht von Schlagadern verwendet werden, ist das Blutungsrisiko sehr gering. Dennoch sollte eine Behandlung mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten – nach Rücksprache mit dem Arzt – vor der Punktion pausiert werden. Auch das Risiko einer Streuung von Tumorzellen durch die Feinnadelpunktion ist sehr gut untersucht und entgegen vieler Befürchtungen nur äußerst gering. Patienten, bei denen der Krebs punktiert wurde, erlitten nicht häufiger eine Streuung oder einen Rückfall, als Patienten, bei denen keine Punktion vorgenommen wurde. Punktierte Patienten mit einem Pankreaskarzinom können früher gezielt behandelt werden und leben länger als diejenigen, bei denen keine Punktion vorgenommen wurde (Kudo et al. 2014). Brusttumore werden unter radiologischer Sicht mit speziellen Hohlnadeln, mit denen ein winziger Gewebezylinder gewonnen wird, punktiert (stereotaktische Punktion). Ein besonderes Biopsieverfahren ist die Sentinel Biopsie bei Brustkrebs, die intraoperativ durchgeführt wird. Sie dient dazu, eine Metastasierung in die ableitenden Lymphwege zu erkennen. Hierzu wird eine speziellen Färbelösung oder ein Tracer in die Tumorregion appliziert und beobachtet, in welche Lymphknoten die Substanz als erstes abfließt. Nur dieser Lymphknoten (Wächterlymphknoten) wird dann entfernt und auf Krebsbefall untersucht. Während man früher aus diagnostischen Gründen alle Lymphknoten entfernen musste, um eine Lymphknotenmetastasierung festzustellen ist heute nur die Entfernung des repräsentativen Wächterlymphknotens ausreichend, um die gleiche Information zu erhalten. Damit kann Patientinnen ohne Lymphknotenbefall – das sind mehr als der Hälfte der Patientinnen – die komplette Entfernung der Achsellymphknoten und die damit verbundenen Nebenwirkungen erspart werden. Für die exakte Diagnose und Klassifizierung von Leukämien und Lymphomen ist eine Untersuchung des Knochenmarks erforderlich. Hierzu wird in Seitenlage nach lokaler Betäubung mit einer speziellen Hohlnadel ein Knochenmarkzylinder

Krebsart

Zielstruktur

Zielgerichtete Therapie

Brust

Östrogen-, Progesteronrezeptor, HER2neu

Antiöstrogene u. andere hormonell wirksame Therapien HER-2 Antikörper Tyrosinkinase-Hemmer mTOR-Hemmer CDK4/6-Hemmer Angiogenesehemmer

Dickdarm

KRAS, NRAS, BRAF, MSS

EGFR-Antikörper VEGF-Antikörper

Lunge, kleinzellig

EGFR, ALK, ROS1, BRAFV600, PD-L1, RET, MET u.a.

Tyrosinkinaseinhibitoren ALK-Hemmer BRAF-und MEK-Hemmer Checkpointinhibitoren Angiogesesehemmer, u.a.

Abb. 4.6  Einige molekulare Zielstrukturen im Krebsgewebe und darauf ausgerichtete Therapie

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4  Diagnostik bei Krebsverdacht

aus dem hinteren oberen Beckenkamm entnommen (Jamshidi-Punktion). Auch diese Punktion ist ambulant durchführbar. Molekularbiologische Untersuchungen Zielgerichtete Therapien können nur dann wirken, wenn die jeweiligen Zielstrukturen in den Krebszellen vorhanden sind. Hierbei kann es sich zum Beispiel um Rezeptoren, ein bestimmtes Glied in einer Signalkette oder um Botenstoffe handeln. Vor Einleitung einer zielgerichteten Therapie wird das entnommene Krebsgewebe auf derartige Merkmale hin im Labor untersucht. In Abb. 4.6 sind einige der Zielstrukturen, die derzeit bei Brust-, Dickdarm- und nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen in den Geweben routinemäßig bestimmt werden, den zielgerichteten Therapien gegenübergestellt. Einige molekularbiologische Untersuchungen können heute sogar bereits aus einer Blutprobe vorgenommen werden, in der die im Blut zirkulierende Tumor-DNA untersucht wird („liquid biopsy“), sodass keine Gewebeprobe mehr notwendig ist. Mit sog. Genexpressionstests im Tumorgewebe (Oncotype u. a.) können in einem Untersuchungsgang gleichzeitig viele verschiedenen Genmerkmale des Tumors erfasst werden. Dieser Test ist bereits beim Brustkrebs zugelassen und ermöglicht in bestimmten Krankheitssituationen die Auswahl der erfolgversprechendsten Therapie.

Literatur Kudo T, Kawakami H, Kuwatani M, et al (2014) Influence of the safety and diagnostic accuracy of preoperative endoscopic ultrasound-guided fine-needle aspiration for resectable pancreatic cancer on clinical performance. World J Gastroenterol 20(13):3620–3627. https://doi. org/10.3748/wjg.v20.i13.3620

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Krebs bekämpfen

Inhaltsverzeichnis Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Chemotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Zielgerichtete Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Hormontherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Kombinationstherapien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Neue Therapiekonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Zusammenfassung: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Bei mir wurde Krebs diagnostiziert, was muss ich jetzt tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Therapieverfahren Krebs ist von einem fast immer tödlich verlaufenden Schicksal zu einer Krankheit geworden, die heute von der Mehrzahl der Patienten überlebt wird. Fast 90 % der Patienten mit Brustkrebs, 93 % der Patienten mit Melanom und 65 % der Patienten mit Darmkrebs werden heute geheilt, 91 % der Patienten mit einem Prostatakarzinom leben länger als 5 Jahre. Harnblasen-, Nieren-, Lymphdrüsen(NHL) und einige Formen von Blutkrebs sind ebenfalls in der Mehrzahl der Fälle heilbar. Die schlechteste Prognose haben derzeit noch Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Auch bei diesen Tumoren sind in jüngster Zeit therapeutische Fortschritte erzielt worden. Für die individuelle Prognose sind neben der Art der Krebserkrankung insbesondere auch der Ausbreitungsgrad zum Zeitpunkt der Diagnosestellung entscheidend (Abb. 5.1). Zu den Waffen, mit denen Krebs bekämpft werden kann, zählt neben den traditionellen Verfahren Operation, Strahlen-, Hormon- und Chemotherapie seit einigen Jahren auch die zielgerichtete Krebsbehandlung einschließlich der Immuntherapie. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Holtkamp, Krebs, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61354-2_5

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5  Krebs bekämpfen

Abb. 5.1  Häufigkeit (dunkle Balken) und Sterblichkeit (helle Balken) der 10 häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland, Patienten pro Jahr (Gekid 2019)

Die Zielgerichtete Therapie hat sich aus dem besseren Verständnis der Biologie von Krebs entwickelt und erlaubt es erstmals, Defekte und Fehlsteuerungen in der Tumorzelle gezielt an der Ursache und damit weitgehend selektiv zu behandeln. Die einzelnen Therapieverfahren gegen Krebs, wie sie im Folgenden kurz dargestellt werden, haben unterschiedliche Angriffspunkte und werden oft kombiniert, um ein optimales Ergebnis zu erreichen. In vielen Fällen sind Heilungen ganz ohne den Einsatz einer Chemotherapie möglich geworden (Abb. 5.2).

Abb. 5.2  Therapieverfahren in der Krebstherapie. Operation, Strahlentherapie und minimalinvasive Therapien werden zur Behandlung lokal wachsender Tumore eingesetzt. Hormon-, zielgerichtete und Chemotherapien sind auch bei gestreuten Tumoren wirksam. Die Verfahren werden oft kombiniert, um eine optimale Wirkung zu erzielen

Operation

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Operation Die chirurgische Entfernung (Resektion) war die erste und lange die einzige wirksame Therapie gegen Krebs. Wenn es gelingt, den Tumor komplett zu entfernen und der Tumor zum Zeitpunkt der Operation noch nicht gestreut hat, ist der Patient geheilt (Abb. 5.3). Hierzu ist es in den meisten Fällen notwendig, nicht nur den Tumor, sondern auch die zugehörigen Lymphabflusswege mit einem Sicherheitsabstand „im Gesunden“ zu resezieren. Die Entfernung der Lymphknoten ist gleichzeitig eine therapeutische und diagnostische Maßnahme. Sind die entfernten Lymphknoten tumorfrei, ist mit der Operation die Krebsbehandlung bei den meisten Tumoren abgeschlossen. Bei Befall der Lymphknoten besteht dagegen eine erhöhtes Rückfallrisiko, sodass oft eine zusätzliche medikamentöse Behandlung angeschlossen werden muss. Naturgemäß ist die Operation ein lokales Verfahren, das an seine Grenzen stößt, wenn der Tumor gestreut hat. In bestimmten Fällen kann aber auch die Entfernung von Metastasen im onkologischen Therapiekonzept sinnvoll sein, wenn nur wenige Metastasen vorhanden sind, die alle chirurgisch entfernt werden

Abb. 5.3  Gelingt es, den Tumor vollständig zu entfernen, ist der Patient nach der Operation geheilt, wenn der Tumor noch nicht gestreut hat ([M] © Wilhelm Holtkamp/© Sebastian Tumus, three boys sillhouette/Shutterstock)

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5  Krebs bekämpfen

können. Voraussetzung für eine Operation ist neben der technischen Entfernbarkeit des Tumors auch die Operationsfähigkeit des Patienten, wobei die zu erwartenden Operationsfolgen, z. B. nach einer Lungenresektion, von vornherein berücksichtigt werden müssen. Die Operation ist nach wie vor diejenige Maßnahme bei Krebs, mit der die meisten Heilungen erreicht werden können. Daher ist es besonders wichtig, Krebs in einem frühen Stadium zu diagnostizieren, in dem eine chirurgische Entfernung noch möglich ist.

Strahlentherapie Die Strahlentherapie ist wie die Operation eine lokale Therapiemaßnahme. Sie wird bei strahlenempfindlichen Tumoren, wie z. B. bestimmten Formen von Lymphdrüsenkrebs, entweder als alleinige Therapieform, oder anstelle einer Operation eingesetzt, wenn diese aufgrund der Lage und Ausdehnung eines Tumors nicht möglich oder der Patient nicht operabel ist. Oft ist die Strahlentherapie auch ein Baustein im onkologischen Therapiekonzept und wird – wie bei Brustkrebs oder Mastdarmkrebs – mit anderen onkologischen Therapieformen kombiniert. Durch die energiereiche Strahlung wird die DNA der Tumorzellen geschädigt, wodurch die Zellteilung beendet wird und die Tumorzellen absterben. Damit die Strahlenenergie präzise im Tumor freigesetzt und das umgebende gesunde Gewebe möglichst geschont wird, erstellt der Strahlentherapeut für jeden Patienten vor Beginn der Strahlentherapie in aufwendigen computergestützten Berechnungen einen individuellen Bestrahlungsplan. Neben der konventionellen Strahlentherapie stehen in Deutschland seit einigen Jahren auch ultrapräzise Bestrahlungstechniken, wie die Protonenbestrahlung oder das sog. Cyberknife zur Verfügung, um Tumore an besonders kritischen Körperregionen, wie dem Gehirn unter maximaler Schonung des umgebenden, gesunden Gewebes äußerst präzise zu behandeln. Mit dieser Art der Behandlung ist es beispielsweise möglich, unmittelbar am Sehnerv gelegene Tumore gezielt zu bestrahlen, ohne den Sehnerv zu schädigen.

Chemotherapie Die Chemotherapie hat seit ihren Anfängen in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Möglichkeiten der Krebsmedizin über die lokalen Maßnahmen hinaus deutlich erweitert und auch die Behandlung gestreuter Tumore ermöglicht. Viele bis dahin unheilbare Krebsformen sind durch eine alleinige Chemotherapie dauerhaft heilbar geworden. Hierzu zählen Hodgkin- und mehrere Non-HodgkinLymphome, akute Leukämien, Hodenkarzinome und einige Tumoren bei Kindern – auch im metastasierten Stadium. Die eingesetzten Medikamente (Zytostatika) töten überall im Körper Tumorzellen ab, indem sie die Zellteilung stören. Da sich Tumorzellen sehr schnell teilen und oft mehrere Stoffwechselwege bei ihnen

Zielgerichtete Therapie

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gestört sind, reagieren sie besonders empfindlich. Das Problem der Chemotherapie besteht darin, dass auch gesunde Körperzellen, die sich schnell teilen, getroffen werden, wie z. B. Zellen der Haut, des Darms oder des Knochenmarks. Die Therapie wirkt also nicht selektiv nur auf Tumorzellen. Dies ist auch der Grund für die typischen Nebenwirkungen wie Haarausfall, Blutarmut und Durchfall. Eine Chemotherapie wird deswegen in der Regel in 2- bis 4 wöchentlichen Intervallen (Zyklen) appliziert, damit der Körper Zeit hat, sich von den Nebenwirkungen wieder zu erholen. Um die Tumorwirkung zu verbessern, werden meistens verschiedene Zytostatika miteinander kombiniert (Polychemotherapie). Wenn der Krebs nicht mehr auf ein Zytostatikum anspricht, kann durch den Wechsel auf eine andere Kombination oft ein erneutes Ansprechen erreicht werden. Es hat sich gezeigt, dass eine Chemotherapie, die zusätzlich zu einer Operation durchgeführt wird, das Rückfallrisiko deutlich vermindern kann und damit die Heilungsrate, z. B. bei Patienten, die an Darm- oder Brustkrebs mit Lymphknotenbefall leiden, erheblich verbessert. Darmkrebspatienten mit Lymphknotenbefall haben mit diesem kombinierten Vorgehen die gleiche Chance auf Heilung, wie Patienten bei denen es noch nicht zu einer Streuung in die Lymphknoten gekommen ist. Die Chemotherapie wird aber auch eingesetzt, um metastasierte Tumoren zeitweilig zurückzudrängen, das Überleben zu verlängern oder Tumorsymptome zu bekämpfen. In dieser Situation ist ihr Einsatz also von vornherein nicht auf eine dauerhafte Heilung angelegt. Leider wird dieser Therapieansatz von vielen Menschen missverstanden, die folgern, dass eine Chemotherapie „sowieso nicht wirkt“, weil sie zu Nebenwirkungen führt, ohne den Tumor dauerhaft zu heilen. Wie wir noch sehen werden, muss also vor Beginn einer Chemotherapie stets das erreichbare Therapieziel festgestellt werden.

Zielgerichtete Therapie Krebszellen erlangen ihre typischen Eigenschaften, wie die Aktivierung der Zellteilung, weil bei Ihnen bestimmte kritische Stoffwechselwege, die bei gesunden Zellen streng kontrolliert und nur zeitweilig benutzt werden, infolge von Mutationen dauerhaft verändert sind. Viele dieser in Krebszellen gestörten Stoffwechselwege können heute identifiziert und gezielt medikamentös an- oder abgeschaltet werden. Da zielgerichtete Therapien jeweils nur auf ganz bestimmte Signalwege einwirken, haben sie in der Regel weniger Nebenwirkungen als eine Chemotherapie, die die Zellteilung bei allen – auch gesunden Körperzellen – unspezifisch hemmt. Durch ihre präzise Wirkung bekämpfen sie Krebs an der Wurzel und stellen daher einen großen Fortschritt gegenüber den bisherigen Therapien dar. Mit Ausnahme des Prostatakarzinoms – bei dem allerdings die Hormontherapie auch eine Form von zielgerichteter Behandlung darstellt – sind in Deutschland derzeit bereits für 9 der 10 häufigsten Tumore zielgerichtete Therapien zugelassen worden – bislang insgesamt 40 Substanzen.

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5  Krebs bekämpfen

Ein Beispiel für eine zielgerichtete Therapie ist Imatinib zur Behandlung der Chronisch Myeloischen Leukämie (CML), das im Jahr 2001 als erste zielgerichtete Therapie zugelassen wurde. Bei der CML kommt es infolge einer spezifischen Mutation in einer Vorläuferzelle der Blutbildung zur dauernden Aktivierung eines bestimmten Gens, das für die Produktion eines Proteins verantwortlich ist, welches die Zellteilung ankurbelt und in großen Mengen ungehemmt gebildet wird. Die fehlgesteuerten Zellen überwuchern schnell das gesamte Knochenmark und beeinträchtigen die Funktion aller Körperorgane. Vor Einführung von Imatinib führte die CML im Mittel nach 40 Monaten unbehandelt in allen Fällen zum Tod. Nur durch eine sehr aufwendige und nebenwirkungsreiche Knochenmarkstransplantation gelang es, einen Teil der Patienten vor dem sicheren Tod zu retten. Imatinib hemmt dagegen gezielt und spezifisch die Aktivierung dieses Proteins, sodass die ungebremste Stimulation der Zellteilung unterbleibt. Die Behandlung ist nicht nur wesentlich besser verträglich als die Chemotherapie, sondern auch wesentlich wirksamer, nachhaltiger und einfacher in der Anwendung. Bei über 90 % Patienten, die mit dieser Substanz behandelt werden, bildet sich die Krankheit rasch und dauerhaft zurück. Die meisten Patienten können wieder ihrer normalen Tätigkeit nachgehen und es ist sehr wahrscheinlich, dass sie eine normale Lebenserwartung haben werden. Da nicht der Gendefekt selbst, sondern seine Folge – die ungebremste Bildung eines Wachstumsfaktors – gehemmt wird, muss Imatinib wahrscheinlich lebenslang als Tablette eingenommen werden. Aber nicht in jedem Tumor lässt sich – wie bei der CML – die Erkrankung auf einen einzigen, spezifischen Defekt zurückführen. Bei den meisten Krebsarten sind mehrere Signalwege gleichzeitig gestört. Auch kann jeder Krebs, wie z. B. das Lungenkarzinom, bei verschiedenen Patienten ein unterschiedliches Mutationsmuster aufweisen. Bevor eine bestimmte zielgerichtete Therapie eingesetzt wird, muss daher untersucht werden, welche Mutationen der individuelle Krebs des Patienten aufweist und wie ausgeprägt sie sind. Nur bei Patienten, bei denen der größte Teil der Krebszellen des Tumors ein bestimmtes Mutationsmerkmal aufweist, ist eine darauf abzielende, „passende“ Therapie ausreichend wirksam. Aus diesen Gründen wird heute das Tumorgewebe vor Beginn einer zielgerichteten Therapie molekulargenetisch untersucht, um abschätzen zu können, ob die geplante Therapie auch wirksam sein wird. Sind mehre Mutationen gleichzeitig nachweisbar, wie z. B. beim Melanom, werden verschiedene zielgerichtete Therapien kombiniert. Aufgrund der unterschiedlichen Erscheinungsformen und vielfältigen Therapiemöglichkeiten ist die Behandlung von Krebs heute sehr auf den individuellen Krebs des einzelnen Patienten zugeschnitten, sodass man auch von einer personalisierten Therapie oder Präzisionsonkologie spricht. Obwohl zielgerichteten Therapien in der Regel besser vertragen werden als eine Chemotherapie, sind sie aber nicht gänzlich frei von Nebenwirkungen, weil die Signalwege auch für die gesunden Körperzellen wichtig sind. Im Gegensatz zu gesunden Zellen sind einzelne Signalwege in den Krebszellen aber

Kombinationstherapien

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extrem ­verstärkt oder dauerhaft blockiert, weswegen eine zielgerichtete Therapie besonders die Krebszellen trifft.

Hormontherapie Die weitaus älteste Form einer zielgerichteten Behandlung von Krebs ist die Hormontherapie. Bereits 1898 beobachtete der englische Arzt G. Beatson, dass sich bei einer Patientin ein bereits fortgeschrittener Brustkrebs nach Entfernung der Eierstöcke vollständig zurückbildete. Östrogene und Progesteron aus den Eierstöcken werden in die Blutbahn abgegeben und binden an spezifische Andockstellen (Rezeptoren) der Brustdrüse, wo sie unter anderem deren Wachstum fördern. Krebs, der in einem hormonabhängigen Organ entstanden ist, bildet oft große Mengen von Hormonrezeptoren aus und kann unter dem Einfluss der Hormone immer weiter wachsen, da ihm die natürliche Wachstumskontrolle fehlt. Auf gleiche Weise fördern männliche Geschlechtshormone (Androgene) das Wachstum von Prostatakarzinomen. Auch bei Patienten mit Prostatakrebs kommt es nach Kastration zur Tumorrückbildung. Für die antihormonelle Behandlung von Brust- oder Prostatakrebs müssen die hormonbildenden Organe heute nicht mehr entfernt werden. Seit fast 40 Jahren gibt es Medikamente, die gezielt die Hormonrezeptoren auf der Krebszelle blockieren oder den Östrogen- bzw. Testosteronspiegel absenken, sodass der wachstumsstimulierende Effekt der Hormone aufgehoben und das Tumorwachstum gestoppt wird. Allerdings spricht nicht jeder Krebs auf den Hormonentzug an. Voraussetzung für die Wirksamkeit ist das Vorhandensein von spezifischen Hormonrezeptoren im Tumorgewebe. Aus diesem Grund wird heute bei allen Brustkrebspatientinnen der Gehalt an Östrogen- und Progesteronrezeptoren im Tumorgewebe bestimmt. Werden beide Rezeptoren nachgewiesen, spricht die Patientin mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auf die Hormontherapie an, unabhängig davon, wie weit sich der Krebs bereits ausgedehnt hat. Die Ansprechrate ist umso höher, je mehr Rezeptoren der Tumor enthält, sodass es bei fast allen Patientinnen mit einem sehr hohen Rezeptorgehalt zu einer Tumorrückbildung kommt. Die heute zur Verfügung stehenden Medikamente sind wesentlich verträglicher geworden und eignen sich auch für eine jahrzehntelange Behandlung.

Kombinationstherapien Auch bei zielgerichteten Therapien kann es, wie bei der Chemotherapie, dazu kommen, dass der Krebs gegen die eingesetzte Behandlung allmählich resistent wird. Ein Tumor, der sich anfangs zurückgebildet hat, beginnt dann wieder zu wachsen. Da die intrazellulären Signalketten netzartig miteinander verwoben sind, gelingt es einigen Krebszellen, alternative Signalwege zu aktivieren, auf die sie ausweichen um so eine medikamentöse Blockade zu umgehen. Krebszellen, die diese Eigenschaft, z. B. durch neue Mutationen entwickeln, haben gegenüber den anderen Krebszellen einen Vorteil und breiten sich im Tumor aus, der dann resistent wird. Aus diesem Grund werden oft von vornherein Therapien

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5  Krebs bekämpfen

Abb. 5.4  Bestehen zum Zeitpunkt der Operation bereits Mikrometastasen, kann Krebs durch eine Operation nicht dauerhaft geheilt werden. Die Mikrometastasen sind zu diesem Zeitpunkt mit allen uns zur Verfügung stehenden Verfahren noch nicht erkennbar, sodass der Patient nach der Operation nur scheinbar geheilt ist. Anhand anderer Merkmale des Tumors, wie Tumorgröße, Lymphknotenbeteiligung oder Rezeptorgehalt, kann man aber Patienten mit erhöhtem Rückfallrisiko identifizieren. Damit es bei diesen Patienten nicht zu einem Rückfall kommt, wird eine zusätzliche (adjuvante) Systemtherapie, die im gesamten Körper wirkt, durchgeführt. Nur so ist eine Heilung möglich ([M] © Wilhelm Holtkamp/© Sebastian Tumus, three boys sillhouette/ Shutterstock)

mit ­ unterschiedlichem Angriffspunkt kombiniert, wie z. B. eine zielgerichtete Therapie mit einer Chemotherapie. Die Wirkung beider Therapien addiert sich nicht nur, sondern verstärkt sich oft noch gegenseitig. Als besonders wirksam hat sich für Patienten mit erhöhtem Rückfallrisiko die Kombination von Lokalverfahren, wie der Operation, mit einer systemisch wirksamen Therapie, z. B. einer Chemo- und zielgerichteten Therapie, erwiesen (Abb. 5.4). Hierbei wird die systemische Therapie entweder vor- (neoadjuvant) oder nach der Operation (adjuvant) verabreicht. Die Idee, lokale und systemische Therapien von Anfang an zu kombinieren, hat ihren Ursprung in der Beobachtung, dass es trotz der operativen Entfernung des Tumors einschließlich der Lymphknoten bei einem Teil der Patienten zu einem Rückfall kommt. Dabei tritt der Krebs nicht mehr an der ursprünglichen Stelle auf, wo er entstanden ist, sondern in entfernten Organen (Metastasierung). Die Ursache liegt darin, dass bei diesen Patienten der Krebs bereits zum Zeitpunkt der Operation in andere Organe gestreut hat, die Metastasierung aber nur so wenige Krebszellen umfasste, dass sie von allen diagnostischen Tests zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt werden kann. Die Operation führt damit nur zu einer scheinbaren Heilung und beseitigt mit dem Primärtumor nur einen Teil des Krebsproblems. Eine zusätz-

Neue Therapiekonzepte

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Abb. 5.5  Abfolge verschiedener Therapieverfahren am Beispiel des Enddarmkrebs mit Lymphknotenmetastasen. Bereits vor der Operation wird eine Strahlentherapie in Kombination mit einer Chemotherapie eingesetzt und die Chemotherapie nach der Operation für einen begrenzten Zeitraum fortgeführt. Durch das kombinierte Vorgehen werden sowohl ein Rückfall im Bereich des entfernten Tumors verhindert als auch bereits in ferne Organsysteme gestreute Mikrometastasen zerstört. Außerdem wird durch die präoperative Therapie der Tumor verkleinert, sodass er schonender operiert werden kann

lich zur Operation verabreichte Chemotherapie ist in diesem Stadium der sehr frühen Metastasierung besonders wirksam. Mit der Chemotherapie werden die wenigen noch vorhandenen Krebszellen vernichtet, ehe sie weiter wachsen und mit diagnostischen Tests erkennbar werden. Dadurch wird ein Rückfall der Krebserkrankung vermieden und ein deutlich höherer Anteil von Patienten von der Krebserkrankung dauerhaft geheilt (Abb. 5.4). Gleiches gilt auch für die Kombination von Operation mit einer Hormon- oder zielgerichteten Therapie. Bei einigen Krebsarten ist es auch sinnvoll, zusätzlich zu der Operation eine Strahlentherapie durchzuführen. Entweder, weil die Krebsart trotz Operation zu Rückfällen am Ort der Entstehung (Lokalrezidiv) neigt, wie der Mastdarmkrebs, oder um eine weniger radikale, schonende Operation zu ermöglichen, ohne gleichzeitig das Risiko eines lokalen Rückfalls einzugehen (Abb. 5.5).

Neue Therapiekonzepte Da kein Gebiet der Medizin einem so raschen Wandel unterliegt wie die moderne Krebstherapie, sind schon heute einige neue Therapiekonzepte absehbar, die kurz vor dem breiten klinischen Einsatz stehen: • Individualisierte Krebstherapie Das zunehmend bessere Verständnis der intrazellulären Fehlsteuerungen bei Krebs lässt in naher Zukunft zahlreiche neue zielgerichtete Therapien für alle Krebsarten erwarten. Die zukünftige Therapie wird damit noch stärker auf den einzelnen Patienten ausgerichtet sein als bisher. Voraussetzung für eine maßgeschneiderte Therapie ist eine vollständige molekulargenetische Analyse des Tumorgewebes zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und – falls erforderlich – auch noch

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5  Krebs bekämpfen

­ ehrfach im Verlauf der Erkrankung. Der Tumor wird nicht, wie bisher, nur auf m einige Merkmale hin untersucht, sondern vor der Therapieentscheidung das gesamte Erbgut des Tumors komplett entschlüsselt und Proteinprofile (Proteom) erstellt. Dadurch werden alle Eigenschaften, das Muster der Fehlsteuerungen und die Schwachstellen des individuellen Tumors erfasst. Die molekulargenetische Analyse wird die bisherigen klinischen Prognosefaktoren, wie Lymphknotenbefall oder Stadium des Tumors, nach denen derzeit noch die Therapie ausgewählt wird, ergänzen, wenn nicht sogar ganz ersetzen und eine wesentlich präzisere Aussage zur Prognose und optimalen Therapie ermöglichen. Die Kenntnis der individuellen Fehlsteuerungen des Tumors erlaubt es damit, nur wirksame Therapiekombinationen einzusetzen, sodass dem Patienten eine Behandlung mit unwirksamen Medikamenten erspart und sinnlose Nebenwirkungen vermieden werden. Die zukünftige Behandlung richtet sich also nicht mehr, wie bisher, an empirisch gewonnenen allgemeinen Standards, sondern zunehmend an dem individuellen Krebs des einzelnen Patienten aus. Die Behandlung von Krebs wird in Zukunft nicht mehr organspezifisch erfolgen, sondern – unabhängig, ob es sich um Brust-, Prostata-, Darmtumoren oder eine andere Krebsart handelt – die jeweiligen genetischen Störungen, die der Entstehung des Krebses zugrunde liegen, zielgerichtet bekämpfen. Da jeder Krebs ein individuelles Muster von Signalstörungen aufweist, wird auch die zukünftige Therapie an dieses Muster angepasst, also individualisiert sein. Um zu entscheiden, bei wem, wann, in welcher Kombination oder Reihenfolge die Therapien am besten einzusetzen sind, werden Ärzte zukünftig zunehmend durch Künstliche Intelligenz (KI-Programme) unterstützt werden. Auch der Therapieerfolg wird einfach, sehr genau und wenig belastend mittels hochpräziser molekulargenetischer Analysen anhand einer Blutprobe (Liquid biopsy) ermittelt werden können. Derzeit noch weiter in der Zukunft liegen zielgerichtete Therapien, die nicht nur auf der Ebene der regulatorischen Proteine, sondern auch auf Genebene wirksam sind und damit eine „Reparatur“ der den Krebs auslösenden defekten Gene ermöglichen werden. Vor kurzem wurden erstmals derartige Gentherapien erfolgreich eingesetzt, um seltene Erbkrankheiten zu heilen. Die Wirksamkeit war so groß, dass das Verfahren trotz der hohen Kosten in der Klinik eingesetzt und von den Krankenkassen bezahlt wird. • Bekämpfung von Krebsstammzellen Neue, innovative Behandlungsformen werden auf neuen Erkenntnissen und Konzepten der Krebsentstehung aufbauen. Als Beispiel sei hier das Konzept der Krebsstammzellen erwähnt, das bereits in naher Zukunft vielversprechende Therapieansätze erwarten lässt. Man weiß heute, dass nicht nur das normale Körpergewebe, sondern auch Krebs hierarchisch organisiert ist (Bonnet 1997). Wie wir in Kap. 1 gesehen haben, erneuern sich die Organe des Menschen aus Stammzellen. Stammzellen stehen auf der obersten Stufe des Zellnachschubs, ganz unten stehen „als Produkt“ die ausgereiften Zellen. Eine neue, bahnbrechende Erkenntnis der letzten Jahre

Neue Therapiekonzepte

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war, dass sich auch bei fast allen Krebsarten Stammzellen, die man als Krebsstammzellen bezeichnet, nachweisen lassen (Mertins 2014). Die Krebsstammzellen sind aber – da sie wie die normalen Stammzellen besonders geschützt sind und sich nur selten teilen – sehr unempfindlich gegen medikamentöse Therapien. Aus diesem Grund werden durch eine Chemotherapie fast ausschließlich die entwickelten Krebszellen vernichtet, während die wesentlich selteneren Krebsstammzellen überleben können. Bleibt nur eine einzelne Krebsstammzelle zurück, kann diese ausreichen, einen Rückfall auszulösen. Voraussetzung für eine nachhaltige Heilung von Krebs ist daher die Vernichtung aller Krebsstammzellen. Um mehr dauerhafte Heilungen zu erreichen, wird derzeit intensiv untersucht, mit welchen Strategien Krebsstammzellen wirksam bekämpft und deren Streuung verhindert werden kann. • Immuntherapien Schon lange ist bekannt, dass Menschen, bei denen das Immunsystem durch Medikamente oder Krankheiten gehemmt wird, wesentlich häufiger an Krebs erkranken, als Menschen mit einem gesunden Immunsystem. Offensichtlich gelingt es unserem Immunsystem in bestimmten Fällen tatsächlich, Krebszellen zu erkennen und wie einen Krankheitserreger – mittels sog. T- und Killerzellen – zu beseitigen. Dennoch haben sich die Hoffnungen, durch eine unspezifische „Stärkung“ unseres Immunsystems den Krebs bekämpfen zu können, nicht erfüllt. Hierfür sind speziellere Immunstrategien notwendig. Erst vor relativ kurzer Zeit hat man erkannt, dass Krebszellen mehrere raffinierte Tricks einsetzen, um unserer Immunabwehr zu entgehen. Einige Krebszellen setzen in ihrer Umgebung Botenstoffe frei, welche die Aktivierung von Immunzellen hemmen; andere besitzen an ihrer Zelloberfläche Eigenschaften, durch die sie für unser Immunsystem nicht mehr erkennbar, also „unsichtbar“ sind. Einige neuere Therapiestrategien (Checkpoint-Inhibitoren) zielen daher darauf ab, Tumorzellen zu enttarnen, was dem Immunsystem dann ermöglicht, den Tumor zu erkennen und zu beseitigen. Da in unserem Körper dauernd Immunzellen in großer Zahl patrouillieren, kommt es so zur raschen Tumorrückbildung. Für die Entwicklung von Checkpoint-Inhibitoren wurde 2018 der Medizin-Nobelpreis an James Allison und Tasuku Honjo vergeben. Checkpoint-Inhibitoren werden heute im klinischen Alltag bei immer mehr Krebsarten erfolgreich eingesetzt und es ist absehbar, dass sie in naher Zukunft bei fast allen Krebsarten zum Einsatz kommen. In einem anderen Therapieverfahren werden bestimmte Immunzellen (T-Zellen) aus dem Blut des Patienten isoliert, außerhalb des Patienten gentechnisch mit einem künstlichen Rezeptor versehen und dem Patienten wieder zugeführt (CAR-T-Zell-Therapie). Der neue Rezeptor versetzt die T-Zellen in die Lage, Tumorzellen zu erkennen und deren Vernichtung durch das Immunsystem einzuleiten. Die gesamte Behandlung besteht in einer einmaligen Infusion der veränderten Zellen, ohne dass eine weitere Nachbehandlung erforderlich ist. Das Verfahren ist noch sehr teuer, nebenwirkungsreich und eignet sich bislang nur

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für bestimmte Lymphome und Leukämieformen (Milioto 2018). Es ist jedoch zu erwarten, dass durch Weiterentwicklung derartiger Ansätze zukünftig Immuntherapien auch bei anderen Krebsarten, mit weniger Nebenwirkungen und kostengünstiger eingesetzt werden können. • Minimal-invasive Verfahren Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Ansicht, Krebs sei eine Systemerkrankung, die nur dauerhaft geheilt werden kann, wenn der gesamte Organismus behandelt wird, hat sich bei einigen Krebsarten überraschenderweise gezeigt, dass sie nicht diffus streuen, sondern anfangs nur einzelne, gut abgrenzbare Metastasen setzen. Bei diesen Patienten sind Heilungen ohne eine systemische Therapie erreichbar, wenn die Metastasen lokal – also chirurgisch oder minimal-invasiv – entfernt werden. Bisher galt als Grenze für dieses Vorgehen insbesondere die Zahl und die technische Operabilität der Metastasen sowie die Operationsfähigkeit des Patienten. Neuere Entwicklungen in der minimal-invasiven Medizin ermöglichen mittlerweile bei einigen Krebsarten auch die gezielte Zerstörung von Metastasen ganz ohne Operation, z. B. mittels einer in den Tumor vorgeschobenen Lasersonde, Hochfrequenzstrom, fokussiertem Ultraschall oder Präzisionsbestrahlung. Selbst Metastasen, die einer Operation nicht zugänglich sind, können so erfolgreich behandelt werden. Bei Leberkarzinomen ist diese Behandlung bis zu einer Tumorgröße von etwa 3 cm genauso wirksam wie eine Operation, hat aber deutlich weniger Nebenwirkungen und kann sogar ambulant und kostengünstig durchgeführt werden (Holtkamp 2001, Abb. 5.6). Prostatakarzinome eignen sich besonders gut für eine nicht operative Behandlung mit energiereichen Ultraschallwellen. Diese Technik wird auch auf andere Organe angewendet werden können.

Abb. 5.6  Gezielte Zerstörung einer Lebermetastase ohne Operation (Übersichtsbild links). Eine spezielle 1,2 mm durchmessende Nadel wird nach lokaler Betäubung unter ständiger sonographischer Sicht durch die Haut in die Lebermetastase (Mitte, rot umrandet) eingeführt. Die Nadel ist während der Punktion sonographisch gut erkennbar. Anschließend wird die Lebermetastase durch Erhitzen der Nadelspitze mit Hochfrequenzenergie (rechts) oder Laser lokal zerstört. Das Verfahren eignet sich für gut abgrenzbare Karzinome bis ca. 3 cm Durchmesser und kann sogar ambulant durchgeführt werden

Bei mir wurde Krebs diagnostiziert, was muss ich jetzt tun?

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Zukünftige Fortschritte auf dem Gebiet der Nanotechnologie werden innovativen, mikroinvasiven Verfahren gegen Krebs weiteren Auftrieb geben. Im Experimentalstadium ist die gezielte Freisetzung von Medikamenten direkt im Tumorgewebe mittels „intelligenter“ Nanopartikel.

Zusammenfassung: Mit den verschiedenen onkologischen Therapieverfahren gelingt es heute, Krebs in der Mehrzahl der Fälle dauerhaft zu heilen. Für jeden erkrankten Patienten wird vor Beginn der Behandlung eine individuelle Therapiestrategie erstellt, in der verschiedene onkologische Therapien (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie, zielgerichtete Therapie, Hormontherapie) entweder alleine eingesetzt, oder – in den meisten Fällen – in einem festgelegten zeitlichen Ablauf kombiniert werden. Die Auswahl der geeigneten Therapie richtet sich nach Art, Ausbreitungsgrad und Eigenschaften des Tumors und berücksichtigt die individuellen Besonderheiten des einzelnen Patienten. Vor dem Einsatz einer zielgerichteten- oder einer Hormontherapie wird das Tumorgewebe auf bestimmte Gewebemerkmale hin untersucht. Dies ermöglicht eine Vorhersage darüber, ob der Krebs voraussichtlich auf die gewählte Therapie ansprechen wird. Es ist zu erwarten, dass in naher Zukunft der Krebs jedes Patienten nicht nur auf einzelne Merkmale sondern vollständig molekulargenetisch untersucht wird, um mit wesentlich größerer Sicherheit als bisher die wirksamste und gleichzeitig nebenwirkungsärmste – maßgeschneiderte – Therapie auswählen zu können. Den neuen zielgerichteten Therapien kommt hier eine besondere Bedeutung zu.

Bei mir wurde Krebs diagnostiziert, was muss ich jetzt tun? Über alle medizinischen und technischen Fortschritte in der Krebsmedizin darf aber nicht vergessen werden, daß es letztlich der erkrankte Mensch mit all seinen Nöten und Ängsten ist, der die Krebsbehandlung auch durchstehen muss, um von seiner Erkrankung befreit zu werden. Schon die Diagnose einer Krebserkrankung ist für die meisten Betroffenen ein Schock, der zunächst Ungläubigkeit und Abwehr auslöst. Dem ersten Reflex „Stimmt die Diagnose überhaupt?“ folgt meistens die Frage „Warum ich? Wo liegen die Ursachen? Was soll ich jetzt machen?“ Andere Menschen reagieren scheinbar paradox, indem sie anfangs geradezu erleichtert sind, dass endlich eine Ursache für ihre oft schon länger bestehenden Beschwerden gefunden wurde, die vorher keiner so richtig ernst genommen hatte. Der Angst folgt oft eine Lähmung, die das klare Denken blockiert und dazu verleitet, den Kampf gegen Krebs schon aufzugeben, bevor er überhaupt begonnen hat. Niemand möchte sich den Kampf gegen den Krebs aufzwingen lassen. Der Patient versucht, die Erkrankung zu verdrängen, und ist in dieser Phase besonders anfällig für falsche Heilsversprechen, oft umstrittene alternative Therapien und Wunderglaube. Von Angehörigen und Bekannten strömen gut gemeinte aber

5  Krebs bekämpfen

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medizinisch oft fragwürdige Ratschläge auf ihn ein, wie: „Die Chemotherapie hilft auf Dauer doch nicht“, „Krebs ist sowieso nicht heilbar“, „Vergiss die Chemie und vertraue lieber auf die Natur“, usw. Er neigt jetzt dazu, die vorgeschlagene medizinische Behandlung, insbesondere wenn es sich um eine nebenwirkungsreiche Therapie handelt, abzulehnen. Neben der Angst vor Nebenwirkungen trägt auch der Überfluss an Informationen verschiedenster Art aus dem Internet oft mehr zur weiteren Verwirrung bei, als eine klare Orientierung zu geben. Um die Krebsdiagnose zu bewältigen, muss daher die emotionale Phase der ungezielten Abwehr und des Nichtwahrhabenwollens möglichst bald einer rationalen, kritischen Bestandsaufnahme weichen. 

Nehmen Sie die Diagnose an, aber bleiben Sie kritisch. Versuchen Sie, der Rolle des Opfers zu entkommen und selbst das Heft in die Hand zu nehmen.

Literatur Bonnet D, Dick JE (1997) Human acute myeloid leukemia is organized as a hierarchy that originates from a primitive hematopoietic cell. Nature med 3:730–737 Holtkamp W (2001) Percutane minimalinvasive Entfernung von Lebertumoren. Onkologie 24(1):59–64 Mertins SD (2014) Cancer stem cells: a systems biology view of their role in prognosis and therapy. Anticancer Drugs 25(4):353–367. https://doi.org/10.1097/cad.0000000000000075 Milioto AN (2018) Papadopoulou LCCAR T-cell Therapy: a new era in cancer immunotherapy. Curr Pharm Biotechnol 19(1):5–18. https://doi.org/10.2174/1389201019666180418095526 Robert-Koch-institut, GEKID, Krebs in Deutschland (2019)

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10 Regeln für Ihren Kampf gegen Krebs

Inhaltsverzeichnis Regel 1: Nutzen Sie alle sinnvollen Therapiemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Regel 2: Bewahren Sie einen klaren Kopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Regel 3: Lassen Sie sich vor Beginn der Therapie genau beraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Regel 4: Finden Sie den richtigen („Ihren“) Arzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Regel 5: Holen Sie eine zweite Meinung ein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Regel 6: Nehmen Sie den Kampf auf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Regel 7: Halten Sie die Therapie durch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Regel 8: Behalten Sie immer das Therapieziel im Auge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Regel 9: Leben Sie während der Therapie, soweit es geht, ihr gewohntes Leben weiter . . . . . 96 Regel 10: Lassen sie das Rückfallrisiko nicht ihr weiteres Leben bestimmen . . . . . . . . . . . . . 97

Die folgenden 10 Regeln sind konkrete Ratschläge, die Ihnen helfen sollen, Ihre Krebserkrankung und -behandlung besser zu überstehen. Zu Ihrer weiteren Orientierung finden Sie im daran anschließenden Kapitel die Grundzüge der Therapie der 10 häufigsten Krebserkrankungen dargestellt.

Regel 1: Nutzen Sie alle sinnvollen Therapiemaßnahmen Die Krebsdiagnose hat Sie plötzlich und unerwartet getroffen. Die drohende Gefahr, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren, hat Sie geschockt, eine Lähmung und vielleicht sogar Fatalismus ausgelöst. Der Gedanke „Es hat keinen Sinn, den Kampf gegen Krebs aufzunehmen, er verlängert nur das Leiden, Sterben muss ich ja sowieso“, geht Ihnen vielleicht als erste Reaktion durch den Kopf. Bilder von Menschen, vielleicht Freunden oder Verwandten, die den Kampf gegen Krebs verloren haben, erscheinen vor ihrem inneren Auge und vermengen sich mit Ängsten zu einem düsteren Ausblick auf die eigene Zukunft.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Holtkamp, Krebs, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61354-2_6

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Begegnen Sie aktiv dieser Schockstarre! Viele Tumore sind heute gut behandelbar und noch mehr sind heilbar. Aber das gilt nur dann, wenn Sie die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten auch ausschöpfen. Passivität kann in dieser Situation gefährlich sein. Überwinden Sie die angstbedingte Lähmung, finden sie Ihre Selbstbestimmung zurück und verschwenden Sie keine Zeit! Zunächst müssen Sie von Ihrem Onkologen erfahren, welche Behandlung in Ihrer individuellen Situation medizinisch indiziert und machbar ist, welche Therapieziele bei Ihnen realistisch sind und welchen Beitrag es von Ihnen selbst erfordert, diese Ziele zu erreichen. Nicht alles was machbar ist, muss für Sie persönlich auch sinnvoll sein. Dies gilt insbesondere bei nicht heilbarem Krebs. Erst nachdem Sie alle Therapiemöglichkeiten genau kennen, können Sie letztlich zusammen mit Ihrem Arzt entscheiden, was Sie für sich selbst als sinnvoll erachten und was nicht. Hierzu gehört, dass Sie sich nicht nur über die medizinischen Therapieziele, sondern auch über Ihre weiteren Lebensziele im Klaren werden. Was mache ich mit der – je nach Sichtweise – verbleibenden oder gewonnenen Zeit? Welche Ziele im Leben kann und möchte ich noch erreichen? Welchen Preis bin ich gewillt, dafür zu zahlen? Niemand, auch nicht ihr Arzt des Vertrauens, kann Ihre Lebensziele besser einschätzen als Sie selbst. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, diese grundsätzlichen Fragen zu durchdenken und lassen Sie sich nicht von panischem Aktionismus, der oft auf die Lähmung folgt, leiten. Stellen Sie die Therapieziele in den Kontext Ihrer weiteren Lebensplanung. Erst wenn Sie sich Therapieziele und Lebensziele bewusst gemacht haben, können Sie die Therapie wirklich annehmen und durchziehen.

Regel 2: Bewahren Sie einen klaren Kopf Bleiben Sie kritisch bei gut gemeinten, aber medizinisch oft fragwürdigen Ratschlägen von Angehörigen oder Bekannten und hüten Sie sich insbesondere vor unseriösen Anbietern auf dem Gesundheitsmarkt, die aus Ihrer Angst ein Geschäft machen wollen. Lassen Sie sich nicht von irrationalem Wunschdenken leiten. Je seltener die wissenschaftliche Medizin eine Heilung garantieren kann, umso häufiger machen sich Scharlatane diese therapeutische Lücke zunutze. Sie bedienen das menschliche Bedürfnis nach Wunderglauben und verfügen mit dem Internet über ein mächtiges Instrument, mit dem sie nahezu alle Betroffenen erreichen und beeinflussen können. Lassen Sie Ihre Angst nicht von zweifelhaften Geschäftemachern ausnutzen! Solange die wissenschaftliche Medizin Wege aus der Erkrankung weisen kann, sind derartige Angebote keine „Alternative“. Einige Naturheilverfahren sind dagegen hilfreich und können in speziellen Situationen ergänzend (komplementär) zur wissenschaftlichen Medizin eingesetzt werden; eine medizinisch wirksame Krebsbehandlung mit dem Ziel der Heilung können sie aber nicht ersetzen. Wenn Sie eine komplementäre Behandlung durchführen wollen, sollten Sie das nicht verheimlichen und auf jeden Fall mit Ihrem Arzt offen besprechen.

Regel 3: Lassen Sie sich vor Beginn der Therapie genau beraten

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Regel 3: Lassen Sie sich vor Beginn der Therapie genau beraten Krebs ist eine komplexe Erkrankung. Das gilt auch für die Therapie. Um Krebs zu heilen, müssen meistens mehrere verschiedene Behandlungsverfahren in der richtigen zeitlichen Abfolge kombiniert werden. Die Wahl der Therapie richtet sich nach der Krebsart, nach molekularen Gewebeeigenschaften des Tumors, dem Ausbreitungsstadium, dem Allgemeinzustand, den Begleiterkrankungen, den zu erwartenden Nebenwirkungen, den Therapiezielen und nicht zuletzt nach dem Patientenwunsch. Die für Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt optimale Therapie ist daher auch immer auf Ihre individuelle Krankheitssituation ausgerichtet und nicht ohne Weiteres mit anderen Patienten – auch wenn die gleichen Krebsdiagnose, vorliegt – austauschbar. Da sich die Therapie oft über einen längeren Zeitraum, z. B. ein Jahr, erstrecken kann, muss die gesamte Behandlungssequenz bereits vor Beginn der allerersten Behandlung geplant werden, um das beste Therapieergebnis – bei mehr als der Hälfte der Patienten die Heilung – zu erzielen. Wird mit der falschen Therapie begonnen, und erst später auf das optimale Therapiekonzept gewechselt, ist das bestmögliche Therapieergebnis bereits nicht mehr erreichbar. Bereits vor Beginn der ersten Therapie muss auch überlegt werden, welche Strategie im Fall eines Tumorrezidivs (Rückfalls) oder bei einem Therapieversagen verfolgt werden soll. Bei Tumoren, die nicht heilbar sind, aber bei denen im weiteren Krankheitsverlauf mehrfach zeitweilige Rückbildungen erzielt werden können, muss die richtige Abfolge der einzelnen Therapieformen beachtet werden, um ein möglichst langes Überleben bei möglichst geringer Beeinträchtigung durch die Krebserkrankung und die Tumortherapie zu erzielen. Der Behandlungserfolg und die Nebenwirkungen müssen unter einer laufenden Therapie ständig beobachtet und das Therapiekonzept ggf. individuell angepasst werden. Um das beste Resultat zu erzielen, sind oft mehrere Wege gangbar. Welcher Weg für Sie der richtige ist, muss auf Grundlage aller genannten Faktoren mit Ihnen zusammen entschieden werden. Es kann vorkommen, dass der eigentlich optimale Therapieweg für Sie aufgrund von individuellen Unverträglichkeiten, Nebenwirkungen oder besonderen Begleitumständen nicht gangbar ist und eine andere Route eingeschlagen werden muss, um das gewünschte Ziel dennoch zu erreichen. Auch wird durch neue Behandlungsverfahren, neue Studienergebnisse und neue Medikamente die optimale Therapiestrategie laufend verbessert. Eine Therapie, die vor 2 Jahren noch als Goldstandard angesehen wurde, kann heute bereits überholt sein. Der aktuelle Therapiestandard wird durch die onkologischen Fachgesellschaften ständig in neuen, verbesserten Leitlinien abgebildet. All diese Einflussfaktoren sollte Ihr behandelnder Arzt kennen und in seinem Therapievorschlag berücksichtigen. Vor Beginn einer wie auch immer gearteten Therapie muss ihr Arzt daher ein eingehendes, konkretes und ehrliches Beratungsgespräch mit Ihnen führen und Sie offen und kompetent über alle Aspekte der Erkrankung und Behandlung informieren. Nehmen Sie daher Ihren nächsten, eventuell auch mehrere Angehörige/n zu diesem Therapiegespräch mit, damit Sie und die Ihnen wichtigen Menschen den gleichen Informationsstand haben,

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wenn Sie sich später beraten. Dadurch wird auch vermieden, dass aufgrund Ihrer Anspannung wichtige Informationen verloren gehen oder falsch verstanden werden. Gegenstand des Gesprächs sollten die folgenden Punkte und Fragen sein: • Ist die Krebsdiagnose eindeutig? • Welches Krankheitsstadium liegt vor? • Information zur Prognose, Spontanverlauf, Symptomen ohne Therapie • Information zur Prognose, voraussichtlichem Krankheitsverlauf mit Therapie • Ausführliche Erläuterung des Therapiekonzepts • Was sind die Therapieziele? • Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, das Therapieziel zu erreichen? • Wo liegen die Grenzen der Therapie? • Ist mein persönliches Therapiekonzept von einer interdisziplinären Tumorkonferenz erstellt worden? • Wer führt die Therapie durch? • Wurden bei mir Modifikationen der Standardtherapie vorgenommen, wenn ja, warum? • Welche Nebenwirkungen der Therapie treten häufig, welche selten auf? • Welche Verhaltensmaßregeln unter der Krebsbehandlung sind zu beachten? • Bei welchen Warnsymptomen muss eine sofortige Vorstellung beim Arzt erfolgen? • Welche Kontrolluntersuchungen sind unter der Therapie notwendig und wann? • Kann die Therapie ambulant durchgeführt werden? Wenn nicht, warum nicht? • Planung von Urlaub, wichtigen privaten Terminen unter der Therapie • Welches Vorgehen ist bei Versagen der Ersttherapie oder einem Rückfall geplant? • Welche Therapiealternativen gibt es? • Mit welchen Langzeitfolgen der Therapie ist zu rechnen? Nehmen Sie diese Aufstellung als Checkliste zum Erstgespräch mit, besprechen Sie alle Punkte und haken Sie sie ab. Erst auf Grundlage dieses Gesprächs sollten Sie nach kurzer, aber angemessener Bedenkzeit eine Entscheidung für oder gegen die vorgeschlagene Behandlung bzw. eine Modifizierung treffen.

Regel 4: Finden Sie den richtigen („Ihren“) Arzt Aus dem vorangegangenen Abschnitt wird deutlich, dass Ihrem behandelnden Arzt eine zentrale Schlüsselrolle zukommt. Er vermittelt alle Informationen zu Ihrer Erkrankung, koordiniert die gesamte Therapiestrategie und trägt die Verantwortung für ihre weitere Behandlung. Ihr Arzt sollte idealerweise Facharzt für Onkologie, erfahren und auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand der

Regel 6: Nehmen Sie den Kampf auf

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­ rebsmedizin sein, dabei aber auch ihre Erkrankung menschlich begleiten können K und zugänglich für Ihre Sorgen, Fragen und Wünsche sein. Er muss nicht nur die Therapiestrategie vermitteln und die Behandlung kompetent umsetzen, sondern Sie als Mensch auch durch alle Höhen und Tiefen der Krebstherapie führen, mit Rat und Tat an Ihrer Seite sein, wenn es zu Rückschlägen kommt, ihnen immer wieder Perspektiven und Möglichkeiten aufzeigen, und Mut zusprechen, eine erfolgversprechende Behandlung durchzuhalten, wenn die Nebenwirkungen zunehmen. Er darf das Therapieziel nie aus den Augen verlieren, muss aber gleichzeitig die Grenzen der medizinischen Heilkunst kennen und sollte natürlich auch Ihre persönlichen Wünsche berücksichtigen. Neben aller notwendigen medizinischen Kompetenz müssen Sie Ihrem Arzt auch als Mensch vertrauen können und sich nicht nur gut aufgehoben fühlen, sondern es auch sein.

Regel 5: Holen Sie eine zweite Meinung ein Wenn Sie bei dem Erstgespräch das Gefühl haben, dass diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, sollten sie überlegen, die Behandlung an anderer Stelle durchzuführen. In jedem Fall empfehle ich Ihnen, rechtzeitig vor Beginn der Therapie eine 2. Meinung einzuholen. Viele Patienten vermeiden aus falscher Scheu diese wichtige Möglichkeit der Information, da sie befürchten, mit dem Wunsch einer 2. Meinung die Kompetenz des behandelnden Arztes infrage zu stellen und das Vertrauensverhältnis zu untergraben. Zumindest in der heutigen Ärztegeneration sind diese Bedenken in der Regel jedoch unbegründet. Es ist, im Gegenteil, den meisten Ärzten sogar lieber, ihr Therapiekonzept von 2. Seite begutachtet zu wissen, weil damit die Therapiesicherheit steigt und das Vertrauensverhältnis für die weitere, oft schwere Therapie gestärkt wird. Da die optimale Krebsbehandlung sehr komplex geworden ist, der Patient im Verlauf seiner Erkrankung in der Regel von mehreren Fachdisziplinen behandelt wird und auch die Therapie sich ständig verbessert, haben sich in ganz Deutschland nahezu flächendeckend Tumorzentren etabliert. In diesen Tumorzentren arbeiten alle an der Diagnose und Behandlung beteiligten Ärzte eng zusammen und erstellen in regelmäßigen Tumorkonferenzen das optimale individuelle Therapiekonzept für den Patienten. Ich rate Ihnen daher, sich von vornherein in einem von der deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Tumorzentrum in Ihrer Nähe behandeln zu lassen. Falls dies nicht möglich ist, sollten Sie zumindest wissen, ob Ihr behandelnder Arzt regelmäßig an einer Tumorkonferenz teilnimmt und ob Ihr persönliches Therapiekonzept in einer Tumorkonferenz abgestimmt wurde. Ist der richtige Arzt gefunden, machen Sie ihn zum Verbündeten in Ihrem Kampf gegen den Krebs.

Regel 6: Nehmen Sie den Kampf auf Ist ihr Therapiekonzept erstellt, der richtige Arzt gefunden und sind alle Fragen geklärt, sollten Sie keine weitere Zeit verlieren. Hadern Sie nicht mehr mit sich selbst, sondern akzeptieren Sie die unausweichliche Tatsache, an Krebs erkrankt

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6  10 Regeln für Ihren Kampf gegen Krebs

zu sein. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf die Therapie, die vor Ihnen liegt, stellen Sie sich dem Krebs und fangen Sie an. Ihr Kampf gegen Krebs fordert nun Ihre ganze körperliche und seelische Kraft. Seien Sie auf Nebenwirkungen, Höhen und Tiefen, Erfolge genauso wie auf Rückschläge vorbereitet. Alle körperlichen oder auch psychischen Veränderungen, die Sie unter der Therapie bemerken, sollten Sie bei den häufigen Arztbesuchen, die jetzt folgen, mit Ihrem Arzt besprechen. Befolgen Sie die Verhaltensmaßregeln bei Nebenwirkungen genau. Nehmen Sie die Unterstützung von ihrem nächsten Umfeld, Freunden und eventuell von Sozialeinrichtungen an. Eine große Unterstützung kann auch der Austausch mit anderen Betroffenen sein, die wie Sie an einer Tumortherapie teilnehmen und die gleichen Probleme durchgemacht haben, die jetzt auf Sie zukommen. Der Austausch mit anderen Krebspatienten hilft vielen Menschen, die eigenen Ängste besser zu verarbeiten – es gilt wirklich „geteiltes Leid ist halbes Leid“. Aber seien Sie sich gleichzeitig immer darüber im Klaren, dass der Verlauf einer Krebserkrankung, sei er günstig oder ungünstig, bei den verschiedenen Menschen sehr unterschiedlich sein kann und nicht ohne Weiteres auf Ihre eigene Situation übertragen werden kann.

Regel 7: Halten Sie die Therapie durch Unter der Krebsbehandlung wird sich Ihr Allgemeinbefinden nicht sofort verbessern, sondern es ist sogar wahrscheinlicher, dass es sich zunächst vorübergehend verschlechtert. Zu den bereits vorhandenen, krebsbedingten Beschwerden können sich eine Vielzahl von therapiebedingten Nebenwirkungen einstellen. Für die Behandlung von Krebs stehen lokale Verfahren wie eine Operation, Strahlen- oder ablative Therapie und systemische Verfahren wie eine Chemo-, Hormon-, Immun- oder zielgerichtete Therapie zur Verfügung (s. Kap. 4). Bei den meisten Krebsarten werden mehrere Verfahren kombiniert oder nach einem festgelegten Zeitplan nacheinander eingesetzt. Der Krebs wird so von mehreren Seiten bekämpft, was die Heilungschancen deutlich verbessert. Die kombinierten Therapieverfahren haben aber den Nachteil, dass die Krebsbehandlung sehr lange, manchmal über 1 Jahr oder länger, dauern kann, bis sie ganz abgeschlossen ist. Unter der modernen Krebstherapie wird Ihnen also nicht nur ein gewisses Maß an Leidensfähigkeit, sondern auch viel Geduld abverlangt. Jede Therapie, die wirksam ist, ist auch mit Nebenwirkungen verbunden. Die Schwere und Dauer der Nebenwirkungen kann allerdings sehr unterschiedlich sein und von „kaum spürbar“ bis „extrem“ und von „kurzzeitig“ bis „andauernd“ reichen. Unter einer systemischen Therapie treten aber nicht alle möglichen Nebenwirkungen gleichzeitig, sondern in der Regel nur einzelne Nebenwirkungen und diese in unterschiedlicher Ausprägung und Zeitdauer auf. Gegen viele therapiebedingte Nebenwirkungen, wie z. B. Übelkeit oder Durchfall, gibt es mittlerweile gut wirksame Behandlungsmöglichkeiten, welche die Krebstherapie erleichtern. So schwer die Nebenwirkungen einer systemischen Krebstherapie

Regel 7: Halten Sie die Therapie durch

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Abb. 6.1  Nebenwirkungen, wie Haarausfall oder Blutarmut nach einer Chemotherapie, gehen vorüber

auch sein mögen, sie bilden sich nach Therapieende in der Regel vollständig zurück (Abb. 6.1). Ihr behandelnder Arzt bereitet Sie im Gespräch vor Therapiebeginn auf Art und Ausmaß der zu erwartenden Nebenwirkungen vor, unterrichtet Sie über Verhaltensmaßnahmen und leitet Gegenmaßnahmen ein. Bei jedem Vorstellungstermin wird er Sie nach typischen Nebenwirkungen befragen; falls nicht, sollten Sie von sich aus alle Beschwerden und Veränderungen in Ihrem Allgemeinbefinden mitteilen. Sind die Nebenwirkungen zu stark, besteht immer die Möglichkeit, die Therapie zu pausieren, die Dosierungen anzupassen, die Behandlung umzustellen oder ganz zu beenden. Jede Modifizierung eines Therapieprotokolls birgt aber die Gefahr, das Therapieergebnis zu verschlechtern. Ihr behandelnder Arzt tut Ihnen keinen Gefallen, wenn er wegen noch tolerabler Nebenwirkungen die Dosis eines Therapieprotokolls vorschnell reduziert, da er damit die Heilung eines potenziell heilbaren Tumors aufs Spiel setzt. Ist das Therapieziel die Heilung, sollten Sie also bereit sein, auch stärkere Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen, um dieses Ziel zu erreichen. In seltenen Fällen können Nebenwirkungen aber so schwerwiegend sein, dass die Therapie zwingend beendet oder auf eine andere, möglicherweise nicht so wirksame Behandlung gewechselt werden muss. Es liegt im Können und der Erfahrung ihres Arztes, richtig einzuschätzen, wann diese Situation vorliegt und sie entsprechend zu beraten. Eine ganz andere Situation besteht bei Tumoren, bei denen durch eine systemische Therapie keine Heilung, sondern nur eine zeitweilige Rückbildung erreicht werden kann. Nebenwirkungen und erreichbares Therapieergebnis müssen hier besonders sorgfältig gegeneinander abgewogen werden und die Therapie sollte auch möglichst wenig Nebenwirkungen haben. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt Therapiealternativen, wenn die Nebenwirkungen zu stark werden sollten! Es gibt in der Regel mehrere Therapiemöglichkeiten mit unterschiedlichem

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6  10 Regeln für Ihren Kampf gegen Krebs

­ ebenwirkungsspektrum, die in diesem Fall anstelle der laufenden Therapie einN gesetzt werden können. Oft verursacht aber der Tumor mehr Beschwerden als seine Behandlung, sodass es besser ist, sich für das kleinere Übel zu entscheiden. Sie sollten auch berücksichtigen, dass eine Therapie ausreichend Zeit braucht, bis die Wirkung eintritt. Meistens kann erst nach 6 bis 8 Wochen festgestellt werden, ob sich der Krebs zurückgebildet hat. Ist der Krebs auf dem Rückzug und sind auch die Nebenwirkungen tolerabel, sollte die Therapie planmäßig weitergeführt werden. Im entgegengesetzten Fall muss die Therapie abgesetzt, auf eine andere Behandlung umgestellt oder ganz beendet werden. Nicht immer kommt es zur Verschlechterung des Allgemeinbefindens unter einer Krebstherapie, oft ist auch das Gegenteil der Fall. Insbesondere, wenn vor Therapiebeginn bereits ausgeprägte tumorbedingten Beschwerden bestehen, bilden sich diese nach Einleitung einer wirksamen Therapie oft rasch zurück, woraus eine deutliche Besserung des Allgemeinbefindens und der Lebensqualität resultiert, die sogar meistens der objektiven Verkleinerung des Tumors um Wochen vorausgeht. Sie ist dann das erste Zeichen dafür, dass der Krebs auf die gewählte Therapie anspricht.

Regel 8: Behalten Sie immer das Therapieziel im Auge Das oberste Ziel einer Krebstherapie ist die dauerhafte Heilung der Tumorerkrankung und die vollständige Wiederherstellung Ihrer Gesundheit. Dieses Ziel wird heute in Deutschland bei mehr als der Hälfte aller Patienten mit Krebs erreicht. Ist bei Ihnen eine vollständige Heilung aufgrund der Krebsart, des fortgeschrittenen Stadiums oder anderer Einschränkungen nicht möglich, besteht das Therapieziel darin, Ihnen ein längeres und möglichst beschwerdearmes Überleben zu ermöglichen und Sie von störenden Krankheitssymptomen zu befreien. Das Therapiekonzept muss also dem jeweiligen Therapieziel – Heilung, Verlängerung des Überlebens oder symptomorientierte Behandlung – angepasst sein. Besteht eine dauerhafte Heilungschance, wird man aggressiver vorgehen und Ihnen auch mehr Nebenwirkungen zumuten, wenn dies für das Erreichen des Therapieziels notwendig ist. In dieser Situation sind Abweichungen von der optimalen Therapiestrategie besonders folgenreich, weil die gute Heilungschance gefährdet wird. Jede Verzögerung der Therapie, Reduzierung der Medikamentendosis oder eine nicht ausreichend radikale Operation erhöht das Risiko eines späteren Rückfalls. Besteht die Therapie, wie bei einigen Arten von Brustkrebs, aus mehreren Bausteinen, z. B. Chemotherapie, Operation, Hormon- und Immuntherapie, sollte der Ablauf der Therapie nicht verändert werden. Auch eine Unterbrechung der laufenden Chemotherapie, z. B. für eine Kurmaßnahme, ist in dieser Situation genauso wenig sinnvoll, wie eine ohne zwingenden Grund verlängerte Therapiepause nach einer Operation. So verständlich der Wunsch auch ist, sich nach einer anstrengenden Operation zunächst zu erholen, bevor der nächste Therapieabschnitt beginnt, so sehr muss auf die zeitliche Abfolge geachtet werden,

Regel 8: Behalten Sie immer das Therapieziel im Auge

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um das beste Therapieergebnis zu erzielen. Besteht das Ziel der Therapie in der Heilung, rate ich Ihnen daher, planmäßig mit der Therapie zu beginnen, diese möglichst ohne Zeitverzögerungen zu durchlaufen und auch vielleicht auftretende, stärkere Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen. Bei nicht heilbaren Tumoren muss dagegen in jeder Krankheitsphase der durch eine Therapie erreichbare Vorteil besonders sorgfältig gegen die Nebenwirkungen aufgewogen werden. Nutzen und Nebenwirkungen der Therapie müssen im ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Daher kann es in manchen Fällen, wie bei sehr langsamem Tumorwachstum, sogar günstiger sein, nicht sofort mit einer Behandlung zu beginnen, sondern erst, wenn Tumorsymptome auftreten. Wenn der Krebs nur wenig Beschwerden verursacht, wird ihr behandelnder Arzt wahrscheinlich zunächst eine Therapieform wählen, die möglichst wenig Nebenwirkungen verursacht. Bei stärkeren Tumorsymptomen und aggressivem Krebs ist dagegen frühzeitig eine starke und schnell wirksame Therapie erforderlich. Ist der Tumor erst einmal zurückgedrängt, wird die Therapie beendet oder auf eine nebenwirkungsarme Behandlung gewechselt, sodass Sie sich von den Nebenwirkungen wieder etwas erholen können. Solange der Krebs auf die gewählte Therapie anspricht, wechseln sich so bei nicht heilbaren Tumoren im Krankheitsverlauf Therapiephasen mit möglichst langen therapiefreien Zeiten ab. Durch die Abfolge verschiedener Behandlungen wird der Tumor immer wieder zurückgedrängt. Es wird zwar keine dauerhafte Heilung erreicht, aber die Krebstherapie ermöglicht es, mit der Krebserkrankung zu überleben, ohne von ihr zu sehr eingeschränkt zu werden. So können beispielsweise allein mit einer Hormon- oder zielgerichteten Therapie oft mehrere Jahre Lebenszeit hinzugewonnen werden, ohne dass die Krebserkrankung oder deren Behandlung zu deutlichen Beschwerden führt. Erst wenn diese Möglichkeiten ganz ausgeschöpft sind kommen ggf. Therapien mit stärkeren Nebenwirkungen zum Einsatz. Wenn es gelingt, den Krebs so zu behandeln, dass Erkrankung und Therapie nicht das ganze verbleibende Leben dominieren, haben die dazu gewonnenen Jahre, auch wenn es vielleicht zunächst nicht so erscheinen mag, bei Patienten in fortgeschrittenem Alter einen ganz anderen Stellenwert als bei jungen Patienten, die ihr ganzes Leben, das noch vor ihnen gelegen hätte, plötzlich schwinden sehen. Viele ältere Patienten mit Krebs erreichen ein hohes Lebensalter und sterben an anderen, „natürlichen“, Ursachen, wie Altersschwäche oder anderen Alterskrankheiten. Spricht der Krebs schließlich auf keine Therapie mehr an, besteht das verbleibende Ziel darin, Sie zumindest von tumorbedingten Beschwerden zu befreien (palliative Therapie). Während sich früher mancher Mediziner von Patienten in dieser Krankheitsphase abwendete, weil er sich nicht mehr zuständig fühlte, haben sich die Behandlungsmöglichkeiten und auch die sozialen Rahmenbedingungen in diesem Krankheitsstadium in den letzten Jahren deutlich verbessert. Neben einer besseren, nahezu flächendeckenden Versorgung mit Palliativstationen, ambulanten Palliativdiensten und Hospizeinrichtungen wurden auch die Anforderungen an die Qualität der ärztlichen Behandlung durch die Einführung der Zusatzausbildungen

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6  10 Regeln für Ihren Kampf gegen Krebs

„Palliativmedizin“ und „spezielle Schmerztherapie“ erhöht. In dieser Krankheitssituation gilt es, gezielt Behandlungen auszuwählen, die tumorbedingte Symptome wirksam bekämpfen und selbst wenig Nebenwirkungen haben, damit sie die verbleibende Lebenszeit nutzen können.

Regel 9: Leben Sie während der Therapie, soweit es geht, ihr gewohntes Leben weiter Eine Krebserkrankung wird von den Betroffenen oft als Stigmatisierung empfunden und kann dazu führen, dass sie sich von der Außenwelt weitgehend zurückziehen und alle sozialen Kontakte einstellen. Viele haben das Gefühl, nicht mehr dazuzugehören und scheuen sich davor, vor Freunden, ja sogar vor engen Verwandten Schwäche zu zeigen oder bedauert zu werden. Versuchen Sie stattdessen, offensiv mit Ihrer Erkrankung umzugehen! Sie sollten sich nicht aufgrund Ihrer Erkrankung komplett aus dem öffentlichen Leben zurückziehen, sondern – soweit es geht – auch während der Therapie weiter an Veranstaltungen teilnehmen, sich mit Freunden treffen, gemeinsame Unternehmungen mit Ihrem Lebenspartner planen und an wichtigen Terminen festhalten. Lassen Sie sich nicht bedauern, sondern bestimmen Sie das Gesprächsthema. Sprechen Sie nur über Ihre Erkrankung, mit wem und wann Sie dies selbst wünschen. Versuchen Sie, nicht nur für sich, sondern auch im Umgang mit Anderen der Rolle des Opfers zu entkommen. Es ist hilfreich, unter einer laufenden Krebsbehandlung den gewohnten Tagesablauf möglichst beizubehalten. Manche Patienten äußern sogar den Wunsch, auch während der Krebstherapie in Ihrem bisherigen Beruf weiterzuarbeiten, nicht aus materieller Not, sondern um das eigene Selbstwertgefühl nicht zu verlieren oder weil Ihnen die gewohnte Arbeit hilft, nicht dauernd an die Krebserkrankung denken zu müssen. Falls auch Sie diesen Wunsch haben und sich dazu körperlich in der Lage fühlen, sprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber, ob bei Ihnen die Möglichkeit besteht, zeitreduziert und mit ungeplanten zeitweiligen Abwesenheiten zu arbeiten. Lassen Sie die Krebserkrankung nicht Ihr ganzes übriges Leben beherrschen! Die gewohnte tägliche Routine hilft Ihnen dabei, mit den Folgen der Erkrankung und den Nebenwirkungen der Therapie besser fertig zu werden. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass eine Krebstherapie besser vertragen und sogar die Prognose der Erkrankung verbessert wird, wenn die Patienten trotz der körperlichen Einschränkungen ihr Leben selbst gestalten und weiter aktiv am Leben teilnehmen. Hierzu zählt insbesondere auch regelmäßige körperliche Aktivität, die der krankheits- und therapiebedingten Müdigkeit entgegenwirkt. Machen Sie also weiter Pläne und Termine und sagen Sie diese nur ab, wenn sie sich kurzfristig nicht dazu in der Lage fühlen. Lassen Sie sich nicht von anderen vereinnahmen, sondern bestimmen Sie selbst, welche Vorhaben für Sie wichtig sind und welche nicht. Spekulieren Sie nicht über Ihre Zukunft, sondern planen Sie Ihr Leben in übersichtlichen Schritten. Machen Sie konkrete Planungen bis zum jeweils nächsten Schritt. Setzen Sie sich bei einer chronischen Krebs-

Regel 10: Lassen sie das Rückfallrisiko nicht ihr weiteres Leben bestimmen

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erkrankung kurzfristige, konkrete, realistische und möglichst schöne Ziele, die Sie nach und nach verwirklichen (z. B. eine schon lange geplante Reise, ein Besuch bei entfernt wohnenden Verwandten, eine besondere kulturelle Veranstaltung u. v. a.) Leben Sie, soweit es geht, normal weiter. Verschieben Sie realistische Ziele nicht auf unbestimmte Zeit. Schon der römische Philosoph Seneca schrieb vor 2000 Jahren: „Während man es aufschiebt, geht das Leben vorüber“. Dies gilt noch heute – insbesondere, wenn die aufgezwungene Krebskrankheit die Endlichkeit des eigenen Lebens in das Bewusstsein gerückt hat.

Regel 10: Lassen sie das Rückfallrisiko nicht ihr weiteres Leben bestimmen Ob überhaupt, wie häufig und wann es nach einer zunächst erfolgreichen Krebstherapie zu einem Rückfall kommt, hängt nicht nur von der Krebsart, sondern auch vom Stadium, der Art der Therapie und anderen individuellen Faktoren ab. Deswegen sollten Sie sich – ich erwähne diesen Punkt bewusst noch einmal – davor hüten, vom Verlauf der Erkrankung bei anderen Patienten auf ihre eigene Prognose zu schließen, auch wenn es sich um die gleiche Krebsart handelt. Traditionell geht man von einer Heilung aus, wenn der Krebs 5 Jahre nach Abschluss der Therapie nicht zurückgekehrt ist. Diese ehemals feste Regel gilt jedoch nicht immer. Bei nicht heilbarem Krebs haben die Erfolge der modernen Krebstherapie das „freie Intervall“, also die Zeit vom Verschwinden des Tumors bis zum Rückfall, bei den meisten Tumoren immer weiter verlängert, sodass auch das 5-Jahresintervall überschritten werden kann. Andere Tumorarten wachsen so langsam, dass es sogar 20 Jahre oder länger dauern kann, bis sich ein Rückfall manifestiert. Auch muss man berücksichtigen, dass im Laufe der Zeit im gleichen Organ ein neuer, zweiter Krebs entstehen kann, der einen Rückfall vortäuscht. Erwarten Sie daher von Ihrem Arzt keine exakte Aussage zu ihrer eigenen, individuellen Prognose. Es ist aber durchaus möglich, das durchschnittliche Rückfallrisiko recht gut einzuschätzen. Nach der Höhe dieses Risikos richten sich die Intervalle für die notwendigen Nachkontrollen. Nehmen Sie unbedingt konsequent an den regelmäßigen Nachkontrollen („Nachsorgeuntersuchungen“) teil! Auch die spätestens bei jeder Nachsorgeuntersuchung hochkommende Angst vor einem Rückfall sollte Sie nicht davon abhalten. Die Kontrollen werden in den ersten Jahren häufiger und dann in immer größeren Abständen durchgeführt. Bei potenziell heilbaren Tumoren verringert sich mit jeder unauffälligen Nachsorgeuntersuchung und damit zunehmendem zeitlichen Abstand von der Erkrankung das Risiko eines Rückfalls. Lassen Sie Ihre weitere Lebensplanung nicht von der Angst vor einem möglichen Rückfall diktieren, sondern blicken Sie nach vorne! Setzen Sie sich wieder anspruchsvolle, langfristige Ziele! Dennoch sollten Sie nicht verdrängen, dass auch nach Ende der regulären Nachsorge, die in der Regel nicht länger als 5 Jahre durchgeführt wird, ein Rückfall zwar sehr unwahrscheinlich, aber doch möglich ist. Begeben Sie sich sofort in ärztliche Kontrolle, wenn Sie Beschwerden

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bemerken oder Warnsymptome auftreten. Je weiter die Krebserkrankung zurückliegt, um so mehr gewinnt auch die Krebsvorsorge wieder an Bedeutung. Nehmen Sie deshalb an Krebsvorsorgeuntersuchungen teil! Nach Abschluss der Krebstherapie besteht in den deutschsprachigen Ländern die Möglichkeit einer stationären oder ambulanten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Sie soll durch verschiedene Angebote wie Ernährungsberatung, Sport, psychologische Beratung den Übergang zurück in „das normale Leben“ erleichtern und bei potenziell heilbaren Tumoren die spätere berufliche Wiedereingliederung fördern. Falls Sie nicht mehr beruflich tätig sind, können Sie selbst entscheiden, ob Sie dieses sinnvolle Angebot annehmen oder lieber selbst Ihre Rekonvaleszenz, z. B. während eines längeren Urlaubs, in die Hand nehmen und ansonsten alles weitere mit Ihrem Arzt abstimmen. Keineswegs besteht in diesem Fall eine Verpflichtung, an einer Rehabilitationsmaßnahme teilzunehmen. Ist der Krebs überwunden, sollten Sie nicht in alte, schlechte Gewohnheiten zurückfallen. Stellen Sie Ihre Lebensführung um und berücksichtigen Sie die in Kap. 2 näher aufgeführten Regeln zur Krebsvorbeugung, zu denen insbesondere Sport, die Normalisierung des Körpergewichts, eine gesunde Ernährung und die Vermeidung krebsauslösender Faktoren gehören. Mehrere Studien haben eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen, dass ein konsequentes Sportprogramm nach Abschluss der Brustkrebsbehandlung Frauen wirksam vor einem Rückfall schützt und damit die langfristigen Heilungsraten verbessert. Das Gleiche gilt für Patienten mit Darmkrebs – und wahrscheinlich auch für alle anderen Krebsarten.

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Therapie der 10 häufigsten Krebserkrankungen

Inhaltsverzeichnis Brustkrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungenkrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darmkrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prostatakrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Melanom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauchspeicheldrüsenkrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Non-Hodgkin Lymphome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magenkrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krebs der Harnblase und ableitenden Harnwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierenzellkarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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In diesem Kapitel finden Sie eine Übersicht über die Grundzüge der Therapie der 10 häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit. Sie soll als Orientierung dienen und einen ersten Eindruck über das jeweilige therapeutische Vorgehen vermitteln. In bestimmten Fällen kann eine andere Therapie für Sie sinnvoller sein und es kann auch gute Gründe geben, eine modifizierte Behandlung zu wählen, z. B. wenn Sie an einer Therapiestudie teilnehmen oder wenn Begleiterkrankungen vorliegen. In jedem Fall ist vor Behandlungsbeginn eine genaue Diagnostik erforderlich, in der die Ausbreitung des Tumors, seine feingewebliche Struktur, die molekulargenetischen Gewebemerkmale, aber auch Ihre körperliche Gesamtsituation, Begleiterkrankungen, das zu erwartende Nebenwirkungsprofil und weitere Faktoren erfasst werden. Erst wenn die Diagnostik abgeschlossen ist, kann Ihr Arzt Ihnen auf der Grundlage dieser Informationen einen konkreten Therapievorschlag machen, über dessen Umsetzung Sie nach umfassender Information entscheiden können.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Holtkamp, Krebs, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61354-2_7

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Brustkrebs

Die Behandlung von Brustkrebs, der häufigsten Tumorerkrankung, erfolgt heute sehr standardisiert, da bei dieser Krebsart die meisten Studien zur optimalen Therapiestrategie in den verschiedensten Krankheitssituationen vorliegen. Brustkrebs zählt zu den ersten Erkrankungen überhaupt, bei denen fachübergreifend abgestimmte Leitlinien zur optimalen Therapie etabliert wurden, die seither stetig weiter entwickelt werden und bereits sehr früh zur Bildung von spezialisierten Brustzentren geführt haben. Die weitaus meisten Patienten mit neu diagnostiziertem Brustkrebs werden heute geheilt. Operation Nur bei wenigen Patienten, z. B. mit einem sehr großen Tumor oder Befall der umgebenen Haut, ist eine komplette Entfernung der Brust (Mastektomie) notwendig. In den weitaus meisten Fällen reicht es aus, nur den Tumor unter Erhaltung der Brust zu entfernen und eine lokale Strahlentherapie anzuschließen. Dieses kombinierte Vorgehen ist genauso wirksam wie die früher übliche Entfernung der gesamten Brust. Um die Aggressivität des Tumors einzuschätzen, ist es für die weitere Therapieplanung sehr wichtig, zu wissen, ob der Tumor bereits in die umgebenden Lymphknoten gestreut hat. Falls sich nicht schon zuvor Hinweise für eine Lymphknotenvergrößerung ergeben haben, wird daher bei der Operation nach vorheriger Markierung ein Lymphknoten der Achselhöhle gezielt entfernt (Wächterlymphknoten, Sentinelbiopsie). Nur wenn die Probe einen Lymphknotenbefall ergibt, müssen auch die übrigen Achsellymphknoten entfernt werden. Bei kleinen Brusttumoren (T1 bis T2) kann trotz Befall von einem bis

Brustkrebs

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maximal zwei Wächterlymphknoten ggf. auf eine Entfernung der übrigen Achsellymphknoten verzichtet werden, sofern die Achselhöhle mit bestahlt wird. Bei Nachweis einer Fernmetastasierung ist eine Lymphknotenentfernung meistens nicht sinnvoll. Strahlentherapie Im Anschluss an eine brusterhaltende Operation muss eine Strahlentherapie der Brustregion durchgeführt werden, um einem lokalen Rückfall vorzubeugen. Sollte nach der Operation auch eine Chemotherapie erforderlich sein, darf die Strahlentherapie nicht gleichzeitig, sondern erst nach Abschluss der kompletten Chemotherapie gegeben werden. In den wenigen Fällen, in denen die ganze Brust entfernt werden musste, maximal 3 Achsellymphknoten befallen sind und auch keine weiteren Risikofaktoren vorliegen, kann auf die Nachbestrahlung ganz verzichtet werden. Als lokale Therapie eignet sich die Strahlentherapie auch zur lokalen Behandlung von Metastasen, z. B. in den Knochen. Hormontherapie Eine Hormontherapie wird bei Brustkrebspatientinnen eingesetzt, wenn die Untersuchung des Krebsgewebes eine Hormonempfindlichkeit (positiver ­Östrogen- oder Progesteronrezeptorstatus) nachgewiesen hat. Sie ist in der Regel sehr gut verträglich, kann deswegen über Jahre bis Jahrzehnte durchgeführt werden und hat bei rezeptorpositiven Patienten die gleiche Wirkung wie eine Chemotherapie. Ihr tumorhemmender Effekt setzt etwas langsamer ein als bei einer Chemotherapie und kann deswegen frühestens nach einer Therapiedauer von 6 bis 8 Wochen beurteilt werden. Die Hormontherapie eignet sich entweder zur Vorbeugung eines Rückfalls im Anschluss an die Operation oder zur Bekämpfung der Metastasen bei manifester Tumorerkrankung. Die Art der Hormontherapie richtet sich nach dem Menopausenstatus der Patientin; außerdem muss berücksichtigt werden, dass auch die Hormontherapie nicht gleichzeitig mit einer Chemotherapie gegeben werden darf, da sich die Wirkungen gegenseitig aufheben können. Chemotherapie Die Chemotherapie, die vor- („neoadjuvant“) oder nach („adjuvant“) der Operation gegeben werden kann, verbessert die Heilungsraten von Brustkrebspatientinnen, bei denen ein erhöhtes Rückfallrisiko besteht. Hierzu zählen Patientinnen, bei denen der Tumor in die Achsellymphknoten gestreut hat, Patientinnen in jungem Lebensalter, mit erhöhtem HER2-Gehalt oder fehlenden Hormonrezeptoren im Tumorgewebe. Die Chemotherapie sollte möglichst nicht später als 4 Wochen nach der Operation beginnen und dauert ca. 5 Monate. Da Brustkrebs zu den chemotherapieempfindlichen Tumoren gehört, ist die Chemotherapie auch gut für die Behandlung einer fortgeschrittenen Krebserkrankung geeignet. Es gibt zahlreiche verschiedene Zytostatika, die beim Brustkrebs wirksam sind und die je nach Zielsetzung und individueller Krankheitssituation entweder allein, nacheinander, in Kombination oder zusammen mit einer zielgerichteten Therapie eingesetzt werden können.

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7  Therapie der 10 häufigsten Krebserkrankungen

Zielgerichtete Therapie Ergibt die Analyse des Tumorgewebes einen erhöhten Gehalt von HER2, einem Rezeptor für Wachstumsfaktoren, handelt es sich um einen aggressiven Tumor mit einem erhöhten Rückfallrisiko nach der Operation. Durch eine gezielte Blockade des HER2-Rezeptors mit speziellen Antikörpern (z. B. Trastuzumab) kann das hohe Rückfallrisiko deutlich vermindert werden. Die HER2-Antikörper werden mit bestimmten Zytostatika (Taxane) kombiniert, was die Heilungsraten bei diesen Risikopatienten deutlich verbessert. Die HER2-Rezeptor hemmende Antikörpertherapie wird von den meisten Patientinnen ohne Nebenwirkungen gut vertragen. Zur Vorbeugung eines Rückfalls im Anschluss an die Operation wird sie einmal pro Monat für insgesamt 1 Jahr durchgeführt, die begleitende Chemotherapie 4 bis 6 Monate. Vor Beginn und während der Antikörpertherapie sind Kontrollen der Herzfunktion erforderlich.

Lungenkrebs

Lungenkrebs kann in den meisten Fällen nur dann geheilt werden, wenn er in einem frühen Stadium erkannt wird. Man unterscheidet 2 verschiedene Arten von Lungenkrebs mit unterschiedlichem Verlauf und unterschiedlicher Behandlung, wobei auch Mischformen vorkommen können.

Lungenkrebs

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Kleinzelliger Lungenkrebs (SCLC) Operation Da kleinzellige Lungenkarzinome bei Diagnosestellung in den meisten Fällen bereits gestreut haben, eignen sich für eine Operation nur etwa 5 % aller Patienten, bei denen die Erkrankung in einem sehr frühen Stadium diagnostiziert wurde. Bei diesen Patienten muss im Anschluss an die Operation eine zusätzliche Chemotherapie und eine Bestrahlung des Gehirns durchgeführt werden, um Rückfällen vorzubeugen. Strahlentherapie Das SCLC spricht gut auf eine Strahlentherapie an. Sie wird in Kombination mit einer Chemotherapie eingesetzt, wenn der Krebs noch klein ist und nur in Lymphknoten der unmittelbaren Tumorumgebung gestreut hat. Als lokale Maßnahme eignet sich die Strahlentherapie besonders dazu, Krebs an bestimmten Stellen des Körpers gezielt zu bekämpfen, z. B. in Bereichen, die sich mit einer Chemotherapie schlecht erreichen lassen, wie dem Gehirn. Chemotherapie Bei der weitaus größten Zahl der Patienten ist die Chemotherapie die Behandlung der ersten Wahl. SCLC sprechen auf eine Vielzahl verschiedener Chemotherapeutika gut an. Um eine bessere Wirksamkeit zu erreichen, werden in der Regel mehrere Chemotherapeutika kombiniert. Durch eine Chemotherapie kann der Krebs bis auf seltene Ausnahmen zwar nicht geheilt, aber in den meisten Fällen für eine gewisse Zeit deutlich zurückgedrängt werden. Zielgerichtete Therapien Bei Patienten in fortgeschrittenem Stadium kann die Wirkung der ersten Chemotherapie durch die zusätzliche Gabe von PD-L1 Antikörpern verbessert und damit zusätzliche Lebenszeit gewonnen werden. Diese Kombinationstherapie ist daher seit 2020 neuer Standard in der Erstbehandlung des fortgeschrittenen SCLC. Nicht kleinzelliger Lungenkrebs (NSCLC) Kombinierte Therapie Bei wohl keinem anderen Tumor haben personalisierte Therapiestrategien eine so hohe Bedeutung wie beim NSCLC. Operation, Strahlentherapie, Chemotherapie und verschiedenste zielgerichtete Therapien werden in Abhängigkeit vom Stadium, Gewebeeigenschaften, individuellem Allgemeinzustand und Prognosefaktoren entweder kombiniert oder nacheinander eingesetzt. Das Therapieziel ist eine maßgeschneiderte Therapie für den individuellen Patienten in seiner aktuellen Krankheitssituation bei möglichst großer Wirksamkeit und möglichst geringen Nebenwirkungen. Da die Behandlung sehr individuell ausgerichtet ist, können im Folgenden nur allgemeine Behandlungsprinzipien angegeben werden.

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Operation Die Operation mit dem Ziel der Heilung ist in frühen Stadien die Therapie der Wahl. Ab dem Stadium II wird sie mit einer anschließenden Chemotherapie kombiniert. Eine operative Entfernung ist allerdings nur möglich, wenn der Krebs nicht zu weit fortgeschritten ist, der Patient in operationsfähigem Allgemeinzustand ist und die Funktion der gesunden Restlunge ausreicht. Eine Operation eignet sich daher nur für 25 % bis 30 % der Patienten. Ein Teil der zunächst inoperablen Patienten mit weiter fortgeschrittenem Tumor kann doch noch operiert werden, wenn der Tumor zuvor durch eine Strahlen- und Chemotherapie verkleinert werden konnte. Strahlentherapie Auch NSCLC sind strahlenempfindliche Tumore. Wenn eine Operabilität nicht gegeben ist, kann sie in frühen Stadien anstelle der Operation durchgeführt werden. Bei weiter fortgeschrittenen Tumoren wird sie im Rahmen von kombinierten Therapiekonzepten vor, während oder nach einer Chemotherapie als zusätzliche Maßnahme eingesetzt. Chemotherapie Je nach Ausdehnung des Tumors wird eine Chemotherapie im Anschluss an eine Operation, als alleinige Therapie, in Kombination mit einer Strahlentherapie oder als palliative Therapie durchgeführt. Sie kommt meisten Patienten erst zum Einsatz, wenn die nebenwirkungsärmeren zielgerichtete Therapien keine Wirksamkeit mehr zeigen. Zielgerichtete Therapien Zielgerichtete Therapien haben beim NSCLC eine große Bedeutung erlangt. Sie werden insbesondere in fortgeschrittenen Stadien eingesetzt. Die Auswahl der für die individuelle Situation geeigneten Substanzen richtet sich nach dem Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung und einer speziellen molekulargenetischen Analyse des Tumorgewebes (derzeit je nach Raucheranamnese ALK-, ROS-1 Translokation, EGFR Mutationen, PD-L1). In der palliativen Situation kann bei geeigneten Tumoren durch den Einsatz einer oder mehrerer zielgerichteter Therapien der Zeitpunkt für den Einsatz einer Chemotherapie hinausgezögert und damit zusätzliche Lebenszeit gewonnen werden.

Darmkrebs

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Darmkrebs

Durch die Einführung der Vorsorgekoloskopie, der Etablierung von Darmzentren und die stetige Weiterentwicklung der Therapie haben sich die Heilungsraten bei Darmkrebs in den letzten 10 Jahren so deutlich verbessert, dass heute die Mehrzahl der Patienten mit dieser Krebsart geheilt wird. Endoskopische Entfernung Ist der Tumor noch sehr klein und hat die Basis des Polypen noch nicht erreicht (pT1), ist eine endoskopische Entfernung als alleinige Therapiemaßnahme ausreichend, wenn die feingewebliche Untersuchung ein niedriges Rückfallrisiko (low-risk Polyp) ergibt. Operation In allen anderen Fällen wird der den Tumor tragende Darmabschnitt samt der umgebenden Lymphknoten, Lymph- und Blutgefäße entfernt. Bei Patienten ohne Lymphknotenbefall und ohne Risikofaktoren ist die Behandlung mit der Operation abgeschlossen. Von der Entfernung des Primärtumors scheinen sogar Patienten zu profitieren, bei denen der Krebs bereits in andere Organe gestreut hat. Auch die operative Entfernung von Metastasen kann sich günstig auf den Krankheitsverlauf auswirken. Sofern nur einzelne Metastasen vorliegen, die sich für eine Operation

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eignen, sollten diese daher ebenfalls entfernt werden. Inoperable Metastasen können manchmal nach Verkleinerung durch eine Chemotherapie noch entfernt werden. Die Anlage eines dauerhaften künstlichen Darmausgangs (Stoma) ist heutzutage nur notwendig, wenn der Krebs in den sehr tief gelegenen Abschnitten des Enddarms in der Nähe des Anus lokalisiert ist. Die Entfernung eines höher gelegenen Teilabschnitts des Dickdarms hat in der Regel keinen Einfluss auf die Ausscheidungsfunktion. Damit sich der operierte Darmabschnitt besser erholen kann, kann es in einigen Fällen bei tiefsitzendem Darmkrebs auch notwendig sein, vorübergehend einen künstlichen Darmausgang anzulegen, der später wieder zurückverlegt wird. Strahlentherapie Nur bei Patienten mit einem Krebs im Bereich des unteren Enddarms (Mastdarmkrebs) wird vor der Operation eine Strahlentherapie in Kombination mit einer Chemotherapie durchgeführt, sofern eine Streuung in die umgebenden Lymphknoten nachgewiesen wurde (neoadjuvante Radiochemotherapie). Durch dieses kombinierte Vorgehen kann der operative Eingriff schonender durchgeführt und das Risiko für eine lokalen Rückfall oder eine Streuung in andere Organe deutlich vermindert werden. Chemotherapie Hat der Darmkrebs in die umgebenden Lymphknoten gestreut, wird nach der Operation eine Chemotherapie angeschlossen (adjuvante Chemotherapie). Dies gilt auch für einzelne Patienten ohne Lymphknotenbefall, sofern andere Risikofaktoren vorliegen. Die Chemotherapie sollte nicht später als 4, höchstens 6 Wochen nach der Operation beginnen und dauert ca. 6 Monate. Durch die Chemotherapie wird ein zusätzliches Drittel der Patienten vor einem Rückfall bewahrt und damit geheilt. Ist es bereits zu einer nachweisbaren Streuung in andere Organe, wie Leber oder Lunge, gekommen, gelingt es mit einer Chemotherapie in den meisten Fällen, die Tumorerkrankung zeitweilig zurückzudrängen. Zielgerichtete Therapie Eine zielgerichtete Therapie wird in Kombination mit einer Chemotherapie bei Patienten mit metastasierter Erkrankung eingesetzt, wenn eine molekulargenetische Untersuchung des Tumorgewebes (KRAS, NRAS, BRAF Mutationen) ein Ansprechen auf eine zielgerichtete Therapie erwarten lässt. In diesem Fall (RAS-Wildtyp), wird die Wirkung einer Chemotherapie durch die Kombination mit einer zielgerichteten Therapie weiter verbessert.

Prostatakrebs

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Prostatakrebs

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Aggressivität von Prostatakarzinomen erfolgt deren Behandlung individuell unter Berücksichtigung von Patientenwunsch, Allgemeinzustand, Alter und Risikofaktoren. Ein für alle Patienten gültiges Vorgehen gibt es daher nicht. Bereits in der Ersttherapie reichen die verschiedenen Therapiemöglichkeiten von einer reinen „aktiven“ Überwachung bis zur radikalen Entfernung der Prostata einschließlich der Lymphknoten. Aktive Überwachung Bei Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom und niedrigem Risiko für ein rasches Fortschreiten der Erkrankung besteht die Möglichkeit, zunächst auf jegliche Therapie zu verzichten und den Krankheitsverlauf lediglich zu überwachen („active surveillance“). Erst bei einem Fortschreiten der Erkrankung erfolgt eine therapeutische Maßnahme mit kurativem Ziel. Eine ähnliche Strategie – allerdings mit palliativem Therapieziel – kann bei älteren Patienten verfolgt werden („watchfull waiting“). Bei letzterem Vorgehen wird erst dann eine symptomorientierte Therapie, z. B. eine Hormontherapie, eingeleitet, wenn der Tumor wächst oder Beschwerden verursacht. Operation Die radikale Entfernung der Prostata ist eine Therapieoption des lokal begrenzten wie auch des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms ohne Fernmetastasen. Eine kurative Chance haben insbesondere Patienten, bei denen ein lokal begrenzter Tumor vorliegt und eine komplette Entfernung möglich ist. Risikopatienten mit lokal fortgeschrittenem Tumor profitieren von einer zusätzlichen Hormon- oder Strahlentherapie.

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Strahlentherapie Eine Alternative zur Operation ist die Strahlentherapie der Prostata, die bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Tumor mit einer 2- bis 3-jährigen Hormontherapie kombiniert wird. Im metastasierten Stadium eignet sich die Strahlentherapie zur lokalen Behandlung von Metastasen, z. B. im Skelettsystem. In der palliativen Situation können für die generalisierte Bekämpfung von Knochenmetastasen auch Substanzen eingesetzt werden, die sich gezielt in allen Knochenmetastasen des Körpers anreichern und dort für kurze Zeit energiereiche Strahlung freisetzen. Hormontherapie Die meisten Prostatakarzinome wachsen hormonabhängig. Bei diesen Patienten hemmt ein Entzug des männlichen Hormons Androgen oder eine medikamentöse Blockade der Androgenwirkung das Tumorwachstum. Neben der Kastration gibt es verschiedene medikamentöse Möglichkeiten der Hormontherapie, die teilweise auch kombiniert oder sequenziell eingesetzt werden können. Die medikamentöse Behandlung ist in der Regel gut verträglich und kann daher über Jahre durchgeführt werden. Sie eignet sich insbesondere für Patienten, bei denen kein kurativer Ansatz besteht, oder die keine andere invasive Therapiemaßnahme wünschen. Allerdings kann mit zunehmender Therapiedauer die Wirkung nachlassen. Chemotherapie Die Chemotherapie ist eine wirksame Therapiemaßnahme im Stadium der Metastasierung. Sie wird mit Einzelsubstanzen (Taxanen) durchgeführt. Bei hormonabhängig wachsenden Tumoren kann sie - anders als beim Brustkrebs- mit einer Hormontherapie kombiniert werden.

Melanom

Melanom

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Das Melanom ist die am schnellsten zunehmende Krebsart. Heute erkranken in Deutschland 5 mal mehr Menschen an einem Melanom als 1970. In den letzten Jahren hat insbesondere die Entwicklung von zielgerichteten Therapien das therapeutische Spektrum bei dieser Krebsart erweitert. Da der Krebs zunehmend bereits in frühen Stadien diagnostiziert wird, ist die überwiegende Zahl der Patienten nach operativer Entfernung geheilt. Operation Bei operablen Patienten werden Melanome je nach Dicke des Tumors mit einem Sicherheitsabstand von 1 cm (Tumordicke  2 mm) entfernt. Ab einer Tumordicke von 1 mm oder bei Vorliegen von Risikofaktoren wird, ähnlich wie beim Brustkrebs, auch eine Wächterlymphknotenbiopsie durchgeführt. Ergeben sich hierbei Hinweise für eine Streuung in die lokale Lymphknotenstation oder wurde bereits vor der Melanomentfernung eine Lymphknotenmetastasierung nachgewiesen, wird eine radikale Entfernung der Lymphknotenstation angeschlossen, sofern nicht bereits eine Metastasierung in weiter entfernte Organe eingetreten ist. In Einzelfällen kann es auch sinnvoll sein, Metastasen zu entfernen. Strahlentherapie Eine Strahlentherapie des Primärtumors kann bei inoperablen Patienten anstelle einer Operation oder als zusätzliche Maßnahme bei Patienten, bei denen eine komplette Resektion technisch nicht erreicht werden konnte, durchgeführt werden. Auch bei ausgedehntem Lymphknotenbefall wird sie in Anschluss an die Lymphknotenresektion eingesetzt, um einem lokalen Rückfall im Bereich der Lymphknoten vorzubeugen. Wie bei den meisten strahlenempfindlichen Tumoren kann sie auch zur lokalen Behandlung von Metastasen eingesetzt werden. Chemotherapie Eine Chemotherapie eignet sich für Patienten, bei denen der Krebs bereits in entfernte Organe gestreut hat und bei denen eine zielgerichtete Therapie nicht eingesetzt werden kann. In der Regel wird eine Kombination verschiedener Zytostatika eingesetzt. Zielgerichtete Therapie Die zielgerichtete Therapie ist eine wirksame Behandlungsform des Melanoms, wenn in der Gewebeanalyse Mutationen in bestimmten Genen nachgewiesen wurden (BRAFV600, NRAS, c-KIT). Die Substanzen werden vorzugsweise in Kombinationen (BRAF-Inhibitor und MEK-Hemmer) oder als Monotherapie (Checkpoint-Inhibitoren, ggf. c-KIT Inhibitoren) eingesetzt. Sie haben die Chemotherapie als erste Therapiemaßnahme im Stadium der Metastasierung abgelöst. Bei großem Primärtumor oder Lymphknotenmetastasen sollte auch bei nicht metastasierten Patienten im Anschluss an die Operation eine zusätzliche Behandlung mit zielgerichteten Substanzen erfolgen.

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Bauchspeicheldrüsenkrebs

Die weitaus häufigste Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs ist das exokrine Pankreaskarzinom, auf die sich diese Therapieübersicht bezieht. Das exogene Pankreaskarzinom zählt auch heute noch zu den am schlechtesten behandelbaren Krebserkrankungen. Wesentlich seltener sind Karzinome, die ihren Ursprung von anderen spezialisierten Drüsenzellen der Bauchspeicheldrüse nehmen und meistens einen günstigeren Verlauf haben. Operation Die Operation ist die einzige Therapieform, mit der ein exokriner Bauchspeicheldrüsenkrebs geheilt werden kann. Voraussetzungen hierfür sind eine Operation in einem möglichst frühen Tumorstadium, die komplette Tumorentfernung und das Fehlen von Risikofaktoren. Je nach Lokalisation werden nur Teile des Pankreas oder das ganze Organ einschließlich der umgebenden Lymphknotenstationen mit einem Sicherheitsabstand entfernt. Trotz kompletter Entfernung des Tumors bleiben leider nur 20 % der operierten Patienten ohne Rückfall dauerhaft tumorfrei. Nach kompletter Entfernung der Bauchspeicheldrüse müssen die Verdauungsenzyme und Insulin dauerhaft zugeführt werden. Chemotherapie Wurde der Tumor komplett entfernt, schließt sich in der Regel eine Chemotherapie als zusätzliche Maßnahme zur Vorbeugung eines Rückfalls an. Als Kombinations-

Non-Hodgkin Lymphome

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oder Monochemotherapie wird sie außerdem zur Bekämpfung eines bereits gestreuten Pankreaskarzinoms eingesetzt. Strahlentherapie Eine Strahlentherapie ist bei Pankreaskarzinomen nicht ausreichend wirksam. Bei metastasierter Erkrankung kann sie zur lokalen symptomatischen Behandlung von Metastasen eingesetzt werden. Zielgerichtete Therapie Zielgerichtete Therapien bei Pankreaskarzinomen werden intensiv untersucht, haben derzeit aber noch keine Bedeutung.

Non-Hodgkin Lymphome

Non-Hodgkin Lymphome (NHL) sind eine große Gruppe von unterschiedlich verlaufenden bösartigen Erkrankungen, die vom Lymphgewebe oder Knochenmark ausgehen. Sie sind von Anfang an generalisiert oder streuen bereits sehr früh, sodass eine Operation prinzipiell nicht sinnvoll ist. Während einige NHL sehr rasch wachsen und aggressiv verlaufen, führen andere nur zu einer geringen Beeinträchtigung des Betroffenen, wachsen über Jahre nur sehr langsam und sind von vornherein als chronische Erkrankung einzustufen. Unabhängig von ihrer Aggressivität sind die meisten Arten des NHL heilbar, andere können trotz mehrfacher Rückfälle sehr lange und mit überschaubaren Nebenwirkungen behandelt werden.

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Abwartende Therapiestrategie Bei langsam wachsenden niedrigmalignen NHL in fortgeschrittenen Stadien ist es oft sinnvoll, zunächst abzuwarten und erst eine Behandlung einzuleiten, wenn Symptome auftreten und die Erkrankung deutlich zunimmt. Dies gilt insbesondere für ältere Patienten. Oft können so mehrere Jahre vergehen, ehe eine Therapie notwendig wird. Chemotherapie NHL sind sehr chemotherapieempfindlich und eignen sich daher sehr gut für eine Behandlung mit Zytostatika. Ein großer Teil der NHL ist durch eine Chemotherapie heilbar. Bei einigen Arten des NHL kann der Effekt einer Chemotherapie durch Kombination mit einer zielgerichteten Therapie noch weiter verbessert werden. In der Regel werden Kombinationschemotherapien angewandt, die oft eine sehr schnell einsetzende Wirkung haben. Während aggressive NHL eine zügig einsetzende, intensive Chemotherapie mit dem Ziel der Heilung erfordern, dient die Chemotherapie bei niedrigmalignen NHL in fortgeschrittenen Stadien dazu, „bei Bedarf“ die Tumorerkrankung zurückzudrängen, wenn Symptome auftreten oder Komplikationen drohen. Wenn mit einer normal dosierten Chemotherapie keine komplette Rückbildung eines aggressiven NHL erreicht werden konnte, ist eine hochdosierte Chemotherapie mit Stammzelltransplantation eine weitere Therapieoption. Zielgerichtete Therapie Einige NHL (von B-Zellen ausgehende Lymphome) weisen an der Zelloberfläche das spezifische Merkmal CD20 auf. Gegen CD20 gerichtete Antikörper (Rituximab) lösen eine gezielte Immunreaktion aus, bewirken den Zerfall der entarteten B-Zellen und damit eine Tumorrückbildung. Diese Form der Behandlung war die erste zugelassene Immuntherapie gegen Krebs und ist in Kombination mit einer Chemotherapie besonders wirksam. Seither sind zahlreiche weitere zielgerichtete Therapien hinzugekommen, die verschiedene Signalwege innerhalb der Lymphomzelle blockieren und das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten deutlich erweitert haben. Strahlentherapie Die Strahlentherapie eignet sich gut zur lokalen Verkleinerung von sehr großen Lymphomen oder für Organe, die von einer Chemotherapie schlecht erreicht werden. Sie wird auch angewendet, wenn nach der Chemotherapie noch Tumorreste vorhanden sind.

Magenkrebs

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Magenkrebs

Die nachfolgenden Therapien beziehen sich auf die von den Magendrüsen ausgehenden Magenkarzinome (Adenokarzinome). Zu den wesentlich selteneren, vom Lymphgewebe des Magens ausgehenden Karzinomen (MALT) siehe Kap. 2. Aufgrund besserer Hygiene und geänderter Ernährungsgewohnheiten sind die Adenokarzinome des Magens in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich seltener geworden. Nach wie vor ist die Operation die entscheidende Therapiemaßnahme für die meisten Patienten. Endoskopische Entfernung Auf die innerste Schicht des Magens (Mucosa, T1a) begrenzte, oberflächliche Karzinome können endoskopisch mit sehr hohen Heilungschancen entfernt werden, wenn sie eine bestimmte Größe nicht überschritten haben und keine weiteren Risikofaktoren vorliegen. Operation Für die übrigen Patienten besteht die einzige Möglichkeit mit Aussicht auf eine Heilung in einer Teil- oder kompletten Entfernung des Magens einschließlich der relevanten Lymphknoten der Umgebung. Als Standard gilt die sog. D2-Lympadenektomie, bei der mindestens 25 Lymphknoten an definierten Lokalisationen entfernt werden. In Europa wird die Operation in den meisten Fällen mit einer Chemotherapie kombiniert. Nach einer kompletten Magenentfernung passt sich der Körper zunächst sehr langsam an die veränderte Verdauung an, der Patient ist aber nach einiger Zeit in der Lage, sich weitgehend normal zu ernähren, wenn einige grundlegende Regeln beachtet werden.

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Strahlentherapie Bei Inoperabilität eines lokal begrenzten Karzinoms des Magens am Übergang zur Speiseröhre kann eine Strahlentherapie in Kombination mit einer Chemotherapie anstelle einer Operation mit dem Ziel der Heilung durchgeführt werden. Nur in Nordamerika ist eine Strahlentherapie in Kombination mit einem Zytostatikum im Anschluss an die Operation eines Magenkarzinoms üblich. Chemotherapie Bei ausgedehnten Tumoren sollte die Operation möglichst mit einer Chemotherapie kombiniert werden, von der 3 Zyklen vor - und 3 Zyklen nach der Operation gegeben werden. Durch die 3 präoperativen Zyklen werden fortgeschrittene Magenkarzinome verkleinert und können anschließend mit einem besseren Ergebnis chirurgisch entfernt werden; durch die 3 postoperativen Zyklen werden im Anschluss an die Operation eventuell noch vorhandene, nicht erkennbare kleine Tumorreste bekämpft. Im Vergleich zur alleinigen Operation haben sich durch das kombinierte Vorgehen die Heilungsraten weiter verbessert. Im Stadium der Metastasierung kann mit einer Chemotherapie eine Verlängerung des Überlebens erreicht werden. Dabei werden in der Regel mehrere Zytostatika kombiniert. Zielgerichtete Therapie Etwa 10 % aller Magenkarzinome weisen einen erhöhten Gehalt von HER2 auf. Bei diesen Patienten führt die Kombination eines gegen HER2 gerichteten Antikörpers (Trastuzumab) mit einer Chemotherapie zu einer weiteren Verbesserung des Therapieergebnisses im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie.

Krebs der Harnblase und ableitenden Harnwege

Bei den meisten Patienten wird das Harnblasenkarzinom in einem frühen Stadium entdeckt, in welchem es durch eine Operation geheilt werden kann.

Nierenzellkarzinom

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Operation Auf die oberen Schichten der Harnblase begrenzte Karzinome, die noch nicht in die Blasenmuskulatur eingewachsen sind, können mit Instrumenten, die über den Harnleiter in die Blase eingeführt werden, in einem relativ kleinen Eingriff entfernt werden. Ergeben die Proben ein erhöhtes Rückfallrisiko, sollte zur Erhöhung der diagnostischen Treffsicherheit eine erneute Nachresektion erfolgen. Bei Vorliegen von Risikofaktoren kann eine medikamentöse lokale Behandlung der Harnblase angeschlossen werden, um einem Rückfall vorzubeugen. Infiltriert das Blasenkarzinom bereits die Blasenmuskulatur, ist in der Regel die radikale Entfernung der Harnblase einschließlich der Nachbarorgane und regionalen Lymphknoten indiziert. Für die notwendige Harnableitung gibt es unterschiedliche operative Möglichkeiten, wie z. B. die Anlage einer Ersatzblase aus Darmgewebe. Strahlentherapie Eine Kombination von Strahlen- und Chemotherapie kann als blasenerhaltende Alternative zur Operation insbesondere bei lokal begrenzten muskelinvasiven Karzinomen, bei Kontraindikationen gegen eine radikale Harnblasenentfernung oder bei Wunsch des Patienten nach Erhaltung der Blase infrage kommen. Chemotherapie Im Vergleich zur alleinigen Operation lassen sich die Heilungsraten bei Patienten mit lokal ausgedehnten Urothelkarzinomen durch eine zusätzliche Chemotherapie verbessern. Bei metastasierten Patienten kann durch eine Kombinationschemotherapie die Überlebenszeit verlängert werden.

Nierenzellkarzinom

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7  Therapie der 10 häufigsten Krebserkrankungen

Nierenzellkarzinome werden heutzutage zunehmend in Frühstadien – oft zufällig – entdeckt, in denen sie durch eine Operation heilbar sind. Die Behandlungsmöglichkeiten in fortgeschrittenen Stadien wurden durch die Entwicklung verschiedener zielgerichteter Therapien in den letzten Jahren deutlich erweitert. Operation Die operative Entfernung, möglichst unter Schonung der Niere, ist die Therapie der Wahl bei nicht metastasierten Nierenkarzinomen. In seltenen, besonderen Situationen kann ein Nierentumor mittels anderer Verfahren, z. B. gezieltem Hochfrequenzstrom, auch nicht-operativ abgetragen werden. Nur bei Patienten, bei denen bereits vor der Operation ein Lymphknotenbefall nachgewiesen wurde, kann zusätzlich eine Lymphknotenentfernung vorgenommen werden. Strahlentherapie Mit Ausnahme einer lokalen Bestrahlung inoperabler symptomatischer Metastasen ist die Strahlentherapie bei Patienten mit Nierenkarzinom in der Regel nicht indiziert. Chemotherapie Eine Chemotherapie ist bei Nierenkarzinomen nicht ausreichend wirksam. Zielgerichtete Therapie Für die zielgerichtete Therapie des Nierenkarzinoms gibt es mehrere, an verschiedenen Angriffspunkten ansetzende und gut wirksame Therapieoptionen, die je nach Risikokonstellation allein, in Kombination oder sequenziell gegeben werden. Die meisten Substanzen können als Tablette verabreicht werden.

Stichwortverzeichnis

A Abstrich, 39 Acetaldehyd, 15 Acrylamide, 18 active surveillance, 107 Adenokarzinom, 44 Aflatoxine, 4 AIDS-Virus, 25 Alkohol, 15 Apoptose, 3 Arteriosklerose, 15 Asbest, 4, 16 B Bakterien, 13 Ballaststoffe, 19 Barrett-Ösophagus, 51 Basaliom, 23, 42 Bauchfett, 22 Bauchsonographie, 50 Bauchspeicheldrüse, 50 Bauchspeicheldrüsenkrebs, 110 Beratung, genetische, 34 Beratungsgespräch, 89 Berufskrankheit, 16 Bewegung, 22 Bier, 16 Biopsie, 70 Blutarmut, 77 Blutgefäße, 10 BRCA1, 34 BRCA2, 34 Bronchoskopie, 70 Brustdrüse, 31 Brustkrebs, 33, 100 Brustkrebsgene, 34 Brustzentrum, 32

C CA 19–9, 50 CAR-T-Zell-Therapie, 83 Carcinoma in situ, 33 cdh-1, 45 CEA, 50 Checkpoint-Inhibitoren, 83 Chemotherapie, 76 Chronisch myeloischen Leukämie (CML), 78 CML (Chronisch myeloische Leukämie), 78 Colitis ulcerosa, 53 Computertomographie, 49, 66 crosstalk, 7 Cyberknife, 76 D D2-Lympadenektomie, 113 Darmkrebs, 105 Darmkrebsvorsorge, 29, 35 Darmspiegelung, 35 Dinosaurier, 1 driver-Mutation, 6 Durchfall, 77 Dysplasie, 29 E E-Cadherin-Gen, 45 Einsalzen, 18 Endoskop, 35 Endoskopie, 69 Endosonographie, 50 Entzündung, 22 Epstein-Barr-Virus, 25 Erbfaktoren, 13 Erbgut, 3 Ernährung, 17

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Holtkamp, Krebs, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61354-2

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118 Ernährungsgewohnheiten, 21 Evolution, 6 F FAP, 38 Fasten, 21 Feinnadelpunktion, 70 Feinstaub, 4 Fett, 20 Fettgewebe, 21 Fettkonsum, 20 Fettleberhepatitis, 54 Fettleibigkeit, 19 Früherkennungsuntersuchungen, 30 G Gammopathie, monoklonale, 48 Gastroskopie, 45 Gefäßneubildung, 9 Genexpressionstests, 72 Geschlechtsverkehr, 25 Getreide, 18 Gewebeprobe, 32 Gewürze, 18 Gluten, 53 Grading, 41 Grillen, 18 Grundumsatz, 22 H Haarausfall, 77 Harnblasenkarzinom, 114 Harnblasenpapillome, 47 Haut, 23 Helicobacter pylori, 26 Helicobakterinfektion, 26 Hepatitis-B Virus, 25 HER2-neu, 63 HER2-Rezeptor, 102 Herzinfarkt, 15 Hoden, 17 Hormonhaushalt, 21 Hormontherapie, 79 I Imatinib, 78 Immunsystem, 5 Immuntherapien, 83 Impfung, 25 Interleukin-6, 21

Stichwortverzeichnis Internet, 7 J Jamshidi-Punktion, 72 Japan, 20 K Kapselendoskopie, 54 Karzinogene, 4 Ki-67, 63 Knochenkrebs, 3 Knochenmark, 48 Knochentumor, 1 Knoten, 10 Koloskopie, 35 Kombinationstherapie, 79 Konisation, 39 Kontrastmittelsonographie, 54 Kopierfehler, 3 Krebsfrüherkennungsuntersuchungen, 30 Krebserkrankung, berufsbedingte, 17 Krebsrisiko, 5 Krebsstammzellen, 82 Krebsvorsorgeuntersuchungen, 29 Krebsvorstufen, 29 L Lebenserwartung, 5 Lebensstil, 5, 20 Leberkrebs, 18 Leberzirrhose, 54 Liquid biopsy, 51 Lokalrezidiv, 33, 81 Lungenkarzinom, 14 kleinzelliges, 103 Lungenkrebs, 48, 102 Lymphknoten, 75 Lynch-Syndrom, 38 M Magenkrebs, 19, 26, 44 Magenschleimhaut, 19 Magenspiegelung, 45 Magnetresonanztomographie, 67 MALT-Lymphom, 25 Mammographie, 31, 65 Mammographiescreening, 32 Medizin, minimal-invasive, 84 Melanom, 24, 42 Metastasen, 9

Stichwortverzeichnis Mundhöhle, 16 Muskelmasse, 22 Mutation, 3 Myelodysplastisches Syndrom (MDS), 48 N Nebenwirkungen, 77, 92, 93 Nicht kleinzelliger Lungenkrebs (NSCLC), 103 Nichtraucherkarzinome, 48 Nierenzellkarzinome, 47, 116 Nitrosoverbindungen, 18 Non-Hodgkin Lymphome, 111 Nordic-Walking, 23 Nüsse, 18 O Obst, 19 Onkogen, 7 Operation, 75 Ösophagogastroduodenoskopie, 70 Östrogene, 21 Östrogenrezeptor, 63 Ovarialkarzinom, 34 P Pankreaskarzinom, 50 Pankreaszysten, 51 Papillomaviren, 25 Parasiten, 24 Passenger-Mutation, 6 Pathologe, 62 Pestizide, 18 Pökeln, 18 Polypen, 35 Polyposis, 38 Positronenemissionstomographie, 68 Progenitorzellen, 3 Progesteronrezeptor, 63 Prostatabiopsien, 40 Prostatakarzinom, 39 Prostatakrebs, 107 Proteom, 82 Protonenbestrahlung, 76 Protoonkogene, 6 PSA-Wert, 40 Punktion, 70

119 R Radikale, freie, 4 Radiochemotherapie, neoadjuvante, 106 Radongas, 16 RAS-Wildtyp, 106 Rauchen, 14 Raucherkarzinome, 48 Räuchern, 18 Reparaturmechanismen, 4 Resektion, transurethrale, 41 Rezeptoren, 79 Rituximab, 112 Röntgenuntersuchung, 65 Rückfall, 97 S Schimmelpilzgifte, 4 Schlaganfall, 15 Schornsteinfeger, 17 Screening-CT, 49 Selbstvernichtungsprogramm, 8 Sensitivität, 64 sentinel-Biopsie, 71 Signalwege, 7 Solarien, 24 Sonnenbrände, 24 Sonographie, 64 Spezifität, 64 Spindelzellkarzinom, 23, 42 Sprue, 53 Staging, 62 Stammzelle, 3 Stoma, 106 Strahlentherapie, 76 Strahlung, 4 Stuhltest, 35 Szintigraphie, 68 T T-Zell-Leukämievirus, 25 Tabakrauch, 15 Tabakrauchen, 13 Tastuntersuchung, 40 Taxane, 102 Therapie adjuvante, 80 neoadjuvante, 80 palliative, 95

120 personalisierte, 78 zielgerichtete, 62, 77 Therapiekonzept, 91 Therapieziel, 94 Trastuzumab, 102 Tumor, 9 Tumor-Nekrose-Faktor alpha, 21 Tumorkonferenz, 62 Tumormarker, 50 Tumorsupressorgene, 7 Typ diffuser, 45 intestinaler, 44 Typ B-Gastritis, 44 U Übergewicht, 19 Ultraschalluntersuchung, 54, 64 Ultraviolettstrahlung, 23 Unsterblichkeit, 9 Untersuchungsverfahren, 64 Uranbergbau, 16 Urothelkarzinome, 46, 115

Stichwortverzeichnis V Viren, 13 Vitamin-D, 23 Vorsorgegastroskopie, 45 Vorsorgekoloskopie, 35 W Wachstumsfaktoren, 21 Wächterlymphknoten, 71 Warnzeichen, 58 watchfull waiting, 107 Wein, 16 Z Zellentgiftungsmechanismen, 5 Zellerneuerung, 2 Zellneubildung, 4 Zellverbrauch, 4 Zertifizierung, 32 Zysten, 51 Zytostatika, 76