Kontrollierte Kontrolleure: Die Bedeutung der Zollverwaltung für die »politisch-operative Arbeit« des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR 9783666369209, 9783525369203, 9783647369204

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Kontrollierte Kontrolleure: Die Bedeutung der Zollverwaltung für die »politisch-operative Arbeit« des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR
 9783666369209, 9783525369203, 9783647369204

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Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung Herausgegeben von Günther Heydemann Band 44

Vandenhoeck & Ruprecht

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Jörn-Michael Goll

Kontrollierte Kontrolleure Die Bedeutung der Zollverwaltung für die „politisch-operative Arbeit“ des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR

Vandenhoeck & Ruprecht

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-36920-3 ISBN 978-3-647-36920-4 (E-Book) Umschlagabbildung: Zollkontrolle an der innerdeutschen Grenzübergangsstelle Marienborn Quelle: Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Oakville, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Hannah-Arendt-Institut, Dresden Druck und Bindung: h Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt I.

Einleitung

II.

Vom Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs zur Zollverwaltung

1. 1.1 1.2 1.3 1.4

2. 2.1 2.2 2.3 2.4

9

17

Entstehung und Entwicklung der Zollverwaltung in den Jahren 1945 bis 1972 Neubeginn und Aufbruch Ausbau des Amtes zur Kontrolle des Warenverkehrs in den Jahren bis zum Mauerbau 1961 Der Mauerbau und dessen Folgen für das Zollwesen in der DDR Letzte Veränderungen nach Inkrafttreten der neuen DDR-Verfassung und dem Abschluss der deutsch - deutschen Verträge

43

Die Struktur der Zollverwaltung in den Jahren 1972 bis 1990 Wichtige Bereiche der Hauptverwaltung Grenzzollämter Postzollämter Binnenzollämter

45 46 52 55 57

17 17 30 35

III. Das Ministerium für Staatssicherheit

59

1. 1.1

59

1.2 1.3 2. 2.1 2.2 2.3

Verortung des MfS im Herrschaftssystem der DDR - Diktatur Die „bewaffneten Organe“ – entscheidende Machtfaktoren der SED - Diktatur „Tschekisten“ – Das Selbst- und Feindbild des MfS „Schild und Schwert der Partei“ – Das Verhältnis zwischen SED und MfS Die „politisch - operative Arbeit“ des MfS Zum Begriff der „politisch - operativen Arbeit“ Die „politisch - operative Arbeit“ ausgewählter Hauptabteilungen des MfS Formen der Herrschaftspraxis – Rahmenbedingungen für die „politisch - operative Arbeit“ des MfS

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59 60 62 67 68 70 80

6

Inhalt

IV.

Deckmantel, Handlanger und Erfüllungsgehilfe

85

1. 1.1 1.2 1.3

Potenziale der Zollverwaltung Befugnisse der Zollverwaltung Ressourcen der Zollverwaltung Die Zollverwaltung als „Deckmantel“

86 86 88 91

2. 2.1

Nutzung der Potenziale der Grenzzollämter Grundsätze für das Kontrollverfahren an allen Grenzübergangsstellen Die Kontrollen an Straßen - Grenzübergangsstellen durch MfS und Zoll Das Kontrollverfahren an den Eisenbahn - Grenzübergangsstellen Besonderheiten an Flughafen - Grenzübergangsstellen

93

2.2 2.3 2.4 3. 3.1 3.2 3.3

95 110 152 158

Nutzung der Potenziale der Postzollämter Rahmenbedingungen für die Kontrollen an den Postzollämtern Die „politisch - operative Arbeit“ der Abteilung Postzollfahndung Nutzung der Aufgaben und Potenziale der Postzollämter durch die Abteilung Postzollfahndung des MfS Willkür bei der Behandlung von Postsendungen Grenzen der Paket- und Päckchenüberwachung

161 161 165

187 187

4.3 4.4 4.5 4.6 4.7

Nutzung der Potenziale des Zollfahndungsdienstes Grundsätzliche Aufgaben der Bereiche Fahndungswesen Aufgaben und Arbeitsweise der einzelnen Bereiche Fahndungswesen Sachgebiet V Abteilungen III (Transitüberwachung und Beobachtung) Abteilung IV Abteilung Zollermittlung Sachgebiet Koordinierung und Technik

189 199 200 208 210 215

5. 5.1 5.2

Nutzung der Potenziale der Informationsspeicher Zentralkartei Datenbank der Abteilung Rechenzentrum

216 217 220

3.4 3.5 4. 4.1 4.2

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171 179 183

Inhalt

V.

1.

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Fallbeispiele für die Nutzung der Aufgaben, Methoden und Befugnisse der Zollverwaltung durch das MfS Der Fall „Schlange“ – Die Zurückdrängung der Aktivitäten des Hilfswerks der Helfenden Hände Hamburg e. V. durch Zoll und MfS Hilfsorganisation oder „Feindorganisation“? Der Zentrale Operative Vorgang „Schlange“ Im Fadenkreuz des MfS – Hauptangriffsziele der Staatssicherheit im Fall „Schlange“ Ermittlungen des MfS durch den Einsatz von IM Gemeinsames Vorgehen von Zollverwaltung und MfS gegen das HWHH Maßnahmen zur „Zersetzung“ und „Diskreditierung“ Einstellung des ZOV „Schlange“ Resümee Die Aktion „Treffpunkt“ – Die Absicherung der Leipziger Messe durch Zoll und MfS Die politische Bedeutung der Leipziger Messe im SED - Staat Die Kontrollen der Staatssicherheit zur Leipziger Messe Aufgaben der HA VI während der Leipziger Messe Aufgaben der Zollverwaltung zur Absicherung der Leipziger Messe Resümee

7

225

225 225 228 229 231 235 241 250 252 253 253 256 263 266 283

VI. Kontrollierte Kontrolleure

287

1.

Besetzung von Schlüsselpositionen durch das MfS

288

2.

Auswahl von Zollbewerbern und deren Überprüfung

298

3. 3.1 3.2 3.3

Erziehung, Aus- und Weiterbildung von Kontrolleuren Grundausbildung Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Dienstalltag Erziehungsaufgaben der Parteiorganisation in der Zollverwaltung

303 304 307

4. 4.1

Exkurs: Gelenkte Gedanken – Aus- und Weiterbildung am Institut der Zollverwaltung „Heinrich Rau“ Von der Gründung erster Zollschulen zum Institut der Zollverwaltung „Heinrich Rau“

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309 313 313

8

Inhalt

4.2 4.3

Aufgaben des „Bildungszentrums der Zollverwaltung“ Der Einfluss des MfS auf das Institut der Zollverwaltung

316 319

5. 5.1

Kontrolle und Überwachung von Kontrolleuren Allgemeine Gefährdungspotenziale für die „innere Sicherheit“ der Zollverwaltung Das Kontrollsystem der Zollverwaltung Kontrollsystem der Abteilung Zoll - Abwehr des MfS Disziplinarverstöße und Sanktionen

328

5.2 5.3 5.4 6. 7. 7.1 7.2 7.3 7.4 8. 8.1 8.2 8.3

Personalmangel – Hauptursache für Disziplinarverstöße und Schlüsselproblem der Zollverwaltung

328 330 335 343 357

Fallbeispiel: Der durchherrschte Alltag der Zöllner am Beispiel der Grenzübergangsstelle Marienborn Entwicklung und Bedeutung der Grenzübergangsstelle Marienborn Der Alltag der Kontrolleure Der Alltag des Kontrollierens Der kontrollierte Alltag

362 369 379 394

Der Weg in den Untergang – Zollverwaltung, MfS und die Friedliche Revolution in der DDR 1989/90 Kampf gegen Windmühlen bei Schmuggel und Spekulation Faktoren des Zerfalls „Stasi in die Produktion“ – und in die Zollverwaltung

405 405 411 417

361

VII. Schlussbetrachtung

427

VIII. Anhang

431

1.

Wer war wer im DDR - Zoll ? – Kurzbiographien von Spitzenfunktionären

431

2. 2.1 2.2 2.3 2.4

Quellen und Literatur Zeitzeugeninterviews Unveröffentlichte Quellen Veröffentlichte Quellen Literatur

441 441 446 476 477

3. 4. 5. 6.

Tabellen und Abbildungen Abkürzungen Sachregister Personenregister

484 485 487 493

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I.

Einleitung

Es gehört zum Wesen einer jeden Diktatur, dass sie „im Kern antidemokratisch, antipluralistisch und freiheitsberaubend“1 ist. Dennoch müssen sich auch Diktaturen, wie alle anderen Regierungsformen, an unterschiedlichste Rahmenbedingungen anpassen, um existieren zu können. Für die Diktatur der Deutschen Demokratischen Republik ( DDR ) waren zwei Rahmenbedingungen von besonderer Bedeutung : die Unterordnung der eigenen Herrschaft unter das Sowjetimperium und die Ausübung dieser Herrschaft unter den Bedingungen der deutschen Teilung. Zu jeder Zeit prägte die Sozialistische Einheitspartei Deutschland ( SED ) das Herrschaftsgefüge der DDR. Sie befahl den Aufbau eines Überwachungsministeriums, das als „Schild und Schwert“ die Herrschaft der Partei sichern sollte. Das Ministerium für Staatssicherheit ( MfS ) versuchte mit immensem Aufwand, nicht nur das Handeln, sondern insbesondere das Denken der Bevölkerung zu kontrollieren. Denn im Falle der DDR – unter den Bedingungen der deutschen Teilung – ging von Gedanken, die der staatlich implementierten „sozialistischen Ideologie“ widersprachen, die größte Gefahr aus. „Zwei Staaten – eine Nation“. Mit dieser Formel versuchten Politiker der Bundesrepublik die Existenz der DDR zur Kenntnis zu nehmen, ohne die Rechtmäßigkeit des ostdeutschen Staates oder gar die Endgültigkeit der Teilung anerkennen zu müssen. Trotz aller Bemühungen der SED, eine eigene DDR - spezifische Identität zu schaffen, blieb der Gedanke an eine einheitliche deutsche Nation für weite Teile der ostdeutschen Bevölkerung über 40 Jahre hinweg im Bewusstsein verankert. Der Einfluss des „Klassenfeindes“, wie die Bundesrepublik in den Akten von SED und Staatssicherheit oft bezeichnet wurde, ließ sich nur schwer unterdrücken. Zum einen verband beide Staaten eine gemeinsame Sprache und Kultur. Westdeutsche Massenmedien entfalteten diesbezüglich ebenso ihre „zersetzende Wirkung“ wie beispielsweise westdeutsche und westliche Literatur. Zum anderen bestanden zwischen vielen Bürgern beider deutschen Staaten verwandtschaftliche Beziehungen, die auch unter erschwerten Bedingungen in vielen Fällen gepflegt wurden. „Westbesuch“ wie „Westpaket“ ließen die SED und ihren Sicherheitsapparat aufhorchen aufgrund der potenziellen Gefahr, die von ihnen ausging. Beinahe jede Fehlentwicklung in der DDR wurde von der Staatsführung mit „agressiven und schädlichen Einflüssen imperialistischer Kräfte“ begründet. Entscheidender Bestandteil der SED - Sicherungsdoktrin und somit ein wesentliches Aufgabenfeld des Ministeriums für Staatssicherheit war daher, den westlichen Einfluss auf das Bewusstsein der eigenen Bevölkerung so gering wie möglich zu halten. 1

Kühnhardt / Leutenecker / Rupps / Waltmann ( Hg.), Diktaturerfahrung, S. 12.

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Einleitung

Diese Umstände wurden in der DDR - Geschichtsforschung oft erwähnt und diskutiert. Von einem Akteur, der diese Kernaufgabe des MfS entscheidend unterstützte, war bisher jedoch faktisch nie die Rede : von der Zollverwaltung der DDR. Über die Ursachen dafür lässt sich spekulieren. Fest steht jedoch, dass die unbedingte Loyalität zur SED – und somit zu deren alleinigem Machtanspruch – im Statut des DDR - Zolls ebenso festgelegt wurde wie bei allen anderen Teilen der „bewaffneten Organe“ ( MfS, Volkspolizei und Nationale Volksarmee ). Die Zollverwaltung der DDR war mit zahlreichen sicherheitsrelevanten Aufgaben betraut. An den Grenzübergangsstellen kontrollierte der Zoll Fahrzeuge und Gepäck von westlichen Reisenden. Er observierte zudem die Transitstrecken zwischen der Bundesrepublik und Westberlin. Jedes „Westpaket“ wurde an den Postzollämtern der DDR durchleuchtet. Dabei waren die Zöllner befugt und beauftragt, mitunter „Westliteratur“ zu beschlagnahmen, westliche Waren zu konfiszieren und vor allem Fluchten in den Westen zu verhindern. Die Zollverwaltung war demzufolge an verschiedensten Punkten damit beauftragt, den Einfluss des Westens auf die DDR gering zu halten. Sie leistete einen gewichtigen Beitrag, die Herrschaft der SED unter den Bedingungen der Deutschen Teilung aufrechtzuerhalten und tangierte damit unmittelbar das Aufgabenfeld der Staatssicherheit. Forschungsstand Seit der Wiedervereinigung wurde von der DDR - Geschichtsforschung wohl kein Bereich so intensiv und umfassend behandelt, wie der des Ministeriums für Staatssicherheit. „Die Literatur der DDR - Staatssicherheit ist seit 1990 ins nahezu Unüberschaubare angewachsen“,2 bemerkte in diesem Zusammenhang der Historiker Jens Gieseke. Die Bandbreite der behandelten Aspekte erstreckt sich von der Vorgeschichte bis zur Auf lösung der Staatssicherheit, von der Überwachung der DDR - Gesellschaft bis zur Westarbeit des MfS, von hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern bis hin zu unterdrückten Oppositionellen. Laut einer Studie, die 2004 vom Institut für Hochschulforschung an der Martin - Luther - Universität Halle - Wittenberg herausgegeben wurde, betrachtet die Mehrzahl deutscher Historiker das Thema Staatssicherheit als gut oder gar sehr gut erforscht.3 Dennoch darf diese Einschätzung nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich auch in scheinbar gut erschlossenen Forschungsfeldern immer wieder neue Forschungsdesiderate auftun. So existieren beispielsweise erst seit kurzem einige Studien zur Rolle des MfS im Sicherheitsapparat der DDR.4 Darin wird auf das Verhältnis der Staatssicherheit zur Kasernierten Volkspoli-

2 3 4

Gieseke, Mielke - Konzern, S. 285. Vgl. Hüttmann, Gelehrte DDR, S. 33. Grundlegende Informationen liefert beispielsweise das „Handbuch der bewaffneten Organe“. Vgl. Handbuch der bewaffneten Organe.

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Einleitung

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zei5 ( KVP ) und der Nationalen Volksarmee6 ( NVA ), insbesondere aber zur Deutschen Volkspolizei7 ( DVP ) eingegangen. Die Zollverwaltung der DDR, das vierte „bewaffnete Organ“, wurde in der bisherigen DDR - Forschung weder für sich alleine betrachtet, noch im Zusammenhang mit der Staatssicherheit umfassend behandelt. Es finden sich lediglich einige wenige Publikationen, die in knapper Form auf die historische Entwicklung der Zollver waltung der DDR eingehen.8 Die Bedeutung der Zollver waltung als Bestandteil des Sicherheitsapparats, die vor allem in Verbindung mit der Staatssicherheit einen gewichtigen Beitrag zur Sicherung des Machtmonopols der SED geleistet hat, wird in der Literatur kaum erwähnt. Lediglich ein 15 - seitiger wissenschaftlicher Aufsatz geht auf diesen wesentlichen Punkt explizit ein.9 Die Kontrolle des Postverkehrs der DDR wird in mehreren Veröffentlichungen recht ausführlich beschrieben. Darin wird in Grundzügen auch auf die Funktion der Zollverwaltung eingegangen, die unter anderem mit der Kontrolle des internationalen Paket - und Päckchenverkehrs beauftragt war. Dieser Arbeitsbereich des DDR - Zolls kann in der Forschung als am ehesten erschlossen, wenn auch bei Weitem nicht als umfassend behandelt gelten.10 Erkenntnisinteresse und Vorgehensweise Die Arbeit setzt sich zum Ziel, bestehende Kenntnislücken über die Herausbildung der Zollverwaltung unter Beachtung von Struktur, Aufgaben und Funktionen sowie über das Verhältnis zwischen der Zollverwaltung und dem Ministerium für Staatssicherheit zu schließen. Das Erkenntnisinteresse ergibt sich aus der zentralen Fragestellung : Welche Bedeutung hatte die Zollver waltung der DDR für die „politisch - operative Arbeit“ des MfS ? Zur hinreichenden Beantwortung dieser Frage ist die Arbeit in sechs Kapitel unterteilt. Um ein solides Fundament für alle aufbauenden Überlegungen zu schaffen, wird in einem ersten Schritt rekonstruiert, wie sich die Zollverwaltung der DDR strukturell herausgebildet hat, welche Aufgaben und Funktionen ihr zugedacht wurden, wann und warum sich diese Aufgaben und Funktionen verändert haben. Einschneidende Veränderungen ergaben sich beispielsweise nach dem Volksaufstand am 17. Juni 1953, in Folge der Gründung der Nationalen Volksarmee im Jahr 1956, nach dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 sowie mit Abschluss des Transitabkommens im Jahr 1972. Die Auswirkungen dieser Ereignisse auf das Zollwesen in der DDR werden umfassend untersucht. Anschließend wird die endgültige Struktur der Zollverwaltung vorgestellt. 5 Vgl. Diedrich / Wenzke, Kasernierte Volkspolizei. 6 Vgl. Wenzke ( Hg.), Staatsfeinde in Uniform. 7 Vgl. Lindenberger, Volkspolizei; Herbstritt, Volkspolizei und MfS; Gieseke, Volkspolizei und Staatssicherheit. 8 Vgl. Schmidt, Reichszoll; Vom Mauerbau zum Mauerfall. 9 Vgl. Suwalski, Zollverwaltung. 10 Vgl. Härtel / Kabus ( Hg.), Westpaket.

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Einleitung

Das anschließende Kapitel beschäftigt sich mit dem Ministerium für Staatssicherheit – und damit mit der zweiten Einrichtung, die für das Forschungsvorhaben von zentraler Bedeutung ist. Dabei soll ausdrücklich kein Gesamtüberblick der Struktur, Aufgaben und historischen Entwicklung des MfS erfolgen. Auf entsprechende Literatur, die in großer Zahl vorhanden ist, wird an relevanten Stellen verwiesen. Stattdessen wird auf Aspekte der Staatssicherheit eingegangen, die vor allem in Bezug auf das Verhältnis zur Zollverwaltung von Belang sind. In einem ersten Schritt wird untersucht, wie das MfS im Herrschaftssystem der DDR - Diktatur verortet war. Welche Stellung hatte das MfS gegenüber den anderen „bewaffneten Organen“ – und somit gegenüber dem DDR - Zoll ? Welches Selbstbild wurde den Angehörigen des MfS vermittelt ? Welches Verhältnis bestand zwischen der Staatssicherheit und der Staatspartei ? In einem zweiten Schritt wird darüber hinaus geklärt, was unter dem Begriff „politisch operative Arbeit“ zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang wird abschließend die „politisch - operative Arbeit“ jener Hauptabteilungen des MfS vorgestellt, die – wie sich zeigen wird – enge Verbindungen zur Zollverwaltung der DDR unterhielten. Im dritten Kapitel der Arbeit wird analysiert, über welche Befugnisse und Ressourcen ( im Folgenden „Potenziale“ genannt ) die Zollverwaltung verfügte, die für das Ministerium für Staatssicherheit von Interesse waren. Dabei werden zunächst drei grundlegende Potenziale vorgestellt, auf die anschließend anhand der Zusammenarbeit einzelner Bereiche der Zollver waltung mit der Staatssicherheit im Detail eingegangen wird. Insbesondere handelt es sich hierbei um die Bereiche der Grenz - und Postzollämter, des Zollfahndungsdienstes und einzelner Bereiche der Hauptverwaltung des Zolls, die unter anderem für Kader und Personalfragen sowie für die Speicherung von Untersuchungs - und Ermittlungsergebnissen zuständig waren. In einem nächsten Schritt wird die Nutzung der Potenziale der Zollverwaltung durch das MfS anhand von zwei Fallbeispielen konkretisiert. Dabei soll auch verdeutlicht werden, dass die Potenziale des Zolls von der Staatssicherheit in der Regel nicht einzeln, sondern in ihrer Kombination genutzt wurden, um so ihre größte Wirkung zu entfalten. Das Kapitel fünf soll die Frage beantworten, welche Faktoren eine umfassende Nutzung der Potenziale des Zolls durch die Staatssicherheit überhaupt ermöglicht haben. Dafür wird die personelle Zusammensetzung der Führungsebene im Zoll genau untersucht. Zudem wird der Frage nachgegangen, welche Anforderungen Zollbewerber erfüllen mussten und wie die Aus - und Weiterbildung von Zollmitarbeitern erfolgte. Darüber hinaus wird aufgezeigt, wie die Kontrolle und Überwachung von Zöllnern organisiert wurde und welche Faktoren dafür verantwortlich waren, dass Mitarbeiter der Zollverwaltung dennoch vereinzelt gegen Vorschriften verstoßen haben. Anhand eines alltagsgeschichtlich angelegten Fallbeispiels soll anschließend verdeutlicht werden, wie stark der Umstand der „Kontrolle“ das Leben der Kontrolleure an der ehemals größten Grenzübergangsstelle der DDR zur Bundesrepublik, Marienborn, prägte. Dabei

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Einleitung

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werden zentrale Aussagen von Zöllnern, MfS - Mitarbeitern und auch Reisenden, die in vielen Zeitzeugengesprächen erarbeitet wurden, in den Zusammenhang der bis dahin erzielten Forschungsergebnisse gestellt. Daraus ableitend wird auch die Frage gestellt und beantwortet, von welcher Qualität die Zusammenarbeit des Zolls mit dem MfS war, welche Probleme dabei auftraten, ob und gegebenenfalls wie diese Probleme gelöst wurden. Mit Blick auf das erste Kapitel der Arbeit, das sich der Entstehung des DDR - Zolls widmet, soll das fünfte Kapitel mit einer Analyse des Untergangs der Zollver waltung in den Jahren 1989/90 enden. Diese „chronologische Klammer“ ist jedoch kein Selbstzweck. Vielmehr dient der Blick auf die letzten Jahre der Zollverwaltung der Beantwortung der Frage, ob und ggf. wie sich das Verhältnis zwischen Zoll und MfS wandelte, als die SED, der beide „Sicherheitsorgane“ uneingeschränkte Loyalität bekundeten, delegitimiert und schließlich gestürzt wurde. Die Schlussbetrachtung der Arbeit folgt in Kapitel sechs und dient insbesondere der Beantwortung der forschungsleitenden Fragestellung. Zudem werden die zentralen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst und auf einer übergeordneten Ebene entsprechende Schlussfolgerungen gezogen. Quellenlage Zur Erstellung der Untersuchung wurde in den Beständen folgender Archive recherchiert : – Bundesarchiv Berlin - Lichterfelde ( BArch ), – Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv ( SAPMO - BArch ), – Bundesarchiv – Militärarchiv Freiburg im Breisgau ( MArch ), – Archiv der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ( BStU ), – Hauptstaatsarchive der Bundesländer Sachsen und Thüringen, – Landeshauptarchive der Bundesländer Mecklenburg - Vorpommern, Brandenburg und Sachsen - Anhalt, – Archiv der Außenstelle des Bildungszentrums der Bundesfinanzverwaltung in Plessow ( Archiv Plessow ), – Zeitzeugenarchiv der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn ( GDT ). Darüber hinaus wurden nach der Methode der „oral history“ Gespräche mit Zeitzeugen geführt und nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewertet. In den Archiven wirft die Quellenlage zur Thematik zwei zentrale Schwierigkeiten auf : Zum einen sind die vorhandenen Quellen in den Archiven zu einem erheblichen Teil schlecht oder nicht erschlossen, zum anderen sind wichtige Teilbestände in den Jahren 1989/1990 vernichtet worden. Im Bundesarchiv Berlin - Lichterfelde lagern die gesamten Bestände der Hauptverwaltung der Zollverwaltung der DDR. Die dort vorhandenen Akten (ca. 55 laufende Meter ) sind lediglich nach groben Themenkomplexen sortiert

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Einleitung

und vor dem Promotionsvorhaben noch nie umfassend gesichtet worden. Für Recherchen innerhalb des Bestandes steht lediglich eine sachthematische Kartei zur Verfügung, die von der ehemaligen Zollverwaltung der DDR übernommen wurde. Computergestützte Bestandsrecherchen sind nicht möglich. Die Suche nach relevanten Beständen wurde auch dadurch erschwert, dass einzelne Sachkomplexe, die für das Forschungsvorhaben relevant gewesen wären (beispielsweise zum Reiseverkehr Bundesrepublik–DDR oder zur Zusammenarbeit der Zollverwaltung mit anderen „bewaffneten Organen“) ganz oder zu einem großen Teil fehlen. Die noch vorhandenen Unterlagen beziehen sich mehrheitlich auf die 1950er und 1960er Jahre. Dennoch liefern sie wertvolle Erkenntnisse, vor allem was den strukturellen Aufbau der Zollver waltung, die Kontrollergebnisse der Zollämter und Personalfragen anbelangt. Weitere Hinweise auf Zollangelegenheiten finden sich im Bereich der Stiftung Aufarbeitung der Parteien und Massenorganisationen des Bundesarchivs (SAPMO - BArch ), insbesondere in den Akten des SED - Politbüros, der Abteilung für Handel, Versorgung und Außenhandel, der ZK - Abteilung für Sicherheitsfragen sowie der Büros Ulbricht, Honecker und Krenz.11 Sie sind relevant, weil sie vor allem Auskünfte über die Parteiarbeit in der Zollverwaltung geben und statistische Angaben zur Kontrolltätigkeit enthalten. Die Unterlagen des Militärarchivs sind vor allem für die Beschreibung der DDR - Grenzübergangsstellen interessant. In den Beständen der Grenztruppen finden sich insbesondere Hinweise zur bauliche Konstruktion der GÜSt, zur dort vorhandenen Sicherheits - und Militärtechnik sowie zur personellen Besetzung. Vereinzelt geben sie aber auch auch Auskunft zur Organisation der Kontrollen – insbesondere in den 1950er Jahren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Unterlagen des Militärarchivs für die Erforschung der ehemaligen Grenzübergangsstelle Marienborn herangezogen. Für die Thematik dieser Arbeit lagern unverzichtbare Quellen bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Einerseits finden sich dort Fachschulabschluss - und Diplomarbeiten sowie Studienmaterial der ehemaligen Juristischen Hochschule Potsdam des MfS. In diesen Quellen finden sich in zum Teil erstaunlich anschaulicher und detaillierter Form Hinweise sowohl zur Einbeziehung der Zollverwaltung in die Arbeit des MfS, als auch zur Überprüfung und Kontrolle von Zollmitarbeitern durch das MfS. Andererseits geben vor allem die Bestände der Hauptabteilungen VI, VII und IX, des Sekretariats des Stellvertreters Neiber, des Büros der Leitung sowie der zentralen Auswertungs - und Informationsgruppe Auskunft über die Zusammenarbeit des MfS mit der Zollverwaltung. Es hat sich als sehr vorteilhaft erwiesen, die Bestände der Außenstellen der BStU, in denen die Akten der ehemaligen Bezirksverwaltungen des MfS lagern, in die Recherchen mit einzubeziehen. In vielen Fällen waren für die Thematik 11

Diesbezügliche Unterlagen sind mit Hilfe der Online - Findbücher des Bundesarchivs gut recherchierbar.

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Einleitung

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sehr aufschlussreiche Unterlagen lediglich in den Außenstellen vorhanden, während sie im Hauptarchiv der BStU nicht auffindbar waren. Für die Beschreibung der Arbeit des Zolls an den einzelnen ehemaligen Grenzübergangsstellen und Postzollämtern sind die Bestände der Außenstellen der BStU unverzichbar, da die Arbeit sämtlicher Zollämter von den jeweils zuständigen Bezirksverwaltungen des MfS kontrolliert und entsprechende Akten angelegt wurden. Die thematisch relevanten Bestände der Landeshauptarchive sind allesamt von geringem Umfang. Darüber hinaus handelte es sich bei dem gesichteten Material meist um die selben Akten, die auch in den Außenstellen der BStU lagern. Diese Dopplungen erklären sich dadurch, dass zwischen den SED Bezirksleitungen und den Bezirksverwaltungen des MfS ein reger Informationsaustausch stattfand. Man findet daher oft identische Schreiben, die in beiden Behörden archiviert wurden. Weitere wichtige Quellen sind in der Außenstelle des Bildungszentrums der Bundesfinanzver waltung in Plessow vorhanden. Dort existierte bis 1990 das Institut der Zollver waltung der DDR „Heinrich Rau“. An dieser Hochschule wurden Fachschulabschluss - und Diplomarbeiten bzw. Dissertationen geschrieben, die sowohl zur Rekonstruktion der historischen Entwicklung als auch der einzelnen Aufgabenbereiche der Zollverwaltung von Belang sind. Zudem sind in Plessow eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen, Ordnungen, Dienstanweisungen und Befehlen des Leiters der Zollver waltung überliefert. Darüber hinaus geben zahlreiche Dokumente Auskunft über Entwicklung der Fachschule bzw. des Instituts der Zollverwaltung.12 In der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn finden sich Transkriptionen von zahlreichen Interviews, die im Rahmen eines seit vielen Jahren existierenden Zeitzeugenprojekts der GDT erarbeitet wurden. Es handelt sich dabei um Gesprächsaufzeichnungen mit Personen, die Erfahrungen mit dem heute historischen Ort der Grenzübergangsstelle gemacht haben. Für die Untersuchung relevant waren vor allem Zeitzeugen, die speziell zur Pass - und Zollkontrolle Angaben machen konnten – also vorwiegend ehemalige Zöllner und Passkontrolleure, aber auch Reisende. Insgesamt wurden etwa 30 Transkriptionen von Zeitzeugengesprächen für die Arbeit ausgewertet. Neben der Auswertung bereits geführter und transkribierter Interviews wurden weitere Zeitzeugengespräche geführt. Im Focus der Suche nach Zeitzeugen standen ehemalige Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR. Während die Gewinnung von ehemaligen Zollkontrolleuren ( also der unteren und mittleren Ebene im Personalbestand ) weitgehend zufriedenstellend verlief, gestaltete sich

12 Die überlieferten Bestände der Zollverwaltung der DDR sind während der Erstellungszeit des Buches vom Bildungszentrum der Bundesfinanzverwaltung an das Bundesarchiv Berlin, Abteilung DDR, übergeben worden. Dort werden sie erfasst und erhalten neue Signaturen. Da dieser Prozess zum Zeitpunkt der Drucklegung noch nicht abgeschlossen war, werden im Folgenden die Signaturen verwendet, wie sie in Plessow zuletzt angegeben wurden.

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Einleitung

die Suche nach Zeitzeugen, die ehemalige Führungskader des DDR - Zolls waren, als schwierig. Die Archive in Plessow und Marienborn waren für die Gewinnung neuer Zeitzeugen hilfreich, da in beiden Einrichtungen persönliche Kontakte zu ehemaligen Zöllnern existieren und vermittelt werden konnten. Die dritte Institution, die für die Suche herangezogen wurde, war die „Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR“ ( ISOR e. V.). Leider zeigte sich diese Einrichtung wenig kooperativ, was sich darin ausdrückte, dass der anfangs bestehende Kontakt von Seiten des Vereins abrupt abgebrochen wurde. Insgesamt wurden zu ca. zehn Zeitzeugen Kontakte hergestellt und Gespräche mit ihnen geführt.

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II.

Vom Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs zur Zollver waltung

1.

Entstehung und Entwicklung der Zollverwaltung in den Jahren 1945 bis 1972

Obwohl die Zollverwaltung ihr eigenes Gründungsdatum auf das Jahr 1952 festgelegt hatte, sollte es noch wesentlich länger dauern, bis sich die Strukturen des „sozialistischen Zollorgans“ umfassend festigten. Erst mit dem Abschluss der deutsch - deutschen Verträge zu Beginn der 1970er Jahre kann die Herausbildung der Zollverwaltung, wie sie bis zum Ende der Deutschen Demokratischen Republik ( DDR ) in allen wesentlichen Teilen Bestand hatte, als abgeschlossen betrachtet werden. Zuvor unterlag die Struktur des DDR - Zolls immer wieder Veränderungen, die sich unter Beachtung des historischen Kontexts plausibel deuten lassen.

1.1

Neubeginn und Aufbruch

Aufbau unter sowjetischer Führung Mit dem Befehl Nr. 1 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration ( SMAD ) vom 23. Juli 1945 über die „Neuorganisation der deutschen Finanzund Kreditinstitute“ wurden die Finanzabteilungen der Länder - und Provinzialverwaltungen in der Sowjetischen Besatzungszone ( SBZ ) und in Berlin mit der Steuererhebung beauftragt. Die bestehenden Zollämter arbeiteten bis auf Weiteres nur im Innern der SBZ. Zu den wichtigsten Aufgaben zählten vor allem die Einnahme von Verbrauchssteuern sowie die Steueraufsicht in einigen Nahrungs - und Genussmittelbetrieben. Zur Kontrolle der Außengrenzen der SBZ waren zunächst ausschließlich die Militärs der Roten Armee befugt. Mit dem Befehl Nr. 239 des Obersten Chefs der SMAD vom 14. Oktober 1947 begann dann aber die Errichtung von Zollbehörden an den Grenzen zwischen der SBZ und der Volksrepublik ( VR ) Polen sowie der Tschechoslowakischen Republik und an der Seegrenze, an denen auch deutsches Personal eingesetzt wurde.1 Die rechtlichen Normen deutscher Zollgesetzgebung und die Reichsabgabenordnung von 1931 wurden im Sinne des neu entstehenden sozialistischen Systems umgedeutet und ausgelegt. Auf Beschluss des Alliierten Kontrollrats sollten die vier alliierten Siegermächte ihre Besatzungszonen als einheitliches Zollgebiet behandeln. Auch nach Gründung der beiden deutschen Staaten war die innerdeutsche Grenze keine erklärte Zoll-

1

Vgl. Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987, S. 1 ( BArch, DL 203, 02–07–00, Ka. 184).

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Vom Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs zur Zollverwaltung

grenze. Durch die Übernahme des Zollgesetzes von 1939 als geltendes Recht in der Bundesrepublik wie auch in der DDR wurde diese Besonderheit bekräftigt. Jedoch hatten die Normen des Zollgesetzes in Ost und West bei gleichem Wortlaut eine völlig unterschiedliche Auslegung. In der Lesart der Zollverwaltung der DDR hatte sich aus der „antifaschistisch - demokratischen Ordnung ein neues, demokratisches Zollwesen herausgebildet“, während in der Bundesrepublik und Westberlin „eine Restaurierung der alten Zollpolitik“ stattfand und „mit der Annahme des westdeutschen Grundgesetzes Verfassungsauftrag“2 wurde. Angehörige der Zollbehörde der jungen DDR wurden von sowjetischen Kontrolloffizieren angeleitet und ideologisch geschult. Über Betriebsgruppen, die an den Zolldienststellen gebildet wurden, vergrößerte die eben gegründete Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ( SED ) schnell ihren Einfluss auf den Zoll. 1947 waren bereits 25 Prozent des Personalbestandes Mitglieder der SED.3 Dennoch waren besonders in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg einige Führungspositionen des Zollwesens in der SBZ noch nicht mit parteitreuen Kadern besetzt. Beispielsweise lag die Leitung des Zolls in Sachsen bis 1950 in den Händen des damaligen Finanzministers Gerhard Rohner, Mitglied der Christlich Demokratischen Union ( CDU ), in Thüringen lenkte der Finanzminister Leonhard Moog von der Liberal - Demokratischen Partei ( LDP ) die Geschicke. Dies sollte sich jedoch bald ändern, indem die SED unliebsame Kader zu diffamieren begann : „Sie und andere, die sich als ‚Finanzexperten‘ ausgegeben hatten, unternahmen alles, um die Kaderpolitik der SED in den Zollorganen zu hintertreiben und die Förderung fortschrittlicher Kräfte zu verhindern. Dabei nutzten sie auch die parteipolitische Bindung einer Anzahl von Angehörigen der Zollorgane an die CDU und LDPD aus und waren bestrebt, diesen Kreis weiter zu vergrößern.“4 Rohner floh nach heftigen Angriffen der SED im Jahr 1950 in die Bundesrepublik.5 Moog geriet durch eine in der SED - Presse gegen ihn persönlich geführte Kampagne, die ihm Spionagedienste für den Westen vorwarf, ebenfalls unter Druck. Während einer Reise nach Westberlin erklärte Moog in einem Schreiben an den thüringischen Ministerpräsidenten Werner Eggerath am 10. Januar 1950 seinen Rücktritt. Gleichzeitig stellte er sich unter den Schutz der Westberliner Polizei und kehrte nicht wieder in die DDR zurück.6

2 3 4 5 6

Pötter, Entwicklung der Zollver waltung. Dissertation am Institut der Zollverwaltung der DDR, S. 15 ( Archiv Plessow ). Vgl. Zur Entwicklung der Zollverwaltung der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968, S. 8 ( Archiv Plessow ). Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 12 ( Archiv Plessow ). Vgl. Wer war wer, S. 837. Vgl. Munzinger - CD - ROM - Archiv, Ravensburg 2000.

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Entstehung und Entwicklung der Zollverwaltung

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Gründung des Amtes zur Kontrolle des Warenverkehrs Die Bildung des ersten „sozialistischen Zollorgans“7 im Jahr 1950 ordnete sich ein in den Prozess der Schaffung zentraler staatlicher „Organe“, der mit der Gründung der DDR eingeleitet wurde. Mittels dieser zentralen staatlichen Einrichtungen verfolgte die SED nachstehende Zielsetzung : „Durchführung der sozialistischen Umgestaltungen auf politischem, wirtschaftlichem und geistig kulturellem Gebiet, Schutz und Verteidigung der revolutionären Errungenschaften und Unterdrückung des Widerstandes der gestürzten Ausbeuterklasse, Festigung der Freundschaftsbeziehungen mit der UdSSR und den anderen Staaten des sozialistischen Weltsystems.“8 Nach der Durchsetzung der politischen Macht forcierte die Parteiführung der SED den Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft, die schrittweise unter völlige staatliche Leitung gestellt werden sollte. Zu den neuen staats - und wirtschaftsleitenden Einrichtungen gehörten auch das Ministerium für Innerdeutschen Handel, Außenhandel und Materialversorgung, das 1951 in das Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel ( MAI ) umgebildet wurde. Eine entsprechende Zuordnung des Zollwesens erfolgte jedoch noch nicht. Mit der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949 verankerte die Regierung jedoch das Recht, die übernommenen Bestimmungen des Zollgesetzes von 1939 jederzeit ändern oder aufheben zu können.9 Der Warenverkehr zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurde zunächst mit Realisierung des Frankfurter Abkommens vom 8. Oktober 1949 durchgeführt, in dem die Grundsätze für die Handhabung des Waren - und Zahlungsverkehrs zwischen der DDR und der Bundesrepublik geregelt wurden. Mit Unterzeichnung des „Berliner Abkommens“ ( Interzonenhandelsabkommen ) durch die DDR und die Bundesrepublik am 20. September 1951 wurde eine neue Grundlage für die Durchführung des Warenverkehrs zwischen Ost - und Westdeutschland gelegt. Für die Bundesrepublik stellte der innerdeutsche Handel keinen Teil des Außenhandels dar. Anderer Auffassung war die Deutsche Demokratische Republik. Der Zahlungsverkehr wurde über zentrale Konten bei der Deutschen Bundesbank und bei der Staatsbank der DDR abgewickelt – und zwar in Verrechnungseinheiten, die einer Deutschen Mark entsprachen, obwohl die Kaufkraft der westdeutschen Mark die der ostdeutschen bereits weit übertraf. Da die DDR im Innerdeutschen Handel mehr ein - als ausführte, wurde schon bald viel Gebrauch gemacht von zinslosen Überziehungskrediten ( Swing), die für die Fälle unausgeglichener Leistungsbilanzen vereinbart wurden. Dennoch bildete die innerdeutsche Grenze für die DDR de jure keine Zollgrenze zum Ausland, weswegen die Tätigkeit der Zolldienststellen zunächst auch weiterhin auf die Nord - , Ost - und Südgrenze des Landes beschränkt blieb. 7 8 9

Neben direkten Zitaten werden in der Arbeit auch historische Begriffe, die der Aktensprache entlehnt sind, in Anführungszeichen geschrieben. Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 16 ( Archiv Plessow ). Vgl. Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. 10. 1949, Artikel 122, 144, Abs. 1.

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Vom Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs zur Zollverwaltung

An der offenen innerdeutschen Grenze und an der Grenze zu Westberlin hatten die seit dem 10. Juni 1950 eingesetzten Grenzpolizisten10 große Schwierigkeiten, im „Kampf gegen Schmuggel und Spekulation“ erfolgreiche Arbeit zu leisten. Zahlreiche Unternehmen, die ihren Firmensitz nach Gründung der DDR in die Bundesrepublik verlegt hatten, versuchten ihre Vermögenswerte mitzunehmen. Nach der Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen im Jahr 1948 entwickelte sich zudem ein Schwarzmarkt um Rohstoffe, Konsumgüter und Genussmittel, die zum großen Teil für Westmark angeboten und verkauft wurden. Es entstanden bis 1949 ca. 40 Wechselstuben in den Berliner Westsektoren, deren Zahl bis 1961 auf 88 anwuchs.11 Das Kursverhältnis zwischen Westund Ostmark lag nach kurzer Zeit bei 1 :5.12 Dies setzte die Wirtschaftsplaner in der DDR von Anfang an unter Druck und brachte sie langfristig sogar in ernste Bedrängnis.13 Zur Durchsetzung des Außenhandelsmonopols wurden von der Regierung der DDR 1950 mehrere Gesetze in Kraft gesetzt. Die wichtigsten von ihnen waren das am 15. Dezember verabschiedete „Gesetz zur Regelung des innerdeutschen Zahlungsverkehrs“14 und das bereits am 21. April erlassene „Gesetz zum Schutze des innerdeutschen Handels“, das acht Tage später in leicht abgewandelter Form durch den Magistrat von Groß - Berlin unter der Bezeichnung „Verordnung zum Schutze des innerdeutschen Handels“ beschlossen wurde. In der Präambel heißt es : „Im Interesse der weiteren Verbesserung der Lebenslage unserer Bevölkerung ist es notwendig, den Handel gegen jeden zersetzenden Einfluss zu sichern. Feinde unserer demokratischen Wirtschaft versuchen den innerdeutschen Handel und dadurch unseren Wirtschaftsaufbau zu stören. Von derartigen Elementen wird die politische Lage Berlins ausgenutzt, um besonders von hier aus den Aufbau unserer Wirtschaft zu erschweren. Um derartige Sabotageversuche künftig unmöglich zu machen und den innerdeutschen Han-

10 Vgl. Tantzscher, Reise - und Touristenverkehr, S. 220. 11 Vgl. Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987 ( BArch, DL 203, 02–07–00, Ka. 184, Bl. 27). 12 Beispielsweise kostete ein Kilogramm Bohnenkaffee in den Berliner Westsektoren ca. 30 DM ( West ). Ein Bürger aus Ostberlin musste somit 150 DM ( Ost ) aufbringen, um diesen Kaffe kaufen zu können. Brachte er aber ca. 10 Kleinbildfilme, die in der DDR ca. 30 DM ( Ost ) kosteten, nach Westberlin, erhielt er auch ca. 30 DM ( West ) dafür, für die er ebenfalls ein Kilogramm Kaffe kaufen konnte. Vgl. Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 23 ( Archiv Plessow ). 13 Nach den Worten des damaligen Ministers für Innerdeutschen Handel, Außenhandel und Materialversorgung, Georg Ulrich Handke, riefen die „in steigendem Maße auftretenden großangelegten Schiebungen“ schwer wiegende Störungen für die Durchführung des Volkswirtschaftsplanes her vor und würden, „wenn sie sich in diesem Tempo und Ausmaß erweitern sollten, sogar eine erste Gefahr darstellen“. Vgl. Protokoll der Verhandlungen des V. Parteitages der SED, 10.–16. 7. 1958 in Berlin, 6. und 7. Verhandlungstag, Berlin 1959, S. 1553 f. In : Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 24 (Archiv Plessow ). 14 Vgl. Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987, S. 2 ( BArch, DL 203, 02–07–00, Ka. 184).

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Entstehung und Entwicklung der Zollverwaltung

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del zu fördern, ist eine umfassende Kontrolle der Warenbewegung notwendig.“15 Das Gesetz fand zunächst nur Anwendung auf den Warenverkehr zwischen dem „Ring um Berlin“ und Westberlin. Von nun an musste der Transport von Waren über festgelegte Kontrollpunke unter Mitführung von Warenbegleitscheinen erfolgen. Bei Nichteinhaltung dieser Bestimmungen drohten erhebliche Strafen. Bei besonders schweren Verstößen konnten „Zuchthausstrafen nicht unter fünf Jahren und Vermögenseinziehungen“16 angeordnet werden. Für die praktische Umsetzung dieses Gesetzes wurde das Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs ( AKW ) im Ministerium für innerdeutschen Handel, Außenhandel und Materialversorgung geschaffen. Entsprechend dem Sonderstatus von Berlin wurde durch Verordnung des Magistrats von Ostberlin eine analoge Regelung für die Kontrolle an der östlichen Sektorengrenze erlassen. Mit der „Verordnung zum Schutze des innerdeutschen Warenverkehrs“ kontrollierte ab Juli 1951 das AKW auch die Demarkationslinie und somit den gesamten Warenverkehr zwischen der DDR und der Bundesrepublik.17 Zur Absicherung dieser Festlegung wurden mit dem Befehl 154/50 des Chefs der Deutschen Volkspolizei, Karl Maron, 333 Angehörige der Grenzpolizei fachlich und operativ dem AKW unterstellt. In der DDR waren 1952 also vier Einrichtungen für Zoll - und Warenkontrollaufgaben zuständig : – Zolldienststellen der Abgabenver waltung beim Ministerium für Finanzen, zuständig für die Abgabenerhebung und Kontrolle an der Zollgrenze zu Polen und zur Tschechoslowakei; – Zolldienststellen beim Magistrat von Ostberlin, zuständig für die Abgabenerhebung in Ostberlin; – Amt für Kontrolle des Warenverkehrs beim Ministerium für innerdeutschen Handel, Außenhandel und Materialversorgung, zuständig für Warenkontrollen an der Demarkationslinie und am Ring um Berlin; – Amt für Kontrolle des Warenverkehrs beim Magistrat von Ostberlin, zuständig für Warenkontrollen an den Sektorengrenzen.18 Im Gegensatz zu den Zolldienststellen, die nach der Entnazifizierung viele Fachleute der ehemaligen Reichsfinanzverwaltung übernahmen, stand in der Personalpolitik des AKW die politische Zugehörigkeit vor dem fachlichen Wissen. 1950 waren etwa 64 Prozent der Angehörigen des AKW Mitglied der SED und rund 37 Prozent Mitglied der Freien Deutschen Jugend ( FDJ ).19 Leiter des Amtes wurde Anton Ruh, langjähriges Mitglied der Kommunistischen Partei

15 16 17 18 19

Gesetzblatt der DDR, 1950, Nr. 43 vom 21. 4. 1950, S. 327. Vgl. Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 25 ( Archiv Plessow ). Vgl. ebd., S. 29. Vgl. ebd., S. 27. Vgl. ebd., S. 28.

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Vom Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs zur Zollverwaltung

Deutschlands ( KPD ) und Mitarbeiter im Zentralsekretariat der SED.20 Somit verfügte die Staatsführung schon zu Beginn der aufkommenden Ost - West - Konfrontation über eine Kontrollbehörde, die wesentliche Merkmale eines „sozialistischen Zollwesens“ beinhaltete und für den späteren Charakter der Zollverwaltung bestimmend war : – Das AKW erfüllte mit der Kontrolle des grenzüberschreitenden Waren - und Zahlungsmittelverkehrs in erster Linie eine politische Aufgabenstellung, nämlich den Schutz des sich herausbildenden Außenhandels - und Valutamonopols des SED - Staates. – Die führende Rolle der SED war von Beginn an in die Struktur des AKW implementiert. – Innerhalb des AKW wurde ein Kaderbestand etabliert, der die kompromisslose Umsetzung der von Partei - und Staatsführung gestellten Aufgaben sicherte.

20 Anton Ruh wurde am 20. Februar 1912 in Berlin geboren. Nachdem sein Vater im Ersten Weltkrieg gefallen war, wurde er von seiner Mutter, die aktive Kommunistin war, erzogen und erlernte den Beruf eines Steindruckers. 1927 trat er dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands bei, anschließend auch der Kommunistischen Partei Deutschlands. 1931 wurde Ruh zu sechs Monaten Haft verurteilt und anschließend nach Österreich ausgewiesen ( er besaß durch seine Mutter, die Österreicherin war, eine österreichische Staatsbürgerschaft ). 1934 emigrierte er in die Tschechoslowakei, 1939 nach Großbritannien. Dort heiratete er am 4. Februar 1940 die Emigrantin Elisabeth Schwarz, bevor er im Sommer desselben Jahres interniert und für ein Jahr nach Australien deportiert wurde. Nach seiner Rückkehr wurde Ruh in London Mitglied der Zentralen Leitung der KPD in England und arbeitete bis 1944 als Schweißer in einem englischen Rüstungsbetrieb. Anschließend wurde er durch den amerikanischen Geheimdienst „Office of Strategie Ser vices“ ( OSS ) im Auftrag des sowjetischen Militär - Nachrichtendienstes „Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije“ ( GRU ) als Agent ausgebildet. Er kam Anfang 1945 als Spion in Berlin zum Einsatz, wurde nach der deutschen Kapitulation von der sowjetischen Spionageabwehr „Smersch“ an die US - Armee übergeben. Da Großbritannien seine Ausreise ver weigerte, kam Ruh zurück nach London, bis er 1947 schließlich wieder nach Deutschland heimkehrte. Sofort übernahm Ruh leitende Funktionen in der Berliner Landesleitung der SED. 1947 und 1948 arbeitete er in der Zentralen Kommission für Sequestrierung und Beschlagnahme. Von 1948 bis 1950 war Ruh als Mitglied der Zentralen Kontrollkommission an Enteignungen beteiligt. Ab 1950 leitete er das Amt für Kontrolle des Warenverkehrs im Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel. 1957 bekam er für seine Arbeit den Vaterländischen Verdienstorden. 1961 bis 1962 besuchte Ruh die Parteihochschule des Zentralkomitees der KPdSU in Moskau. Danach war er im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten tätig. Zuletzt arbeitete Ruh als Botschafter in Rumänien, wo er am 3. November 1964 unter bis heute ungeklärten Umständen im Alter von 52 Jahren in Bukarest seinem Leben selbst ein Ende setzte. Vgl. Wer war wer, S. 852 f.

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Entstehung und Entwicklung der Zollverwaltung

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Vom Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs zum Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs Die „Festigung und Verteidigung der Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik“21 wurde bereits in den frühen 1950er Jahren zu einer Überlebensfrage der SED - Diktatur und fand ihren vorläufigen Abschluss im Bau des „antifaschistischen Schutzwalls“ am 13. August 1961 in Berlin. Ein erster großer Schritt hin zur weitgehenden Abschottung der DDR gegenüber dem Westen erfolgte auf Beschluss des Ministerrats vom 26. Mai 1952 mit der „Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands“. Damit war die Errichtung einer Fünf - Kilometer - Sperrzone entlang der innerdeutschen Grenze gemeint, die einen 500 - Meter - Schutzstreifen und einen 10 - Meter Kontrollstreifen direkt an der Grenze einschloss. Aufgrund der Errichtung des Sperrgebiets wurden Tausende Menschen zwangsausgesiedelt. Auch am „Ring um Berlin“ wurden die bestehenden Sicherungsmaßnahmen verstärkt, indem die Passierscheinpflicht für Westberliner Bürger zur Einreise in die DDR eingeführt wurde.22 Unkontrollierte Personenbewegungen sollten damit ebenso verhindert werden wie die außerplanmäßige Ein - und Ausfuhr von Waren und Devisen. Am 28. August 1952 sollte mit der „Verordnung über die Errichtung eines Amtes für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs“23 die Struktur der „Zoll - und Warenkontrollorgane“ an die neuen Bedingungen angepasst und nachhaltig verändert werden.24 Dieses Datum markiert nach Lesart der damaligen Führungskader die eigentliche Geburtsstunde des „sozialistischen Zollorgans“. Künftig wurde jährlich mit dem „Tag der Zollverwaltung“ an diesen Gründungstag erinnert. Die Zolldienststellen beim Ministerium für Finanzen und das AKW beim Ministerium für innerdeutschen Handel, Außenhandel und Materialversorgung wurden zu einer zentral geleiteten Verwaltung zusammengefasst, die dem Minister für Außenhandel und innerdeutschen Handel unterstand. Die „Zollorgane“ beim Magistrat von Ostberlin blieben zwar als eigenständige Dienststellen

21 Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der SED, 9. bis 12. 7. 1952, Berlin ( Ost ) 1952, S. 491. 22 Die Sektorengrenzen Berlins blieben von der Passierscheinpflicht zunächst ausgenommen. 23 Vgl. Gesetzblatt der DDR, T. I, 1952, Nr. 121 vom 4. 9. 1952. 24 In der Präambel der „Verordnung über die Errichtung eines Amtes für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs“ begründet die Regierung der DDR die politische Notwendigkeit einer einheitlichen und systematischen Kontrolle des gesamten grenzüberschreitenden Waren - und Zahlungsmittelverkehrs folgendermaßen : „Die Sabotage und Stör versuche gegen unseren unaufhaltsam wachsenden Handelsverkehr sind darauf ausgerichtet, durch den Schmuggel mit Devisen und Zahlungsmitteln den Aufbau unserer Friedenswirtschaft zu stören. Eine systematische konsequente Bekämpfung des Schmuggels von Waren und Zahlungsmitteln ist zum Schutze unserer Währung und zur Festigung unserer demokratischen Ordnung erforderlich.“ Vgl. Gesetzblatt der DDR, T. I, 1952, Nr. 121 vom 4. 9. 1952, Bl. 817.

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Vom Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs zur Zollverwaltung

zunächst erhalten, standen aber unter der Dienst - und Fachaufsicht des neuen Amtes für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs ( AZKW ).25 Die Gründung dieses zentral geleiteten Kontrolleinrichtung stand in Zusammenhang mit dem allgemeinen Ausbau des Staatsapparates der DDR Anfang der 1950er Jahre und ging einher mit der Konsolidierung und Zentralisierung sowie der Neuschaffung von weiteren Institutionen und staatlichen Einrichtungen. Bestandteil dieser Zentralisierung war beispielsweise die Bildung des Ministeriums für Staatssicherheit, die Transformation des Justizwesens, die Domestizierung der Blockparteien und Massenorganisationen sowie der Übergang zur langfristigen Planwirtschaft, eingeleitet mit dem Beschluss über den ersten Fünf jahresplan (1951–1955) auf dem III. Parteitag der SED vom 20. bis 24. Juli 1950.26 Da der gesamte Außenhandel staatlich geplant und gelenkt wurde und bereits ab 1951 staatliche Planeinfuhren von der Zollerhebung befreit waren, verlagerte sich der Schwerpunkt der Tätigkeit des AZKW von der Steuerung zur Kontrolle von Waren und Personen. Zölle in ihrer klassischen Funktion zur Steuerung der Warenein - und - ausfuhren spielten faktisch keine Rolle mehr. Die Zahl der Binnenzollämter verringerte sich bis 1953 von 139 auf 30. Von den bisherigen Hauptzollämtern blieben bis zu dieser Zeit lediglich jene in Dresden, Zwickau, Erfurt, Halle, Frankfurt / Oder und Rostock bestehen, bis auch diese aufgelöst und in einfache Zollämter umgewandelt wurden.27 Priorität bei der Arbeit hatte von nun an die Überwachung des Außenhandelsmonopols und die Kontrolle des grenzüberschreitenden Warenverkehrs an den Grenzzollämtern. Mit der Kontrolle des innerdeutschen Postverkehrs trat im Oktober 1952 eine weitere Aufgabe hinzu.28 Das Ministerium für Post - und Fernmeldewesen, das bisher allein mit der Durchführung des Gesetzes zum Schutze des innerdeutschen Handels auf dem Postwege beauftragt war, konnte seine Aufgaben nicht zur Zufriedenheit der Staatsführung erfüllen. Daraufhin wurde am 15. Oktober 1952 die „Verordnung über die Regelung von Geschenksendungen im Postverkehr aus dem Ausland oder aus den Währungsgebieten der Bank Deutscher Länder“ verabschiedet, mit der die letzte bedeutende Sicherheitslücke im grenzüberschreitenden Verkehr geschlossen werden sollte.29 Innerhalb kürzester Zeit wurden in neun Städten der DDR Paketkontrollämter eingerichtet.30 Hier wie auch an allen anderen Zollämtern beinhaltete die Tätigkeit des AZKW vor allem die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, das Verhindern von Schmuggel und Spekulation, die Überwachung der Ein - und Ausfuhr von Devisen und Zahlungsmitteln sowie den „Kampf gegen die Einfuhr feindlicher Materialien“. Um diese Aufgaben im Sinne der Staatsführung erfüllen zu 25 26 27 28

Vgl. Suwalski, Zollver waltung, S. 579. Vgl. Heydemann, Innenpolitik, S. 14–18. Vgl. Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 51 ( Archiv Plessow ). Vgl. Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987, S. 2 ( BArch, DL 203, 02–07–00, Ka. 184). 29 Vgl. Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 49 ( Archiv Plessow ). 30 Anfangs gab es nur Paketkontrollämter in Berlin, Schwerin, Magdeburg, Erfurt, Leipzig, Halle, Plauen, Karl - Marx - Stadt und Dresden.

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können, wurde das AZKW einer personalpolitischen Überprüfung unterzogen. Von den 1 000 Mitarbeitern der ehemaligen Zolldienststellen wurden lediglich zehn Prozent übernommen.31 Unter der Führung und Kontrolle der sowjetischen Kontrollkommission32 sowie der zuständigen Abteilung im Zentralkomitee der SED führte das AZKW in den Reihen der Volkspolizei und anderen staatlichen und wirtschaftsleitenden „Organen“ eine breit angelegte Werbekampagne durch. In Folge dessen konnte der durch die Massenentlassung aufgetretene Personalnotstand über wunden werden. Ende des Jahres 1952 hatte der DDR - Zoll gut 3100 politisch überprüfte Mitarbeiter. Alle Führungspositionen des AZKW wurden von Mitarbeitern des ehemaligen AKW besetzt, die wiederum alle Mitglied der SED waren.33 Die wenigen jungen Zollmitarbeiter, die noch nicht im Besitz eines Parteibuches waren, gehörten fast durchweg der FDJ an.34 Der bisherige Leiter des AKW, Anton Ruh, wurde zum Leiter des AZKW benannt. Er unterstand dem Minister für Außenhandel und innerdeutschen Handel, trug aber die persönliche Verantwortung des Amtes für die „Erziehung der Mitarbeiter zu demokratischem Staatsbewusstsein und zur Wachsamkeit gegen alle Feinde der volksdemokratischen Ordnung, für die Anleitung und Kontrolle der ihm unterstellten Mitarbeiter, für eine den Aufgaben des Amtes entsprechende richtige Kaderpolitik, für die Durchführung der Gesetze und Verordnungen der Deutschen Demokratischen Republik, soweit sie sein Aufgabengebiet betreffen“.35 Das AZKW war aufgrund der weit reichenden Kompetenzen des Leiters also ein relativ selbstständiges „Organ“ und bildete keine Struktureinheit mit dem Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel. Dieses Merkmal des AZKW – eine zentral geleitete Einrichtung zu sein, die nach dem Leiterprinzip aufgebaut ist – blieb auch für die später gegründete Zollverwaltung der DDR erhalten. Allerdings dauerte es lange, bis nach der Verwaltungsreform von 1952, in der die Länder aufgelöst und Bezirke errichtet wurden, auch das „Territorialprinzip“ im AZKW Anwendung fand. Erst im Jahr 1960 entstanden Bezirksverwaltungen ( BV ) des Zolls. Zuvor wurden sämtliche Bereiche des AZKW von der Hauptverwaltung angeleitet.36

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Angesichts der Tatsache, dass es im Jahr 1952 noch keine einheitlichen Weisungen gab, lag die Durchführung der Kontrollen stark im Ermessen der jeweiligen Zollamtsleiter und der einzelnen Kontrolleure. Vielen Mitarbeitern des bisherigen Dienstzweiges Zoll der Abgabenver waltung des Ministeriums für Finanzen wurde ein mangelndes politisches Bewusstsein sowie eine „Beamtenmentalität“ nachgesagt. Übernommen wurden nur Mitarbeiter, deren politische Integrität zweifelsfrei erwiesen war. In der zentralen Ver waltung wie an den Dienststellen des AZKW waren vor allem in den Anfangsjahren Mitarbeiter der sowjetischen Kontrollkommission als Berater und Kontrolloffiziere tätig, die Anleitungs - und Kontrollfunktionen übernahmen. Vgl. Suwalski, Zollver waltung, S. 579. Vgl. Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 41 ( Archiv Plessow ). Zentrales Staatsarchiv Potsdam, L - 2, Nr. 3851, Bl. 289 ( heute BArch ). In : Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 39 ( Archiv Plessow ). Vgl. ebd., S. 40.

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Vom Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs zur Zollverwaltung

Direkte Auswirkungen des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 auf das AZKW Die Ereignisse um den 17. Juni 1953 veränderten das Selbst - und Fremdbild der DDR - Gesellschaft so nachhaltig wie keine zweite Begebenheit in der 40 - jährigen Geschichte der SED - Diktatur. Die innere Krise der DDR wurde von Führungskadern der Partei als auch von den „Sicherheitsorganen“ wider besseren Wissens als „westliche Störaktion“ gewertet. Zu keinem Zeitpunkt war offensichtlicher, dass die DDR kein nach demokratischen Prinzipien geführter Staat war, sondern eine Diktatur, die um ihrer Selbsterhaltung Willen vor brachialer Gewalt nicht zurückschreckte und durch die Unterstützung der „sowjetischen Freunde“ mit Panzern auf Demonstranten schießen ließ. Mit der Deutung des Volksaufstandes als eine vom Westen initiierte versuchte Konterrevolution musste die Staatsführung aber zugleich das „Versagen“ der staatlichen Sicherheitsbehörden eingestehen, die dieses Ereignis nicht hatten vereiteln können. Das AZKW sah sich in den Tagen des Volksaufstandes mit Bürgern konfrontiert, die sich den Kontrollen entziehen wollten und ihrem Unmut mit Beschimpfungen und Gewaltaktionen Luft machten. Die AZKW Angehörigen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewaffnet und vor allem in Berlin hoffnungslos überfordert. Etliche Zöllner wurden dort in Schlägereien verwickelt. Demonstranten setzten etwa die Hälfte der insgesamt 22 Straßenkontrollpunkte des AZKW in Berlin in Brand bzw. demolierten diese auf andere Art vollständig.37 Infolge dieses Versagens wurde die Struktur des AZKW wieder verändert. Nur zwei Wochen nach dem Volksaufstand fand im AZKW erneut eine Überprüfung des Personals statt. Im Zeitraum vom 1. Juli bis 30. November 1953 wurden von den 4175 Mitarbeitern 1197 wegen politischer Unzuverlässigkeit entlassen.38 Die Zöllner wurden fortan nach den Richtlinien der Kampfgruppen ausgebildet. Am 15. Juli 1953 erließ der Minister für Außenhandel und Innerdeutschen Handel eine Disziplinar - und Kleiderordnung. Fünf Monate später wurde ein Dienstvertrag eingeführt, der die Mitarbeiter verpflichtete, mindestens zwei Jahre ihren Dienst im AZKW zu leisten. Mitarbeiter im operativen Dienst wurden auf Beschluss Nr. 42/11 des Präsidiums des Ministerrats vom 19. April 1954 uniformiert und mit Pistolen bewaffnet.39 Der Einfluss der SED sollte sich in der darauf folgenden Zeit kontinuierlich erhöhen. Zur Gründung des AZKW waren 13,7 Prozent der Mitarbeiter Mitglieder der SED, 1956 bereits 42 Prozent, im Jahr darauf 44 Prozent.40

37 Vgl. ebd., S. 63. 38 Vgl. Suwalski, Zollver waltung, S. 581. 39 Vgl. Zur Entwicklung der Zollverwaltung der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968, S. 37 ( Archiv Plessow ). 40 Vgl. Suwalski, Zollver waltung, S. 581.

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Fallbeispiel : Die Paketaktion „Nachbarliche Hilfe“ Trotz oder gerade wegen der Niederschlagung der Proteste am 17. Juni 1953 war die Lage in der DDR lange Zeit angespannt. Zum Schauplatz des „Kalten Krieges“ wurde insbesondere Berlin, das aufgrund seiner noch offenen Grenzen vielen DDR - Bürgern vor Augen führte, wie widrig die eigenen Lebensbedingungen im Vergleich zur Bundesrepublik und Westberlin bereits waren. Von westlicher Seite wurde Vieles unternommen, die Menschen im Osten Deutschlands zu unterstützen und damit auch das dortige Regime zu schwächen. So wurde ab Juli 1953 in Westberlin eine Paketaktion durchgeführt, bei der an Bürger der DDR gegen Vorlage ihres Personalausweises kostenlos Lebensmittel ausgegeben wurden. Nach Auffassung des SED - Zentralorgans „Neues Deutschland“ vom 31. August 1953 diente diese Aktion dazu, „Agenten für Sabotage - und Terrororganisationen anzuwerben und Bürger der DDR zur Republikflucht zu verleiten“.41 Der Leiter des AZKW, Anton Ruh, brachte in diesem Zusammenhang Folgendes zum Ausdruck : „Sie haben erkannt, dass das deutsche Volk in seiner überwältigenden Mehrheit die Methodik der Brandbomben, Benzinflaschen und sonstiger Mordwaffen ablehnt und gehen deshalb dazu über, ihren angeschlagenen Agentenapparat in unserer Republik durch sogenannte Hilfspakete zu restaurieren und ihn mit den Methoden des Bauernfangs an unaufgeklärten Teilen der Bevölkerung zu erweitern.“42 Neben den anderen „Schutz - und Sicherheitsorganen“ ging auch das AZKW verstärkt gegen Bereitsteller und Nutznießer von sogenannten „Bettelpaketen“ vor. Den Maßnahmen der Sicherheitskräfte waren Anfang der 1950er Jahre aber noch enge Grenzen gesetzt. Keine sechs Wochen waren seit dem Volksaufstand in der DDR vergangen, da sahen sich die Vertreter der Staatsmacht auf den Straßen Berlins erneut mit einer Entwicklung konfrontiert, die ernsthafte Auswirkungen auf die Stabilität der noch jungen Diktatur hätte haben können. Anlass zur Sorge gab eine Maßnahme der US - Lebensmittelhilfe für die DDR Bevölkerung, die unmittelbar nach dem Aufstand des 17. Juni geplant worden war. Unter der Bezeichnung „Nachbarliche Hilfe“ wurden in den westlichen Sektoren Berlins zwischen Ende Juli und Mitte Oktober 1953 zahllose Lebensmittelpakete an Bewohner der SBZ verteilt. In einem Informationsbericht der Kreisdienststelle Friedrichshain des Staatssekretariats für Staatssicherheit43 (SfS) vom 7. August 1953 wird diesbezüglich selbstkritisch vermerkt : „Gegenwärtig sind wir bemüht, unter den breitesten Kreisen der Bevölkerung eine aktive und intensive Aufklärung über die Hintergründe des amerikanischen Propagandarummels mit den ‚Hilfspaketen‘ für die ‚hungernden Ostbewohner‘ zu führen. Doch hierbei muss man bemerken, dass wir als Partei auch diese ganze 41 Neues Deutschland vom 31. 8. 1953. 42 Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 75 ( Archiv Plessow ). 43 Aus Sicht des Politbüros hatte das Ministerium für Staatssicherheit bei der Verhinderung des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 „versagt“. Daher wurde es zwischenzeitlich zu einem „Staatssekretariat“ zurückgestuft und dem Innenministerium unterstellt. Am 24. November 1955 erhielt es wieder Ministeriumsrang.

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Angelegenheit von allem Anfang an wieder unterschätzt haben, dass wir nicht von allem Anfang an gleich operative Maßnahmen ergriffen haben, um unsere werktätige Bevölkerung von diesem Propagandatrick fern zu halten, um die ganze Angelegenheit gleich von vornherein zu entlarven. Erst jetzt, wo die Ausgabe der Amipakete [...] fast fertig ist, [...] beginnen wir aktiv dagegen etwas zu unternehmen.“44 Die Staatssicherheit versuchte zunächst direkt an den Ausgabestellen der Pakete aktiv zu werden. Beispielsweise organisierte sie eine Demonstration im französischen Sektor Berlins, um gegen die Verteilung der Pakete zu protestieren. Nach Lesart der SED habe die Paketaktion Unruhe in die Bevölkerung hereingetragen, da eher die westdeutsche Bevölkerung unter einer wachsenden Verelendung gelitten habe. Wirkliche Hilfe zur Beseitigung des nationalen Notstandes des deutschen Volkes habe in großzügiger Weise die Sowjetunion in ihren letzten diplomatischen Noten, besonders in der Vereinbarung zwischen der Regierung der UdSSR und der Regierung der DDR45 unter Beweis gestellt.46 Diese Ansicht stieß seitens der Westberliner Bevölkerung auf wenig Verständnis, oftmals sogar auf offenen Protest, was das SfS zu der Einschätzung brachte, „dass ein sehr großer Teil, fast alle Bewohner der Westsektoren gegen uns, gegen unsere Republik und unsere Politik sind“.47 Weitere Aktionen der Staatssicherheit erfolgten daher nach kurzer Zeit ausschließlich auf dem Gebiet der DDR. Alle erkannten amerikanischen „Bettelpakete“, die auf dem Postweg in die DDR gelangten, wurden beschlagnahmt und sollten „kostenlos den notleidenden Westberlinern zur Verfügung“48 gestellt werden. Im Osten bekannt gewordene Nutznießer der „Pakete mit Affenfett“49 wurden öffentlich angeprangert und verleumdet. Ihre Namen wurden in hetzerischen Presseartikeln, die sich gegen die Hilfsaktion richteten, veröffentlicht. Zudem war vorgesehen, an 44 Informationsbericht der Kreisdienststelle vom 7. 8. 1953 ( BStU, MfS, ZA, AS 100/61, Band 1, Bl. 26). 45 Gemeint war der vereinbarte „Neue Kurs“. Dabei forderte die Kommunistische Partei der Sowjetunion ( KPdSU ) einen taktischen Richtungswechsel in Bezug auf den Ausbau des Sozialismus in der DDR, wie er auf der zweiten Parteikonferenz der SED im Juni 1952 beschlossen worden war. Es war keine Abkehr von der bisherigen Linie, sondern nur eine ( taktische ) Verlangsamung des Tempos geplant, um den Widerstand in der Bevölkerung nicht noch mehr anwachsen zu lassen. 46 Anordnung zur Beschlagnahme von Paketen, die im Rahmen der amerikanischen Bettelaktion auf dem Postwege in den demokratischen Sektor von Groß - Berlin versandt werden, o. D. ( BArch, DL 203, Az. 00–07–01, Ka. 63b ). 47 Informationsbericht der Kreisdienststelle Friedrichshain des SfS vom 7. 8. 1953 ( BStU, MfS, ZA, AS 100/61, Band 1, Bl. 27). 48 Anordnung zur Beschlagnahme von Paketen, die im Rahmen der amerikanischen Bettelaktion auf dem Postwege in den demokratischen Sektor von Groß - Berlin versandt werden, o. D. ( BArch, DL 203, Az. 00–07–01, Ka. 63b ). 49 Informationsbericht der Kreisdienststelle Friedrichshain des SfS vom 7. 8. 1953 ( BStU, MfS, ZA, AS 100/61, Band 1, Bl. 29). Die verschmähende Bezeichnung der Paketinhalte als „Affenfett“ dürfte daher rühren, dass sich deren Inhalt neben Milch, Hülsenfrüchten und Mehl vor allem aus Büchsenschmalz zusammensetzte. Vgl. Abschrift eines GMBerichtes durch die Abteilung X des SfS vom 28. 7. 1953 ( BStU, MfS, ZA, AS 100/61, Band 1, Bl. 230).

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den Häusern und Ladenfenstern von bekannten Nutznießern der Aktion große Plakate anzubringen, auf denen stand : „Hier wohnt der Amiknecht und Speckjäger [ Name geschwärzt ].“50 Des Weiteren verteilten Anhänger der Freien Deutschen Jugend an verschiedenen Bahnhöfen Ostberlins Flugblätter und diskutierten mit Passanten. Unter der Überschrift „Mit Speck fängt man Mäuse“ wurde vor der Gefährlichkeit der US - Propagandaaktion gewarnt.51 Wirkung zeigten diese Aktionen nicht. Beispielsweise holten sich alleine in der Ausgabestelle am Tiergarten stündlich ca. 200 Menschen Berechtigungsscheine für den Erhalt der Hilfssendungen ab. Der Bericht eines „Geheimen Informators“ ( GI ) vom 28. Juli 1953 vermittelt auf anschauliche Weise, was an den Ausgabestellen in diesen Tagen vor sich ging : „Ich habe heute Nachmittag verschiedene Paketausgabestellen beobachtet. Überall fand ich das gleiche Bild. An keiner Stelle standen weniger als etwa 800 bis 900 Menschen an. Es waren alle Bevölkerungsschichten vertreten. Vom Rentner bis zum sehr gut gekleideten Bürger, vornehmlich Frauen. Die Ausgabestellen befinden sich in Schulgebäuden oder in Dienststellen des Magistrats. Man ließ die Ostbewohner auf den Höfen dieser Gebäude anstehen und konnte hiermit vermeiden, dass die Straßenpassanten in direkte Berührung mit den Ostberlinern kamen. Kleinere Gruppen vor den Dienstgebäuden bildeten sich dennoch und diskutierten miteinander. Nur sehr wenige Menschen sprachen sich gegen die Ausgabe von Paketen an die Ostberliner aus. Ich bin auf die Schulhöfe gegangen und habe mir die Unterhaltung der Ostberliner mit angehört. Ich muss leider sagen, dass diese Meinungen und Äußerungen zusammengefasst und auf einen Nenner gebracht so lauten : ‚Die Regierung, d.h. die kommunistische Partei, hat über kurz oder lang abgewirtschaftet. Einer nach dem anderen wird in der Regierung abgesägt.‘ – Oder : ‚Warum sollen wir uns die Pakete nicht holen ? Sie haben doch für uns immerhin einen Wert von über 20. - DM‘ – Ich habe mich bei einzelnen Unterhaltungen mit eingeschaltet und hierbei auf die großen Lebensmittellieferungen aus der SU hingewiesen. Man sagte mir darauf fast immer, dass diese Lebensmittel an die HO gehen, deren Preise die meisten Arbeiter doch nicht bezahlen können. An einer Gruppe wurde die Furcht ausgesprochen, dass den Ostbewohnern die Lebensmittel vielleicht an den Grenzübergängen wieder abgenommen werden, worauf von einem Manne geantwortet wurde : ‚Das sollen sie mal wagen, dann geht der Klamauk wieder von vorne los, und die KVP macht das sowieso nicht, die hält zu uns.‘“52

Volkspolizei und AZKW unternahmen tatsächlich erst auf massiven Druck der Staatssicherheit und erst einige Wochen nach Beginn der Paketaktion etwas, um die Einfuhr der Pakete in den sowjetisch besetzten Teil Berlins zu unterbinden. Sie waren angesichts der Vielzahl an Menschen, die ein Paket erhalten hatten, hoffnungslos überfordert. Insgesamt fünfeinhalb Millionen Pakete wurden ausgegeben. DDR - Bürger reisten aus allen Teilen des Landes an.53 Sie taten dies 50 Ob diese Pläne tatsächlich ver wirklicht wurden oder nur Theorie blieben, geht aus den vorhandenen Akten nicht her vor. Vgl. Informationsbericht der Kreisdienststelle Friedrichshain des SfS vom 7. 8. 1953 ( BStU, MfS, ZA, AS 100/61, Band 1, Bl. 28). 51 Vgl. Informationsbericht der Freien Deutschen Jugend, Kreisleitung Friedrichshain, vom 1. 8. 1953 ( BStU, MfS, ZA, AS 100/61, Band 1, Bl. 205). 52 Abschrift eines GM - Berichtes durch die Abteilung X des SfS vom 28. 7. 1953 ( BStU, MfS, ZA, AS 100/61, Band 1, Bl. 229). 53 Vgl. Stöver, Befreiung, S. 92.

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offenbar mit Freude, wie Mitarbeiter der Staatssicherheit missbilligend in ihren Berichten vermerkten : Es handele sich um eine politische Demonstration der Bevölkerung, einen bewussten Affront gegen die Regierung, der zudem im deutlichen Zusammenhang zum Aufstand vom 17. Juni stehe, hieß es in der Meldung des GI mit dem Decknamen „Riga“, der im August 1953 die Ausgabe der Nahrungsmittelhilfe in Westberlin beobachtete.54 Dennoch war die Mehrzahl der Paketempfänger in Sorge, von der Polizei und vom Zoll aufgegriffen zu werden. So versuchten viele, ihre Pakete so gut wie möglich bei der Rückkehr in den Ostsektor geheim zu halten. Einige tarnten ihre Pakete als Postsendungen. Andere wiederum verkauften die Hilfssendungen direkt in Westberlin und schmuggelten ihren Erlös über die Sektorengrenze.55 Wie ineffektiv die Kontrollen des AZKW und der Volkspolizei waren, verdeutlicht eine Statistik, laut der in den ersten drei September wochen des Jahres 1953 nur gut 5 700 von mehreren Millionen Paketen beschlagnahmt werden konnten.56 Das aufgezeigte Beispiel verdeutlicht die große materielle Not in weiten Bevölkerungsteilen zu dieser Zeit. Der sich im Aufbau befindliche Sicherheitsapparat war noch weitgehend hilf los, die Massen unter Kontrolle zu halten, die sich täglich über die offene Grenze bewegten. Die Maßnahmen der Sicherheitskräfte waren zum damaligen Zeitpunkt noch sehr unkoordiniert und ineffizient. In den folgenden Jahren sollten sich in dieser Hinsicht bedeutende Veränderungen ergeben.

1.2

Ausbau des Amtes zur Kontrolle des Warenverkehrs in den Jahren bis zum Mauerbau 1961

Die strategische Bedeutung Berlins lässt sich nicht nur in den Versuchen politischer Beeinflussung durch Paketaktionen verdeutlichen. Auch der Umstand, dass DDR - Bürger täglich mehrere Tonnen Lebensmittel und Konsumgüter über die 42,5 Kilometer lange Sektorengrenze nach Westberlin schmuggelten, um sie dort gegen wertvolle D - Mark zu verkaufen, zeigt, wie einfach vor dem Mauerbau die Versorgungslage und der Außenhandel der DDR empfindlich gestört werden konnten.57 Dem AZKW kam in dieser Situation eine entscheidende Bedeutung zu. Es sollte alles unternehmen, die „illegalen Ausfuhren“ zu verhindern. Um die notwendigen Kontrollhandlungen durchführen zu können, wurden in Berlin ab 1954 zeitweilig „Arbeiterkontrolleure“ eingesetzt, die von ihren

54 Vgl. Auszug aus dem Bericht des Geheimen Informators „Riga“ vom 28. 8. 1953 ( BStU, MfS AS 16/55, Band 3, Bl. 38 f.). 55 Vgl. Stimmungsbericht der Kreisdienststelle Pankow des SfS an die Ver waltung Groß Berlin vom 7. 8. 1953 ( BStU, MfS, ZA, AS 100/61, Band 1, Bl. 148). 56 Vgl. Statistik der Volkspolizei über beschlagnahmte Pakete aus allen Beziken der DDR, o. D. ( BStU, MfS, ZA, AS 16/55, Band 1, Bl. 63). 57 Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 76 ( Archiv Plessow ).

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Betrieben zu „Masseneinsätzen“ im AZKW delegiert wurden.58 Ab November 1955 regelte eine „Richtlinie für die Zusammenarbeit des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes mit dem AZKW“ die Tätigkeit dieser zivilen Helfer. Gleichzeitig versuchte das AZKW in dieser Zeit, die Bevölkerung von der Notwendigkeit der Kontrollhandlungen zu überzeugen. In „Popularisierungsversammlungen“ wurden den Bürgern die Bestimmungen für den grenzüberschreitenden Waren - und Zahlungsmittelverkehr erläutert. Presseveröffentlichungen, Lichtbildvorträge und Ausstellungen sollten die Tätigkeit des AZKW in einem positiven Licht erscheinen lassen.59 Eine wirkliche Veränderung trat infolge dieser Anstrengungen indes nicht ein. Die „Schieber und Spekulanten“, von denen es in Ostberlin Hunderttausende gegeben haben muss, umgingen die Kontrollpunkte einfach. Sie nutzten die kurzen Haltezeiten der überfüllten S - und U - Bahnen sowie Treffen in Geschäften und Gaststätten, um unauffällig Waren zu übergeben. Die mobilen Kontrollkräfte des Zolls waren mit dieser Situation überfordert und konnten solche Handlungen oft nicht unterbinden.60 Ende 1953 wurde zunächst in Berlin, später auch in anderen großen Städten der DDR, die sogenannte „dreifache Rechnungsausfertigung beim Kauf von hochwertigen Industriewaren“61 eingeführt. Die Rechnungen enthielten Angaben wie den Namen, die Wohnanschrift und die Seriennummer des Personalausweises. Ein Exemplar erhielt der Käufer als Eigentumsnachweis, ein weiteres Exemplar verblieb in der Verkaufsstelle. Ein drittes Exemplar ging an das AZKW. Dort wurden die Rechnungen analysiert und auffällige Käufer anschließend gezielt beobachtet. In den großen Städten wurden Ermittlungs - und Auswertungsgruppen als Außenstellen des AZKW gebildet. Sie arbeiteten den Abteilungen „Zentrale Strafverfolgung“ und „Zollfahndung und Strafsachen“ des AZKW zu, die als Vorgänger des späteren Zollfahndungsdienstes angesehen werden können.62 Durch ihre Arbeit konnten zwar beachtliche Erfolge in der Eindämmung des Schmuggels erzielt werden – um die angespannte wirtschaftliche Lage in der DDR in den Griff zu bekommen und die Diktatur abzusichern, bedurfte es aber anderer Mittel. Die Sowjetunion leistete ihren Beitrag zur Stabilisierung, indem sie ab 1954 auf Reparationsleistungen der DDR verzichtete. Am 14. Mai 1955 wurde die DDR Gründungsmitglied des Warschauer Paktes. Der am 20. September 1955 ratifizierte Staatsvertrag mit der UdSSR sollte die Souveränität der DDR unterstreichen und hatte auch auf das AZKW ganz konkrete Auswirkungen. Die bisherige Sonderstellung Ostberlins bei der Kontrolle des Warenverkehrs durch separate, dem Magistrat unterstellte „Kontrollorgane“, wurde endgültig aufge58 Beispielsweise waren von Dezember 1955 bis Februar 1956 insgesamt 2 234 Arbeiterkontrolleure gemeinsam mit den Angehörigen des AZKW im Einsatz. Vgl. ebd. 59 Vgl. ebd., S. 79 f. ( Archiv Plessow ). 60 Ebd., S. 83. 61 Ebd., S. 84. 62 Vgl. Beschlussvorlage für das Präsidium des Ministerrates vom 24. 11. 1953 ( BArch, DL 203, Az. 00–07–01, Ka. 63b ).

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hoben. Die Kontrolle an den Grenzübergangsstellen der DDR wurde nun überall vom AZKW durchgeführt. Auch die bisher der Grenzpolizei unterstellten Grenzübergangsstellen am Ring um Berlin, an den Sektorengrenzen in Berlin und an der Demarkationslinie wurden dem AZKW zugeordnet. Die Zentrale Verwaltung im AZKW wurde neu gestaltet. Seit dem 7. Mai 1956 wurde der Aufgabenbereich eines „Stellvertreter - Operativ“ ( dem direkten Stellvertreter des Leiters ) geschaffen. Zudem wurde eine Gruppe „Untersuchung und Recht“ sowie eine Abteilung „Schulung und Ausbildung“ gebildet. Nach den Ereignissen des Volksaufstands in Ungarn im Herbst 1956 erfolgte mit dem Befehl 05/57 des Ministers für Außenhandel und innerdeutschen Handel im Jahr 1957 eine einschneidende Veränderung : Gut ein Jahr nach der Gründung der Nationalen Volksarmee und zeitgleich mit der Umbildung der Grenzpolizei zu Grenztruppen der DDR erhielt das AZKW eine grenzpolizeiliche Funktion. Während die Grenztruppen künftig mit der unmittelbaren Sicherung und Verteidigung der Land - und Seegrenzen der DDR beauftragt wurden, war das AZKW von nun an bis 1961 an den Grenzübergangsstellen neben den bisherigen Aufgaben auch mit der Passkontrolle, der Fahndungstätigkeit und der bewaffneten Sicherung betraut. Laut Befehl Nr. 05/57 des Ministers für Außenhandel und Innerdeutschen Handel vom 5. September 1957 wurden dafür im AZKW 1100 zusätzliche Stellen geschaffen, die überwiegend mit zur Entlassung stehenden Angehörigen der NVA und Angehörigen der Grenzpolizei besetzt wurden.63 Zudem wurde die Bewaffnung der Mitarbeiter verstärkt. Sämtliche Gebäude, dienstliche Unterlagen, Inventar sowie Waffen und Munition, technische Ausrüstung und Kraftfahrzeuge der ehemaligen Kontrollpassierpunkte der Grenzpolizei wurden übernommen. Das AZKW war ab diesem Zeitpunkt – begründet durch die neuen Aufgaben – operativ dem Ministerium des Innern unterstellt. Die Übernahme grenzpolizeilicher Funktionen vollzog sich etappenweise. Ab dem 26. Oktober 1957 übernahmen das Grenzkontrollamt Wartha mit angeschlossenen Kontrollstellen die von der Deutschen Grenzpolizei durchgeführten Kontroll - und Sicherungsaufgaben. Die letzte Grenzübergangsstelle wurde ein knappes Jahr später, am 5. August 1958, vom AZKW übernommen.64 Anfang 1960 wurden schließlich die bis dahin von der Deutschen Grenzpolizei kontrollierten See - und Fährhäfen der DDR unter die Kontrolle des AZKW gestellt. Seinem Wesen nach war das AZKW von nun an eine den anderen bewaffneten Kräften gleichgestellte Einrichtung.65 Zum Beispiel wurden nur Mitarbeiter eingestellt, die eine bestimmte Tauglichkeitsstufe erreichten, und wie bei den Uniform - und Waffenträgern anderer „bewaffneter Organe“ üblich, ruhte beim Personal des AZKW die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft. Die militärische Ausbildung erfolgte unter Anleitung der Grenzpolizei. Mit der Einführung einer Dienstlaufbahnordnung war die Dienstzeit für Mitarbeiter des AZKW generell 63 Vgl. Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 113 ( Archiv Plessow ). 64 Ebd., S. 114. 65 Vgl. Suwalski, Zollver waltung, S. 581.

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unbefristet. Parallel dazu begann man mit der Ausbildung von Führungspersonal in einer eigenen Ausbildungsstätte.66 Eine angeordnete Untersuchung durch das Zentralkomitee ( ZK ) der SED im Jahre 1958 kam zu dem Ergebnis, dass der Einfluss der SED auf das AZKW hinsichtlich dessen gewachsener Verantwortung ungenügend war. Daraufhin wurden auf einer Sitzung des Sekretariats des ZK der SED am 4. Juni 1958 weitreichende Beschlüsse gefasst, die erneut die Struktur des AZKW verändern sollten. Der Leiter des AZKW wurde beauftragt, unverzüglich Änderungen einzuleiten – insbesondere was die „Hebung der Rolle der Grundorganisationen“67 und die Personalarbeit anbelangt. Daraufhin wurde auf Weisung der SED in der zentralen Verwaltung die Bildung einer „Kaderabteilung“ veranlasst. Außerdem wurden in den Dienststellen des AZKW hauptamtliche Parteisekretäre eingesetzt, um die örtlichen Leiter bei der „Entfaltung der politisch - ideologischen Arbeit“ zu unterstützen. „Andere Beschlüsse beinhalteten eine Abgrenzung der Verantwortung für die Arbeit im AZKW zwischen der Abteilung für Handel, Versorgung und Außenhandel und der Abteilung für Sicherheitsfragen beim ZK der SED. Danach war die Abteilung für Sicherheitsfragen künftig nur für die Koordinierung der operativen Arbeit des AZKW mit den Sicherheitsorganen zuständig. Alle anderen Fragen blieben wie bisher bei der Abteilung für Handel, Versorgung und Außenhandel.“68 Die Kritik durch die SED - Führung blieb nicht ohne Konsequenzen für Anton Ruh, den Leiter des AZKW. Mit Wirkung vom 1. Juni 1958 wurde Gerhard Stauch69 von der politischen Verwaltung der Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei als 1. Stellvertreter des Leiters zum AZKW versetzt. Ab April 1961 übernahm Stauch, der zugleich als Offizier im besonderen Einsatz ( OibE )70 für die Staatssicherheit tätig war, die Leitung des AZKW. Anton Ruh fiel in Ungna66 Zunächst war dies die Zollschule „Heinrich Rau“ in Johanngeorgenstadt. 1963 wurde diese nach Plessow ( bei Berlin ) verlegt, wo sie ab 1965 den Status einer Fachhochschule innehatte. 1981 erfolgte dann die Umwandlung der Zollschule in das Institut der Zollver waltung der DDR „Heinrich Rau“. 67 Lesematerial zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1982, Plessow 1982, S. 10 ( Archiv Plessow ). 68 Suwalski, Zollver waltung, S. 582. 69 Gerhard Stauch wurde am 21. Mai 1924 in Halle an der Saale geboren. Nach dem Krieg wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands und engagierte sich an seinem Geburtsort für die Belange der FDJ und SED. 1950 beendete Stauch sein Studium an der Parteihochschule „Karl Marx“ und arbeitete mehrere Jahre als Sekretär für Agitation und Propaganda einer Landes - bzw. Bezirksleitung der SED. 1953 trat er als Stellvertreter des Leiters der Transportpolizei in die „bewaffneten Organe“ ein. Vier Jahre später wurde er zur Politischen Ver waltung der Hauptver waltung der Deutschen Volkspolizei versetzt, bevor er 1958 zunächst als Stellvertreter, ab 1961 als Leiter des DDR Zolls agierte. Vgl. Wer war wer, S. 968; Personalakte des MfS von Gerhard Stauch (BStU, MfS, KS 9500/90, Bl. 2–83). 70 Die „OibE“ waren Offiziere, die auf den Gehaltslisten des MfS standen, ihren Rang und ihre Sonderfunktion jedoch zu verbergen hatten. Sie wurden in Schlüsselpositionen eingeschleust und übernahmen leitende Funktionen in solchen Betrieben und Einrichtungen, die von politischer, militärischer oder kultureller Bedeutung waren. Vgl. Herbst / Ranke / Winkler, So funktionierte die DDR, Band 2, S. 689.

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de, wurde durch seine Versetzung als Botschafter nach Rumänien mundtot gemacht und beging dort im Jahr 1964 unter bis heute ungeklärten Umständen Selbstmord. Seit Gründung des AZKW unterlagen die Dienststellen des Amtes unmittelbar der zentralen Verwaltung. Dies war lange Zeit sinnvoll, um die Arbeit des Zolls zu zentralisieren. Inzwischen aber erwies sich diese Struktur als ein Hindernis, da die einzelnen Bereiche personell und strukturell so stark gewachsen waren, dass eine strenge Anleitung und Kontrolle unter diesen Umständen nicht mehr gewährleistet werden konnte. Um eine straffere Führungsstruktur zu erreichen und das „Prinzip der Einzelleitung“71 in der Praxis umzusetzen, fasste das ZK der SED am 30. Mai 1960 den „Beschluss zur Durchsetzung des Gesetzes zur Vervollkommnung des Staatsapparates unter den konkreten Bedingungen der Arbeit des AZKW“.72 Daraufhin wurden Ende August 1960 Bezirksverwaltungen des AKZW in Rostock, Magdeburg, Berlin, Leipzig, Dresden, Schwerin, Potsdam, Frankfurt / Oder, Erfurt und Karl - Marx - Stadt errichtet. Die Wahl dieser Städte erfolgte unter Berücksichtigung der Standorte der Brigaden der Grenzpolizei. In ihrer strukturellen Gliederung entsprachen die Bezirksverwaltungen im Wesentlichen derjenigen der Zentralen Verwaltung. Die Leiter der neuen Bezirksverwaltungen waren durchweg Parteimitglieder, die sich in ihrer bisherigen Tätigkeit als zuverlässig erwiesen hatten.73 Dadurch konnte die Absicherung des Zolls im Sinne der SED weiter verstärkt werden. Grundsätzliche Veränderungen ergaben sich auch für die bisherigen Grenz - , Binnen - und Paketkontrollstellen, die in der Regel zu selbstständigen Dienststellen entwickelt wurden und direkt den Bezirksver waltungen unterstanden. Strukturell war mit diesen Veränderungen der Aufbau der künftigen Zollverwaltung der DDR vorgegeben, der bis 1990 weitgehend unverändert blieb. Die Aufgaben und Funktionen des AKZW veränderten sich im Jahr 1961 jedoch nochmals. So wurde als Schwerpunkt der Tätigkeit des AZKW explizit die Verhinderung des „illegalen Menschenhandels“ – wie Fluchthilfe im Jargon der DDR - Führung bezeichnet wurde – festgelegt. Alle anderen Aufgaben, wie die Verhinderung des Schmuggels, wurden diesem Schwerpunkt untergeordnet.74 Doch das AZKW konnte wie auch die anderen „bewaffneten Organe“ nicht verhindern, dass die Menschen dem „ersten deutschen Arbeiter - und - Bauern - Staat“ über die bis dahin noch offene Grenze nach Westberlin davonliefen. Im Bau der Berliner Mauer sah die SED - Führung die einzige Möglichkeit, ihre Diktatur zu zementieren. Daran beteiligt waren auch Zöllner der DDR. 71

Vgl. Dokumentation der Entwicklung der Zollver waltung, Plessow o. D., S. 17 ( Archiv Plessow ). 72 Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987, S. 5 ( BArch, DL 203, 02–07–00, Ka. 184). 73 Die Leitung der BV Potsdam übernahm der Zollinspekteur Günther Arndt, die BV Berlin der Zollrat Bentin und die BV Magdeburg der Zolloberrat Dombrowski [ Vornamen unbekannt ]. 74 Entschluss des Leiters der BV der Zollver waltung Potsdam vom 20. 7. 1961. In : Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 169 ( Archiv Plessow ).

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Der Mauerbau und dessen Folgen für das Zollwesen in der DDR

Die Mithilfe bei der Abriegelung der Sektorengrenze durch das AZKW war das „Gesellenstück“ des neuen Leiters Gerhard Stauch. Auf seinen Befehl wurden am Morgen des 13. August 1961 um 01.45 Uhr Mitarbeiter der Bezirksverwaltungen Berlin und Potsdam des AZKW alarmiert, durch Zollangestellte aus den anderen Bezirken verstärkt und zu militärischen Einheiten zusammengefasst.75 Teile des AZKW wurden der 13. Grenzbereitschaft unterstellt und für den „pioniermäßigen Ausbau“ der Grenze herangezogen. Sie „erfüllten die gestellten Pioniernormen bis zu 250 %. Ihre Leistungen wurden mit dem Prädikat ‚ausgezeichnet‘ bewertet und die Kompanie der Zöllner mit der Siegerfahne der 13. Grenzbereitschaft ausgezeichnet.“76 Neben dem unmittelbaren Bau der Grenzanlagen beteiligten sich die Zöllner an der Absicherung der bisherigen Grenzübergangsstellen. Mit Ausnahme der Grenzübergänge zwischen Westberlin und der Bundesrepublik wurden von den Zöllnern sämtliche S - Bahnhöfe und Kontrollpunkte am „Ring um Berlin“ geschlossen. Aus dem Durchgangsbahnhof Friedrichstraße wurde über Nacht ein Grenzbahnhof. Der gesamte Verkehr zwischen der DDR und Westberlin unterlag fortan intensiven Zollkontrollen. Vom 13. bis 27. August 1961 waren insgesamt 200 Zöllner unmittelbar am Bau und an der Sicherung des „antifaschistischen Schutzwalls“ in Berlin beteiligt.77 Im selben Zeitraum nahmen Zöllner 426 Menschen fest, vor allem, weil diese in den Westteil der Stadt flüchten wollten.78 Durch die Abriegelung Westberlins entstanden innerhalb kürzester Zeit zum Teil völlig neue Dienststellen beim Zoll, die mit Personal aus verschiedenen Bereichen und Bezirken besetzt wurden. „Die veränderte Situation an der Grenze zu Westberlin erforderte den sofortigen Aufbau eines neuen Kontrollsystems und die Umgruppierung der Kräfte. Die Kontrollen mussten meistens in sehr engen Räumen unter ungünstigen Verhältnissen stattfinden. An einigen Übergängen wurden Zelte als zusätzliche Kontrollräume aufgestellt.“79 Bedingt durch diese Umgruppierungen musste die Parteiarbeit im AZKW neu organisiert werden, wie generell die ideologische Arbeit in den Tagen des Mauerbaus höchste Priorität hatte. In allen Dienstschichten erfolgte der Einsatz von Parteibeauftragten und Agitatoren. „Überall wurden Mitglieder versammlungen und andere Beratungen mit den Parteimitgliedern einberufen, um ihnen

75 Vgl. Hauptver waltung der Zollver waltung der DDR. Referentenmaterial zum 10. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalles am 13. August, o. D. ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 102b ). 76 Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987, S. 6 ( BArch, DL 203, 02–07–00, Ka. 184). 77 Pötter, Entwicklung der Zollver waltung, S. 173 ( Archiv Plessow ). 78 Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987, S. 6 ( BArch, DL 203, 02–07–00, Ka. 184). 79 Referat des Leiters der BV Zoll anlässlich des 10. Jahrestages der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalles vom 13.8. 1971 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 102b ).

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das Rüstzeug für die politische Arbeit in diesen Tagen zu vermitteln.“80 Zudem wurde in der Zentralen Verwaltung des AZKW während der Zeit des Mauerbaus ein „Politstab“ einberufen, der unter anderem mit der Herausgabe eines Informationsblattes mit dem Titel „Auf Friedenswacht“ für die politische Standhaftigkeit der Zöllner sorgen sollte.81 Für die „vorbildliche Pflichterfüllung“ im Zusammenhang mit dem Mauerbau wurden über 800 Zöllner ausgezeichnet.82 Mittels Urkunden und Medaillen, die im Rahmen der Jahrestage des Mauerbaus ausgegeben wurden, sollte auch Jahrzehnte später noch an die Bedeutung des Zolls in diesem Zusammenhang erinnert werden. So wurde beispielsweise der Leiter des Einsatzstabes und Leiter der Zollverwaltung, Gerhard Stauch, anlässlich des 10. Jahrestags der „Sicherungsmaßnahmen am 13. August 1961“ von Erich Honecker stellvertretend für die Zollverwaltung mit einer Ehrenurkunde des ZK der SED ausgezeichnet.83 In der Begründung stand : „Die Angehörigen der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik haben an den Sicherungsmaßnahmen seit dem 13. August 1961 einen bedeutenden Anteil und damit einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung des Friedens und der Sicherheit in Europa geleistet.“84 Ganz so ruhmreich, wie es die meisten Quellen zu vermitteln versuchen, verhielten sich aber in jenen Tagen nicht alle Zöllner. So wurden im Zeitraum vom 13. August bis 27. August 1961 insgesamt 118 Bestrafungen gegen AZKW - Mitarbeiter ausgesprochen. Darunter fielen auch 54 Entlassungen, die wegen „Dienst - und Befehlsverweigerung“, „unerlaubter Entfernung vom Dienst“ sowie „kapitulantenhaften Verhaltens“ fristlos vollstreckt wurden. Es zeigte sich, dass „bei einem Teil unserer Genossen keine Klarheit über die Aufgaben des AZKW als Kontroll - und Sicherungsorgan unserer Republik [ bestand ]. Im Vordergrund [ wurden ] die zolltechnischen Aufgaben gesehen.“85 Für die Zeit nach dem Mauerbau kam die Kaderabteilung des Zolls zu dem Schluss : „Von Genossen, die weiterhin einen Unsicherheitsfaktor darstellen, muss man sich trennen.“86 Die Abriegelung des Berliner Ostsektors markierte einen traurigen und für jedermann sichtbaren Kulminationspunkt in der Phase der Abschottung und Militarisierung der DDR. Die damit einhergehende Neuorganisierung der „Organe der inneren Sicherheit“ begann mit der Gründung der Nationalen 80 Zollver waltung der DDR - Hauptver waltung. Referentenmaterial zum 10. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalles vom 13.8. 1971 ( BArch, DL 203, Az. 00– 11–03, Ka. 102b ). 81 Vgl. „Auf Friedenswacht – Informationsblatt des AZKW Nr. 1“ vom 24. 8. 1961 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 102a ). 82 Vgl. Lesematerial zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1982, Plessow 1982, S. 13 ( Archiv Plessow ). 83 Vgl. Ehrenurkunde für vorbildlichen Einsatz bei den Sicherungsmaßnahmen am 13. 8. 1961 vom 13. 8. 1971 ( Archiv Plessow ). 84 Minister für Außenwirtschaft Horst Sölle an den Leiter der Zollver waltung Gerhard Stauch vom 13. 8. 1971 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 102b ). 85 Bericht der Kaderabteilung der Zollverwaltung vom 29. 8. 1961 : Bericht für die Zeit vom 13. bis 27. 8. 1961 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 102a ). 86 Ebd.

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Volksarmee im Jahr 1956 und fand ihren Abschluss mit der Gründung des Kommandos der Grenztruppen sowie der Bildung spezieller Passkontrolleinheiten (PKE ) des MfS kurz nach dem Mauerbau. Eine dauerhafte Übertragung grenzpolizeilicher Funktionen an das AZKW war dabei von Beginn an nicht vorgesehen. Vielmehr diente die temporäre Übertragung dieser Aufgaben der Ausprägung des militärischen Charakters des DDR - Zolls sowie der Entlastung der im Aufbau befindlichen Grenztruppen, die fortan die militärische Sicherung der Kontrollpunkte übernahmen. Mit einem Beschluss des Nationalen Verteidigungsrats ( NVR ) zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Personenverkehrs übernahmen ab 1962 Passkontrolleure der Staatssicherheit die Kontrolle der Personaldokumente an den Grenzübergangsstellen.87 Zunächst unterstanden sie der Hauptabteilung Passkontrolle und Fahndung ( HPF ), ab 1970 der neu gegründeten Hauptabteilung VI des MfS. Dafür wurden 427 Angehörige des AZKW in den Mitarbeiterbestand der PKE übernommen. Weitere 97 wechselten zur Postzollfahndung ( PZF ), einer neu gegründeten Diensteinheit des MfS, die an den Postzollämtern tätig war und dort, ähnlich wie die PKE, Fandungsaufträge anderer Diensteinheiten des MfS bearbeitete.88 Gerne hätte die Staatssicherheit noch mehr Zöllner übernommen. Der Leiter der Zollver waltung protestierte jedoch mit Nachdruck gegen diese Pläne : „Eine weitere Herauslösung von zuverlässigen Angehörigen der Zollver waltung würde zweifellos dazu führen, dass der gesamte Entwicklungsprozess der Zollverwaltung zu einem zuverlässigen Instrument gehemmt wird.“89 Neben diesen strukturellen Veränderungen wurde das AZKW mit einem neuen Aufgabengebiet betraut, das sich aus einer Rechtsvorschrift vom 30. November 1961 ergab. Darin wurde festgelegt, dass nur noch solche Druckerzeugnisse zur Einfuhr gestattet sind, die den „Interessen der DDR“ nicht widersprechen. Diese zusätzliche Funktion des AZKW als Zensurbehörde für die Einfuhr von Literatur gewann, bedingt durch den ständig wachsenden Post - und Reiseverkehr, zunehmend an Bedeutung. Sie blieb bis ins Jahr 1990 eine der Hauptaufgaben des DDR - Zolls. Gründung der Zollverwaltung in Folge des neuen Zollgesetzes Am 30. April 1962 trat ein neues Zollgesetz in Kraft, welches das im Jahr 1945 auf Kontrollratsbeschluss übernommene und in beiden deutschen Staaten angewandte Zollgesetz aus dem Jahr 1939 ablöste.90 Für den zollrechtlichen Bereich 87 Vgl. Zollverwaltung der DRR, Abteilung Kader, vom 11. 6. 1963 : Stellenplanentwicklung in der Zollver waltung der DDR ( BArch, DL 203, Az 00–02–01). 88 Vgl. Suwalski, Zollver waltung, S. 583. 89 Leiter der Zollver waltung der DDR, Gerhard Stauch, an den Ersten Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit, Bruno Beater, vom 12. 2. 1964 ( BArch, DL 203, Az. 00– 07–01, Ka. 63). 90 Gesetzblatt der DDR, T. I, 1962, Nr. 3 vom 31. 3. 1962.

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bedeutete dies die endgültige Trennung vom bis dahin einheitlichen deutschen Zollgebiet. Berlin wurde ein Sonderstatus zugesprochen, ansonsten bildete die DDR von nun an ein eigenes, geschlossenes Zollgebiet. Damit stand das neue Zollgesetz ganz augenscheinlich im Widerspruch zu der damaligen Verfassung der DDR. Dort hieß es in Artikel 118 : „Deutschland bildet ein einheitliches Zollund Handelsgebiet, umgeben von einer gemeinschaftlichen Zollgrenze.“91 Die DDR - Führung nahm diesen Widerspruch offensichtlich ganz bewusst in Kauf. Das Zollwesen wurde fortan noch konsequenter auf die Durchsetzung des staatlichen Außenhandelsmonopols ausgerichtet. Nur besondere Außenhandelsbetriebe durften grenzüberschreitende Warenbewegungen veranlassen. Infolge des neuen Zollgesetzes wurde das AZKW umbenannt und trug von da an die neue Bezeichnung „Zollverwaltung der Deutschen Demokratischen Republik“. Der Leiter der Zollverwaltung unterstand weiterhin dem Minister für Außenhandel. Die Zollverwaltung war fortan mit zahlreichen neuen Befugnissen ausgestattet, die zum Teil tief in die persönliche Sphäre der Zollbeteiligten eingriffen.92 Als Macht ausübendes und Macht sicherndes „Organ“ verfügte sie fortan über alle juristischen Instrumente der „sozialistischen Gesetzlichkeit“, um die ökonomischen und sicherheitspolitischen Interessen der Parteiführung durchzusetzen. Der damalige Minister für Außenhandel, Julius Balkow, kam zu folgender Einschätzung : „Das Zollgesetz der Deutschen Demokratischen Republik wird dazu beitragen, den westdeutschen Machthabern die tatsächlichen Grenzen ihrer Herrschaft noch deutlicher zu machen. Es dient der weiteren Festigung des antifaschistischen Schutzwalls, die durch die Maßnahmen des 13. August zur Sicherung des Friedens erreicht wurde.“93 Zahlreiche Durchführungsbestimmungen zum Zollgesetz traten in Kraft, darunter Ein - und Ausfuhrverbote, wie zum Beispiel für Suchtmittel und Schusswaffen, oder das Verbot zur Einfuhr von „antisozialistischen Druckerzeugnissen“. Zur Ausfuhr verboten waren aus ökonomischen Gründen vor allem hoch subventionierte Waren wie Lebensmittel, Textilien oder optische Geräte. Aus anderen Rechtsvorschriften ergaben sich weitere Aufgaben für die Zollver waltung. Besonders her vorzuheben ist das Devisengesetz. Bis zum Bau der Berliner Mauer flossen mehrere Hundert Millionen Mark der DDR in die Wechselstuben der Bundesrepublik und Westberlins.94 Mit einer neuen Geldverkehrsordnung, die am 20. September 1961 von der SED - Regierung verabschiedet wurde, war künftig jegliche nicht offiziell genehmigte Ein - und Ausfuhr von DDR - Mark prinzipiell verboten. Alle Bürger der DDR mussten außerdem die in ihrem Besitz befindlichen DM gegen Mark der DDR umtauschen.95 Die Zoll91 Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. 10. 1949, Artikel 118. 92 Beispielsweise die Durchführung einer körperlichen Durchsuchung und unmittelbare Zwangsausübung zur Durchsetzung aller Verfügungen. 93 Begründung zum Zollgesetz von Julius Balkow. Zit. nach Neues Deutschland vom 25. 1. 1962. 94 Vgl. Mundt, Entwicklung der Zollver waltung. Dissertation am Institut für Zollver waltung der DDR, S. 18 f. ( Archiv Plessow ). 95 Mundt, Entwicklung der Zollver waltung, S. 19 ( Archiv Plessow ).

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verwaltung trug strengstens zur Durchsetzung des staatlichen Valutamonopols bei und kontrollierte im grenzüberschreitenden Verkehr nun alle Waren und Personen streng nach mitgeführten Devisen und Devisenwerten. Zudem stand ihr mit einem neu gegründeten Zollfahndungsdienst eine eigene Untersuchungsbehörde zur Verfügung. Durch den staatlich gelenkten Außenhandel hatte die Zollverwaltung im kommerziellen Warenverkehr lediglich eine Über wachungsfunktion. Der Schwerpunkt der Tätigkeit lag beim grenzüberschreitenden Reise - und Postverkehr, insbesondere mit der Bundesrepublik, was sich darin zeigt, dass von den 1962 eingerichteten 48 Grenzzollämtern lediglich 13 an den Grenzen zu Polen und zur Tschechoslowakei lagen.96 Neben der strukturellen, organisatorischen und aufgabenbezogenen Neuordnung des DDR - Zolls sollte nun jeder einzelne Zöllner noch intensiver als bisher ideologisch an Staat und Partei gebunden werden. Unmittelbar nach dem 13. August 1961 entstanden verschiedene Aufrufe und Bewegungen, in denen die Treue und Verbundenheit der Mitarbeiter zu ihrem „Organ“ ausgedrückt und bekundet werden sollte. Im „Berliner Aufruf“ forderten die am Mauerbau beteiligten Zöllner unter der Losung „Bei uns kommt der Feind nicht durch !“97 alle Kollegen auf, die Kontrollen zu intensivieren und Fluchtversuche konsequent zu vereiteln. Die sogenannte Bestenbewegung zielte darauf ab, bei gleichem Lohn und gleicher Arbeit wirksamere Kontrollen durchzuführen. Die „Neuererbewegung“ sollte erreichen, Kontrollmittel und Kontrollmethoden des Zolls zu verbessern. In der sogenannten 70er - Bewegung wurden alle Zöllner dazu aufgefordert, ihre Dienstzeit freiwillig zunächst bis zum Jahr 1970 zu verlängern.98 Die Freiwilligkeit solcher Bewegungen war formal zwar gegeben, wer sich jedoch gegen das „Kollektiv“ entschied und den Aufforderungen nicht nachkam, fiel auf. Oftmals wurden die eingeforderten Leistungen von den Zöllnern „freiwillig“ überboten. An einigen Zolldienststellen entschieden sich bis zu 90 Prozent des Personals in Folge der 1970er - Bewegung, ihre Dienstzeit unbegrenzt zu verlängern.99 Am 15. Mai 1963 beschloss das Sekretariat des Zentralkomitees der SED den „Plan der Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit der Zollverwaltung der DDR“.100 Darin wurde die Leitung der Zollverwaltung aufgefordert, die gesamte Erziehungsarbeit zu verstärken, um positive Effekte bei der Zollkontrolle und bei der Festigung des Personalbestandes zu erreichen. Der Zoll sollte noch stärker dazu beitragen, die Politik der SED ohne Abstriche durchzusetzen.101 Die Mitgliederversammlungen der Parteiorganisationen der Zollverwaltung soll96 97 98 99 100 101

Vgl. Suwalski, Zollver waltung, S. 584. Mundt, Entwicklung der Zollver waltung, S. 16 ( Archiv Plessow ). Vgl. ebd., S. 26. Vgl. ebd. Ebd., S. 45. Vgl. Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987, S. 7 f. ( BArch, DL 203, 02–07–00, Ka. 184).

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ten „zu Foren der ideologischen Stählung und Erziehung“ gemacht werden, „damit alle Genossen auf der Grundlage der Parteibeschlüsse handeln und ihrer Vorbildrolle gegenüber den parteilosen Angehörigen noch besser gerecht werden“.102 Gefestigt wurde dieser Anspruch unter anderem durch einen weiteren Beschluss des Sekretariats des Zentralkomitees der SED vom 22. Juli 1964. In der „Richtlinie über die Leitung der Parteiarbeit und den Parteiaufbau in der Zollverwaltung“ wurde festgelegt, dass fortan ein Parteiorganisator des Zentralkomitees in der Hauptverwaltung des Zolls eingesetzt wurde.103 Zur Durchführung seiner Aufgaben wurde er von der Abteilung für Sicherheitsfragen beim Zentralkomitee der SED angeleitet und war auch ihr gegenüber rechenschaftspflichtig. Er und auch die Parteisekretäre der Grundorganisationen der Bezirksverwaltungen waren in ihrer Parteifunktion künftig hauptamtlich tätig. Mit dieser Maßnahme wurde das Ziel verfolgt, von der Führungsebene bis zu den einzelnen Zollämtern ein festes System der Anleitung und Kontrolle in der Zollver waltung zu etablieren. Der weiteren Stärkung des Parteieinflusses diente indirekt auch der Befehl 2/64 des Leiters der Zollverwaltung vom 26. August 1963, mit dem eine neue Dienstlaufbahnordnung in Kraft trat. Darin wurde unter anderem bestimmt, dass alle Zollkontrolleure einen beruf lichen Qualifikationsnachweis erbringen mussten. Außerdem sollten die Führungskader unter dem Personalbestand notwendige Voraussetzungen für den Besuch einer Fach oder Hochschule schaffen.104 Die Fach - und vor allem die Hochschulausbildung bedingte in vielen Fällen den Eintritt in die SED, in jedem Fall aber war sie mit einer intensiven politisch - ideologischen Schulung verknüpft. Ab Mitte der 1960er Jahre führte der Leiter der Zollverwaltung regelmäßig Inspektionen in den Bezirksver waltungen des Zolls durch. Daneben kontrollierten Führungskader einzelner Abteilungen durch längerfristige, periodische Brigadeeinsätze die Qualität der Arbeit in den Zollämtern.105 Von der Durchsetzung der Parteiinteressen im Personalbestand der Zollverwaltung versprach sich die SED - Führung nicht zuletzt eine wirksamere Zollkontrolle. Weitere Mittel hierfür waren die ständige Analyse der Kontrollfeststellungen und die regelmäßige Vergabe der Titel „Vorbildlicher Zollkontrolleur“, „Vorbildlicher Zollunterführer“ bzw. „Vorbildlicher Zolloffizier“ im Rahmen des „sozialistischen Wettbewerbs“ an allen Dienststellen. Zur effektiveren Bekämpfung „antisozialistischer Druckerzeugnisse“ wurden an den Postzollämtern in dieser Zeit erste Literaturkommissionen gebildet, in denen neben Angehörigen der Zollver waltung auch Vertreter staatlicher Institutionen und Fachexperten mitarbeiteten. An den Zollämtern wurde ab Mitte der 1960er Jahre mit dem Einsatz von Zollfahndern und sogenannten „Ermittlern“ begon102 Mundt, Entwicklung der Zollver waltung, S. 48 ( Archiv Plessow ). 103 Vgl. Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987, S. 8 ( BArch, DL 203, 02–07–00, Ka. 184). 104 Mundt, Entwicklung der Zollver waltung, S. 54 ( Archiv Plessow ). 105 Vgl. ebd., S. 92.

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nen.106 Bei letzteren handelte es sich um Mitarbeiter der neu gegründeten Abteilung Zollermittlung, auf deren Bedeutung noch gesondert eingegangen wird. Bewährungsprobe bei der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ Nachdem erst wenige Jahre zuvor Lockerungen der Kontrollpraxis an den Grenzübergangsstellen der sozialistischen Staaten eingeführt wurden, bereiteten die Unruhen in der ČSSR im Jahr 1968 dieser Entwicklung abrupt ein Ende. An den Grenzzollämtern zur ČSSR sollte sich in diesen Tagen zeigen, wie standfest die Zöllner wirklich waren, wie wirksam die politisch - ideologische Erziehung jedes einzelnen Kontrolleurs tatsächlich durchgeführt worden war. Eine Weisung des Leiters der Zollverwaltung vom 21. August 1968 gibt Aufschluss über die Arbeitsschwerpunkte des Zolls in jenen Tagen.107 Danach sollte die Zollver waltung ihren Beitrag zur Eindämmung des „Prager Frühlings“ leisten, indem sie vorwiegend „konterrevolutionäre Hetzmaterialien“ im Post und Reiseverkehr aufspürte und zur Einziehung brachte, Personen, die „konterrevolutionäre Absichten“ verfolgten, den Grenzübertritt verwährte und Fluchtversuche vereitelte, um dadurch ein Übergreifen der Freiheitsbestrebungen auf die DDR zu verhindern. An den Postzollämtern der DDR beobachtete man seit langem einen Anstieg in der Zahl von Literatursendungen mit „antikommunistischem Inhalt“, die zur Einfuhr nicht zugelassen waren.108 Vom 21. August bis zum 5. September 1968 zogen die Postzollämter ( PZÄ ) über 1 500 Sendungen mit „Hetzflugblättern und - zeitschriften“ sowie weitere „Provokationssendungen“ ein. Im Jahr 1968 nahmen Zöllner an den Grenzzollämtern nach der ČSSR bei vielen wiedereinreisenden DDR - Bürgern Filme, Tonbänder und Literatur in Beschlag. Wurden im Januar 1968 nur acht Feststellungen zur Einfuhr verbotener Literatur getroffen, waren es im Mai bereits 120, im Juli 559 und im August 2 467 Fälle, in denen „Hetzmaterialien“ in die DDR eingeschleust werden sollten.109 Die Zahl der Reisenden, die an den Grenzübergangsstellen wegen Verdachts des illegalen Verlassens der DDR oder wegen provokatorischen Auftretens110 durch den Zoll gestellt und an das MfS übergeben wurden, stieg in den ersten beiden Wochen nach dem Einmarsch der Warschauer - Pakt - Truppen in

106 Vgl. ebd., S. 55 f. 107 Abschlussbericht der Zollver waltung über den Einsatz im Zusammenhang mit den Maßnahmen der fünf sozialistischen Bruderländer zur Bekämpfung der konterrevolutionären Entwicklung in der ČSSR vom 24. 9. 1968 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 103 b ). 108 Bereits im Zeitraum vom 10. 11. 1967 bis zum 31. 1. 1968 wurden über 338 000 Literatursendungen mit „antikommunistischem Inhalt“ erfasst. Vgl. Mundt, Entwicklung der Zollver waltung, S. 120 ( Archiv Plessow ). 109 Abschlussbericht über den Einsatz der Zollver waltung im Zusammenhang mit den Maßnahmen der fünf sozialistischen Bruderländer zur Bekämpfung der konterrevolutionären Entwicklung in der ČSSR vom 24. 9. 1968 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 103 b ). 110 Vgl. Information über die erreichten Kontrollergebnisse in Durchsetzung der angewiesenen Maßnahmen vom 3. 9. 1968 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 103b ).

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die ČSSR um 100 Prozent auf insgesamt 1 063 Personen an.111 Auch die Zahl der versuchten Fluchtfälle von DDR - Bürgern in Richtung ČSSR erhöhte sich in dieser Zeit deutlich. Allein im September 1968 vereitelten die Angehörigen der Grenzzollämter zur ČSSR 17 Fluchtversuche.112 Nach offizieller Lesart der SED trug die Niederschlagung des Volksaufstands den Charakter einer „internationalistischen Hilfsaktion“.113 In diesem Sinne wurden auch die Angehörigen der Zollverwaltung während und nach der Niederschlagung des Volksaufstands ideologisch erzogen. „In einer Weisung gegenüber den Leitern der Bezirksverwaltungen und den Leitern der Bereiche und Abteilungen der Hauptverwaltung wurden noch am 21. 8. früh durch den Leiter der Zollverwaltung Maßnahmen zur Sicherung der politisch - ideologischen und operativen Aufgabenstellung, des Informationssystems und der Kontrolle der Durchführung getroffen. Gleichzeitig wurde in dieser Weisung zur ununterbrochenen Führung der nachgeordneten Bereiche und Dienststellen die sofortige Einsatzbereitschaft der Stäbe festgelegt. Damit wurde von Beginn der erhöhten Einsatzbereitschaft eine einheitliche Durchführung der angewiesenen Aufgaben in allen Dienstbereichen gesichert. [...] Es kann eingeschätzt werden, dass sich in der Zeit der erhöhten Einsatzbereitschaft der gesamte Personalbestand durch klassenmäßiges Verhalten, bewusste und straffe Disziplin und hohe Wachsamkeit auszeichnete.“114

In allen Diensteinheiten des Zolls waren Politgespräche an der Tagesordnung. Gemeinsam hörten die Zöllner Nachrichten des staatlichen DDR - Rundfunks und lasen Kommentare der staatlichen Zeitungen, um so jeden Tag aufs Neue mit den Parteistandpunkten ausgerüstet zu sein.115 Außerdem erarbeitete die Hauptverwaltung des Zolls „Informations - und Argumentationsmaterialien für die politisch - ideologische Arbeit“, die den Führungskadern der Bezirksverwaltungen und Dienststellen zur Verfügung gestellt wurden.116 Es gab unter den Zollmitarbeitern nur wenige Abweichler, die die offizielle Haltung der Partei bezüglich der Niederschlagung des Prager Frühlings nicht teilen wollten : „6 Angehörige mussten wegen politischer Unzuverlässigkeit aus der Zollverwaltung entlassen werden. Die Mehrzahl dieser ehemaligen Angehörigen gehörte unserem Organ weniger als 2 Jahre an und es stellte sich heraus, dass ihre zum Teil feindliche Haltung gegen die Maßnahmen der fünf verbündeten sozialistischen Staaten, ihre Weigerung, sich einer straffen militärischen Disziplin zu

111 Abschlussbericht über den Einsatz der Zollver waltung im Zusammenhang mit den Maßnahmen der fünf sozialistischen Bruderländer zur Bekämpfung der konterrevolutionären Entwicklung in der ČSSR vom 24. 9. 1968 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 103 b ). 112 Vgl. Mundt, Entwicklung der Zollver waltung, S. 125 ( Archiv Plessow ). 113 Vgl. ebd., S. 123. 114 Abschlussbericht über den Einsatz der Zollver waltung im Zusammenhang mit den Maßnahmen der fünf sozialistischen Bruderländer zur Bekämpfung der konterrevolutionären Entwicklung in der ČSSR vom 24. 9. 1968 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 103 b ). 115 Vgl. Mundt, Entwicklung der Zollver waltung, S. 125 ( Archiv Plessow ). 116 Abschlussbericht über den Einsatz der Zollver waltung im Zusammenhang mit den Maßnahmen der fünf sozialistischen Bruderländer zur Bekämpfung der konterrevolutionären Entwicklung in der ČSSR vom 24. 9. 1968 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 103 b ).

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unterwerfen, bereits längere Zeit besteht. Sie holten sich ihre Argumente ausnahmslos aus der Bonner Giftküche.“117 Im Vergleich zu den Maßnahmen während des Baus der Berliner Mauer zeigt sich, dass es den Führungskadern inzwischen gelungen war, den Personalbestand der Zollver waltung auch in einer Ausnahmesituationen fast vollständig unter Kontrolle zu halten. Der eigenen Bevölkerung traute man eine solch große ideologische Standhaftigkeit zu keiner Zeit zu. Jedes Jahr wurden in den Tagen vor und nach dem 21. August ein Operativstab in der Hauptverwaltung des Zolls eingerichtet und die Mitarbeiter der Grenzzollämter in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Sie sollten alle notwendigen „Maßnahmen zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit anlässlich des Jahrestages der Niederschlagung des konterrevolutionären Putsches in der ČSSR“ treffen. Folglich suchten Zöllner jährlich in dieser Zeit an den Grenzen zur ČSSR besonders intensiv nach Waffen, Flugblättern und Hetzschriften. Ausreisewillige in die ČSSR wurden abgewiesen, wenn Hinweise vorlagen, die nahe legten, dass sie sich an Demonstrationen oder Sympathiekundgebungen der tschechoslowakischen Opposition beteiligen wollten.118

1.4

Letzte Veränderungen nach Inkrafttreten der neuen DDR - Verfassung und dem Abschluss der deutsch - deutschen Verträge

Im Jahr 1968 trat in der DDR eine neue Verfassung in Kraft. Auf deren Grundlage erfolgte auch die Inkraftsetzung eines neuen Straf - und Ordnungswidrigkeitsgesetzes sowie einer neuen Strafprozessordnung. In Folge dessen wurden auch die Strafbestimmungen des Zollgesetzes geändert. Eine umfassende Änderung erfuhr der Paragraph 15 des Zollgesetzes, der in seiner Neufassung den Ordnungswidrigkeitstatbestand aufnahm. Damit wurde auf den Umstand reagiert, dass die bislang gültigen Bestimmungen auf dem Gebiet des Zollwesens keine Tatbestände über Ordnungswidrigkeiten enthielten, aber die Mehrheit der von der Zollverwaltung festgestellten Rechtsverletzungen dem Charakter nach Ordnungswidrigkeiten darstellten. Eine weitere Folge der neuen Strafprozessordnung betraf den Zollfahndungsdienst. Bisher hatte diese Untersuchungsbehörde des Zolls nur eingeschränkte Befugnisse. Alle Vorgänge, die ein gerichtliches Verfahren notwendig machten, mussten an die Volkspolizei übergeben werden. Durch die Neuregelung wurde der Zollfahndungsdienst eine selbstständige Untersuchungsbehörde, die den anderen Untersuchungsbehörden gleichgestellt war.119

117 Ebd. 118 Vgl. Telegramm des Leiters der Zollver waltung der DDR an die Leiter der Bezirksver waltungen vom 14. 8. 1980 ( BArch, DL 203, Az. 00–11–03, Ka. 103b ). 119 Vgl. Dienstanweisung 10/62 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 18. 4. 1962 (BStU, MfS, BdL / Dok. 051212, 1. Ex., Bl. 1).

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Eine weitere Veränderung der zollrechtlichen Bestimmungen erfolgte auf Beschluss des Ministerrats vom 1. Januar 1969.120 Der Zollverwaltung wurde das Recht erteilt, Ein - und Ausfuhren im grenzüberschreitenden Reiseverkehr zu genehmigen und die dafür zu entrichtenden Gebühren zu vereinnahmen. Mit dieser Regelung wurden eine Reihe von Gegenständen für die Ein - und Ausfuhr nicht mehr generell verboten, sondern mengenmäßig begrenzt und mit Gebühren belegt. Je nach Versorgungslage wurden die Mengenbegrenzungen angepasst. Zusätzlich flossen durch die Gebühren nicht unerhebliche Summen in die Staatskasse. Allein 1969 wurden dadurch über 7,5 Millionen Valutamark eingenommen.121 In Folge eines Ministerratsbeschlusses vom 19. Februar 1969 verdichtete sich das Netz der Postzollämter. Damit konnten künftig alle in den einzelnen Bezirken anfallenden Pakete und Päckchen durch ein jeweils für das Bezirksgebiet zuständiges Postzollamt abgefertigt werden. Sechs neue Postzollämter wurden gebaut und die bereits vorhandenen Postzollämter umfassend saniert und erweitert.122 Die letzte einschneidende strukturelle Veränderung der Zollverwaltung ging einher mit der Neuschaffung eines wichtigen Aufgabenbereichs des Zolls : der Transitüber wachung. Infolge der deutsch - deutschen Verträge Anfang der 1970er Jahre wurde zwischen beiden deutschen Staaten am 3. Juni 1972 das Transitabkommen unterzeichnet. Da Kontrollen von Reisenden zwischen der Bundesrepublik und Westberlin künftig nur noch in Ausnahmefällen vorgenommen werden durften, verlagerte sich der Überwachungsschwerpunkt weg von den Grenzübergangsstellen hin zu den insgesamt 755 Kilometern Transitstrecke. Um die Übergabe von Waren und die Schleusung von Personen auf Park- und Rastplätzen sowie an Tankstellen weitgehend verhindern zu können, waren spezielle Ermittler vor Ort. Diese setzten sich zusammen aus Einheiten des MfS, der Volkspolizei sowie der neu gegründeten Abteilung Transitüber wachung des Zolls. An den Grenzübergangsstellen begann man zur gleichen Zeit mit dem Aufbau spezieller Anti - Terror - Einheiten, die sich aus Mitarbeitern der Passkontrolleinheiten und der Grenzzollämter zusammensetzten.123 Der Personalbestand erhöhte sich seit Gründung der Zollverwaltung kontinuierlich bis ins Jahr 1989. Er stieg von ca. 5 300 im Jahr 1962 auf über 8 200 im Jahr 1989. Hinsichtlich des strukturellen Aufbaus der Zollverwaltung erfolgten ab 1972 jedoch keine grundsätzlichen Änderungen mehr. Erwähnenswert ist allenfalls eine neue Dienstlaufbahnordnung, die am 19. Juni 1979 neben einer leicht modifizierten Disziplinarordnung in Kraft trat. Infolge dessen wurde ein neuer Dienstgrad „Hauptsekretär“ eingeführt. Außerdem sollte jedem Angehörigen beim Ausscheiden nach 25 - jähriger Dienstzeit eine Ehrenurkunde über120 Vgl. Faktensammlung zur Entwicklung der Zollverwaltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987, S. 10 ( BArch, DL 203, 02–07–00, Ka. 184). 121 Vgl. Mundt, Entwicklung der Zollver waltung, S. 142 ( Archiv Plessow ). 122 Vgl. ebd. S. 147. 123 Vgl. Lesematerial zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1982, Plessow 1982, S. 32 ( Archiv Plessow ).

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geben werden. Gleichzeitig war jeder Veteran der Zollver waltung künftig berechtigt, den letzten Dienstgrad mit dem Zusatz „a. D.“ weiter zu führen. Diese Maßnahmen sollten dazu beitragen, die „Organverbundenheit“ der Angehörigen zu stärken und die Bereitschaft auszuprägen, bis zur Erreichung des Rentenalters Dienst in der Zollverwaltung zu leisten.124

2.

Die Struktur der Zollverwaltung in den Jahren 1972 bis 1990

Die Hauptverwaltung des Zolls in der Berliner Grellstraße war die zentrale Führungsstelle der Zollverwaltung, in der über 760 Zöllner arbeiteten.125 Sie war in Bereiche, Abteilungen und Sachgebiete untergliedert. Ihr waren acht Bezirksverwaltungen unterstellt, die in den Grundzügen die gleichen Bereiche, Abteilungen und Sachgebiete aufwiesen wie die Hauptverwaltung selbst.126 Insofern kann bei der Zollverwaltung ähnlich wie beim MfS von einem Aufbau nach dem „Linienprinzip“127 gesprochen werden. In den Bezirksverwaltungen des Zolls waren teilweise mehrere Territorialbezirke zusammengefasst. So unterstanden beispielsweise der Bezirksverwaltung Erfurt auch die Zollämter der Territorialbezirke Gera und Suhl. Unterhalb der Bezirksebene schlossen sich Grenz - , Postund Binnenzollämter an, für deren direkte Anleitung die Leiter der jeweiligen Bezirksverwaltungen zuständig waren.

124 Vgl. Lesematerial für die marxistisch - leninistische Ausbildung, Nr. 7/2, Plessow 1988, S. 31 ( Archiv Plessow ). 125 Stand : Mitte der 1980er Jahre. Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 34). 126 Dabei handelte es sich um die Bezirksver waltungen in Berlin, Dresden, Erfurt, Frankfurt / Oder, Leipzig, Magdeburg, Potsdam und Rostock. Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 6. 1970 : Aufgabenstellung der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) und der Abteilungen VI, Referate bzw. Hauptsachgebiete Zoll ( Abwehr ) der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Organisierung der politisch - operativen Arbeit an den Grenzzollämtern der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, BV Dresden, Abt. VI 2634, Bl. 37). 127 Linienprinzip : „Grundsatz des Organisationsaufbaus des MfS, wonach operative Diensteinheiten auf zentraler und bezirklicher Ebene die spezielle Verantwortung für die Sicherung bestimmter gesellschaftlicher Bereiche, für die Bekämpfung bestimmter Angriffsrichtungen des Feindes bzw. für die Realisierung spezifischer operativer Arbeitsprozesse ( z. B. Untersuchung, Beobachtung ) haben. Die Verantwortung der operativen Diensteinheiten auf Linie schließt ein, dass sie zur Erreichung der Einheitlichkeit des operativen Vorgehens in allen operativen Diensteinheiten des MfS entsprechend ihrer Verantwortung für die Sicherung bestimmter gesellschaftlicher Bereiche, für die Bekämpfung bestimmter Angriffsrichtungen des Feindes bzw. für die Realisierung spezifischer operativer Arbeitsprozesse einen maßgebenden Beitrag leisten. Zur Wahrnehmung dieser speziellen Verantwortung nutzen sie vor allem die Planorientierung und Methoden der Koordinierung. Das L. [ Linienprinzip ] wird im Organisationsaufbau des MfS in Einheit mit dem Prinzip der Einzelleitung, dem Schwerpunktprinzip und dem Territorialprinzip durchgesetzt.“ Vgl. Suckut ( Hg.), Wörterbuch, S. 234.

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46 2.1

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Wichtige Bereiche der Hauptverwaltung

„Die Hauptverwaltung ist das zentrale Führungsorgan der Zollverwaltung. [...] Sie führt alle grundlegenden Fragen der Tätigkeit der Zollver waltung. Sie ist verantwortlich für die Führung der Zollkontrolle, die Feststellungs - und Entscheidungspraxis und die Untersuchung von Straftaten, die Auswahl und Entwicklung von Mitarbeitern, die analytische Tätigkeit, die Anleitung und Kontrolle der nachgeordneten Bereiche, die materielle und finanzielle Versorgung, die Zusammenarbeit mit den zentralen Partei - , Staats - und Wirtschaftsorganen.“128 Die Führungsstruktur des DDR - Zolls war streng hierarchisch organisiert. Es galt das „Prinzip der Einzelleitung“, was bedeutete, dass den Leitern einzelner Abteilungen und Sachgebiete eine große Entscheidungskompetenz zuteil wurde, indem sie für ihren gesamten Leitungsbereich allein zuständig waren. Für die geleistete Arbeit in ihrem Bereich waren sie gegenüber ihrem jeweiligen Vorgesetzten persönlich verantwortlich. Allen voran stand der Leiter der Zollverwaltung, Gerhard Stauch. Seit dem 1. Januar 1951 war er hauptamtlich für das Ministerium für Staatssicherheit tätig, ab 1954 als OibE. Zunächst erfolgte sein Einsatz in der Transportpolizei, anschließend im Ministerium des Innern. 1959 kam Stauch schließlich zum Zoll, wo er als erster Stellvertreter des Leiters, ab 1963 dann als Leiter der Zollverwaltung eingesetzt wurde.129 In dieser offiziellen Funktion war er direkt dem Minister für Außenhandel unterstellt, mit umfassenden Befugnissen ausgestattet und gegenüber allen Mitarbeitern der Zollverwaltung weisungsbefugt. Stauch direkt untergeordnet waren die Leiter der Bereiche „Stellvertreter des Leiters“, „Stellvertreter Operativ“, „Stellvertreter für Fahndungswesen“, „Kader / Ausbildung“ und „Versorgungsdienste“, die ihrerseits insgesamt ca. 750 Mitarbeiter der Hauptver waltung anleiteten.130 Auch der Direktor des Instituts der Zollver waltung, Dieter Rutsch, dem 182 Planstellen für das Stammpersonal und 200 Studenten untergeordnet waren, unterlag der direkten Kontrolle durch den Leiter der Zollverwaltung.131 Stauch unterstanden aber nicht nur die Leiter einzelner Bereiche und Sachgebiete. Er leitete auch selbst einzelne Bereiche in der Hauptverwaltung des Zolls. Dabei handelte es sich um das „Büro des Leiters“, das „Parteisekretariat“, die „Arbeitsgruppe des Leiters“, die „Arbeitsgruppe Einsatzplanung“, die „Abteilung Finanzen“ sowie um den „Medizinischen Dienst“ der Hauptverwaltung mit insgesamt 62 Panstellen.132 Lediglich der Bereich des „Parteiorganisators“ des Zentralkomitees, Fritz Sturm, unterlag nicht den Anweisungen des Leiters der Zollverwaltung. Sturm führte die 22 Abteilungsparteiorganisationen ( APO ) der 128 Lesematerial „Zu den Hauptaufgaben und der Stuktur der Zollver waltung der DDR“ vom September 1985 ( BStU, MfS, HA VI 10656, Bl. 11). 129 Vgl. Wer war wer, S. 968. 130 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 41). 131 Vgl. ebd., Bl. 34. 132 Vgl. ebd., Bl. 42.

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Abb. 1 : Struktur der Hauptverwaltung der Zollverwaltung 1983133

133 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollverwaltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 32).

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Hauptverwaltung und war für die Unterweisung und Kontrolle der Grundorganisationen ( GO ) und APO der Bezirksverwaltungen und Sachgebiete der Hauptverwaltung der Zollverwaltung zuständig. In Abbildung 1 werden die wichtigsten Bereiche und Struktureinheiten der Hauptverwaltung in ihren Grundzügen vorgestellt. Der Bereich „Stellvertreter des Leiters“ Unter Führung von Günther Arndt134 sollte der Bereich „Stellvertreter des Leiters“ die „politisch richtige Anwendung des sozialistischen Rechts“ in der Tätigkeit der Zollverwaltung gewährleisten. Dies bedeutete, dass sämtliche vom Zoll getroffenen Rechtsentscheidungen im Sinne der Beschlüsse der SED, der gesetzlichen Bestimmungen und der Befehle und Weisungen des Leiters der Zollverwaltung durchgesetzt werden sollten. Darüber hinaus war Arndt mit der Bearbeitung internationaler Fragen im Auftrag des Leiters der Zollver waltung betraut. Er sollte entsprechende Entscheidungen auf diesem Gebiet vorbereiten. Dazu gehörte insbesondere die Mitarbeit des Bereichs in der Transitkommission der DDR. Ein weiterer wichtiger Aufgabenschwerpunkt war die Informations - und Auswertungsarbeit. Spätestens ab Mitte der 1970er Jahre wurde in der gesamten Zollverwaltung durchgesetzt, dass es eine strikte personelle Trennung zwischen der Kontroll - und der Auswertungstätigkeit gab. Während die Kontrolleure an den Zollämtern sich ausschließlich um wirksame Kontrollen bemühten, wurden die daraus getroffenen Feststellungen von einem besonders geschulten Personenkreis analysiert. Dafür gab es in den Bereichen „Stellvertreter des Leiters“ der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltungen sowie an den Grenz - , Post - und Binnenzollämtern speziell ausgebildete Zollrechtsoffiziere.135 In der Hauptver waltung wurde daraufhin die Datenerfassung organisiert, mit deren Hilfe Statistiken erarbeitet wurden, um die Leitung der Zollverwaltung sowie das MfS und die Staats - und Parteiführung über die Ergebnisse der Zollarbeit zu informieren. In Verbindung mit der HA VI des MfS wurde in diesem Bereich auch über Anträge der Zollverwaltung zu Reisesperren136 beraten und entschieden. Zur Lösung dieser Aufgaben war der Bereich „Stellvertreter des Leiters“ 134 Sämtliche genannten Personen, die den einzelnen Abteilungen, Bereichen usw. vorstanden, waren im Jahr 1983 im Amt. Möglicher weise sind vor oder nach dieser Zeit einzelne Führungskader umbesetzt worden. In aller Regel waren diese jedoch über den hauptsächlich zu untersuchenden Zeitraum (1972–1990) für die Bereiche zuständig. Werden die Vornamen Einzelner nicht und stattdessen der Dienstgrad genannt, so konnten die Vornamen während der Bearbeitungszeit nicht ermittelt werden. 135 Vgl. MfS - Personalakte Kurt Niehoff, Tonbandanschrift zum Thema „Wege und Möglichkeiten der Informationsgewinnung durch die Abteilung Zollrecht der Bezirksver waltungen“ von Dezember 1980 ( BStU, MfS, KS A 161/89, Bl. 177). 136 Reisesperren wurden in Abhängigkeit von den begangenen „Rechtsverletzungen gegen Vorschriften der Gesetzgebung der DDR“ gestaffelt verhängt. Personen, gegen die Reisesperren ausgesprochen wurden, durften in der Regel drei, fünf oder zehn Jahre nicht mehr in die DDR einreisen. In besonderen Fällen erfolgte auch eine unbefristete Reisesperre. Vgl. Rohders, Rapport, S. 165.

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in die Abteilungen „Zollrecht“, „Internationale Angelegenheiten“, „Rechenzentrum“ sowie das „Sachgebiet Eingaben“ gegliedert. Eine Besonderheit stellte das „Zollamt I“ dar, das ebenfalls diesem Bereich unterstellt war. Hinter dieser Bezeichnung stand das Diplomatenzollamt in Berlin, an dem die Angehörigen diplomatischer Vertretungen und andere bevorrechtigte Personen abgefertigt wurden.137 Der Bereich „Stellvertreter Operativ“ Die Hauptaufgabe dieses Bereichs lag in der Organisation der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Reise - , Güter - und Postverkehrs. Dafür wurde unter Anleitung von Lothar Seidenzahl der Dienst in den nachgeordneten Zollämtern organisiert, geplant und die jeweilige Personalstärke sowie die finanziellen Mittel zugeteilt, was wiederum einen genauen Überblick über die Lage an den einzelnen Zolldienststellen bedingte. Zu diesem Zweck wurden im Bereich „Stellvertreter Operativ“ alle Feststellungen aus der Zollkontrolle analysiert und ausgewertet. Im 24 - Stunden - Rhythmus schätzten Mitarbeiter die „politisch - operative Lage“ im grenzüberschreitenden Verkehr ein und erstellten gegebenenfalls Sofortmeldungen für den Leiter der Zollverwaltung. Die dabei gemachten Erfahrungen wurden verallgemeinert und damit Hinweise auf Verstecke, Feststellungsmethoden und Begehungsweisen erarbeitet. Im Zuge dessen überprüften die Angehörigen des Bereichs auch die an den Zollämtern eingesetzte Kontrolltechnik hinsichtlich ihrer richtigen Anwendung. Sie entwickelten neue Kontrollmethoden und überlegten, wie die Kontrollgeräte technisch verbessert werden könnten. Dem Leiter des Bereichs oblag zudem unmittelbar die Ausbildung und der Einsatz von Hundeführern und Diensthunden in der zentralen Ausbildungsstätte in Sacrow bei Potsdam.138 Er stimmte sich dabei mit der Arbeitsgruppe ( AG ) Sicherheit und Terrorabwehr der Hauptabteilung VI des MfS ab.139 Ein weiterer Aufgabenbereich war ebenfalls eng verzahnt mit der Staatssicherheit : die Organisation und Führung der Zollkontrolle im grenzüberschreitenden Postverkehr. Insbesondere bei der Zurückdrängung von Organisationssendungen stimmte sich die Abteilung Postverkehr des Zolls mit der Abteilung Postzollfahndung des MfS ab. Darüber hinaus wurde im Bereich „Stellvertreter Operativ“ auch die Zusammenarbeit mit anderen staatlichen Einrichtungen organisiert, die in Fragen der Zollkontrolle involviert waren, beispielsweise das Ministerium für Verkehrswesen, Post - und Fernmeldewesen. Zur Lösung dieser Aufgaben war der Bereich in die Abteilungen „Operativ“ und „Postverkehr“, das Sachgebiet „Kontrolltech137 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollverwaltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 35). 138 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 249). 139 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 20).

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nik“ sowie in die Struktureinheiten „Büro für Neuererwesen“, „Operativstab“ und „Objektschutz“ gegliedert.140 Der Bereich „Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen“ Der Bereich „Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen“ wurde von Heinz Schröter angeleitet und nahm innerhalb der Hauptver waltung wie auch der Bezirksver waltungen eine zentrale Stellung ein. Er bildete die „Schnittstelle“ zwischen Administration und Analysetätigkeit einerseits und der praktischen Kontrolltätigkeit andererseits. Die dem Bereich zugesprochene Hauptaufgabe war die „wirksame und zielgerichtete Bekämpfung von Zoll - und Devisenstraftaten“,141 was als ein zentrales Tätigkeitsfeld der Zollverwaltung insgesamt angesehen werden kann. Insbesondere ging es bei der Zurückdrängung von Zoll und Devisenstraftaten um die Verhinderung und Eindämmung des sogenannten „bandenmäßig organisierten Schmuggels“ und der „politisch - ideologischen Diversion“ im grenzüberschreitenden Verkehr, also um Delikte, die vermeintlich oder offensichtlich von Einzeltätern oder Tätergruppen geplant und durchgeführt wurden und in der Regel erhebliche wirtschaftliche und / oder politische Folgen nach sich zogen. Der Bereich Fahndungswesen war mit der Aufdeckung und Untersuchung dieser Art von Zollstraftaten betraut und sollte im Zuge dessen einen Beitrag dazu leisten, die einzelnen Kontrolleure an den Zolldienststellen zu qualifizieren, Zoll - und Devisenstraftaten effektiver zu erkennen und zu verhindern. Auf diese Art sollte der Bereich auch aktiv zur allgemeinen Zurückdrängung der Kriminalität in der DDR und zur Erhöhung der öffentlichen Ordnung beitragen. Um dafür ein Bewusstsein in der Bevölkerung zu entwickeln, betrieben die Mitarbeiter des Bereichs „Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen“ gezielt Öffentlichkeitsarbeit.142 So organisierten die Zollfahnder beispielsweise Ausstellungen, mit denen sie der Bevölkerung die „gefährlichen Machenschaften des imperialistischen Klassenfeindes“ auf dem Gebiet des Schmuggels vor Augen halten wollten. Der Bereich Fahndungswesen gliederte sich in die „Abteilung Zollfahndung“ mit fünf untergeordneten Sachgebieten, die „Abteilung Zollermittlung“ sowie das „Sachgebiet Koordinierung und Technik“, um die ihm gestellten Aufgaben zu lösen. Der Bereich Kader / Ausbildung Die Mitarbeiter dieses Bereiches koordinierten bzw. kontrollierten die „Prinzipien der sozialistischen Kaderpolitik“ in der Zollverwaltung. Zugleich war der 140 Vgl. ebd., Bl. 36. 141 Lesematerial „Zu den Hauptaufgaben und der Stuktur der Zollver waltung der DDR“ vom September 1985 ( BStU, MfS, HA VI 10656, Bl. 13). 142 Vgl. ebd.

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Bereich zuständig für die Aus - und Weiterbildung aller Zöllner.143 Schließlich wurde im Bereich „Kader / Ausbildung“ auch über Sanktionen von Zollmitarbeitern entschieden, wenn sie gegen dienstliche Weisungen der Zollverwaltung verstoßen hatten. Entsprechend dieser Aufgabenstellung war der Bereich in die Abteilungen „Kader“, „Ausbildung“ und das „Sachgebiet Disziplinar“ unterteilt. Der Leiter der „Abteilung Ausbildung“, Horst Steiner, unterhielt Arbeitskontakte zum Leiter der „Abteilung Schulung und Ausbildung“ und der „AG Sicherheit und Terrorabwehr“ der HA VI der Staatssicherheit.144 Durch die Zusammenarbeit mit dem MfS sollte sichergestellt werden, dass alle Zollmitarbeiter, die in der Grenzpassage eingesetzt wurden, besonders zuverlässig waren und dafür die nötige Schulung und Ausbildung erhielten. Der Bereich Versorgungsdienste Unter Leitung von Zollinspektor Heinrich war dieser Bereich zuständig für die technische Versorgung und das Ferien - und Erholungswesen der Zollver waltung. So wurden unter anderem Fernsprecher, Fernschreiber, Funkgeräte und Dienstkleidung von dem Bereich auf die anderen Dienststellen verteilt und gewartet, ebenso Waffen samt Munition sowie Fahrzeuge. Auch die Gebäude der Zollverwaltung selbst wurden durch den Bereich Versorgungsdienste verwaltet. Von großer Bedeutung für das MfS war das zentrale Asser vatenlager, das ebenfalls dem „Bereich Versorgungsdienste“ zugeordnet war. Sämtliche eingezogene Gegenstände der Zollverwaltung wurden hier gelagert und kontrolliert. Die Mitarbeiter des zentralen Asservatenlagers leiteten die nachgeordneten Asser vatenstellen ( in den Bezirksver waltungen und den Zollämtern ) an. Über die HA VIII des MfS kontrollierte die Staatssicherheit die Nutzung der Asservate.145 Durch den Leiter unmittelbar geführte Ressorts Das „Büro des Leiters“, das „Parteisekretariat“, die „Arbeitsgruppe des Leiters“, die „Arbeitsgruppe Einsatzplanung“, die „Abteilung Finanzen“ sowie der „Medizinische Dienst“ der Hauptver waltung wurden direkt durch den Leiter der Zollverwaltung angeleitet.146 Im Einzelnen hatten diese Ressorts folgende Hauptaufgaben : Vorsteher des „Büros des Leiters“ der Zollverwaltung war Oberrat Behrend. Er erledigte als persönlicher Mitarbeiter ihm zugewiesene Aufgaben des Leiters der Zollverwaltung. Zudem waren er und seine Mitarbeiter verantwortlich für 143 Vgl. ebd., Bl. 15. 144 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 21). 145 Vgl. ebd., Bl. 38. 146 Vgl. ebd., Bl. 30.

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den Geheimnisschutz in der Hauptverwaltung ( Verschlusssachen - Hauptstelle, Verschlussmittel, Kontrollstempel, Weisungswesen, Archiv, Poststelle ). Der „Arbeitsgruppe des Leiters“ stand Dietrich Feldmann vor. In der Arbeitsgruppe wurden Leitungsdokumente erstellt. Dort arbeiteten Kontroll - sowie Presseoffiziere des Leiters. Die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Einsatzplanung bereiteten unter Führung von Oberrat Siewert Einsätze des Leiters der Zollver waltung (Referate, Besuche von Zollämtern, Konferenzen etc.) vor. Sie waren zudem zuständig für das Alarmierungswesen und die Führung der Beauftragten der Leiter in den Bezirksver waltungen. Die „Abteilung Finanzen“ unter Oberrat Reibholz war zuständig für die Planung der Finanzen der gesamten Zollverwaltung, für die Verwaltung von Haushaltsmitteln, Löhnen, Gehältern und Prämienfonds. Darüber hinaus wurden hier die Valutamittel verwaltet und die Finanzrevision in allen nachgeordneten Bereichen vorgenommen. Zudem organisierte und kontrollierte die „Abteilung Finanzen“ den Pflichtumtausch und die Gebührenerhebung an den Grenzzollämtern. Unter Führung von Zollinspekteur Rudolph wurde die medizinische Betreuung aller Zollangehörigen beim „Medizinischen Dienst der Zollverwaltung“ organisiert. Dies erfolgte in Zusammenarbeit mit dem „Medizinischen Dienst“ des Ministeriums des Innern.147 Neben den eben aufgeführten Bereichen und Struktureinheiten der Hauptverwaltung unterstanden auch die Leiter der Bezirksverwaltungen direkt dem Leiter der Zollverwaltung. Sie waren ihm persönlich für die Erfüllung aller Aufgaben in ihren Bereichen rechenschaftspflichtig.148 Ihnen stand es zu, Entscheidungen selbstständig zu treffen, soweit diese nicht wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zentral festgelegt werden mussten. Den Leitern der Bezirksverwaltungen unterstanden wiederum die Leiter der einzelnen Zollämter der jeweiligen Bezirke. Aus der folgenden Tabelle 1 geht hervor, wie sich die Planstellen der Bezirksverwaltungen auf die einzelnen Bezirke verteilten.

2.2

Grenzzollämter

Die Zollämter waren die Einrichtungen, die sich unmittelbar mit dem Kontrollprozess befassten. Unter ihnen waren die Grenzzollämter ( GZÄ ) mit Abstand die bedeutendsten. Rund die Hälfte der gut 8 000 DDR - Zöllner wurde an den GZÄ eingesetzt.149 Schließlich war die Tätigkeit im unmittelbaren Grenzgebiet von hoher ökonomischer und sicherheitspolitischer Bedeutung. Im Jahr 1970 unterhielt die Zollverwaltung der DDR 61 Grenzzollämter.151 15 Jahre später

147 Vgl. ebd., Bl. 33. 148 Vgl. Lesematerial „Zu den Hauptaufgaben und der Stuktur der Zollver waltung der DDR“ vom September 1985 ( BStU, MfS, HA VI 10656, Bl. 16). 149 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 36).

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Tabelle 1 : Planstellen und Zollämter der Bezirksverwaltungen ( Stand 1983)150 Bezirksverwaltung Leipzig Magdeburg Potsdam Rostock Berlin Dresden Erfurt Frankfurt/ Oder

Planstellen davon in gesamt der BV 408 1155 1 056 703 856 1 084 922 605

134 166 190 137 166 153 160 141

Anzahl der GZÄ 1 10 9 8 8 11 10 6

Anzahl der PZÄ 2 2 2 1 1 2 2 2

Anzahl der BZÄ 3 2 1 1 1 5 3 3

waren es 95, von denen allein 44 an den Grenzen zur Bundesrepublik und Westberlin lagen. Hinzu kamen weitere 40 an den Grenzen zur Volksrepublik ( VR ) Polen und ČSSR sowie sechs Grenzzollämter an der Ostsee und fünf FlughafenGrenzzollämter im Landesinneren, von denen das bedeutendste am Flughafen Berlin - Schönefeld lag.152 Jahr für Jahr passierten etwa dreimal mehr Personen samt mitgeführter Waren und Devisen die Grenzzollämter, als die DDR Einwohner zählte.153 Die personelle Besetzung und das Kontrollsystem der GZÄ konnte von Fall zu Fall höchst unterschiedlich aussehen – je nachdem, wo sich die Grenzübergangsstelle befand und welche Verkehrswege dort abgefertigt wurden. So waren einige Grenzzollämter ausschließlich für den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr oder den Flugverkehr eingerichtet, einige nur als Straßenübergänge, die mit Kraftfahrzeugen passiert werden konnten, einige waren zugleich auch für den Fußgängerverkehr eingerichtet, einige nur für den Schiffsverkehr. Vor allem größere Grenzübergänge waren jedoch für mehrere Verkehrsarten zugelassen. Die Abbildung 2 verdeutlicht die Organisationsstruktur der großen Grenzzollämter. Detailliert wird darauf im Kapitel IV eingegangen.

150 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 13–14). 151 Vgl. Material der HA VI, Abteilung Zoll - Abwehr, zur Orientierung für die politisch - operative Arbeit der Linie VI an den Grenzzollämtern vom 2. 6. 1970 ( BStU, MfS, HA VI 12760, Bl. 137). 152 Vgl. Lesematerial „Zu den Hauptaufgaben und der Struktur der Zollver waltung der DDR“ vom September 1985 ( BStU, MfS, HA VI 10656, Bl. 17). 153 Vgl. Dokument der Zollver waltung der DDR zu Grundfragen des Zollwesens und Hauptaufgaben der Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 62).

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Abb. 2 : Struktur des Grenzzollamts Marienborn / Autobahn154

154 Vgl. Hammerl, Sicherung von Schwerpunktbereichen. Fachschulabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1985 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /1080/84).

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2.3

55

Postzollämter

An den Postzollämtern ( PZÄ ) wurden hauptsächlich Pakete und Päckchen im grenzüberschreitenden Geschenkpaket - und - päckchenverkehr kontrolliert und abgefertigt. Zudem unterlagen alle Waren, die auf dem Postweg zur Ein - und Ausfuhr gebracht wurden, ebenfalls der Prüfung der PZÄ. Die Kontrolle des grenzüberschreitenden Postverkehrs erfolgte seit 1970 nach dem „Territorialprinzip“. Damals beschloss der Ministerrat der DDR, dass zu den acht bestehenden Postzollämtern sieben weitere eingerichtet wurden, sodass von nun an in allen Bezirken der DDR Postzollämter vorhanden waren, um „die Kontrolle des grenzüberschreitenden Paket - und Päckchenverkehrs auf den Postwegen sowie die Durchsetzung der geltenden Bestimmungen voll zu gewährleisten“.155 Die Postzollämter der DDR waren wie die gesamte Zollverwaltung nach militärischen Grundsätzen gegliedert. An der Spitze stand der Leiter mit entsprechenden Weisungsbefugnissen. Ihm folgten der Stellvertreter operativ ( dem auch die Verantwortung des Sachgebiets Statistik übertragen war ) und die Bereiche des Zollrechtsoffiziers, des Offiziers für Eingaben, des Offiziers für Versorgung / Finanzen, des Offiziers für Information und Dokumentation und schließlich das Sekretariat. Die eigentlichen Kontrollhandlungen führten einzelne Züge aus. Jedes PZA hatte vier Züge. Der erste Zug war unter anderem zuständig für die „Bekämpfung von Schmuggel und Spekulation“, für die Aufdeckung des „Organisationsversandes“ und die Inhaltskontrolle bzw. Überprüfung beanstandeter Sendungen. Der zweite Zug war für die Röntgenkontrolle der Ein - und Ausfuhren zuständig. Der dritte Zug führte die Inhaltskontrolle bei Einfuhren und Ausfuhren von und nach der Bundesrepublik und Westberlin durch. Der vierte Zug schließlich kontrollierte den Inhalt bei Ein - und Ausfuhren von und nach dem restlichen Ausland und bei Päckchen und Paketen, die keine Geschenksendung darstellten. Bei diesen war er für die Gebührenerhebung zuständig. Darüber hinaus wurde ihm eine äußerst bedeutende Funktion zugedacht : Er fungierte als Kontrollinstanz für Literatur, die in den Päckchen und Paketen verschickt wurde.156 1983 standen den 836 Zöllnern, die in Postzollämtern arbeiteten, zahlreiche Postmitarbeiter zur Verfügung, die sowohl für den An - und Abtransport als auch für das Öffnen und Schließen der Sendungen zuständig waren. Die Zollkontrolleure waren ihnen gegenüber weisungsbefugt. Die Zöllner selbst unterstanden wiederum Mitarbeitern der sogenannten Abteilung Postzollfahndung.157 Diese 360 PZF - Kontrolleure ( Stand 1983) gehörten ausnahmslos der Hauptabteilung II des MfS an.158 Abbildung 3 verdeutlicht die Organisationsstruktur der Postzollämter. Umfassend wird darauf im Kapitel IV eingegangen. 155 Befehl 5/70 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 23. 1. 1970 ( BStU, MfS, BdL / Dok. 001389, 1. Ex., Bl. 1). 156 Grube, Entwicklung von Zöllen, S. 189. 157 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 23). 158 Vgl. ebd., Bl. 20.

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Vom Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs zur Zollverwaltung

Abb. 3 : Struktur der Postzollämter159

159 Vgl. Grube, Entwicklung von Zöllen, S. 322–394.

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Die Struktur der Zollverwaltung

2.4

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Binnenzollämter

Die Binnenzollämter ( BZÄ ) waren verantwortlich für die Abfertigung von Ausund Einfuhrsendungen im Binnenland. Der überwiegende Teil der von den BZÄ abgefertigten Güter waren Export - und Importgüter. Die zur Abfertigung vorgesehenen Sendungen wurden durch die BZÄ auf Menge, Sortiment, Qualität, Wert und Verpackung überprüft und mit den Genehmigungsdokumenten verglichen. Eine besondere Bedeutung kommt den BZÄ bei den Kontrollen von Ausfuhrsendungen zu. Im Gegensatz zu Einfuhrsendungen erfolgte bei Ausfuhrsendungen an den Grenzzollämtern in der Regel keine erneute Kontrolle, es sei denn ein besonderes Verdachtsmoment machte dies erforderlich. Somit wurden Exportsendungen im Allgemeinen selbstständig durch die BZÄ für die Ausfuhr abgefertigt. Die Leiter der Binnenzollämter konnten ab 1986 in Abstimmung mit dem MfS Handelswaren zum Versand freigeben, ohne dass zuvor Kontrollen erfolgten. Dafür wurden an die betreffenden Außenhandelsbetriebe Genehmigungen zum Eigenversand mit zwei Jahren Gültigkeit ausgestellt.160 Anzahl und Aufbau der Binnenzollämter unterlagen bis Mitte der 1960er Jahre Schwankungen. Dann kam es zu einer Neugestaltung des binnenzollamtlichen Kontrollsystems. Vor allem kleine BZÄ, die nicht ausgelastet waren, wurden aufgelöst und stattdessen sogenannte Stützpunkte gegründet.161 Im Jahr 1985 existierten 18 Binnenzollämter mit rund 85 Stützpunkten. Letztere wurden an großen Außenhandelsunternehmen angesiedelt, um direkt vor Ort die Kontrollen vornehmen zu können. Auch auf einigen Großbaustellen, an denen Firmen aus dem westlichen Ausland Industrieanlagen errichteten, waren Stützpunkte vorhanden, um direkt auf der Baustelle die Kontrolle von Maschinen, Ausrüstungen und Zubehör vornehmen zu können.162 Anders als an den Grenzübergangsstellen und den Postzollämtern war an den Binnenzollämtern keine Abteilung der Staatssicherheit für den Kontrollprozess mit verantwortlich und gegenüber den Zöllnern weisungsbefugt. Stattdessen erfolgte die Koordinierung der Arbeit der BZÄ mit dem MfS über einen dafür zuständigen Mitarbeiter der Abteilung VI des MfS in den Bezirksver waltungen.163 In den Quellen sind keine Hinweise zu finden, dass die Binnenzollämter intensiv für die „politisch - operative Arbeit“ der Staatssicherheit herangezogen wurden. Sie werden daher nur an dieser Stelle beschrieben, um so die grundsätzliche Struktur der Zollver waltung in den Jahren 1972 bis 1990 zu komplettieren und abzuschließen. 160 Vgl. BVfS Leipzig vom 19. 3. 1987 : Argumentation zu den neuen Methoden der Abfertigung von Handelsware durch die Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, BV Leipzig, Abt. XX 02103/03, Bl. 17 f.). 161 Vgl. Leiter der BV Zoll Leipzig an den 1. Stellvertreter des Leiters der Hauptver waltung der Zollver waltung der DDR vom 14. 8. 1964, Bl. 1–13 ( BArch, Dl 203, Az. 00–07–01, Ka. 63). 162 Vgl. Lesematerial „Zu den Hauptaufgaben und der Struktur der Zollver waltung der DDR“ vom September 1985 ( BStU, MfS, HA VI 10656, Bl. 18). 163 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 20).

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III. Das Ministerium für Staatssicherheit Die Staatssicherheit hatte einen besonderen Stellenwert im Herrschaftssystem der SED - Diktatur. Dies lässt sich anhand ihrer elitären Stellung innerhalb der „bewaffneten Organe“ nachweisen und zeigt sich zudem im Selbst - und Feindbild des MfS sowie im Verhältnis zur SED. Bevor in Kapitel IV mit der detaillierten Beantwortung der zentralen Fragestellung begonnen wird, soll vorab geklärt werden, was genau unter dem Begriff „politisch - operative Arbeit“ zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang werden Haupttätigkeitsfelder jener Abteilungen der Staatssicherheit in ihren Grundzügen vorgestellt, die besonders eng mit dem Zoll verbunden waren. Dabei muss beachtet werden, dass sich die Formen der Herrschaftspraxis in festgelegten Untersuchungszeitraum (1970er und 1980er Jahre ) verändert haben. Im Gegensatz zu den Anfangsjahren der DDR, in denen die Staatssicherheit vor offener Gewalt und Repression gegen Andersdenkende nicht zurückschreckte, bekam die „politisch - operative Arbeit“ in den folgenden Jahrzehnten einen zunehmend subtileren Charakter.

1.

Verortung des MfS im Herrschaftssystem der DDR - Diktatur

1.1

Die „bewaffneten Organe“ – entscheidende Machtfaktoren der SED - Diktatur

In der DDR - Forschung wird auch rund zwei Jahrzehnte nach der Wieder vereinigung noch immer kontrovers debattiert, was der Einparteienherrschaft der SED über vier Jahrzehnte hinweg die Existenz sicherte, was die Diktatur im Innersten zusammenhielt. Zu den umstrittensten Faktoren gehört vor allem der Charakter und Grad der Loyalität, den die Bevölkerung dem System entgegenbrachte. Weitgehend unstrittig ist dagegen, dass die eigentlichen Säulen der Macht nicht auf einer wie auch immer gearteten Zustimmung oder Duldung des Systems durch die Allgemeinheit basierten. Mitentscheidend für die Machterhaltung der SED - Diktatur waren neben der Staatspartei selbst mit ihren rund 2,3 Millionen Mitgliedern1 jene Faktoren, die dazu beitrugen, Freiheit durch Zwang zu ersetzen und Widerstand gegen das politische System nötigenfalls mit Gewalt zu unterdrücken.2 „Die bewaffnete Macht in ihrer institutionalisierten Form bildete das stählerne Korsett des SED - Staates.“3 Die Rote Armee war dabei nicht nur zu Beginn, sondern zu jeder Zeit ihr Rückgrat. Ihr Nichteingreifen während der Friedlichen Revolution war daher auch entscheidend für den Sturz des Regimes. Über 40 Jahre hinweg waren mehr als 400 000 Sowjetsol1 2 3

Die Zahl bezieht sich auf den Zeitraum der 1980er Jahre. Vgl. Sabrow, Macht und Herrschaft, S. 31. Vgl. ebd., S. 28. Diedrich / Ehlert / Wenzke ( Hg.), Handbuch, S. XI.

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Das Ministerium für Staatssicherheit

daten auf dem Boden des „Arbeiter - und - Bauern - Staates“ stationiert. Für die SED - Spitze bildete die Unterstützung der Moskauer Führung eine unabdingbare Handlungsgrundlage. „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen“, dieser Leitspruch des dritten Kongresses der Gesellschaft für Deutsch - Sowjetische Freundschaft aus dem Jahr 1951 hatte für die Machthaber der DDR bis zum Aufkommen von Glasnost und Perestroika Gültigkeit. Nach sowjetischem Vorbild stand ihnen in Form der „bewaffneten Organe“ ein mächtiger Gewaltapparat zur Herrschaftsausübung und Herrschaftssicherung – nach innen wie nach außen – zur Verfügung. Der massive Auf - und Ausbau der bewaffneten Kräfte erfolgte unmittelbar nach der Systemkrise aufgrund des Volksaufstands vom 17. Juni 1953. Zunächst wurden der Volkspolizei, dem MfS, den Kampfgruppen, dem AKW bzw. AZKW und auch den militärischen Verbänden der Kasernierten Volkspolizei in erster Linie Schutz - und Sicherungsaufgaben nach innen zugedacht.4 Mit der Gründung der Nationalen Volksarmee per Gesetz vom 18. Januar 1956 schuf die Führung dann den militärische Kern der Landesverteidigung und baute ihn in den 1960er Jahren weiter aus. Auch das Ministerium für Staatssicherheit nahm Funktionen der äußeren Sicherheit war. Vor allem aber entwickelte es sich zum wichtigsten innenpolitischen Repressionsinstrument der SED.5 Dementsprechend vielseitig waren seine Kernaufgaben : Die Staatssicherheit agierte als politische Geheimpolizei, als Spionageabwehr und Auslandsnachrichtendienst und als strafprozessuales Untersuchungsorgan. Darüber hinaus wurden dem MfS eine Reihe weiterer, über wiegend polizeilicher Aufgaben übertragen. Sie reichten vom Personenschutz für DDR - Funktionäre über Passkontrollen an den Grenzübergangsstellen bis zur „Absicherung“ von geheimen Außenhandelsaktionen.6

1.2

„Tschekisten“ – Das Selbst - und Feindbild des MfS

Nach den Wirren der russischen Oktoberrevolution wurde am 20. Dezember 1917 eine „außerordentliche Kommission zum Kampf gegen Konterrevolution und Sabotage“ – kurz : „Tscheka“ – gebildet. Sollte sie ursprünglich als „zeitweiliges Instrument des revolutionären Terrors im Bürgerkrieg“7 dienen, ging aus ihr schließlich mit dem „Glawnoje Polititscheskoje Uprawlenije“ ( GPU ) und dem „Komitet Gossudarstwennoy Besopasnosti“ ( KGB ) die sowjetische Staatssicherheit her vor. Angeführt wurde die „Tscheka“ von Felix Edmundowitsch Dzierzynski. Unter seiner Führung entwickelten sie und ihre Nachfolger sich in der Stalin - Ära zu Institutionen des gesellschaftlichen und innerparteilichen Massenterrors. Auf die „Tscheka“ berufend, bezeichneten sich die Mitarbeiter des MfS selbst als „Tschekisten“ und gaben ihrem Wachregiment den Namen des 4 5 6 7

Ebd., S. 24. Vgl. Gieseke, Ministerium, S. 371. Vgl. ebd. Ebd.

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Verortung des MfS im Herrschaftssystem

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ersten sowjetischen Geheimdienstleiters. Das Selbstbild des MfS wurde durch das sowjetische Pendant entscheidend mitbestimmt. In der Gründungsphase der Staatssicherheit waren sowjetische Instrukteure allgegenwärtig. Dem Minister bzw. Staatssekretär standen sowjetische Chefberater zur Seite, sowjetische Geheimdienstleute nahmen an Sitzungen des Kollegiums8 teil, auch in allen Diensteinheiten waren sie präsent – und hatten im Zweifelsfall das letzte Wort.9 Erst im Jahr 1958 wurde die Zahl der sowjetischen Berater drastisch reduziert. Die verbliebenen 32 Verbindungsoffiziere ( VO ) hatten aber weiterhin erheblichen Einfluss. Zudem gab es auf allen Ebenen – vom Minister bis zu den einzelnen Hauptabteilungen – eine enge Kooperation zwischen den Geheimdiensten der UdSSR und der DDR. Die Staatssicherheit der DDR verstand sich selbst ganz im Geist der sowjetischen Tradition als „spezielles Organ der Diktatur des Proletariats, das in der Lage ist und über alle Mittel verfügt, unter Führung der Partei gemeinsam mit den anderen staatlichen Organen und bewaffneten Kräften und in enger Verbundenheit mit den Werktätigen der Arbeiter - und - Bauern - Macht und die revolutionäre Entwicklung zuverlässig gegen jede konterrevolutionäre Tätigkeit innerer und äußerer Feinde [...] zu schützen sowie die innere Sicherheit und Ordnung allseitig zu gewährleisten“.10 Zum Feindbild des MfS heißt es im „Wörterbuch der Staatssicherheit“ unter anderem : „Das tschekistische F[ eindbild ] ist eine spezifische Erscheinungsform des auf der marxistisch - leninistischen Analyse des Klassenkampfes und der der Arbeiterklasse und dem Sozialismus antagonistisch gegenüberstehenden feindlichen Klassenkräfte beruhenden wissenschaftlichen Feindbildes der Arbeiterklasse. Es beinhaltet dessen Bestandteile und wird spezifisch geprägt durch die im konspirativen Kampf gegen den subversiven Feind gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse. [...] Konkrete und gesicherte Erkenntnisse über den Feind und die auf ihnen beruhenden tiefen Gefühle des Hasses, des Abscheus, der Abneigung und Unerbittlichkeit gegenüber dem Feind sind außerordentlich bedeutsame Voraussetzungen für den erfolgreichen Kampf gegen den Feind.“11 Innerhalb der Arbeiterklasse gab es per definitionem keine Feinde. Vielmehr wurde jegliche Form des Widerstands gegen das Macht - und Ideologiemonopol der Staats - und Parteiführung in den Zusammenhang mit einem äußeren Feind gebracht und kriminalisiert. Feinde waren laut Definition der Staatssicherheit „Personen, die in Gruppen oder individuell dem Sozialismus wesensfremde politisch - ideologische Haltungen und Anschauungen absichtsvoll entwickeln und in ihrem praktischen Verhalten durch gezieltes Her vorrufen von Ereignissen oder 8 Das Kollegium war das oberste Führungsgremium des MfS. Es stand als beratende Einrichtung dem Minister für Staatssicherheit zur Seite. Die Mitglieder wurden durch den Minister berufen. Vgl. Statut des Ministeriums für Staatssicherheit vom 30. 7. 1969. In : Engelmann / Joestel, Grundsatzdokumente, S. 187. 9 Vgl. Süß, Schild und Schwert, S. 89. Vgl. S. 72. 10 Erich Mielke, Mit hoher Verantwortung für den zuverlässigen Schutz des Sozialismus. In : Einheit, 30 (1975) 1, S. 43. Zit. nach Gieseke, Ministerium, S. 371. 11 Suckut ( Hg.), Wörterbuch, S. 121 f.

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Das Ministerium für Staatssicherheit

Bedingungen, die die sozialistische Staats - und Gesellschaftsordnung generell oder in einzelnen Seiten gefährden oder schädigen, eine Ver wirklichung dieser Haltungen und Anschauungen anstreben“.12 Zu den Feinden zählten „Personen aus kapitalistischen Staaten, akkreditierte ständige und Reisekorrespondenten imperialistischer Publikationsorgane sowie Angehörige der drei westlichen [ Alliierten ]“.13 Ihr Einfluss auf die DDR wurde vom MfS als eine entscheidende Grundlage für die „Inspirierung und Organisierung fast aller Formen von Feindtätigkeit“14 angesehen. Um diesen Einfluss so gering wie möglich zu halten, bediente sich die Staatssicherheit auch der Potenziale der Zollver waltung, wie sich im nächsten Kapitel zeigen wird. Manche Formen der „Feindtätigkeit“ änderten sich, viele aber waren von großer Kontinuität : Formen von „Imperialismus“, „Sozialdemokratismus“ und „Revisionismus“ wurden ebenso bekämpft wie alle Arten der „ideologischen Diversion“ und der „politischen Untergrundtätigkeit“. Die SED - Führung verkündete ein bestimmtes Feindbild, von der Staatssicherheit wurden anschließend praktische Repressionsmaßnahmen gegen jene Personen entwickelt, die damit in Zusammenhang standen.15 Zur Bewältigung ihres Auftrags standen der Staatssicherheit zuletzt 3,5 Milliarden Mark aus dem Staatshaushalt zur Verfügung.16 Zirka 90 000 hauptamtliche und 180 000 inoffizielle Mitarbeiter standen am Schluss zu ihren Diensten. In diesem Sinne verfügte das MfS tatsächlich über „alle Mittel“, wie Erich Mielke es im obigen Zitat ausdrückte. Es war in diesem Sinne auch „eng mit den Werktätigen verbunden“ – in keinem bisher bekanntem anderen Land der Welt war die relative Zahl der Spitzel unter der Bevölkerung höher als in der DDR. Derart ausgestattet begriffen sich die Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes als Teil einer Eliteeinheit – was sie zweifelsohne auch waren – die zu jeder Zeit den Führungsanspruch der SED garantieren sollte.

1.3

„Schild und Schwert der Partei“ – Das Verhältnis zwischen SED und MfS

Die Frage nach der Beziehung zwischen der Staatspartei und ihrem Geheimdienst ist vielschichtig und kann im Rahmen dieser Arbeit nur umrissen werden. Von der Gründung bis zum Niedergang der DDR unterlag das Verhältnis permanenten Veränderungen. Besonders zu Beginn und gegen Ende der 40 - jähri12 Vgl. ebd. 13 Studienmaterial der JHS zum Thema „Politisch - rechtliche Grundfragen über bevorrechtigte Personen, akkreditierte ständige sowie Reisekorrespondenten aus dem nichtsozialistischen Ausland und Angehörige der MVM / MI sowie einige daraus resultierende Anforderungen an das Verhalten der hauptamtlichen Inoffiziellen Mitarbeiter“, o. D. (BStU, MfS, ZA JHS 12/85, Bl. 4). 14 Ebd., Bl. 27. 15 Vgl. Süß, Verhältnis, S. 234. 16 Vgl. Diedrich / Ehlert / Wenzke ( Hg.), Handbuch, S. 23.

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gen Diktatur gab es einschneidende Modifikationen. Auch lässt sich das Verhältnis zwischen SED und MfS auf der zentralen Ebene nicht ohne Weiteres auf die Peripherie des Systems ( Bezirke, Kreise und Betriebe ) übertragen. Nichtsdestotrotz gab es jedoch auch viele Grundsätze, welche das Verhältnis über lange Zeit bestimmten. Für den Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, war das MfS ein „zuverlässiger Schild und scharfes Schwert der Partei“.17 Seit jeher war die Partei Rückgrat der Diktatur und Auftraggeberin des MfS. Die Partei kontrollierte darüber hinaus den gesamten Staatsapparat und funktionalisierte diesen für ihre Ziele um.18 Als Bestandteil des Staatsapparats garantierte die Staatssicherheit jedoch nicht nur die „führende Rolle“ der SED im Staat, sondern sicherte auch die Macht einer kleinen Gruppe von Funktionären an der Parteispitze. Bereits Anfang der 1950er Jahre konnte der Vorsitzende der Sicherheitskommission des Politbüros, Walter Ulbricht, in Ausnahmefällen dem MfS genehmigen, gegen Mitglieder und Kandidaten des ZK und Mitglieder der Büros der Bezirksleitungen der SED operative Maßnahmen einzuleiten. Insofern handelte es sich beim MfS auch um einen „Parteigeheimdienst“.19 Zudem standen alle Politbüromitglieder durch Leibwächter und Fahrer der Staatssicherheit unter dem Schutz – und damit der Kontrolle – der Staatssicherheit. Perfektioniert wurde dieser Schutz, als die Politbüromitglieder im Jahr 1960 in die Waldsiedlung Wandlitz umgesiedelt wurden. Neben der Bewachung lag fortan auch die Versorgung und die gesamte Infrastruktur in den Händen von Mitarbeitern der Hauptabteilung Personenschutz des MfS. Dies sollte jedoch nicht zu der Ansicht verleiten, dass die Staatssicherheit der eigentliche Machtträger in der DDR gewesen sei. Der Zugriff des Geheimdienstes auf den Parteiapparat wurde schon früh politisch reguliert. Bereits in ihrer ersten Sitzung untersagte die erwähnte Sicherheitskommission des Politbüros der Staatssicherheit, den SEDParteiapparat auszuspionieren. „Diese Vorschrift wurde offenbar bis zum Ende beibehalten, denn IM - Vorgänge wurden regelmäßig eingestellt, wenn ein Kader eine höhere Parteifunktion [ übernahm ].“20 Die Unterordnung des Geheimdienstes unter die Herrschaft der Partei ging in letzter Konsequenz so weit, dass mit dem Legitimationsverlust der Partei auch das MfS unterging. Bei der Staatssicherheit kann also keinesfalls von einem „Staat im Staate“ gesprochen werden. „Am deutlichsten widerlegt wird diese Sicht durch die Vorgänge um den Zerfall des MfS am Ende des SED - Regimes, als mit dem Verlust der SED - Führung als Machtzentrum des MfS und in Folge des Fehlens einer ‚institutionellen Eigenlogik‘ dieses scheinbar so mächtigen Apparats ( Walter Süß ), die ‚grauen Kampfgenossen‘, wie Wolf Biermann sie nannte, nahezu widerstandslos ihre Dienststellen räumten und sich nur noch um ihr materielles Fortkommen kümmerten.“21 17 18 19 20 21

Erich Mielke. Zit. nach Materialien der Enquete - Kommission, Band VIII, S. 10. Vgl. Suckut / Süß ( Hg.), Staatspartei und Staatssicherheit, S. 8. Vgl. ebd., S. 105. Süß, Verhältnis, S. 226. Ammer, SED, S. 652.

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Das Ministerium für Staatssicherheit

Die grundsätzlichen institutionellen Regelungen hinsichtlich des Verhältnisses von SED und Staatssicherheit wurden bereits in den 1950er Jahren getroffen. „In dieser Phase wurden auch die entscheidenden politischen Weichen hinsichtlich des Beitrags des MfS zur Sicherung der Diktatur gestellt.“22 Laut dem ersten „Statut des Staatssekretariats für Staatssicherheit“ aus dem Jahr 1953 erhielt die Staatssicherheit von Beginn an unter anderem das Recht, „sich der Möglichkeit zu bedienen, die andere Polizeiorgane oder sonstige Einrichtungen haben, um die feindliche Tätigkeit erfolgreich zu bekämpfen“.23 Dabei galten für das Amt folgende Arbeitsgrundlagen : „Die Beschlüsse und Direktiven des ZK bzw. des Politbüros der SED, die Gesetze und Verordnungen bzw. die Anweisungen des Ministerpräsidenten sowie die Befehle und Anweisungen des Ministers des Innern.“24 Die festgelegte Reihenfolge verdeutlicht zugleich eine Rangfolge : Die parlamentarische Kontrolle des MfS war der Kontrolle durch leitende Parteiorgane nachgeordnet. Diese Hierarchie wurde im zweiten Statut des MfS bestätigt, das am 30. Juli 1969 von dem Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates, Erich Honecker, unterzeichnet wurde. Als Handlungsgrundlage wurde bestimmt : „Das MfS ver wirklicht seine Aufgaben auf der Grundlage des Programmes der S.E.D.; der Beschlüsse des Z.K. und des Politbüros des Z.K. der S.E.D.; der Verfassung der D.D.R., der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer; der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates; der Beschlüsse und Anordnungen des N.V.R. und der Befehle, Direktiven und Weisungen seines Vorsitzenden; der Verordnungen und Beschlüsse des Ministerrates und anderer allgemeinverbindlicher Richtlinien.“25 Jeder Kader der Staatssicherheit musste Mitglied der Partei oder zumindest des Jugendverbandes sein. So heißt es bereits 1953 in einer Dienstanweisung : „Die Einstellung in das Staatssekretariat für Staatssicherheit wird aus überprüften und politisch einwandfreien Mitgliedern der SED und FDJ vorgenommen.“26 Die politische Anleitung durch die Parteiorganisation in der Staatssicherheit war jedoch weniger umfassend als die direkte Lenkung durch die SEDSpitze, die von Anfang an zentrale operative Tätigkeiten vorgab.27 Nach dem 17. Juni 1953 wurde eine Sicherheitskommission des Politbüros ( Vorgänger des Nationalen Verteidigungsrates ) und eine Abteilung für Sicherheitsfragen im Zentralkomitee ( ZK ) der SED eingerichtet. Der Nachfolger von MfS - Minister 22 Süß, Verhältnis, S. 216. 23 Statut des Staatssekretariats für Staatssicherheit vom 15. 10. 1953 ( BStU, MfS, ZA SDM 1574). 24 Ebd. 25 Ebd. 26 Dienstanweisung Nr. 43/53 vom 6. 11. 1953. Zit. nach Gieseke, Die Hauptamtlichen 1962, S. 950. 27 Einschränkend muss erwähnt werden, dass besonders in der ersten Phase nach Gründung des MfS dem sowjetischen Geheimdienst KGB ein erheblicher Einfluss zukam. Zudem wirkte der erste Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaisser, dem Einfluss des Ersten Sekretärs entgegen. Er war im Politbüro für die Sicherheitsapparate zuständig. Damit kontrollierte sich die Staatssicherheit in den ersten Jahren teilweise politisch selbst.

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Wilhelm Zaisser, Ernst Wollweber, wurde nicht in diesen engsten Machtzirkel aufgenommen. Auch mit dem Amtsantritt von Erich Mielke als Minister für Staatssicherheit änderte sich daran zunächst nichts. Mielke blieb vorerst einfaches ZK - Mitglied. Erst als Erich Honecker neuer Erster Sekretär geworden war, wurde Mielke als Kandidat in das Politbüro aufgenommen. Fünf Jahre später wurde er Vollmitglied. „Mit dieser formellen Aufwertung der Spitze der Staatssicherheit kombinierte Honecker ein informelles Verhältnis, analog dem, das sein Vorgänger mit Mielke gepflegt hatte. Entscheidungen, die das MfS betrafen, wurden – von wann ab, ist noch nicht eindeutig zu sagen – jeglichen Restbeständen ‚kollektiver Führung‘ entzogen und in den sogenannten Dienstagsgesprächen unter vier Augen geregelt. Zudem entschied Honecker darüber, welche Informationen aus der Staatssicherheit, die ihm Mielke zukommen ließ, auch seinen anderen Genossen im Politbüro zugänglich gemacht wurden.“28 Es waren also formal drei Einrichtungen, mit deren Hilfe die Partei ihren politischen Einfluss auf das MfS sicherstellte : die Abteilung für Sicherheitsfragen im ZK der SED, der Nationale Verteidigungsrat und die Parteiorganisation der SED. Die ZK - Abteilung für Sicherheitsfragen Im August 1953 wurde im Zentralkomitee eine Abteilung für Sicherheitsfragen gegründet, um die Kontrolle der Parteiarbeit in den „bewaffneten Organen“ zu gewährleisten. Für die Staatssicherheit waren ursprünglich zwei sogenannte Sektoren, ab 1957 ein Sektor verantwortlich. Dieser hatte jedoch keinen Einfluss auf die operative Arbeit, sondern er gab Anleitungen für die politische Arbeit in den Bezirksver waltungen und Kreisdienststellen und überprüfte diese in sogenannten „Brigadeeinsätzen“. Von einer echten Kontrolle durch den Parteiapparat kann jedoch nicht gesprochen werden. Die zuständigen Leiter des „Sektors für Staatssicherheit“ waren seit 1957, als Oberst Artur Hofmann von der HA III des MfS in die ZK - Abteilung für Sicherheitsfragen wechselte, durchweg Offiziere im besonderen Einsatz, die ihr Herkunftsministerium politisch kontrollieren sollten. Eine wesentliche Aufgabe der Abteilung für Sicherheitsfragen blieb bis zum Schluss jedoch die Kontrolle der Kaderpolitik im MfS. Kaderentscheidungen auf der Ebene der Nomenklatur wurden gemeinsam von dem Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung des Staatssicherheitsdienstes und der Abteilung für Sicherheitsfragen vorbereitet, ehe sie dem Minister vorgelegt wurden. Je nach Dienststellung und Dienstgrad waren dann noch weitere Gremien zuständig, bevor es zu einer endgültigen Entscheidung kam.29 28 Süß, Verhältnis, S. 218 f. 29 So fiel beispielsweise im Jahr 1986 die Position des Ministers für Staatssicherheit sowie die Ernennung, Beförderung und Entlassung von Generälen in die Entscheidungskompetenz des Politbüros. Der Nationale Verteidigungsrat entschied über 31 Positionen, darunter die des stellvertretenden Ministers, einiger Leiter wichtiger Hauptabteilungen sowie aller Bezirksver waltungen. Das Sekretariat des ZK war für den 1. und 2. Sekretär der

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Das Ministerium für Staatssicherheit

Der Nationale Verteidigungsrat Am 10. Februar 1960 wurde der Nationale Verteidigungsrat ( NVR ) der DDR als oberstes staatliches „Organ“ zu Fragen der Landesverteidigung und Mobilmachungsplanung gegründet. Er ging her vor aus einer Sicherheitskommission im Politbüro der SED, die 1953 eingerichtet wurde. „Die Zusammensetzung dieses Gremiums zeigt die Verquickung von Partei - und Staatsfunktionen besonders deutlich : Ihr Vorsitzender war Walter Ulbricht, 1. Sekretär des ZK der SED und 1. Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates. Weitere Mitglieder waren : Otto Grotewohl ( Mitglied des Politbüros und Ministerpräsident ); Willi Stoph ( Mitglied des Politbüros, Innenminister und Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates ); Ernst Wollweber ( Mitglied des ZK und Staatssekretär für Staatssicherheit ). Daneben gehörten ihr drei Mitglieder an, die allein Parteifunktionen hatten : Hermann Matern ( Mitglied des Politbüros und Vorsitzender der ZPKK [ Zentrale Parteikontrollkommission ]); Karl Schirdewan ( Mitglied des Politbüros und ZK - Sekretär für die ‚Leitenden Organe der Partei und der Massenorganisationen‘ ); und Gustav Röbelen ( Leiter der ZKAbteilung Sicherheit ).“30

Die Sicherheitskommission war von Beginn an von großer Bedeutung für das Verhältnis von SED und Staatssicherheit. Sie fasste eine Reihe einschneidender Beschlüsse. Unter anderem verfügte sie, dass die Leitung der Staatssicherheit für die Durchführung der Beschlüsse des ZK und des Politbüros verantwortlich sei. Ab 1957 war die Sicherheitskommission auf Weisung des Politbüros für die Anleitung und Kontrolle des MfS zuständig. Diese Festlegung ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen hat sich dadurch das Politbüro selbst teilweise entmachtet, denn der Sicherheitskommission gehörten keineswegs alle seine Mitglieder an, sondern nur ein ausgewählter Kreis um den ersten Sekretär. Zum anderen wurde damit ein „Staatsorgan“ nicht nur politisch, sondern sogar institutionell einem Parteigremium unterstellt, das dafür keine gesetzlichen Grundlagen hatte. Erst mit Gründung des Nationalen Verteidigungsrates ( NVR) wurde das Verhältnis zwischen der SED - Spitze und den „bewaffneten Organen“ wieder gesetzlich formalisiert.31 Die institutionelle Zusammensetzung des 13 - köpfigen Gremiums unterschied sich jedoch nicht wesentlich von seinem Vorgänger. Auch die wesentlichen Funktionen des NVR, die Vorbereitung der Landesverteidigung sowie die „Abwehr konterrevolutionärer Aktionen“ wurden von der Sicherheitskommission übernommen. Allerdings wurden im Gegensatz zur Sicherheitskommission im NVR detaillierte Planungen des MfS kaum besprochen. Vielmehr nahm er den Staatssicherheitsdienst ganz über wiegend im Zusammenhang mit kaderpolitischen Entscheidungen auf die Agenda.

SED - Kreisleitung zuständig. Zur Kontrollnomenklatur der Abteilung für Sicherheitsfragen gehörten unter anderem die stellvertretenden Leiter verschiedener Hauptabteilungen und die Stellvertreter Operativ in den Bezirksver waltungen. Vgl. Süß, Verhältnis, S. 221. 30 Ebd. 31 Vgl. ebd., S. 222.

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Die Parteiorganisation im MfS Auch die Parteiorganisation im MfS diente der Kontrolle durch die SED. Während im Ministerium ab 1953 eine SED - Kreisleitung existierte, waren die Bezirks - und Kreisverwaltungen des MfS den ersten Sekretären der SED - Leitungen untergeordnet. In sämtlichen Diensteinheiten des MfS bestanden SED Grundorganisationen. Operative Fragen wurden auf den Parteiversammlungen spätestens ab 1956 nicht mehr diskutiert. Der damalige Minister für Staatssicherheit, Ernst Wollweber, erließ zu dieser Zeit eine Direktive, nach der es unzulässig war, auf Parteiversammlungen über Namen, Anzahl und Einsatz von IM, über operative Technik, operative Vorgänge und geplante operative Maßnahmen zu sprechen.32 Die Parteiorganisation widmete sich der politischen Erziehung und Disziplinierung der Parteimitglieder. Sie verfügte dafür über erhebliche Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Erziehungsziele, denn ein Parteiausschluss zog automatisch auch die Entlassung aus dem MfS nach sich. Doch auch unterhalb dieser Ebene konnte die Parteiorganisation die Kaderarbeit in starkem Maße mitbestimmen, da sie in die dienstliche Beurteilung einzelner Mitarbeiter eingebunden war. Der hauptamtliche Parteiapparat wurde im Laufe der Jahre immer weiter ausgebaut und umfasste 1989 160 feste Mitarbeiter in der Hauptver waltung sowie jeweils zwischen sechs und 13 hauptamtliche Mitarbeiter in den einzelnen Bezirksver waltungen des MfS. Die ersten Sekretäre der SED - Kreisleitung im MfS ( zuständig für die Parteiarbeit in der Hauptver waltung ) leiteten zwar ab 1953 keine Diensteinheit, aber sie hatten einen militärischen Rang und waren Mitglieder des höchsten beratenden Gremiums des MfS, des Kollegiums. Die Mitglieder der Kreisleitung ( zuständig für die Parteiarbeit des MfS auf Bezirks - und Kreisebene ) waren mehrheitlich Führungskader. Zahlen aus dem Jahr 1986 zeigen, dass von den 75 Mitgliedern 40 eine Leitungsfunktion im MfS innehatten.33 Die anderen Mitglieder waren zumeist hauptamtliche Parteifunktionäre. „Schon diese Zusammensetzung, die im Umbruch 1989 heftig beklagt wurde, garantierte, dass dienstliche Hierarchie und Parteihierarchie einander verstärkten.“34

2.

Die „politisch - operative Arbeit“ des MfS

Wie aufgezeigt, wurde dem Ministerium für Staatssicherheit seitens der SED bereits in den 1950er Jahren eine herausragende Rolle bei der Verankerung der Einparteienherrschaft zugesprochen. Personell und organisatorisch war die Staatssicherheit fest mit den höchsten Entscheidungsträgern des Regimes verbunden, ohne jedoch zu einem „Staat im Staate“ zu werden. Im Gegenteil : Die 32 Vgl. Direktive Nr. 1/56 vom 10. 2. 1956 ( BStU, MfS, ZA DSt 101143). Zit. nach Süß, Verhältnis, S. 224. 33 Vgl. Namensliste zur 18. Kreisdelegiertenkonferenz am 14. und 15. 2. 1986 ( BStU, MfS, ZA Neiber 89, Bl. 56–62). 34 Vgl. Süß, Verhältnis, S. 225.

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Unterordnung des MfS unter die Parteispitze stand zu keiner Zeit in Frage. Die Staatssicherheit war die bedeutendste Stütze des Systems und blieb es bis in den Untergang der DDR. Wie aber hat die Sicherung der SED - Diktatur durch das MfS konkret stattgefunden ? Die Mitarbeiter des MfS bezeichneten sämtliche Aktivitäten, die diesem Ziel dienten, als „politisch - operative Arbeit“.

2.1

Zum Begriff der „politisch - operativen Arbeit“

Wohl kaum ein anderer Terminus taucht in den Akten des Ministeriums für Staatssicherheit so regelmäßig auf, wie jener der „politisch - operativen Arbeit“. An der Juristischen Hochschule des MfS wurde eigens ein „Wörterbuch der politisch - operativen Arbeit“ verfasst und bis zur letzten Auf lage im Jahr 1985 ständig modifiziert und erweitert.35 Am Ende umfasste das Wörterbuch 855 Termini.36 Die „politisch - operative Arbeit“ umfasste demnach sämtliche Aktivitäten der Staatssicherheit, die der Durchsetzung der Sicherheitspolitik der SED dienten – von der Abschöpfungstätigkeit bis hin zu strafprozessualen Zwangsmaßnahmen. Sie sollten allesamt folgende Hauptaufgabe des MfS erfüllen helfen : Aufklärungsarbeit und Abwehrarbeit nach Außen wie im Inneren der DDR zur „Erhöhung der Ordnung und Sicherheit in allen gesellschaftlichen Bereichen und Verhinderung schadensverursachender Handlungen bei ständiger Gewährleistung des Primats der Vorbeugung“.37 In den internen Bestimmungen der Staatssicherheit wurden konkrete Ziele festgelegt, die der Erfüllung dieser Hauptaufgabe dienten : „Feindliche Kräfte und gegnerische Stellen“ sollten gezielt unter wandert werden, „labile, schwankende und feindlich - negative Personenkreise und Einzelpersonen“ unter Kontrolle gebracht und „operativ bedeutsame Bereiche, Objekte, Territorien und Prozesse“38 abgesichert werden. Als Mittel dienten mitunter die Klärung der Frage „Wer ist wer ?“39, die Untersuchung „erkannter Feindtätigkeit in OV und OPK“40 sowie die „Gewährleistung der Geheimhaltung, Konspiration41 und Sicherheit“ der Arbeit des MfS. 35 36 37 38 39

Vgl. Suckut, Wörterbuch, S. 7. Ebd., S. 15. Ebd., S. 52. Ebd. Das MfS erhält nach dem Grundlagenvertrag zwischen DDR und BRD neue Arbeitsgebiete, so zum Beispiel die Über wachung der Transitstrecken. Neuer Schwerpunkt der Sicherheitsdoktrin bildet die flächendeckende Überwachung der Bevölkerung unter dem Motto ‚Wer ist wer ?‘. Vgl. Süß, Staatssicherheit im letzten Jahrzehnt, S. 23–26. 40 Operative Personenkontrolle ( OPK ) : „Operativer Prozess zur Klärung operativ bedeutsamer Anhaltspunkte. Politisch - operative Zielstellungen der OPK sind : Erarbeitung des Verdachts der Begehung von Verbrechen gemäß erstem oder zweitem Kapitel des StGB – Besonderer Teil – oder einer Straftat der allgemeinen Kriminalität, die einen hohen Grad an Gesellschaftsgefährlichkeit hat und in enger Beziehung zu den Staatsverbrechen steht bzw. für deren Herausarbeitung das MfS zuständig ist ( zielgerichtete Entwicklung von Ausgangsmaterial für Operative Vorgänge ), Erkennen von Personen mit feind-

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Realisiert wurde die „politisch - operative Arbeit“ durch „die operativen Kräfte ( operative Mitarbeiter, Offiziere im besonderen Einsatz und IM / GMS ), die politisch - operativen Prozesse, Mittel und Methoden ( IM - Arbeit als Kernstück der politisch - operativen Arbeit, Sicherheitsüberprüfung, OPK, Vorgangsbearbeitung, Ermittlung, Beobachtung, Untersuchungstätigkeit, Passkontroll - und

41

lich - negativer Einstellung bzw. operativ bedeutsamen Verbindungen und Kontakten, von denen unter bestimmten Bedingungen und Umständen feindlich - negative Handlungen zu erwarten sind, sowie das rechtzeitige Verhindern bzw. Einschränken ihres entsprechenden Wirksamwerdens, vorbeugende Sicherung von Personen, die in sicherheitspolitisch besonders bedeutsamen Positionen oder Bereichen tätig sind oder tätig werden sollen und bei denen aufgrund vorhandener Ansatzpunkte die Gefahr eines Missbrauches durch den Gegner besteht und damit das rechtzeitige Erkennen und die wirksame Bekämpfung feindlicher Angriffe bzw. feindlich - negativer Handlungen durch diese Personen. Entsprechend dieser Zielstellung ist die OPK ein wesentlicher Bestandteil der Klärung der Frage ‚Wer ist wer ?‘. In der OPK sind alle notwendigen vorbeugenden, schadensverhütenden Maßnahmen, einschließlich solcher zum rechtzeitigen Erkennen und Beseitigen von feindlich - negativen Handlungen, begünstigenden Umständen und Bedingungen einzuleiten und zu realisieren. Die Ergebnisse der OPK sind ständig zu analysieren und einzuschätzen, um rechtzeitig die Kontrollziele zu präzisieren und die erforderlichen politisch - operativen Maßnahmen einzuleiten oder die OPK abschließen zu können.“ Zit. nach Suckut, Wörterbuch, S. 271–272. Operativer Vorgang ( OV ) : „Bezeichnung für 1. : Den einzelnen Prozess der Vorgangsbearbeitung, in dem der Verdacht strafbarer Handlungen ( Staatsverbrechen oder operativ bedeutsame Straftat der allgemeinen Kriminalität ) einer oder mehrerer, bekannter oder unbekannter Person( en ) geklärt wird. Das Anlegen, die Bearbeitung und der Abschluss des OV erfolgt nach den Grundsätzen der Vorgangsbearbeitung und entsprechend den für jeden OV festzulegenden Zielen der Bearbeitung. OV können sein Zentrale Operative Vorgänge ( ZOV ), Teilvorgänge ( TV ) und einzelne Vorgänge ( OV ). Der OV sowie die in ihm genannten Verdächtigen, Feindorganisationen, feindlichen Kräfte sowie andere operativ relevante Personen sind entsprechend den dienstlichen Bestimmungen und Weisungen in der Abt. XII in dafür festgelegter Weise registriert. 2. : Die durch die Abt. XII ausgegebene( n ) Akte( n ), in der ( denen ) vor allem enthalten sind : Formblätter zur Erfassung von Personen, Objekten usw., Eröffnungsbericht, Sachstandsbericht, Operativpläne und andere Dokumente, Nachweis der in der Bearbeitung erreichten Ergebnisse, insbesondere der erarbeiteten Beweise, Art und Weise des Vorgehens zur Klärung der Verdachtsgründe. Die Aktenführung im OV erfolgt gemäß dienstlichen Bestimmungen und Weisungen.“ Zit. nach ebd., S. 271–273. Konspiration, politisch - operative : „Grundprinzip der politisch - operativen Arbeit, das die Überlegenheit gegenüber dem subversiven feindlichen Vorgehen und die sicherheitspolitische Wirksamkeit der Tätigkeit des MfS mit gewährleistet. Die K. ist gekennzeichnet durch den Einsatz geheimer, dem Feind und der Öffentlichkeit gegenüber verborgener Kräfte, Mittel und Methoden, die Tarnung der politisch - operativen Pläne, Absichten und Maßnahmen, aktives und offensives Handeln zur Überraschung, Täuschung, Ablenkung, Desinformierung des Feindes. [...] Die K. in der politisch - operativen Arbeit dient insbesondere der Gewinnung und Nutzung von operativ bedeutsamen Informationen und Beweisen, der aktiven Realisierung sicherheitspolitisch notwendiger gesellschaftlicher Veränderungen, die Sicherheit und Arbeitsfähigkeit der IM sowie anderer operativer Kräfte und Einrichtungen, der Vorbereitung und Durchführung operativer Prozesse zur Aufdeckung, Zurückdrängung und Liquidierung des Feindes, der Anwendung des gesamten taktischen und technischen tschekistischen Instrumentariums. Für das Verhalten aller operativen Kräfte gelten grundsätzlich Regeln der K., deren Einhaltung durch dienstliche Bestimmungen gefordert ist. [...] Eng mit der K. verbunden sind die Prinzipien der Geheimhaltung und Wachsamkeit, auf die aber die K. nicht reduziert werden darf.“ Zit. nach ebd., S. 215 f.

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Fahndungstätigkeit u. a.), die operativ - technischen Mittel und Methoden, die Leitung der politisch - operativen Arbeit“.42 Einige Bereiche der Staatssicherheit standen aufgrund ihrer konkreten Tätigkeitsfelder in besonders engem Kontakt mit der Zollver waltung der DDR und nutzten sie zur Bewältigung ihrer „politisch - operativen Arbeit“. Die Arbeit dieser ( Haupt - ) Abteilungen wird im Folgenden in ihren Grundzügen vorgestellt.

2.2

Die „politisch - operative Arbeit“ ausgewählter Hauptabteilungen des MfS

Hauptabteilung VI – Grenzkontrollen, Reise - und Touristenverkehr Bereits in der Zeit vor der Entspannungspolitik der 1970er Jahren stand das MfS vor der Herausforderung, ständig wachsende Reiseströme zu kontrollieren. Mit dem Befehl 4/70 des Ministers für Staatssicherheit wurden im Januar 1970 die Abteilungen Passkontrolle und Fahndung, Sicherung des Reiseverkehrs und Zoll - Abwehr zusammengeführt und in der neu gegründeten Hauptabteilung VI vereint. Analog entstanden entsprechende Abteilungen und Referate VI in den Bezirksver waltungen sowie entsprechende Sachgebiete auf Kreisebene. Deren Arbeit beinhaltete zwei grundlegende Tätigkeitsfelder : die Aufgaben der unmittelbaren Passkontrolle an den Grenzübergangsstellen und die politisch - operative Arbeit. Letztere umfasste die Informationsgewinnung unter Ausnutzung der Möglichkeiten der Pass - und Zollkontrolle, die Absicherung des Personals der Zollver waltung und die Über wachung des Tourismus. Die Aufgaben der HA VI waren sehr vielseitig. So schloss die Kontrolle und Abfertigung des grenzüberschreitenden Verkehrs in Zusammenarbeit mit der Zollver waltung der DDR auch Beobachtungsaufgaben zur Verhinderung von „Republikflucht“ sowie Aufgaben aus dem Prozess der „Fahndung, Filtrierung und Vergleichsarbeit“ im Reiseverkehr mit ein. In erster Linie bedeutete dies, nachrichtendienstliche Ausgangsmaterialien zu Personen und Sachverhalten zu erarbeiten, die für das MfS von Interesse waren. Diese Informationen flossen laut Befehl 11/79 unter anderem in das Datennetz SOUD43 mit ein. Darüber hinaus war die HA VI für die Sicherung der Grenzübergangsstellen im Zusammenspiel mit den eingesetzten Kräften – Grenztruppen, Passkontrolleure und Grenzzöllner – federführend verantwortlich. Dies galt insbesondere für die Verhinderung von „Demonstrativhandlungen“ und Anschlägen auf den Grenzübergangsstellen ( GÜSt ) und angrenzenden Bereichen. Auch die westlichen Grenzkontrollstellen sollten durch die HA VI aufgeklärt werden.

42 Ebd., S. 53. 43 SOUD : System der vereinigten Erfassung von Daten über den Gegner. Informationsverbund der Sicherheitsdienste von sechs Warschauer - Pakt - Staaten und drei weiteren verbündeten Ländern ( Kuba, Mongolei, Vietnam ).

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Weiterhin gehörte zu den Aufgaben der Abteilung, Flugzeugentführungen zu verhindern. In Zusammenarbeit mit den Linien44 XXII ( Terrorabwehr ), VIII (Beobachtung von Einzelpersonen, Sicherung der Transitstrecken ) und XIX (Sicherung von Verkehrs - und Nachrichtenverbindungen ) war die HA VI zudem beauftragt, ähnliche Gewaltakte gegen andere Verkehrsmittel, Verkehrswege und Einrichtungen abzuwenden, wenn diese mit dem Ziel der Ausschleusung von Personen begangen werden sollten. Die Aufklärung und Verhinderung von Fluchtvorhaben, die im Rahmen des Reise - und Touristenverkehrs in westliche Staaten sowie in bzw. über sozialistische Staaten begangen wurden, fiel ebenfalls in ihren Aufgabenbereich. In Zusammenarbeit mit der HA VIII sollten „Missbrauchshandlungen“ auf den Transitstrecken verhindert werden. Die „Absicherung“ des Tourismus von und nach der DDR bildete einen weiteren Aufgabenschwerpunkt. Dazu wurden in der Bundesrepublik Organisationen und Institutionen des Reise - und Touristenverkehrs ausgespäht, die Reisen in die DDR und in andere sozialistische Staaten organisierten. Auch touristische Einrichtungen der DDR wie Reisebüros, Interhotels, Campingplätze u. a.m. wurden „politisch - operativ abgesichert“. Mitarbeiter der Abteilung VI über wachten lückenlos Gruppen - und Einzelreisen von Touristen aus westlichen Staaten, die für das MfS von Interesse waren. Zudem registrierten, kontrollierten und über wachten sie auch einreisende Persönlichkeiten des politischen und gesellschaftlichen Lebens westlicher Staaten. Eine weitere bedeutende Aufgaben bestand für die HA VI in der „politisch - operativen Sicherung“ der Zollver waltung der DDR.45 Mit dieser Aufgabe war eine eigenständige Abteilung „Zoll - Abwehr“ betraut. Näheres hierzu wird im Kapitel VI beschrieben. Aufgrund dieser zahlreichen Aufgabenstellungen entwickelte sich die Abteilung VI zum größten operativen Bereich des MfS. Von den 1989 insgesamt 91 015 hauptamtlichen MfS - Mitarbeitern gehörten ihr 7 667 an.46 Alleine die Hauptabteilung VI zählte 2 025 Mitarbeiter.47 Hauptabteilung VIII – Beobachtung, Ermittlung Die Observations - und Ermittlungsarbeit stellte in vielen Abteilungen des Staatssicherheitsdienstes ein gängiges Tätigkeitsfeld dar. Während mit Ermittlungen in der Regel „legendierte Gesprächsführungen“ gemeint waren, um das Wissen von Personen ( Dritten ) über interessierende Personen („Zielpersonen“) „abzuschöpfen“, wurden bei Obser vationen die interessierenden Personen („Zielpersonen“) selbst kontrolliert. Gemeinsam ist beiden Methoden, dass die „Zielper44 Eine Linie war ein vom MfS definiertes Arbeitsgebiet. Die Bezeichnung veranschaulicht, dass die Aufgabenstellung auf geradem Weg von der MfS - Führung bis hinunter zu den kleinsten Dienststellen durchgesetzt werden sollte. Beispielsweise verfolgte die HA VI die selben Aufgaben wie auch die nachgeordneten Abteilungen VI in den Bezirken und Kreisdienststellen. 45 Vgl. Tantzscher, Hauptabteilung VI, S. 6 f. 46 Vgl. ebd., S. 5. 47 Vgl. ebd., S. 98.

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sonen“ von den Machenschaften der Staatssicherheit nichts erfahren oder aber bezüglich des Sinn und Zwecks im Unklaren bleiben sollten.48 Ermittlungen wurden besonders häufig im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt.49 Beobachtungen fanden insbesondere nach Inkrafttreten des Transitabkommens auf den Transitstrecken zwischen Westberlin und der Bundesrepublik statt. Darüber hinaus waren die Grenzübergangsstellen oft Schnittstellen für die Aufnahme bzw. die Beendigung von Beobachtungen. Spezialisten im Bereich der Ermittlungs - und Beobachtungstätigkeit waren die Mitarbeiter der HA VIII. Sie waren sowohl unterstützend für andere Diensteinheiten des MfS als auch eigenständig tätig. Zu einer Aufgabenstellung der HA VIII gehörte die Obser vation von Personen im Zusammenhang mit der Bearbeitung Operativer Vorgänge – insbesondere des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs. In diesem Kontext führte sie auch Ermittlungen, Festnahmen und Durchsuchungen aus. Auch im Rahmen der „Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit“ und des „Polittourismus“50 nahm die Abteilung Beobachtungen vor. Die Tätigkeit der HA VIII erstreckte sich bis in das „Operationsgebiet“, wie die Bundesrepublik vom MfS oft bezeichnet wurde. So wurden besonders dort und in Westberlin Ermittlungen und Beobachtungen durchgeführt. Die Obser vation von Angehörigen der Militärinspektionen sowie bevorrechtigter Personen und Korrespondenten nahm die Abteilung weitgehend eigenständig vor. Auch für die Sicherung und Kontrolle der internationalen Transitstrecken nach Polen, zur ČSSR und nach Skandinavien sowie der Transitwege zwischen der Bundesrepublik und Westberlin war sie größtenteils eigenverantwortlich zuständig.51 In diesem Zusammenhang sollten vor allem unerlaubte Zusammenkünfte zwischen Bundes - und DDR - Bürgern aufgedeckt sowie Material - und Personenschleusungen verhindert werden. Abteilung M – Postkontrolle Trotz verfassungsmäßiger Anerkennung des Post - und Fernmeldegeheimnisses gab es in der DDR fortlaufend Eingriffe in den Post - und Telefonverkehr, die hauptsächlich mit der Gefährdung der Sicherheit des Staates gerechtfertigt wurden. Die Postkontrolle durch das MfS setzte bereits 1950 ein und wurde erst während der Friedlichen Revolution im Herbst 1989 wieder aufgehoben.52 Die dafür zuständige Abteilung M der Staatssicherheit ging aus den Abteilungen VI der Ostberliner Zentrale sowie der Landesver waltungen des MfS her vor und wurde zur Jahreswende 1951/52 gegründet. Die Kontrollen erfolgten in speziellen Räumen ausgewählter Postzollämter. Postmitarbeiter mussten den MfS 48 Vgl. Grimmer / Irmler / Opitz / Schwanitz ( Hg.), Die Sicherheit, S. 384. 49 Vgl. ebd., S. 385. 50 Als „Polittourismus“ bezeichnete das MfS vermeintlich oder tatsächlich politisch motivierte Einreisen, insbesondere von Personen der Zeitgeschichte. 51 Vgl. Wiedmann, Organisationsstruktur, S. 251. 52 Vgl. Labrenz - Weiß, Abteilung M, S. 4.

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Mitarbeitern das Postaufkommen bereitstellen und die unterbrochene Postbearbeitung anschließend wieder fortsetzen. Die Gesamtzahl des Personals der Abteilung M verdreifachte sich zwischen 1953 und 1989 und lag schließlich bei 2177 Mitarbeitern.53 Seit Mitte der 1950er Jahre rückten drei Aufgaben in den Mittelpunkt : Die Postkontrolle sollte Stimmungsbild an „jeweils wichtigen Punkten in der DDR“ anfertigen, Agenten in der DDR entlar ven helfen und der Auslandsaufklärung zuarbeiten.54 Um über die ständig wachsende Informationsdichte Herr zu werden, wurde mit dem Aufbau einer Verbindungskartei begonnen.55 Darüber hinaus legten Mitarbeiter der Abteilung M umfangreiche Schriftenspeicher an, mit deren Hilfe die Urheber von Postkarten und Briefen ermittelt werden konnten. Im Jahr 1967 folgte der Aufbau einer sogenannten operativen Vergleichskartei. Dadurch ging die Fahndungsarbeit der Abteilung M wesentlich qualifizierter und schneller vonstatten, da die Kartei nicht nur Grunddaten, sondern auch weitergehende Angaben zu einer Person enthielt, beispielsweise Daten zu Familienangehörigen.56 Anfang der 1970er Jahre stiegen die Anforderungen an die Abteilung M sprunghaft an. Ursache hierfür war die veränderte deutsch - deutsche und internationale Lage, die durch die Entspannungspolitik gekennzeichnet war. Infolge dessen befahl der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, „die Verstärkung und Qualifizierung der Fahndung nach Postsendungen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie zur Feindtätigkeit, insbesondere zu nachrichtendienstlichen Zwecken und zur PiD [ politisch - ideologischen Diversion ] benutzt werden, unter schwerpunktmäßiger Beachtung der Postbriefkästen und Postämter an den Transitstrecken und an den Verkehrsknotenpunkten sowie entsprechenden Möglichkeiten der DDR - inneren Postsendungen vor allem aus der Hauptstadt der DDR in die Bezirke der DDR“.57 Die „Kampf losung“ der Abteilung M lautete fortan : „Auf postalischem Weg erreichen keinerlei feindliche Hetzmaterialien [unsere ] Bürger.“58 Eine letzte einschneidende Veränderung der Rahmenbedingungen für die Arbeit der Abteilung M erfolgte im Jahr 1983. Aufgrund der öffentlichen Kritik im Deutschen Bundestag und in den westlichen Medien über hohe Verluste von Sendungen im innerdeutschen Postverkehr wurde im November 1983 mit der DDR - Regierung eine Neufestlegung der Postpauschale vereinbart. Dabei verlangte die Bundesrepublik eine erhebliche Verkürzung der Laufzeit von Briefen ( auf zwei Tage ) und Paketen ( auf drei Tage ). Des Weiteren sollten der Verlust von Postsendungen minimiert und zusätzliche Fernsprechleitungen geschaltet 53 54 55 56 57

Vgl. ebd., S. 45. Vgl. ebd., S. 16. Später ging diese Kartei in den sogenannten Speicher M /=1 ein, der bis 1988 existierte. Vgl. Labrenz - Weiß, Abteilung M, S. 23. Befehl 5/72 des Ministers für Staatssicherheit vom 9. 3. 1972 ( BStU, MfS, DSt 100724, Bl. 35). 58 Schreiben der BVfS Karl - Marx - Stadt, Abt. M, an den Leiter der BV für Staatssicherheit Karl - Marx - Stadt vom 15. 4. 1971 ( BStU, MfS, BV Karl - Marx - Stadt, AKG 3596, Band 2, Bl. 215).

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werden.59 Laut Anordnung Mielkes wurde die Bearbeitungszeit von Postsendungen auf maximal 12 Stunden festgelegt. Einbehalten werden sollten nur noch solche Sendungen, die angeblich zur Sicherung von Beweismitteln im Sinne der Strafprozessordnung der DDR nötig waren. Infolgedessen kam es zu einer Aufstockung und Umschichtung der Mitarbeiter und zum Übergang mehrerer Abteilungen der Postkontrolle in den Mehrschichtdienst. Die bedeutendste organisatorische Umgestaltung erfolgte aber durch den Befehl 20/83 des Ministers für Staatssicherheit : Zur „Erhöhung der Effizienz und Qualifikation der Leitung“60 wurde die 1962 aufgebaute und bis dahin selbstständige Abteilung Postzollfahndung des MfS in die Abteilung M eingegliedert. Während die Abteilung M ausschließlich Postkarten und Kurzbriefsendungen bearbeitete, wurden von der Abteilung PZF Grobbriefsendungen, Streifbandsendungen, Päckchen und Paketsendungen kontrolliert. Die Aufgaben der Abteilung M hatten sich durch die Erweiterung nicht verändert. Weiterhin wurden auftragsgebundene Kontrollen und Auswertungen von Postsendungen durchgeführt. Darüber hinaus ermittelte die Abteilung M gegen geheimdienstliche und andere „subversive“ Verbindungen, sie ging gegen die Verbreitung von Materialien mit „staatsfeindlichem Inhalt“ vor und erarbeitete Informationen zu Personen und Sachverhalten, die für das MfS allgemein interessant waren.61 Im Februar 1984 verloren die meisten der 146 ehemaligen Mitarbeiter der Postzollfahndung ihren bisherigen Status als OibE und wurden fortan als hauptamtliche Mitarbeiter in der neu gebildeten Abteilung „Kleingutverkehr“ eingesetzt bzw. auf die anderen Fachabteilungen der Abteilung M verteilt.62 Mit der Eingliederung oblag der Abteilung M von nun an die Führung und Überprüfung der „Sondergenehmigungskartei“ über Personen, die berechtigt waren, westliche Druckerzeugnisse zu erhalten. Hauptabteilung II – Spionageabwehr Die Spionageabwehr bildete von Beginn an eine Hauptaufgabe des gesamten MfS, denn „Feindtätigkeit“ gegen die DDR wurde von den Machthabern vor allem mit dem Wirken gegnerischer Nachrichtendienste in Verbindung gebracht. Anfangs war insbesondere die Abteilung IV damit befasst. Im November 1953 wurde diese mit der speziell für die Westarbeit verantwortlichen Abteilung II zur Hauptabteilung II ( HA II ) zusammengeführt. Die „operative Bearbeitung“ der westdeutschen und westalliierten Geheimdienste blieb eine Tätigkeit, die bis 59 Vgl. Briefwechsel und Erklärung über Vereinbarungen zur Neufestsetzung der Pauschale für die Mehrleistungen der DDR im gegenseitigen Post - und Fernmeldeverkehr und über Maßnahmen zur Verbesserung dieses Verkehrs vom 15. 11. 1983. In : Dokumentation zu den innerdeutschen Beziehungen, S. 231–235. 60 Befehl 20/83 des Ministers für Staatssicherheit vom 20. 12. 1983 ( BStU, MfS, DSt 102944). 61 Vgl. Labrenz - Weiß, Abteilung M, S. 26–28. 62 Vgl. ebd., S. 32 f.

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zum Schluss den Kern der HA II ausmachte.63 Dies schloss auch die „äußere Spionageabwehr“ ( Gegenspionage ) in der Bundesrepublik und weiteren westlichen Staaten mit ein. Selbst nachdem im Jahr 1973 der Bereich der Gegenspionage von der Hauptver waltung Aufklärung ( HV A ) übernommen wurde, agierten verschiedenste Dienstzweige der HA II nach wie vor im „Operationsgebiet“. Auch bei der Zurückdrängung der „politisch - ideologischen Diversion“ ( PiD) – letztlich also bei der Verfolgung Andersdenkender durch das MfS – war die Abteilung intensiv mit eingebunden. Nach Auffassung der Staatssicherheit stellte die PiD eine Angriffsstrategie des Westens auf ideologischem Gebiet dar, an deren Realisierung westliche Geheimdienste einen hohen Anteil hatten. Dies erklärt auch, warum Oppositionelle, die über Westkontakte verfügten, sowie die gesamte Abwehrarbeit im Bereich der Westpresse in die Zuständigkeit der HA II fielen.64 Mit der Entspannungspolitik und der weitgehenden internationalen Anerkennung der DDR in den 1970er Jahren kamen neue Aufgaben hinzu : die Sicherung der eigenen diplomatischen Vertretungen sowie die Bespitzelung und Beeinflussung der Arbeit ausländischer Botschaften, deren Personal und westlicher Medienvertreter in der DDR.65 Ein weiterer wichtiger Arbeitsschwerpunkt war die Gewährleistung der inneren Sicherheit im MfS. Dies schloss die Überprüfung der hauptamtlichen und ehemaligen Mitarbeiter und deren Ver wandte und enge Bekannte, die Gewährleistung der Sicherheit des IM - Netzes sowie die Sicherung von Dienst - , Unterkunfts - und Freizeiteinrichtungen der Staatssicherheit mit ein.66 Zudem war die HA II für die Spionageabwehr unter dem Personalbestand des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten ( MfAA ), des Dienstleistungsamtes für Ausländische Vertretungen ( DAV ) sowie des Wachkommandos „Missionsschutz“ der Volkspolizei zuständig. Neben diesen und weiteren Aufgaben67 leitete die HA II auch die „Operativgruppen“ des MfS in Moskau, Prag, Budapest und Warschau an. Im Anschluss an die Krise in der VR Polen 1980/81 spielte sie zum Beispiel eine zentrale Rolle, dass neben den westlichen Staaten auch der östliche Nachbarstaat für das MfS zum „Operationsgebiet“ wurde.68

63 64 65 66 67

Vgl. Labrenz - Weiß, Spionageabwehr, S. 3. Ebd., S. 4. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 52 f. Zu den weiteren Aufgaben zählten die Abwehrarbeit unter ständig oder zeitweise in der DDR lebenden Ausländern sowie die Sicherung der Zusammenarbeit der SED und des FDGB mit der Deutschen Kommunistischen Partei ( DKP ) bzw. mit der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins ( SEW ). Vgl. ebd., S. 24 f. 68 Vgl. ebd., S. 4.

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Hauptabteilung IX – Untersuchungsabteilung Nach Paragraph 88 der Strafprozessordnung der DDR verfügte das MfS neben der Deutschen Volkspolizei und der Zollver waltung über ein eigenes gesetzliches Untersuchungsorgan. Für die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren war bei der Staatssicherheit die Hauptabteilung IX zuständig. Diese Abteilung bearbeitete sämtliche Ermittlungsverfahren, die wegen „Verbrechen gegen die DDR und deren Souveränität, den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte“ eingeleitet wurden, sowie Ermittlungsverfahren wegen „anderer Straftaten, die auf Grund ihrer politischen Bedeutung bzw. bestimmter Zusammenhänge eine Bearbeitung durch die Organe für Staatssicherheit“ erforderlich machten. Darüber hinaus fielen Verfahren wegen „politischer Untergrundtätigkeit“, „Angriffe gegen die Staatsgrenze“ und allen Formen des „ungesetzlichen Verlassens der DDR“ sowie wegen Wirtschaftsverbrechen, Havarien, Bränden, Tötungsdelikten und Selbstmorden in ihre Zuständigkeit. Zudem untersuchte die HA IX Straftaten, die durch Angehörige des MfS oder durch IM begangen wurden.69 Zwischen 1952 und 1988 wurden in der DDR insgesamt etwa 89 000 „strafrechtliche Ermittlungsverfahren“ von der Linie IX bearbeitet. Die Zahl der jährlichen Verfahren schwankte dabei zwischen durchschnittlich 3 229 Verfahren in den 1950er Jahren, 2 351 Verfahren in den 1960ern, 1700 Verfahren in den 1970ern und 2 506 Verfahren in den 1980er Jahren.70 Einer Statistik der HA IX aus dem Jahr 1978 folgend, wurden 31,2 Prozent aller Ermittlungsverfahren durch „registriertes operatives Material“ anderer Linien der Staatssicherheit ausgelöst, das im Zuge von OPK und OV erarbeitet worden war. Weitere 21 Prozent basierten auf sonstigen Ermittlungen des MfS. In gut der Hälfte aller Fälle waren jedoch Übernahmen von anderen „Sicherheitsorganen“ der DDR ( unter anderem der Zollverwaltung ) und weiterer sozialistischer Länder Grundlage für Ermittlungsverfahren der Linie IX.71 Diese Verteilung blieb auch in den darauffolgenden Jahren etwa konstant.72 Beispielsweise wurden 1978 die in MfS - Verfahren verurteilten Personen hauptsächlich folgender Straftaten bezichtigt : „Republikflucht“ (627), „sonstige Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung“ (221), „Staatsfeindliche Verbindungen“ (206), „Staatsfeindliche Hetze“ (151), „Staatsfeindlicher Menschenhandel“ (103), „Nachrichtensammlung“ (79).73 Die Mehrzahl der Ermittlungsverfahren richtete sich demnach gegen Grenz - und Ausreisedelikte. Dieser Anteil vergrößerte sich noch, als ab Mitte der 1980er Jahre die Begleiterscheinungen der Ausreisebewegung hinzutraten. Wer sich beispielsweise zur 69 70 71 72 73

Vgl. Wiedmann, Organisationsstruktur, S. 127. Vollnhals, Staatssicherheit und Justiz, S. 218. Vgl. ebd., S. 221 f. Vgl. Gieseke, Mielke - Konzern, S. 178. Vgl. HA IX des MfS von Januar 1979 : Analyse über die Entwicklung und Wirksamkeit der politisch - operativen Arbeit der Linie IX im Jahre 1978 ( BStU, MfS, ZA HA IX 2804, Band 1, Bl. 18 f.).

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Unterstützung seines Ausreiseantrags an westliche Institutionen oder Organisationen wandte, beging eine „ungesetzliche Verbindungsaufnahme“, wer für seine Ausreise öffentlich demonstrierte, dem drohte ein Verfahren wegen „öffentlicher Herabwürdigung staatlicher Organe“. Erheblich geringer war die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen die innere Opposition. Delikte wie „staatsfeindliche Hetze“, her vorgerufen durch Flugblattaktionen und andere Formen des Protests, wurden immer seltener öffentlichkeitswirksam durch Strafverfahren verfolgt. „Wer in der inneren Opposition der achtziger Jahre zu einer festen Gruppe gehörte, ein Kirchenamt innehatte oder die Aufmerksamkeit westlicher Medien auf sich ziehen konnte, riskierte vergleichsweise selten die Verhaftung und strafrechtliche Verfolgung.“74 Die Zahl der Ermittlungsverfahren, die in direktem Zusammenhang mit Spionagetätigkeit standen, war bereits in den 1970er Jahren recht gering. So brachte das MfS beispielsweise im Jahr 1978 zwar 66 „Spione“ vor Gericht, von denen allerdings lediglich 22 in der DDR im Auftrag „imperialistischer Geheimdienste“ tätig gewesen sein sollen. Den Übrigen wurde vorgeworfen, im Zusammenhang mit erfolgten oder beabsichtigten Westfluchten geheimes Wissen gesammelt oder an den Westen geliefert zu haben.75 JHS – Hochschule des MfS Die Juristische Hochschule ( JHS ) war die zentrale Ausbildungs - und Forschungsstätte des MfS. Sie war strukturell der Hauptabteilung Kader und Schulung (HA KuSch ) untergeordnet. Anders als ihr Name suggeriert, wurden an der JHS keine Juristen ausgebildet. Sie war auch keine rechtswissenschaftliche Forschungsstätte. Vielmehr handelte es sich um eine „akademisierte Geheimdiensteinrichtung“76 mit sehr starker ideologischer Ausrichtung, deren Existenz der Öffentlichkeit weitgehend verborgen blieb. Sie entwickelte sich von einer Schulungsstätte zu einer Hochschule für Mitarbeiter der Staatssicherheit mit intensiver Forschungstätigkeit. An der JHS wurden Fachschul - und Hochschul - , sowie Promotionsabschlüsse vergeben. „Im Bereich der Ausbildung lag der Schwerpunkt auf dem Fachschulstudium und betraf damit die mittlere Ebene der MfS - Mitarbeiter. Die Anzahl der Absolventen des Hochschulstudiums war mit über 3000 ebenso wie die der 407 Promovierten im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitarbeiter des MfS sehr gering. Die Promotion hatte fast ‚elitären‘ Charakter und galt daher als besondere Auszeichnung für höhere Offiziere. Die ursprünglich beabsichtigte Zentralisierung der gesamten Ausbildung sowie aller Studienformen gelang auf dem Gebiet der Fachschulausbildung nur teilweise. Bis zum Ende der Hochschule bestand ein schwer überschaubares Nebeneinander verschiedener Studienformen sowie von Schulen und Fachschulen einzelner Hauptabteilungen und der JHS.“77

74 75 76 77

Gieseke, Mielke - Konzern, S. 179. Vgl. ebd., S. 179 f. Förster, Hochschule, S. 3. Ebd.

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Das Fachschulstudium dauerte im Direktstudium eineinhalb und im Fernstudium drei Jahre. Es wurde in den Fachrichtungen Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft durchgeführt und sah 15 Spezialisierungen vor. Die Art der Spezialisierung richtete sich nach der Art der Dienststellung, welche die Studenten innehatten : operativ ( Beobachtung und Durchführung Operativer Personenkontrollen und Vorgänge, in der Regel IM - führend ), spezifisch - operativ ( spezialisierte Tätigkeiten wie Missionsschutz, Passkontrolle, Fahndungsarbeit ), militärisch - operativ ( Sicherung und Kontrolle des Personenverkehrs in staatlichen Einrichtungen, Sicherung von Fahrstrecken ) und sicherstellend ( Ver waltung Rückwärtige Dienste78, Beschaffung, Planung, Finanzen ). Ideologische Grundlagenfächer wie „Marxismus - Leninismus“ sowie die operative Fachausbildung bildeten den Schwerpunkt des Fachschulstudiums.79 Das Hochschulstudium dauerte im Direkt - wie auch im Fernstudium vier Jahre. Im Jahr 1986 umfasste das Direktstudium 2 616 Unterrichtsstunden. Die Ausbildungsinhalte bestanden aus den Teilgebieten „Politisch - operative Arbeit und die Arbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern“ (36 Prozent ), „Marxismus - Leninismus, Imperialismustheorie, Geschichte“ (24 Prozent ), „Recht, einschließlich der sozialistischen Rechtstheorie“ (19 Prozent ), „Russisch und militärische Ausbildung“ (16 Prozent ) und „operative Psychologie“ ( fünf Prozent ).80 Forschungsarbeit wurde an der JHS in Form von Lehrmaterialien, vor allem aber im Rahmen der verfassten Abschlussarbeiten geleistet. Dadurch wurden die theoretischen Grundlagen für die Arbeit des MfS entwickelt. Speziell die Promotionen A und B verlangten, dass die „vorgelegten Forschungsergebnisse einen Neuwert für die politisch - operative Arbeit, ihrer Führung und Leitung erbringen“.81 Doktorarbeiten waren somit eher an idealtypischen Denkmodellen als an der Praxis orientiert. Anders bei Diplom - und Fachabschlussarbeiten: Sie beschäftigten sich oft mit konkreten Problemen der Diensteinheiten unterer Ebenen. In vereinfachter Form dienten die Ergebnisse als Leiterinformationen. Auf diese Art wurden sie an die Diensteinheiten der Staatssicherheit weitergegeben und beeinflussten mitunter die tägliche Arbeit. ZAIG – Zentrale Auswertungs - und Informationsgruppe Die Zentrale Auswertungs - und Informationsgruppe ( ZAIG ) übernahm innerhalb des MfS eine Funktion, die in wesentlichen Punkten der einer Schaltzentrale glich. Das gesamte Informationsaufkommen von operativen Diensteinheiten der Staatssicherheit wurde in der ZAIG erfasst, ausgewertet und analysiert. So entstanden Lageeinschätzungen und Berichte für die Staats - und Parteiführung sowie für die leitenden Kader des MfS. Die ZAIG leistete für den Minister für Staatssicherheit persönlich Zuarbeit für Referate, Dienstkonferenzen, 78 79 80 81

Vgl. Wiedmann, Organisationsstruktur, S. 157. Vgl. Förster, Hochschule, S. 16. Vgl. ebd., S. 8. Ebd., S. 12.

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Dienstberatungen sowie für Stellungnahmen in Wahrnehmung seiner staatlichen und gesellschaftlichen Funktionen. Zudem schulten Mitarbeiter der ZAIG jene anderer Diensteinheiten in deren „Auswertungs - und Informationstätigkeit“ und unterstützten sie bei der Entwicklung von dienstlichen Bestimmungen und Weisungen. Der ZAIG oblag des Weiteren die zentrale Leitung und Organisation der elektronischen Datenverarbeitung ( EDV ) innerhalb des MfS. Sie erarbeitete und realisierte Datenverarbeitungsprojekte und sorgte für die Weiterentwicklung des Informationssystems. Zudem fungierte sie als Schnittstelle für die Übermittlung von Informationen im SOUD der sozialistischen Staaten und gewährleistete dabei die aufgabenbezogene Zusammenarbeit mit diesem System. Neben der Informationsverarbeitung im Sinne der genannten Punkte lag ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt der ZAIG bei der Auswertung von Informationen westlicher Massenmedien, insbesondere der Bundesrepublik.82 Drei weitere Abteilungen waren der Zentralen Auswertungs - und Informationsgruppe dienstrechtlich unterstellt : Die Abteilungen XII, XIII sowie die MfSRechtsstelle. Zur Aufgabenstellung der HA XII gehörte unter anderem die Führung der zentralen Personenkartei des MfS, die Registrierung von Operativen Vorgängen, die zentrale, MfS - interne Auskunfterteilung sowie die Archivierung von operativem Schriftgut der Staatssicherheit und von Aktenbeständen anderer „staatlicher Organe“.83 Die Abteilung XIII kümmerte sich insbesondere um die Instandhaltung der EDV - Technik sowie um die Entwicklung und Bearbeitung von Datenverarbeitungsprojekten. Über die Rechtsstelle des MfS wurde der gesamte MfS - Rechtsverkehr abgewickelt. Außerdem unterstützte diese Abteilung MfS - Mitarbeiter in persönlichen Rechtsangelegenheiten, insbesondere auf den Gebieten Familien - , Zivil - und Erbrecht.84 Die Rechtsstelle des MfS leistete ferner Unterstützung bei der Ausarbeitung von Gesetzes - und Vertragsvorhaben und wirkte bei der Ausgestaltung zwischenstaatlicher Beziehungen und der Anwendung internationaler Konventionen mit. Dies galt insbesondere für die deutsch - deutschen Beziehungen, speziell im Zusammenhang mit den Reise - und Besucher vereinbarungen, dem Transitabkommen oder dem Verkehrsvertrag.85

82 83 84 85

Vgl. Engelmann / Joestel, ZAIG, S. 6–8. Vgl. Wiedmann, Organisationsstruktur, S. 53. Vgl. Engelmann / Vollnhals ( Hg.), Justiz, S. 337–341. Vgl. ebd.

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Formen der Herrschaftspraxis – Rahmenbedingungen für die „politisch - operative Arbeit“ des MfS

Legitimation der Macht, Recht und Rechtsstaatlichkeit im „Unrechtsstaat DDR“ „Die DDR war kein gesetzloses Land. Doch ein Rechtsstaat war sie auch in ihrem eigenen Selbstverständnis nicht. Diese Errungenschaft der Aufklärung und des 19. Jahrhunderts galt den Machthabern in der DDR als Ausdruck ‚bürgerlichen Denkens‘ und unfähig ‚wahre’ Gerechtigkeit herzustellen. Statt dessen wurde die Parteilichkeit des Rechts und ihr Dienst für den Aufbau des Sozialismus offen eingeräumt. [...] In marxistisch leninistischer Lesart war das Recht ein Instrument im Klassenkampf, das die kollektiven Interessen der Arbeiterklasse und die mit ihr verbündeten Schichten durchsetzen sollte. Rechtstheorie und Rechtsanwendung waren der herrschenden Ideologie verpflichtet und fanden in ihr ihren Ausgangspunkt.“86

Diktaturen, zu denen zweifelsfrei auch die DDR zählte, sind naturgemäß anders strukturiert als demokratische Rechtsstaaten. Im Selbstverständnis der Staats und Parteiführung war die DDR jedoch demokratisch organisiert. Dies brachte sie nicht nur in der Namensgebung des Staates, der Deutschen Demokratischen Republik, zum Ausdruck, sondern auch in der Beschreibung der Herrschaftsform. Nach Lesart der Staatsführung sei die DDR eine „sozialistische Demokratie“, eine „Volksdemokratie“, keinesfalls eine Diktatur. Und wenn doch, dann allenfalls eine „Diktatur des Proletariats“, so wie im Rückgriff auf Karl Marx jede Staatsform eine Diktatur der jeweils herrschenden Klasse sei. Diese Darstellungsversuche konnten jedoch über eine Tatsache nicht hinwegtäuschen : „Verfassung, Parlamente, Parteienvielfalt, Wahlen und Gesetze waren nicht Ausdruck eines ernstzunehmenden Versprechens von Freiheit, Volkssouveränität, Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit, sondern ein pseudokonstitutionelles Dekor der kommunistischen Parteidiktatur.“87 Die SED legitimierte ihre allumfassende Herrschaft vor allem mit Hilfe zweier Argumente : Zum einen stimmte nach Ansicht der Sozialistischen Einheitspartei die vorherrschende Gesellschaftsform mit existierenden sozialgeschichtlichen Gesetzmäßigkeiten überein. Herrschaft diene dazu, den „objektiven gesellschaftlichen und historischen Gesetzen“, die sich aus der Theorie des Historischen Materialismus ergaben, zum Durchbruch zu verhelfen und damit den Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus zu ermöglichen. Daraus schlussfolgernd, war man in der SED zum anderen der Ansicht, dass zwischen den Herrschenden ( der Partei - und Staatsführung ) und den Herrschaftsunter worfenen ( dem Volk ) eine ( zumindest theoretische ) Interessengleichheit bestehe.88 „Obwohl abstrakt und abgehoben, bildete diese Mythologie der Entwicklung vom Niederen zum Höheren, die zur klassenlosen 86 Rainer Eppelmann bei seiner Eröffnungsrede der 37. Sitzung der Enquete - Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED - Diktatur in Deutschland“. Zit. nach Getrennte Vergangenheit, S. 165. 87 Jessen, Herrschaftsmechanismen, S. 27. 88 Vgl. Mögelin, Unrechtsstaat, S. 104.

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Gesellschaft führen müsse, doch den eigentlichen Kern der politischen Legitimation der SED - Herrschaft.“89 Beide Argumente zur Legitimation der Macht widersprechen jedoch zugleich demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien. Rechtsstaatliche Verfahren sind grundsätzlich ergebnisoffen. Aufgrund der Annahme einer objektiven gesetzmäßigen Entwicklung der Gesellschaft bestand für den Normengeber in der DDR jedoch nur die Möglichkeit, sich richtig oder falsch zu verhalten. Da die SED nach ihrem Selbstverständnis grundsätzlich im Interesse des Volkes handelte, konnten folglich die Herrschaftsunter worfenen lediglich die Partei in ihrer Führung beraten oder unterstützen, jedoch zu keiner Zeit ihr Wahrheits und Machtmonopol angreifen.90 Chris Mögelin sieht darin den Beleg, dass die DDR keine unrechtsvermeidende Struktur besaß und somit auch nicht als Rechtsstaat bezeichnet werden kann : „Unrecht ist wie Recht sowohl im Unrechtsstaat als auch im demokratischen Rechtsstaat möglich. Der Unrechtsstaat unterscheidet sich jedoch vom demokratischen Rechtsstaat dadurch, dass er durch die Struktur seiner Staats - und Rechtsordnung staatliches Unrecht begünstigt. Demgegenüber besitzt der demokratische Rechtsstaat eine unrechtsvermeidende Struktur. Unrechtsstaat ist danach ein Staat, in dem die Wahrscheinlichkeit von staatlichem Unrecht aufgrund des Fehlens von Legitimität und Legalität, das heißt aufgrund der Abwesenheit des formal - material qualifizierten prozeduralen Legitimitätsmodells, größer ist als in anderen Staaten. Auf dieser Grundlage kann die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet werden.“91

Ungeachtet des offensichtlich vorhandenen Unrechtscharakters des SED - Regimes und der Tatsache, dass das MfS zu jeder Zeit frei von jeder gesetzlichen Bindung agieren konnte, ist eine Tendenz hin zu einer „Verrechtlichung“ in der DDR, insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren, nicht zu bestreiten. Aus politischen und ökonomischen Gründen war die DDR - Führung mehr und mehr gezwungen, ihrem Herrschaftssystem einen rechtsstaatlichen Anstrich zu geben.92 So trugen die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags mit der Bundesrepublik 1972, die Aufnahme in die UNO 1973 sowie die zunehmende ökonomische Abhängigkeit von westlichen, demokratischen Staaten, insbesondere der Bundesrepublik, zu dieser Entwicklung bei. Dies schloss aber nicht aus, dass das oftmals zweideutige DDR - Recht auch bewusst missbraucht oder wissentlich gebrochen wurde, wenn die Interessen der Politbürokratie oder des MfS dies erforderlich zu machen schienen.93 Offensichtliche Willkür und gewaltsame 89 Wolle, Diktatur, S. 131 f. 90 Dies zeigt sich beispielsweise an dem Umstand, dass das Verfassen von „Eingaben“, wie Anträge und Bitten an die Staatsführung im offiziellen Sprachgebrauch genannt wurden, für Bürger der DDR de facto die einzige Möglichkeit zur politischen Partizipation darstellte. 91 Mögelin, Unrechtsstaat, S. 111. 92 Klaus Marxen spricht in diesem Falle von der Anwendung eines „Als - Ob - Rechts“, das die Aufgabe hatte, politischen Schaden zu vermeiden. Vgl. Engelmann / Vollnhals ( Hg.), Justiz, S. 22. 93 Vgl. ebd., S. 12.

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Unterdrückung als Kennzeichen eines diktatorischen Regimes sollten unter den „veränderten Lagebedingungen“ aber mehr und mehr vermieden, pseudo rechtsstaatliche Maßnahmen dagegen verstärkt angewendet werden.94 „Das (erpresste ) Geständnis, das typische Beweismittel stalinistischer Terrorjustiz, hatte nach 1956 [ im Zuge der Entstalinisierung ] nicht mehr die ausschließliche Bedeutung wie in den Jahren zuvor. Wenn das MfS in den siebziger und achtziger Jahren jemanden verhaften wollte, so musste es einen Tatbestand vor weisen können, der unter das DDR - Strafgesetzbuch subsumierbar war. Und es mussten offizialisierte Beweise vorgelegt werden.“95 Die Staatssicherheit entwickelte in Zuge der sich verändernden Handlungsspielräume „defensive Stabilisierungsstrategien“,96 was zur Folge hatte, dass die Zollver waltung für die „politisch - operative Arbeit“ des MfS immer mehr an Bedeutung gewann. Die Staatssicherheit operierte im Innern nicht nur konspirativ als Geheimpolizei, sondern – wie bereits erwähnt – auch als offizielles Untersuchungsorgan zur Aufklärung von Straftaten. Gerade in dieser Funktion ging sie mehr und mehr dazu über, ihre Maßnahmen möglichst diskret und wenn möglich auf gesetzlichen Grundlagen basierend durchzuführen.97 Die Befugnisse der Zollver waltung eröffneten der Staatssicherheit eine Reihe von Möglichkeiten bei der „Bearbeitung“ und „Bekämpfung“ von Vielem, was den Interessen des Staates widersprach. Entscheidend jedoch war, dass sie diese Befugnisse unter dem Deckmantel des Zolls bzw. einer zollrechtlichen Maßnahme anwenden konnte, um somit schließlich eine pseudo - rechtliche Grundlage für ihr Handeln zu schaffen. Viele Operative Vorgänge wurden unter dem Vor wand eines Zoll - und Devisendelikts eingeleitet, die getroffenen Maßnahmen dadurch legalisiert und somit eine Rechtsgrundlage zur Eröffnung eines formalen Ermittlungsverfahrens durch das MfS geschaffen. Das prominenteste Beispiel hierfür ist der ehemalige IM und spätere Dissident Robert Havemann, dessen „Bearbeitung“ unter anderem auch mit einem Zoll - und Devisendelikt offiziell begründet wurde.98 Wie in diesem Fall machte sich die Staatssicherheit auf verschiedene Art und Weise die Arbeit des Zolls zunutze. Sie konnte vom Zoll eingeleitete Verfahren vollständig übernehmen, gemeinsame Arbeitsgruppen mit dem Untersuchungsorgan des Zolls bilden oder aber vollständig unter „fremder Flagge“99 ein Verfahren führen. Hierauf wird im Kapitel IV detailliert eingegangen. 94 Dabei bleibt jedoch unbestritten, dass Untersuchungshaft und Strafvollzug für die Betroffenen nach wie vor die brutalsten Erfahrungen in der Konfrontation mit der Staatsmacht blieben. Vgl. Gieseke, Mielke - Konzern, S. 183. 95 Süß, Verhältnis, S. 236. 96 Gieseke ( Hg.), Staatssicherheit und Gesellschaft, S. 9. 97 Es kam dennoch oft vor, dass trotz klarer Beweislage Operative Vorgänge aus „politischen und politisch - operativen Gründen“ nicht mit strafrechtlichen Maßnahmen abgeschlossen werden sollten. In diesem Fall leitete das MfS vermehrt sogenannte „Zersetzungsmaßnahmen“ ein. Vgl. Gieseke, Mielke - Konzern, S. 192 f. 98 Vollnhals, Havemannn, S. 76. 99 In diesem Fall führte das MfS materiell das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, trat aber dem Beschuldigten gegenüber offiziell nicht als Untersuchungsorgan auf.

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„Zersetzung“ als psychologischer Terror im „Unrechtsstaat DDR“ Neben der Verrechtlichung von Strafmaßnahmen sind in der Ära Honecker weitere neue Formen der Herrschaftspraxis zu beobachten, die Hubertus Knabe als „weiche Formen der Verfolgung in der DDR“100 bezeichnet. Gemeint sind damit vor allem operative Methoden des Ministeriums für Staatssicherheit, die unterhalb einer strafrechtlichen Ebene stattfanden, nur schwer als Menschenrechtsverletzung erkennbar waren und dadurch in Übereinstimmung mit den „politischen Interessen der DDR“ bezüglich ihrer internationalen Reputation standen. Absolventen der Juristischen Hochschule des MfS sprachen in diesem Zusammenhang von „neuen Klassenkampfbedingungen“, die es notwendig machten, „neue Waffen zu schmieden und neue Wege zu beschreiten“.101 Die wichtigste Waffe war hierbei die der „Zersetzung“.102 Zersetzungsmaßnahmen wurden in der Regel bei Operativen Vorgängen angewandt, vereinzelt waren sie aber auch Teil Operativer Personenkontrollen oder sogar Ermittlungsverfahren. Sie wurden unterhalb der Ebene von strafrechtlichen Maßnahmen eingesetzt, auch dann, wenn an sich Strafbarkeit nach DDR - Gesetzen gegeben gewesen wäre. Mit ihrer Hilfe konnten oppositionelle Gruppen und Einzelpersonen psychisch und teilweise auch physisch angegriffen und kontrolliert werden. Dies geschah gewissermaßen lautlos und ohne nachweisbare Spuren zu hinterlassen. Nicht zuletzt deshalb gelang es der DDR zunehmend, bi - und multilaterale Verträge mit der westlichen Staatenwelt abzuschließen. „Die Anerkennung der DDR unter Honecker sowohl in der Bundesrepublik als auch in anderen west100 Knabe, Weiche Formen, S. 709. 101 Forschungsarbeit der JHS : „Die Qualifizierung der politisch - operativen Arbeit des MfS zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung der gegen die Staats - und Gesellschaftsordnung der DDR gerichteten politischen Untergrundtätigkeit“ von März 1979 (BStU, MfS, ZA JHS VVS 001–200/79, Bl. 522). 102 „Zersetzung, operative : operative Methode des MfS zur wirksamen Bekämpfung subversiver Tätigkeit, insbesondere in der Vorgangsbearbeitung. Mit der Z. wird durch verschiedene politisch - operative Aktivitäten Einfluss auf feindlich - negative Personen, insbesondere auf ihre feindlich - negativen Einstellungen und Überzeugungen in der Weise genommen, dass diese erschüttert oder allmählich verändert werden bzw. Widersprüche sowie Differenzen zwischen feindlich - negativen Kräften her vorgerufen, ausgenutzt oder verstärkt werden. Ziel der Z. ist die Zersplitterung, Lähmung, Desorganisierung und Isolierung feindlich negativer Kräfte, um dadurch feindlich - negative Handlungen einschließlich deren Auswirkungen vorbeugend zu verhindern, wesentlich einzuschränken oder gänzlich zu unterbinden bzw. eine differenzierte politisch - ideologische Rückgewinnung zu ermöglichen. Z. sind sowohl unmittelbarer Bestandteil Operativer Vorgänge als auch vorbeugender Aktivitäten außerhalb der Vorgangsbearbeitung zur Verhinderung feindlicher Zusammenschlüsse. Hauptkräfte der Durchführung der Z. sind die IM. Die Z. setzt operativ bedeutsame Informationen und Beweise über geplante, vorbereitete und durchgeführte feindliche Aktivitäten sowie entsprechende Anknüpfungspunkte für die wirksame Einleitung von Z. - Maßnahmen voraus. Die Z. hat auf der Grundlage einer gründlichen Analyse des operativen Sachverhalts sowie der exakten Festlegung der konkreten Zielstellung zu erfolgen. Die Durchführung der Z. ist einheitlich und straff zu leiten, ihre Ergebnisse sind zu dokumentieren. Die politische Brisanz der Z. stellt hohe Anforderungen hinsichtlich der Wahrung der Konspiration.“ Aus : Suckut ( Hg.), Wörterbuch, S. 422 f.

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lichen demokratischen Ländern wuchs in dem Maße, wie es dem Staatssicherheitsdienst gelang, die Repressionspraxis den außenpolitischen Anforderungen anzupassen.“103 Die Liste der angewandten Zersetzungsmaßnahmen ist lang, gerade weil die MfS - Mitarbeiter in der Praxis dazu angehalten waren, „jeglichen Schematismus zu vermeiden und einen originellen, der Situation angepassten Weg auszuarbeiten“.104 Dennoch lassen sich einige Strategien benennen, die vielfach zur Anwendung kamen und häufig auch durch die Zusammenarbeit mit der Zollver waltung realisiert wurden.105 Dazu zählten : – die systematische, in der Regel unsichtbare, manchmal aber auch demonstrative Über wachung und Bespitzelung der Betroffenen durch hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter sowie durch Abhörmaßnahmen und Postkontrollen, um Ansatzpunkte für das eigentliche Vorgehen zu finden bzw. um die Betroffenen einzuschüchtern; – die systematische Unterbindung von Kontakten, insbesondere zwischen Ost und West, durch Ein - oder Ausreiseverbote, Zurückhaltung oder Beschlagnahmung von Postsendungen, Störung von Telefongesprächen, Unterbrechung von „Verbindungslinien“ etc.; – die zielstrebige Förderung und Eskalierung von Misstrauen, Differenzen, Desorganisation sowie Konflikten aller Art, vor allem über inoffizielle Mitarbeiter und Partner des „politisch - operativen Zusammenwirkens“, um Kräfte zu absorbieren, politisch uner wünschte Aktivitäten einzuschränken, Gruppen zu spalten, eine Tendenz zur Beschäftigung „mit sich selbst“ auszulösen, Lähmungen oder Resignation zu verursachen; – die Disziplinierung durch repressive Maßnahmen unterhalb der Ebene strafrechtlicher Verurteilungen wie Ermittlungen der Polizei oder des MfS, Hausdurchsuchungen, Zuführungen, Vernehmungen, Beschlagnahmungen, Einziehungen des Fahrzeuges, Ausbürgerungen, Aufenthaltsbeschränkungen, Arbeitsplatzbindung, Zuweisung weit entfernter Arbeitsplätze, Befragung durch Zoll - oder Steuerorgane, Aussprachen bei Abteilungen Inneres, gezielte Kriminalisierung, Verhängung von Ordnungsstrafen, Ausstellung eines behelfsmäßigen Personalausweises oder Entzug des Führerscheins, ( angedrohter ) Entzug des Erziehungsrechtes für die eigenen Kinder, gezielte Einschüchterung durch strafrechtliche Maßnahmen gegen Personen der näheren Umgebung; – die gezielte Kriminalisierung der Betroffenen wegen vordergründig unpolitischer Delikte wie Zoll - oder Steuer vergehen, Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch „asoziales Verhalten“ ( § 249 StGB ), Verführung Minderjähriger etc. 103 Pingel - Schliemann, Zersetzungsmaßnahmen, S. 234. 104 BStU, MfS, JHS GVS 001–11/78. Zit. nach Knabe, Weiche Formen, S. 710. 105 Alle im Folgenden aufgeführten Zersetzungsstrategien werden in diversen analytischen Arbeiten der Juristischen Hochschule des MfS aufgeführt und sind zitiert in ebd., S. 717 f.

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IV. Deckmantel, Handlanger und Erfüllungsgehilfe „Wir betrachten den Zoll als den engsten Verbündeten in unserer Arbeit zur Gewährleistung der Gesamtaufgabenstellung, insbesondere zu Fragen der einheitlichen Kontrolle, Abfertigung, Filtrierung des Reiseverkehrs und dessen Sicherung und vor allen Dingen [zu ] Fragen des Erkennens und Verhinderns von Methoden aller Formen der subversiven Tätigkeit, des Schmuggels, der Spekulation, ungesetzlicher Grenzübertritte, Personenschleusungen bis hin zur vorbeugenden Verhinderung der Bekämpfung von Gewalt - und Terrorhandlungen an den Grenzübergangsstellen. Der Zoll ist eingebunden in diese Arbeit des MfS.“1 So Generalmajor Horst Vogel, 1. Stellvertreter der HV A am 19. Februar 1986.

Wie in den vorangegangenen Kapiteln herausgearbeitet, wurden der Zollverwaltung und dem Staatssicherheitsdienst Tätigkeitsfelder zugewiesen, bei denen es aufgrund der zu lösenden Aufgaben erwartungsgemäß zu Berührungspunkten in der täglichen Arbeit beider Einrichtungen kam. Wie das MfS war auch die Zollver waltung Teil der „bewaffneten Organe“ der DDR. Zusammen mit der Deutschen Volkspolizei waren sie für den „Schutz“ und die „Sicherheit“ des Staates im Innern verantwortlich und standen somit in dienstlichem Kontakt.2 Besonders intensiv waren diese Kontakte beispielsweise an den Grenzübergangsstellen der DDR, an denen Zoll - und MfS - Mitarbeiter gemeinsam den grenzüberschreitenden Verkehr kontrollierten. Ebenso kam es zu direkten Formen der Zusammenarbeit bei der Kontrolle des Verkehrs auf den Transitstrecken von und nach Westberlin. Auch die Untersuchungsbehörden beider Einrichtungen arbeiteten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eng zusammen. Neben diesen „offiziellen“3 Formen der Zusammenarbeit gab es zwischen Zoll und MfS noch weitaus größere Berührungspunkte – auf inoffizieller Basis. In besonderem Maße betraf dies den Bereich Fahndungswesen der Zollver waltung. Die Abteilungen des Zollfahndungsdienstes waren durch OibE und IM des MfS so eng an die Staatssicherheit gebunden, dass von einer weitgehend eigenständigen Tätigkeit dieses Bereichs nicht mehr gesprochen werden kann. Wieder andere Bereiche waren sogar ausschließlich mit hauptamtlichen inoffiziellen Mitarbeitern der Staatssicherheit besetzt und somit nur noch dadurch dem Zoll zuzuordnen, dass sie sich nach außen als Angehörige der Zollver waltung zu erkennen gaben. De facto handelte es sich aber um Diensteinheiten des MfS. Für die Abteilung „Postzollfahndung“ des MfS kann dies eindeutig belegt wer1 2

3

HA VI des MfS vom 27. 2. 1986 : Protokoll der Leiterberatung am 19. 2. 1986 ( BStU, MfS, HA VI 44, Bl. 43). Ein nach außen deutlich erkennbares Zeichen der Verbundenheit und Zusammenarbeit der „Sicherheitsorgane“ stellte die Sportvereinigung Dynamo ( SV Dynamo ) dar. Sie war die gemeinsame Sportorganisation von Volkspolizei, Zollver waltung und Ministerium für Staatssicherheit. Das MfS definierte jene Formen der Zusammenarbeit als „offiziell“, bei denen der Kontakt und der Informationsaustausch über die jeweilige Leiterebene dienstlich gegeben war und nicht über inoffizielle Stellen ( OibE, IM u. Ä.) hergestellt werden musste. Offiziell bedeutete keinesfalls, dass die Öffentlichkeit von diesen Arbeitskontakten wusste.

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Deckmantel, Handlanger und Erfüllungsgehilfe

den, bei der Abteilung „Zollermittlung“ legen die bisher bekannten Fakten diesen Schluss nahe. Aufgrund dieser Umstände stellt sich die Frage, warum die Zollver waltung für das MfS von so großem Interesse war, dass nicht nur ein enger „offizieller“ Arbeitskontakt bestand, sondern die Arbeit vieler Bereiche des Zolls weitgehend von der Staatssicherheit kontrolliert bzw. vollständig übernommen wurde ? Aus Sicht der Staatssicherheit verfügte die Zollver waltung offensichtlich über eine Reihe von Möglichkeiten ( im Folgenden Potenziale genannt ), mit deren Hilfe die „politisch - operative Arbeit“ des MfS effizienter gestaltet werden konnte. Welche Potenziale waren es, die für die Staatssicherheit von Interesse waren ? Und wie wurden diese durch das MfS genutzt ? Im Folgenden sollen Antworten auf diese beiden zentralen Fragen erarbeitet werden.

1.

Potenziale der Zollverwaltung

Die Potenziale der Zollver waltung, die vom MfS für die effizientere Gestaltung der „politisch - operativen Arbeit“ genutzt wurden, lassen sich in drei Kategorien unterteilen : Zum Ersten besaß der DDR - Zoll bestimmte rechtliche Befugnisse, die für die Staatssicherheit interessant waren. Zum Zweiten verfügte der Zoll über verschiedene Ressourcen, das heißt über Personal, Kontrollmittel, Finanzen, Spezialisten etc. Zum Dritten fungierte die Zollver waltung als „Deckmantel“, unter dem das MfS agieren konnte, ohne seine eigene Identität preisgeben zu müssen.4

1.1

Befugnisse der Zollverwaltung

Als „Schutz - und Sicherheitsorgan“ war die Zollver waltung der DDR mit weitreichenden rechtlichen Befugnissen ausgestattet, um die ihr übertragenen Aufgaben erfüllen zu können. Die wesentlichen Rechtsgrundlagen der Tätigkeit der Zollver waltung sind das Zollgesetz vom 28. März 1962, das Devisengesetz vom 19. Dezember 1973 sowie das Suchtmittelgesetz vom 19. Dezember 1973 mit ihren jeweiligen Durchführungsbestimmungen. Daneben existieren zirka 50 weitere spezielle rechtliche Vorschriften, die für die Tätigkeit des Zolls von Bedeutung waren. Für die Durchführung der Zollkontrolle an den Grenz - , Postund Binnenzollämtern war insbesondere der Paragraph fünf des Zollgesetzes wichtig.5 Danach hatte die Zollver waltung folgende Befugnisse :

4

5

Zwar lässt sich dieser dritte Punkt auch als eine Form der „Ressourcen“ einordnen. Eine eigene Kategorie erscheint aber vor allem daher sinnvoll, weil die Ressource „Deckmantel“ im Gegensatz zu den anderen nicht an etwas Konkretes gebunden ist, sondern die Zollver waltung als Ganzes in ihrer Außenwirkung betrifft. Vgl. Zollgesetz der DDR vom 28. 3. 1962, Gbl. I Nr. 3.

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Potenziale der Zollverwaltung

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1. Die Kontrolle aller Beförderungsmittel, Gepäckstücke und Behältnisse daraufhin, ob alle Waren zur Kontrolle vorgeführt worden sind. 2. Die Kontrolle und Untersuchung – einschließlich des Rechts der entschädigungslosen Probeentnahme zu Untersuchungszwecken – aller Waren auf ihre Übereinstimmung mit den Genehmigungs - oder Zolldokumenten auf ihre sonstige Ein - , Aus - oder Durchfuhrfähigkeit und auf die Feststellung eines Zollanspruches. 3. Die Einholung von Sachverständigengutachten von allen in Betracht kommenden Organen und Personen über die Ein - , Aus - oder Durchfuhrfähigkeit von Waren. 4. Die Sicherstellung von Waren und Beförderungsmitteln, wenn diese einem Zollverfahren nicht zugeführt werden, oder wenn die Durchführung des Zollverfahrens gefährdet ist. Sie kann Fristen zur Abwendung und Sicherstellung festsetzen, nach deren Verlauf die Waren oder Beförderungsmittel entschädigungslos eingezogen werden können. 5. Die Einholung von Auskünften, die Forderung der Einsicht in Dokumente oder des Nachweises über die Herkunft, die Bestimmung, den Ver wendungszweck und ähnliche Angaben für Waren von allen in Betracht kommenden Organen und Personen. Die Auskunft, die Einsicht und den Nachweis kann verweigern, wer nach den gesetzlichen Bestimmungen ein Zeugnis - oder Aussagever weigerungsrecht hat. 6. Den Erlass von mündlichen oder schriftlichen Verfügungen – erforderlichenfalls mit Strafandrohung – zur Durchführung dieses Gesetzes und seiner Durchführungsbestimmungen. 7. Die körperliche Durchsuchung von Personen. 8. Die Erzwingung aller Verfügungen a ) durch Ausführung von Maßnahmen auf Kosten desjenigen, der zur Aus führung der Maßnahmen verpflichtet ist; b ) durch unmittelbaren Zwang. 9. Anlagen aller Art, in denen Zollgut transportiert, umgeladen, gelagert, ausgestellt oder in anderer Weise behandelt wird, unter Zollaufsicht zu stellen. Der Staatssicherheit war bewusst, dass die Befugnisse aus dem Paragraph fünf des Zollgesetzes auch ein großes Potenzial für ihre „politisch - operative Arbeit“ darstellten : „Die zur Durchführung der Zollkontrolle an den Grenz - , Post - und Binnenzollämtern notwendigen Befugnisse ( §5 ZG ) [ Zollgesetz ] ermöglichen in vielfältiger Weise, den Kampf gegen den Feind zu unterstützen sowie ihre Möglichkeiten zur Durchsetzung weiterer politisch - operativer Interessen des MfS zu nutzen.“6 Durch die Nutzung zollrechtlicher Befugnisse konnte das MfS seinen Fundus an operativen Maßnahmen erweitern und diese zudem ( pseudo - )rechtsstaatlich legitimieren. Wie sich an späterer Stelle noch zeigen wird, nutzte das MfS zoll6

Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. (BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 6).

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Deckmantel, Handlanger und Erfüllungsgehilfe

rechtliche Befugnisse vor allem dadurch, dass es „Kontrollersuchen“ an operative Mitarbeiter des Zolls stellte, also Fahndungsaufträge vergab, die durch ZollMitarbeiter in ihrer rechtlich legitimierten Funktion als Zöllner erfüllt werden mussten. Die Akten bestätigen, dass diese Praxis alltäglich war. In keinem einzigen Fall lässt sich dagegen nachweisen, dass die Zollverwaltung ihrerseits über Möglichkeiten verfügte, Einwände gegen solche „Kontrollersuchen“ vorzubringen oder diese abzulehnen. Neben den Kontrollbefugnissen war die Zollver waltung auch mit umfassenden Rechtstiteln ausgestattet, um Verfahren zur Verfolgung von Zoll - und Devisenverstößen durchzuführen. Bestimmte Paragraphen des Zollgesetzes, des Devisengesetzes und des Suchtmittelgesetzes bildeten hierfür die rechtliche Grundlage.7 Damit verbunden waren auch entsprechende Befugnisse zur Durchsetzung von Straf - und Rechtsfolgemaßnahmen. So konnte die Zollver waltung beispielsweise Geldstrafen bis zu 20 000 Mark oder bis zur fünffachen Höhe des Wertes „rechtswidrig transportierter Waren“ aussprechen. Der Zollfahndungsdienst hatte die Berechtigung, Ermittlungsverfahren einzuleiten und zu führen, wenn gegen Personen ein begründeter Verdacht vorlag, dass sie gegen das Zoll - , Devisen - oder Suchtmittelgesetz verstoßen haben. Er war dabei mit allen Befugnissen eines Untersuchungsorgans der DDR ausgestattet. So durfte der Zollfahndungsdienst unter anderem Vernehmungen, Festnahmen, Durchsuchungen und Beschlagnahmungen durchführen, wie dies in der Strafprozessordnung der DDR geregelt war.8

1.2

Ressourcen der Zollverwaltung

Im Verhältnis zu den anderen „bewaffneten Organen“ ( Nationale Volksarmee, Ministerium für Staatssicherheit und Deutsche Volkspolizei ) war der Personalbestand des DDR - Zolls verhältnismäßig klein.9 In den 1970er und 1980er Jahren hatte die Zollver waltung etwa 8 500 Mitarbeiter und verfügte damit nur über knapp ein Zehntel des Personals der Staatssicherheit. Dennoch : Ein Großteil des Zollpersonals war in operativen Bereichen eingesetzt, die allesamt von erheblicher sicherheitspolitischer Relevanz waren. Allein an den Grenzübergangsstellen der DDR waren über 4 000 Zöllner beschäftigt.10 Hinzu kamen 7 Im Einzelnen waren dies die Paragraphen 15 des Zollgesetzes, 18 des Devisengesetzes und 21 der 1. Durchführungsbestimmung zum Suchtmittelgesetz. 8 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 22 f.). 9 Mitte der 1980er Jahre lag die Personalstärke der NVA bei etwa 170 000 Mann, des MfS bei knapp 90 000 hauptamtlichen Mitarbeitern und der Volkspolizei bei etwa 80 000. Hinzu kamen noch rund 8 000 Transportpolizisten und rund 15 000 Angehörige des Betriebsschutzes. Vgl. Herbst / Ranke / Winkler, So funktionierte die DDR, Band 1, S. 217; Herbst / Ranke / Winkler, So funktionierte die DDR, Band 2, S. 743; Gieseke, Mielke - Konzern, S. 317. 10 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 36).

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über 1 000 Kontrolleure an den Postzollämtern11 und gut 350 Mitarbeiter der Binnenzollämter.12 Über 200 Personen arbeiteten zudem im Bereich Fahndungswesen der Hauptver waltung.13 Darüber hinaus verfügte der Zoll über mehrere hundert Zollfahnder in der Hauptver waltung und den Bezirksver waltungen. Zu den Ressourcen zählen neben dem Personal auch die finanziellen Mittel, die der Zollver waltung zur Verfügung standen. Sie erhielt die Mittel direkt von der Staatlichen Plankommission und dem Ministerium der Finanzen.14 Neben dem Bau, der Instandhaltung und Ausstattung von Dienstobjekten, Ausgaben für den Fuhrpark, Investitionen in neue Kontrolltechnik sowie in die Ausbildung der Kontrolleure usw. wurde ein erheblicher Teil der Mittel für die Zahlung der Gehälter aufgewendet. Die im Zoll verankerten hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit – beispielsweise die gesamte Abteilung Postzollfahndung sowie sämtliche OibE – standen allesamt auf den Gehaltslisten der Zollver waltung, wurden also durch den Zoll nicht nur ausgebildet, sondern auch entlohnt. Seitens des MfS bekamen sie lediglich eine ( meist geringe ) Ausgleichszahlung auf ein „ziviles Konto“15, die ihr Gehalt auf das Niveau ihres Dienstranges im MfS anhob. Eine weitere Ressource der Zollverwaltung, die sich das MfS zunutze machen konnte, waren alle Kontrollmittel, die an den Zollämtern eingesetzt wurden. Deren Nutzung war über das Erteilen von „Kontrollersuchen“ ( siehe oben ) bzw. über inoffizielle Mitarbeiter und OibE im Personalbestand des Zolls sichergestellt. Für den internen Dienstgebrauch gab die Zollver waltung der DDR einen „Katalog technischer Kontrollmittel“16 heraus, der eine Übersicht über alle Geräte vermittelte, die bei den Kontrollhandlungen der Zollverwaltung zum Einsatz kamen. Dieser Katalog wurde ständig den technischen Änderungen angepasst.17 Die wichtigsten Kontrollgeräte wurden vor allem aus Gründen eingesetzt, die zugleich wichtige Ziele der „politisch - operativen Arbeit“ des MfS waren : Oberstes Ziel war, jegliche Form von Schleusungs - und Fluchtversuchen aufdecken und verhindern zu können. Zweitens sollten versteckt gehaltene Waren aufgespürt werden können, deren Ein - , Aus - und Durchfuhr aus wirtschaftlichen und politischen Gründen verboten war. Die Liste verbotener Gegenstände und Materialien war lang und reichte von Literatur und Tonträgern über 11 Davon ca. 360 Kräfte der Postzollfahndung des MfS. 12 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 15). 13 Vgl. ebd., Bl. 31. 14 Vgl. Dokument der Zollver waltung der DDR zu Grundfragen des Zollwesens und Hauptaufgaben der Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 70). 15 Anlage zum Lagebericht der HA KuSch von Juli 1987 : Zur Arbeit mit OibE / HIM der Hauptabteilung VI ( BStU, MfS, HA KuSch 2500, Bl. 37). 16 Katalog technischer Kontrollmittel der Zollver waltung der DDR ( Archivbestand der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn ). 17 An dieser Stelle soll nur auf grundsätzliche Anwendungsgebiete ausgewählter Kontrollinstrumente eingegangen werden, während nähere Angaben hierzu an späterer Stelle gemacht werden.

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Medikamente bis hin zu Devisen, um nur wenige zu nennen. Je nach Zollamt (Grenz - , Post - oder Binnenzollamt ) kamen zum Teil unterschiedliche Geräte zum Einsatz. Weit verbreitet waren Röntgengeräte, mit deren Hilfe verschlossene Gegenstände auf ihren Inhalt überprüft wurden. Zur Kontrolle schwer zugänglicher Bereiche waren zudem verschiedenste Spiegel, Sonden und sogar medizinische Endoskope vorhanden, die eigens für den Einsatz im Zoll präpariert wurden. Speziell zur Verhinderung von Fluchtversuchen kamen an den Grenzzollämtern „Gasspürgeräte“ zum Einsatz. Mit deren Hilfe konnte der Kohlendioxidgehalt der Luft in Containern und anderen abgedichteten Behältern gemessen werden, um so Anhaltspunkte für darin befindliche Personen erhalten zu können. Die Anwendung technischer Kontrollinstrumente wurde an den Grenzzollämtern ergänzt durch den Einsatz von Diensthunden. Ihr Einsatz sollte mit dem Ziel erfolgen „eine hohe Sicherheit im grenzüberschreitenden Reise - und Güter verkehr zu gewährleisten, staatsfeindlichen Menschenhandel aufzudecken und zu verhindern, Schmuggel und Spekulation mit Suchtmitteln zu bekämpfen und Gewaltakte mit Sprengstoffen zu verhindern“.18 Sowohl der Umgang mit Diensthunden als auch mit Röntgengeräten erforderte den Einsatz von besonders geschultem Personal. Dafür und auch für weitere Aufgaben verfügte der Zoll über verschiedene Spezialisten. Jeder Diensthund war seinem eigenen Hundeführer zugeteilt, um die Aufgaben zu erfüllen, die ihm zugedacht waren. Röntgengeräte wurden von speziell geschulten Zöllnern bedient, die in der Lage waren, die abgebildeten Gegenstände differenziert und genau einordnen zu können. Hinzu kamen Spezialisten, denen an den Grenzübergangsstellen besondere Sicherungsaufgaben zugedacht waren. Zusammen mit MfS - Mitarbeitern bildeten sie eine Art „Anti - Terror - Einheit“, die beispielsweise gewaltsame Grenzdurchbrüche verhindern und die Täter über wältigen sollte. Zu den Spezialisten zählten auch Zollfahnder, die über umfassende Kenntnisse im Bereich Kriminalistik verfügten. Wenn der Zoll bei seinen Kontrollen Waren beschlagnahmt hatte, wurden diese anschließend in ein zentrales Asser vatenlager der Hauptver waltung überführt. Lange Zeit existierte bei der Staatssicherheit keine klare Regelung, die den Zugriff auf dieses Asser vatenlager betraf. Am 9. Juni 1977 erließ der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, eine Anordnung, die eine Entnahme von Zoll - Asser vaten durch Diensteinheiten der Staatssicherheit ausdrücklich untersagte.19 Doch für die Zeit vor und auch nach dieser Anordnung lässt sich nachweisen, dass vom Zoll beschlagnahmte Waren mitunter beim MfS Ver wendung fanden.20 Noch im Jahr 1989 forderte die HA VI „zwecks Durchführung meh18 Dienstanweisung 3/79 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 23. 4. 1979 ( Archiv Plessow ). 19 Vgl. Schreiben des Ministers für Staatssicherheit an die Leiter aller Diensteinheiten vom 9. 6. 1977 : Behandlung von Asser vaten, die bei Dienststellen der Zollver waltung der DDR anfallen ( BStU, MfS, BdL / Dok. 006189, 1. Ex., Bl. 1). 20 Die Staatssicherheit brachte Gegenstände aus Postsendungen besonders häufig in ihren Besitz. Mitunter fanden Tonbandkassetten Ver wendung bei Abhörmaßnahmen. Kleinelektronik wie Tischrechner fanden sich in Arbeitszimmern von MfS - Mitarbeitern wie-

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rere[ r ] wiederholbarer operativer Kombinationen“21 im Rahmen einer OPK Gegenstände wie Reisetaschen, Bekleidung, Tonbandkassetten, Uhren, Feuerzeuge, Taschenrechner, Modeschmuck, Kugelschreiber, Geldbeträge verschiedener Währungen etc. von der Zollver waltung ab.22 Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Ressourcen der Zollver waltung waren Datenspeicher. Das MfS hatte Zugriff auf die elektronischen Datenspeicher des Rechenzentrums sowie auf sämtliche vom Zoll geführte Karteien. Von besonders hohem operativem Wert war die Zentralkartei. Der 1. Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit, Bruno Beater, schrieb 1977 eine Information an alle operativen Diensteinheiten des MfS : „In der Zentralkartei der Hauptverwaltung der Zollver waltung der DDR sind Angaben zu Personen erfasst, die mit Zollrechtsverletzungen angefallen sind sowie zu denen politisch - operative und andere sicherheitsmäßig zu beachtende Feststellungen oder Hinweise aus dem grenzüberschreitenden Reise - , Güter - und Postverkehr bekannt wurden.“23 Des Weiteren gab es eine „Täterkartei“ sowie eine „Hinweiskartei“, auf denen DDR - Bürger erfasst wurden, gegen die ein Ermittlungsverfahren geführt wurde, ebenso eine „Organisations - Empfängerkartei“ und eine „OrganisationsAbsenderkartei“, auf der sämtliche Personen gespeichert waren, die im Zusammenhang mit „Organisationssendungen“ – wie karitative Hilfssendungen aus der Bundesrepublik bezeichnet wurden – standen.24

1.3

Die Zollverwaltung als „Deckmantel“

Die grundlegenden Tätigkeiten des Zolls – Kontrolle von Fahrzeugen, Personen und ihren mitgeführten Gepäckstücken – stellten auf den ersten Blick eine international übliche Prozedur dar. Auch der Vergleich von Frachtdokumenten mit ein - und auszuführenden Waren war zunächst keine außergewöhnliche Handlung, die ausschließlich den DDR - Zoll betraf. Kontrollen bilden bis heute die Grundlage jeglicher Zolltätigkeit und sind Bestandteil des Abfertigungssystems an den Grenzen eines Staates oder Staatenbundes. Diese Tatsache liefert bereits den entscheidenden Hinweis darauf, warum die Kontrollen der Zollver waltung

21 22 23

24

der. Vgl. Schreiben der Abteilung Postzollfahndung der BVfS Karl - Marx - Stadt an den Stellvertreter Operativ der BVfS Karl - Marx - Stadt vom 13. 9. 1978 ( BStU, MfS, StOp 103 Band 2, Bl. 274). HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 6. 1. 1989 : Anforderung von Reisetaschen sowie Füll - und Spielmaterial zwecks Durchführung mehrerer wiederholbarer operativer Kombinationen im Rahmen der OPK „Josef“ ( BStU, MfS, HA VI 14600, Bl. 1). Vgl. ebd. Schreiben des 1. Stellvertreters des Ministers für Staatssicherheit, Bruno Beater, an die Leiter der Diensteinheiten des MfS vom 8. 12. 1977 : Nutzung der Zentralkartei der Zollver waltung der DDR durch die operativen Diensteinheiten des MfS ( BStU, MfS, BdL / Dok. 006278 1. Ex., Bl. 1–4). Vgl. Schreiben des Leiters der HA VI des MfS an den Leiter der HA IX des MfS vom 1. 10. 1970 : Festlegungen zur Vereinheitlichung von Überprüfungen durch das MfS in den Karteien der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA IX 558, Bl. 52–55).

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für das Ministerium für Staatssicherheit „politisch - operativ“ interessant waren : Gegenüber den Beteiligten wurden die Kontrollhandlungen im Zollverfahren als international üblich dargestellt. Das Zusammenspiel zwischen Zollapparat und dem Geheimdienst blieb dagegen weitgehend im Verborgenen. So äußerte sich beispielsweise der Leiter der Abteilung Zollrecht der Zollver waltung und IM des MfS, Kurt Niehoff, was die operative Bedeutung von Zollanträgen betraf folgendermaßen : „Es ist international üblich, dass der Zollbeteiligte einen Antrag zu stellen hat und im Antrag alle zur Durchführung des Zollverfahrens notwendigen Angaben enthalten sein müssen. Das gibt zwangsläufig einen hohen Spielraum für die Herausarbeitung sicherheitspolitisch bedeutsamer Faktoren und Zusammenhänge und wirkt nach außen als Zollabfertigung.“25 Die Kooperation ging zum Teil aber so weit, dass nicht Zöllner, sondern MfSMitarbeiter die Kontrollhandlungen durchführten. Das MfS bezeichnete das Verfahren, nach außen erkennbar als Angehörige des Zolls aufzutreten, als „Legende Zollver waltung“. Diese Legende eröffnete der Staatssicherheit die Möglichkeit zur unauffälligen „Abschöpfung“ bestimmter Personen. Unter dem Vor wand der Klärung einer oft harmlos klingenden zollmäßigen Angelegenheit wurden Bürger von MfS - Mitarbeitern in Zolluniform bzw. von Zöllnern, die im Auftrag der Staatssicherheit agierten, nicht nur befragt, sondern vor allem ausgehorcht und bespitzelt. Der Vor wurf einer vermeintlichen oder tatsächlichen Zollstraftat bot für das MfS auch Anlässe, die Beschuldigten zu kriminalisieren und weitergehende Ermittlungsverfahren einzuleiten. Diese Methode wurde auch im Zusammenhang mit „Zersetzungsmaßnahmen“ angewandt, indem mit ihr versucht wurde, den Ruf einer Person zu schädigen. Die „Legende Zollverwaltung“ leistete einen weiteren Beitrag zur „Zersetzung“ : Pakete wurden aus dem Verkehr gezogen oder beschlagnahmt, um den Betroffenen gezielt den Kontakt zu bestimmten Personen zu erschweren. Ergänzend konnten Reisesperren ausgesprochen werden, um unliebsame Kontakte zu unterbinden. Die Funktion als „Deckmantel“ zeigte sich zum Ende der DDR in einer weiteren Facette : Tausende Mitarbeiter des Amtes für Nationale Sicherheit ( AfNS), wie sich das Ministerium für Staatssicherheit auf Beschluss der Volkskammer der DDR vom 17. November 1989 nannte, wurden im Zuge der Friedlichen Revolution entlassen. Sie verrichteten fortan ihren Dienst als Zöllner, wurden in Teilen nach der Wieder vereinigung zunächst in die Bundesfinanzver waltung übernommen und erst Jahre später aufgrund von personalpolitischen Überprüfungen als ehemalige Mitarbeiter der Staatssicherheit identifiziert und entlassen. Die Zollver waltung bot somit für das MfS eine Reihe von Möglichkeiten, dessen „politisch - operative Arbeit“ zu unterstützen. Doch wie wurden diese Potenziale durch das MfS konkret genutzt ? Dies soll im Folgenden anhand der einzelnen Tätigkeitsbereiche des DDR - Zolls aufgezeigt werden. Zunächst werden 25 MfS - Personalakte Kurt Niehoff, IM - Treffbericht ( Tonbandabschrift ) vom 30. 1. 1981 (BStU, MfS, KS A 161/89, Bl. 180).

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Nutzung der Potenziale der Grenzzollämter

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dafür die operativen Bereiche der Zollver waltung näher betrachtet. Gemeint sind damit jene Tätigkeitsfelder, die in den unmittelbaren Kontrollprozess mit eingebunden waren. Dies waren Grenz - und Postzollämter sowie der Bereich des Zollfahndungsdienstes. Anschließend werden darüber hinaus administrative Bereiche vorgestellt, die zwar nicht unmittelbar am Kontrollprozess beteiligt waren, aber auf nicht weniger wichtige Art und Weise die Arbeit der Staatssicherheit unterstützt haben.

2.

Nutzung der Potenziale der Grenzzollämter

„Wir können ohne Zoll und der Zoll ohne uns, vor allem an der Grenze, nicht arbeiten und nicht existieren. Diese enge Gemeinschaft muss eine verschworene Gemeinschaft sein.“26 So Heinz Fiedler, Leiter der HA VI des MfS, am 14. März 1984.

Den Grenzübergangsstellen ( GÜSt ) der DDR kam politisch wie ökonomisch eine besondere Bedeutung zu. Politisch relevant waren die GÜSt vor allem aufgrund ihrer symbolischen Bedeutung. Jeder Staat definiert sich „in seinen Grenzen“ und „durch seine Grenzen“. Die deutsch - deutsche Grenze als Teil des Eisernen Vorhangs grenzte die Einflusssphären zweier Weltmächte mit konträren Ideologien voneinander ab. Bürger der DDR konnten diese Grenze oft nur in dringenden Familienangelegenheiten oder im Rentenalter legal passieren. Aufgrund eines perfide entwickelten Kontrollsystems waren Fluchtversuche in den 1970er und 1980er Jahren häufig zum Scheitern verurteilt. Für viele Einreisende aus dem Westen symbolisierten die Grenzübergangsstellen daher den Unrechtscharakter des DDR - Regimes und waren zugleich ein beängstigendes Symbol für die Macht der Staats - und Parteiführung der DDR. Zudem waren Grenzübergangsstellen die einzigen Orte, an denen Bundesbürger mit staatlichen Behörden der DDR direkt in Kontakt traten. Sie prägten wesentlich deren Bild der DDR. Im Gegenzug war das Personal der Grenzübergangsstellen zur Bundesrepublik wie niemand sonst in der DDR direkt mit Eindrücken aus dem Westen konfrontiert. Die Grenzübergangsstellen an den Grenzen zur Bundesrepublik waren somit „Knotenpunkte“ zweier Welten. Demgegenüber hatten die GÜSt an den Grenzen zu den „sozialistischen Bruderländern“ eine ganz andere symbolische Bedeutung. Sie sollten die Verbundenheit mit den osteuropäischen Nachbarn und eine gewisse Freizügigkeit ausdrücken, die DDR - Bürgern an der Westgrenze weitgehend ver wehrt blieb. Mit der Einführung des sogenannten „pass - und visafreien Reiseverkehrs“ wurden die Abfertigungszeiten für Reisende von und nach der ČSSR und Polen ab 1972 erheblich verkürzt. Aufgrund der politischen Krise in der ČSSR 1968 war diese symbolische Öffnung nach Osten allerdings labil und zugleich von Misstrauen geprägt, das sich im Zuge der Solidarność - Bewegung in Polen Anfang der 26 HA VI des MfS vom 16. 3. 1984 : Protokoll zur Leiterberatung am 14. 3. 1984 ( BStU, MfS, HA VI 29, Teil 1 von 2, Bl. 111).

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Deckmantel, Handlanger und Erfüllungsgehilfe

1980er Jahre nochmals verstärken sollte. Die Gefahr der „politisch - ideologischen Diversion“ war somit auch an diesen Grenzen allgegenwärtig, zumal sich insbesondere an der Grenze zur ČSSR vermehrt Fluchtversuche ereigneten, indem DDR - Bürger über das Drittland versuchten, in den Westen zu gelangen. An allen Grenzen der DDR waren die Übergangsstellen wirtschaftlich von großer Bedeutung. Einerseits war die unkontrollierte Ein - und Ausfuhr von Waren und Devisen ein erheblicher ökonomischer und mitunter politischer Störfaktor. Andererseits waren Ein - , Aus - und Durchfuhrgebühren auf importierte Waren sowie der Umtausch von Devisen unverzichtbare staatliche Einnahmequellen. So gesehen stellten die Grenzübergangsstellen wichtige „Lebensadern“ der DDR dar. Besonders seit Abschluss des Transitabkommens und unter den veränderten Bedingungen, die sich aus dem KSZE - Prozess ergaben, nahm die Zahl der Personen - und Warenbewegungen über die Grenzen der DDR ab Mitte der 1970er Jahre rasant zu. Dadurch blieben die Grenzübergangsstellen trotz verstärkter Über wachungsmaßnahmen jene Bereiche, die von den „Sicherheitsorganen“ am schlechtesten kontrolliert werden konnten. Die Grenzübergangsstellen können faktisch als die „Achillesfersen“ im Sicherheitssystem der DDR bezeichnet werden. Die Grenzzollämter bildeten eine von drei Säulen auf denen das Sicherungssystem an den Grenzübergangsstellen der DDR beruhte. Gemeinsam mit den Grenztruppen der NVA und den Passkontrolleinheiten des MfS waren die GZÄ mit Sicherungs - bzw. Kontrollaufgaben an den GÜSt betraut. Anhand der Verkehrsmittel, die an der Staatsgrenze der DDR kontrolliert und abgefertigt wurden, lassen sich vier Kategorien von Grenzübergangsstellen unterscheiden : Zum Ersten gab es Straßen - Grenzübergangsstellen, von denen die sogenannten Autobahn - Grenzübergangsstellen aufgrund des hohen Verkehrsdurchlaufs von besonderer sicherheitspolitischer Relevanz waren. Zum Zweiten waren Eisenbahn - Grenzübergangsstellen vorhanden, die ebenfalls von vielen Bürgern westlicher Staaten zur Ein - und Durchreise benutzt wurden. Zum Dritten gab es an Flughäfen mit internationalem Flugverkehr Grenzkontrollpunkte, wovon dem Flughafen Berlin - Schönefeld aufgrund der Anzahl an Flugverbindungen sowie des Passagieraufkommens die größte Bedeutung zukam. Viertens schließlich wurden in großen Häfen der DDR Schiffs - Grenzübergangsstellen eingerichtet, denen das MfS vor allem aufgrund der Fähr verbindungen nach Skandinavien ein hoher Stellenwert einräumte.27

27 Aufgrund der Tatsache, dass dem Verfasser trotz intensiver Recherchen nur wenige Quellen zu Schiffs - Grenzübergangsstellen zur Verführung standen, konnte das Kontrollverfahren bei Schiffen nicht hinreichend rekonstruiert werden. Daher wird im Folgenden auf eine genaue Beschreibung dieser Kategorie verzichtet.

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Nutzung der Potenziale der Grenzzollämter

2.1

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Grundsätze für das Kontrollverfahren an allen Grenzübergangsstellen

Die Hauptabteilung VI des Ministeriums für Staatssicherheit erließ am 1. Juli 1981 eine Neufassung der „Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen – Ordnung Nr. VI /1/81“ ( OTA ).28 Mit diesem Grundsatzdokument wurden einheitliche Verfahrensweisen bei der Kontrolle und Abfertigung des grenzüberschreitenden Reise - und Güterverkehrs an allen Grenzübergangsstellen angeordnet. Die OTA umfasste in ihrer Neufassung 570 Seiten, was verdeutlicht, wie differenziert und komplex das Kontrollverfahren an den GÜSt war. Daher wird im Folgenden das Kontrollverfahren zwangsläufig vereinfacht dargestellt, wobei der Fokus auf die Kontrollen durch die Grenzzollämter und auf deren konkreten Nutzen für die Arbeit der Passkontrolleinheiten und des MfS insgesamt gelegt wird. Oberstes Ziel : Verhinderung von Fluchten Der Staat DDR verweigerte seinen Bürgern generell das Recht auf Freizügigkeit. Mehr noch : Er kriminalisierte jeden, der von diesem Menschenrecht Gebrauch machen wollte, mit eigens dafür entwickelten Straftatbeständen. So trat am 15. September 1954 das Passgesetz in Kraft, nach dem künftig Republikflucht mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden konnte. Auch Vorbereitung und Versuch einer Flucht waren strafbar. Im Strafrechtsergänzungsgesetz ( StEG ) vom 11. Dezember 1957 wurde zudem ausdrücklich das „Verleiten zum Verlassen der DDR“ unter Strafe gestellt. Des Weiteren waren mit Inkrafttreten des Strafgesetzbuches der DDR ab dem 12. Januar 1968 der Tatbestand „ungesetzlicher Grenzübertritt“ ( § 213 StGB ) sowie der des „staatsfeindlichen Menschenhandels“ ( § 105 StGB ) aufgeführt, auf die mehrjährige Haftstrafen, in besonderen Fällen auch lebenslange Freiheitsstrafen erfolgen konnten. Unabhängig von den zu erwartenden Strafmaßnahmen, stellte für den Flüchtenden jeder Versuch, heimlich das Land zu verlassen, eine lebensbedrohliche Situation dar. Dennoch nahmen viele DDR - Bürger alle Risiken auf sich, um in Freiheit zu gelangen. Vor allem im Zeitraum von der Gründung der DDR bis zum Bau der Berliner Mauer setzte eine massenhafte Flucht - und Abwanderungsbewegung ein. In diesem Zeitraum verließen rund 2,7 Millionen Menschen ohne gesetzliche Genehmigung die DDR und flüchteten nach Westberlin oder nach der Bundesrepublik.29 Durch den Mauerbau konnten Flucht und Abwanderung zwar gedrosselt, jedoch zu keiner Zeit gänzlich unterbunden werden. Bis 1989 kehrten schätzungsweise weitere 95 000 Menschen „illegal“ der DDR den Rücken.30 Etwa 40 000 davon verließen die DDR über die „Grüne Grenze“, d. h. auf dem Land28 Vgl. HA VI des MfS vom 1. 7. 1981 : Neufassung der Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen (OTA ) ( BStU, MfS, HA VI 5998, Bl. 1–570). 29 Fricke, Fluchthilfe, S. 3. 30 Eisenfeld, Fluchtbewegung, S. 200–202.

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weg abseits der Grenzübergangsstellen, bzw. über die Ostsee. Die Mehrheit nutzte den Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik und Westberlin bzw. flüchtete über Drittländer.31 Als „Verbleiber“ oder „Nicht - Rückkehrer“ wurden Personen bezeichnet, die legale Dienst - oder Privatreisen zum Verbleib im Westen genutzt hatten und nicht in die DDR zurückgekehrt sind. Auch sie wurden von der Staatssicherheit zu den Flüchtigen gezählt. Weil das Entkommen aus der DDR ab 1961 immer schwieriger wurde, entwickelten sich vor allem in Westberlin zahlreiche Fluchthelferorganisationen.32 Sie setzten sich zumeist aus jungen Menschen zusammen, unter ihnen auch viele „Republikflüchtige“. Ihr Ziel war es, fluchtwillige Menschen, Freunde, Kommilitonen und Familienangehörige aus Ostberlin und der DDR auszuschleusen und somit zugleich gegen die Willkür der SED - Diktatur zu protestieren. „Fluchthilfe war Widerstand – das Eintreten für die Wahrung oder Wiederherstellung des Rechts auf Freizügigkeit.“33 Ihre Vorgehensweise war höchst unterschiedlich. Sie nutzten gefälschte Pässe, bauten Fluchttunnel und versteckten Personen während der Transitreise in eigens dafür umgebauten Fahrzeugen. Jedoch war bei Weitem nicht jede Flucht erfolgreich, sondern scheiterte an dem ausgeklügelten Grenzkontrollsystem der DDR. Bereits 1962 wurde der erste Strafprozess gegen Fluchthelfer geführt.34 Die Richter sahen die Aktionen der Angeklagten als Ausdruck einer durch die „Bonner und Westberliner Ultras“ entwickelten „politischen Offensive“ gegen die DDR.35 Nach dem Inkrafttreten des Transitabkommens sowie weiterer Vereinbarungen und Abkommen mit der Bundesrepublik und Westberlin stiegen 1972 die Fluchtversuche in Berlin im Vergleich zum Vorjahr um das Zehnfache.36 Die Transitautobahnen der DDR bildeten neuralgische Punkte im Sicherheitssystem der DDR. Sie galten als Orte, an denen sich Agenten, Saboteure und Spione aus dem Westen relativ einfach in die DDR einschleusen konnten. Darüber hinaus boten sie den Bewohnern der DDR eine Möglichkeit, illegal das Land Richtung Westen verlassen zu können : im Kofferraum, im Hohlraum der Rückbank, im LKW hinter Ladungen versteckt. „Insofern wird verständlich, warum 1959 ein 31 32

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Fluchtwege führten vor wiegend über die damalige Tschechoslowakei oder über Ungarn, aber auch über die VR Polen, Rumänien und Bulgarien, ferner über Skandinavien, speziell auf den nach Schweden führenden Fährlinien. Vgl. Fricke, Fluchthilfe, S. 3. Ab Mitte der 1960er Jahre traten auch zunehmend kommerzielle Fluchthelferunternehmen in Erscheinung, die von DDR - Bürgern zum Teil erhebliche Honorare verlangten. Beträge zwischen 5 000 und 20 000 DM waren keine Seltenheit. Diese profitorientierten Fluchthelfer sind in den folgenden Ausführungen nicht angesprochen. Vgl. Fricke, Fluchthilfe, S. 9. Ebd., S. 4. In der Bundesrepublik war Fluchthilfe kein Straftatbestand, woran auch die Normalisierung der innerdeutschen Beziehungen in den 1970er und 1980er Jahren nichts änderte. Das zeigen die Urteile des 3. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes über die Einklagbarkeit von Fluchthilfe - Verträgen sowie das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. 9. 1977 – III ZR 164/75. Vgl. Fricke, Fluchthilfe, S. 5. Vgl. ebd., S. 3–5.

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Polizeioffizier die Interzonen - , bzw. Transitautobahn als eine ‚offene Grenze‘ bezeichnete. Aus Sicht von Polizei und Staatssicherheit verlängerten die Transitautobahnen die eigentliche Staatsgrenze der DDR ins Innere des Landes.“37 Das MfS stand vor der Aufgabe, „ein wirksames Sicherungssystem“38 zur Beobachtung und Kontrolle der Transitstrecken und des gesamten Transitverkehrs zwischen der Bundesrepublik und Westberlin zu schaffen – das betraf Straßen von 1 000, Eisenbahnstrecken von 1 200 und Wasserstraßen von 440 km Länge. Im Jahr 1974 gelang beispielsweise über 1 300 DDR - Bürgern die Flucht aus der DDR. Gut ein Drittel dieser Personen wurde vermutlich über die Transitstrecken aus der DDR ausgeschleust.39 Auch der grenzüberschreitende Reise - , Touristen - und Transitverkehr aus und nach anderen sozialistischen Staaten wurde ab dieser Zeit zunehmend zur Ausschleusung von Personen genutzt. Durch die Intensivierung zahlreicher „operativer Maßnahmen“ konnten Staatssicherheit und Zoll zwischen 1972 und 1988 jedoch 2 748 Schleusungen verhindern.40 Im MfS waren für die „Bekämpfung von Republikflucht und Fluchthilfe“ in den ausgehenden 1950er und den 1960er Jahren hauptsächlich die Diensteinheiten der HA II ( Spionageabwehr ) und der HA V bzw. XX ( Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit ) zuständig. 1970 übernahm die HA VI ( Passkontrolle / Sicherung der Touristik ) die Koordinierung in der „operativen Abwehr“ von Fluchthilfedelikten, bis im Jahr 1975 in Gestalt der Zentralen Koordinierungsgruppe ( ZKG ) eine spezielle Struktureinheit zur „Vorbeugung, Bekämpfung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der DDR und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels“41 geschaffen wurde. Unbestritten blieben Zoll - und Passkontrolleure die eigentlichen Kontrollkräfte, die unmittelbar vor Ort Fluchten zu verhindern hatten. Zuständigkeiten und Hierarchien im Kontrollverfahren Die Kontrollverfahren an den GÜSt wichen je nach Kategorie ( Straße, Eisenbahn, Flug - und Fährhafen ) zum Teil stark voneinander ab. Dennoch gab es bei allen Unterschieden auch gewisse Gemeinsamkeiten. Grenzübergangsstellen waren nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch militärisch neuralgische Bereiche. Für die militärische Sicherung waren daher grundsätzlich die Grenztruppen der Nationalen Volksarmee zuständig. Andere, die Sicherheit betreffende Zuständigkeiten, ergaben sich am Einlassposten für die Mitarbeiter der GÜSt : „Zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung an den GÜSt hat das Betreten und Verlassen der GÜSt nur an den dafür zugelassenen und 37 Dossmann, Transit, S. 113. 38 Studienmaterial der Juristischen Hochschule des MfS zur Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit, Teil VII, vom August 1980 ( BStU, MfS, JHS 23975, S. 72). 39 Vgl. Tantzscher, Reise - und Touristenverkehr, S. 229. 40 Vgl. Fricke, Fluchthilfe, S. 8. 41 Befehl 1/75 des Ministers für Staatssicherheit. In : Lochen / Meier - Seitz ( Hg.), Geheime Anweisungen, S. 173–175.

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von der PKE [ Passkontrolleinheiten ] abgesicherten Zu - und Abgängen, entsprechend der Betretungsordnung, zu erfolgen.“42 Darüber hinaus waren die Passkontrolleinheiten der Staatssicherheit auch für die Sicherung des gesamten Kontroll - und Abfertigungsprozesses zuständig. Die Passkontrolleinheiten ( PKE ) waren der Abteilung VI des MfS unterstellt. Sie hatten den Auftrag, „durch eine exakte Passkontrolle und Fahndung auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und dienstlichen Weisungen, die Pass - und Visahoheit der DDR im grenzüberschreitenden Verkehr zu gewährleisten und durch die Erfassung und Analysierung aller Informationen, Vorkommnisse und Erscheinungen im grenzüberschreitenden Verkehr, staatsfeindliche Tätigkeit vorzubeugen und zu bekämpfen sowie wertvolle politisch operative Informationen und Ausgangsmaterialien für andere operative Diensteinheiten des MfS zu erarbeiten“.43 Das Statut des Ministeriums für Staatssicherheit sah die Sicherung des grenzüberschreitenden Verkehrs „unter Einbeziehung der Zollver waltung“44 vor. Die Mitarbeiter der Grenzzollämter waren bei der Erfüllung dieser Aufgabe jedoch keine gleichberechtigten Partner des MfS, sondern unterstanden in allen wichtigen Fragen den Weisungen der Passkontrolleinheiten.45 Begründet wurde dies nach Lesart der Staatssicherheit unter anderem folgendermaßen : „Erkennt ein Mitarbeiter [ des Zolls ] z.B. bei der Einreise oder Einfuhr feindliche Aktivitäten nicht, kommt der Feind im Innern zur Aktion, falls er nicht durch die Organe des MfS erkannt wird. Daher gehört es auch zum Bewusstsein der Kampfgemeinschaft und Klassen - sowie Waffenbrüderschaft mit den Genossen des MfS, dass der Mitarbeiter der Zollverwaltung seine Ehre hineinlegt, den Genossen des MfS beim Kampf gegen all jene feindlichen Handlungen zu helfen, die durch den Mitarbeiter der Zollverwaltung erkennbar sind. [...] Die Bekämpfung feindlicher Aktivitäten ist somit ein fester Bestandteil des Klassenauftrages des Mitarbeiters. Sie ist keine spezifische oder Sonder - bzw. 42 HA VI des MfS vom 1. 7. 1981 : Neufassung der Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Ausfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen ( OTA ) ( BStU, MfS, HA VI 5998, Bl. 110). 43 Kröppelien, Zusammenwirken. Hausarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1974, S. 3 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /160–1206/74). 44 Materialien der Enquetekommission, Band VIII, S. 9. 45 Vgl. DA 23/65 des Leiters der Zollver waltung der DDR : „Personen, bei denen im Rahmen der Zollkontrolle Tatsachen bekannt werden, die darauf hinweisen, dass sie Verdächtige, Täter oder Teilnehmer einer gegen die Sicherheit der DDR gerichteten strafbaren Handlung sind, sind mit dem gefundenen Beweismaterial dem Passkontrollorgan zu übergeben. Hierzu genügt es, wenn einzelne bekannte Tatsachen einen solchen Schluss zulassen. Das gilt insbesondere auch für Personaldokumente, Adressenmaterial usw. sowie dann, wenn bei der Person in Fahndung stehende Sachen festgestellt werden. Entsprechend diesem Befehl ist der Leiter der PKE in Fragen der Bekämpfung der Feindtätigkeit und der dazu notwendigen Kontrollhandlungen gegenüber dem Leiter bzw. dem diensthabenden Offizier des GZA weisungsbefugt. Auf Verlangen des dazu befugten Offiziers der PKE sind außer den Personen und Sachen auch alle durch die Zolldienststellen gefertigten schriftlichen Unterlagen ( Protokolle zu Zoll - und Devisenverfahren, Karteikarten usw.) sowie Asser vate mit zu übergeben und im Übergabe / Übernahmeprotokoll aufzuführen.“ Zit. nach Kröppelien, Zusammenwirken, S. 12 f. (BStU, MfS, JHS MF VVS /160–1206/74).

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Teilaufgabe neben anderen zollspezifischen Aufgaben, sondern integrierender Bestandteil der Hauptaufgaben der Zollverwaltung.“46

Die Grenzzollämter waren den jeweils zuständigen Bezirksver waltungen der Zollver waltung unterstellt und hatten laut Verfassung der DDR den Auftrag, „durch die Kontrolle des grenzüberschreitenden Waren - , Devisen - und Geldverkehrs das staatliche Monopol des Außenhandels und der Valutawirtschaft zu schützen“.47 Laut der Dienstanweisung 23/65 des Leiters der Zollver waltung sollten dabei alle Feststellungen der Angehörigen der Grenzzollämter, die zur Aufdeckung, Bekämpfung und Verhinderung der „Feindtätigkeit“ beitragen konnten, an die Passkontrolleinheiten übergeben werden.48 In der Dienstanweisung 3/75 des Ministers für Staatssicherheit wird der Abteilung VI, die für die Überwachung des grenzüberschreitenden Verkehrs verantwortlich war, folgende grundsätzliche Aufgabe gestellt : „Verhinderung der

Abb. 4 : Jede bedeutende Feststellung, zu der auch das Vorfinden westlicher Druckerzeugnisse zählte, wurde von der Zollverwaltung dokumentiert49

46 Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 71 f.). 47 Kröppelien, Zusammenwirken, S. 3 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /160–1206/74). 48 „Feindtätigkeiten“ waren unter anderem „ungesetzliche Grenzübertritte, Personen - und Sachschleusungen sowie Erscheinungen der politisch - ideologischen Diversion“ ( z. B. die Einfuhr verbotener Literatur ). 49 Bildquelle : BStU, MfS, HA VI 265.

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Ein - und Ausschleusung von Personen, Materialien, insbesondere Waffen, Munition, Sprengstoffe, Rauschgifte und andere Gifte, Hetzmaterialien sowie für andere feindlich - negative Handlungen zu nutzende Gegenstände und Materialien im Zusammenwirken mit den Kräften der Zollver waltung und den anderen an der Grenzübergangsstelle tätigen Organen.“50 Diese Grundsatzaufgabe des MfS bei der Überwachung des grenzüberschreitenden Verkehrs konnte nicht ohne das Zutun der Grenzzollämter erfüllt werden. Es waren die Grenzzollämter, welche die eigentlichen Kontrollhandlungen, also das Auffinden von Personen und Materialien, rechtlich legitimiert vornehmen durften und vorgenommen haben. Sicherheitsrelevante Feststellungen meldeten sie den PKE. Diese entschieden dann über das weitere Vorgehen. Die Koordination der Zusammenarbeit zwischen der Zollver waltung und dem MfS an den Grenzübergangsstellen Die Grenzzollämter wie auch die Passkontrolleinheiten waren ihren jeweils zuständigen Bezirksver waltungen untergeordnet, wobei die PKE als Bestandteil der Abteilung VI in operativen Fragen von den Leitern dieser MfS - Abteilungen angeleitet wurden. Zur Koordination der Zusammenarbeit fanden auf allen Ebenen regelmäßig vertrauliche Absprachen statt, verbunden mit dem Ziel, den Einfluss des MfS auf die Tätigkeit der GZÄ zu erhöhen.51 Zwischen den Leitern der Bezirksverwaltungen des MfS und den ihnen unterstellten Leitern der Abteilung VI sowie den Leitern der Bezirksver waltungen der Zollver waltung kam es in der Regel vierteljährlich zu gemeinsamen Absprachen. Darin wurde das Zusammenwirken grundsätzlich ausgewertet und Schwerpunkte der Zusammenarbeit entsprechend den „operativen Erfordernissen“ des MfS festgelegt. Im Zyklus von zwei bis vier Wochen fanden dann auf Grundlage dieser Absprachen ähnliche Gespräche auf den Führungsebenen der Grenzübergangsstellen statt ( Leiter der Passkontrolleinheit – Leiter des Grenzzollamtes ). Dabei wurden zusätzliche Festlegungen getroffen, um ein abgestimmtes Handeln zu ermöglichen. Zudem wurden Fehler, Mängel aber auch Erfolge bei der Zusammenarbeit analysiert und gegebenenfalls notwendige Veränderungen festgelegt.52 Ein Zeitzeuge, der im Jahr 1979 als Leiter eines großen Grenzzollamts an die Westgrenze versetzt wurde, erinnert sich an sein erstes Zusammentreffen mit dem Leiter der örtlichen Passkontrolleinheit : „Bei meinem ersten Gespräch hat man [ der PKE - Leiter ] mir dann gesagt : ‚Ich wollte dir das mal erklären, bei uns war es bisher immer so, du weißt ja auch wie das Verhältnis ist, Ministerium für Staatssicherheit und DDR - Zollverwaltung, du bist praktisch so mein fünfter Zugführer.‘ [...] Wortwörtlich, er hat das auch so gesagt. [...] Ich hab dann gesagt, 50 Riechel, Zusammenwirken mit den Zollorganen. Fachabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1980, S. 8 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /1137/79). 51 Vgl. Kröppelien, Zusammenwirken, S. 28 ( BStU, MfS, MF VVS /160–1206/74). 52 Vgl. Grigull, Zusammenwirken mit den Grenzzollamt. Fachabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1979, S. 15 ( BStU, MfS, JHS VVS /774/79).

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Dieter, hör zu mein Lieber, wir halten uns mal an die Befehle und Weisungen. [...] Du machst deins, ich mach meins. [...] Wir haben uns natürlich ganz gut verstanden. Das Problem war wirklich so, es gab schon so ne Art Unterstellungsverhältnis, es war schon so. Weil sie natürlich, mit ihren Sicherheitsaufgaben hatten sie natürlich überall Einfluss, is ja klar. [...] Sie hatten das Sagen, das ist unbestritten.“53

Außer diesen grundsätzlichen Absprachen auf Leiterebene gab es täglich individuelle Absprachen auf der Ebene der Diensteinheiten ( Zugführer PKE – Zugführer GZA ). Zu Beginn jeder Dienstschicht wurden Informationen ausgetauscht, die Schwerpunkte der Kontrolltätigkeit festgelegt und der dafür notwendige Einsatz des Personals abgestimmt. Vor, während und nach dem eigentlichen Kontrollprozess kam es zu Absprachen zwischen den einzelnen Leitern der Kontrollgruppen ( Gruppenführer PKE – Gruppenführer GZA ). Weitergehende Kontakte unter den Kontrollkräften beider Einheiten waren ausdrücklich untersagt. Damit sollte vor allem vermieden werden, dass Zollkontrolleure Einblick in die internen Strukturen des MfS erhielten. Passkontrolleinheiten als „Black Box“ Die Passkontrolleinheiten fungierten an den Grenzübergangsstellen gewissermaßen als „Black Box“.54 Sie stellten die Informationsvermittlung zwischen der Zollver waltung und sämtlichen operativen Diensteinheiten des MfS her, ohne dass während dieses Prozesses interne Strukturen des MfS gegenüber dem Zoll preisgegeben wurden. Konkret nahmen die PKE Fahndungsaufträge von opera-

Abb. 5 : Passkontrolleinheiten als „Black Box“ innerhalb der Informationsbeziehungen zwischen MfS und Zollverwaltung

53 Zeitzeugengespräch mit Christian Singer am 13. 1. 2006. 54 Der Begriff „Black Box“ bezeichnet in der Systemtheorie ein Objekt, dessen innerer Aufbau und innere Funktionsweise unbekannt sind oder als nicht von Bedeutung erachtet werden. Von Interesse ist vielmehr nur das Verhalten der Black Box, die über definierte Schnittstellen eine bestimmte Verhaltensweise sicherstellt.

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tiven Diensteinheiten des MfS entgegen und leiteten sie als Kontrollaufträge an die GZÄ weiter. Andererseits werteten sie die Kontrollergebisse der GZÄ in Fahndungshinweise und Fahndungsergebnisse für operative Diensteinheiten des MfS um. Innerhalb der „Black Box“ war die PKE mit dieser „Übersetzungsleistung“ beschäftigt. Dafür entwickelte sie ein „System der Fahndung und Filtrierung“. Dieses war an den verschiedenen Grenzübergangsstellen ( Straße, Eisenbahn, Flug - und Fährhafen ) unterschiedlich organisiert, in den Grundzügen und in der Grundfunktion jedoch überall gleich. Das Fandungs - und Filtrierungssystem wird im Folgenden näher vorgestellt. Das System der „Fahndung und Filtrierung“ Um jeder Zeit im Bilde zu sein, welche Personen im Einzelnen die Grenzübergangsstellen passierten, entwickelte die Staatssicherheit ein spezielles „System der Fahndung55 und Filtrierung56“. Alle Personen im grenzüberschreitenden Verkehr wurden durch dieses System über wacht und überprüft. 55 Grenzübergangsstelle; Fahndung, operative : operative Fahndung an den Grenzübergangsstellen als Bestandteil des Kontroll - und Abfertigungsverfahrens zur zielgerichteten konspirativen Überführung der die Grenzübergangsstellen passierenden Personen und Sachen ( in erster Linie Personaldokumente und Kfz ), um in den Fahndungsmitteln ausgeschriebene Fahndungsobjekte festzustellen sowie die in Fahndungsersuchen geforderten Maßnahmen durchzusetzen bzw. zu veranlassen. Das Ziel der F. besteht in der Wahrung und Durchsetzung der Pass - und Visahoheit der DDR, der Verhinderung der Ein - , Durch - und Ausreise von Personen, die in Reisesperre stehen sowie der wirksamen Unterstützung der politisch - operativen Arbeit zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung des subversiven Missbrauchs im grenzüberschreitenden Verkehr. F. kann unter Zugrundelegung der zahlreichen Bestimmungen und einer sicheren und vertragsgebundenen Gewährleistung des grenzüberschreitenden Verkehrs eingeleitet werden zur Festnahme / Verhaftung einreisender Personen, zur Realisierung von Reisesperren, zur Durchführung von operativen Kontroll - und Über wachungsmaßnahmen gegen einreisende Personen und Sachen. [...] Die F. wird an den Grenzübergangsstellen von den Passkontrolleinheiten durchgeführt, die je nach Erfordernissen eng mit den Grenzzollämtern zusammenwirken. Zit. nach Suckut, Wörterbuch, S. 155 f. 56 Grenzübergangsstelle; Filtrierung : politisch - operativer Arbeitsprozess der Passkontrolleinheiten der Linie VI zur systematischen Analysierung der Reiseströme an den Grenzübergangsstellen nach einem vorgegebenen Informationsbedarf, zur Erarbeitung politisch - operativ bedeutsamer Informationen über Personen, Sachen und Sachverhalte, die für die Abwehr - und Aufklärungstätigkeit des MfS benötigt werden. Dieser Arbeitsprozess wird realisiert durch die offiziellen Kontroll - und Abfertigungshandlungen, durch den konspirativen Einsatz politisch - operativer Mittel und Methoden und durch die Einbeziehung der Angehörigen der Grenzzollämter und Nutzung der Möglichkeiten anderer an den Grenzübergangsstellen tätiger Organe und Einrichtungen. Die durch die F. gewonnenen operativ bedeutsamen Informationen dienen insbesondere dem rechtzeitigen Erkennen und Verhindern von feindlichen Angriffen gegen die Grenzübergangsstellen, den grenzüberschreitenden Verkehr und die zu seiner Kontrolle, Abfertigung und Sicherung eingesetzten Kräfte; der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung jeglicher feindlich - negativer Tätigkeit, die unter Ausnutzung und Missbrauch des grenzüberschreitenden Verkehrs organisiert und durchgeführt wird; der Unterstützung vielfältiger politisch - operativer Aufgaben der operativen Linien und

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Zu den administrativen Aufgaben der Passkontrolleinheit gehörten die Entgegennahme und Überprüfung der Personaldokumente sowie das Ausstellen von Visa und anderen Grenzübertrittsdokumenten. Für die Reisenden unbemerkt fahndeten die Passkontrolleure darüber hinaus ganz gezielt nach Personen, die in den Speichern des MfS registriert waren und sie „filtrierten“ den Verkehr, indem sie während des Abfertigungsprozesses in der Einreise sogenannte „Ersthinweise“ erarbeiteten, die eine Fülle von Maßnahmen wie beispielsweise eine genauere Beobachtung der Reisenden während der Durchreise bzw. während ihres Aufenthalts in der DDR zur Folge hatten. So zielte das Fahndungs - und Filtrierungssystem darauf ab, „Ersthinweise zu erarbeiten zur rechtzeitigen Erkennung, unmittelbaren Aufdeckung und Verhinderung feindlich - negativer u.a. krimineller Handlungen von Personen aus dem grenzüberschreitenden Verkehr; zur Aufklärung und Bekämpfung feindlicher Zentren, Organisationen und Kräfte sowie deren Pläne, Maßnahmen und Absichten, den grenzüberschreitenden Verkehr für ihre subversive Tätigkeit zu missbrauchen; zum Erkennen neuer Mittel und Methoden feindlicher Angriffe unter Missbrauch des grenzüberschreitenden Verkehrs; zum Erkennen solcher Personen aus dem grenzüberschreitenden Verkehr, die Voraussetzungen besitzen, politisch - operative Aufgaben im Zusammenhang mit der Arbeit in und nach dem Operationsgebiet zu realisieren; für die Unterstützung der sozialistischen Außenpolitik, insbesondere der Sicherung, Einhaltung und weiteren Durchsetzung der abgeschlossenen Verträge mit der BRD, anderen nichtsozialistischen Staaten und Westberlin; für die Konkretisierung politisch - operativer Schwerpunkte in den Verantwortungsbereichen der operativen Linien und Diensteinheiten des MfS; zur Feststellung politisch - operativ interessanter Verbindungen zwischen Personen und Personengruppen aus dem NSW und DDR - Bürgern; für eine weitere Festigung von Ordnung und Sicherheit in den einzelnen Bereichen der sozialistischen Gesellschaft und zur Verhinderung des Missbrauchs des grenzüberschreitenden Verkehrs für Straftaten der allgemeinen Kriminalität und anderen Rechtsverletzungen, bei denen ein Zusammenhang zu feindlichen Angriffen besteht.“57

Schwerpunktmäßig nahmen die PKE ihre Kontrollhandlungen immer im Bereich der Einreise vor. Im Bereich der Ausreise suchte die PKE gezielt nach Personen, für die bereits ein Fahndungsauftrag vorlag. Die Grenzzollämter spielten im System der „Fahndung und Filtrierung“ eine zentrale Rolle. Sie waren berechtigt, an den Grenzübergangsstellen die eigentDiensteinheiten des MfS. Dabei angewendete Methoden der F. sind vor allem : zielgerichtete Kontrolle ( Sicherung, Prüfung, operative Einschätzung ) der Personal - und Grenzübertrittsdokumente der Reisenden; visuelle Betrachtung und operative Einschätzung mitgeführter Gegenstände und benutzter Transportmittel; Beobachtung der Reisenden, ihrer Handlungen und Verhaltensweisen während der Grenzpassage, im Vorfeld und im unmittelbaren Hinterland der Grenzübergangsstelle; legendierte Befragung von Reisenden auf der Grundlage realer Anlässe im Prozess der Kontrolle und Abfertigung; Arbeit mit Vergleichsreihen zu Personen, Personengruppen und Transportmitteln. Zit. nach ebd., S. 156 f. 57 Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 253 f.).

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lichen Kontrollhandlungen an Transportmitteln und Waren vorzunehmen und sie waren dazu in der Lage, weil sie über spezialisierte Kräfte und Kontrollinstrumente verfügten. Laut Einschätzung der HA VI des MfS besaß der DDRZoll „wie kein anderes staatliches Organ Möglichkeiten, bestimmte operative Aufgabenstellungen des MfS zu realisieren“.58 Kontrollinstrumente der Grenzzollämter Mitte der 1980er Jahre wurden in der Zollver waltung 20 Prozent der zur Verfügung stehenden Fonds für neue Kontrolltechnik aufgewendet. In Kontrollinstrumente wurde viel Geld investiert, um dem ständig steigenden Verkehrsaufkommen mit mehr Effizienz bei den Kontrollen begegnen zu können : „Die planmäßige Einführung moderner Kontrolltechnik, ihre gezielte Anwendung und die damit verbundene Arbeitserleichterung haben zur Folge, dass die Anzahl der Feststellungen von Verstößen gegen die Zollvorschriften zunimmt.“59 Für den internen Dienstgebrauch gab die Zollver waltung der DDR einen „Katalog technischer Kontrollmittel“60 heraus, der eine Übersicht über alle Geräte vermittelte, die bei den Kontrollhandlungen der Zollverwaltung zum Einsatz kamen. Dieser Katalog wurde ständig den technischen Änderungen angepasst. Im Folgenden wird daher nur auf die grundsätzlichen Anwendungsgebiete ausgewählter Kontrollinstrumente eingegangen, die während der Kontrollen am häufigsten zum Einsatz kamen. Zu den wichtigsten Kontrollinstrumenten gehörten verschiedenste Leuchten und Spiegel, die es vor allem ermöglichten, schwer zugängliche Bereiche von Fahrzeugen einzusehen. Beispielsweise dienten flexible Hohlkörperleuchten bei der Kontrolle des Eisenbahn - und Straßenverkehrs dazu, sehr kleine und schwer zugängliche Fahrzeugteile ausleuchten zu können, zum Beispiel Tür verkleidungen, Luftschächte, Rohre, Heizungsschläuche und Ähnliches. Taschenlampe und Handspiegel gehörten zur Grundausstattung jedes Kontrolleurs, die er im Dienst immer mit sich führte. Mit Hilfe eines „Spiegel - Ausleuchtbestecks“ konnten zudem schwer einsehbare Bereiche, Kanten und Flächen ausgeleuchtet und abgespiegelt werden. Durch die Ver wendung von medizinischen Kontrollendoskopen, die an Straßen - und Eisenbahn - GZÄ eingesetzt wurden, waren darüber hinaus auch weitgehend verschlossene Hohlräume in Fahrzeugen oder Gegenständen einsehbar. Dort führten die Zollkontrolleure außerdem eine Prüfung des Unterbodens durch. Sie nutzten dafür einen fahrbaren Spiegelwagen, der unter die Fahrzeuge geschoben wurde. An vielen Zollämtern befanden sich auch 58 HA VI des MfS von 1972 : Die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung an den Grenzübergangsstellen ( BStU, MfS, HA VI 15893, Bl. 69). 59 Information über die Gestaltung der Dienst - , Arbeits - und Lebensbedingungen der Angehörigen der Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 94). 60 Katalog technischer Kontrollmittel der Zollver waltung der DDR ( Archivbestand der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn ).

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fahrbare Kontrollspiegel, die mit einer angebauten Beleuchtung ausgestattet waren, um die Sichtverhältnisse für die Zöllner zu verbessern.61 Standortfeste Spiegel gab es ausschließlich an den Straßen - Grenzzollämtern. Diese waren an der Überdachung und seitlich der Fahrbahn angebracht, um schon während der Einfahrt der Fahrzeuge in den Kontrollbereich eine Beschau des Oberbaus und Unterbodens zu ermöglichen. Neben diesen Kontrollmitteln mit optischem Wirkprinzip gab es Kontrollmittel mit mechanischem Wirkprinzip. Die wichtigsten davon waren Sondiernadeln, mit deren Hilfe Proben aus verpackten Waren oder Flüssigkeiten entnommen werden konnten, und Schüttgutsonden, mit denen Ladungen, die lose auf Fahrzeugen transportiert wurden ( zum Beispiel Sand, Getreide etc.), auf versteckte Gegenstände und Hohlräume überprüft wurden. Nach dem gleichen Prinzip funktionierten Tanksonden, die speziell an den Straßen - Grenzzollämtern zur Überprüfung der Kraftstofftanks im Einsatz waren. Mittels eines sogenannten „Umschüttgeräts“ wurden Lebens - und Genussmittel wie Reis, Bohnenkaffee usw., aber auch Waschmittel und ähnliche Waren an Grenz - und Postzollämtern tiefgründig überprüft. Jeder Kontrolleur an den Grenzzollämtern war mit einem „Kontrollbesteck“62 ausgestattet, das wichtige mechanische Kontrollmittel enthielt, um im Bedarfsfall unmittelbar Kontrollhandlungen realisieren zu können. Andere Kontrollmittel dienten einem ganz spezifischen Zweck. Mit Hilfe einer sogenannten „Edelmetallprüfgruppe“ wurden Gold - und Silberlegierungen bei Metallen nachgewiesen. Ein „Suchtmitteltestsatz“ diente an Grenz - und Postzollämtern zum Erstellen erster Vorproben zur Ermittlung von Rauschgift. Damit konnte ein Verdacht, dass es sich bei Substanzen um Suchtmittel handeln könnte, erhärtet oder ausgeschlossen werden. Möglich waren Tests auf Haschisch bzw. Marihuana, Opium, Morphin, Codein, Heroin und Kokain, LSD und Schlafmittel.63 Die Anwendung des „Suchtmitteltestsatzes“ ersetzte jedoch nicht die chemische Analyse. Insbesondere bei körperlichen Durchsuchungen und an den Flughafen Grenzzollämtern wurden Metallsuchgeräte eingesetzt, mit deren Hilfe man am Körper versteckte Waffen ( Pistolen, Messer etc.) feststellen konnte. Zur Überprüfung der „Ein - und Ausfuhrfähigkeit“ von Tonträgern, Dias und Schmalfilmen wurden an den Grenzzollämtern mit Reiseverkehr von und nach der Bundesrepublik und Westberlin „technische Kontrollkabinette“ eingerichtet. Diese Kabinette waren mit entsprechenden Abspielgeräten wie Plattenspielern, Kassettenrecordern, Dia - und Filmprojektoren ausgestattet. Ein Problem stellten visuell nicht lesbare Datenträger wie Disketten dar. Deren Ein - und Aus61

Vgl. Studienmaterial, o. D. : Die zum Einsatz in der Zollver waltung der DDR kommenden technischen Kontrollmittel und ihr effektiver Einsatz, S. 25 ( Archiv Plessow ). 62 Das Besteck bestand aus einer 90 mm langen Sondiernadel, einer Pinzette und einem Taschenmesser, das neben den Klingen noch mit Flaschen - und Büchsenöffner, Schraubenzieher und Korkenzieher ausgestattet war. Vgl. ebd., S. 28. 63 Vgl. ebd., S. 27.

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fuhr war grundsätzlich verboten, falls keine speziell für diesen Zweck erarbeitete Genehmigung vorlag.64 Röntgengeräte waren ebenfalls im Einsatz und spielten eine zentrale Rolle bei den Kontrollen. Art und Anzahl der Geräte waren von Zollamt zu Zollamt unterschiedlich. Insgesamt verfügte die Zollverwaltung zu Beginn der 1970er Jahre über mehr als 100 Anlagen.65 An großen Straßen - Grenzzollämtern waren bis zu sechs Geräte vorhanden.66 An den Postzollämtern wurde in den 1980er Jahren mit der Einführung der Roboter - sowie der Monitortechnik die Röntgenkontrolle teilweise automatisiert. Je nach Röntgenanlage67 konnten große Gepäckstücke, Pakete oder Gegenstände, aber auch Handgepäck von Reisenden, kleinere Behältnisse oder verpackte Lebens - und Genussmittel durchleuchtet werden. Durch die variabel einstellbare Röhrenspannung zeichneten sich sowohl Gegenstände mit hoher Dichte, aber auch solche Gegenstände mit schwachem Kontrast auf dem Bildschirm ab. Somit war es geschulten RöntgenKontrolleuren möglich, Gegenstände wie Waffen, Munition oder Edelmetalle aber auch Zeitungen, Banknoten oder Rauschgift zu erkennen. Bereits in den 1960er Jahren bemühte sich die Zollver waltung darum, die stationären Röntgenkontrollen um fahrbare Röntgenanlagen zu erweitern. Dafür wurden Fahrzeuge vom Typ „Phänomen K 30“ mit Röntgentechnik ausgestattet, mit deren Hilfe man Gegenstände von gut einem Meter Länge und ca. 70 cm Höhe und Breite durchleuchten konnte.68 Ein dauerhafter Einsatz dieser mobilen Röntgenanlage kann indes nicht nachgewiesen werden. Ein weiteres, nicht vollendetes Projekt war die Entwicklung einer „Großraumröntgenanlage zur Zollkontrolle im Fahrzeugverkehr“. Die Zollver waltung hatte Mitte der 1960er Jahre 64 Vgl. Karl - Marx - Universität Leipzig, o. D. : Vordruck einer Mitnahmegenehmigung für nicht lesbare Datenträger zur Übergabe an die Zollorgane der DDR ( BStU, MfS, BVfS Leipzig Abt. XV 00172, Bl. 2). 65 Vgl. Übersicht und Ordnung in der Arbeit mit Röntgengeräten, o. D. ( BArch, DL 203, Az. 37–00–01, Ka. 400). 66 Vgl. NVA, Kommando der Grenztruppen, von September 1970 : Forderungsprogramm zur Erarbeitung der Grundsatzentscheidung für die Rekonstruktion der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn ( BA - MA, DVH 32/114719, Bl. 455). 67 Mitte der 1980er Jahre kamen bei der Zollver waltung folgende Röntgengeräte zum Einsatz : Die Frachtgutröntgenanlage mit Röntgengerät SL 200 wurde an den Grenzzollämtern „Flughafen“ zur Kontrolle des Luftfrachtgutes eingesetzt. Der Einsatz der Packstückröntgenanlage mit Röntgengerät BX 150–3 erfolgte an den Grenzzollämtern „Reiseverkehr Bahn, Straße und Flughafen“ zur Kontrolle des Reisegepäcks und an den Postzollämtern zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Geschenkpaket - und - päckchenverkehrs. Die Tischröntgenanlage mit Röntgengerät BX 150–1 diente an den Grenzzollämtern „Einsenbahn, Straße und Flughafen“ sowie an den Postzollämtern zur Kontrolle einzelner Gegenstände aus dem Reisegepäck bzw. aus Paketen. Die Blitzröntgenanlage mit Röntgengerät GPA 72 stellte eine Weiterentwicklung der eben genannten Röntgengeräte dar, die bis Mitte der 1980er Jahre ausschließlich zur Kontrolle des Handgepäcks an Flughäfen diente. Vgl. Studienmaterial, o. D. : Die zum Einsatz in der Zollver waltung der DDR kommenden technischen Kontrollmittel und ihr effektiver Einsatz, S. 13–16 ( Archiv Plessow ). 68 Vgl. Bestätigungsdokument des Zolltechnisches Instituts zur Erprobung einer fahrbaren Röntgenanlage vom 2. 2. 1960 ( BArch, DL 203, Az. 37–00–01, Ka. 400).

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einen Forschungsauftrag an die Technische Hochschule „Otto von Guericke“ in Magdeburg vergeben, wonach ein Röntgengerät entwickelt werden sollte, mit dem ganze Autos durchleuchtet werden konnten. Die Pläne scheiterten 1966 aufgrund der zu hohen Entwicklungskosten. Alleine ein dafür benötigter Bildverstärker kostete 18 805 Mark, eine Fernseheinrichtung wurde mit 26 500 Mark in die Kostenrechung aufgenommen.69 Um Fluchtversuche aufzudecken, versuchte der Zoll ein Gerät zu entwickeln, das bereits die Vereinigten Staaten im Vietnamkrieg zum Aufspüren von Menschen eingesetzt hatten. Es wurde vom Zoll unter der Tarnbezeichnung „Menschenschnüff ler“ entwickelt und ver wies auf in der Luft vorhandenes Ammoniak.70 Aufgrund der Schweißabsonderung ist die Luft in Gegenwart von Menschen mit Ammoniak angereichert. Durchgesetzt haben sich an den Eisenbahn - und Straßen - Grenzzollämtern letztlich andere „Gasspürgeräte“. Mit deren Hilfe wurde der Kohlendioxidgehalt der Luft in Containern, Kofferzügen und anderen relativ abgedichteten Behältern gemessen. Durch das von einer versteckten Person ausgeatmete Kohlendioxid steigt die Kohlendioxidkonzentration in der Luft an. Ein Messwert von über 0,04 Volumenprozent ließ auf die Anwesenheit von Personen schließen. Einschränkend muss erwähnt werden, dass Gasspürgeräte nicht angewendet werden konnten, wenn sich in den entsprechenden Behältnissen lebende Tiere, tierische oder pflanzliche Produkte befanden, da diese ebenfalls Kohlendioxid abgeben und ein brauchbares Messergebnis unter diesen Bedingungen nicht erreicht werden konnte.71 Daher wurde alternativ mit sogenannten „Vibrationsmessern“ experimentiert, die mittels Ultraschall Personenschleusungen aufdecken sollten.72 Wie weit diese Technik ausgereift war und ob sie regelmäßig eingesetzt wurde, bleibt nach der bisherigen Aktenlage offen. Neben technischen Kontrollmitteln verfügte die Zollver waltung über Diensthunde – ein weiteres, äußerst effizientes Mittel, um „illegalen Grenzübertritten“ und anderen „staatsfeindlichen Handlungen“ erfolgreich begegnen zu können. Laut der Dienstanweisung 3/79 des Leiters der Zollver waltung kamen Diensthunde an allen Grenzübergängen zum Einsatz, also sowohl an Straßen - , Eisenbahn, Schiffs - wie auch an Flughafen - Grenzzollämtern. Sie wurden zur Kontrolle von Fahrzeugen im Güter verkehr ( insbesondere Lastkraftwagen, Güterzügen, Schiffen ) und mitgeführten Containern und ähnlichen Behältnissen sowie an Flughäfen zur Kontrolle von Gepäckstücken eingesetzt.73 Ihr Ein69 Vgl. Vermerk der Operativabteilung der Zollver waltung zur Entwicklung einer Großraumröntgenanalage vom 12. 4. 1966 ( BArch, DL 203, Az. 37–00–01, Ka. 400). 70 Vermerk des Leiters des Sachgebiets Kontrolltechnik der Zollver waltung der DDR vom 12. 12. 1967 ( BArch, DL 203, Az. 37–00–01, Ka. 400). 71 Vgl. Studienmaterial, o. D. : Die zum Einsatz in der Zollver waltung der DDR kommenden technischen Kontrollmittel und ihr effektiver Einsatz, S. 26 ( Archiv Plessow ). 72 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 29. 6. 1971 : Entwicklung und Einsatz technischer Mittel zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Güter - und Reiseverkehrs (BStU, MfS, HA VI 13910, Bl. 132). 73 Dienstanweisung 3/79 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 23. 4. 1979, Bl. 1 ( Archiv Plessow ).

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satz erfolgte mit dem Ziel der „Gewährleistung einer hohen Sicherheit im grenzüberschreitenden Reise - und Güter verkehr; Aufdeckung und Verhinderung des staatsfeindlichen Menschenhandels und des ungesetzlichen Verlassens der DDR; Bekämpfung des Schmuggels und der Spekulation mit Suchtmitteln; Verhinderung von Gewaltakten mit Sprengstoffen, der Anwendung von Schuss - , Hieb - und Stichwaffen sowie bei Fluchtversuchen. Zur Durchsetzung dieser Zielstellung ist auf allen Ebenen ein enges, unmittelbares Zusammenwirken mit der PKE und der Arbeitsgruppe ZE [ Zollermittlung ] zu gewährleisten.“74 Insbesondere um „Personenschleusungen“ zu verhindern, erfolgte seit Mitte der 1970er Jahre an allen GÜSt der Staatsgrenzen West und Nord der Einsatz von Diensthunden auch bei der Kontrolle von Kfz. „Darüber hinaus ist der Einsatz der DH [ Diensthunde ] der ZV durch die PKE bei der Kontrolle von Kfz im spezifischen Transitverkehr gedeckt und gezielt möglich.“75 Der Einsatz von Diensthunden sollte von den Reisenden dabei nicht wahrgenommen werden können. Unter einem Vorwand wurden die betroffenen Personen vor der Durchführung der Maßnahme von ihren Fahrzeugen getrennt.76 Dem effizienten Einsatz der Diensthunde ging eine aufwändige Aus - und regelmäßige Weiterbildung von Mensch und Tier in einer zentralen Lehrstätte der Zollver waltung sowie in zentralen Lehrgängen unter Verantwortung der Bezirksver waltungen voraus. Jeder Hundeführer des Zolls verfügte über einen persönlichen Diensthund. „Die Systematik der Abrichtung ist vom Niederen zum Höheren aufgebaut. Als einfachste Form des Lernens steht am Beginn der Abrichtung die Gewöhnung. Ziel ist, zwischen Kontrolleur und Diensthund eine feste und dauerhafte Bindung als wichtigste Grundlage für die weitere Arbeit herzustellen.“77 Für den Ankauf und für die Ausmusterung von Diensthunden waren die Leiter der Abteilungen Operativ der Bezirksverwaltungen verantwortlich. Es kamen verschiedene Rassen zum Einsatz.78 Sämtliche Diensthunde wurden täglich einer „Weiterabrichtung“ unterzogen. Dies geschah zum Beispiel an Straßen GZÄ in Form von „Personentests“, indem die Hunde bei verschiedenen Fahrzeugen auf eine darin befindliche Person ver weisen mussten. Neben dem blo74 Ebd., Bl. 3. 75 Leiter der HA VI des MfS an Oberstleutnant Ziegenhorn vom 29. 5. 1975 : Arbeitshinweise für die zielgerichtete Zusammenarbeit mit den GZÄ beim Einsatz von Diensthunden der Zollver waltung der DDR zur gedeckten Kontrolle von Kfz ( BStU, MfS, HA VI 14435, Bl. 1). 76 Vgl. ebd., Bl. 3. 77 Sozialistische Zollkontrolle, Heft 2/1986, S. 20. 78 Weit verbreitet war die Rasse „Deutscher Schäferhund“. Aber auch mit Hunderassen wie „Cocker - Spaniel“, „Fox - Terrier“, „Rottweiler“, „Boxer“, „Riesenschnautzer“ sowie „Zwergpinscher“ wurde gearbeitet. Allgemein galt innerhalb der Zollver waltung eine Unterscheidung der Tiere in große und kleine Rassen. Vgl. Sozialistische Zollkontrolle, Heft 2/1986, S. 20; Schreiben des Stellvertreter des Leiters operativ, Breitkreuz, vom 20. 4. 1973 : Maßnahmen zum kurzfristigen Einsatz von Diensthunden an den Grenzzollämtern – Straße der Staatsgrenze West, Nord und Süd ( BStU, MfS, HA VI 13332, Bl. 114 f.); Zeitzeugengespräch mit Rainer Tischler am 26. 5. 2004.

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ßen Erkennen einer Person ging es auch um die „Erhaltung der Aggressivität der Diensthunde allen Personen gegenüber“.79 Eine Kuriosität stellte der Einsatz sogenannter Scheinkontrollgeräte dar. Dies waren „nicht notwendige, im Grunde sinnlose, dennoch aber sichtbare und präventiv wirkende technische Mittel zur Täuschung des Gegners“.80 Bei einem Scheinkontrollgerät handelte es sich um ein technisches Kontrollinstrument, das von Zöllnern eingesetzt wurde, um die Arbeit mit modernster Kontrolltechnik vorzutäuschen, ohne dass das Gerät dabei voll einsatzfähig war. „Es wird eingesetzt und angewendet, um durch diese offensive Einflussnahme auf Personen gewollte Überzeugungen oder Auffassungen und Reaktionen zu erzeugen. Scheinkontrollgeräte dienen der Täuschung des Gegners und sollen ihn unsicher machen, das heißt, der Gegner soll dadurch zu der Auffassung oder Überzeugung gelangen, dass seine Möglichkeiten zur Begehung feindlicher Handlungen eingeschränkt wurden.“81 Scheinkontrollgeräte durften nur von einem kleinen und konstanten Kreis von Zollkontrolleuren angewendet werden, die sich schriftlich zur Verschwiegenheit gegenüber jedermann verpflichteten.82 Nachgewiesenermaßen wurde beispielsweise am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn im Dezember 1970 ein Scheinkontrollgerät eingesetzt. Unter der Bezeichnung „SKT 701“ („Spezialkontrolltechnik 701“) wurde bei der Kontrolle des Güter verkehrs ein Apparat eingesetzt, der effektiv auf radioaktive Stoffe ansprechen sollte. Die eingewiesenen Kontrolleure protokollierten genau, wie die Betroffenen auf die Anwendung der neuartigen Kontrolltechnik reagierten. Dabei stellte sich heraus, dass die Mehrheit der Kraftfahrer Nachfragen zur Ver wendung des Gerätes hatten und durch den Einsatz verunsichert wurden.83 Wie man im Zusammenhang mit Scheinkontrollgeräten feststellte, kursierten unter den Lkw - Fahrern Gerüchte, dass neuartige Kontrolltechnik zum Einsatz kommen sollte, um mittels elektrischer Stromstöße auf der Flucht befindliche Personen ausfindig zu machen. Die Zollverwaltung ließ sich durch solche Gerüchte zur Entwicklung neuer Kontrolltechnik inspirieren. So hieß es : „Diese Variante wurde unsererseits bisher noch nicht berücksichtigt. Theoretisch ist es möglich, uns diese Methode bei Kontrollen von Kesselwagen, Containern und anderen Transportmitteln aus elektrisch 79 Stellvertreter des Leiters der Zollver waltung der DDR – operativ – an die Leiter der Bezirksver waltungen der Zollver waltung der DDR Magdeburg, Erfurt, Potsdam und Rostock vom 13. 11. 1974 : Einsatz der Offiziere für Diensthundewesen der Bezirksver waltungen an den GZÄ Marienborn / A., Wartha, Hirschberg, Staaken, Drewitz und Horst ( Vgl. BStU, MfS, HA VI 13905, Bl. 31). 80 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 137). 81 Hadamscheck, Kriminalistische Legenden. Diplomarbeit an der Humboldt - Universität Berlin 1971, S. 22 ( BStU, MfS, VVS B108–142/71). 82 Ebd., S. 23. 83 Vgl. ebd., S. 54 f.

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leitendem Material nutzbar zu machen. Diese wären unter Stromstöße zu setzen, dass eventuell vorhandene Personen elektrisiert werden und Schrecktöne von sich geben.“84 Ob ein solches Gerät tatsächlich zum Einsatz kam, ist nicht bekannt. Außer Frage steht jedoch fest, dass diesbezüglich Labortests vorbereitet wurden und eine Beratung über die Anwendung eines solchen Kontrollgeräts zwischen der Zollver waltung und dem MfS erfolgte.85 Generell bestand bei der Beschaffung und Entwicklung von Kontrollgeräten der Zollver waltung eine „gute Zusammenarbeit mit dem OTS [ Operativ - Technischer - Sektor des MfS ]“.86

2.2

Die Kontrollen an Straßen - Grenzübergangsstellen durch MfS und Zoll

Die Straßen - Grenzübergangsstellen der DDR waren quantitativ wie qualitativ die bedeutendsten. Von insgesamt 41 GÜSt grenzten rund die Hälfte an die Bundesrepublik bzw. Westberlin. Auch das Verkehrsaufkommen war größer als an allen anderen Grenzübergangsstellen. So registrierten die Mitarbeiter der Straßen - GZÄ beispielsweise 1986 alleine im Transitverkehr von und nach West - Berlin über 24 Millionen Reisende.87 Im Gegensatz zu den anderen Kategorien der Grenzübergänge gab es keine Fahr - bzw. Flugpläne, aus denen ersichtlich wurde, wann oder gar wie viele Reisende an den Kontrollpunkten zu erwarten waren. Vielmehr unterlag das Verkehrsaufkommen an den Straßen - GÜSt großen Schwankungen.88 Dieser Aspekt trug mit zur Komplexität des Kontrollverfahrens bei. Abbildung 6 unterstreicht nochmals die Bedeutung der Straßen GÜSt, indem die Zahl und die Verteilung aller Grenzübergangsstellen der DDR miteinander verglichen werden. Die Kontrollen an den Straßen - GÜSt wurden zwischen PKE und GZÄ arbeitsteilig organisiert. Bereits die Anordnung der einzelnen Kontrollbereiche unterstreicht jedoch die Tatsache, dass die Passkontrolleure des MfS den Zöllnern gegenüber stets weisungsbefugt waren : Im Bereich der Einreise kontrollierte zunächst die PKE die Fahrzeuge, bevor die GZÄ ihre Arbeit aufnahmen. Auch im Bereich der Ausreise gelangten die Fahrzeuge zuerst zu einem Posten der PKE, dann in den Kontrollbereich der GZÄ, bevor sie im Anschluss daran noch84 Ebd., S. 57. 85 Ebd. 86 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 29. 6. 1971: Entwicklung und Einsatz technischer Mittel zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Güter - und Reiseverkehrs (BStU, MfS, HA VI 13910, Bl. 132). 87 HA VI des MfS, o. D. : Übersicht zur Entwicklung des grenzüberschreitenden Verkehrs ( BStU, MfS, HA VI 5251, Bl. 160). 88 Das Verkehrsaufkommen war sowohl von der Tageszeit, vom Wochentag wie auch generell vom Monat abhängig. Zahlen für die GÜSt Marienborn zeigen beispielsweise, dass im Februar 1988 insgesamt 114 945 Pkw die Grenze passierten, während es im April desselben Jahres 211678 Pkw waren. Vgl. HA VI, o. D. : Übersicht über das Verkehrsaufkommen in den Jahren 1981–1989 ( BStU, MfS, HA VI 11598, Bl. 34).

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Abb. 6 : Übersicht der Grenzübergangsstellen der DDR (1982)89

mals von den PKE überprüft wurden.90 Durch diese Anordnung der Kontrolleinheiten war es den PKE im Bereich der Einreise möglich, bestimmten Personen bereits in der ersten Phase des Kontrollablaufs die Einreise in die DDR zu ver weigern.91 Außerdem konnten die PKE hierdurch anordnen, dass einzelne Fahrzeuge von den nachfolgenden Kontrollen durch die GZÄ befreit werden oder aber besonders intensive Kontrollen durch das GZA erfolgen sollten. An den Grenzübergangsstellen der Transitstrecken von und nach Westberlin verfügte die PKE im Bereich der Ausreise zudem über „Sonderobjekte“92 zur Tiefenkontrolle von Fahrzeugen. Durch ihre ersten Posten in diesem Bereich 89 Vgl. KDfS Greifswald 1982 : Übersicht über Grenzübergangsstellen der DDR mit den ihnen gegenüberliegenden Grenzübergangsstellen bzw. Kontrollpunkten ( BStU, MfS, BV Rostock OD KKW Gwd. 16, Bl. 216–219). 90 Vgl. Juristische Hochschule des MfS von 1982 : Prinzipdarstellung des Zusammenwirkens zur Sicherung und Über wachung der Grenzübergangsstellen Autobahn / Straße (BStU, MfS, HA VI 15823, Bl. 137). 91 Beispielsweise wurde Reisenden die Einreise in die DDR verweigert, wenn sie einen Aufkleber der „CDU“ oder anderer westdeutscher Parteien an ihrem Fahrzeug angebracht hatten. Vgl. Pressespiegel der ZAIG des MfS im Zeitraum 10.–30. 6. 1976 ( u. a. Artikel aus „Der Tagesspiegel“, „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Hannoversche Allgemeine“, „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ( BStU, MfS, ZAIG 10681, Bl. 138–151). 92 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 99).

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konnten sie bestimmte Fahrzeuge noch vor dem eigentlichen Kontrollgelände der GÜSt aus dem Verkehrsstrom herausleiten und Kontrollhandlungen selbst einleiten. Bei diesen Sonderkontrollen zogen die PKE in der Regel ausgewählte Zollmitarbeiter hinzu. Mit dem letzten Kontrollposten vor der Ausreise oblag es der PKE zu entscheiden, ob die Fahrzeuge tatsächlich ausreisen durften oder nicht. Das Kontrollverfahren der Passkontrolleinheiten Bei der Einreise war der Kontrollprozess der Passkontrolleinheiten in fünf Bereiche aufgeteilt. Dies waren die Bereiche Vorkontrolle Einreise, Visakassierer bzw. Passannehmer, Fahnder, Visaerteiler und Identitätskontrolleur.93 Die sogenannte Sichtung von Personen und Sachen war für die Mitarbeiter der einzelnen Bereiche bei der Grenzpassage eine Hauptmethode des Fahndungs - und Filtrierungsprozesses. Diese „umfasst einmal den gesamten Reisestrom und ermöglicht zum anderen eine zielgerichtete Auswahl nach Kriterien des Informationsbedarfs. Sie ist eine Methode zur Feststellung operativ bedeutsamer Merkmale, die den betreffenden Personen bei richtiger Anwendung nicht bekannt wird. Die Personen werden nicht aus dem Reisestrom herausgelöst, und es ist deshalb eine bessere Konspirierung der Ziele und Absichten des MfS möglich. Dem Gegner wird es erschwert, Personen in unser Blickfeld zu bringen, uns zu ‚beschäftigen‘ und in unser IM - System einzudringen.“94 Der Bereich der Vorkontrolle Einreise war von zwei Mitarbeitern besetzt, wovon ein Mitarbeiter als sogenannter „Innenkontrolleur“ in einem Postenhäuschen arbeitete und ein weiterer als „Außenkontrolleur“ direkt bei den Fahrzeugen stand. Der Außenkontrolleur forderte die Reisedokumente der Reisenden sowie die Fahrzeugpapiere ab, befragte die Personen nach ihrem Reiseziel und wies diese anschließend mit ihren Fahrzeugen in die entsprechenden Abfertigungsspuren, da in diesem Bereich das gesamte Verkehrsaufkommen aller Reisekategorien noch nicht voneinander getrennt war. Bei seiner Tätigkeit sollte der Außenkontrolleur auf Indizien achten, die eine genauere Untersuchung im weiteren Kontrollprozess rechtfertigten. Ein solches Indiz konnte etwa sein, wenn sich Reisende auffällig verhielten ( zum Beispiel durch hohe Ner vosität oder aggressives Auftreten ). Aber auch Gegenstände im Fahrgastraum der Reisenden, die normaler weise im Kofferraum transportiert werden, oder die Straßenlage bzw. das Fahr verhalten der Fahrzeuge ( beispielsweise ein tief liegendes Heck ) waren mögliche Anhaltspunkte. Der Außenkontrolleur meldete solche Indizien dem Innenkontrolleur. Dieser war für den Informationsfluss zum Abfertigungstrakt der PKE zuständig und informierte per Telefon den Gruppen93 Vgl Demuth, Erarbeitung von Ersthinweisen. Fachabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1975, S. 12 f. ( BStU, MfS, JHS MF VVS /917/80). 94 HA VI des MfS von 1972 : Die Sichtung von Personen und Sachen im Kontroll - und Über wachungsprozess an den Grenzübergangsstellen unter Einbeziehung aller Tätigkeitsbereiche der PKE und des GZA ( BStU, MfS, HA VI 15893, Bl. 62 f.).

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führer bzw. Zugführer über derartige Ersthinweise. Zusätzlich registrierte der Innenkontrolleur Fahrzeuge, zu denen Ersthinweise vorlagen, in einem Erfassungsbogen. Die Effektivität der Vorkontrolle hing stark vom Verkehrsaufkommen ab. Besonders im Transitverkehr von und nach Westberlin waren oft mehrere Spuren geöffnet, um eine möglichst schnelle Abfertigung im Sinne des Transitabkommens zu gewährleisten. In diesem Fall mussten die Personen bzw. Fahrzeuge, zu denen die Vorkontrolle Ersthinweise erarbeitete, durch den Gruppenführer gesucht werden. Oft verließen entsprechende Personen bzw. Fahrzeuge in dieser Zeit den Abfertigungstrakt bereits.95 Im zweiten Kontrollbereich der PKE unterschied man zwischen Passannehmern und Visakassierern. Der Passannehmer war zuständig für einen Trakt des Transits von und nach Westberlin, wobei zwei Fahrzeugspuren einen Trakt bildeten.96 Er befragte die erscheinenden Personen zu ihrem Reiseziel, kontrollierte die Personaldokumente auf ihre Gültigkeit sowie die zahlenmäßige Übereinstimmung von Reisenden und Personaldokumenten. Anschließend legte der Passannehmer die Reisedokumente in eine Transporttasche und beschriftete diese, indem er die Reisenden im Fahrzeug per Zahlenkombination nach Erwachsenen und Kindern aufschlüsselte. Die Kennung „2/1“ besagte beispielsweise, dass sich in dem Fahrzeug zwei Erwachsene und ein Kind befanden. Nach der Beschriftung legte er die Transporttasche auf ein Förderband, über das die Reisedokumente zur Weiterbearbeitung in den Abfertigungstrakt gelangten.97 Die als Visakassierer bezeichneten Kontrolleure arbeiteten in den Trakten des Wechselverkehrs ( Einreise DDR und allgemeiner Transit in Drittstaaten ) und unterschieden sich von den Passannehmern nur dadurch, dass sie neben den eben genannten Aufgaben zusätzlich Visagebühren kassierten und entsprechende Gebührenmarken in die Pässe einklebten und abstempelten.98 Wie bereits der Außenkontrolleur der Vorkontrolle, hatten sowohl die Passannehmer als auch die Visakassierer die Aufgabe, Ersthinweise zu erarbeiten, die eine genauere Überprüfung der Personen und Fahrzeuge zur Folge haben konnten. Verhaltensauffälligkeiten der Reisenden waren ebenso Verdachtsgründe wie neu ausgestellte Pässe oder Fahrzeuge, die konstruktionsbedingt große Kofferräume hatten. Schöpfte der Visakassierer bzw. Passannehmer Verdacht, so beschriftete er die Transportmappe neben der Personenkennung mit festgelegten Symbolen, um so den nachfolgenden Kontroll - und Abfertigungsbereich zu informieren. Über das Transportband gelangten die Dokumente der Reisenden in den jeweiligen Fahndungsraum eines Abfertigungstraktes. Die Fahndungsräume waren immer abgeschlossen und durften nur von bestätigten Fahndern betreten werden. Pro Trakt waren bis zu drei Fahnder im Einsatz.99 Die Fahndungstätig95 96 97 98 99

Ebd., Bl. 16. Zeitzeugengespräch mit Axel Friedmann am 12. 2. 1997. Demuth, Erarbeitung von Ersthinweisen, S. 17 f. ( BStU, MfS, JHS MF VVS /917/80). Zeitzeugengespräch mit Axel Friedmann am 12. 2. 1997. Ebd.

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keit bildete das „Herzstück“ der Kontrollen der PKE. Zum einen mussten die Fahnder die Reisedokumente auf Echtheit und auf eventuelle Veränderungen (zum Beispiel das Austauschen des Lichtbilds, Überschreibungen usw.) untersuchen.100 Zum anderen prüften die Fahnder, ob zu den einreisenden Personen oder Fahrzeugen ein Fahndungsauftrag des MfS vorlag. In einer sogenannten „Fahndungskiste“ waren Fahndungskarteien mit verschiedenen Rastern enthalten. Zum einen gab es eine Namenskartei, auf der in alphabetischer Reihenfolge alle gesuchten Personen mit Vor - und Nachnamen sowie dem Geburtsdatum registriert waren. Zum anderen gab es eine Kfz - Kartei für inländische und ausländische Fahrzeuge, die nach Kennzeichen und Zahlen sortiert war. Jede Fahndungskarte hatte eine eigene Fahndungsnummer. Wurde der Fahnder fündig, war also ein Fahrzeug oder eine Person in der „Fahndungskiste“ registriert, meldete er dies per telefonischer Direktleitung dem operativen Leitzentrum ( OLZ) der Abteilung VI. Dort lag für jede Fahndungsnummer eine entsprechende Maßnahmennummer vor, nach der anschließend das „Fahndungsobjekt“ behandelt wurde. Maßnahmen waren zum Beispiel die Obser vierung des Fahrzeugs auf der Transitstrecke durch die Abteilung VIII des MfS oder ein Kontrollersuchen an das Grenzzollamt für eine intensive Zollkontrolle vor Ort. Waren Maßnahmen direkt vor Ort zu ergreifen, so informierte der Fahnder den zuständigen Gruppenführer. Anschließend stellte der Fahnder einen Fahndungsrapport aus, auf dem neben der Fahndungsnummer auch die Personalien der Reisenden und gegebenenfalls Angaben zum Fahrzeug eingetragen wurden.101 Der vorletzte Kontrollbereich der PKE war der des Visaerteilers. Er stellte die entsprechenden Visa aus und stempelte die Pässe ab.102 Die Passkontrollstempel waren chemisch gesichert, was bedeutete, dass die Passkontrolleinheit bei der Ausreise - GÜSt später den Stempel auf Echtheit überprüfen konnte, indem sie mit einem speziellen Stift über den Stempel fuhr. Der Stift enthielt eine chemische Lösung, auf Grund derer sich die Farbe des Stempels veränderte.103 Jeder Stempel enthielt eine fünfstellige Buchstabenkombination. Wurde dem Visaerteiler durch den Fahnder mitgeteilt, dass die Reisedokumente Personen gehören, die zur Fahndung ausgeschrieben waren, so stempelte der Visaerteiler eine eigens festgelegte Buchstabenkombination hinein. Dafür wurden fünf Buchstaben festgelegt, die auf ein Fahndungsobjekt hindeuteten, wenn diese Buchstaben in ihrer Kombination ein Wort ergaben.104 So wurde den PKE - Mitarbeitern an der Ausreise - GÜSt signalisiert, dass zu diesen Reisedokumenten ein Fahndungsauftrag vorlag.105 100 101 102 103 104 105

Demuth, Erarbeitung von Ersthinweisen, S. 24 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /917/80). Zeitzeugengespräch mit Axel Friedmann am 12. 2. 1997. Demuth, Erarbeitung von Ersthinweisen, S. 25 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /917/80). Zeitzeugengespräch mit Axel Friedmann am 12. 2. 1997. Ebd. Beispielsweise konnten die Buchstaben D, E, L, O und R auf einen Fahndungsauftrag hinweisen, allerdings nur, wenn sie in ihrer Kombination ein Wort ergaben, beispielsweise RODEL. Ergab die Kombination kein Wort bzw. wurden andere Buchstaben ver wendet, so handelte es sich nicht um ein Dokument, das im Zusammenhang mit einer Fahndung stand.

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Der Visaerteiler reichte die Dokumente weiter an den Identitätskontrolleur, der abschließend die Reisedokumente zweifelsfrei den Fahrzeuginsassen zuordnen können musste.106 Er verglich das Kennzeichen des Kfz mit den Angaben im Fahrzeugschein und die Lichtbilder der Pässe mit den Reisenden. Das eben beschriebene Kontrollverfahren wandte die PKE bei jeder Verkehrsart in der Einreise an, also sowohl im Wechsel - als auch im Transitverkehr, wobei im Transitverkehr eine beschleunigte Abfertigung vorgeschrieben war. Bei hohen Verkehrsaufkommen konnte dies dazu führen, dass die Fahndungstätigkeit nicht immer intensiv durchgeführt werden konnte. Das Kontrollverfahren der Grenzzollämter Insbesondere zwei Personengruppen genossen während der Grenzpassage zwischen der Bundesrepublik bzw. Westberlin und der DDR besondere Rechte. Zum einen handelte es sich hierbei um Mitarbeiter diplomatischer bzw. konsularischer Vertretungen oder andere Personen mit diplomatischem oder konsularischem Status. Ihnen hatte die DDR bestimmte Immunitäten und Privilegien zu gewähren, wie sie etwa aus dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 her vorgehen. Zu den wichtigsten Vorrechten gehörten die Unverletzlichkeit der Person, ihrer Wohnung, Papiere, Korrespondenz, Beförderungsmittel usw. sowie die Immunität vor der Strafgerichtsbarkeit des Empfangsstaates.107 Zum anderen waren Angehörige der westalliierten Streitkräfte und deren Fahrzeuge von den Grenzkontrollen befreit. Mittels beider Personengruppen wurde nachweislich versucht, DDR - Bürger auszuschleusen. Wurde bei ihnen eine Personenschleusung vermutet, so konnte eine Kontrolle ausschließlich durch herangezogene Sowjetstreitkräfte eingeleitet werden.108 Alle anderen Personengruppen unterlagen während der Grenzpassage generell der Kontrolle durch die Zollver waltung. Grundsätzlich müssen vier Faktoren unterschieden werden, die Auswirkungen auf die Kontrollen des Zolls an Straßen - Grenzübergangsstellen hatten : Die Verkehrsrichtung, die Verkehrsart, die Art der zu kontrollierenden Fahrzeuge und die geographische Lage der Grenzübergangsstelle. Dies wird in Abbildung 7 verdeutlicht. Die Verkehrsrichtung bestimmte maßgeblich die Kontrollschwerpunkte. Während im Bereich der Einreise das oberste Ziel galt, „politisch - ideologische Diversion“ zu verhindern ( etwa durch die unerlaubte Einfuhr westlicher Zeitungen, Zeitschriften oder auch Literatur und Musik ), lag der Schwerpunkt der Kontrollen im Bereich der Ausreise eindeutig auf der Verhinderung des „illega-

106 Nielsen, Informationsgewinnung zu Fahndungsobjekten. Fachschulabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1985, S. 21 ( BStU, MfS, JHS MF VVS/ 1073/84). 107 Vgl. Art. 29, 30, 31, 37 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen. 108 Vgl. Grimmer / Irmler / Opitz / Schwanitz ( Hg.), Die Sicherheit, Band 2, S. 204.

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Abb. 7 : Einflussfaktoren auf das individuelle Kontrollverfahren an Straßen - GÜSt

len Menschenhandels“, also der Aufdeckung von Fluchtversuchen oder etwaigen Vorbereitungshandlungen zur Flucht. Ein weiterer Faktor, der die Kontrollen beeinflusste, war die jeweilige Verkehrsart. Grundsätzlich lassen sich folgende Verkehrsarten voneinander unterscheiden : Der „Ein - und Ausreiseverkehr“ und der „Allgemeine Transitverkehr“ wurden zusammen als „Wechselreiseverkehr“ bezeichnet. Hinzu kam ( ab dem 3. Juni 1972 in Folge des Transitabkommens ) der „Spezifische Transitverkehr“. Wollte eine Person mit seinem Fahrzeug in die DDR einreisen oder die DDR verlassen, befand sie sich im „Ein - oder Ausreiseverkehr“. Reiste sie auf den Transitautobahnen der DDR ein und in ein Drittland aus, war sie der Kategorie „Allgemeiner Transitverkehr“ zugeordnet. Befand sich ein Reisender mit seinem Fahrzeug im Transit zwischen der Bundesrepublik und Westberlin, sprachen die Zöllner vom „Spezifischen Transitverkehr“. Während im Wechselreiseverkehr das gesamte Spektrum der Kontrollen angewendet werden konnte, gab es für die Kontrolle des Spezifischen Transitverkehrs besondere Umstände und Auf lagen. Der spezifische Transitverkehr war mit Abstand die Verkehrsart mit dem höchsten Verkehrsaufkommen. Im Jahr 1983 waren beispielsweise an der größten Grenzübergangsstelle der DDR, Marienborn, von insgesamt 4109 195 abgefertigten Fahrzeugen 3 420 770 von und nach Westberlin unter wegs.109 Aus dem Transitabkommen geht her vor, dass der Transitverkehr auf die „einfachste, schnellste und günstigste Weise“ abgefertigt werden sollte. Für den PkwVerkehr bedeutete diese Vorgabe, dass an der Grenzübergangsstelle im Regel-

109 Hielscher, Aufgaben des Gruppenführers. Fachabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1984, S. 44 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /673/84).

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fall nur Kontrollen durch die PKE zur Personenidentifizierung und Visaerteilung durchgeführt wurden. Weitergehende Kontrollen waren ausschließlich bei dem „begründeten Verdacht einer Straftat“ gestattet. Die Kontrolleure der Zollver waltung durften im Transit - Pkw - Verkehr keine eigenen Kontrollhandlungen, im Transit - Lkw - Verkehr lediglich eine Prüfung der Zollverschlüsse sowie eine äußere Inaugenscheinnahme durchführen. Abweichungen von dieser Regel waren nur möglich, wenn die Angestellten der PKE eine „Verdachtskontrolle“ anordneten, beispielsweise wenn dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fluchtversuch verhindert werden konnte. Diese Umstände und Auf lagen machten den Spezifischen Transitverkehr für die Staatssicherheit zu der Verkehrsart mit dem „höchsten operativen Sicherungsbedarf“, gerade weil die Kontrollmöglichkeiten in dieser Kategorie stark eingeschränkt waren. Auch die Art der Fahrzeuge beeinflusste das Kontroll - und Abfertigungsverfahren. Kraftfahrzeuge, Omnibusse und Lastkraftwagen wurden in jeweils voneinander getrennten Fahrspuren abgefertigt und unterschiedlich kontrolliert. Während im Spezifischen Transitverkehr Kfz nicht durch den Zoll kontrolliert werden durften, konnten Zollkontrolleure bei Lkw in dieser Verkehrsart eine äußere Beschau durchführen. Im Wechselreiseverkehr durfte dagegen der Zoll bei allen Fahrzeugen Kontrollen durchführen. Die Art der durchgeführten Kontrollhandlung und die Wahl der jeweiligen Kontrollmittel variierten je nach Fahrzeugtyp.110 Die geographische Lage der jeweiligen Grenzübergangsstelle war ein vierter Einflussfaktor auf die Kontrollen. Als Teil des Eisernen Vorhangs hatten die Grenze zur Bundesrepublik und die dort angesiedelten GÜSt immer eine besondere Bedeutung. Für das MfS bildeten sie über 40 Jahre hinweg einen „politischoperativen Schwerpunkt“ bei den Grenzkontrollen. Die Grenzübergangsstellen zur Volksrepublik Polen und zur ČSSR unterschieden sich in einzelnen Punkten von denen zur Bundesrepublik. An den GÜSt zur VR Polen und zur ČSSR passierten wesentlich mehr Bürger der DDR und der sozialistischen Nachbarländer die Grenze. Zwischenzeitlich wurde der „pass - und visafreie Reiseverkehr“ zwischen den Bürgern dieser Ländern vereinbart und die Grenzkontrollen dadurch gelockert. Die Kontrollen erfolgten gemeinsam mit den Pass - bzw. Zollkontrollkräften der beteiligten Länder. Ab Ende der 1970er Jahre wurden solche Vereinfachungen teilweise oder vollständig wieder aufgehoben. Zum einen versuchten mehr und mehr ausreisewillige DDR - Bürger über Polen und insbesondere die ČSSR in den Westen zu gelangen, da das perfide Über wachungssystem an der Westgrenze inzwischen erfolgreiche Fluchtversuche nahezu unmöglich machte. Zum anderen entwickelte sich in Polen und der ČSSR 110 Autos unterlagen beispielsweise im Bereich der Ausreise sogenannten „Mindestkontrollhandlungen“ des Zolls, d. h., der Fahrzeughalter musste den Motor abstellen, er und alle Fahrzeuginsassen mussten das Fahrzeug verlassen, die Motorhaube und der Kofferraum wurden durch den Zoll inspiziert und die Rücklehne des Autos umgeklappt bzw. abgedrückt. Bei Lastkraftwagen wurde dagegen die Ladung genauer in Augenschein genommen. Zusätzlich kamen hier Diensthunde zum Einsatz.

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zunehmend ein grauer Markt für bestimmte Konsumgüter, der insbesondere mit illegal ausgeführten Waren aus der DDR beliefert wurde. Hinzu kam eine politische Krise in Polen, wo sich zu Beginn der 1980er Jahre die Solidarność - Bewegung formierte. Die „Eindämmung der politisch - ideologischen Diversion“ war fortan nicht mehr nur eine Hauptaufgabe der Kontrollhandlungen im Westen, sondern auch im Süden und Osten. Unter Einbeziehung aller genannten Faktoren sollen im Folgenden die Kontrollen anhand der Verkehrsarten verdeutlicht werden. Nur eine überschaubare Zahl von Grenzübergangsstellen war für den Transitverkehr von und nach Westberlin zugelassen. An der Grenze zur Bundesrepublik waren dies die GÜSt Zarrentin, Marienborn und Hirschberg.111 Dort machte diese Verkehrsart den Großteil des gesamten Verkehrsaufkommens aus. Wie bereits erwähnt, durften die Zöllner im Bereich des Spezifischen Transitverkehrs an Pkw keine eigenständigen Kontrollhandlungen durchführen. Stattdessen waren sie mit dem Befragen und Beobachten der Reisenden beauftragt. Auf Höhe des Passannehmers der PKE ging jeweils ein Zollangestellter durch einen Trakt und befragte die Transitreisenden nach genehmigungspflichtigen Gegenständen, die über die Transitstrecke transportiert werden sollten. Insbesondere handelte es sich dabei um Waffen, Munition und Funkgeräte. Waffen und Patronen wurden „eingebeutelt“ und zollsicher verschlossen, Funkgeräte ( in der Spätphase der DDR auch die ersten Mobiltelefone ) durften im Transit nicht betrieben werden und mussten zur Durchfuhr registriert werden. Für die Durchfuhr dieser Gegenstände wurde eine Gebühr erhoben und das Grenzzollamt am anderen Ende der Transitstrecke informiert.112 Neben der Befragung der Reisenden nach solchen Gegenständen hatten die Zöllner die Aufgabe, durch eine „durchgängige gründliche Beobachtung des Pkw - Verkehrs die Feststellung von Anhaltspunkten und Verdachtsmomenten für Vorbereitungshandlungen von Personenschleusungen [...] zu sichern“.113 Doppelte Kraftfahrzeugkennzeichen ( Kennzeichen mit Wechselautomatik ), Veränderungen am Rücksitz des Pkw, Abweichungen von der normalen Straßenlage des Pkw und Gegenstände, die normaler weise nicht im Fahrgastraum transportiert werden, waren solche Anhaltspunkte. Sie ähnelten den Kriterien beim Kontrollverfahren der PKE. Traf ein Zöllner solche Feststellungen, so musste er dies unmittelbar dem nächsten Passkontrolleur der PKE melden.114 Im Rahmen der Befragungs - und Beobachtungstätigkeit sollten die Zöllner darüber hinaus auf besondere Vorkommnisse achten. Wenn Reisende provokant oder gereizt auftraten oder demonstrativ westliche Presseerzeugnisse ( z. B. die Bild - Zeitung 111 Vgl. KDfS Greifswald 1982 : Deutsche Demokratische Republik – Grenzübergangsstellen und Transitstrecken des Straßenverkehrs ( BStU, MfS, BV Rostock, OD KKW Gwd. 16, Bl. 207). 112 Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. 113 Rahmenordnung für die Zollkontrolle des Transitgüter - und - reiseverkehrs zwischen der BRD und Berlin ( West ) zur Durchsetzung des Transitabkommens vom 3. 9. 1971 ( Archiv Plessow ). 114 Demuth, Erarbeitung von Ersthinweisen, S. 21 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /917/80).

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oder pornographische Zeitschriften ) im Fahrzeug platzierten, sodass sie den Kontrolleuren offensichtlich auffallen sollten, wurden diese Vorkommnisse auf dafür vorgesehenen Kontrollzetteln samt dazugehörigem Pkw - Kennzeichen, Datum und Uhrzeit festgehalten und über den Gruppenführer an den Zugführer weitergeleitet.115 Inwiefern diese Vorkommnisse anschließend statistisch aufbereitet wurden und ob diese Erfassung Konsequenzen für die Reisenden hatte, bleibt jedoch offen. Bei der Kontrolle des Güter verkehrs im vertragsgebundenen Transit hatten die Zollmitarbeiter weitergehende Aufgaben und Befugnisse als im Personenverkehr. Die Fahrzeuge wurden in verschiedene Kategorien eingeteilt, die sich aus dem Transitabkommen ergaben. Größtenteils waren dies Fahrzeuge gemäß den Artikeln sechs, sieben und 20.116 Transportmittel gemäß Artikel sechs waren Fahrzeuge, die unter zollsicherem Verschluss fuhren und dementsprechend ein - und hergerichtet waren. Die Abfertigungszeit sollte in der Ein - wie auch in der Ausreise zwei Minuten nicht überschreiten. Die Kontrollhandlungen beschränkten sich daher auf die Überprüfung der Warenbegleitscheine und die äußere Beschau des Fahrzeugs sowie die Einsichtnahme in die Fahrerkabine bei der Entgegennahme der Begleitdokumente. Besonders sollte darauf geachtet werden, dass die Zollverschlüsse echt und korrekt angelegt waren und dass Lkw - Planen keine Risse aufwiesen. Dadurch sollte verhindert werden, dass Personen oder Gegenstände auf der Transitstrecke hinein - bzw. herausgelangen konnten. Fahrzeuge, die konstruktionsbedingt ( zum Beispiel Tief lader oder Beton Mischfahrzeuge ) oder aufgrund ihrer Ladung ( z. B. wegen sperriger Güter oder weil lebende Tiere transportiert wurden ) nicht verschlusssicher eingerichtet werden konnten, galten als Transportmittel gemäß Artikel sieben. Für diese sollte die Abfertigungszeit bei der Ein - und Ausreise fünf Minuten nicht übersteigen. Neben der Überprüfung der Warenbegleitscheine sowie der Einsichtnahme in die Fahrerkabine sollten die Zöllner vor allem eine Beschau der Ladung vornehmen, jedoch ohne diese anzuheben oder auszuladen. Waren die an Fahrzeugen angelegten Verschlüsse mangelhaft oder fehlten sie ganz, wurden diese Fahrzeuge als Transportmittel gemäß Artikel 20 bezeichnet. In diesem Fall gab es in der Ein - wie auch in der Ausgangskontrolle keine zeitliche Beschränkung der Kontrollhandlungen. Hier sollten neben der Prüfung der Warenbegleitscheine und der Beschau der Fahrzeugkabine auch der Laderaum und die Ladung selbst auf Versteckmöglichkeiten überprüft werden, die sich zur Personenschleusung eigneten. Insbesondere bei der Ausreise konnten für Fahrzeuge dieser Kategorie Teilentladungen angeordnet werden. Generell standen für den Bereich Güter verkehr - Ausreise Diensthunde zur Verfügung, die im Verdachtsfall zum Einsatz kamen.117 Wurden im Verlauf der 115 Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. 116 Vgl. 1. Durchführungsanweisung zum Befehl 8/72 des Leiters der Zollver waltung der DDR in der Fassung vom 5. 7. 1978, Bl. 3–15 ( Archiv Plessow ). 117 DA 3/79 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 23. 4. 1979 ( Archiv Plessow ).

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Kontrollhandlungen Feststellungen oder Verdachtsmomente erarbeitet, so verständigte der Hundeführer den diensthabenden Zugführer des GZA, der über die Durchführung einer „Verdachtskontrolle“ entschied und zugleich für ein „enges, unmittelbares Zusammenwirken mit der PKE“118 verantwortlich war. Feststellungen jeglicher Art waren auf einem Feststellungs - / Erfassungsbeleg zu notieren und statistisch aufzuarbeiten. Auf Wunsch der PKE erfolgte eine Übergabe des Sachverhalts.119 Darüber hinaus wurde über jeden Lkw, der die GÜSt passierte, Buch geführt. Dafür eingesetzte „Registrierer“120 hielten die Ankunftszeit, das Kennzeichen, die Ladung und den Namen des Fahrers fest, ganz gleich ob sich der LKW im Transit oder bei der Ein - bzw. Ausreise befand. Zur Kontrolle des Ein - bzw. Ausreiseverkehrs sowie des Allgemeinen Transitverkehrs verfügte die Zollver waltung über Befugnisse, die zum Teil über die bereits genannten hinausgingen.121 Diese sollten der Zielsetzung dienen, „illegalen Grenzübertritten“ vorzubeugen, Sachschleusungen von Waren, die zur Ein - bzw. Ausfuhr nicht zugelassen waren, aufzudecken sowie gegebenenfalls Gebühren auf Waren zu erheben, die zur Ein - oder Ausfuhr bestimmt waren. Zahlen aus der Zeit Anfang der 1980er Jahre belegen, dass mehr als acht von zehn Kontrollfeststellungen der Straßen - Grenzzollämter bei Pkw gemacht wurden.122 Der Anteil an Feststellungen bei Lkw war dementsprechend gering in dieser Verkehrskategorie. Im Folgenden soll daher dass Kontrollverfahren bei Pkw im Wechselreiseverkehr näher vorgestellt werden. Um Fluchtversuche zu verhindern, wurden von den GZA - Mitarbeitern an Grenzübergangsstellen zur Bundesrepublik und Westberlin im Bereich der Ausreise an jedem Fahrzeug festgeschriebene Mindestkontrollhandlungen durchgeführt.123 Zuerst mussten der Motor des Fahrzeugs abgestellt werden und alle Fahrzeuginsassen aussteigen. Dann forderte der Zöllner den Fahrzeugführer auf, den Kofferraum sowie die Motorhaube zu öffnen. Alle größeren Gepäckstücke mussten kontrolliert werden. Bei jedem Auto wurde die Rückbank angehoben, da sich darunter konstruktionsbedingt oft ein Hohlraum befand. Durch das Abdrücken der Sitze überprüften die Zöllner, dass in den Polstern keine 118 1. Durchführungsanweisung zum Befehl 8/72 des Leiters der Zollver waltung der DDR in der Fassung vom 5. 7. 1978, Bl. 3 ( Archiv Plessow ). 119 Vgl. BVfS Magdeburg vom 21. 8. 1970: Übergabe-Übernahme-Protokoll der PKE Marienborn / Autobahn ( BStU, MfS, BV Magdeburg, Abt XX Nr. 2625, Bl. 21–27). 120 Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. 121 Im Zollrecht der DDR wird beispielsweise davon ausgegangen, dass im Reiseverkehr mitgeführte verschlossene Briefe nicht den Charakter von Postsendungen haben, sondern papierne, verschlossene Behältnisse sind und der Zollkontrolle ebenso unterliegen, wie alle anderen mitgeführten Behältnisse. Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 52 f.). 122 Vgl. ebd., Bl. 318. 123 1. Durchführungsanweisung zur Dienstanweisung 16/73 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 20. 12. 1973 ( BStU, MfS, Arbeitsbereich Neiber I Nr. 37, Bl. 191 f.).

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Gegenstände eingenäht waren. Zusätzlich untersuchten sie mit Hilfe eines Spiegelwagens den Unterboden des Fahrzeugs. Anschließend nahmen die GZA - Mitarbeiter mit Hilfe von speziellen Tanksonden den Fahrzeugtank in Beschau. Je nach Ermessen des Kontrolleurs wurden zusätzlich mit Hilfe eines Kontrollendoskops Hohlräume der Fahrzeuginnenverkleidung ausgeleuchtet sowie weitere Gepäckstücke einer Röntgenkontrolle unterzogen. Entsprechende Kontrollen durften an Pkw auch bei der Einreise in die DDR vorgenommen werden. Nach den Angaben der befragten ehemaligen Zollkontrolleure geschah dies jedoch nur stichprobenartig und bei entsprechendem Verdacht. Bei der Kontrolle des Wechselreiseverkehrs standen die Zöllner vor folgendem Problem : Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens war es nur bei einem geringen Anteil der Fahrzeuge möglich, Kontrollhandlungen durchzuführen, die über das Maß der Mindestkontrollen hinausgingen.124 Aus diesem Grund hatten die Zollamtsleiter die Auf lage, „die zur Verfügung stehenden Kräfte und Mittel zielgerichtet auf die Bekämpfung des organisierten Schmuggels und der Feindtätigkeit zu konzentrieren [ und ] die Möglichkeiten der Zollkontrolle in erster Linie auf solche Personen und Sachverhalte zu konzentrieren, von denen die größte Gefahr für die Sicherheit und die Störung der Gesetzlichkeit sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Innern unseres Landes ausgeht oder ausgehen kann“.125 Die Zollkontrolle sollte dabei aber so organisiert sein, „dass sie äußerlich stets nur als stichprobenweise Zollkontrolle nach dem Zufallsprinzip sichtbar ist, wie das den international praktizierten und üblichen Gepflogenheiten entspricht“.126 Reisende sollten den Eindruck gewinnen, dass sie nur zufällig einer intensiven Zollkontrolle unterlagen. Neben tatsächlichen Stichproben127 wurden sie jedoch oftmals anhand bestimmter Faktoren zielgerichtet ausgewählt. Abgesehen von den individuellen Erfahrungen und Kenntnissen der Kontrolleure war die Auswahl eines Fahrzeugs zur tiefergehenden Kontrolle von folgenden Punkten abhängig : – den Ergebnissen aus der Beobachtung des Verhaltens der Reisenden vor der eigentlichen Zollkontrolle, – den Resultaten der äußeren Beschau und der Bewertung äußerer Merkmale und Anhaltspunkte an Personen, Gepäckstücken und Kraftfahrzeugen, 124 Dieser Anteil betrug im Wechselreiseverkehr Anfang der 1980er Jahre etwa zwei bis maximal drei Prozent des Reisestroms und der Warenbewegungen über die Grenzen. Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 8 f.). 125 Ebd., Bl. 8. 126 Ebd. 127 Stichprobenhafte Kontrollen waren unter anderem auch deshalb notwendig, um so die Undurchschaubarkeit und Unberechenbarkeit des Kontrollsystems der Zollver waltung zu gewährleisten.

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– dem Vorliegen eines Kontrollersuchens der PKE oder einer Kontrollvorgabe der Zollfahndung oder der Zollermittlung, – der Bewertung der Reise - , Grenzübertritts - und Zolldokumente, – den Resultaten der Befragung des Reisenden vor dem Beginn der Zollkontrolle, die sich auf die Vervollständigung seines Zollantrags und das Vorführen von Gegenständen bezog sowie – der Prüfung von Ausschließungsgründen128 für eine Zollkontrolle. Dieses Vorgehen wurde von der Zollver waltung als „Prinzip differenzierter zielgerichteter und stichprobenweiser Auswahl zur Kontrolle“129 bezeichnet. Abbildung 8 soll dieses Prinzip nochmals verdeutlichen.

Abb. 8 : Gestaltung der Zollkontrolle des Reiseverkehrs130 128 Ausschließungsgründe konnten unter anderem sein, dass es sich um Personen mit diplomatischer Immunität handelte, dass Personen aufgrund eines Befehls des Leiters der Zollver waltung der DDR Kontrollbefreiungen, Kontrollerleichterungen sowie Bevorzugungen unterlagen, dass Personen aufgrund von Avisierungen der PKE kontrollbefreit waren oder mit Kontrollerleicherungen oder bevorzugt abgefertigt werden sollten. Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS JHS 21954, Bl. 47). 129 Ebd., Bl. 51. 130 Vgl. Institut der Zollverwaltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüber-

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Unter „differenzierter zielgerichteter Zollkontrolle“ war die Auswahl von Personen, Fahrzeugen, Gepäckstücken oder Gegenständen gemeint, die entweder aufgrund konkreter Kriterien oder aufgrund konkreter Vorgaben erfolgte. Bei der „differenzierten stichprobenweisen Auswahl zur Zollkontrolle“ erfolgte die Auswahl intuitiv und situativ, während Mindestkontrollhandlungen an den GZÄ zur Bundesrepublik und Westberlin weisungsgemäß für alle Fahrzeuge festgeschrieben waren. Die grundlegenden Auswahlkriterien zur Zollkontrolle werden im Folgenden vorgestellt. Vor, während und nach der Zollkontrolle sollten die Mitarbeiter der Grenzzollämter auf sämtliche Auffälligkeiten im Zusammenhang mit der Grenzpassage der Reisenden achten. Das betraf ( a ) Verhaltensweisen und Merkmale der Personen selbst, ( b ) Merkmale der Grenzübertritts - und Reisedokumente, (c) der mitgeführten Gepäckstücke und Gegenstände wie ( d ) der Kraftfahrzeuge. Die Auffälligkeiten konnten für sich, insbesondere aber in der Kombination eine intensive Zollkontrolle nach sich ziehen. ( a ) Die Reisenden selbst und ihr Verhalten während der Grenzpassage lieferten den Zollkräften entscheidende Kriterien für eine tiefergehende Kontrolle. Folgendes war auffällig : – Ein Abweichen der Reisenden vom „Regelverhalten“ :131 Auffällig war demzufolge beispielsweise ein aufmerksames Beobachten und Verfolgen der Kontrollhandlungen der Zöllner. Aber auch ein übertrieben höfliches oder barsches, unmotiviertes oder selbstsicheres Auftreten war verdächtig.132 – Eine auffällige Verhaltensänderung von Reisenden unmittelbar vor der eigentlichen Zollkontrolle im Vergleich zu ihrem Verhalten zuvor : Dies konnte beispielsweise ein Wechsel der Kontrollspur sein, um während der Kontrollen in eine andere Reihe zu gelangen. Auch eine überhastete oder unsichere Fahrweise bei der Heranfahrt an die Kontrolllinie war ein Indiz, wie auch das Anbieten von kleinen Aufmerksamkeiten oder Druckerzeugnissen vor, während und nach der Kontrolle. – Deutliche Zeichen der Unsicherheit im Widerspruch zum gesamten Äußeren und sonstigen Auftreten der Person : Dies waren unter anderem extreme Nervosität, überhastete Bewegungen oder ungenaue Auskünfte bei der Befragung nach mitgeführten Gegenständen. – Anzeichen des Verbergens von Sachen oder von Versuchen, bestimmte Gegenstände nicht der Kontrolle vorzuführen : Dies war zum Beispiel der schreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 51). 131 In einer Forschungsarbeit wird das „Regelverhalten“ von Reisenden so beschrieben, dass diese typischer weise nicht daran interessiert sind, in irgendeiner Weise aufzufallen, die Koffer öffnen oder den Kofferraum auspacken zu müssen. Sie wollen auch keine längeren Aufenthalte an der GÜSt verursachen als nötig. Sie haben darüber hinaus kein Interesse, persönliche Gespräche mit den Kontrolleuren zu führen oder mit diesen in Konflikt zu kommen. Vgl. ebd., Bl. 62 f. 132 Vgl. ebd., Bl. 64.

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Fall, wenn Reisende kleine Behältnisse ( z. B. Handtaschen oder Brustbeutel) wie ein Bekleidungsstück behandelten und daher nicht vorführten, wenn Gegenstände vor der Kontrolle beiseite gelegt oder in bereits kontrollierte Gepäckstücke verlagert wurden. ( b ) Auch die Prüfung der Grenzübertritts - und Reisedokumente lieferte möglicher weise Hinweise, die eine intensive Zollkontrolle zur Folge haben konnten. Da die Personaldokumente bereits durch die Passkontrolleinheiten kontrolliert wurden, reduzierte sich die Überprüfung durch den Zoll. Zunächst wurden die Dokumente dahingehend kontrolliert, dass sie vollständig waren, den jeweiligen Personen zugeordnet werden konnten und dass ein ordnungsgemäßer Mindestumtausch erfolgte. Darüber hinaus folgte die Erarbeitung zollmäßig relevanter Informationen. Das waren zum einen Informationen zur Person. So konnte beispielsweise der Beruf Hinweise zur Suche nach Verstecken oder nach speziellen Warenarten geben. Zum anderen waren das Informationen über den vermutlichen Zweck der Reise. So wurde überprüft, ob die mitgeführten Waren dem Zweck der Reise entsprachen oder nicht. Zum dritten gingen die Zöllner der Frage nach, ob die mitgeführten Waren und Devisen rechtmäßig eingeführt werden konnten und ob diese mit den Angaben in den Zolldokumenten übereinstimmten. ( c ) Gepäckstücke und deren Merkmale lieferten weitere Auswahlkriterien. So wurde überprüft, ob bei der Dauer der geplanten Reise und dem Umfang des mitgeführten Gepäcks Unstimmigkeiten vorlagen. Außerdem überprüften die Zöllner das Gepäck auf Verformungen wie Ausbeulungen, Aufbauschungen und Ähnliches. Darüber hinaus waren Gepäckstücke verdächtig, die offensichtlich von der serienmäßigen Beschaffenheit abwichen ( beispielsweise durch neue Nähte, Klebestellen oder individuell angefertigte Teile ). ( d ) Schließlich nahmen die Zöllner auch die Kraftfahrzeuge selbst genau in Augenschein. Dies geschah immer in engem Zusammenhang mit der Beobachtung der Reisenden und begann, wie auch die Beobachtung, bereits vor den eigentlichen Kontrollen an der Zolllinie. Dabei fanden vor allem technische Merkmale Beachtung : eine außergewöhnliche Straßenlage und Federung wie auch bauliche Veränderungen an Fahrzeugen waren genauso verdächtig wie nicht funktionierende Einrichtungen. So konnten defekte Fensterheber den Verdacht begründen, dass in der Tür verkleidung beispielsweise Druckerzeugnisse versteckt wurden. Bei der äußeren Beschau der Fahrzeuge mussten die Zöllner auf Beschriftungen, Aufkleber etc. ebenso achten wie auf etwaige Reparaturspuren oder Verschmutzungen, die von unbefestigten Straßen herrührten.133 Die Fahrzeuge selbst sollten weiterhin nicht im Widerspruch zu den reisenden Personen stehen. Dies war zum Beispiel dann der Fall, wenn eine offensichtlich gut situierte Person ein sehr abgenutztes Fahrzeug fuhr. 133 So konnten Lehm - und Erdverschmutzungen, Laub - , Gras - und Tannenreste bei einem Fahrzeug in der Ausreise darauf hindeuten, dass Personen zur Durchführung einer Flucht zugestiegen waren. Vgl. ebd., Bl. 89.

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Neben der eben beschriebenen Auswahl zur Zollkontrolle aufgrund von bestimmten Kriterien waren Fahndungsaufträge und Kontrollersuchen der PKE Bestandteile der „differenzierten zielgerichteten Zollkontrolle“. Kontrollen, die im Ergebnis einer Fahndung und auf der Grundlage von Kontrollersuchen durch die PKE erfolgten, waren „als eine Maßnahme legendierter Informationsgewinnung in der Grenzpassage bei der vorgangsmäßigen Bearbeitung und der operativen Verdichtung von Informationen zur Person und zur Sache darauf gerichtet, in einer durch die Dauer der üblichen Zollkontrolle begrenzten Zeit unter Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung einen im konkreten Einzelfall gezielt vorgegebenen Informationsbedarf zu befriedigen, der nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ander weitig abgedeckt werden kann“.134 Zielgerichtete Kontrollen der Grenzzollämter waren Sondermaßnahmen. Der über wiegende Teil der Reisenden konnte schon aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens nicht auf diese Weise kontrolliert werden. Wenn zielgerichtete Kontrollen erfolgten, dann wurden diese so durchgeführt, dass sie für die betreffenden Reisenden unter keinen Umständen als solche zu erkennen waren. Kontrollersuchen der PKE basierten auf Kontrollergebnissen und Ergebnissen der Filtrierung, d. h., sie wurden aus der aktuellen Situation heraus formuliert, ohne dass ihnen in der Regel eine vorherige Bearbeitung ( Fahndungsauftrag ) zugrunde lag.135 Sie wurden ausnahmslos im Bereich der Einreise vorgenommen.136 Die Maßnahmen, die durch den Zoll dabei realisiert wurden, waren vielseitig. Sie reichten von der zielgerichteten Kontrolle der Fahrzeuge über die Erfassung von Informationen zum Fahrzeug oder den mitgeführten Waren sowie der Einschätzung der Persönlichkeit des Reisenden bis hin zur zeitlichen Ausdehnung der Kontrolle. Die Anordnung langer Kontrollzeiten hatte zum Ziel, „die erforderlichen Bedingungen für die Heranführung von Beobachtungskräften an die GÜSt zu schaffen und die konspirative Übergabe des Objekts zur weiteren Überwachung von Aktivitäten im Hinterland und der Kontrolle der Personenverbindungen zu sichern.“ Neben diesen konkreten Vorgaben der PKE bei der Realisierung von Kontrollersuchen durch die GZÄ gab es mit der Vorgabe von Kontrollschwerpunkten eine weitere Variante bei der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs, die in Abstimmung zwischen Zoll und MfS erfolgte. Um die Anzahl rein stichprobenartiger intensiver Kontrollen gering zu halten, wurden von den Grenzzollämtern in Abstimmung mit den Passkontrolleinheiten Kontrollschwerpunkte erarbeitet. 134 Ebd., Bl. 90. 135 Vgl. ebd., Bl. 93. 136 Kontrollersuchen in der Ausreise waren deshalb nicht möglich, weil die Passkontrolle dort nach der Zollkontrolle erfolgte und die Reisenden somit zollmäßig bereits abgefertigt waren. Allerdings waren an bedeutenden GÜSt „Sonderobjekte“ vorhanden, in denen gezielt zur Fahndung ausgeschriebene Pkw durchsucht werden konnten. Vgl. ebd., Bl. 99.

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Zur Absicherung bestimmter politischer Ereignisse, wie beispielsweise Parteitage der SED oder Staatsbesuche, wurden aus dem Reisestrom gezielt Personen ermittelt, von denen mögliche Störungen im Zusammenhang mit solchen Ereignissen ausgehen könnten. Ähnliches erfolgte in bestimmten Spannungssituationen, wie beispielsweise der Krise in Polen Anfang der 1980er Jahre. Schwerpunktkontrollen wurden auch „zur Abwehr zielgerichtet vorgetragener politisch - ideologischer Diversion und feindlicher Kontaktpolitik“137 eingeleitet. Dabei galt es, bestimmten Gruppen, z. B. aus kirchlichen Kreisen oder der Friedensbewegung, die Einreise in die DDR zu erschweren und mitgeführte Literatur zu konfiszieren, die ansonsten auf Treffen mit Partnergruppierungen in der DDR hätte verteilt werden können. Schwerpunktkontrollen wurden weiterhin durchgeführt, um außenpolitische Aktivitäten der SED durch demonstrative Maßnahmen an den GÜSt zu unterstützen. Bereits in den 1950er und 1960er Jahren wurden immer wieder Spannungen in den diplomatischen Beziehungen der DDR mit der Bundesrepublik auch auf dem Rücken von Reisenden ausgetragen. Sie mussten dann an den Grenzübergangsstellen mit langen Wartezeiten rechnen, die durch besonders aufwändige Zollkontrollen verursacht worden waren.138 Besonders bedeutsam waren Schwerpunktkontrollen, die dazu dienten, bestimmte Personenkategorien in der Grenzpassage zu erkennen, die von hohem „politisch - operativen“ Interesse waren. Der konkrete Informationsbedarf wurde dabei durch die PKE oder den Zollfahndungsdienst an den GZÄ angemeldet. Generell sollte bei Zollkontrollen aufgrund von gesetzten Schwerpunkten Ausgangsmaterial geschaffen werden, das für eine weitere Bearbeitung von Personen und Sachverhalten durch die entsprechenden Linien und Diensteinheiten des MfS oder durch den Zollfahndungsdienst geeignet war.139 „Bei [ der ] Durchsetzung [ von Zollkontrollen ] können ebenso demonstrativ - repressive Elemente als auch demonstrativ gehandhabte Großzügigkeit zum Einsatz kommen : – beides ist stets auf das engste miteinander verbunden und verlangt ein abgestimmtes und prinzipielles Zusammenwirken Zoll – PKE.“140 Die Leiter der Dienststellen der Zollverwaltung und der PKE wurden gemeinsam zentral über die Durchführung schwerpunktmäßiger Kontrollen eingewiesen. Diese Einweisung umfasste die „politisch - operative“ Zielstellung sowie den Umfang, die Zeitdauer und die übrigen Bedingungen der vorgesehenen Maßnahmen und Abstimmung der eingesetzten Kräfte beider Einheiten vor Ort. In täglichen Diensteinweisungen machten die Zugführer die Kontrolleure mit den 137 Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS JHS 21954, Bl. 100). 138 Vgl. ebd. 139 Vgl. ebd., Bl. 101. 140 Ebd.

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vorgesehenen Maßnahmen vertraut. Solche Einweisungen erfolgten jeden Tag aufs Neue, da die Kontrolleure die entsprechenden Maßnahmen stets vor Augen haben und ständig von deren Sinn und Zweck überzeugt sein sollten bzw. überzeugt werden mussten. Die folgenden Schaubilder zeigen, welche Gegenstände hauptsächlich an den Grenzzollämtern entdeckt und in der Regel eingezogen wurden.

Abb. 9 : Feststellungen der GZÄ zur Bundesrepublik und Westberlin in der Einreise (1980–1982)141

Die absolute Mehrzahl der Kontrollfeststellungen, die an den Grenzzollämtern getroffen wurden, ging auf die Entscheidung der Zollkontrolleure zurück, die aufgrund der vorgestellten Auswahlkriterien bzw. stichprobenartig Kontrollen durchführten. Ihr Anteil lag Anfang der 1980er Jahre bei 97 Prozent. Die verbleibenden drei Prozent gehen auf Kontrollersuchen bzw. Fahndungsersuchen zurück. Deren Zusammensetzung in den Jahren von 1980 bis 1982 in realen Werten zeigt die Abbildung 11.

141 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 306).

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Abb. 10 : Feststellungen der GZÄ zur Bundesrepublik und Westberlin in der Ausreise (1980–1982)142

Abb. 11 : Feststellungen an GZÄ aufgrund von Kontroll - und Fahndungsersuchen 1980–1982143

142 Ebd., Bl. 307. 143 Vgl. ebd., Bl. 320.

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Die hohe Zahl von Kontrollersuchen in der Ausreise, die „im Ergebnis operativer Vormerkung“ erfolgten, weisen darauf hin, dass hier oftmals gezielt Fahrzeuge kontrolliert wurden, mit denen Fluchtversuche erfolgen sollten. Die Hinweise hierfür kamen von verschiedenen operativen Diensteinheiten des MfS, oftmals auch der Linie VIII, die in Zusammenarbeit mit der Abteilung Transitüber wachung des Zolls die Transitstrecken von und nach Westberlin kontrollierten. Intensive Zollkontrollen und sich anschließende Verfahren Die bisher beschriebenen Kontrollen der Mitarbeiter der Grenzzollämter vollzogen sich immer an den Zollkontrolllinien der GÜSt oder in sogenannten „offenen Raumzellen“.144 Damit ist gemeint, dass andere Reisende die Kontrollhandlungen augenscheinlich wahrnehmen und verfolgen konnten. Beim Zoll und dem MfS sprach man in diesem Fall von der „Kontrollart I“. Wenn während der Durchführung der „Kontrollart I“ Hinweise oder Anhaltspunkte erarbeitet wurden, die auf weitergehende Verstecke im Fahrzeug oder an Personen hindeuteten, so schlossen sich für die Betroffenen intensive Zollkontrollen an. Diese Kontrollen, die als „Kontrollart II“ bezeichnet wurden, erfolgten ausschließlich in „geschlossenen Raumzellen“. In diesem Falle war also die Beobachtung der Kontrollhandlungen „durch andere Reisende und sonstige Unbefugte“145 nicht möglich. Mit „sonstigen Unbefugten“ waren keinesfalls ausschließlich Zivilpersonen gemeint, die sich auf der GÜSt aufhielten, sondern ebenso Mitarbeiter des Zolls, die nicht befugt waren, weitere Kontrollen als die der „Kontrollart I“ durchzuführen ( KA - I - Kontrolleure ). Stattdessen erfolgte bei intensiven Zollkontrollen und sich anschließenden Verfahren ausschließlich der Einsatz von Mitarbeitern der Abteilung Zollermittlung und von „bestätigten Mitarbeitern der Zollverwaltung ( KA - II - Kontrolleure ), die im Auftrag der PKE politisch - operative Aufgaben im Rahmen der zollmäßigen Abfertigung an den GÜSt lösen“.146 KA - II - Kontrolleure waren in der Regel besonders genau überprüfte, politisch äußerst zuverlässige Mitarbeiter der Grenzzollämter, die oft als inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit ihren Dienst verrichteten. Ihr Einsatz war seitens des MfS vor allem für die Lösung folgender Aufgaben vorgesehen : „Organisierung der Suche nach Hinweisen und Anhaltspunkten zur Tätigkeit der imperialistischen Geheimdienste, Schleuserorganisationen und anderer feindlicher Zentren im grenzüberschreitenden Verkehr auf der Grundlage der erhaltenen Instruierung und Gewährleistung des operativ richtigen Reagierens bei festgestellten Sachverhalten als Ausgangspunkt für die weitere gezielte operative Bearbeitung; 144 Vgl. HA VI, Abteilung Schulung und Ausbildung, von März 1972 : „Politisch - operative Aufgaben, die zur Aufdeckung und vorbeugenden Verhinderung von feindlich - negativen Handlungen im grenzüberschreitenden Verkehr an den Grenzübergangsstellen zu lösen sind“ ( BStU, MfS, HA VI 15894, Bl. 56). 145 Vgl. ebd. 146 Ebd., Bl. 58.

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Durchführung von speziellen Aufträgen bei erkannten bzw. vermuteten Agenturen des Gegners, zum Beispiel zur Gewährleistung der operativen Kontrolle bestimmter Sachen, der Schaffung von Beweismaterial, der Unterstützung von operativen Kombinationen und anderen sich aus der operativen Arbeit ergebenden Maßnahmen. Solche Maßnahmen können sein das Durchführen von Beobachtungen, Dokumentationen, Markierungen usw.; Durchführung von Befragungen im Auftrag der PKE, um unter der Tarnung der Bearbeitung von zollmäßigen Anlässen interessierende operative Aufgaben zur Feststellung und Aufklärung von gegnerischen Personen - und Sachschleusungen zu erarbeiten bzw. andere für die Abwehr - und Aufklärungstätigkeit des MfS bedeutsame Fakten festzustellen; Gezielte Anwendung der Kontrolltechnik, kriminalistischer Mittel und anderer spezieller operativer Verfahren zur Feststellung und Aufklärung von Personen - und Sachschleusungen im grenzüberschreitenden Verkehr, Gewährleistung der Geheimhaltung ihrer Wirksamkeit und Sicherung des richtigen operativen Reagierens auf getroffene Feststellungen; Progressives Auftreten im Personalbestand des Grenzzollamtes, besonders zur Qualifizierung der Transportmittelkontrolle insgesamt, sowie positive Einflussnahme auf die Gestaltung des Verhältnisses zwischen PKE, Zollermittlung und GZA an der Grenzübergangsstelle.“147

Das Zusammenspiel zwischen PKE - Mitarbeitern und KA - II - Kontrolleuren wurde durch den Stellvertreter Operativ des Leiters der PKE organisiert. Er legte über den jeweiligen Gruppenführer der PKE die Mitarbeiter fest, die im Schichtrhythmus mit den KA - II - Kontrolleuren zusammenarbeiteten. Durch diese Mitarbeiter erfolgte dann die Instruierung der KA - II - Kontrolleure „zur Realisierung gezielter Kontrollmaßnahmen unter Beachtung der Geheimhaltung und Konspiration“.148 Die PKE arbeiteten darüber hinaus mit den Mitarbeitern der Zollermittlergruppen zusammen, die an ausgewählten GÜSt149 folgende spezielle Aufgaben zu lösen hatten : „aus der eigenständigen und der Kontrolle durch die GZÄ politisch - operativ bedeutsame Materialien und Feststellungen abzuschöpfen; politisch - operative Informationen, sofern sie Hinweise auf Feindtätigkeit enthalten, der PKE zu übergeben ( an die Operativ - Offiziere ); eigenständig oder über Kräfte der GZÄ die PKE bei der Aufklärung von Personen, Sachen oder Sachverhalten, die im Zusammenhang mit feindlich negativen Handlungen stehen, zu unterstützen; die PKE bei der Klärung der Frage ‚Wer ist wer ?‘ zu unterstützen; einen regelmäßigen Informationsaustausch mit den PKE zu erkannten Mitteln und Methoden sowie Angriffsrichtungen des Gegners zu sichern; einen Beitrag zur Qualifizierung der Zollkontrolle durch die GZÄ zu leisten;

147 Ebd., Bl. 59 f. 148 Ebd., Bl. 60. 149 Im Jahr 1975 waren zum Beispiel lediglich an 15 Grenzübergangsstellen Arbeitsgruppen der Abteilung Zollermittlung eingerichtet. Fehlten diese, so übernahmen die „bestätigten Zollkontrolleure“ im Wesentlichen deren Aufgaben. Vgl. Jacobs, Nutzung der Zollkontrolle. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1975, S. 47 (BStU, MfS, JHS MF VVS 240/75).

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Zollrechtsverletzungen hinsichtlich verborgener Feindtätigkeit und der Gewinnung politisch - operativer Informationen zu filtrieren.“150

Die Zollermittler waren mit den zuständigen Mitarbeitern der PKE permanent in Kontakt. Um intensive Zollkontrollen unbeobachtet und „konspirativ“ durchführen zu können, wurden Reisende mit ihrem Fahrzeug in spezielle „Kontrollgaragen“ geleitet. Dort erfolgte dann eine umfangreiche Tiefenkontrolle des Fahrzeugs. An jedem Grenzzollamt stand den Kontrolleuren in den Bereichen der Ein - und Ausreise je eine Kontrollgarage zur Verfügung, in denen Kfz einer tiefgreifenden Kontrolle unterzogen werden konnten. Teilweise wurden die Autos dabei bis in ihre Einzelteile zerlegt,151 wobei im Anschluss daran der Zusammenbau von dem Reisenden selbst durchgeführt werden musste. Die Tiefenkontrolle in der Garage erfolgte grundsätzlich durch zwei Mitarbeiter, wovon mindestens ein Kontrolleur ein erfahrener und vom MfS bestätigter Zöllner ( KA - II - Kontrolleur ) sein sollte.152 War unter den Reisenden in der Kontrollgarage eine Frau, musste eine weibliche Kontrolleurin mit hinzugezogen werden.153 Der KA - II - Kontrolleur übernahm in der Kontrollgarage die eigentliche Untersuchung des Fahrzeugs. Der zweite Zöllner war aus Sicherheitsgründen mit anwesend und hatte zudem das Verhalten der Reisenden zu beobachten, beispielsweise um zu verhindern, dass sie Gegenstände oder Zahlungsmittel während der Kontrollhandlungen „verschwinden lassen“ konnten. Gegebenenfalls konnte der KA - II - Kontrolleur selbstständig entscheiden, ob die Kontrolle abgebrochen wurde. Dies geschah insbesondere dann, wenn bei Reisenden aufgrund der hohen psychischen Belastungen, denen sie in solchen Extremsituationen ausgesetzt waren, ernsthafte körperliche Probleme auftraten.154 Neben den Kontrollgaragen in den Bereichen der Ein - und Ausreise war an großen Grenzübergangsstellen eine weitere, baugleiche Garage vorhanden, in der bei entsprechendem Verdacht Reisende des Transitverkehrs zwischen Westdeutschland und Westberlin kontrolliert wurden. Diese „Sonderobjekte“ waren noch vor dem eigentlichen Kontrollterritorium angesiedelt. Sie dienten in erster Linie dazu, Reisende vom übrigen Verkehr auf der GÜSt zu trennen, bei denen vermutet wurde, dass sie während der Fahrt auf den Transitautobahnen heimlich DDR - Bürger aufnahmen, um ihnen zur Flucht zu verhelfen. Die Sicherheitsauf lagen waren in diesen Kontrollgaragen besonders hoch : blickdichte Umzäunungen der Gebäude, vergitterte Fenster und Betretungsverbot für einen großen Teil der Zollmitarbeiter. Für die Kontrollen in den „Sonderobjekten“ 150 HA VI, Abteilung Schulung und Ausbildung, von März 1972 : „Politisch - operative Aufgaben, die zur Aufdeckung und vorbeugenden Verhinderung von feindlich - negativen Handlungen im grenzüberschreitenden Verkehr an den Grenzübergangsstellen zu lösen sind“ ( BStU, MfS, HA VI 15894, Bl. 60 f.). 151 Zeitzeugengespräch mit Heiner Müller am 12. 2. 1996. 152 Vgl. Schmoll, Verhalten der Reisenden. Diplomarbeit am Institut der Zollver waltung der DDR 1987, S. 35 ( Archiv Plessow ). 153 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. 154 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Heiner Müller am 12. 2. 1996.

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wurde generell auch ein Diensthund eingesetzt. Da nur die GZÄ über Diensthunde verfügten, kam ein Hundeführer sowie der im Dienst befindliche Zugführer des jeweiligen Grenzzollamts zum Einsatz, die auf Anweisung der PKE das Fahrzeug nach versteckten Gegenständen und Personen durchsuchten. Diese Einsätze waren mitunter gefährlich. Für das „Sonderobjekt“ an der GÜSt Marienborn liegen Zeitzeugenberichte vor, dass es während der Kontrollen mitunter zu Schusswechseln kam.155 Um auf solche Situationen vorbereitet zu sein, befanden sich während der Kontrollen mehrere mit Maschinenpistolen bewaffnete PKE - Kräfte in den Gebäuden.156 Durch eine stecknadelgroße Öffnung in der Wand des Kontrollraums machten MfS - Mitarbeiter verdeckt Fotoaufnahmen von den Reisenden.157 Die anschließende Vernehmung führten Angehörige der PKE in einem separaten Raum durch. Die dort befindlichen Stühle waren aus Sicherheitsgründen fest am Boden verschraubt. Eine nochmalige Steigerung der Kontrollintensität war dann gegeben, wenn zusätzlich zur Tiefenkontrolle des Fahrzeugs eine körperliche Durchsuchung (KD ) der Reisenden vorgenommen wurde.158 Körperliche Durchsuchungen von Personen wurden sogar innerhalb der Zollver waltung selbst als eine Maßnahme angesehen, die „einen tiefen Eingriff in die persönliche Integrität eines Menschen“159 darstellten. Im Zollgesetz der DDR waren KD als eine mögliche Form der Kontrolle ausgewiesen, ohne dass normative Vorgaben für die Anwendung gegeben wurden. Die Anwendungsregelung erfolgte demzufolge auf internem Wege. Gemäß Dienstanweisung 8/70 des Leiters der Zollver waltung musste für die Durchführung einer körperlichen Durchsuchung ein begründeter Verdacht vorliegen, dass die betreffende Person eine Rechtsverletzung begeht oder begangen hat.160 Hinreichende Gründe lagen vor allem dann vor, wenn – eine Person während eines Fluchtversuchs aufgegriffen wurde; – nach erfolgter Kontrolle des Fahrzeugs und des Gepäcks der Verdacht einer geplanten Straftat nahe lag; – im Ergebnis der bisherigen Kontrollen oder aufgrund erkennbarer äußerlicher Merkmale sowie des Verhaltens einer Person die begründete Annahme der Begehung eines groben Zoll - und Devisenverstoßes bestand; 155 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Jochen Maier am 21. 9. 2005; Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004; Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. 156 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Jochen Maier am 21. 9. 2005. 157 Zeitzeugengespräch mit Anton Berger; Zeitzeugengespräch mit Michael Heinze am 12. 9. 2006. 158 Dienstanweisung Nr. 8/70 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1970, Bl. 6 ( Archiv Plessow ). 159 Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 181). 160 Vgl. Dienstanweisung 8/70 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1970 (Archiv Plessow ).

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– Kontrollersuchen der PKE geltend gemacht wurden; – die Personen als „Rückkehrer“ oder „Erstzuziehende“ in die DDR einreisten;161 – am Körper oder in der am Körper getragenen Kleidung vermutete Gegenstände oder Beweismittel sichergestellt werden mussten.162 Entscheidungen über die Durchführung einer KD trafen die Zollamtsleiter, wobei sich in der Praxis meist die Leiter der zuständigen Bezirksver waltung oder ihre Stellvertreter die Genehmigung der körperlichen Durchsuchung vorbehalten haben.163 Durch die Passkontrolleinheiten beantragte KD mussten ebenfalls von den im Einzelfall verantwortlichen Leitern der zuständigen Diensteinheit des MfS geprüft werden. Die KD erfolgte an den Grenzzollämtern in einem speziell dafür hergerichteten Raum ( KD - Raum ).164 In der Dienstanweisung 8/70 des Leiters der Zollver waltung heißt es : „Der Durchsuchungsraum hat stets in einem sauberen, gut gelüfteten und je nach Witterungsverhältnissen geheizten Zustand und ausreichend ausgeleuchtet zu sein. Er muss von innen abschließbar sein und darf von dritten Personen nicht eingesehen werden können.“165 Die körperliche Durchsuchung umfasste das Abtasten des bekleideten Körpers, die Prüfung des Inhalts und der Beschaffenheit der auf Aufforderung abgelegten gesamten Bekleidung und die Inaugenscheinnahme des unbekleideten Körpers „mit seinen natürlichen Versteckmöglichkeiten“.166 Im Ausnahmefall gehörte auch die Inaugenscheinnahme und Kontrolle des Innern von künstlichen Gliedern und das Abwickeln von Verbänden, wobei bei letzterem ein Arzt oder medizinisches Personal hinzugezogen werden musste.167 161 Die körperliche Durchsuchung erfolgte dann in der Regel, nicht jedoch, wenn dieses Vorgehen im Einzelfall von der PKE nicht für erforderlich gehalten wurde. Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 183). 162 Vgl. ebd., Bl. 183 f. 163 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. 164 Der Durchsuchungsraum war aus Sicherheitsgründen nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Darin befand sich ein Tisch, eine Sitzgelegenheit, eine Fußmatte, ein Kleiderständer, dazu eine Waschgelegenheit mit Spiegel, Kleiderbürste, Desinfektionsmittel und Handtuch sowie für den durchsuchenden Kontrolleur ein weißer Kittel und Gummihandschuhe. Vgl. Dienstanweisung Nr. 8/70 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1970 ( Archiv Plessow ). 165 Dienstanweisung Nr. 8/70 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1970, Bl. 7 ( Archiv Plessow ). 166 Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 184). 167 Abzugrenzen von körperlichen Durchsuchungen waren die Kontrolle von Brieftaschen, Geldbörsen und ähnlichen Behältnissen, die der Reisende nach Aufforderung des Kon-

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Bezüglich des Vorgehens nach der Entscheidung zur körperlichen Durchsuchung galten für die Zöllner folgende Grundregeln : – Die Kontrolle sämtlicher Gepäckstücke sowie des Fahrzeugs musste vor der KD abgeschlossen sein, um Hinweise auf politisch - operativ bedeutsame Sachverhalte bereits vor der KD zu erarbeiten. – Der Übergang von der Kontrolle der Gepäckstücke sowie des Fahrzeugs zur körperlichen Durchsuchung sollte möglichst ohne Unterbrechung erfolgen. Dadurch sollte verhindert werden, dass der Betroffene in der Zwischenzeit Beweismittel vernichten oder sich Schutzbehauptungen ausdenken konnte. Zudem sollte so gewährleistet sein, „ihm keinen Einblick in die Regimeverhältnisse zu gestatten“.168 – Die Zuführung in den KD - Raum hatte unauffällig durch zwei Mitarbeiter des Zolls zu erfolgen und sollte so organisiert sein, dass einerseits keine Fluchtgefahr bestand, andererseits auch „nicht optisch das Bild einer Festnahme entsteht“.169 Männliche Personen mussten von männlichen Zollangehörigen, weibliche von weiblichen Zollangehörigen kontrolliert werden.170 Körperliche Durchsuchungen sollten nur von Zöllnern durchgeführt werden, die über „die erforderliche Reife verfügen, [...] dass die Rechte und Würde der Menschen nicht verletzt werden“, und „im Kampfsport ausgebildet“ waren, um einen Ablauf der Durchsuchung zu gewährleisten, der „den Sicherheitsinteressen [ des sozialistischen ] Staates“171 entsprach. Im Körperdurchsuchungsraum selbst sollte die Person ununterbrochen beobachtet werden, um die Ablage von „Beweismitteln“ zu verhindern. In diesem Zusammenhang war auch die Regelung zu sehen, dass das Aufsuchen der Toilette im Allgemeinen erst gestattet wurde, wenn die KD beendet war. – Sollten mehrere Personen körperlich durchsucht werden, so wurden diese bis zur Durchsuchung in einem geeigneten Raum ununterbrochen beobachtet. Die Betroffenen durften nicht miteinander sprechen und keine Gegenstände untereinander austauschen. – Unmittelbar nach Betreten des KD - Raums sollte der Person mitgeteilt werden, dass eine körperliche Durchsuchung erfolgt. Danach sollte diese aufgefordert werden, die vermuteten Gegenstände freiwillig herauszugeben, „unbeschadet, ob danach die KD weitergeführt wird oder nicht“.172

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trolleurs vorgeführt und entleert hatte, die Kontrolle des Inhalts von „Über - und Schutzbekleidung“ ( Jacken, Mäntel, Hüte etc.), die im Pkw gesondert transportiert wurde, die Aufforderung an die Person, den Inhalt der Taschen der am Körper getragenen Oberbekleidung herauszulegen und die entleerten Taschen der Oberbekleidung nach außen zu wenden. Vgl. ebd., Bl. 185. Ebd., Bl. 187. Ebd. Vgl. Dienstanweisung Nr. 8/70 des Leiters der Zollverwaltung der DDR vom 30. 4. 1970, Bl. 6 ( Archiv Plessow ). Ebd., Bl. 7. Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreiten-

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– Der Körper der zu durchsuchenden Person durfte ( insbesondere in unbekleidetem Zustand ) nicht berührt werden. Die Kontrolle des unbekleideten Körpers erstreckte sich auf seine Inaugenscheinnahme, gegebenenfalls unter Aufforderung zur Ausführung bestimmter Bewegungen ( Arme heben, Beine spreizen, Kniebeuge etc.). – Gegenstände und Beweismittel, die mit der „Rechtsverletzung“ im Zusammenhang standen, wurden eingezogen. Andere erhielt der Reisende sofort zurück. – Während des gesamten Vorgangs der KD musste ein zweiter Zöllner anwesend sein. Er sollte zum einen die Sicherheit des Kollegen gewährleisten, indem er ggf. eingreifen konnte, wenn die zu untersuchende Person aggressiv wurde. Zum anderen hatte er zu beobachten, dass sich sein Kollege gegenüber dem zu Kontrollierenden im Rahmen der Vorschriften verhielt. Zum dritten war seine Aufgabe, den zu Kontrollierenden genau zu beobachten, damit dieser während der KD keine Gegenstände ablegte oder vernichtete. „Sein Standort bei der KD sollte neben der Tür und so gewählt sein, dass im Falle erforderlichen physischen Eingriffs keine gegenseitige Behinderung des Beobachters und des Kontrolleurs eintritt.“173 Jede Art der Zollkontrolle begann, wie schon an anderer Stelle erwähnt, mit der Befragung der Reisenden, die bereits an der Zollkontrolllinie stattfand. Wurden anschließend Feststellungen getroffen und intensive Kontrollen ( Tiefenkontrollen, körperliche Durchsuchungen ) durchgeführt, so endete die Zollkontrolle erneut mit einer intensiven Form der Befragung : der Vernehmung. Wie international üblich dienten Befragungen an der Zollkontrolllinie zunächst dem Zweck, Informationen einzuholen, um über eine Einleitung weitergehender Prüfungshandlungen entscheiden zu können. Zugleich dienten sie jedoch bereits in dieser frühen Phase „der Gewinnung politisch - operativ bedeutsamer Informationen, wobei diese Zielstellung legendiert und in einer solchen Weise vorzunehmen ist, dass die zoll - und devisenrechtlich legitimierte Fragestellung die politisch - operativen Zielstellungen hinreichend abdeckt“.174 Wenn während des Kontrollprozesses Unregelmäßigkeiten auftraten, wurden weitere Befragungen durchgeführt, die der Prüfung bzw. Klärung des Verdachts einer Rechtsverletzung dienen sollten. Auch solche Befragungen sind im Rahmen eines Zollverfahrens international üblich. Ganz anders verhält es sich jedoch bei einer dritten Variante der Befragung – der „operativen Befragung“ – die auf den Resultaten der bisher vorgestellten Befragungsarten aufbaute und mit der Zielstellung erfolgte, „die Person oder ihr spezielles Wissen im Interesse des Schutzes und der Sicherheit unseres Staates oder der Bekämpfung von Straftaten oder in anderer Weise zielgerichtet zu nutzen ( einschließlich der Einleiden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 188). 173 Ebd., Bl. 189 f. 174 Ebd., Bl. 190.

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tung spezieller Prüfungshandlungen zur Person ), was allgemein nicht unmittelbar durch den Zollkontrolleur, sondern durch speziell hierfür bestätigte Kräfte der Zollver waltung oder der PKE zu erfolgen hat“.175 Die Vernehmung schließlich war eine weitere, intensivere Form der Befragung. Sie erfolgte in der Regel nach Abschluss der Zollkontrollen, wenn eine Rechtsverletzung zweifelsfrei feststand. Für die Durchführung der Vernehmung gab es an den GZÄ eigens dafür vorgesehene Räumlichkeiten, die sich direkt an die Kontrollgaragen der Ein - und Ausreise anschlossen. „Der Befrager und die Person sollten sich ohne Trennung durch einen Tisch gegenübersitzen. Die Sitzanordnung ist so zu wählen, dass der Reisende im einfallenden Licht und der Befrager mit dem Rücken zum Licht sitzen. Damit können die Mimik und die Reaktion der Person auf die gestellten Fragen und bei der Beantwortung besser beobachtet werden.“176 Bei kleineren Verstößen, wie beispielsweise der versuchten Einfuhr einzelner westlicher Zeitungen, führte der Gruppenführer des GZA die Vernehmung durch. Zur Erörterung eines Sachverhalts, der auf eine Straftat hindeutete, verständigte er in der Regel die Abteilung Zollfahndung der zuständigen Bezirksver waltung, die als das „Untersuchungsorgan“ der Zollver waltung die Vernehmung durchführte. In besonderen Fällen, die für das MfS von „politisch operativer Bedeutung“ waren, wurde die Vernehmung von KA - II - Kontrolleuren, Zollermittlern oder PKE - Mitarbeitern durchgeführt. Für die Betroffenen selbst waren die Vernehmer nicht voneinander zu unterscheiden. Allerdings variierte die Dauer der Vernehmungen zum Teil sehr stark. Bei kleineren Verstößen dauerte eine Vernehmung meist nicht länger als 15 Minuten.177 Vernehmungen mit strafrechtlichen Konsequenzen konnten sich jedoch über mehrere Stunden hinziehen.178 Zu jeder Vernehmung wurde ein Protokoll angefertigt, auf dem neben Angaben zur Person ( Name, Anschrift, Geburtsdatum und Ort, Beruf, Staatsangehörigkeit, Reisepassnummer und Familienstand ) Angaben zur persönlichen Entwicklung ( Lebenslauf ) festgehalten wurden. Außerdem gingen aus dem Vernehmungsprotokoll der Wortlaut der gestellten Fragen zum Sachverhalt sowie die entsprechenden Antworten her vor. Durch die Fragen des Vernehmers sollten zunächst vier Faktoren herausgearbeitet bzw. geklärt werden : – Die Art und Weise der Begehung des „Zoll - und Devisenverstoßes“; – Der Umfang, Wert oder die Art der Gegenstände oder Devisen, die konfisziert wurden sowie deren Herkunft und Verwendungszweck; – Die Schuld des „Rechtsverletzers“ sowie das Motiv und die Zielstellung seiner Handlung; – Andere Umstände, die in der Person des „Rechtsverletzers“ begründet sind. 175 176 177 178

Ebd., Bl. 191. Jacobs, Nutzung der Zollkontrolle, S. 63 f. ( BStU, MfS, JHS MF VVS 240/75). Vgl. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. Vgl. Bezirksver waltung Potsdam der Zollver waltung der DDR vom 20. 4. 1973 : Vernehmungsprotokoll ( BStU, MfS, HA VI 265, Bl. 94–97).

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Unabhängig davon sollte jede Vernehmung zugleich zum Anlass genommen werden, „solche Informationen zielgerichtet zu gewinnen, die für den politischen und ökonomischen Schutz der DDR von Bedeutung“179 – also für das MfS von Interesse waren. Dabei galt wie auch sonst das Gebot der „Einhaltung der Konspiration“. Direkte Fragestellungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Zollverfahren standen, sollten unterbleiben. Zudem mussten sich die Vernehmer des Zolls so verhalten, „dass die Befragung nicht wie ein Verhör wirkt und die Fragestellung so geschickt erfolgt, dass die Person aus ihrem eigenen Lebensbereich und zu den interessierenden Bereichen möglichst viel berichtet“.180 Nach Abschluss der Vernehmung unterschrieb der Reisende, dass er das Protokoll selbst gelesen und genehmigt hatte.181 Die bei der Feststellung entdeckten Gegenstände bzw. Zahlungsmittel wurden in der Regel einbehalten und kamen in die Asser vatenkammer des GZA. Dafür stellte der Zöllner einen „Beschlagnahme - Einziehungs - Entscheid“ aus, auf dem alle Artikel mit genauer Bezeichnung aufgelistet wurden. Auch dieser musste von dem Reisenden unterschrieben werden.182 Konnte aus rechtlichen Gründen keine Einziehung erfolgen, waren die Kontrolleure angehalten, nicht zur Ein - oder Ausfuhr zugelassene Gegenstände mit Ver weis auf den Paragraphen fünf des Zollgesetzes sicherzustellen ( d. h. mit einem Zollverschluss zu versehen ) oder am GZA bis zur Wiederausreise zu hinterlegen. „Es ist damit die Möglichkeit gegeben, in Abwesenheit des Reisenden eine gedeckte Kontrolle vorzunehmen und politisch - operativ interessante schriftliche Unterlagen zu dokumentieren.“183 Drängte der Betroffene dagegen auf eine Rückführung der Gegenstände, war dieses Vorgehen nicht oder nur begrenzt möglich. In den meisten Fällen wurde anschließend eine Strafverfügung gegen den Reisenden ausgesprochen, nach der Bezahlung der darin aufgeführten Geldstrafe war das Verfahren abgeschlossen. In seltenen Fällen war die Geldstrafe so hoch, dass der Reisende diese nicht an Ort und Stelle bezahlen konnte. Dann wurde oftmals sein Pkw gepfändet, bis er die entsprechende Summe aufbringen konnte. In Einzelfällen stellten die Zöllner auf Grund der Schwere der Tat einen Haftantrag gegen den Reisenden, im Zuge dessen eine vorläufige Festnahme erfolgte.184 Insgesamt kann festgestellt werden, dass Befragungen und Vernehmungen vor allem aufgrund der Äußerungen von Reisenden in erheblichem Maß dazu beitrugen, operative Fakten über Personen und Sachverhalte zu gewinnen, die der Arbeit des MfS zuträglich waren. In einer Abhandlung der Juristischen 179 HA VI des MfS vom März 1982 : Grundsätzliche Aufgaben und Befugnisse der Grenzzollämter und ihre zielgerichtete politisch - operative Nutzung im Rahmen des Zusammenwirkens an den Grenzübergangsstellen ( BStU, MfS, BV Dresden, Abt. VI 2617, Bl. 26). 180 Jacobs, Nutzung der Zollkontrolle, S. 61 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 240/75). 181 Vgl. Bezirksver waltung Magedburg der Zollver waltung der DDR vom 19. 4. 1973 : Vernehmungsprotokoll ( BStU, MfS, HA VI 265, Bl. 80–84). 182 Vgl. ebd., Bl. 85. 183 Jacobs, Nutzung der Zollkontrolle, S. 31 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 240/75). 184 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004.

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Hochschule des MfS wird erklärt, in welchen Situationen die Zöllner „politischoperative“ Feststellungen für die Staatssicherheit erarbeiten konnten : „Rund 60 Prozent der Feststellungen werden auf Grund von Äußerungen der Reisenden bei der Befragung in der Zollkontrolle oder als Nebenbemerkungen bei Vernehmungen getroffen im Zusammenhang mit der Befragung / Vernehmung zu mitgeführten Gegenständen, mit der Verletzung von Rechtsvorschriften bzw. mit der Mitführung von Geschenken durch Touristen. Vor allem bei der Einreise von Touristen ist wiederholt festzustellen, dass derartige Reisen genutzt werden, um unerkannt Kontakte und Verbindungen vornehmlich mit DDR - Bürgern zu realisieren, die unter Berücksichtigung der Sicherheitserfordernisse keine Kontakte zu Personen aus dem NSW unterhalten dürfen. Die Frage nach dem Verwendungszweck der mitgeführten Gegenstände führte häufig zur Nennung der Kontaktperson. Rund 15 Prozent der Feststellungen stammen von Äußerungen der Reisenden im Zusammenhang mit der Feststellung von Adressen, Einladungen, Passbildern und Briefen, die bei der Kontrolle festgestellt wurden. [...] Rund 15 Prozent der Feststellungen gehen auf Äußerungen der Reisenden in der Zollkontrolle zurück, zu denen eigentlich kein Anlass besteht. Hier verbergen sich sowohl Prahlsucht ( Angabe mit wichtigen Verbindungen und Beziehungen in der DDR ) und landläufige Schwatzhaftigkeit [...]. Rund 10 Prozent sind Resultate übriger Beobachtung in der Zollkontrolle.“185

Wurden bei den Kontrollen der Grenzzollämter Hinweise erarbeitet, die auf eine „Straftat“ bzw. auf „politisch - operativ“ relevante Sachverhalte hindeuteten, so geschahen alle Folgehandlungen stets in Zusammenarbeit mit den Passkontrolleinheiten. Auch die oben erwähnten „operativen Befragungen“ fanden überwiegend zu einem Zeitpunkt statt, an dem der jeweilige Sachverhalt bereits mit den PKE der Staatssicherheit abgestimmt bzw. an diese übergeben worden war. Die Übergabe an die PKE erfolgte auf der Grundlage dreier Faktoren : – der generell und vom Gesetz geregelten Zuständigkeit für das MfS ( Staatsverbrechen gemäß Kapitel eins und zwei des Strafgesetzbuchs der DDR; Straftaten gegen die staatliche Ordnung und gegen die allgemeine Sicherheit; andere Straftaten außerhalb der Zuständigkeit der Zollverwaltung ), – des zentral festgelegten Informationsbedarfs, der in Form dienstlicher Befehle und Weisungen des Leiters der Zollverwaltung gegenüber den GZÄ vorgegeben war ( dies betraf zumeist Feststellungen mit inhaltlichem Bezug zu Fragen der staatlichen Ordnung, der allgemeinen Sicherheit sowie des Verdachts auf das mögliche „subversive Wirken des Feindes“), – des örtlich an den einzelnen GÜSt festgelegten Informationsbedarfs im Rahmen des Zusammenwirkens ( Leiterabsprachen zwischen dem Zollamtsleiter und dem Leiter der PKE sowie Vorgaben aus dem örtlichen Filtrierungsprozess ). 185 Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 280 f.).

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Außer an die PKE waren den Ordnungen folgend auch Übergaben an Angehörige der Grenzzollämter möglich, die mit der „Feststellungsbearbeitung“ beauftragt und hierfür bestätigt worden waren ( Zollrechtsoffiziere, bestätigte Kontrolleure gemäß Dienstanweisung 17/74 des Leiters der Zollver waltung ). Auch Angehörige des Zollfahndungsdienstes konnten Sachverhalte weiterbearbeiten, wenn die Straftat in ihren Zuständigkeitsbereich fiel ( Zoll - und Devisenstraftaten, Straftaten gegen das Suchtmittelgesetz, Straftaten gegen das Kulturschutzgesetz ). Übergaben erfolgten so, dass sie gegenüber dem Reisenden weitgehend undurchschaubar blieben. So sollten niemals mehrere Angehörige der „Kontrollorgane“ sich gleichzeitig mit dem Betroffenen auseinandersetzen. Eine Übergabe wurde dem Betroffenen „in geeigneter Weise“ deutlich gemacht, indem zum Beispiel auf einen „Kollegen“ ver wiesen wurde, der die weiteren Klärungen herbeiführen würde.186 Übergaben an die PKE wurden dem Reisenden mit einem Vor wand begründet, z. B. weil unter den gegebenen Bedingungen die Zustimmung zur Ein - bzw. Ausreise nochmals geprüft werden müsse.187 Eine einheitliche und verbindliche Regelung der Informations - und Übergabepraxis der Grenzzollämter gegenüber den PKE gab es nicht.188 Stattdessen gab es einer Vielzahl von Weisungen, die jeweils auf konkrete Einzelfälle bezogen waren.189 Aus der Analyse der 27 Befehle und Dienstanweisungen, die Angaben zur Informations - und Übergabepraxis enthalten, ergibt sich ein genaues Bild, bei welchen Feststellungen der Grenzzollämter welche Maßnahmen erfolgten. Es lassen sich fünf Grundtypen von Maßnahmen unterscheiden :

186 Vgl. ebd., Bl. 218. 187 Vgl. ebd., Bl. 218. 188 Abgesehen von einer vorübergehenden Übergaberegelung in der DA 23/65 des Leiters der Zollver waltung der DDR, die aber zwischenzeitlich wieder aufgehoben wurde. 189 Folgende Dienstanweisungen ( DA ) und Befehle des Leiters der Zollverwaltung der DDR enthielten Passagen über die Informations - und Übergabepraxis zwischen GZÄ und PKE: DA 56/65 ( Behandlung Radar warngeräte ), DA 53/57 ( Behandlung Funksendeanlagen ), 5. Durchführungsanweisung ( DFA ) zum Befehl 7/68 ( aufgegebenes Reisegepäck ), DA 8/70 ( Grundsätze körperliche Durchsuchung ), DA 20/70 ( Behandlung pornographischer Schriften und Abbildungen ), DA 13/71 ( Verfolgung von Zoll - und Devisenverstößen ), Befehl 13/72 ( Maßnahmen Flughafen Schönefeld ), DA 4/73 ( Zollkontrolle und Rechtsanwendung im Reiseverkehr ), 1. Ergänzung zur DA 4/73 ( Kurzreiseverkehr ), DA 16/73 ( Aufgaben der GZÄ bei der Aufdeckung von Personenschleusungen ), DA 7/73 ( Korrespondenten ), DA 1/74 ( Avisierungen ), DA 17/74 ( Bearbeitung Feststellungen ), DA 20/74 ( Suchtmittel ), DA 21/74 ( Einfuhr Schallplatten ), DA 7/75 (Hinweiskartei ), DA 10/75 ( Nicht fest eingebaute Funksendeanlagen ), DA 8/76 (Behandlung Schusswaffen ), DA 7/77 ( Behandlung Fundgut ), DA 1/78 ( Zollabfertigung von dienstlichem Schriftgut im grenzüberschreitenden Verkehr zur Ausfuhr ), DA 3/79 ( Einsatz Diensthunde ), DA 4/79 ( Zollabfertigung der Inhaber von Grenzempfehlungen), DA 7/79 ( Zollabfertigung von Einfuhrsendungen für Großbaustellen ), DA 3/80 (Anwendung des operativen Vormerksystems ), DA 5/80 ( Feststellung und Behandlung von Wassersport - und Fluggeräten ), Befehl 8/81 ( Formen der Sachverhaltsfeststellungen ), Befehl 3/82 ( Flugsicherheitskontrollen ), DA 6/82 ( Einfuhr von Materialien antisozialistischen Inhalts ).

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– Information der PKE über bestimmte Feststellungen in der Zollkontrolle – Information der PKE über bestimmte Feststellung in der Zollkontrolle und Abstimmungen bzw. Übergabe von Sachverhalten – Übergabe des Sachverhalts mit Asservaten an die PKE – Übergabe des Sachverhalts mit Person an die PKE – Übergabe des Sachverhalts mit Person und Asservaten an die PKE Tabelle 2 stellt die Feststellungen der GZÄ und die zu treffenden Maßnahmen in Beziehung. Besonderheiten bei den Kontrollen an den Straßen - GÜSt der Staatsgrenzen Süd und Ost Die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs wies an den Grenzen zu den „sozialistischen Bruderländern“ ČSSR und VR Polen einige Besonderheiten auf. Im Gegensatz zu den GÜSt entlang des „Eisernen Vorhangs“ waren die Grenzübergangsstellen nach Polen und der ČSSR an einer „Friedensgrenze“ gelegen. Wie im gesamten Ostblock wurden auch in Polen und in der ČSSR unter der Führung der UdSSR sozialistische Diktaturen etabliert. Dies legt nahe, dass im Gegensatz zur Grenze Richtung Bundesrepublik hier Absprachen und Vereinbarungen zwischen den Grenzregimen der drei Länder möglich waren. Die Situation an den GÜSt zu Polen und der ČSSR war dennoch zu keiner Zeit unproblematisch. Zum einen entstanden Spannungen durch politische Krisen in der ČSSR 1968 und in Polen zu Beginn der 1980er Jahre. Zum anderen stellte der Schmuggel mit Waren und Zahlungsmitteln, insbesondere im Grenzverkehr mit Polen, ein zunehmendes Problem dar. Allein innerhalb eines Jahres, zwischen Juni 1970 und Juli 1971, registrierte man an der Grenze zu Polen 950 Fälle von Schmuggel.190 Darüber hinaus verlagerte sich die Fluchtbewegung aus der DDR – bedingt durch ein immer wirksamer organisiertes Über wachungssystem an der Grenze zur Bundesrepublik und Westberlin – zunehmend auf das sozialistische Ausland. Im zweiten Halbjahr 1970 gingen bereits 47 Prozent aller vollendeten Fluchtfälle von den Grenzen zur VR Polen und der ČSSR aus.191 „Die Verlagerung der Aktivitäten von Schleuserorganisationen auf diese Länder machten neben einer verstärkten Präventivarbeit den Ausbau der Kooperationsbeziehungen zu den Grenzkontrollorganen und Sicherheitsdiensten der Partnerländer unumgänglich.“192 Zwischen den Regierungen der DDR, der VR Polen und der ČSSR wurden in Folge viele Abkommen und Verträge geschlossen, welche sich auf die Absi-

190 Vgl. Referat des Ministers für Staatssicherheit zu einer Dienstkonferenz im Jahr 1972 (BStU, MfS, ZAIG 7693 b, Bl. 244). 191 Vgl. Referat des Ministers für Staatssicherheit auf dem Zentralen Führungsseminar zu Grundfragen der politisch - operativen Arbeit und ihrer Führung und Leitung vom 1. bis 3. 3.1971 ( BStU, MfS, BdL / Dok. 005670, Band 5, Bl. 42). 192 Tantzscher, Hauptabteilung VI, S. 68.

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Information und Abstimmung mit PKE Sachverhalt mit Asservate an PKE Sachverhalt mit Person an PKE Sachverhalt mit Asser vate und Person an PKE

Maßnahmen Feststellungen

Information an PKE

Tabelle 2 : Übersicht zur Informations - und Übergabepraxis GZÄ–PKE gemäß geltenden Weisungen193

Verdacht auf zolldienstliche Straftaten Operativ bedeutsame Sachverhalte Sonstige Verstöße zolldienstlicher Natur Pornographische Schriften / Abbildungen Gegenstände, Druckerzeugnisse mit „Hetze, Militarismus, Revanchismus“ „Spaltermaterial“ Verdacht auf § 213 / § 105 StGB194 bei der Einreise Verdacht auf § 213 / § 105 StGB bei der Ausreise Verdacht auf § 213 / § 105 StGB bei der Ein- und Ausreise an der Staatsgrenze zur ČSSR und zur VR Polen Sprengmittel, Zündmittel, Briefbomben (Flughafen) Schusswaffen, patronierte Munition Pyrotechnische Erzeugnisse Hieb- und Stichwaffen bei der Einreise Dienstliches Schriftgut Wassersport- und Fluggeräte Radarwarngeräte Funksendeanlagen Funksendeanlagen, die nicht fest im Fahrzeug eingebaut sind und Teile davon Korrespondenten und Gegenstände / Devisen, die sie miführen Probleme bei Avisierungen Schallplatten – bei „Feindtätigkeit“ Fundgut ( z.B. Ausweise, Pässe ) Materialien mit „antisozialistischem Inhalt“ 193 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 229). 194 „Ungesetzlicher Grenzübertritt“ ( § 213 StGB ) bzw. „Staatsfeindlicher Menschenhandel“ ( § 105 StGB ).

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cherung des Reise - und Touristenverkehrs bezogen.195 So wurden beispielsweise in diesen wie auch in weiteren osteuropäischen Ländern Operativgruppen (Verbindungsstäbe ) des MfS stationiert, welche die Erlaubnis hatten, nach „Republikflüchtlingen“ und „Schleuserorganisationen“ im Innern und an den Grenzen der Staaten zu fahnden.196 Eine Konsequenz der zunehmenden Kooperation zwischen den osteuropäischen Staaten wirkte sich unmittelbar auf das Abfertigungsverfahren an den Grenzübergangsstellen aus : die Einführung des „pass - und visafreien Reiseverkehrs“. Zwischen der DDR und der Ungarischen Volksrepublik existierte bereits seit 1968 ein Abkommen über den pass - und visafreien Reiseverkehr. DDR - Bürger benötigten für ihre Reise nach Ungarn lediglich eine Anlage zum Personalausweis, welche die amtliche Bezeichnung des Ministeriums des Innern „PM 105“ trug. Diese war bei jeder Dienststelle der Deutschen Volkspolizei relativ unbürokratisch zu erhalten und galt sechs Monate. Reisen nach Ungarn durften mit einer solchen Anlage bis zu 30 Tage andauern. In einem Zusatzabkommen war für beide Seiten jedoch geregelt, dass die Reisepapiere nicht dazu berechtigten, in ein Drittland weiterzureisen. Am 1. Januar 1972 wurde zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen der „pass - und visafreie Reiseverkehr“ in Kraft gesetzt. Zwei Wochen darauf galt dies auch für den Reiseverkehr zwischen der DDR und der ČSSR. Damit rückten die Regelungen über das vereinfachte Abfertigungsverfahren unmittelbar an die östliche und südliche Staatgrenze der DDR heran und betrafen fortan auch die Straßen - Grenzübergangsstellen nach Polen und der ČSSR. Das Kontroll und Abfertigungsverfahren wurde dahingehend vereinfacht, dass Grenzkontrollen in der Regel von den Sicherungskräften der betreffenden Länder gemein-

195 Unter anderem der „Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Verkehrs und der Pass - , Zoll - und sonstigen Kontrolle beim Überschreiten der Staatsgrenze“ (Gbl. I, Nr. 7/71, S. 150) und die „Gemeinsame Anweisung über die Zusammenarbeit bei ungesetzlichen Grenzübertritten an der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik zur Volksrepublik Polen und zur Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik über den visafreien Reiseverkehr vom 30. 3. 1978“ ( BStU, MfS, BdL / Dok. 006235, Bl. 1–6). 196 Nahezu alle „Linien“ des MfS hatten Aufgaben zur „Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs“ in andere sozialistische Staaten zu erfüllen. Von zentraler Bedeutung waren dabei die Abteilung X, die ZKG und die Linien II, VI, VII und IX. Eine ausführliche Darstellung der seitens des MfS getroffenen Maßnahmen findet sich in einer Forschungsarbeit der Juristischen Hochschule des MfS mit dem Thema „Aktuelle und perspektivische Erfordernisse sowie politisch - operative Arbeitsprozesse zur Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs aus der DDR nach anderen sozialistischen Staaten“. Im Rahmen dieser Arbeit werden ausschließlich die Kontrollen der PKE und des Zolls sowie angrenzende Bereiche behandelt. Vgl. Juristische Hochschule des MfS vom September 1982 : Forschunsergebnisse zum Thema „Aktuelle und perspektivische Erfordernisse sowie politisch - operative Arbeitsprozesse zur Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs aus der DDR nach anderen sozialistischen Staaten“ ( BStU, MfS, JHS 21925–1).

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sam durchgeführt wurden ( PKE DDR – PKE VR Polen bzw. ČSSR und GZÄ DDR – GZÄ VR Polen bzw. ČSSR ).197 Wie an allen Grenzübergangsstellen wurde auch in Richtung Polen und der Tschechoslowakei das System der „Fahndung und Filtrierung“ wirksam. Allerdings richtete es sich dort zumeist gegen DDR - Bürger, zu denen im Vorfeld Hinweise erarbeitet wurden, die auf „strafbare Handlungen“ hindeuteten.198 Über die Abteilung X des MfS ( Internationale Verbindungen ) konnten alle Linien des MfS Kontroll - und Überprüfungsersuche stellen, die anschließend sowohl an den Grenzübergangsstellen durch Pass - und Zollkräfte als auch in den Nachbarländern durch die Operativgruppen des MfS und Einheiten der „Bruderorgane“ ausgeführt wurden.199 Den Abteilungen VI der Grenzbezirke Richtung Polen und ČSSR kam die Aufgabe zu, Ausreisen von verdächtigen DDR - Bürgern präventiv zu verhindern: „In Zusammenarbeit mit den anderen Diensteinheiten der Bezirksverwaltungen und den Kreis - und Objektdienststellen ist die Zielstellung durchzusetzen, dass Personen, die im Verdacht stehen, dass sie ihren Auslandsaufenthalt für Straftaten missbrauchen bzw. sich als Bürger der Deutschen Demokratischen Republik nicht würdig erweisen, mittels geeigneter und differenzierter Maßnahmen vom Reiseverkehr in andere sozialistische Staaten ausgeschlossen und die politisch - operativen Sachverhalte in der Deutschen Demokratischen Republik geklärt werden. [...] Der Einsatz der operativen Kräfte ist auf die Schwerpunktdelikte des staatsfeindlichen Menschenhandels und der ungesetzlichen Grenzübertritte über andere sozialistische Staaten und die damit im Zusammenhang stehenden weiteren Straftaten zu konzentrieren.“200

Die Lösung dieser Aufgabe erfolgte unter den erschwerten Bedingungen, dass die Kontrolle und Abfertigung des Verkehrs über wiegend mit den „befreundeten Kontrollorganen“ gemeinsam erfolgte und sich die Grenzübergangsstellen teilweise auf dem Territorium der ČSSR und der VR Polen befanden, an denen die „noch vorhandenen unterschiedlichen baulichen und technischen Voraussetzungen“201 die Fahndung kompliziert machten. Der pass - und visafreie Reiseverkehr mit der ČSSR unterlag zudem keiner Erfassung, wodurch keine Überprüfungsmaßnahmen zur Reisetätigkeit „operativ interessierender Personen“ möglich waren. Grundsätzlich galt, dass durchzuführende „politisch - operative Maßnahmen [...] in keiner Weise den sich kontinuierlich entwickelnden Prozess der weiteren Festigung der brüderlichen Beziehungen und den Reise - und Touristenverkehr zwischen den sozialistischen Staaten stören“.202 197 Vgl. Barth, Zusammenwirken zwischen Passkontrolle und Zoll. Fachabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1982, S. 21 f. ( BStU, MfS, JHS VVS 666/83). 198 Vgl. Juristische Hochschule des MfS vom September 1982 : Forschunsergebnisse zum Thema „Aktuelle und perspektivische Erfordernisse sowie politisch - operative Arbeitsprozesse zur Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs aus der DDR nach anderen sozialistischen Staaten“ ( BStU, MfS, JHS 21925–1, Bl. 244 f.). 199 Vgl. ebd., Bl. 253. 200 Ebd., Bl. 297. 201 Ebd., Bl. 321. 202 Ebd., Bl. 315.

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Das Sicherheitsinteresse der drei benachbarten Staaten DDR, VR Polen und ČSSR stimmte in seinen Grundsätzen überein. Auf dieser Basis vereinbarten die Grenzsicherungskräfte bei der Durchsetzung des „pass - und visafreien Reiseverkehrs“ detaillierte Prinzipien der gemeinsamen Kontrolle und unterzeichneten daraus ableitend Einzelprotokolle für die jeweiligen GÜSt. Darin verpflichteten sie sich zum beiderseitigen Informationsaustausch zu festgelegten Schwerpunkten und zu Personen und Sachverhalten, die für den Geheimdienst des Partnerlandes von Bedeutung sein konnten. Dennoch sollte dieses Prinzip der gegenseitigen Unterstützung nicht dazu führen, „dass die Fragen der Konspiration und Geheimhaltung verletzt werden“.203 Genau dies aber konnte oftmals geschehen, da „unter den gegebenen Bedingungen der gemeinsamen Kontrolle nicht in jedem Fall politisch - operative Maßnahmen zur weiteren Verdichtung der Erstfeststellung möglich [ waren ], ohne dass dabei das Interesse der Passkontrolleinheiten an einer Person bzw. einem Sachverhalt gegenüber dem Reisenden, dem Kontrollorgan der ČSSR bzw. der Volksrepublik Polen und anderen an den Grenzübergangsstellen tätigen Organen und Einrichtungen sichtbar wird“.204 Eine wirksame Fahndung war an den GÜSt Richtung VR Polen und der Tschechoslowakei aufgrund der genannten erschwerten Bedingungen stark eingeschränkt.205 Lediglich an einigen Straßen - Grenzübergangsstellen206 wurden die technischen Voraussetzungen geschaffen, dass auch unter diesen Bedingungen weitgehende gedeckte Fahndungsmaßnahmen durchgeführt werden konnten. Deshalb legte der Minister für Staatssicherheit in seiner Dienstanweisung 6/75 für alle Diensteinheiten fest : „An der Staatsgrenze zur Volksrepublik Polen und zur CSSR sind Fahndungen zur Durchführung politisch - operativer Kontroll - und Über wachungsmaßnahmen nur in geringem Umfang möglich. Sie sind territorial und zeitlich eng zu begrenzen und nur dann einzuleiten, wenn konkrete Hinweise vorliegen, dass die in Fahndung zu stellenden Personen bzw. Kfz an den entsprechenden Grenzübergangsstellen in Erscheinung treten.“207 Realisiert wurden die Fahndungen wie an den anderen Grenzübergangsstellen auch zumeist durch ein gemeinsames Vorgehen der Pass - und Zollkräfte. Auch was die „Filtrierung“ des Verkehrs angeht, gibt es keine prägnanten Unterschiede in der Verfahrensweise. Auch an den GÜSt zu den sozialistischen Staa203 Ebd., Bl. 319. 204 Ebd., Bl. 321. 205 Richtung Polen galt dies nur bis zur „zeitweiligen Veränderung der Modalitäten“, also der faktischen Aufhebung des pass - und visafreien Reiseverkehrs ab Anfang der 1980er Jahre. 206 In der Quelle werden diese namentlich nicht aufgeführt. Vgl. Juristische Hochschule des MfS vom September 1982 : Forschungsergebnisse zum Thema „Aktuelle und perspektivische Erfordernisse sowie politisch - operative Arbeitsprozesse zur Sicherung des Reiseund Touristenverkehrs aus der DDR nach anderen sozialistischen Staaten“ ( BStU, MfS, JHS 21925–2, Bl. 82). 207 Dienstanweisung 6/75 des Ministers für Staatssicherheit vom 6. 8. 1975. Zit. nach Findeisen, Antrags - und Genehmigungsverfahren. Fachabschlussarbeit an der JHS des MfS 1976, S. 34 ( BStU, MfS, JHS VVS 737/75).

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ten nutzten die PKE die umfassenden Kontrollbefugnisse der Grenzzollämter, um im Rahmen üblicher Zollkontrollen operativ bedeutsame Informationen zu erarbeiten. Zudem wurde auch hier mit „bestätigten Kontrolleuren“ gearbeitet.208 Anfang der 1980er Jahre ergaben sich „aufgrund des mit der Veränderung der Modalitäten verbundenen geringen Verkehrsaufkommens im grenzüberschreitenden Reiseverkehrs mit der Volksrepublik Polen [...] objektiv größere Möglichkeiten für die Durchführung intensiver Zollkontrollen, in deren Ergebnis unter anderem operativ bedeutsame Informationen zur Lage in der Volksrepublik Polen, zu feindlichen Aktivitäten im Ausland lebender polnischer Staatsbürger, zu operativ bedeutsamen Verbindungen von DDR - Bürgern in die Volksrepublik Polen, zur Durchfuhr antisozialistischer Literatur usw. erarbeitet werden können“.209 Die Fahndungs - und Filtrierungsmaßnahmen an den Staatsgrenzen Süd und Ost sind immer im Zusammenhang zu denen in Richtung Bundesrepublik und Westberlin zu sehen. So wurden an den GÜSt zur VR Polen und zur ČSSR beispielsweise Bundesbürger genauestens registriert, die „eine häufige oder zeitlich operativ zu beachtende Reisetätigkeit nach sozialistischen Staaten“210 zu verzeichnen hatten. Auch wurden Personen genau untersucht, wenn sie für die DDR keine Einreiseerlaubnis hatten und sich zu Transitreise nach Polen bzw. der ČSSR abfertigen ließen.211 Solche und viele weitere Merkmale konnten darauf hindeuten, dass diese Bundesbürger sich mit Bürgern der DDR in anderen sozialistischen Staaten treffen könnten, was es möglichst zu unterbinden galt. Ab Ende der 1970er Jahre geriet die DDR - Führung immer öfter in Konflikt mit ihren osteuropäischen Nachbarn, was die Ein - und Ausfuhr von Lebensmitteln und Konsumgütern im Rahmen des Grenzverkehrs betraf. Die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs hatte sich in vielen RGW Staaten212 zu einem partiellen Problem entwickelt. So sorgten beispielsweise die Pläne der polnischen Staatsführung im Jahr 1980 für Aufsehen, nach denen Fleisch - und Wurstwaren sowie Zucker in der VR Polen rationiert werden sollten.213 Unter Führung des Staatssekretärs und 1. Stellvertreters des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten, Herbert Krolikowski, berieten Vertreter des MfS, des MdI, des MfAA sowie der ZV über die Reaktion der DDR - Seite. 208 Vgl. Juristische Hochschule des MfS vom September 1982 : Forschungsergebnisse zum Thema „Aktuelle und perspektivische Erfordernisse sowie politisch - operative Arbeitsprozesse zur Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs aus der DDR nach anderen sozialistischen Staaten“ ( BStU, MfS, JHS 21925–1, Bl. 346–348). 209 Ebd. 210 Ebd., Bl. 367. 211 Vgl. ebd., Bl. 367. 212 Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe ( RGW ) war der wirtschaftliche Zusammenschluss der sozialistischen Staaten Osteuropas. Im September 1950 trat auch die DDR diesem Bündnis bei. 213 Vgl. MfS - Personalakte Kurt Niehoff. Vermerk vom 16. 10. 1980 ( BStU, MfS, KS A 161/89, Bl. 153).

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Befürchtet wurde insbesondere, dass polnische Bürger trotz bestehenden Exportverbots entsprechende Waren im Rahmen des pass - und visafreien Reiseverkehrs aus der DDR nach Polen ausführten. Die Kontrolldichte der Zollver waltung lag aufgrund der erleichterten Reisebedingungen bei gerade einmal zwei bis drei Prozent.214 Die Führungsspitze des Zolls war der Auffassung, dass ein wirksamer Schutz nur dann eintrete, wenn der Reiseverkehr mit Polen um ca. 50 Prozent zurückgehen würde. Dies könne nur geschehen im Zusammenhang mit einer Änderung des Abkommens über den pass - und visafreien Reiseverkehr. Sollten entsprechende Verhandlungen mit der VR Polen zu keinem Ergebnis kommen, müsste eine Kündigung des Abkommens in Erwägung gezogen werden.215 Mit Wirkung vom 30. Oktober 1980 kam es zu „zeitweiligen Änderungen der Modalitäten im pass - und visafreien Reiseverkehr zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen“.216 Die DDR hatte aufgrund der schlechten Versorgungslage in Polen mit zunehmenden Warenabkäufen durch polnische Bürger zu kämpfen. Zudem wurde befürchtet, dass Personen aus Polen auch in der DDR konterrevolutionäre Aktivitäten befördern könnten. Künftig durften DDRBürger nur noch auf Einladung durch einen Bürger der Volksrepublik Polen eine Privatreise in das Nachbarland unternehmen. An den Meldestellen der Volkspolizei wurde über die Gültigkeit der Einladungen entschieden. Diese Regelung galt analog für Reisen polnischer Bürger in die DDR. Auch in Polen entschieden staatliche Stellen über die Gültigkeit einer Einladung. Neben Privatreisen wurden auch Dienstreisen von und nach Polen streng reglementiert.217 Zur Eindämmung der „Polenkrise“ stützte sich die HA VI des MfS auch auf die Arbeit der Zollver waltung.218 In der sogenannten „Dokumentation A“ erfasste der DDR - Zoll unter anderem auch polnische Bürger, die wegen krimineller Delikte bearbeitet wurden. Zoll und MfS stimmten sich von Fall zu Fall ab, wer neu in diesen Speicher aufgenommen werden sollte.219 Die Zollver waltung gehörte laut Einschätzung des MfS mit zu den „wichtigsten Kontaktpartnern“ bei der politisch - operativen Arbeit.220 In einem Schreiben vom 9. Oktober 1980 des Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke, an die Leiter der Diensteinheiten des MfS hieß es : „Der Leiter der Hauptabteilung VI hat in enger Zusammenarbeit mit den Leitern der anderen zuständigen Diensteinheiten sowie im operativen Zusammenwirken mit den 214 Vgl. ebd., Bl. 154. 215 Vgl. ebd., Bl. 156. 216 Tantzscher, Polen, S. 2703. 217 Vgl. ebd., S. 2704 f. 218 Vgl. Schreiben des Leiters der HA VI des MfS, Fiedler vom 11. 9. 1980 : Plan der Aufgaben und Maßnahmen der Hauptabteilung VI und der Zollverwaltung der DDR im grenzüberschreitenden Verkehr zur Unterstützung des polnischen Bruderorgans bei der Lösung spezieller politisch - operativer Aufgaben ( BStU, MfS, HA VI 1462, Bl. 18–26). 219 Vgl. Schreiben des Ministers für Staatssicherheit an die Leiter der Diensteinheiten vom 26. 2. 1981. Zit. nach Tantzscher, Polen, S. 2739–2740. 220 Vgl. ebd., S. 2642.

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anderen an den Grenzübergangsstellen tätigen Organen die erforderlichen Maßnahmen – sowohl konspirative als auch solche mit demonstrativer Wirkung – einzuleiten, um politisch - operativ interessante Personen festzustellen, das Verbindungssystem des Gegners zu erkennen, darauf ausgerichtete operative Fahndungsmaßnahmen durchzusetzen und weitere feindlich - negative Aktivitäten zu verhindern. Die Ein - und Ausschleusung von Hetzmaterialien, finanziellen Mitteln und polygraphischen und anderen Ausrüstungen zur Unterstützung der konterrevolutionären Kräfte ist zu unterbinden. [...] Die Möglichkeiten der Abteilungen M / PZF, III und 26 [...] sind ebenfalls zielstrebig zu nutzen. Wesentlich entschiedener ist auch gegen die in der DDR einreisenden polnischen Kriminellen und Schmuggler, Schieber, Spekulanten und arbeitsscheuen Elemente vorzugehen. Im engen Zusammenwirken mit der Deutschen Volkspolizei und den Organen der Zollverwaltung der DDR sind kriminelle Handlungen sowie Straftaten gegen zoll - und devisenrechtliche Bestimmungen unnachsichtig zu unterbinden.“221

Mit der Verhängung des Kriegsrechts im Dezember 1981 in Polen wurde der pass - und visafreie Reiseverkehr mit Polen schließlich aufgehoben. Sonderfall Terrorbekämpfung Grenzübergangsstellen waren militärisch wie politisch hochsensible Bereiche. Gewaltsame Auseinandersetzungen waren dort zwar nicht alltäglich, aber kamen doch immer wieder vor. Wenn in den westlichen Massenmedien von „Zwischenfällen“ an den GÜSt der DDR berichtet wurde, hatte dies nicht selten unmittelbare Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen der DDR und der Bundesrepublik. In den 1970er Jahren war weltweit eine Zunahme terroristischer Angriffe zu verzeichnen. In Westdeutschland setzte eine Welle der Gewalt ein, die von der „Roten Armee Fraktion“ ( RAF ) ausging und im „Deutschen Herbst“ 1977 gipfelte. Um ähnliche Gefahrensituationen möglichst zu vermeiden und im Ernstfall vorbereitet zu sein, entwickelte in der DDR die Arbeitsgruppe Sicherheit und Terrorabwehr der Hauptabteilung VI des MfS ein „System zur Verhinderung von Terror - und Gewaltakten“.222 Jedes politische System definiert Terrorismus auf unterschiedliche Weise. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass darunter Gewaltaktionen (z. B. Entführungen, Attentate, Sprengstoffanschläge ) gegen eine politische Ordnung zu verstehen sind, um einen politischen Wandel herbeizuführen. Für die Staats - und Parteiführung der SED galten auch Fluchtversuche über die GÜSt, insbesondere wenn sie gewaltsam erfolgten, als eine Form des Terrorismus. Der hohe Stellenwert der „Terrorbekämpfung“ ergab sich „sowohl aus der Verschärfung des Terrorismus im internationalen Maßstab als auch aus der Tatsache, dass sich eine nicht geringe Anzahl von DDR - Bürgern, als Folgeerschei221 Schreiben des Ministers für Staatssicherheit an die Leiter der Diensteinheiten vom 9. 10. 1980. Zit. nach Tantzscher, Polen, S. 2700 f. 222 Juristische Hochschule des MfS vom September 1983 : Studienmaterial „Zu den Aufgaben und der Arbeitsweise der Passkontrolleinheiten der Linie VI an den Grenzübergangsstellen der DDR und ihr Zusammenwirken mit den Grenzzollämtern sowie anderen Organen und Einrichtungen bei der Kontrolle, Abfertigung und Sicherung des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs“ ( BStU, MfS, JHS 126/83, Bl. 28).

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nung der politisch - ideologischen Beeinflussung durch den Gegner, mit der Absicht trägt, durch das Stellen rechtswidriger Ersuchen ihre Übersiedlung in das NSA [ nichtsozialistische Ausland ] zu erreichen bzw. die DDR auf ungesetzlichem Wege zu verlassen. Dabei ist nicht auszuschließen, dass derartige Personen zur Realisierung ihrer Zielstellung versuchen, die Grenzübergangsstellen der DDR unter Anwendung terroristischer Mittel und Methoden zu durchbrechen, zumal die Maßnahmen zur Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels und zur Verhinderung ungesetzlicher Grenzübertritte ständig vervollkommnet werden.“223

Zu gewaltsamen Grenzdurchbrüchen kam es hauptsächlich an den Grenzübergangsstellen Richtung Bundesrepublik bzw. Westberlin. Doch nicht nur dort, sondern auch an den Staatsgrenzen Süd und Ost wurden an jeder GÜSt „Ordnungen zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung und Varianten der Handlungen zur Abwehr von Terrorakten und schweren Provokationen“224 erarbeitet. Um Gewaltszenarien an den GÜSt besser verhindern zu können, erließ der Minister für Staatssicherheit am 16. März 1981 zudem die Dienstanweisung 1/81.225 In deren Folge bildeten die Passkontrolleinheiten zusammen mit Angehörigen der Grenztruppen, der Volkspolizei und der Zollver waltung Spezialisten zur „Terrorabwehr“ aus. Sie waren gefragt, wenn es darum ging, als Terroristen ausgemachte Personen aufzuhalten und zu über wältigen, notfalls auch unter Anwendung der Schusswaffe. „Die Lösung dieser Aufgabenstellung erfordert von jedem Angehörigen der Passkontrolleinheit politisch- ideologische Klarheit, hohe tschekistische Verantwortung und Einsatzbereitschaft sowie ständige revolutionäre Wachsamkeit. Sie lösen diese Aufgabe im engen, kameradschaftlichen und differenzierten Zusammenwirken mit den Angehörigen der Grenztruppen der DDR, den Angehörigen der Zollverwaltung und den Angehörigen des MdI. Die wirksame Vorbeugung und Verhinderung derartiger Angriffe erfordert auch eine enge Zusammenarbeit der Abteilungen VI und Passkontrolleinheiten mit den territorial zuständigen Diensteinheiten sowie anderen Linien und Diensteinheiten des MfS.“226 223 HA VI, Auswertungs - und Kontrollgruppe vom 6. 7. 1982 : Einschätzung über die „Wirksamkeit der Schulungs - , Trainings - und Ausbildungsmaßnahmen zur Befähigung der Mitarbeiter der Passkontrolleinheiten und Angehörigen der Grenzzollämter zur vorbeugenden Verhinderung und Abwehr terroristischer Angriffe und anderer gewaltsamer Handlungen“ ( BStU, MfS, HA VI 130, Bl. 130). 224 Juristische Hochschule des MfS von September 1982 : Forschungsergebnisse zum Thema „Aktuelle und perspektivische Erfordernisse sowie politisch - operative Arbeitsprozesse zur Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs aus der DDR nach anderen sozialistischen Staaten“ ( BStU, MfS, JHS 21925–1, Bl. 360). 225 Vgl. HA VI, Auswertungs - und Kontrollgruppe vom 6. 7. 1982 : Einschätzung über die „Wirksamkeit der Schulungs - , Trainings - und Ausbildungsmaßnahmen zur Befähigung der Mitarbeiter der Passkontrolleinheiten und Angehörigen der Grenzzollämter zur vorbeugenden Verhinderung und Abwehr terroristischer Angriffe und anderer gewaltsamer Handlungen“ ( BStU, MfS, HA VI 130, Bl. 119). 226 Juristische Hochschule des MfS von September 1983 : Studienmaterial „Zu den Aufgaben und der Arbeitsweise der Passkontrolleinheiten der Linie VI an den Grenzübergangsstellen der DDR und ihr Zusammenwirken mit den Grenzzollämtern sowie anderen Organen und Einrichtungen bei der Kontrolle, Abfertigung und Sicherung des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs“ ( BStU, MfS, JHS 126/83, Bl. 29).

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Das praktische Vorgehen gegen sogenannte Terrorakte wurde zwischen den einzelnen Einrichtungen von GÜSt zu GÜSt unterschiedlich vereinbart. Faktoren wie das Gelände oder die bauliche Beschaffenheit der Grenzübergangsstelle beeinflussten die Maßnahmepläne ebenso wie die Anzahl der zur Verfügung stehenden Kräfte, deren Ausrüstung und Spezialkenntnisse.227 Ein besonders enges Verhältnis bestand zwischen den Spezialisten der Passkontroll - und Zollkräfte. Diese waren mit der „Absicherung“ des eigentlichen Kontrollterritoriums der GÜSt beauftragt und gerieten meist zuerst in eine Konfrontation, während die Grenztruppen „terroristische Angriffe“ auf die unmittelbare Staatsgrenze verhindern sollten, die sich an der GÜSt außerhalb des eigentlichen Kontrollterritoriums befand.228 Der Leiter der Zollver waltung hatte eigens zur „Gewährleistung einer hohen Sicherheit bei terroristischen Angriffen“229 am 31. Oktober 1980 den Befehl 7/80 erlassen. Darin wurden die Zolldienststellen angewiesen, speziell zur „Terrorabwehr“ Schulungs - und Ausbildungsmaßnahmen durchzuführen. Diese Maßnahmen erfolgten in enger Abstimmung mit den Leitern der Passkontrolleinheiten.230 Bei der Mehrzahl der GÜSt fanden diesbezügliche Absprachen wöchentlich, in jedem Fall aber monatlich statt.231 Praktische Übungen erfolgten in der Regel nur gemeinsam mit den PKE. Die Mitarbeiter sollten so ausgebildet und befähigt werden, dass sie „bewaffnete und mit spezieller Technik – einschließlich Kfz – geführte terroristische Angriffe gegen die Grenzübergangsstellen und gegen die Kräfte des Zusammenwirkens sowie andere gewaltsame Angriffe, die Androhung von Gewalt und Anschlägen gegen die eingesetzten Kontroll - und Sicherungskräfte sowie damit im Zusammenhang stehende Versuche der Erzwingung des ungesetzlichen Grenzübertritts durch Geiselnahme und Entführungen, gewaltsame Aktionen und Anschläge wie Brandlegungen, Sprengungen u.a. Angriffe gegen Einrichtungen und Anlagen der Dienst - und Abfertigungsbereiche, schwere Provokationen, die auf die Behinderung oder Unterbindung des Kontrollprozesses gerichtet sind sowie Zusammenrottungen und Gruppenbildungen, die die Ordnung und Sicherheit in den Dienst - und Abfertigungsbereichen gefährden sowie andere gegen die Sicherheit und Ordnung gerichtete Handlungen“232 227 Vgl. BVfS Potsdam vom 3. 8. 1978 : Einsatzdokument zum Einsatz zentraler Kräfte bei der Abwehr terroristischer Handlungen und Gewaltakte ( BStU, MfS, HA VI 151, Bl. 5). 228 Vgl. Zollver waltung der DDR, Abteilung Ausbildung, o. D. : Bericht über den Stand der Durchsetzung des Befehls 7/80 des Leiters der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 130, Bl. 54). 229 Befehl 7/80 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 31. 10. 1980 ( BStU, MfS, Abt. M 540, Bl. 20–26). 230 Vgl. BVfS Potsdam, Abt. VI, vom 26. 5. 1987 : Einschätzung der erreichten Ergebnisse bei der Durchsetzung des Befehls 7/80 des Leiters der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 161, Bl. 25). 231 Vgl. HA VI, Auswertungs - und Kontrollgruppe vom 6. 7. 1982 : Einschätzung über die „Wirksamkeit der Schulungs - , Trainings - und Ausbildungsmaßnahmen zur Befähigung der Mitarbeiter der Passkontrolleinheiten und Angehörigen der Grenzzollämter zur vorbeugenden Verhinderung und Abwehr terroristischer Angriffe und anderer gewaltsamer Handlungen“ ( BStU, MfS, HA VI 130, Bl. 127). 232 Ebd.

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vorbeugend verhindern und wirksam bekämpfen konnten. In Folge des Befehls 7/80 wurde in Abstimmung mit den Leitern der PKE an den einzelnen Grenzübergangsstellen regelmäßig das Verhalten aller Zoll - und PKE - Kräfte getestet. Dies geschah, indem beispielsweise sprengstoffverdächtige Gegenstände im Postenbereich des Zolls platziert, testweise anonyme Drohanrufe getätigt oder (meist in verkehrsschwachen Zeiten ) allgemein Alarm ausgelöst wurde. Ergänzt wurden solche Tests beispielsweise durch „Komplexübungen zum Verhalten bei gewaltsamen Grenzdurchbrüchen, Geiselnahmen und Personenschleusungen“.233 Parallel zu diesen Trainingsvarianten wurde mit der Ausbildung von Spezialisten aus dem Kaderbestand des Zolls begonnen. Die Bildung dieser vom MfS bestätigten Spezialistengruppen innerhalb der GZÄ richtete sich sowohl nach den konkreten Bedingungen an den einzelnen Grenzübergangsstellen als auch nach den Anforderungen der einzelnen Passkontrolleinheiten.234 Im Allgemeinen sollten in der militärischen Ausbildung „das absolut sichere Beherrschen der Waffen sowie das schnelle und treffsichere Schießen“ sowie bei der spezialtaktischen Ausbildung „die wirksame Anwendung der Elemente der Zweikampfausbildung und der Atemitechniken235 am Objekt“236 erlernt und trainiert werden.237 Des Weiteren waren „die Tatortdokumentation, Über wältigung und Festnahme von Terroristen, Arbeit mit dem Diensthund bei der Suche, Festnahme und Absicherung von Personen und das Sichern und Bergen sprengkörper verdächtiger Gegenstände“238 Lehrinhalte der Übungen. An einigen Grenzübergangsstellen erfolgte die Qualifikation der Spezialisten der Grenzzollämter nicht nur in eigener Zuständigkeit, sondern die Zollspezialisten waren zudem direkt in die Ausbildung der Spezialistengruppen der PKE mit einbezogen.239 So kam man im MfS zu der Schlussfolgerung, „dass eine Reihe von Angehörigen der 233 Zollver waltung der DDR, Abteilung Ausbildung, o. D. : Bericht über den Stand der Durchsetzung des Befehls 7/80 des Leiters der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 130, Bl. 3). 234 Vgl. Juristische Hochschule des MfS von 1982 : Die Arbeit der Spezialistengruppen zur Intensivierung der Sicherungs - und Abwehrmaßnahmen ( BStU, MfS, HA VI 15823, Bl. 102). 235 Unter Atemi versteht man eine fernöstliche Kampftechnik, die auf die menschlichen Nervenpunkte abzielt. Gezielte Schläge auf bestimmte Ner venpunkte können von harmlosen Schmerzen bis zu Bewusstlosigkeit, Lähmung und Tod führen. 236 Befehl 7/80 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 31. 10. 1980 ( BStU, MfS, Abt. M 540, Bl. 23). 237 So heißt es diesbezüglich unter anderem : „Es geht bei diesen Schützen um den ersten, den möglicher weise alles entscheidenden Schuss. Sie haben dort zu treffen, wo es aus sicherheitsmäßiger bzw. politisch - operativer Sicht zwingend erforderlich ist.“ Die Zweikampftechnik - Ausbildung sollte so erfolgen, „dass mit dem ersten Schlag, Stoß, Hieb oder Tritt der Terrorist oder Gewalttäter kampf - und reaktionsunfähig gemacht wird“. Vgl. Juristische Hochschule des MfS von 1982 : Zur Qualifizierung der Spezialisten (BStU, MfS, HA VI 15823, Bl. 116 f.). 238 Zollver waltung der DDR, Abteilung Ausbildung, o. D. : Bericht über den Stand der Durchsetzung des Befehls 7/80 des Leiters der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 130, Bl. 4). 239 Vgl. ebd., Bl. 128.

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Grenzzollämter, die über her vorragende und operativ - bedeutsame Kämpfer und Charaktereigenschaften verfügten, geeignet sind, im Rahmen der PKE - spezifischen Varianten eingesetzt zu werden“.240 Ziel war es, eine einheitliche Ausbildung in allen GZÄ durchzusetzen und generell einen „Niveaugleichstand mit Angehörigen der PKE in den besonderen Konfrontationsbereichen“241 zu erlangen. Dabei sollte zudem gewährleistet werden, dass sich in jeder Dienstschicht der GZA - Mitarbeiter Spezialisten zur Terrorabwehr befanden. Zumindest zu Beginn der 1980er Jahre zeigte sich allerdings, dass die Zöllner in ihren Fähigkeiten noch weit hinter den PKE - Mitarbeitern standen.242 Gründe hierfür waren eine relativ hohe Fluktuation unter den Zollangehörigen und die oft wechselnde bzw. nicht volle Besetzung der Dienstschichten an Grenzzollämtern, die eine effektive Teilnahme an den Ausbildungseinheiten verhinderten.243 Auch geht aus den Quellen her vor, dass bei einigen Grenzzollämtern „nur dann Aktivitäten ausgehen, wenn dies von den Passkontrolleinheiten ausdrücklich gefordert wird“.244 Dennoch waren die Grenzübergangsstellen nahezu unüber windbare Bollwerke und mit zahlreichen Mitteln ausgestattet, um „feindlichen Angriffen“ wie gewaltsamen Grenzdurchbrüchen begegnen zu können. Dazu gehörten Alarmanlagen der PKE, mit denen zum einen für alle wahrnehmbar ein Sirenensignal ausgelöst, zum anderen ausschließlich die Sicherungskräfte informiert werden konnten. Des Weiteren konnte auch an zivilen Einrichtungen der GÜSt ( beispielsweise an Schaltern des Reisebüros, der Staatsbank, des Deutschen Roten Kreuzes ) die PKE verständigt werden. Alle bewaffneten Kräfte verfügten zur internen Kommunikation über direkte Telefonverbindungen, Wechselsprechanlagen und Funkgeräte, um sich im Gefahrenfall abzusprechen. Zudem waren an großen GÜSt Fernbeobachtungsanlagen ( FBA ) installiert. Die PKE hatte somit alle wichtigen Abfertigungsbereiche wie auch das Vorfeld der Grenzübergangsstelle stets im Blick. Ein Durchbrechen von Fahrzeugen wurde mittels Schlagbäumen, Seilsperren und Passagentoren erschwert. Die Grenzübergangsstellen waren baulich so konstruiert, dass sie im Falle eines Schusswechsels in zahlreichen Bereichen des Kontrollterritoriums Hinterhalte und Deckungsmöglichkeiten für die bewaffneten Kräfte boten. Spezialisten der Grenzzollämter standen Pistolen, Maschinen240 Vgl. Juristische Hochschule des MfS von 1982 : Angehörige der Grenzzollämter ( BStU, MfS, HA VI 15823, Bl. 92). 241 HA VI des MfS, 1982 : Konzeption / Plan zur Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 130, Bl. 59). 242 Vgl. HA VI des MfS, Auswertungs - und Kontrollgruppe, vom 6. 7. 1982 : Einschätzung über die „Wirksamkeit der Schulungs - , Trainings - und Ausbildungsmaßnahmen zur Befähigung der Mitarbeiter der Passkontrolleinheiten und Angehörigen der Grenzzollämter zur vorbeugenden Verhinderung und Abwehr terroristischer Angriffe und anderer gewaltsamer Handlungen“ ( BStU, MfS, HA VI 130, Bl. 123). 243 Vgl. ebd. 244 Ebd., Bl. 129.

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gewehre sowie Gassprays245 zur Verfügung. Die Spezialisten der PKE besaßen zur Über wältigung betreffender Personen darüber hinaus Maschinenpistolen, Scharfschützengewehre und vieles mehr.246 Durchbrach ein Fahrzeug sämtliche Bereiche des Kontrollterritoriums, konnte durch die Grenztruppen und die PKE per Knopfdruck eine Straßenkontrollsperre ausgefahren werden, die sich zwischen dem Kontrollterritorium und der Staatsgrenze befand. Spätestens hier endete jeder Durchbruch – zumeist mit tödlichen Folgen. Das „System zur Verhinderung von Terror - und Gewaltakten“ wurde wie auch das „System der Fahndung und Filtrierung“ nicht nur an Straßen - Grenzübergangsstellen, sondern in seinen Grundsätzen analog an weiteren GÜSt eingeführt. Auf die Besonderheiten wird im Folgenden eingegangen.

2.3

Das Kontrollverfahren an den Eisenbahn - Grenzübergangsstellen

Hinsichtlich der gesamten Feststellungen, die im Wechselreiseverkehr an Straßen - und Eisenbahn - Grenzübergangsstellen gemacht wurden, betrug der Anteil an Feststellungen an Eisenbahn - GÜSt Anfang der 1980er Jahre über 30 Prozent.247 Aufgrund verschiedener Besonderheiten eigneten sich Eisenbahnen sowohl für Fluchtversuche als auch für den Schmuggel von Waren, Literatur und Devisen. Sie boten konstruktionsbedingt viele Versteckmöglichkeiten. Hinter zahlreichen Blenden und Fassaden gab es größere Hohlräume, in denen auch Menschen Platz fanden. So liest man in einem Ermittlungsbericht der Staatssicherheit : „Eine Schleusergruppe versteckte Personen, die sie zur Republikflucht bewegte, besonders raffiniert in Reisewagen der Bundesbahn, indem sie in einem Abteil die Schutzleisten und Verschalungen abmontierte, die Personen in die darüber befindlichen Hohlräume kriechen ließ und dann die Verschalung mit Spezialwerkzeugen ordnungsgemäß wieder anbrachte. Festgestellt wurde das Versteck durch geringe Kratzspuren an den Schauben und der Verschalung. Zum anderen werden Hohlräume über den Luken der Toiletten, Waschräume und Übergänge von einzelnen oder mehreren Personen benutzt. 245 Laut der Dienstanweisung 6/81 des Leiters der Zollverwaltung der DDR wurden an den Grenzzollämtern unter strengster Geheimhaltung Gassprays eingesetzt. Ihr Zweck diente ausdrücklich der „Terrorbekämpfung“. Gassprays sollten vor allem dort eingesetzt werden, wo die Anwendung der Schusswaffe aufgrund erhöhter Explosionsgefahr sowie der Gefährdung anderer Reisenden nicht möglich war. Die Spraydosen enthielten einen hochwirksamen Reizstoff auf der Basis von Chloracetophenol, der starkes Tränen der Augen, Lidschluss, Niesen und Husten sowie starkes Brennen auf der Haut und den Schleimhäuten her vorrief. Vgl. Dienstanweisung 6/81 des Leiters der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 4306, Bl. 45–47). 246 Vgl. Müller, Bekämpfung terroristischer Gewaltakte. Fachabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1986, S. 39 ( BStU, MfS, JHS GVS 149/85). 247 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 6. 6. 1984 : Forschungsergebnisse zum Thema „Anforderungen an die wirksame Gestaltung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs entsprechend den innen - , außen - und sicherheitspolitischen Erfordernissen in Durchsetzung der Politik unserer Partei“ ( BStU, MfS, JHS 21954, Bl. 318).

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Dabei wurden die Riegel in mehreren Fällen von innen festgebunden oder vernagelt. Zwischen den Faltenbälgen der Wagenübergänge, auf den Heizschläuchen zwischen DZug - Wagen und unter Sitzbänken in Abteilen bestehen weitere mehrfach genutzte Möglichkeiten.“248

Für den Transport von Schmuggelgut und Devisen waren Verstecke auch deshalb geeignet, weil diese Gegenstände und Zahlungsmittel nicht unmittelbar einer Person zugeordnet werden konnten. Beim Zoll sprach man in diesem Fall von „unpersönlichen Verstecken“. Über die bereits genannten Versteckmöglichkeiten hinaus gab es aufgrund der oft geringen Ausmaße der Gegenstände eine Reihe weiterer Versteckplätze. „So wurden am Grenzzollamt Herrenburg Converter im Faltenbalg zwischen den D - Zug - Wagen festgestellt, größere Geldbeträge in den Hohlräumen der Waschbecken, in Lampen, an Waschbecken und Abfallkästen angeklebt, hinter Rohrleitungen versteckt, in Abfallbehältern, Aschenbechern, unter Sitzbänken, in den Gardinen, in Rollos eingelegt, mit Haftmagneten befestigt und in gebrauchten Gegenständen der persönlichen Hygiene versteckt, festgestellt.“249 Aufgrund der Möglichkeiten, Waren und Devisen zu schmuggeln, war die Kontrolle des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs von hoher operativer Bedeutung. Die Kontrolle der Reisenden erfolgte im Gegensatz zu den StraßenGÜSt nicht isoliert, sondern immer am Sitzplatz im Zug. Sie war somit für die Mitreisenden sichtbar. „Meist machen die Reisenden viel Lärm, lenken die Aufmerksamkeit anderer auf sich und versuchen, sich als ‚Opfer eines Willküraktes‘ hinzustellen. Werden sie aus dem Zug genommen, um ein Zoll - und Devisenstrafverfahren durchzuführen, rufen sie anderen Reisenden Namen und Adresse zu mit der Aufforderung, diese der Presse zu geben u. ä.“250 Der Zeitpunkt der Kontrollen wie auch die eingesetzten Kontrollkräfte variierten je nach Verkehrsart. Reisezüge im Transit von und nach Westberlin wurden während der Fahrt zwischen der Ein - und Ausreise kontrolliert. Dabei waren Mitarbeiter der Passkontrolleinheit und der Transportpolizei ( Trapo )251 eingesetzt. Wie im Transitreiseverkehr auf der Straße hatten Zöllner auch bei Bahnreisen im Transit zwischen der Bundesrepublik und Westberlin keine Kontrollbefugnis. Bei Güterzügen nahmen dagegen Zöllner die Kontrollen am Ein und Ausreise - GZA zusammen mit den PKE vor.252 Auch bei Zügen im Wechsel- und allgemeinen Transitverkehr kontrollierten PKE - Kräfte zusammen mit 248 Zit. nach Milarg, Zusammenwirken. Fachabschlussarbeit an der Fachschule der Zollver waltung der DDR 1968, S. 5 ( BStU, MfS, HA VII 3610). 249 Ebd., Bl. 11. 250 Ebd., Bl. 13. 251 Die Transportpolizei ( Trapo ), eine Einheit der Deutschen Volkspolizei, war unter anderem für die Über wachung des Schienennetzes der Deutschen Reichsbahn zuständig. Zudem über wachte sie alle größeren Bahnhöfe und kontrollierte in Grenznähe zur Bundesrepublik auch die Reisenden der Binnenzüge. Vgl. Herbst / Ranke / Winkler, So funktionierte die DDR, Band 1, S. 212–225. 252 Künzel, Zollabfertigung des Transitgüter verkehrs. Fachabschlussarbeit am Grenzzollamt Marienborn 1987, S. 7 ( Archiv Plessow ).

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Zöllnern den grenzüberschreitenden Verkehr – und zwar ebenfalls während der festgelegten Aufenthaltszeiten an den Grenzübergangsstellen.253 Im Wechselreiseverkehr wurden Aussteiger aus den Reisezügen zur Einreise in die DDR bzw. Zusteiger zur Ausreise aus der DDR ein weiteres Mal in Kontrollgebäuden der GÜSt kontrolliert und abgefertigt. Nicht nur die Reisenden, auch das Zugpersonal unterlag den Kontrollen der PKE und des Zolls. Die Kontrollen waren so zu organisieren, „dass die Kontrollhandlungen nicht im unmittelbaren Blickpunkt der Reisenden durchgeführt werden“.254 An sogenannten Betriebswechselbahnhöfen255 wurde zudem das Personal der Deutschen Bundesbahn passmäßig überprüft und während des Aufenthalts auf der GÜSt durchgängig über wacht. Zur Kontrolle und Abfertigung der Reisezüge selbst wurden sogenannte Kontrollgruppen der PKE und der Transportpolizei sowie Kontrollbrigaden der GZÄ eingesetzt. Analog zu den Kontrollen an den Straßen - GÜSt waren die PKE - Kräfte für die Kontrolle der Personen und der Personaldokumente sowie ggf. für die Visaerteilung zuständig, während die Kontrollbrigaden der Grenzzollämter die Gepäckmittelkontrollen vornahmen. Die Mitarbeiter der PKE nahmen – ebenfalls analog zum Kontrollverfahren an den Straßen - Grenzübergangsstellen – vor den GZA - Mitarbeitern ihre Arbeit auf. Dieses Verfahren folgte dem Grundsatz, dass die PKE für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs federführend verantwortlich waren. So erteilte auch ein Verantwortlicher der PKE die Freigabe zur Weiterfahrt eines Zuges an den GÜSt. „Die Zugabmeldung ist durch den Zugführer bzw. Bahnsteigverantwortlichen der PKE erst vorzunehmen, nachdem zweifelsfrei festgestellt wurde, dass alle zur Kontrolle und Abfertigung sowie zur Realisierung von Ser viceleistungen eingesetzten Angehörigen der Organe den Zug vollzählig und unter Mitnahme der gesamten Technik und Ausrüstung verlassen haben, die Fahndung im Kontrollgebäude vollständig abgeschlossen wurde sowie die dazu erforderlichen Meldungen eingegangen sind.“256 Die Zugführer der PKE waren an den Eisenbahn - GÜSt verantwortlich für die Organisation der Kontrollen. Sie führten täglich Absprachen mit den Vertretern der Transportpolizei bzw. der Grenzzollämter durch und stellten die Besetzung der Kontrollgruppen sicher. Durch sie erfolgte auch deren Einweisung bezüglich der „operativen Lage“ und der zu beachtenden Besonderheiten der jeweiligen Züge. Für die Leitung einer Kontrollgruppe war ein Kontrollgruppenleiter der PKE verantwortlich. Unter anderem befehligte er die anderen Mitarbeiter, wurde zur 253 Vgl. HA VI des MfS vom 1. 7. 1981 : Neufassung der Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen (OTA ) ( BStU, MfS, HA VI 5998, Bl. 420). 254 Ebd., Bl. 491. 255 Entsprechend dem Eisenbahngrenzübereinkommen vom 25. 9. 1972 wurden die Bahnhöfe Oebisfelde, Ellrich, Gerstungen und Probstzella als Betriebswechselbahnhöfe der DDR festgelegt. Vgl. ebd., Bl. 491. 256 Ebd., Bl. 453.

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Klärung von Beanstandungen herangezogen und war für die „Erfüllung der politisch - operativen Aufgabenstellungen im Prozess der Kontrolle und Abfertigung“257 zuständig. Außerdem berichtete er dem Zugführer der Ausreise - PKE über während der Fahrt festgestellte Besonderheiten, Vorkommnisse, einzuleitende Maßnahmen usw. Vor, während und nach der Abfertigung wurden durch den Gruppenleiter der PKE „zur Feststellung operativer Schwerpunkte“ Kontrollgänge im Zug durchgeführt. Die Kontrolle des spezifischen Transitreiseverkehrs An der Kontrolle des spezifischen Transitreiseverkehrs waren Mitarbeiter der Transportpolizei beteiligt, welche die PKE - Mitarbeiter während der Kontrollen im fahrenden Zug absicherten. „Bei Einsatz einer Kontrollgruppe hat die Kontrolle des Reisezuges durchgängig vom Zuganfang bis zum Zugende bzw. umgekehrt zu erfolgen. Bei Einsatz mehrerer Gruppen haben diese aufeinander zu bzw. voneinander wegzuarbeiten.“258 Die Kontrollgruppen mussten gewährleisten, dass alle Reisenden ausnahmslos kontrolliert wurden, vor allem um Personenschleusungen zu unterbinden. Dafür wurden bei der Kontrolle der Abteile die Seitengänge abgesichert, um sicherzustellen, dass kein Reisender von einem unkontrollierten in ein bereits kontrolliertes Zugabteil wechseln konnte.259 Außerdem erfolgte eine „Kontrolle der Leerabteile, Toiletten, Waschräume, Abstellräume, Kleiderschränke der Gepäckwagen u. ä. nach versteckten Personen [...]; als Leerabteile gelten auch unverschlossene oder mit Vierkant verschlossene Abteile mit Gegenständen (Handgepäck, Kleidungsstücke u. ä. ), in denen sich zum Zeitpunkt der Kontrolldurchführung keine Reisenden bzw. Angestellten der Eisenbahn befinden; bei Dunkelheit ist nach Beendigung der Kontrolle das Licht in den Leerabteilen nicht auszuschalten“.260 Die Kontrolle des Wechsel - und des allgemeinen Transitverkehrs In den Zügen des Wechsel - und des allgemeinen Transitverkehrs wurden bei der Ausreise auch die mit Reisenden besetzten Abteile nach versteckten Personen durchsucht. Dazu wurden nach der Abfertigung aller Reisenden die Hohlräume unter den Sitz - bzw. Schlafbänken in Augenschein genommen. Die Reisenden durften währenddessen das Abteil nicht verlassen. Die Kontrolle und Abfertigung der Reisezüge dieser Verkehrsart erfolgte ebenfalls im Zug, aber – anders als im spezifischen Transitverkehr – an den GÜSt und während der fahrplanmäßig festgelegten Aufenthaltszeiten. In der Regel standen den Kontrolleuren

257 258 259 260

Ebd., Bl. 428. Ebd. Bl. 421. Vgl. ebd., Bl. 422. Ebd.

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daher höchstens 50 Minuten zur Verfügung.261 Bei der Einreise in die DDR wie bei der Ausreise erfolgte die Passkontrolle vor der Zollkontrolle. Zudem wurde durch einen Vertreter der Staatsbank der Mindestumtausch vorgenommen.262 Neben den üblichen administrativen Aufgaben ( Visakassierung, Dokumentenprüfung, Visaerteilung, statistische Erfassung etc.) wurde auch im Eisenbahnverkehr nach bestimmten Personen gefahndet. Dieser Fahndungsprozess erfolgte in der Ein - und Ausreiserichtung in drei Etappen : – Bei allen Reisenden wurde überprüft, ob sie auf sogenannten Fahndungsblöcken aufgeführt waren. Diese Fahndungsblöcke enthielten die Daten von Reisenden, zu denen Sofortmaßnahmen festgelegt waren. Die Überprüfung fand im Rahmen der üblichen Kontrolle und Abfertigung im Zug statt. Ebenfalls in diesem Rahmen wurden die Personaldokumente der Reisenden eingezogen und in den Kontrollgebäuden der PKE an den GÜSt überprüft. Dabei standen den Fahndern die selben Fahndungsmittel zur Verfügung wie an den Straßen - GÜSt. – Bei Bürgern aus dem „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ fand diese Überprüfung während der Standzeit der Züge statt. – Bei DDR - Bürgern erfolgte die Überprüfung als Nachfahndung außerhalb der Standzeit der Züge. Die Mitarbeiter der Grenzzollämter mussten im Eisenbahnverkehr drei Arten von Kontrollen vornehmen : die Innentransportmittelkontrolle, die Personenzollkontrolle sowie die Außen - und Unterbaukontrolle. Mit der Innentransportmittelkontrolle war die Überprüfung des Innern der Wagen gemeint, in denen es zahlreiche Hohlräume gab. Die Personenzollkontrolle beinhaltete die zollmäßige Abfertigung der Reisenden und ihres mitgeführten Gepäcks. Bei der Außenund Unterbodenkontrolle mussten die Zöllner die Eisenbahn von außen in Beschau nehmen. Den Eisenbahn - Grenzzollämtern standen dafür speziell geschulte Kontrolleure zur Verfügung. Eine Kontrollbrigade des Zolls verfügte je nach Verkehrsart über sechs verschiedene Kategorien von Spezialisten.263 Alle hatten umfassende Kenntnisse, was die Beschaffenheit der Reisezüge und das Öffnen und Wieder verschließen von Hohlräumen anging. „Berücksichtigt man die Vielzahl der im internationalen Eisenbahnverkehr eingesetzten unterschiedlichen Typen von Reisezugwagen, Schlaf - und Speisewagen und die gro261 Vgl. Sozialistische Zollkontrolle, Nr. 4/1984, S. 22 ( Archiv Plessow ). 262 Vgl. HA VI des MfS vom 1. 7. 1981 : Neufassung der Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen (OTA ) ( BStU, MfS, HA VI 5998, Bl. 451). 263 Unterbodenkontrolleure nahmen mit Diensthunden Kontrollen vor, Außenkontrolleure führten eine äußere Beschau des Zuges durch, Obenkontrolleure betrachteten das Zugdach, Innenkontrolleure das Zuginnere, Dokumentationskontrolleure fertigten Kontrollprotokolle an, die insbesondere für die Nachweisführung bei Vertragsverstößen zum Transitabkommen wichtig waren und Dokumentenkontrolleure überprüften ggf. die Frachtdokumente. Vgl. Künzel, Zollabfertigung des Transitgüter verkehrs, S. 10 ( Archiv Plessow ).

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ße Anzahl der in den Wagen enthaltenen Versteckmöglichkeiten, so wird die Kompliziertheit [...] deutlich.“264 Für die Zöllner galt es, mögliche Verstecke ausfindig zu machen und – wenn möglich – die versteckten Gegenstände den Reisenden zuzuordnen. Andererseits hatten sie die Aufgabe, aus dem Verhalten der Reisenden Hinweise zu erarbeiten, die auf ein mögliches Versteck hindeuteten. „Das erfordert ein enges Zusammenwirken zwischen den Kontrolleuren, die für die Kontrolle der Reisenden und des mitgeführten Gepäcks eingesetzt sind und denen für die TMK [ Transportmittelkontrolle ].“265 Eine weitere Kontrolle der Reisenden erfolgte in den Kontrollgebäuden, wenn diese zur Ein - bzw. Ausreise die Züge an den betreffenden GÜSt verlassen bzw. betreten mussten. Auch hier erfolgte die Kontrolle in der oben genannten Reihenfolge ( Einreise und Ausreise : Passkontrolle vor Zollkontrolle ). Den PKE und GZÄ standen eigene Kontrollspuren zur Verfügung, an denen sie die Prüfungshandlungen durchführen konnten. Auch an Eisenbahn - GÜSt übermittelten sich die PKE - Kräfte mit Hilfe von Symbolen und Zeichen Informationen. „Zur konspirativen Übermittlung von politisch - operativen Feststellungen innerhalb eines Abfertigungstraktes sind nur die festgelegten Symbole und Zeichen auf die Schreibfläche der Transporttasche aufzutragen, andere schriftliche oder symbolhafte Informationsübermittlungen sind nicht zulässig. Es ist zu sichern, dass für die jeweilige PKE einheitliche Symbole und Zeichen für die Informationen ver wendet werden, deren Bedeutung allen beteiligten Mitarbeitern bekannt sein muss.“266 Den Zöllnern standen in den Kontrollspuren Röntgengeräte zur Verfügung, mit deren Hilfe sie auch verdächtige Gegenstände und Gepäckstücke durchleuchten konnten, die zuvor von den Kontrollbrigaden im Zug ausgewählt wurden. Eine Auswahl der Gepäckstücke war schon aufgrund der Masse notwendig. An großen Eisenbahn - Grenzzollämtern, wie am GZA Marienborn / Eisenbahn, wurden täglich zwischen 20 und 25 Reise - D - Züge abgefertigt.267 Bei einem vollbesetzten Reisezug ( ca. 600 Reisende ) rechnete der Zoll mit ca. 1800 Koffern, Reisetaschen und Paketen.268 Auch sämtliches Gepäck, das von Reisenden voraus - oder nachgesandt worden war, wurde hier durchleuchtet.269

264 Vgl. Sozialistische Zollkontrolle, Nr. 4/1984, S. 23 ( Archiv Plessow ). 265 Ebd. 266 HA VI des MfS vom 1. 7. 1981 : Neufassung der Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen ( OTA ) (BStU, MfS, HA VI 5998, Bl. 468). 267 Hinzu kamen nochmals 20 Güterzüge, die abgefertigt werden mussten. Vgl. Schulz, 12. Durchführungsbestimmung zum Zollgesetz. Diplomarbeit am Institut der Zollverwaltung der DDR 1989, S. 35 ( Archiv Plessow ). 268 Vgl. Mohr, Röntgentechnik bei der Zollkontrolle. Diplomarbeit am Institut der Zollver waltung der DDR 1989, S. 12 f. ( Archiv Plessow ). 269 Vgl. ebd.

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Die Kontrolle von Güterzügen „Betrachtet man das rollende Eisenbahnmaterial – neben den anderen Verkehrsarten – als einen potenziellen Schleusungskanal für Schmuggelgegenstände, ist ein gewisser Teil der Mitarbeiter eines Zollamtes geneigt anzunehmen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Begehung von Rechtsverletzungen in Form von Schmuggel in Güterzügen geringer ist als in Reisezügen. Die Analyse unserer Praxis der Schmuggelbekämpfung bei der Eisenbahn bestätigt diese Annahme jedoch nicht.“270 Wie Reisezüge wurden auch Güterzüge häufig dazu benutzt, „kontaktlos“ Waren ein - und auszuschmuggeln, indem diese – von den Transportangestellten unbemerkt – in der Eisenbahn versteckt wurden und nach der Grenzüberschreitung wieder entnommen werden sollten. In den meisten Fällen, bei denen ein sogenannter „unpersönlicher Schmuggel“ festgestellt wurde, war es für die Zöllner kompliziert, einen Schuldigen zu ermitteln.271 Aus diesem Grund wurden auch im Güterzugverkehr die Triebfahrzeuge, die Wagen sowie das Personal und Begleitpersonal genau überprüft. Dies geschah grundsätzlich während des Aufenthalts der Züge an den GÜSt. Die Kontrolle erfolgte nur auf besonderen Gleisen, damit diese permanent gesichert und ein „unberechtigtes Betreten und Verlassen durch Personen“ verhindert bzw. festgestellt werden konnte.272 Die Überprüfungen nahmen Kontrollbrigaden der Grenzzollämter vor. Zudem gab es sogenannte Güterzugkontrolleure der PKE, die mit den Zöllnern „unmittelbar zusammenwirkten“ – ihnen also faktisch vorstanden.273 „Entsprechend der Anzahl der im Güterzugverkehr tätigen Kontrollbrigaden des GZA ist je ein Güterzugkontrolleur der PKE einzusetzen.“274

2.4

Besonderheiten an Flughafen - Grenzübergangsstellen

Auch an den internationalen Flughäfen der DDR arbeiteten Passkontroll - und Zollkräfte eng zusammen. Die Kontrolle der Fluggäste erfolgte im Vergleich zu den anderen Grenzübergangsstellen unter besonderen Bedingungen. Zum einen waren die Flughafen - GÜSt nicht unmittelbar an der Staatsgrenze angesiedelt. Folglich hatten neben Passagieren weitere Zivilpersonen Zutritt zu den Abferti270 Sozialistische Zollkontrolle, Nr. 2/1989, S. 19 ( Archiv Plessow ). 271 Vgl. ebd., S. 19. 272 Vgl. HA VI des MfS vom 1. 7. 1981 : Neufassung der Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen (OTA ) ( BStU, MfS, HA VI 5998, Bl. 486). 273 An den GÜSt Drewitz / Eisenbahn und Staaken / Eisenbahn gab es eine Ausnahme bei der Kontrolle von Güterzügen. Hier waren statt Zöllnern Mitarbeiter der Transportpolizei gemeinsam mit den PKE für die Kontrollen zuständig, da an diesen Grenzübergangsstellen Güterzüge von und nach Westberlin abgefertigt wurden. 274 HA VI des MfS vom 1. 7. 1981 : Neufassung der Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen ( OTA ) (BStU, MfS, HA VI 5998, Bl. 486).

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gungsgebäuden. Hinzu kam eine Vielzahl an Mitarbeitern von Institutionen, die an den Flughäfen arbeiteten ( Personal von Ser vice - und Gastronomiebetrieben, Flugsicherheits - und Wartungsfirmen, Bodenpersonal von Fluggesellschaften etc.). Zum anderen waren die Kontrollzeiten der Reisenden stark reduziert, da international abgestimmte Flugpläne unbedingt eingehalten und Startverzögerungen vermieden werden sollten. Zwischen dem Einfinden am Terminal und dem Abflug einer Maschine hatten die Kontrollkräfte im Extremfall nur 20 Minuten Zeit, um die endgültige Ausreiseabfertigung vorzunehmen.275 Rückund Nachfragen zu Personen in Speichern und Datenbanken des Zolls und des MfS außerhalb der GÜSt waren daher kaum möglich. Diese Bedingungen machten die Flughafen - GÜSt zu Orten, an denen verstärkt versucht wurde, DDR - Bürger auszuschleusen. Eine gängige Methode war dabei die dokumentmäßige „Umwandlung“ von Bürgern der DDR in Bürger eines nichtsozialistischen Staates, nachdem die Ausreiseabfertigung der Bürger erfolgte. „Diese Methode war wegen ihrer relativen Ungefährlichkeit, ‚Lukrativität und Eleganz‘ besonders prädestiniert für Intelligenzler, die kein Risiko eingehen wollten und nicht die Bedingungen der Ausschleusung in Verstecken oder unter anderen unbequemen Bedingungen auf sich nehmen wollten. Diese Schleusungsobjekte waren auch gewillt und finanziell in der Lage, für die ‚bequeme Schleusung‘ einen entsprechend hohen Preis zu zahlen, wodurch die kriminellen Menschenhändler mehr Sicherheit und mehr Profit erreichten.“276 Das Kontroll - und Abfertigungsverfahren der Pass - und Zollkräfte an Flughäfen war innerhalb der sozialistischen Staaten bis Anfang der 1970er Jahre höchst verschieden. Die Methode der „Umwandlung“ war bis zu diesem Zeitpunkt recht Erfolg versprechend. Dies änderte sich ab dem Jahr 1972, in dem das MfS eine mulitlaterale Konferenz mit verantwortlichen Vertretern der Passkontrolleinheiten europäischer sozialistischer Staaten durchführte. „Kernstück des vereinbarten multilateralen Sicherungssystems war die Anwendung von Codezahlen zur Übermittlung von Informationen zur personellen Zusammensetzung der für das jeweilige Luftfahrzeug abgefertigten Passagiere an den Zielflughafen, auf deren Grundlage durch die jeweiligen Kontrollorgane der anderen sozialistischen Staaten es möglich wurde, eine mögliche ‚Umwandlung‘ eines oder mehrerer DDR - Bürger [...] zu erkennen und durch sie geplante ungesetzliche Grenzübertritte zu verhindern.“277 Auf einer zweiten multilateralen Konferenz im Jahr 1978 wurden das Sicherungssystem weiter ausgebaut. Insbesondere wurde die schnelle und unmittelbare Kommunikation unter den „Partnerorganen“ verbessert, sodass seit dieser 275 Der von der Fluggesellschaft Interflug festgelegte „Einfindungsschluss“ im Terminal lag bei 20 Minuten vor der Startzeit. Vgl. Juristische Hochschule des MfS von September 1982 : Forschungsergebnisse zum Thema „Aktuelle und perspektivische Erfordernisse sowie politisch - operative Arbeitsprozesse zur Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs aus der DDR nach anderen sozialistischen Staaten“ ( BStU, MfS, JHS 21925–1, Bl. 375). 276 Ebd., Bl. 379. 277 Ebd., Bl. 381.

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Zeit „politisch - operative Informationen“ und „Sofortmaßnahmen“ an den jeweiligen Zielflughafen übermittelt und eingeleitet werden konnten.278 Insgesamt arbeitete das MfS fortan mit 19 internationalen Flughäfen zusammen, zwischen denen täglich 250 Fluglinien verkehrten.279 Seit dieser Zeit sah das MfS das „Problem der Personenschleusungen“ an Flughafen - GÜSt als weitgehend gelöst an. Die besonderen Bedingungen an den Flughafen - GÜSt stellten die Kontrollkräfte jedoch nicht nur vor Probleme. Sie brachten auch Vorteile in der „politisch - operativen Arbeit“ mit sich : Eine sehr gründliche Kontrolle des Reisegepäcks konnte mit hohen Sicherheitserfordernissen im Flugverkehr begründet werden, wie sie international üblich waren. Intensivkontrollen waren daher weit weniger auffällig als an anderen GÜSt. Eine zweite Bedingung, die sich Zoll und Staatssicherheit zu Nutzen machten, war die grundsätzliche Trennung der Reisenden von ihrem aufgegebenen Großgepäck. Die heimliche Kontrolle des Gepäcks war daher leicht möglich.280 Die Zollmitarbeiter an Flughafen - GZÄ waren offiziell für die Gewährleistung der Flugsicherheit verantwortlich. Ihre Kontrollen erfolgten grundsätzlich nach den selben Prinzipien und Vorgaben, wie sie bereits für die GZA allgemein geschildert wurden. Sie waren daher auch direkt in die Fahndungsarbeit der PKE einbezogen. Das betraf unter anderem die „Feststellung operativ bedeutsamer Verhaltensweisen, Feststellung operativ bedeutender Dokumente, Aufzeichnungen, Gegenstände usw., Herausarbeitung operativ bedeutsamer Verbindungen, Dokumentation von Reisedokumenten“.281 Neben PKE - und GZA - Kräften waren zur Bearbeitung der Fahndungsvorgaben des MfS an allen Flughäfen Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Zollermittlung eingesetzt. „Die Arbeitsgruppen Zollermittlung haben im Rahmen der Ermittlungstätigkeit auf der Grundlage des Befehls 11/74 des Leiters der Zollver waltung die Aufgabe, Zollstraftaten und andere Zollrechtsverletzungen aufzudecken, die unter Ausnutzung und durch Missbrauch des grenzüberschreitenden zivilen Flugverkehrs vorbereitet und durchgeführt werden.“282 Zollermittler hatten umfangreiche Befugnisse bei der Kontrolle des zivilen Flugverkehrs. Dazu gehörten : – die „gedeckte“ Kontrolle des Reisegepäcks, – Zollkontrollen in der Zollkontrolllinie und Gespräche im Rahmen zolldienstlicher Handlungen,

278 279 280 281 282

Ebd., Bl. 386. Ebd., Bl. 395. Ebd., Bl. 389. Ebd., Bl. 392. Juristische Hochschule des MfS von September 1982 : Forschungsergebnisse zum Thema „Aktuelle und perspektivische Erfordernisse sowie politisch - operative Arbeitsprozesse zur Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs aus der DDR nach anderen sozialistischen Staaten“ ( BStU, MfS, JHS 21925–2, Bl. 89).

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– Beobachtungen öffentlicher Einrichtungen auf den Flughäfen, wie im Bereich der Ein - und Ausreiseabfertigung, Gepäckaufbewahrung, Gepäckautomaten, Parkplätze und gastronomischen Einrichtungen und – die Überwachung der Verkehrswege zu den Flughafen - Grenzübergangsstellen.283 Die Tätigkeit der Abteilung Zollermittlung an Flughäfen wird im Kapitel V konkret beschrieben und soll daher an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden.

3.

Nutzung der Potenziale der Postzollämter

3.1

Rahmenbedingungen für die Kontrollen an den Postzollämtern

Missachtung des Post - und Fernmeldegeheimnisses in der DDR Artikel 31 der DDR - Verfassung zufolge war die Unverletzlichkeit des Post - und Fernmeldegeheimnisses in der DDR garantiert. Einschränkungen waren nur auf gesetzlicher Grundlage erlaubt, wenn die „Sicherheit des sozialistischen Staates oder eine strafrechtliche Verfolgung“284 dies erforderten. Doch wie in vielen weiteren Bereichen der DDR - Gesellschaft lagen – auch was die Anwendung gesetzlicher Bestimmungen anbelangte – Anspruch und Wirklichkeit oft weit auseinander. Faktisch unterlag der Post - wie der Fernmeldeverkehr einer generellen Über wachung durch das MfS. Verschiedene Abteilungen waren dafür zuständig. Die Abteilung 26 hatte technisch zu gewährleisten, dass in der gesamten DDR Tausende von Fernsprechanschlüssen über wacht und etwa 2 000 Telefonate gleichzeitig aufgezeichnet werden konnten.285 Mit der Über wachung des Postverkehrs war die Abteilung M der Staatssicherheit beschäftigt. Sie verstand sich als eine „Dienstleistungseinheit“, die Aufträge operativer Diensteinheiten des MfS, einschließlich der Hauptver waltung Aufklärung, auszuführen hatte. Laut Ordnung 11/86 des Ministers für Staatssicherheit hatte die Abteilung M folgende Aufgaben zu lösen : „Anschriftenfahndung zur Feststellung von Postsendungen an Empfänger, zu denen ein Fahndungsauftrag erteilt wurde, Schriftenfahndung zur Identifizierung von Personen und zur Feststellung von Postsendungen an unbekannte Empfänger, Sonderkastenentleerungen zur Feststellung operativ bedeutsamer Postsendungen, technische Untersuchungen von Postsendungen zur Feststellung von Geheimschriften, Geheimschriftmerkmalen, Mikraten [ extrem verkleinerte Mikrokopien ], weiteren operativ bedeutsamen Merkmalen und zur Sicherung von Spuren,

283 Vgl. ebd., Bl. 89 f. 284 Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. 4. 1968 ( in der Fassung vom 7. 10. 1974), Artikel 31. 285 Vgl. Fricke, MfS intern, S. 48.

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Unterstützung politisch - operativer Maßnahmen der operativen Diensteinheiten des MfS unter Nutzung der Möglichkeiten, die sich aus der Arbeitsweise der Deutschen Post und der Zollverwaltung der DDR ergeben.“286

In der Zentrale der Staatssicherheit waren für diese Aufgaben zuletzt 509 Mitarbeiter hauptamtlich angestellt, republikweit umfasste ihre Linie 2 177 Planstellen. Zwar konnte unmöglich der gesamte Postverkehr über wacht werden, dennoch war der Umfang der Kontrollen beachtlich. Noch bevor Postbeamte die Briefe zustellen durften, wurden sie von Mitarbeitern der Linie M vorsortiert und teilweise aus dem Verkehr gezogen. Alleine in Leipzig wurden so täglich 1500 bis 2 000 Briefe geöffnet und kontrolliert, von denen wiederum drei bis fünf Prozent ganz eingezogen wurden.287 Dabei handelte es sich meist um sogenannte „Bettelbriefe“ in die Bundesrepublik, aber auch um Schriftstücke von politischer Relevanz ( zum Beispiel Protestschreiben ) sowie um Briefe, denen Devisen beigelegt waren. Das Bürgerkomitee Leipzig nennt den Betrag von 180 000 DM, die Jahr für Jahr aus Briefen entnommen wurden.288 Die Kontrolle des Postverkehrs beschränkte sich jedoch nicht alleine auf Briefe. Sie beinhaltete genauso die Einsichtnahme in Päckchen und Pakete, besonders im internationalen Postverkehr. Für das MfS war die Kontrolle des grenzüberschreitenden Paket - und Päckchenverkehrs mitunter auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil es sich dabei meist um Sendungen handelte, die zwischen Bürgern der DDR und der Bundesrepublik ausgetauscht wurden. Im Jahr 1985 betrug deren Anteil 96 Prozent des gesamten grenzüberschreitenden Paketverkehrs in der DDR.289 Den größten Teil davon machten Geschenksendungen aus, die zwischen beiden deutschen Staaten jedes Jahr millionenfach verschickt wurden. Die besondere Bedeutung deutsch - deutscher Geschenksendungen Bedurfte es zu Beginn der deutschen Teilung noch einiger Werbekampagnen für deutsch - deutsche Geschenksendungen, so schickten die Bürger der Bundesrepublik mit aufkommendem Wohlstand doch immer mehr Pakete und Päckchen nach „Drüben“, bis sich die Zahl der jährlichen Sendungen seit 1978 nahezu konstant auf 25 bis 26 Millionen belief.290 Das „Westpaket“ war nicht nur für viele DDR - Bürger eine materielle Unterstützung, es war auch eine symbolische Geste, ein Ausdruck der Zusammengehörigkeit einer Nation in zwei getrennten Staaten und hatte somit auch eine nicht zu unterschätzende politische Brisanz. Von der Bundesregierung wurde dieser Effekt bewusst gefördert, denn – was vielen DDR - Bürgern nicht bekannt war – jeder, der ein Geschenkpaket in den 286 Ordnung 11/86 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 5. 5. 1986 ( BStU, MfS, BV Magdeburg BdL / Dok. 911, Bl. 2 f.). 287 Vgl. Bürgerkomitee Leipzig ( Hg.), Stasi intern, S. 37. 288 Vgl. ebd. 289 Vgl. Kallinich / Pasquale ( Hg.), Geheimnis, S. 177. 290 Vgl. Härtel / Kabus ( Hg.), Westpaket, S. 32.

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Osten schickte, konnte seine finanziellen Aufwendungen von der Steuer absetzen. Spätestens mit dem Bau der Berliner Mauer war das Versenden von Päckchen und Paketen neben dem Briefwechsel oft eine gängige Methode, den regelmäßigen persönlichen Kontakt zwischen Freunden und Ver wandten aufrechtzuerhalten. Folgerichtig wurden auch aus der DDR in erheblichem Umfang Geschenkpakete in den Westen geschickt. Ab 1978 hielt sich die Zahl bei jährlich ca. neun bis elf Millionen.291 Bereits am 5. August 1954 wurden in der DDR mit der „Verordnung über den Geschenkpaket - und - päckchenverkehr auf dem Postwege mit Westdeutschland, Westberlin und dem Ausland“ ( GVO ) gesetzliche Bestimmungen geschaffen, die den Versand und Empfang von Geschenksendungen regeln sollten. Geschenksendungen waren demnach „unentgeltliche Zuwendungen, die unmittelbar von einem privaten Absender ( natürliche Person ) an einen privaten Empfänger ( natürliche Person ) zum persönlichen Verbrauch und Gebrauch zum Versand gebracht wurden“.292 Sowohl für die Einfuhr als auch für die Ausfuhr von Waren über den Geschenkverkehr gab es eine lange Liste von Bestimmungen, Beschränkungen und Verboten, die im Laufe der Zeit durch zahlreiche Durchführungsbestimmungen zur GVO verändert, aufgehoben oder ergänzt wurden. Viele dieser Bestimmungen galten auch für die Ein - und Ausfuhr von Waren über die Grenzübergangsstellen. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Ausfuhrbeschränkungen vor allem ökonomische Schäden verhindern sollten und oft mit der Versorgungslage in der DDR zusammenhingen. Gleichzeitig sollte darüber hinaus jede Möglichkeit ausgeschlossen werden, über den Geschenkversand einen illegalen Grenzübertritt vorzubereiten. Auf der Liste der Ausfuhrverbote standen beispielsweise Textilien, Passfotos, optische Geräte, Umzugs und Erbschaftsgut sowie Konstruktionsunterlagen, um nur einige wenige zu nennen. Die Zahl der Sendungen, die von Ost nach West geschickt werden durften, war zudem auf zwölf pro Person und Jahr beschränkt. Die Päckchen und Pakete durften einen Gesamtwert von 30 Mark, ab 1973 ( nach den Verhandlungen zum deutsch - deutschen Grundlagenvertrag ) einen Gesamtwert von 100 Mark nicht überschreiten. Die Einfuhrbestimmungen sahen bei Genussmitteln wie Kaffee, Schokolade oder Tabakerzeugnissen anfangs eine strenge Höchstmengenbegrenzung vor, die jedoch aufgrund der schlechten Versorgungslage in der DDR sukzessive angehoben wurde. Diese Aufweichung der Einfuhrbestimmungen fand bereits zu einem früheren Zeitpunkt bei technischen Gegenständen statt. Laut einer Anweisung von Erich Honecker sollte beispielsweise bereits 1975 bei der „illegalen Einfuhr von elektronischen Tisch - und Taschenrechnern“ großzügig verfahren werden „solange der Bedarf aus eigener Produktion [...] nicht gedeckt werden kann“.293 Eine Mitte der 1980er Jahre erlassene Dienstanweisung sah auch bei Computern und Computerzubehör vor, diese ohne 291 Information zur Durchführung des Abkommens über den Postverkehr zwischen der DDR und der BRD im Jahre 1985, o. D. ( SAPMO - BArch, DY 30, Nr. 881). 292 Gesetzblatt der DDR, T. I, 1954, Nr. 74 vom 20. 8. 1954. 293 Aktenvermerk des Sektors MfS vom 17. 9. 1975 ( SAPMO - BArch, DY 30, Nr. 3675).

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Beanstandungen zur Einfuhr zuzulassen, „sofern keine spekulativen Absichten bestehen“.294 Bestimmte Waren wurden in der DDR nie in ausreichendem Maße produziert oder importiert. Die Geschenksendungen entwickelten sich dadurch immer mehr zu einer festen Größe bei der Versorgung der Bevölkerung. 1988 belief sich der Gesamtwert der privaten Einfuhrsendungen auf 4,3 Prozent des Einzelhandelsumsatzes, wobei bei einzelnen Produkten ( z. B. Kakao oder Damenoberbekleidung ) ein Vielfaches der Menge, die laut Plan im eigenen Land produziert wurde, per Paket aus dem Westen kam.295 Neben der Lockerung der Einfuhrbestimmungen bei manchen Waren galten für andere Produkte strenge Reglementierungen mit oftmals schikanösem Charakter. Für Konser ven und andere luftdicht verschlossene Güter bestand im Geschenkpaket und Päckchenverkehr ein totales Einfuhr verbot, vor allem, weil diese schlecht kontrolliert werden konnten. Ebenfalls nicht bzw. nur unter strengen Auf lagen eingeführt werden durften Medikamente. Besonders als im Westen die ersten „Contergan - Kinder“ auf die Welt kamen, warnte die Zollver waltung die Bürger vor „gewissenlosen Absendern“, die durch Medikamente in Weihnachtspäckchen die Bevölkerung der DDR gefährden würden.296 Gebrauchten Textilien war beim Versand in die DDR bis 1976 eine aktuelle Desinfektionsbescheinigung beizulegen, wodurch diesen Waren eine vermeintliche Gefahr unterstellt wurde. Eine größere Gefahr sah die Staatsführung in der Einfuhr von Waren, die zur „politisch - ideologischen Diversion“ beitrugen und somit „antidemokratischen Charakter“ hatten. Die Einfuhr von Büchern war stark reglementiert, viele andere Druckerzeugnisse wie Zeitungen, Zeitschriften sowie Ton - und Datenträger aller Art waren zur Einfuhr lange Zeit gänzlich verboten. An den Postzollämtern der DDR wurden zahllose Päckchen und Pakete kontrolliert, geöffnet, durchsucht und zum Leidwesen vieler Empfänger teilweise auch eingezogen. „Keine Zollbehörde hat so tief in die Belange der Bevölkerung eingegriffen, hat soviel Emotionen her vorgerufen, wie die Postzollämter der DDR.“297 Für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Paket - und Päckchenverkehrs war laut Gesetz die Zollver waltung der DDR zuständig. An den Postzollämtern waren neben Zöllnern auch Angehörige der Deutschen Post und Mitarbeiter der sogenannten Postzollfahndung ( PZF ) beschäftigt. Postbedienstete waren vor allem für den Hin - und Abtransport der Sendungen zuständig. Zudem führten sie die Päckchen und Pakete den Zöllnern zur Kontrolle vor. Sie mussten auf Weisung der Kontrolleure die Sendungen öffnen und anschließend wieder verschließen, während die Zöllner den eigentlichen Inhalt inspizierten. Eine Besonderheit in vielerlei Hinsicht stellten die Angehörigen der Postzollfahndung dar. Jede Postsendung durchlief einen doppelten Kontrollprozess. Zunächst wurden 294 Dienstanweisung 15/86 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 24. 10. 1986 (BStU, MfS, Abt. M 540, Bl. 151). 295 Vgl. Härtel / Kabus ( Hg.), Westpaket, S. 37. 296 Vgl. ebd., S. 86. 297 Grube, Entwicklung von Zöllen, S. 184.

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Päckchen und Pakete von der Postzollfahndung kontrolliert, bevor diese anschließend im Bereich der Postzollämter erneut überprüft wurden. Die Angehörigen der PZF schotteten sich von den Zollkontrolleuren regelrecht ab. Die Räumlichkeiten der Postzollfahnder waren vor unbefugtem Zutritt besonders gesichert. Lediglich „der Genosse Zollchef inspekteur Stauch“298 durfte diese ohne Auf lagen betreten. Warum sich die Postzollfahnder den ersten Zugriff auf Päckchen und Pakete sicherten, wird bei genauerer Betrachtung dieser Abteilung deutlich.

3.2

Die „politisch - operative Arbeit“ der Abteilung Postzollfahndung

Rechtliche Stellung und grundsätzliche Aufgaben Die erste und bedeutendste Besonderheit der Abteilung Postzollfahndung ist zugleich die am wenigsten offensichtliche : In ihrer rechtlichen Stellung besaß sie einen Doppelcharakter. Bei der PZF handelte es sich ( wie vermutlich auch bei der Abteilung Zollermittlung ) zum einen um eine offizielle Dienststelle der Zollver waltung der DDR und zum anderen um eine operative Diensteinheit des Ministeriums für Staatssicherheit „mit konspirativem Charakter und spezifischer Aufgabenstellung“,299 die der Abteilung M des MfS ( Postkontrolle ) untergeordnet war. Die janusköpfige staatsrechtliche Stellung wurde auf Grundlage eines unveröffentlichten Beschlusses des Ministerrats vom 19. Februar 1969 zwischen dem Minister für Staatssicherheit und dem Leiter der Zollver waltung festgesetzt.300 Der „offizielle Charakter“ einer Zolldienststelle wurde dadurch erhalten, dass die Postzollfahndung innerhalb der Hauptver waltung der Zollver waltung als Abteilung und in den Bezirken als Dienststelle den Postzollämtern äußerlich gleichrangig zugegliedert war. Mitarbeiter der Postzollfahndung trugen Zolluniformen, sie wurden bis 1985 in den Personalstatistiken der Zollver waltung geführt und hatten Dienstausweise der Zollver waltung der DDR.301 Im Gegensatz zu den Postzollämtern war die Dienststelle Postzollfahndung in den Bezirken aber nicht dem jeweiligen Leiter der Bezirksver waltung, sondern direkt der Abteilung Postzollfahndung in der Hauptver waltung unterstellt. Die Stellung, Aufgabe und Arbeitsweise der Postzollfahndung als operative Diensteinheit des MfS wurde im Befehl 5/70 des Ministers für Staatssicherheit vom 23. Januar 1970 festgelegt. Darin heißt es : „Da die Organe der Hauptver waltung Zoll der DDR alleine nicht in der Lage sind, die Feindtätigkeit im grenz298 Dienstanweisung 175/64 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 4. 4. 1964 (BStU, MfS, BdL / Dok. 000826, 1. Ex., Bl. 7). 299 Fahl, Postzollfahndung. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1981, S. 6 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 314/81). 300 Vgl. ebd. 301 Vgl. Dienstausweise der Zollver waltung, o. D. ( BArch, DL 203, Az. 01–02–12). Der Dienstausweis eines PZF - Mitarbeiters findet sich unter anderem in : BStU, MfS, BV Leipzig, Abt. OT 00231, Bl. 143–145.

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überschreitenden Paket - und Päckchenverkehr umfassend zu erkennen und wirksame Maßnahmen zu deren Einschränkung zu veranlassen, hat die Abteilung Postzollfahndung durch ihre spezifischen Mittel und Methoden in der operativ - technischen Fahndungstätigkeit die Kontrolle des grenzüberschreitenden Paket - und Päckchenverkehrs zu unterstützen, um die Feindtätigkeit auf dem Gebiet der politisch - ideologischen Diversion und der nachrichtendienstlichen Tätigkeit optimal aufzudecken.“302 Des Weiteren heißt es in dem Befehl, dass die Dienststellen der Postzollfahndung als Dienststellen der Zollver waltung der DDR abzudecken und mit Offizieren im besonderen Einsatz / Abwehr zu besetzen sind. Unter dem Deckmantel und mit den Befugnissen der Zollver waltung – oder, wie es im Sprachgebrauch der Staatssicherheit hieß : „unter Nutzung zollrechtlicher Bestimmungen einschließlich innerdienstlicher Weisungen des Leiters der Zollver waltung der DDR“303 – hatte die Postzollfahndung die Aufgabe, „politisch - operative Aufgaben“ des MfS zu erfüllen. So sollte sie unter anderem : – Informationen sammeln über die „subversive Tätigkeit“ von westlichen Geheimdiensten und anderen „feindlichen“ Organisationen, – die Beantwortung der Frage „Wer ist Wer“ aktiv unterstützen, – Hinweise erarbeiten, die Informationen zu „ungesetzlichen Grenzübertritten“ und „rechtswidrigen Übersiedlungsersuchen“ liefern, – Informationen über geplante oder durchgeführte „Terror - , Sabotag - und Diversionsverbrechen“ erarbeiten, – Informationen zu „Erscheinungsformen und Auswirkungen der politisch ideologischen Diversion, gegnerischer Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit“ sammeln, – „feindlich[ e ] Denk - und Verhaltensweisen innerhalb der Bevölkerung der DDR“ feststellen und – Hinweise über die Stimmung und Verhaltensweise der DDR - Bevölkerung zu „gesellschaftlichen und aktuell - politischen Höhepunkten“ erarbeiten.304 Zusammenarbeit mit operativen Diensteinheiten des MfS Zur Erfüllung ihrer Aufgaben arbeitete die PZF eng mit den operativen Diensteinheiten der Staatssicherheit zusammen, insbesondere mit den Abteilungen II ( Spionageabwehr ), VI ( Passkontrolle, Tourismus, Interhotel ), VII ( Abwehrarbeit MdI / DVP ), IX ( Untersuchungen ), XV ( Aufklärung ), XVIII ( Sicherung der Volkswirtschaft ), XIX ( Sicherung des Verkehrs - und Nachrichtenwesens ), XX ( Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund ), BKG ( Bezirkskoordinierungsgruppe ), M ( Postkontrolle ) und den Kreisdienststellen.305 Von Bedeutung für 302 Befehl 5/70 des Ministers für Staatssicherheit vom 23. 1. 1970 ( BStU, MfS, BdL / Dok. 001389, 1. Exemplar, Bl. 1). 303 Fahl, Postzollfahndung, S. 7 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 314/81). 304 Vgl. ebd., Bl. 8 f. 305 Vgl. ebd., Bl. 11.

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die operativen Diensteinheiten war die Postzollfahndung auch im Zusammenhang mit eventuell einzuleitenden „Offizialisierungsmaßnahmen“.306 Darunter verstand das MfS die Umwandlung inoffizieller in strafprozessual zulässige, offizielle Beweismittel oder das Ersetzen von inoffiziellen durch offizielle Beweismittel. Dafür wurden entsprechende Postsendungen von der Postzollfahndung, die in diesem Fall als Diensteinheit der Zollver waltung agierte, in offiziellen Schreiben an die Abteilung M des MfS übergeben.307 Diese leitete das Material an die zuständigen operativen Diensteinheiten des MfS weiter.308 Die Fahndungsarbeit der Abteilung Postzollfahndung Einen Schwerpunkt der Fahndungsarbeit der Abteilung PZF bildete die sogenannte „Auftragsfahndung“. Damit waren zielgerichtete Kontrollen solcher Postsendungen gemeint, deren Absender bzw. Empfänger von einzelnen operativen Diensteinheiten „bearbeitet“ wurden. Die PZF fungierte in diesem Fall als Dienstleistungseinheit für operative Einheiten des MfS. Die formlosen Anträge enthielten ( sofern bekannt ) Namen und Anschriften der gesuchten Absender und Empfänger sowie gegebenenfalls Hinweise, welche die Kontrollmaßnahmen erleichterten oder konkretisierten. Zudem war jede Auftragsfahndung mit einer „Auftragsstufe“ ( A, B, C oder D ) versehen.309 Je nach Stufe wurden die Sendungen unterschiedlich bearbeitet : – Stufe A besagte, dass bei den gesuchten Sendungen der Absender, der Empfänger sowie der Tag des Durchlaufs protokolliert und das Paket ohne inhaltliche Kontrolle zum Empfänger weitergeleitet wurde. – Bei der Auftragsstufe B wurden die Sendungen auf ihren Inhalt untersucht und alle Untersuchungsergebnisse in Form eines Protokoll dokumentiert. Bei Anforderung wurde auch eine fotografische Dokumentation angefertigt. Die Sendung wurde abschließend wertmäßig eingeschätzt. – Nach Stufe C wurden Pakete und Päckchen zollrechtlich beschlagnahmt und im Originalzustand der beauftragenden operativen Diensteinheit übergeben. Alle Inhaltsteile der Sendungen, die für die Auftrag gebende Abteilung nicht relevant waren, wurden dem Asservatenlager der Zollverwaltung „unter Beachtung der Konspiration“310 zugeführt. – Lag ein Auftrag der Stufe D vor, so wurden diese Sendungen – ganz gleich in welcher Verkehrsrichtung – ohne Untersuchung durch die Postzollfahn306 Ebd., Bl. 12. 307 Vgl. Dienststelle Postzollfahndung der Bezirksverwaltung Leipzig der Zollverwaltung der DDR an die BVfS Leipzig vom 3. 1. 1979 ( BStU, MfS, BV Leipzig Abt. XX 01966/14, Bl. 17). 308 Vgl. Leiter der Abteilung M des MfS an den Leiter der Abteilung IX des MfS vom 22. 11. 1984 ( BStU, MfS, HA IX 17278, Bl. 168 f.). 309 Vgl. Dienstanweisung 175/64 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 4. 4. 1964 ( BStU, MfS, BdL / Dok. 000826, 1. Ex., Bl. 2 f.). 310 Ebd., Bl. 5.

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dung und unter Umgehung der Zollkontrolle weitergeleitet. Der Auftrag gebenden Diensteinheit wurde der Zeitpunkt der Feststellung mitgeteilt.311 „Zu dieser Auftragsstufe gehört auch, wenn durch Diensteinheiten Pakete oder Päckchen auf postalischem Wege nach Westdeutschland / Westberlin oder dem kapitalistischem [ sic !] Ausland geschleust werden sollen, ohne dass sie in die Hände des Zolls der DDR gelangen.“312 Die Laufzeit betrug für alle Aufträge, gleich welcher Stufe, drei Monate. Anschließend erlosch der Auftrag, wenn ihn die Auftrag gebende Diensteinheit nicht verlängert hatte.313 Ein besonderer Fall der Auftragsfahndung konnte auch sein, dass die Postzollfahnder von anderen Diensteinheiten des MfS die Anweisung erhielten, bestimmte Gegenstände aus den Sendungen zu beschaffen, die für „operative Zwecke“ benötigt wurden. So ist beispielsweise ein Schreiben des Stellvertreter Operativ der BV Karl - Marx - Stadt an den Leiter der Postzollfahndung in Plauen vom 14. Dezember 1976 mit folgendem Inhalt überliefert : „Entsprechend Ihren Möglichkeiten haben Sie zu prüfen, welche Zeitschriften, Modejournale, Fachzeitschriften und andere periodische Fachliteratur des Schneiderhandwerks aus dem NSW für die Auswahl von modischen Modellen genutzt werden können und mir die entsprechenden Zeitschriften bzw. Kataloge zu übersenden.“314 Neben Literatur wurden vor allem Zahlungsmittel sowie technische Gegenstände ( Taschenrechner, in späteren Jahren Computerteile oder Datenträger ) im Auftrag von MfS - Abteilungen aus den Paketen entwendet. Die Bevölkerung klagte immer wieder über verschwundene Sendungen. Der größte Teil davon gelangte als „Eigenbedarf“ in die Hände des MfS. Zwischen 1984 und 1989 waren das Güter im Wert von insgesamt 10,2 Millionen Mark.315 Eine weitere Fahndungsmethode war die sogenannte Merkmalfahndung. Wiesen Postsendungen äußerlich oder innerlich Auffälligkeiten auf, so wurden sie durch die PZF näher untersucht. Dadurch sollten Ersthinweise für die operativen Diensteinheiten erarbeitet werden. Unter anderem begründeten folgende Merkmale eine genauere Untersuchung : – Die Absender bzw. Empfänger der Sendungen standen aufgrund ihrer Persönlichkeit, beruflichen Tätigkeit und gesellschaftlichen Stellung beim MfS im

311 Vgl. ebd., Bl. 1; Fahl, Postzollfahndung, S. 27 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 314/81). 312 Dienstanweisung 175/64 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 4. 4. 1964 (BStU, MfS, BdL / Dok. 000826, 1. Ex., Bl. 5). 313 Vgl. 1. Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit der DDR, Bruno Beater, vom 15. 4. 1964 : Direktive über die Durchführung der operativ - technischen Arbeit der Postzollfahndung im MfS ( BStU, MfS, BdL / Dok. 000825, 1. Ex., Bl. 3). 314 Stellvertreter Operativ der BVfS Karl - Marx - Stadt an den Leiter der Dienststelle Postzollfahndung Plauen vom 14. 12. 1976 : Beschaffung von Modezeitschriften aus dem NSW für die Anfertigung spezieller Bekleidung für operative Zwecke ( BStU, MfS, BV Karl - Marx - Stadt StOp - 103, Band 1, Bl. 155). 315 Vgl. Härtel / Kabus ( Hg.), Westpaket, S. 65.

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Abb. 12 : Paketkontrollen in einem Postzollamt316

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Verdacht, der „subversiven Feindtätigkeit“ ausgesetzt bzw. in diese einbezogen zu sein. Die Absender bzw. Empfänger standen im Verdacht, „feindlichen Organisationen, Zentren, Einrichtungen und Kräften“ anzugehören. Postsendungen legten bei ihrer äußeren Beschau aufgrund vom MfS genau definierter Merkmale den Schluss nahe, von westlichen Geheimdiensten zu stammen. Postsendungen standen aufgrund von äußeren und inneren Merkmalen im Verdacht, Bomben, Sprengstoffe und Gifte zu beinhalten. Postsendungen, die das Informationsaufkommen zu aktuellen Auftragsfahndungen ergänzen konnten.

Die im Ergebnis der Merkmalfahndung erarbeiteten Informationen wurden in Form von Leiterinformationen oder Ersthinweisen über die zuständigen Bezirks-

316 Bildquelle : BStU, MfS - Abt - M - Fo - 0030.

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koordinierungsgruppen317 des MfS an die zuständigen operativen Diensteinheiten gesandt.318 Eine weitere Möglichkeit der Informationsgewinnung war mit der Arbeit der Arbeitsgruppe Auswertung / Information der Postzollfahndung gegeben. In dieser wurden solche Hinweise gespeichert, die aufgrund ihres Aussagegehalts nicht sofort und eindeutig weiterbearbeitet werden konnten. Solche Hinweise wurden kontinuierlich analysiert und miteinander verglichen, bis sie möglicher weise in ihrer Kombination konkrete Hinweise lieferten. Ein typisches Beispiel für die Arbeit der Abteilung Auswertung / Information war die Bearbeitung von Sendungen mit anonymen oder pseudonymen Absendern, bis diese gegebenenfalls identifiziert werden konnten und somit ver wertbare Informationen vorlagen. Eine Übersicht darüber, wie sich die Auftrags - und Merkmalfahndungen zusammensetzten, geht aus einem Bericht der Abteilung Postzollfahndung am PZA Karl - Marx - Stadt her vor, der als Quelle für die Darstellung in Abbildung 13 dient.319 Nachdem die Päckchen und Pakete fahndungsmäßig von der PZF bearbeitet wurden, kamen sie in den Kontrollbereich der Postzollämter. Hier sollten sie erneut ( nach zollspezifischen Kriterien ) untersucht werden. Diese Kontrollen führte der Zoll ( ähnlich wie an den Straßen - GZÄ ) immer in Abstimmung mit dem MfS durch.

317 Bezirkskoordinierungsgruppen ( BKG ) wurden 1975 in den Bezirksver waltungen des MfS gebildet zur Koordinierung von Maßnahmen zur Verhinderung des „ungesetzlichen Verlassens der DDR, der Verhinderung des staatsfeindlichen Menschenhandels“ sowie zur Koordinierung legaler Ausreisen aus der DDR. Ihnen übergeordnet war die Zentrale Koordinierungsgruppe ( ZKG ) der MfS - Hauptver waltung. 318 Vgl. Fahl, Postzollfahndung, S. 28 f. ( BStU, MfS, JHS MF VVS 314/81). 319 Leider geht aus den Akten nicht explizit her vor, auf welchen Zeitraum zwischen 1973 und 1983 sich der Bericht bezieht. Anhand der Tatsache, dass in dem Bericht jedoch eine AIG ( Auswertungs - und Informationsgruppe ) erwähnt wurde, kann der Zeitraum zwischen 1973 und 1978 beschränkt werden, da die AIG ab dem darauffolgenden Jahr als AKG ( Auswertungs - und Kontrollgruppe ) bezeichnet wurde. Durch eine weitere Auffälligkeit kann der Zeitraum weiter eingegrenzt werden. Die im Bericht erwähnte Abteilung Postzollfahndung Plauen wurde nachweislich erst im Jahr 1978 als eine Außenstelle der Abteilung Postzollfahndung Karl - Marx - Stadt auf Anweisung des 1. Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit gegründet. Somit müssen sich die Daten auf das Jahr 1978 beziehen. Vgl. BVfS Karl - Marx - Stadt, o. D. : Gliederung der laufenden Fahndungsaufträge ( BStU, MfS, BV Karl - Marx - Stadt StOp - 103, Band 1, Bl. 186–202); Abteilung Postzollfahndung Plauen vom 6. 1. 1978 : Niederschrift ( BStU, MfS, BV Karl - Marx - Stadt StOp - 103, Band 2, Bl. 221).

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Abb. 13 : Verteilung von Auftrags - und Merkmalfahndungen in einer Abteilung Postzollfahndung320

3.3

Nutzung der Aufgaben und Potenziale der Postzollämter durch die Abteilung Postzollfahndung des MfS

Generelles Kontrollverfahren der Postzollämter Mit Einführung der Röntgentechnik ab Mitte der 1960er Jahre unterzogen die Kontrolleure der Postzollämter alle Päckchen und Pakete zunächst einer Röntgenkontrolle. Ausgenommen waren davon jedoch Angehörige der Nomenklatur in der DDR.321 Die Kontrollen erfolgten zunächst manuell. Ab Mitte der 320 Vgl. BVfS Karl - Marx - Stadt, o. D. : Gliederung der Fahndungsaufträge 1978 ( BStU, MfS, BV Karl - Marx - Stadt StOp - 103, Band 1, Bl. 186–202). 321 Von den Einfuhrkontrollen der PZÄ befreit waren das Politbüro und Zentralkomitee der SED, deren Mitglieder und Sekretäre, der Staatsrat der DDR und dessen Mitglieder, die Regierung, die Mitglieder des Ministerrats der Regierung, die Volkskammer sowie deren Präsident und die Mitglieder des Präsidiums, der Präsident der Nationalen Front, die Vorsitzenden der Blockparteien, die Generalstaatsanwaltschaft, die Staatsbank und Deutsche Handelsbank AG sowie – bis zu ihrem Tod 1981 – Greta Kuckhoff, die deutsche Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus und Präsidentin der Staats-

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1980er Jahre wurde das Verfahren mit erheblichem finanziellen Aufwand322 schrittweise auf eine automatisierte, robotergesteuerte Röntgenkontrolle umgestellt. Erste Versuche zur „Roboter - und Handhabetechnik“ erfolgten im Jahr 1984 am PZA Frankfurt / Oder, danach an weiteren PZÄ.323 Dabei wurden die Sendungen vollautomatisch über ein Fließband dem Röntgengerät zugeführt, sie konnten ferngesteuert in jede Richtung gedreht und positioniert werden und wurden mittels Fernsehtechnik durch einen speziell geschulten Röntgenkontrolleur begutachtet. Durch die Robotertechnik erhöhte sich die Kontrollgenauigkeit ( insbesondere für Literatur ). Zudem wirkte sich die neue Technik positiv auf die Arbeitsbedingungen der Kontrolleure aus. Die Arbeit bei Tageslicht, das klare Abbild der Gegenstände auf dem Fernsehschirm sowie die geringere Strahlen - und Lärmbelastung ließen die Kontrolleure weniger schnell ermüden.324 Beanstandete der Zöllner eine Sendung, so konnte er von seinem Bildschirm aus per Knopfdruck das Paket mit einem „codierten Informationsträger“325 kennzeichnen und so eine inhaltliche Kontrolle anweisen.326 Der Informationsträger war indes nichts weiter als ein Kontrollzettel, auf dem sich grundlegende Angaben zur Sendung befanden ( Datum, Bearbeitungsnummer des jeweiligen Röntgenkontrolleurs, Angaben zu Verkehrsrichtung, Warenweg und Sendungsart sowie Beanstandungsmerkmale ) und der mittels Heißklebeverfahren am Paket bzw. Päckchen angebracht wurde.327 Auf diese Art wurde eine beachtliche Kontrollkapazität erreicht. Im Jahr 1986 konnten beispielsweise pro Röntgenstunde und Röntgengerät ca. 160 Päckchen und Pakete durchleuchtet werden.328 Bei beanstandeten Sendungen fand eine Inhaltskontrolle statt. Die Postangestellten ( meist Frauen ), welche die Vorführung der Sendungen vornahmen, sollten politisch zuverlässig sein und eine „vorbildliche Arbeitsmoral“ besitzen. Sie wurden durch die Leiter der PZÄ bestätigt, nachdem dieser in deren Kaderunterlagen Einsicht genommen hatte. Zudem durften die Postangestellten nur mit einer Sondergenehmigung die Räume der Zollver waltung betreten.329 Dort 322 323 324 325 326 327 328 329

bank der DDR von 1950 bis 1958. Vgl. Dienstanweisung 6/80 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 29. 9. 1980 ( BStU, MfS, HA VI 11424, Bl. 274–276). Die Zollver waltung rechnete für die Umstellung aller Röntgengeräte mit Ausgaben in Höhe von 8,2 Millionen Mark. Vgl. Schreiben des Stellvertreter des Leiters operativ vom 15. 8. 1983 ( BArch, DL 203, Az. 37–00–01, Ka. 400). Vgl. ebd. Vgl. ebd. Reg. - Nr. OZ / II 56/86, Lesematerial zur Röntgenkontrolle an den Postzollämtern unter den Bedingungen des Einsatzes von rechnergesteuerter Roboter - und Handhabetechnik sowie der Fernbedienung der Röntgenanlagen, S. 10 ( Archiv Plessow ). Vgl. Dienstanwesung 11/86 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 25. 8. 1986 (BStU, MfS, Abt. M 540, Bl. 103). Reg. - Nr. OZ / II 56/86, Lesematerial zur Röntgenkontrolle an den Postzollämtern unter den Bedingungen des Einsatzes von rechnergesteuerter Roboter - und Handhabetechnik sowie der Fernbedienung der Röntgenanlagen, S. 12 ( Archiv Plessow ). Vgl. Dienstanwesung 11/86 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 25. 8. 1986 (BStU, MfS, Abt. M 540, Bl. 101). Vgl. Vereinbarung über die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen der Zollver waltung der DDR und der Deutschen Post zur Durchführung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Postverkehrs, o. D. ( BStU, MfS, Abt. M 534, Bl. 15 f.).

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wiederum hatten sie nur Zutritt zu den Kontrollräumen und - plätzen, wo sie unmittelbar tätig waren.330 Die Deutsche Post verpflichtete sich zudem vertraglich dazu, „dass ihre Mitarbeiter auf der Grundlage der Bestimmungen der PostDienst - Verordnung über alle ihnen im Prozess der Zollkontrolle bekannt gewordenen Tatsachen, Maßnahmen und Vorgänge strengstes Stillschweigen gegenüber jedermann wahren“.331 Die Postmitarbeiter öffneten die Päckchen, Pakete und Grobbriefsendungen, führten sie den Zöllnern zur Kontrolle vor und anschließend verschlossen sie die Sendungen wieder originalgetreu. Zu Stoßzeiten, vor allem an Weihnachten, dem sogenannten Jahresendverkehr, wurden Mitarbeiter aus anderen Bereichen der Zollver waltung an die Postzollämter delegiert. Für die Vorführung der Sendungen kamen neben den Postangestellten der Postzollämter zusätzliche Aushilfskräfte aus den verschiedensten Leitungs - und Ver waltungsdienststellen der Deutschen Post zum Einsatz, um der Flut von Geschenkpäckchen und - paketen Herr zu werden.332 Laut einer Dienstanweisung des Leiters der Zollver waltung galt, auch unter diesen erschwerten Bedingungen das Ziel zu erreichen, „Schmuggel, Spekulation sowie andere Zollund Devisenverstöße, Schädigungen des Außenhandels - und Valutamonopols, Versuche der Feindtätigkeit, der ideologischen Diversion und andere operative Sachverhalte aufzudecken und zu verhindern bzw. derartige Feststellungen der weiteren Bearbeitung zuzuführen“.333 Nach erfolgter inhaltlicher Kontrolle sollte der Inhaltskontrolleur eine Bewertung vornehmen, ob der Röntgenkontrolleur die zuvor beanstandeten Gegenstände richtig erkannt, ver wechselt oder nicht erkannt hat.334 Diese Erfassung der Arbeitsergebnisse diente dazu, ein genaues Bild über die Fähigkeiten der Röntgenkontrolleure zu erlangen. Um die Entscheidung über die inhaltliche Kontrolle einer Sendung nicht durchweg von der Röntgenkontrolle abhängig zu machen, wurden zudem sogenannte „Nachkontrollen“ durchgeführt. Dafür wurde festgelegt, dass der Inhalt jeder 75. Sendung überprüft werden sollte, auch wenn die Röntgenkontrolle keine Beanstandungen her vorbrachte.335 Gab es auch bei diesen Stichproben häufiger Beanstandungen, hatte dies für den verantwortlichen Kontrolleur Konsequenzen. Erkannte er bei 100 nachkontrollierten Sendungen mehr als 5 Feststellungen nicht, wurde ihm die Befugnis zur Röntgenkontrolle entzogen.336 Um „die Anzahl der inhaltlich zu kontrollierenden Sendungen weiter zu verringern und die Bearbeitung der Sendungen innerhalb von 24 Stunden zu

330 Vgl. ebd., Bl. 34. 331 Ebd., Bl. 16. 332 Vgl. Dienstanweisung 11/77 des Leiters der Zollverwaltung der DDR vom 19. 9. 1977 (BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 338). 333 Vgl. ebd., Bl. 334. 334 Vgl. Dienstanweisung 11/86 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 25. 8. 1986 (BStU, MfS, Abt. M 540, Bl. 116). 335 Vgl. ebd., Bl. 108. 336 Vgl. ebd., Bl. 111.

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sichern“,337 untersuchten Zöllner anfallende Grobbriefsendungen338 seit Inkrafttreten der 1. Durchführungsanweisung zur Dienstanweisung 10/77 ab Mitte der 1980er Jahre mittels spezieller Durchleuchtungsgeräte.339 Zuvor waren ab 1980 diesbezügliche Erprobungsversuche am PZA Leipzig erfolgreich durchgeführt worden.340 Der Inhalt der Grobbriefe wurde mittels einer extrem hellen Natriumdampf - Hochdrucklampe kenntlich gemacht. Schöpften die Kontrolleure beim Durchleuchten den Verdacht, dass Waren, Devisen oder andere Zahlungsmittel enthalten waren, wurden auch diese Grobbriefe inhaltlich kontrolliert. Bis in die 1980er Jahre hinein zogen PZA - Mitarbeiter beanstandete Grobbriefe ohne Benachrichtigung ein. 1982 waren dies zum Beispiel 179 900 Stück.341 Ein Großteil der Geschenkpakete, die bei der Einfuhr durch die Zollver waltung beanstandet wurden, enthielt verbotene Literatur (1985 : 67 Prozent ) und Arzneimittel (1985 : 14 Prozent ).342 In den meisten Fällen wurden solche Sendungen wieder an den Absender zurückgesandt. Die zur Ausfuhr beanstandeten Sendungen enthielten oft Textilien, Schuhe und Fleischwaren und wurden fast ausschließlich zurückgesandt.343 Hierarchische Unterstelllung der Postzollämter Die PZÄ waren in ihrer Arbeit nicht isoliert, sondern eng in die Tätigkeit der PZF mit eingebunden. Grundlage für das „politisch - operative Zusammenwirken“ war die vom Leiter der Zollver waltung erlassene 1. Durchführungsanweisung zur Dienstanweisung 36/62 vom 10. Juni 1974.344 Aus ihr wie auch aus weiteren Bestimmungen geht deutlich hervor, dass – entgegen dem bereits zitierten Befehl 5/70 des Ministers für Staatssicherheit – nicht die Postzollfahndung die Arbeit der Postzollämter unterstützen sollte, sondern im Gegenteil : Die Postzollämter hatten die Arbeit der Postzollfahndung zu unterstützen und waren in 337 1. Durchführungsanweisung zur Dienstanweisung 10/77 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 22. 5. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 327). 338 Grobbriefsendungen entsprachen etwa den heutigen Großbriefsendungen der Deutschen Post. Sie waren vor allem zum Versand von Zeitschriften geeignet. 339 Vgl. 1. Durchführungsanweisung zur Dienstanweisung 10/77 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 22. 5. 1985 ( BStU, MfS, BV Frankkurt ( O ), BdL. 3373, Bl. 325– 332). 340 Schreiben des Stellvertreters operativ der BV Leipzig vom 22. 2. 1980 ( BArch, DL 203, Az. 37–00–01, Ka. 400). 341 Vgl. Hauptver waltung der Zollver waltung der DDR vom 7. 11. 1983 : Vermerk zu einigen Fragen der zollmäßigen Behandlung eingeführter Grobsendungen im grenzüberschreitenden Verkehr ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 460, Bl. 42). 342 Abteilung für Sicherheitsfragen an Egon Krenz, o. D. ( SAPMO - BArch, DY 30, 881, Bl. 77). 343 Ebd., Bl. 79. 344 Die 1. Durchführungsanweisung vom 10. 6. 1974 zur Dienstanweisung 36/62 beinhaltet die „Aufgaben der Postzollämter zur Aufdeckung von Feindtätigkeit in Zusammenarbeit mit den Dienststellen Postzollfahndung.“ Vgl. Fahl, Postzollfahndung, S. 13 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 314/81).

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allen bedeutenden Punkten an deren Weisungen gebunden. Schöpften die Postzollämter bei ihren Kontrollen „Verdacht auf Vorbereitung, [ den ] Versuch oder die Durchführung von Verbrechen gegen die Souveränität der DDR und den Frieden entsprechend dem 1. und 2. Kapitel [...] StGB oder Verdacht auf die Vorbereitung, den Versuch oder die Durchführung von staatsfeindlichem Menschenhandel gemäß § 105 StGB oder von ungesetzlichen Grenzübertritten entsprechend § 213 StGB“,345 so durften sie die entsprechenden Sendungen nicht weiter kontrollieren oder inhaltlich erfassen, sondern mussten diese sofort an die Mitarbeiter der PZF übergeben. In einer weiteren Dienstanweisung346 wurde vermerkt, dass Postsendungen aller Verkehrsrichtungen, die vom Leiter der Dienststelle Postzollfahndung angefordert wurden, in jedem Fall übergeben werden mussten. Dazu gehörten beispielsweise Postsendungen mit folgendem Inhalt : – Waffen, Munition, Sprengstoff oder Gifte, – Personaldokumente und Ausweise einschließlich Material, das zur Herstellung von solchen Dokumenten geeignet war, – Funk - und Fernsehteile, – Filmmaterialien, Landkarten, – Magnettonbänder, Tonbandkassetten, – Vervielfältigungsgeräte, Matrizen, Schreibmaschinen, – Umzugs - und Erbschaftsgut, – Zahlungsmittel, Wertgegenstände, – Schlauchboote, Taucherausrüstungen. Des Weiteren gehörten dazu auch Postsendungen, die „provokatorischen Charakter gegen Partei - und Staatsführung, Kontroll - und Sicherheitsorgane“ trugen, „Anbiederungs - und Bestechungsversuche“ oder „Kontaktaufnahmen zu oder von DDR - Bürgern“347 beinhalteten. Postalisch unzustellbare Sendungen mussten die Mitarbeiter der Postzollämtern ungeöffnet an die PZF übergeben, Grobbriefsendungen wurden allesamt zunächst von den Postzollfahndern inspiziert, bevor sie anschließend durch die Postzollämter kontrolliert wurden. Verallgemeinert kann konstatiert werden, dass besonders alle Sachverhalte, die im Zusammenhang mit Fluchtversuchen, der „politisch - ideologischen Diversion“ und der „gegnerischen Kontakttätigkeit“ standen, vom MfS übernommen werden sollten. Hierin zeigt sich eine Analogie zur Übergabepraxis an den Grenzzollämtern, wo derartige Hinweise von den PKE weiterbearbeitet wurden. Ebenfalls analog zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs waren PZF und PZÄ streng voneinander getrennte Einrichtungen. Die Arbeitsräume der Postzollfahndung durften von Zollmitarbeitern nicht betreten werden und waren immer von innen verschlossen. Teilweise wurden auch Türsicherungen 345 Ebd., S. 14. 346 Dienstanweisung 6/73 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 13. 6. 1973 ( Archiv Plessow ). 347 Vgl. Fahl, Postzollfahndung, S. 16 f. ( BStU, MfS, JHS MF VVS 314/81).

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und Lichtschranken installiert, die bei unbefugtem Eintritt von Personen sofort Alarm auslösten.348 Päckchen gelangten über ein Transportband mit Doppelschleuse in die PZF - Bereiche, um Einblicke in die Räumlichkeiten des MfS zu verhindern. Persönliche Kontakte und Pausengespräche der Postzollfahnder mit Postangestellten und Zöllnern waren untersagt, um die „Geheimhaltung der Paketkontrolle“ zu gewährleisten.349 „Die Mitarbeiter der Zollver waltung hatten weder Einblick noch Einfluss auf diese Dienststellen und wussten auch nicht, welche Aufgaben die Mitarbeiter zu lösen hatten.“350 Die konkrete, unmittelbare Zusammenarbeit beider Einrichtungen wurde auf leitender bzw. mittlerer leitender Ebene organisiert. So hieß es im Punkt 3 der 4. Durchführungsanweisung zur Dienstanweisung 16/73 des Leiters der Zollver waltung vom 20. Dezember 1973 : „Durch die Leiter der Postzollämter ist ein ständiges und enges Zusammenwirken mit den Leitern der Dienststellen Postzollfahndung zu gewährleisten, täglich die Erfahrungen auszutauschen und Maßnahmen einzuleiten, die eine exakte Durchsetzung der getroffenen Festlegungen in allen Diensteinheiten sichern.“351 Auch die Leiter folgender Referate bzw. Züge arbeiteten täglich eng miteinander zusammen : Tabelle 3 : Ansprechpartner auf mittlerer leitender Ebene ( PZF und PZÄ )352 Ansprechpartner der Postzollfahndung

Ansprechpartner des Postzollamtes

Zugführer des 1. Zuges ( FahndungsLeiter der Arbeitsgruppe Auswertung und Beweisführung ) sowie Leiter der und Information Literaturstelle Leiter des Referats Untersuchung

Zugführer des 2. Zuges ( Röntgenund Inhaltskontrolle )

Leiter des Referats Fahndung

Zugführer des 1. Zuges ( Fahndungsund Beweisführung )

Auch hier war die Zusammenarbeit geprägt von täglichen Absprachen zur Arbeitsorganisation, außerdem wurden über diese Ansprechpartner Übernahmen und Übergaben von Postsendungen organisiert.

348 Vgl. BVfS Karl - Marx - Stadt, Abteilung AKG, vom 25. 8. 1978 : Bericht zur Kontrolle in der Abteilung PZF Plauen am 25. 8. 1978 ( BStU, MfS, BV Karl - Marx - Stadt StOp - 103, Band 3, Bl. 7). 349 Vgl. Kallinich / Pasquale ( Hg.), Westpaket, S. 180. 350 Grube ( Hg.), Entwicklung von Zöllen, S. 207. 351 4. Durchführungsanweisung zur Dienstanweisung 16/73 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 20. 12. 1973 ( BStU, MfS, HA VI 11424, Bl. 257). 352 Vgl. Fahl, Postzollfahndung, S. 18 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 314/81).

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Operative Nutzung der Postzollämter durch das MfS Der Nutzen der PZÄ für die PZF beschränkte sich nicht auf die bloße Übergabe bzw. Übernahme von Sendungen. Von großem Wert für das MfS waren auch die Informationen, die bei den Kontrollen des Zolls erarbeitet wurden. So bearbeiteten die Literaturstellen der vierten Züge alle Grobsendungen sowie DIN A6 - Briefe und Geschenksendungen aus dem Ausland, in welchen bei der Röntgen - bzw. Inhaltskontrolle Literatur und Druckerzeugnisse festgestellt wurden.353 Zum Beispiel war dies im Jahr 1982 bei rund 2,9 Millionen Sendungen der Fall.354 Wenn die Literaturstelle Informationen mit einer „operativen Relevanz“ erarbeitete, erfolgte eine sofortige Konsultation des Ansprechpartners der PZF ( in diesem Fall des Leiters der Arbeitsgruppe Auswertung und Information ). Für das MfS interessant waren dabei beispielsweise Informationen, die auf einen Austausch von Fachliteratur zwischen Wissenschaftlern, wissenschaftlichen Einrichtungen und Einzelpersonen beider deutschen Staaten hindeuteten. Hier konnten Hinweise erarbeitet werden, ob möglicher weise Kontakte geschlossen wurden, Treffen bei Privat - oder Dienstreisen geplant waren oder bereits stattgefunden hatten. Auch wenn Fachliteratur versandt wurde, die sich inhaltlich mit Themen wie Aerodynamik, dem Führen von Wasserfahrzeugen, der Geländeorientierung beschäftigten oder spezielles Kartenmaterial beinhalteten, wurde dies als Bericht an das MfS weitergeleitet. Wie schon bei der Übergabepraxis waren auch bei der Informationspraxis alle Hinweise auf „politischideologische Diversion“, auf „gegnerische Kontakttätigkeit und Kontaktpolitik“ und damit letztlich auf „Inspirierung des ungesetzlichen Verlassens der DDR“ von ausschlaggebender Bedeutung.355 Sämtliche Kontrollfeststellungen erfassten die Kontrolleure ebenso in ihren Informationsspeichern wie auch beispielsweise Personen, die sich wegen beanstandeter Sendungen mit Eingaben an die Postzollämter wandten. Wie an späterer Stelle gezeigt wird, hatte das MfS auf „politisch - operativ“ interessante Daten vollständigen Zugriff. Neben den Mitarbeitern auf leitender bzw. mittlerer leitender Ebene waren zwei weitere Personengruppen der Postzollämter für die „politisch - operative Arbeit“ der Postzollfahndung wichtig : Zollrechtsoffiziere und sogenannte „operative Ermittler“. Zollrechtsoffiziere trafen laut Dienstanweisung 5/76 des Leiters der Zollver waltung vom 28. Mai 1976 die endgültige Entscheidung darüber, ob es seitens des Zolls zu Gesamt - bzw. Teileinziehungen oder zu Entnahmen bzw. Rücksendungen bei Ein - und Ausfuhrsendungen kam. In der 1. Durchführungsanweisung zu dieser Dienstanweisung wurden konkrete Aufgaben des Zollrechtsoffiziers festgelegt. Im Punkt 2.3 hieß es : 353 Vgl. Dienstanweisung 10/77 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 1. 9. 1977 (BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 320). 354 Vgl. Hauptver waltung der Zollver waltung der DDR vom 20. 10. 1983 : Analyse der Einfuhr von Druckerzeugnissen in Grobsendungen im grenzüberschreitenden Postverkehr ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 460, Bl. 50). 355 Vgl. Fahl, Postzollfahndung, S. 36 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 314/81).

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„Zu festgestellten operativen Sachverhalten ist eng mit der Postzollfahndung zusammenzuarbeiten. Zu operativen Sachverhalten, die von der Postzollfahndung nicht übernommen werden und bei denen sich eine weitere Bearbeitung durch die Zollver waltung erforderlich macht, sind [...] entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, wie z.B. – Weiterverdichtung im Rahmen der operativen Vergleichsarbeit, – Herausarbeitung weiterer Fakten, Hinweise und Beweise durch die Fahndung weiterer Sendungen, – Durchführung von Ermittlungen außerhalb des Postzollamts durch den operativen Ermittler, – Information bzw. Übergabe des Sachverhaltes an die Abteilung Zollfahndung der Bezirksverwaltung Zoll, – Übergabe des Sachverhaltes an die Abteilung Zollrecht der Bezirksver waltung Zoll zur Prüfung für die Einleitung eines Verfahrens zur Verfolgung von Zoll - und Devisenverstößen.“356

Über die weisungsgemäß festgeschriebene Zusammenarbeit der Zollrechtsoffiziere mit den Abteilungen der Postzollfahndung hatte die Staatssicherheit auch weitreichenden Einfluss auf die Behandlung von Sendungen, die nicht durch sie selbst weiter bearbeitet wurden. Mit der Tätigkeit der operativen Ermittler der Postzollämter ergab sich für die Postzollfahnder des MfS eine weitere grundsätzliche Möglichkeit zur Informationsgewinnung. Wurden an den Postzollämtern ( wie auch an allen weiteren Zollämtern ) bedeutende Hinweise zu Personen erarbeitet, die im Zusammenhang mit dem „Organisationsversand“, der „ideologischen Diversion“ sowie des „Verdachts von Schmuggel und Spekulation“ standen, so wurden diese Sachverhalte in der Regel durch den Zollfahndungsdienst übernommen und weiter bearbeitet. Im Jahr 1974 erließ der Leiter der Zollver waltung die Dienstanweisung 15/75, nach der an den Postzollämtern künftig „operative Ermittler“ solche Fahndungsaufgaben übernehmen sollten.357 Die Planstellen und die Kraftfahrzeuge der bisherigen Mitarbeiter des Zollfahndungsdienstes an den Postzollämtern wurden dafür übernommen. Operative Ermittler unterstanden dem Leiter des jeweiligen Postzollamts. Ihre Befugnisse waren umfangreich. Sie reichten von der Einsichtnahme in Karteien der DVP358, der Einholung von Auskünften bzw. Einsichtnahme in Kaderunterlagen der Volkseigenen Betriebe und staatlichen Einrichtungen, der Durchführung abgedeckter Ermittlungen zur Person beim Abschnittsbevollmächtigten der Deutschen Volkspolizei bis zu Befragungen von Personen nach Abstimmung mit dem MfS. Befragungen bedurften der Genehmigung durch den Postzollamtsleiter. Zudem mussten weitere Voraussetzungen erfüllt sein : Entweder lagen den operativen Ermittlern zollmäßige oder postalische Anlässe vor, die geklärt werden sollten oder die Befragungen wur356 1. Duchführungsanweisung zur Dienstanweisung 5/76 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 28. 5. 1976 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 314/81, Bl. 38). 357 Dienstanweisung 15/74 des Leiters der Zollverwaltung der DDR vom 26. 6. 1974 ( BStU, MfS, BV Frankfurt ( O ), BdL 3373, Bl. 3–12). 358 Dazu gehörten die Kreismeldekartei, die Veränderungskartei, Anträge zur Ausstellung eines Personalausweises, die Reisestammkartei sowie Kaderunterlagen der Meldestellen der Deutschen Volkspolizei. Vgl. ebd., Bl. 7.

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den unter dem Vor wand geführt, dass sie zur Bearbeitung von Eingaben, Beschwerden, Zuschriften und Anfragen erfolgten.359 Operative Ermittler durften ihre Befragungen in Zivilkleidung vornehmen. Die Untersuchungshandlungen waren rechtlich nicht legitimiert, da es sich bei ihnen nicht um Angehörige eines „Untersuchungsorgans“ im Sinne der Strafprozessordnung der DDR handelte. Ziel ihres Einsatzes war es, Verdachtsmomente zu erhärten oder zu entkräften und anschließend die Beweislage in Form von Ermittlungsberichten dem MfS und der Zollfahndung vorzulegen. Beide nahmen anschließend weitere Untersuchungen vor und leiteten gegebenenfalls ein abgestimmtes Verfahren zur Verfolgung von Zoll - und Devisenverstößen bzw. weitergehende Ermittlungsverfahren ein.360

3.4

Willkür bei der Behandlung von Postsendungen

Die Ungewissheit, ob ein Paket den Empfänger im anderen deutschen Staat unbeschadet erreicht, begleitete viele Absender von Geschenksendungen in Ost und West. Anders als an den Grenzzollämtern fanden die Warenkontrollen an den Postzollämtern nicht im Beisein der Betroffenen statt. Sie konnten den Ablauf der Kontrollen nicht unmittelbar nachvollziehen und in keiner Weise dagegen vorgehen. Einige Absender von Westpaketen hinterließen aber für die Zöllner Mitteilungen in den Paketen, sei es, um so die Kontrollen möglicher weise zu beeinflussen oder ihren Missmut über die Einziehungspraxis zu äußern.361 Die strukturell bedingte Undurchsichtigkeit nutzten Zoll und Staatssicherheit, indem beispielsweise bestimmte Pakete ohne Begründung und Benachrichtigung aus dem Verkehr gezogen wurden und somit als „verschollen“ galten. Auch die Rücksendung von Paketen sowie die Entnahme und Einziehung bestimmter Inhalte war für die Betroffenen oft schwer nachvollziehbar. Bis 1963 wurden grundsätzlich keine Angaben über getroffene „Rechtsfolgemaßnahmen“ gemacht.362 Erst seit diesem Jahr erfolgte überhaupt eine Information der Betroffenen. Wie aus der „Vereinbarung über die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen der Zollver waltung der DDR und der Deutschen Post zur Durchfüh-

359 Vgl. Fahl, Postzollfahndung, S. 40 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 314/81). 360 Vgl. Dienstanweisung 15/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 26. 6. 1974 (BStU, MfS, BV Frankkurt ( O ), BdL. 3373, Bl. 11). 361 So wurden beispielsweise im Jahr 1970 Geschenksendungen registriert, die der westdeutschen SPD zugeordnet wurden. Darin stand : „Werter volkseigener Kontrolleur, sie haben 3 Möglichkeiten : 1. Sie ziehen die Sendung zu ihren Gunsten ein. 2. Sie ziehen die Sendung zu Gunsten Ihres Staates ein, 3. Sie leiten die Sendung weiter und teilen uns ihre Anschrift mit und erhalten dann ebenfalls Pakete geschickt“ ( BStU, MfS, Allg. S. 2581/74, Band 1, Bl. 192). 362 Vgl. MfS von Juni 1964 : Einzel - Information über einige Differenzen zwischen dem Ministerium für Post - und Fernmeldewesen und der Zollver waltung der DDR hinsichtlich von Verlusten bei Postsendungen aus Westdeutschland und Westberlin ( BStU, MfS, ZAIG 913, Bl. 2).

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rung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Postverkehrs“363 her vorgeht, war die Deutsche Post für die Bearbeitung etwaiger Beschwerdebriefe aus dem Ausland zuständig, die sich gegen Einziehungen von Sendungen bzw. von Inhalten oder Rückweisungen von Einfuhrsendungen richteten. Allgemein gehaltene Begründungen für diese Maßnahmen waren gewollt, wie aus dem Paragraphen 31, Absatz 4 der oben genannten Vereinbarung her vorgeht. Dort hieß es: „Die Deutsche Post beantwortet diese Zuschriften ohne inhaltliche Auseinandersetzung sowie ohne Darlegung der Arbeitsweise der Zollver waltung. Unter Berücksichtigung einer individuellen Gestaltung der Antwortschreiben ist mitzuteilen, dass die DDR die für die Einfuhr von Gegenständen auf dem Postwege geltenden Rechtsvorschriften über das Internationale Büro des Weltpostvereins allen Mitgliedsländern mit der ‚Liste der verbotenen Gegenstände‘ bekannt gegeben hat.“364 DDR - Bürger, die als Absender oder Empfänger beanstandeter Sendungen auftraten, wurden nicht durch die Deutsche Post, sondern direkt von der Zollver waltung über Einziehungen informiert. Auch hier erfolgte eine sehr ungenaue Begründung. Die betroffenen Gegenstände seien entgegen den Rechtsvorschriften ein - oder ausgeführt worden. Außerdem wurde auch hier auf die „Liste der verbotenen Gegenstände“ ver wiesen.365 Nur ein Bruchteil der Absender oder Empfänger, die von den Eingriffen im Postverkehr betroffen waren, wandte sich mit Eingaben an zentrale Stellen der DDR. Über die Ursachen dafür lässt sich spekulieren. Insbesondere für DDR Bürger dürfte die Angst, aufgrund einer Eingabe erst recht ins Visier des Repressionsapparats zu gelangen, eine Rolle gespielt haben. Aber auch die Erfahrung, dass Eingaben zu Entscheidungen im Postverkehr großen Teils abgelehnt wurden, hat möglicher weise bei vielen zur Resignation geführt. Aus einer Analyse der Zollver waltung geht für das erste Halbjahr 1987 her vor, dass insgesamt lediglich 2 413 Eingaben zu Problemen im Postverkehr gestellt wurden. Die große Mehrheit der Eingaben kam von DDR - Bürgern und betraf dabei Sendungen, die diese empfangen sollten : 954 Personen beschwerten sich über Rückweisungen, Teil - und Gesamteinziehungen von Sendungen, 1 018 Eingaben wurden gestellt, um eine Ausnahmeentscheidung ( Sondergenehmigung ) zu erbitten und 441 Beschwerden lagen wegen fehlender Inhalte, wegen Nichtankunft, Verpackungsmängeln oder langen Laufzeiten von Sendungen vor.366 Es ist nicht ver wunderlich, dass die Einziehungs - und Begründungspraxis des Zolls von vielen Betroffenen oft als Willkür empfunden wurde. Zwei höchst 363 Vereinbarung über die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen der Zollver waltung der DDR und der Deutschen Post zur Durchführung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Postverkehrs vom 20. 3. 1987 ( BStU, MfS, Abt. M 543, Bl. 1–45). 364 Ebd., Bl. 37. 365 Vgl. Zollverwaltung der DDR, Postzollamt Schönebeck vom 25. 3. 1977 : Benachrichtigung über eine Teileinziehung ( BStU, MfS, HA XX /4 2648, Bl. 8). 366 Vgl. AKG der HA VI des MfS an die ZAIG des MfS vom 18. 9. 1987 : Analyse über die Bearbeitung der Eingaben, Beschwerden und Zuschriften der Bürger im Bereich der Zollver waltung der DDR im ersten Halbjahr 1987 ( BStU, MfS, ZAIG 25474, Bl. 10).

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unterschiedliche Eingaben, aus denen an dieser Stelle zitiert werden soll, machen dies deutlich. Zudem wird anhand der Beispiele erkennbar, dass die emotionale Reaktion auf die Zensurmaßnahmen sehr verschiedenartig ausfallen konnte. Zeigten sich DDR - Bürger häufig eingeschüchtert, so sind Eingaben von Bundesbürgern oft von Wut und Aggression geprägt. Zunächst die Eingabe einer DDR - Bürgerin aus Karl - Marx - Stadt vom 20. Juni 1977 : „An die Zollverwaltung der DDR, Postzollamt, 99 Plauen Betr. Ihre Benachrichtigung vom 16.6. B 061610. Vor 2 Tagen erhielt ich 1 Paket meines Sohnes aus Bremen, das Textilien meiner Schwiegertochter enthielt. Leider war von dem grünen Jackenkleid nur der Rock vorhanden, die Jacke fehlte. Wollen Sie mir diese bitte umgehend senden. Außerdem war ein harmloses Liederbuch – ohne politischen Inhalt – entnommen, das einer Kranken Freude und Trost bringen sollte. Bitte lassen Sie Ihre Menschlichkeit sprechen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar und würde auch darüber schweigen. Es liegt mir völlig fern, die DDR irgendwie zu schädigen. Mit freundlichem Gruß und Dank“.367

Der folgende Auszug aus dem Beschwerdeschreiben eines Absenders aus Neu Ulm vom 8. April 1972 steht stellvertretend für Beschwerden vieler Bundesbürger, die sich an der Begründung für Einziehungen stießen : „An die Zollverwaltung der russischen Besatzungszone Postzollamt Dresden Wegen ein paar Antirheumatabletten hat man einer alten Frau ein Osterpäckchen vorenthalten. Pfui ! Es wurde nämlich zurückgeschickt. Von Menschlichkeit kann wohl bei Euch anhand der angewandten Methoden bei Paketdurchsuchungen nicht die Rede sein. Wer in Paketen herumschnüffelt und daraus stiehlt, ist ein gemeiner Dieb und Verbrecher. [...] In einem Arbeiter - und Bauernstaat ist das Durchwühlen und Stehlen legal. Das gibt es in der ganzen Welt nicht, dass Geschenksendungen geöffnet und wegen eines Medikamentes zurückgeschickt werden. Mein Päckchen wurde unvollständig zurückgeschickt, weil es Antirheumatabletten ‚Togal‘ für meine kranke Mutter enthielt, die 80 Jahre alt ist. [...] Und diese Methode nennen Sie Menschlichkeit und Frieden ( wenn Kommunisten von Frieden sprechen, meinen sie Ausbeutung und Eroberung ). Das wird sich eines Tages aber bitter rächen, darauf warte ich schon lange ! Macht eure Schandmauer weg, dann werdet ihr sehen, wer Euch noch bleibt. Diebe und Gesindel, die etwas auf dem Kerbholz haben. Ihr braucht mich gar nicht auf die schwarze Liste setzen, denn ich komme nie in den Unrechtsstaat, wo ein Zuhälter regiert als ehem. Tippelbruder und Taugenichts. Wie können da die, die um Ulbricht herum sind, besser sein ! Und so etwas will in der Welt anerkannt werden !“368

Die Rücksendungs - , Einziehungs - und Beschlagnahmepraxis führte nicht nur bei Absendern und Empfängern zu Problemen, sondern brachte auch Spannungen zwischen der Zollver waltung und der Deutschen Post her vor. Unverständnis 367 Schreiben an die Zollver waltung der DDR, Postzollamt, 99 Plauen vom 20. 6. 1977 (BStU, MfS, HA XX /4 2648, Bl. 57). 368 Schreiben an die Zollver waltung der DDR, Postzollamt Dresden, vom 8. 4. 1972 ( BStU, MfS, BV Dresden Abt. XX 11682, Bl. 1).

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bestand vor allem über die Verfahrensweise der Zollverwaltung, bestimmte Postsendungen ohne Beschlagnahmeprotokoll und ohne Benachrichtigung des Empfängers einzuziehen. In einer Einzelinformation der Zentralen Auswertungs und Informationsgruppe des MfS hieß es diesbezüglich : „Damit gerate die Deutsche Post bei der Bevölkerung unverschuldet in den Verdacht, dass sich die Quote der Unzuverlässigkeit und der Beraubungen auf dem Postwege ständig erhöhe. Dabei gehen die Anschuldigungen von Mitarbeitern der Deutschen Post gegen die Zollverwaltung der DDR so weit, dass verschiedentlich von Verletzungen der sozialistischen Gesetzlichkeit gesprochen wird.“369 Die feste Einbindung der Postzollämter in die „politisch - operative Arbeit“ des MfS bedingte jedoch, dass Sendungen abweichend von dem behandelt werden, was Mitarbeiter der Post erwarteten, die von den „internen Verfahrensweisen“ des Zolls keine Kenntnis hatten. So kam das MfS schließlich zu dem Schluss : „Durch diese Unkenntnis der Situation erweisen sich auch über wiegend die Kritiken von Mitarbeitern der Deutschen Post an der Arbeit der Zollver waltung bei genauer Überprüfung als vollkommen unberechtigt.“370 Insbesondere nach Unterzeichnung des KSZE - Vertrags von Helsinki durch die DDR im Jahre 1974 geriet die Staatssicherheit zunehmend in Bedrängnis, was das vielfache Verschwinden von Postsendungen anging. In westlichen Massenmedien wurde häufig über derartige Fälle berichtet. Die Bevölkerung der Bundesrepublik wurde aufgefordert, jeden Verlust von Postsendungen, die den Empfänger in der DDR nicht erreichten, der Bundespost zu melden. Aus Furcht vor „politischen Angriffen“ erhielten die Abteilungen M und Postzollfahndung im Jahr 1976 explizit folgende Anweisung : „Politisch - operative Entscheidungen über das Einbehalten von Postsendungen sind [...] mit noch größerer Sorgfalt und unter Beachtung der Entwicklung der politisch - operativen Lage zu treffen, ohne dass dadurch dem Gegner im grenzüberschreitenden Postverkehr eine Chance gegeben wird, Postverbindungen zwischen Bürgern der BRD bzw. Westberlins und Bürgern der DDR zu feindlichen Handlungen zu missbrauchen.“371 Die Kontrolle des Paket - und Päckchenverkehrs stand in den 1970er und 1980er Jahren immer mehr im Zwiespalt zwischen „politisch richtigen Entscheidungen“ auf der einen Seite und der „Verhinderung der politisch - ideologischen Diversion“ auf der anderen Seite. Diese Situation spitzte sich in den letzten Jahren vor der Friedlichen Revolution weiter zu.

369 MfS von Juni 1964 : Einzel - Information über einige Differenzen zwischen dem Ministerium für Post - und Fernmeldewesen und der Zollver waltung der DDR hinsichtlich von Verlusten bei Postsendungen aus Westdeutschland und Westberlin ( BStU, MfS, ZAIG 913, Bl. 2). 370 Ebd., Bl. 6. 371 Schreiben des 1. Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit vom 19. 2. 1976 ( BStU, MfS, BdL / Dok. 005550, 1. Ex., Bl. 1 f.).

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3.5

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Grenzen der Paket - und Päckchenüberwachung

Zu Beginn der 1980er Jahre wies das politische System der DDR unverkennbar krisenhafte Symptome auf. Die Krise der Planwirtschaft und die in deren Folge auftretende Devisenknappheit und mangelhafte Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern zwangen die Staatsführung zunehmend, gegenüber der Bundesrepublik eine „Dialogpolitik“372 zu betreiben. Am 29. Juni 1983 gab der Sprecher der Bundesregierung, Peter Boenisch, bekannt, sie werde die Bürgschaft für einen Kredit über eine Milliarde Mark an die DDR übernehmen. Kreditgeber war ein Konsortium westdeutscher Banken, als Konsortialführer waltete die Bayerische Landesbank. Der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, führte die Verhandlungen, meist hinter verschlossenen Türen und im Vier - Augen - Gespräch mit dem „DDR - Devisenbeschaffer“ Alexander Schalck Golodkowski. Der Milliardenkredit zeigte offenkundiger denn je die längst schon bestehende finanzielle Abhängigkeit des SED - Regimes vom „Klassengegner“. Die Bundesrepublik erhoffte sich durch die Unterstützung eine Verbesserung der deutsch - deutschen Beziehungen, vor allem in humanitären Fragen. Als Gegenleistung für den Milliardenkredit sagte die DDR - Seite zivile Umgangsformen bei der Grenzabfertigung, den Abbau der Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze, den Wegfall des Mindestumtauschs für Kinder unter 14 Jahren bei der Einreise in die DDR und Erleichterungen für DDR - Bürger bei Reisen in dringenden Familienangelegenheiten zu. Einige Jahre später folgte ein zweiter Milliardenkredit und kurz nach dem Besuch Erich Honeckers in der Bundesrepublik am 7. September 1987 wurde ein weiteres Zugeständnis verkündet. Es betraf unmittelbar die Arbeit der Zollver waltung, insbesondere der Grenz und Postzollämter. Am 28. September 1987 informierte der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, in einer vertraulichen Verschlusssache die Leiter der Diensteinheiten des MfS unter anderem über Veränderungen der Ein - und Ausfuhrbestimmungen der DDR für den grenzüberschreitenden Reise - und Postverkehr.373 Dort hieß es unter anderem : „Die Ein - und Ausfuhrbestimmungen der DDR für den grenzüberschreitenden Reise und Postverkehr werden ab 1. 11. 1987 wie folgt verändert : Aufhebung des Einfuhrverbotes für periodisch erscheinende Presseerzeugnisse, die nicht in der Postzeitungsliste der Deutschen Post enthalten sind, sowie für Adressenverzeichnisse, Kalender, Almanache, Jahrbücher und Briefmarkenkataloge. Bestehen bleibt ein Verbot der Einfuhr von Literatur, sonstigen Druckerzeugnissen oder anderen Materialien, wenn sie gegen die Erhaltung des Friedens gerichtet sind, revanchistischen, faschistischen oder pornographischen Inhalt haben oder in anderer Weise den Interessen der DDR und ihrer Bürger widersprechen. Unter Beachtung dieser 372 Schreiben der HA XX des MfS vom 14. 4. 1988 : Bericht über den Besuch einer Informationsausstellung der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA XX 11005, Bl. 3). 373 Vgl. Erich Mielke an die Leiter aller Diensteinheiten des MfS vom 28. 9. 1987 : Veränderungen im grenzüberschreitenden Reiseverkehr zwischen der DDR und nichtsozialistischen Staaten bzw. Westberlin, der Einreisemöglichkeiten in die DDR sowie der Ein und Ausfuhrbestimmungen der DDR für den grenzüberschreitenden Reise - und Postverkehr ( BStU, MfS, BV Magdeburg, BdL / Dok. 445, Bl. 3–7).

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Voraussetzungen werden künftig Periodika der Gebiete Sport, Mode, Hobby ( Haus, Garten, Heimwerker, Tiere ), Freizeit und gesunde Lebensweise, Natur wissenschaft, Technik, Informatik, Bauwesen, Medizin, Altertumswissenschaft sowie Kalender, Jahrbücher, Briefmarken - und Münzkataloge zur Einfuhr zugelassen. Die Einfuhr von Tageszeitungen und Zeitschriften mit überwiegend politischem Charakter wird mit dem Verbot für Druckerzeugnisse, die den Interessen des sozialistischen Staates widersprechen, verhindert. [...] Zulassung der Einfuhr von Tonbandkassetten und Magnettonbändern. Für die Einfuhr bespielter Kassetten gelten die gleichen Grundprinzipien des Einfuhrverbots wie für Literatur, sonstige Druckerzeugnisse und andere Materialien ( z.B. Schallplatten ). [...] Zulassung der vorübergehenden Ein - und Wiederausfuhr von Videogeräten und einer angemessenen Anzahl Videokassetten als Reisegebrauchsgegenstände in Übereinstimmung mit Dauer und Zweck der Reise. [...] Erweiterung der Einfuhrmöglichkeiten von Arzneimitteln im Geschenkpaket - und - päckchenverkehr.“374

Aufgrund dieser Veränderungen kam es zu einem sprunghaften Anstieg des Versands von Druckerzeugnissen. So konstatierte der Leiter der Zollver waltung in einem Bericht vom 29. März 1988 : „In jeder 19. Paket - und Päckchensendung befinden sich nunmehr Druckerzeugnisse. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres betraf dies jede 42. und des Jahres 1983 jede 58. Paket - und Päckchensendung.“375 Auch der Stellvertreter des Leiters der Zollver waltung, Günther Arndt, konstatierte bereits wenige Monate nach Inkrafttreten der neuen Regelung eine „beträchtliche Zunahme bei der Einfuhr westlicher Druckerzeugnisse und Informationsträger ( Schallplatten, Video - Kassetten und Tonbänder )“.376 Gleichzeitig verlangten die neuen Ein - und Ausfuhrbestimmungen ein weitaus differenzierteres Vorgehen bei der Bewertung des Inhalts der Sendungen. Die fortan geltenden Regelungen stellten an die Prüfung qualitativ höhere Ansprüche, während sich der Umfang der zu prüfenden Sendungen gleichfalls erhöhte. Unklarheiten bei der Einfuhrfähigkeit von Literatur bestanden beispielsweise bei Autoren, die sich als ehemals führende Politiker, Journalisten etc. für die deutsch - deutsche Entspannungspolitik stark machten, deren Schriften aber dennoch zum Teil „antisozialistisch“ eingestuft wurden. Dazu zählten unter anderem Bücher von Helmut Schmidt, Günter Gaus und Herbert Wehner. „Entscheidungen dazu wurden unter strikter Beachtung der aktuellen politischen Situation, des Umfangs der Einfuhr und des Charakters der beteiligten Personen getroffen.“377 Innerhalb eines Vierteljahres, im Zeitraum vom 1. November 1987 bis 29. Februar 1988, wurden durch die Postzollämter 13,8 Millionen Postsendungen bearbeitet. Damit war das Sendungsaufkommen in der DDR ca. 30 Mal 374 Ebd., Bl. 4–6. 375 Schreiben des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 29. 3. 1988 : Zu den Ergebnissen und Entwicklungen in Durchsetzung der am 1. November 1987 in Kraft getretenen Maßnahmen ( BStU, MfS, ZAIG 22821, Bl. 3). 376 Ebd., Bl. 3. 377 Vgl. Schreiben der HA XX des MfS vom 14. 4. 1988 : Bericht über den Besuch einer Informationsausstellung der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA XX 11005, Bl. 4).

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höher als in der Sowjetunion, in der jährlich ca. zwei Millionen Einfuhrsendungen bearbeitet wurden. Von diesen 13,8 Millionen Paketen und Päckchen enthielten 1,25 Millionen Sendungen Literatur, Druckerzeugnisse und andere Informationsträger, von denen 47 000 zurückgewiesen wurden.378 In erheblichem Maße waren Verlage aus der Bundesrepublik dafür verantwortlich, dass verstärkt Druckerzeugnisse in die DDR eingeführt wurden.379 Sie entwickelten Strategien, mit denen sie aufgrund der veränderten Bestimmungen Zeitschriften im direkten Abonnementversand an DDR - Bürger verschicken konnten. So inserierten die Verlage in ihren eigenen Publikationen, dass Bundesbürger sogenannte „Geschenk - Jahresabonnements“ für DDR - Bürger zum Preis von durchschnittlich 40 DM erwerben können und der Verlag selbst den Versand in die DDR übernimmt.380 Die so auf den Weg gebrachten Zeitschriften galten allesamt als einfuhrfähig, wurden aber, nach Abstimmung mit der HA VI des MfS, zurückgewiesen, wenn nachgewiesen werden konnte, dass diese direkt durch die Verlage verschickt wurden.381 Der Burda - Verlag ging daraufhin dazu über, die für die DDR bestimmten Sendungen per Hand zu beschriften und als Absender Namen von natürlichen Personen unter der Absenderanschrift des Verlags zu ver wenden.382 Doch diese Methode wurde von den Zollkontrolleuren schnell durchschaut. Infolgedessen wurden monatlich zwischen 1500 und 2 000 Sendungen zurückgewiesen.383 Ebenfalls mit Misstrauen beobachteten die Kontrolleure, dass DDR - Bürger immer häufiger in solchen Zeitschriften Annoncen aufgaben. In diesen vom MfS als „Bettelannoncen“ bezeichneten Inseraten baten sie beispielsweise um die Übersendung von getragenen Bekleidungsstücken, ausgedienten oder doppelten Fachzeitschriften ( z. B. Motorrad - oder Computerzeitschriften ) oder Computerteilen. „Solche Inserate stellen nicht nur in politisch diskriminierender Weise die Veranlassung rechtswidriger Einfuhren dar, [...] sie treten darüber hinaus vor allem in einfuhrfähigen Zeitschriften auf und sind mit Hinweisen oder Aufforderungen zu rechts-

378 Vgl. ebd., Bl. 3. 379 Insbesondere betraf dies den Verlag Anne Burda, Offenburg, mit den Zeitschriften „Burda“, „Burda - Moden“, „Carina“, „Anna“, „Verena“, „Bild und Funk“, den Verlag Gruner und Jahr, Hamburg, mit der Jugendzeitschrift „Bravo“, den Verlag Markt und Technik, Haar, mit dem Computermagazin „64er“, den Deutschen Briefmarken - Verlag, Nassau, mit der „Deutschen Briefmarken - Zeitung“ sowie den Verlag Jürgens KG, Germerring, mit der Zeitschrift für Kleintierzüchter und Naturfreunde „Geflügel - Börse“. Vgl. Information der Zollver waltung der DDR vom 13. 4. 1988 ( BStU, MfS, ZAIG 22821, Bl. 31). 380 Vgl. Schreiben der Zollver waltung der DDR vom März 1984 : Vorschläge zur künftigen Behandlung eingeführter Grobsenungen im grenzüberschreitenden Postverkehr ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 460, Bl. 8). 381 Vgl. Schreiben der HA XX des MfS vom 14. 4. 1988 : Bericht über den Besuch einer Informationsausstellung der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA XX 11005, Bl. 4). 382 Vgl. Information der Zollver waltung der DDR vom 13. 4. 1988 ( BStU, MfS, ZAIG 22821, Bl. 34). 383 Vgl. ebd., Bl. 33.

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widrigen Ausfuhren verknüpft, z. B. gegen Bezahlung mit ausfuhr verbotenen Briefmarken. Einzelne Annoncen lösen auch Nachfolgeannoncen aus.“384 Wenn Zöllner derartige Inserate feststellten, wurden die jeweiligen Nummern der Zeitschriften zur Einfuhr nicht zugelassen. Die neuen Regelungen hatten auch zur Folge, dass bereits nach drei Monaten die Anzahl der Sendungen mit Tonbandkassetten auf das Sechseinhalbfache anstieg. Waren es im Zeitraum November 1986 bis Februar 1987 21800 Pakete, die Kassetten enthielten, so stieg die Zahl im selben Zeitraum des nächsten Jahres auf 141900 an.385 Die veränderten Bestimmungen waren auch die Ursache dafür, dass zwar die Anzahl der Rechtsfolgemaßnahmen ( Teil - oder Gesamteinziehungen bzw. Rückweisungen ) um 97 Prozent zurückging, die Anzahl der zu kontrollierenden Gegenstände sich dabei aber extrem erhöhte.386 Ein „Hilferuf“ aus Dresden macht auf sehr konkrete Art deutlich, mit welch akuten Problemen die Postzollämter aufgrund der veränderten Bedingungen konfrontiert waren. Der Leiter des Hauptpostamtes 7 wandte sich „unter bewusster Umgehung geltender üblicher Instanzenwege“387 an das zuständige Politbüromitglied Egon Krenz. In dem Schreiben heißt es unter anderem : „Vor [ der Neuregelung ] waren relativ wenige Sendungen auf - und zuzupacken; jetzt liegt der Prozentsatz dafür bei 20 % und mehr bei Ankündigung weiterer Erhöhung. Täglich sind mehr als 1 500, oft mehr als 2 000 Sendungen so zu bearbeiten. [...] Oft entstanden [...] erhebliche Arbeitsrückstände und damit auch in der BRD bekanntwerdende vertragswidrige Verzögerungen in der Laufzeit von Postsendungen zwischen beiden deutschen Staaten. Sie wurden mittels Hau - ruck - Aktionen und Sonderschichten durch starke Einsatzgruppen sehr lohn - und prämienaufwändig schritt - und zeitweise wieder über wunden. [...] Hier waren schon über 1 200 verschiedene Einsatzkräfte tätig, vom Lehrling über qualifizierte Spezialisten des Nachrichtenwesens, über Gruppen von Bezirksparteischülern und Studenten, über Leiter von 100 km entfernten Post - und Fernmeldeämtern bis hin zu allen [...] Kadern der übergeordneten Bezirksdirektion, zu hohen Offizieren und Hochschuldozenten; alles für das einfache Auf - und Zupacken von Paketen, weil keine sinnvolleren Lösungen realisierbar waren. Der finanzielle Aufwand dafür geht oft ins Extreme, ja Groteske. Der Leiter des PZA Dresden reagierte auf wiederholte, von mir geduldig und begründet vorgetragene Vorschläge für gemeinsame Auswege aus der Situation wörtlich und sinngemäß mit Äußerungen wie ‚Das interessiert mich nicht, ich habe meine Befehle auszuführen.‘ [...] Sowohl die operativen Maßnahmen organisierenden Leiter als auch die Einsatzkräfte wissen, dass krasse Unterschiede zwischen den Kontrollumfängen im grenzüberschreitenden Reiseverkehr und im grenzüberschreitenden Postverkehr angewandt werden. Im Reiseverkehr geht die Kontrolle der Zollver waltung gegen Null, obwohl gleiche gesetzliche Beschränkungen erlassen sind. [...] Ich frage mich : Will die Zollver waltung unter diesen Bedingungen ein ideologisches ‚Mäuerchen‘ aufwändig erhalten ? Soll z.B. weiter jedes über den Postweg einfließende Druckwerk arbeitsauf384 Schreiben des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 29. 3. 1988 : Zu den Ergebnissen und Entwicklungen in Durchsetzung der am 1. November 1987 in Kraft getretenen Maßnahmen ( BStU, MfS, ZAIG 22821, Bl. 9). 385 Vgl. ebd., Bl. 11. 386 Vgl. ebd. 387 Leiter des Hauptpostamtes Dresden an Egon Krenz vom 24. 10. 1988 ( BStU, MfS, HA XIX 942, Bl. 4).

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wändig durch Augenschein geprüft werden, ob es gegen die Interessen der Bürger der DDR verstößt; im Reiseverkehr wird das aber nicht gemacht ? Was soll aufgehalten werden ? Ich bin der Auffassung, dass wir unsere Kraft wichtigerem zuwenden müssen.“388

In der Tat bestand zwischen der Kontrolldichte an Grenzzollämtern im Vergleich zu Postzollämtern eine erhebliche Diskrepanz. Im Reiseverkehr konnte bereits aus organisatorischen und technischen Gründen nicht an jedem Fahrzeug eine „Intensivkontrolle“ durchgeführt werden. Päckchen und Pakete konnten dagegen – wenn auch mit hohem Aufwand – inhaltlich vollständig kontrolliert werden. Allerdings wurde durch das gesteigerte Aufkommen von manuell zu überprüfenden Inhalten auch hier Ende der 1980er Jahre eine Kapazitätsgrenze erreicht. Zwar suchte man im MfS bis Mitte 1989 noch nach Auswegen aus dieser Situation, eine wirkliche Veränderung fand aber nicht mehr statt.389

4.

Nutzung der Potenziale des Zollfahndungsdienstes

4.1

Grundsätzliche Aufgaben der Bereiche Fahndungswesen

Der Zollfahndungsdienst ( ZFD ) der DDR war aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben in die Tätigkeit des MfS besonders stark involviert. Er war mit der Untersuchung schwerer Zoll - und Devisendelikte betraut. Infolge dessen mussten Zollfahnder nicht nur Vorgänge der Zollämter übernehmen und abschließend bearbeiten, sie waren auch selbst für die Aufklärung von bedeutenden „Straftaten“ verantwortlich. Die Arbeit der Bereiche Fahndungswesen bildete das Herzstück der zolldienstlichen Tätigkeit. Alle praktischen Ergebnisse und Erfahrungen aus den Kontrollen der Zollämter flossen in die Fahndungsarbeit ebenso mit ein wie theoretische und analytische Erkenntnisse. Mitarbeiter des Zollfahndungsdienstes wurden allesamt vom Leiter der Zollver waltung persönlich bestätigt.390 Sie waren durchweg Spezialisten auf dem Gebiet der Kriminalistik, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Im Befehl 2/77 des Leiters der Zollver waltung wird das grundsätzliche Tätigkeitsfeld des Zollfahndungsdienstes benannt : „Dem Zollfahndungsdienst als Untersuchungsorgan der Zollver waltung der DDR obliegt die zielgerichtete Aufdeckung, Untersuchung und vorbeugende Verhinderung aller Zoll - und Devisenstraftaten im Zusammenwirken mit den anderen Bereichen der Zollver waltung der DDR. [ Er ] hat in Erfüllung dieser Aufgaben einen wirksamen Beitrag zur Gewährleistung des umfassenden Schutzes der sozialistischen Staats - und Gesellschaftsordnung zu leisten.“391 Zur Lösung aller ihm zugewiesenen Aufgaben sollte der Zollfahndungsdienst „eine zielstrebige Ermittlungs - , Beobachtungs - , Abschöpfungs - , Untersuchungs388 Ebd., Bl. 6 f. 389 Vgl. ebd., Bl. 11 f. 390 Vgl. Befehl 2/77 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 26. 4. 1977 ( BStU, MfS, HA VI 16815, Bl. 291). 391 Ebd., Bl. 284 f.

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sowie Auswertungstätigkeit“392 durchführen. Dem Befehl 1/85 des Leiters der Zollverwaltung393 folgend, sind durch die Bereiche Fahndungswesen der Hauptver waltung und der Bezirksver waltungen „– die Gesamtprozesse der Bekämpfung und Zurückdrängung des organisiert betriebenen Schmuggels und der Spekulation im grenzüberschreitenden Verkehr und der damit im Zusammenhang stehenden Kriminalitätsschwerpunkte sowie Spekulationsstraftaten im Innern [...] zu organisieren, – der Missbrauch des Transitverkehrs von zivilen Personen und Gütern auf den Transitwegen ( Straße ) der DDR zwischen der BRD und Berlin ( West ) zu kriminellen und feindlichen Handlungen durch die Kontrolle und Überwachung von Personen und Transportmitteln zu verhindern, – die gegenüber Personen aus sicherheitsmäßig bedeutsamen Objekten sowie Territorien unter Missbrauch des grenzüberschreitenden Postverkehrs betriebene politischideologische Diversion und gegnerische Kontakttätigkeit zu bekämpfen und das diesbezügliche Wirken feindlicher Organisationen aufzuklären, – im Rahmen einer zielgerichteten Abschöpfungstätigkeit in der Zollkontrolle des Reiseverkehrs sicherheitsmäßig bedeutsame Informationen zu gewinnen und auszuwerten, – schwer wiegende Verletzungen des staatlichen Außenhandels - und Valutamonopols [...] aufzudecken und zu verfolgen und damit im Zusammenhang stehende feindliche Handlungen, insbesondere der staatsfeindliche Menschenhandel und ungesetzliche Grenzübertritte, im Zusammenwirken mit den zuständigen Diensteinheiten des Sicherheitsorgans wirksam zu bekämpfen“.394

All diese Aufgaben hingen unmittelbar mit dem „Schutz der sozialistischen Staats - und Gesellschaftsordnung“ zusammen. Aus diesem Grund war eine enge Zusammenarbeit mit dem MfS nahezu vorbestimmt. Im ZFD waren deshalb auch wie in keinem anderen Bereich der Zollver waltung OibE und IM der Staatssicherheit tätig. Jede Feststellung und jedes Ermittlungsverfahren des Zollfahndungsdienstes war dem MfS bekannt und floss bei gegebenem Interesse in die „operative Arbeit“ der Staatssicherheit mit ein. Für das MfS boten sich drei grundsätzliche Nutzungsmöglichkeiten aus der Arbeit der Zollfahnder : Zum einen erarbeitete der ZFD selbständig Informationen, die von der Staatssicherheit als Grundlage für eigene Ermittlungen genutzt wurden ( sogenannte Erstinformationen ). Zum anderen nutzte das MfS gezielt die Untersuchungsmöglichkeiten des ZFD, um die eigene Untersuchungstätigkeit zu beschleunigen bzw. auszuweiten. Darüber hinaus wurden durch die Zollfahndung oft Personen bekannt, die für das MfS „operativ interessant“ sein konnten. So leitete die Staatssicherheit aufgrund von Hinweisen des ZFD Sicherheitsüberprüfungen von bestimmten Personen ein oder nutzte die Hinweise des Zolls zur „Suche,

392 Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 7. 5. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 347). 393 Ebd., Bl. 345–362. Vgl. Referat des Stellvertreters des Leiters für Fahndungswesen der Zollverwaltung der DDR, Schröter, zur Dienstbesprechung vom 14. 8. 1985 ( BStU, MfS, HA IX 5362, Bl. 39). 394 Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 7. 5. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 347 f.).

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Auswahl und Gewinnung von inoffiziellen Mitarbeitern“.395 Auch in entgegengesetzter Richtung existierte ein Informationsfluss. 1985 basierten rund sechs Prozent der bearbeiteten Ermittlungsverfahren des ZFD auf Hinweisen des MfS, das die vermuteten „Haupttäter“ in ihren Untersuchungsabteilungen inhaftiert hatte.396

4.2

Aufgaben und Arbeitsweise der einzelnen Bereiche Fahndungswesen

Der Zollfahndungsdienst war in verschiedene Abteilungen untergliedert, die allesamt ihren Beitrag zur Erfüllung der Gesamtaufgabenstellung leisten sollten. Den Kern bildeten folgende vier Abteilungen : – – – –

I II III IV

( operative Vorgangsbearbeitung ) ( Untersuchungsabteilung ) ( Transitüberwachung und Beobachtung ) ( Auswertung, Information und zentrale kriminalistische Registrierung ).

Ebenfalls dem ZFD unterstanden die Abteilung Zollermittlung sowie das Sachgebiet Koordinierung und Technik. Während in der Hauptver waltung all diese Bereiche existierten, waren in den Bezirksver waltungen nur die Abteilungen I bis III tätig.397 Im Folgenden werden die einzelnen Bereiche näher vorgestellt. Abteilung I Die Abteilung I der Zollfahndung ( operative Vorgangsbearbeitung ) sollte in der Hauptver waltung und den Bezirksver waltungen gegen sämtliche schwere Straftaten vorgehen, die im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Zoll-, Devisen-, Suchtmittel - und Kulturschutzgesetz begangen wurden. Dafür wertete die Abteilung die Ergebnisse der anderen Bereiche der Zollver waltung – insbesondere der Zollämter – aus. Ebenso ging sie Hinweisen aus der Bevölkerung sowie der anderen „Schutz - und Sicherheitsorgane“ nach, die in ihren rechtlichen Zuständigkeitsbereich fielen.398 Auf dieser Grundlage erfolgte anschließend eine möglichst umfassende Beweisführung und die „allseitige Aufklärung der Persönlichkeit der Verdächtigen“,399 um über das weitere Vorgehen entscheiden zu können – beispielsweise die Einleitung strafprozessualer oder anderer Maßnahmen. In eigenständiger Tätigkeit sollte die Abteilung I bestimmte Organisa395 Kreck, Abteilung Zollfahndung. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1982, S. 24 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS /303/82). 396 Vgl. Referat des Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen der Zollver waltung der DDR, Schröter, zur Dienstbesprechung vom 14. 8. 1985 ( BStU, MfS, HA IX 5362, Bl. 39). 397 Vgl. Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 7. 5. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 350). 398 Vgl. ebd., Bl. 350 f. 399 Ebd., Bl. 351.

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tionen „aufklären“, insbesondere wenn diese in den Verdacht gerieten, zur „politisch - ideologischen Diversion“ sowie zur „gegnerischen Kontakttätigkeit“ beizutragen.400 Mit der Bekämpfung der „politisch - ideologischen Diversion“ und der „gegnerischen Kontakttätigkeit“ war in erster Linie die Überprüfung des Postverkehrs nach „antisozialistischer und klerikaler“ Literatur sowie nach „Organisationssendungen“ gemeint, vorrangig aus der Bundesrepublik und Westberlin. „Organisationssendungen“ waren Hilfssendungen von karitativen Vereinen, die als Geschenkpakete und Päckchen getarnt in die DDR geschickt wurden. Aus den Ergebnissen der Vorgangsbearbeitung erstellte die Abteilung I konkrete Vorgaben für die Zollämter, sodass diese möglichst zielgerichtet Kontrollen durchführen konnten. Der Abteilung I waren vier Sachgebiete sowie diverse „Operativgruppen“ untergeordnet, welche die praktische Bearbeitung der verschiedenen Vorgänge realisierten. Anhand konkreter Aufgaben, welche die Abteilungen I zu lösen hatten, werden diese näher vorgestellt. Zuständig für die „Zurückdrängung von Zollstraftaten“, insbesondere des „Schmuggels und der Spekulation“, waren die Sachgebiete 1 und 3 des ZFD in der Hauptverwaltung sowie die Sachgebiete 1 in den Bezirksverwaltungen. Wurden diesbezügliche Hinweise bekannt, entschieden diese Sachgebiete, ob diese Fälle an andere zuständige Bereiche innerhalb bzw. außerhalb der Zollver waltung abgegeben, oder in eigener Zuständigkeit weiterbearbeitet werden sollten. Im letztgenannten Fall leiteten die Mitarbeiter der beiden Sachgebiete entweder „Operative Verfahrensvorgänge“ ( OVV ), „Operative Zentralvorgänge“ ( OZV ) oder „Aufklärungsvorgänge“ ( AV ) ein.401 Alle Vorgänge hatten zum Ziel, die 400 Vgl. Gürtler, Stellvertreterbereich für Fahndungswesen. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1988, S. 20 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /282/88). 401 In der 1. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 20. 12. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 368 f.) sind die drei verschiedenen Vorgänge folgendermaßen definiert : „Operative Verfahrensvorgänge sind zur kurzfristigen Ermittlung und Aufklärung von überschaubaren relevanten Sachverhalten mit einer begrenzten Anzahl von Personen bei vorliegenden Hinweisen auf Schmuggel und Spekulation sowie Straftaten und anderen Rechtsverletzungen im kommerziellen und nichtkommerziellen Warenverkehr zu eröffnen. Auf der Grundlage sach - und tatbestandsbezogener Ermittlungen sind gesetzlich zulässige Beweise zum Vorliegen von Straftaten bzw. Verstößen gegen die Zoll - , Devisen - , Edelmetall - , Suchtmittel - und Kulturgutschutzgesetze oder andere gesetzliche Bestimmungen zu schaffen. [...] Operative Zentralvorgänge sind zur Aufdeckung und Beseitigung von überbezirklichen Kriminalitätsschwerpunkten mit sachlich und personell bekannten Zusammenhängen durch die Abteilung I des Bereiches Fahndungswesen der Hauptver waltung zu eröffnen und zentral zu führen. Einzelsachverhalte sind in operativen Verfahrensvorgängen als Teilvorgänge der OZV durch die örtlich zuständigen Abteilungen I der Bereiche Fahndungswesen der Bezirksver waltung zu bearbeiten. [...] Aufklärungsvorgänge sind zur Erkennung und zielgerichteten Bekämpfung von Kriminalitätsschwerpunkten, insbesondere Konzentrationen von Rechtsverletzungen im grenzüberschreitenden Verkehr bzw. im Inneren der DDR sowie zur Zerschlagung der handelnden Personengruppen zu eröffnen. Durch die Bearbeitung von Aufklärungsvorgängen sind verdächtige Personen und Gruppen zu identifizieren, Stützpunkte sowie

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verdächtigen Personen zu identifizieren und Beweise für Rechtsverletzungen zu schaffen. „Zur Herbeiführung politisch und rechtlich begründeter Entscheidungen sind die Umstände der Handlung, die Persönlichkeit des Täters sowie seine Motive und die mit der Handlung verfolgten Ziele, die eingetretenen und möglichen Folgen der Tat sowie die begünstigenden Bedingungen tatstandsbezogen umfassend zu ermitteln.“402 In der 1. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jedes Vorgehen gegen Einzelpersonen zuvor mit dem MfS abgesprochen werden musste. Die „zentrale Abstimmung“ erfolgte dabei über das Sachgebiet Koordinierung und Technik des Bereichs Fahndungswesen der Hauptver waltung.403 Mitte der 1980er Jahre resultierten über 45 Prozent der eingeleiteten Vorgänge aus dem Bereich des Schmuggels und der Spekulation aus der eigenständigen analytischen Tätigkeit der Abteilungen I sowie der Untersuchungstätigkeit der Abteilungen II des ZFD. Die übrigen Hinweise wurden von Zollämtern, weiteren Bereichen der Zollverwaltung sowie vom MfS und der Volkspolizei herausgearbeitet.404 Ebenfalls in dieser Zeit konzentrierten sich 36 Prozent der vom Zollfahndungsdienst bearbeiteten Vorgänge auf die Zurückdrängung des Handels mit „hochwertigen elektronischen Erzeugnissen“.405 Weitere 27 Prozent entfielen auf Vorgänge im Zusammenhang mit Edelmetallschmuggel.406 Hierbei wurden insbesondere Silbererzeugnisse aus Polen in der DDR verkauft und die Erlöse über die Staatsgrenze Ost nach Polen gebracht. 17 Prozent der „operativen Vorgänge“ entfielen auf die illegale Einfuhr von anderen Waren über diese Staatsgrenze.407 Mit dem Vorgehen gegen „Schmuggel und Spekulation“ sollten nicht nur negative Auswirkungen auf das staatliche Außenhandelsmonopol vermieden werden. Wie es der Leiter der Zollver waltung auf einer Dienstberatung am 16. Dezember 1976 formulierte, wurde gegen „Schieber und Spekulanten“ auch deshalb vorgegangen, um „dadurch Erscheinungen der Demoralisierung bei Bürgern unserer Republik zu begegnen. In dieser Hinsicht [leistet die Zollverwaltung ] einen Beitrag zur Festigung der sozialistischen Denkund Verhaltensweisen und zur Bekämpfung der Einflüsse der bürgerlichen Ideo-

402 403 404 405 406 407

Schmuggelkanäle im abgestimmten Vorgehen mit den operativen Bereichen der Zollver waltung sowie anderen Schutz - und Sicherheitsorganen aufzuklären. Es sind durch die ständige Analysierung des Kiminalitätsgeschehens und operativer Maßnahmen Einzelsachverhalte zu Personen und Gruppen herauszuarbeiten, die in operativen Verfahrensvorgängen mit dem Ziel der kurzfristigen Realisierung weiterbearbeitet werden können.“ Ebd., Bl. 368. Vgl. ebd., Bl. 373. Vgl. Referat des Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen der Zollver waltung der DDR zur Dienstbesprechung vom 14. 8. 1985 ( BStU, MfS, HA IX 5362, Bl. 27). Vgl. ebd., Bl. 21. Vgl. ebd., Bl. 25. Vgl. ebd.

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logie und Moral, die vor allem seitens der herrschenden Kreise der BRD systematisch verbreitet werden“.408 Die Zollfahnder hatten bei der Vorgangsbearbeitung alle Befugnisse, die sich aus dem Paragraph 5 des Zollgesetzes ergaben. Sie arbeiteten unter Anwendung von kriminalistischen Methoden. Sie ermittelten – teils offen, teils legendiert – indem sie Auskünfte von Personen, Betrieben und anderen Institutionen einholten, sie besichtigten „konspirativ“ relevante Tat - und Ereignisorte ( dazu zählten beispielsweise Wohnungsdurchsuchungen )409 sowie Gegenstände, die mit der Untersuchung in Zusammenhang standen. Sie beobachteten Personen und Transportmittel, insbesondere in Zusammenarbeit mit der Abteilung III des ZFD. Die Fahnder konnten zudem die Zollämter anweisen, zielgerichtete Kontrollen vorzunehmen oder sie führten diese nach Abstimmung mit den Leitern eigenständig durch. Zollfahnder waren angewiesen, die „operativen Möglichkeiten, die sich aus dem Zusammenwirken mit dem Sicherheitsorgan und der Deutschen Volkspolizei ergeben“,410 zu nutzen. Wenn im Rahmen der Ermittlungen Hinweise auf „feindliche Handlungen oder Straftaten der allgemeinen Kriminalität“ bekannt wurden, mussten – je nach Zuständigkeit – die Staatssicherheit bzw. die Deutsche Volkspolizei unverzüglich schriftlich informiert werden. „Werden durch die Mitarbeiter des SG [Sachgebiets ] I der Abteilung Zollfahndung im ersten Angriff oder während der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren Informationen oder Hinweise bekannt, die für das MfS von Interesse sind und vorerst unterhalb der Schwelle einer offiziellen Übergabe des gesamten Sachverhaltes an das MfS liegen, werden diese Erkenntnisse über den StFW [ Stellvertreter für Fahndungswesen ] bzw. über den Leiter des SG I unverzüglich an die Abteilung VI [ des MfS ] und durch diese [...] an die betreffende Diensteinheit weitergeleitet.“411 Die Mitarbeiter des Sachgebiets 1 erstellten am Ende eines Operativvorgangs einen Abschlussbericht, der eine zusammenfassende Darstellung der Ermittlungsergebnisse enthielt. Dieser wurde dem Leiter der Abteilung I übermittelt, der zum Abschluss der Vorgangsbearbeitung eine Entscheidung treffen musste: Entweder wurde der Vorgang an die Abteilungen II übergeben, d. h., die Untersuchungsabteilung des ZFD übernahm den Fall zur Prüfung und Einleitung strafprozessualer Maßnahmen. Oder der Vorgang wurde in Form eines „Sachstandsberichts“ an die Abteilung Zollrecht weitergeleitet ( und vorläufig eingestellt ), da die Voraussetzungen zur Einleitung strafprozessualer Maßnahmen nicht gegeben waren. Eine dritte Möglichkeit bestand darin, dass der Vorgang in Form eines Sachstandsberichts an die Deutsche Volkspolizei bzw. an das MfS überge408 Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 88 f.). 409 Vgl. Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, Sachgebiet III vom 6. 2. 1982 : Bericht zur legendierten Maßname zur Ermittlungsakte „Damm“ ( BStU, MfS HA VI 8857, Bl. 18 f.). 410 Ebd., Bl. 370. 411 Kreck, Abteilung Zollfahndung, S. 31 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS /303/82).

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ben wurde, da sich herausstellte, dass die Zollver waltung für die abschließende Bearbeitung nicht zuständig war. In jedem Fall behielt sich die Staatssicherheit vor, sämtliche Vorgänge, Sachstands - und Abschlussberichte von der Zollver waltung abzufordern.412 Ein konkreter Fall, der die Zusammenarbeit zwischen dem Sachgebiet I und der Abteilung IX der Staatssicherheit verdeutlicht, wurde in einer an der Juristischen Hochschule des MfS verfassten Diplomarbeit als beispielhaft her vorgehoben : „Nach Anstiftung durch einen Bürger der BRD versandte ein DDR - Bürger im Rahmen der Vorbereitung des ungesetzlichen Verlassens der DDR mit seiner Familie zur Vermögenssicherung in mehreren Handlungen in seinem Besitz befindliche und auch speziell zu diesem Zweck erworbene Briefmarken und Sonderpostwertzeichen in die BRD. Diese ungesetzliche Briefmarkenausfuhr stellte sich anfangs für die bearbeitende Diensteinheit des MfS [Abteilung Postzollfahndung] als Zollrechtsverletzung dar. Nachdem in einer Sendung in die BRD neben wertvollen Briefmarken drei Negative, geeignet zur Anfertigung von Passbildern der Familienmitglieder, festgestellt worden waren, wurden in enger Abstimmung zwischen der vorgangsbearbeitenden Abteilung, der Abteilung IX und dem StFW [ Stellvertreter für Fahndungswesen der Zollverwaltung ] Möglichkeiten gefunden, diese gesicherte Sendung offiziell zum Ausgangspunkt für eine Anzeigenprüfung zum Verdacht des Vorliegens einer Zollstraftat zu nehmen. Dabei bestand die Zielstellung, über den Nachweis des Zolldelikts Beweise für die Vorbereitung des ungesetzlichen Verlassens der DDR zu erarbeiten. Im Rahmen der Anzeigenprüfung durch das SG I [ Sachgebiet I ] Abteilung Zollfahndung bestätigte sich der Verdacht des Vorliegens einer Zollund Devisenstraftat und der Vorbereitung des ungesetzlichen Verlassens der DDR. Nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wurde der gesamte Sachverhalt von der Abteilung IX übernommen. Beiden Ehepartnern konnte die Vorbereitung und der Versuch einer Straftat gemäß § 213 StGB nachgewiesen werden. Es war vorgesehen, die DDR unter Verwendung gefälschter Pässe über das sozialistische Ausland zu verlassen.“413

Das Sachgebiet 2 der Abteilung I des ZFD war spezialisiert auf die „unter Missbrauch des grenzüberschreitenden Geschenkpaket - und - päckchenverkehrs betriebene politisch - ideologische Diversion und gegnerische Kontakttätigkeit“.414 In erster Linie war damit das Wirken sogenannter „feindlicher Organisationen“ gemeint. So wurden westdeutsche karitative Organisationen bezeichnet, die mittels Päckchen und Paketen Hilfssendungen in die DDR schickten. Bei der Zurückdrängung des „Organisationsversandes“ arbeitete das Sachgebiet II eng mit den Postzollämtern sowie mit der Staatssicherheit zusammen. Ihre Aufgabe war laut der 2. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung, Personen festzustellen, die Kontakte zu solchen Organisationen im westlichen Ausland unterhielten. Weiter heißt es : „Durch eine zielgerichtete Ermittlungstätigkeit sind nach vorheriger Abstimmung der Personen mit dem Sicherheitsorgan der Charakter dieser Kontakte umfassend zu erarbeiten sowie zu beweisen. Insbesondere ist durch die Fahndungs - und Ermittlungstä412 1. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 20. 12. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 375). 413 Kreck, Abteilung Zollfahndung, S. 30 ( BStU, MfS, JHS / MF / VVS /303/82). 414 2. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 20. 12. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 384).

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tigkeit ein wirksamer Beitrag zur Verhinderung nachrichtendienstlicher Tätigkeit, ungesetzlicher Grenzübertritte, Schaffung gegnerischer Stützpunkte in der DDR sowie anderer subversiver Handlungen zu leisten.“415 Grundlage für die durch das Sachgebiet II eingeleiteten Vorgänge ( OZV und AV ) bildeten Ausgangsmaterialien zu Personen, Organisationen usw., die von der Staatssicherheit übergeben wurden. Daran schlossen sich Fahndungsmaßnahmen der Postzollämter an, d. h., die Postzollämter wurden instruiert, nach Sendungen bestimmter Absender und Empfänger zu suchen. Darüber hinaus erarbeitete das Sachgebiet auf Basis aktueller Erkenntnisse Materialien, die in allgemeiner Form Hinweise zur Erkennung von Postsendungen „feindlicher Organisationen“ gaben und stellte diese den Postzollämtern zur Verfügung.416 Die Ermittlungstätigkeit erfolgte – unter der spezifischen Aufgabenstellung – wie für das Sachgebiet 1 bereits beschrieben. Auch deren Beendigung in Form von Sachstands - und Abschlussberichten ging analog vonstatten.417 Das Sachgebiet 2 führte darüber hinaus die „zentrale Schriftenfahndung“ des Zollfahndungsdienstes durch. Laut der 7. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung diente die zentrale Schriftenfahndung vor allem dazu, den Schmuggel und die Spekulation mit Briefmarken durch ausländische Philatelisten und Zulieferer aus der DDR zu unterbinden. DDR - Bürger ver wendeten oft anonyme und pseudonyme Absenderangaben, um auf dem Postweg Briefmarken zur Ausfuhr zu bringen. Diese Sendungen wurden von den Postzollämtern eingezogen. Die Mitarbeiter des Sachgebiets 2 analysierten anschließend die Absenderangaben mit dem Ziel, durch den Vergleich der Schriften und weiterer Merkmale die Sendungen einander zuordnen und Ermittlungen einleiten zu können. Auch hier erfolgte eine direkte Zusammenarbeit mit entsprechenden Stellen der Staatssicherheit : „Zum Nachweis der Schrifturheberschaft und zur Erarbeitung von Fahndungshinweisen sind Expertisen des Sicherheitsorgans einzuholen.“418 Die Operativgruppen des ZFD wurden vom Leiter der Zollver waltung an sicherheitspolitisch besonders bedeutsamen Grenzzollämtern eingesetzt. Ihr Aufgabenspektrum war vielseitig. Es reichte von der Eindämmung von „Schmuggel und Spekulation“ sowie des Rauschgiftschmuggels über die Abwehr von „Feindtätigkeit, insbesondere terroristische Angriffe, Untergrundtätigkeit und Spionage“ bis hin zur Verhinderung „ungesetzlicher Grenzübertritte“.419 Zusammen mit den PKE und den GZÄ waren sie darüber hinaus angewiesen, „durch eine zielgerichtete Abschöpfungstätigkeit Informationen zu erarbei415 Ebd. 416 Vgl. ebd., Bl. 386. 417 Vgl. Ermittlungsbericht des Zollfandungsdienstes der Bezirksver waltung der Zollver waltung der DDR Fankfurt ( Oder ) vom 20. 5. 1987 ( BStU, MfS, KD Finster walde 201, Bl. 5–12; 46–53). 418 Vgl. 7. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 17. 12. 1987 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 483). 419 3. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 20. 12. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 393 f.).

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ten.“420 Die erarbeiteten Informationen wurden durch die Nutzung der Speicher der Zollver waltung verdichtet und über den Stellvertreter für Fahndungswesen der Hauptver waltung an das „Sicherheitsorgan“ übermittelt. Wegen der hohen Zahl an Reisenden – insbesondere aus westlichen Ländern – waren die Operativgruppen an der Flughafen - GÜSt Berlin - Schönefeld sowie an den Eisenbahn - GÜSt Seddin und Berlin - Friedrichstraße von besonderer Bedeutung. Ebenso wichtig waren die Operativgruppen an den Flughäfen Leipzig und Dresden, die nur über den Zeitraum der Leipziger Messen gebildet wurden.421 Im Rahmen der Zollabfertigung durchsuchten operative Ermittler „konspirativ“ – also von den Reisenden unbemerkt – Gepäckstücke und Güter. An Flughäfen bedingte die Abfertigung in jedem Fall eine Isolierung der Reisenden von ihrem Gepäck. An den Eisenbahn - GÜSt war dieser Umstand ebenfalls gegeben, wenn gesuchte Gegenstände sich in den Gepäckwagen befanden. Bei Gepäckstücken aus den Reisewagen musste wie an den Straßen - GÜSt ( gegebenenfalls unter einem Vor wand ) durch die Zollkontrolleure eine Trennung der Reisenden von ihrem Gepäck herbeigeführt werden. In den allermeisten Fällen fanden „konspirative Durchsuchungen“ auf Anweisung der Passkontrolleinheiten statt. In eigener Entscheidung übernahmen die Operativgruppen außerdem Sachverhalte von Zollämtern, wenn diese zur Erfüllung ihrer oben genannten Aufgaben geeignet waren. Aufgrund der Befehlslage waren die Operativgruppen den Leitern der jeweiligen Abteilungen I des ZFD unterstellt. Die Leiter der Operativgruppen selbst waren in den Disziplinarbefugnissen den Leitern der jeweiligen Zollämter gleichgestellt. Die Organisationsstruktur und Arbeitsweise der Operativgruppen sollte ausdrücklich verschleiert werden. So heißt es in der 3. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung : „Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Abschöpfungstätigkeit, insbesondere die mögliche bzw. eingetretene Gefährdung der Geheimhaltung und der Arbeitsweisen und erarbeiteten Informationen sind gegenüber dem Leiter der Abteilung I des Bereiches Fahndungswesen der Hauptver waltung sofortmeldepflichtig. [...] Bei der Klärung von Vorkommnissen ist eng mit dem Sicherheitsorgan zusammenzuwirken.“422 Um die Arbeit der Operativgruppen auf einem „hohen qualitativen Niveau“ zu gewährleisten, stand ihnen eigens das Sachgebiet 4 zur Seite, das ( anders als die anderen Sachgebiete) nur in der Hauptverwaltung des ZFD, nicht jedoch analog in den Bezirksver waltungen existierte. Es erarbeitete Lageübersichten zum Stand der Arbeit, zum „politisch - moralischen Zustand“ und möglichen Sicherheitsrisiken unter den Mitarbeitern der Operativgruppen. In Zusammenarbeit mit dem Sachgebiet Koordinierung und Technik war es zudem für die Beschaffung, Erprobung und Wartung spezieller Kontrolltechnik und Kontrollmetho420 Ebd., Bl. 394. 421 Vgl. ebd., Bl. 395. 422 Ebd., Bl. 402.

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den zuständig. Außerdem gab es den Operativgruppen Hinweise, wie die Kontrolltechnik und die Kontrollmethoden effektiv angewendet werden konnten.423 Abteilung II Die Abteilung II der Zollfahndung ( Untersuchungsabteilung ) hatte in der Hauptver waltung und den Bezirksver waltungen laut dem „Gesetz über die Staatsanwaltschaft der DDR“ die Verantwortung, „alle Straftaten gegen das Zoll - , Devisen - und Suchtmittelgesetz sowie angrenzender Strafbestimmungen zu untersuchen und dazu alle Anzeigen und Ermittlungsverfahren entsprechend den Grundsätzen der Strafprozessordnung der DDR sowie auf der Grundlage der Weisungen des Generalstaatsanwaltes der DDR und der Rechtssprechung des Obersten Gerichts der DDR zu bearbeiten“.424 Die Abteilung II war somit das eigentliche „Untersuchungsorgan“ der Zollver waltung und war mit allen Rechten und Pflichten ausgestattet, die sich aus dem dritten Kapitel der Strafprozessordnung der DDR ergaben. So konnten im Rahmen der Ermittlungen Verdächtige befragt und Beschuldigte sowie Zeugen vernommen werden. Außerdem konnten gegebenenfalls Durchsuchungen, Beschlagnahmungen, Verhaftungen und vorläufige Festnahmen durchgeführt und Haftbefehle beantragt werden. Festgenommene oder verhaftete Personen wurden anschließend in Untersuchungshaftanstalten der Deutschen Volkspolizei eingeliefert.425 Jedes eingeleitete Ermittlungsverfahren unterlag aber der Aufsichtspflicht des Staatsanwalts. Ermittlungsverfahren gegen Ausländer mussten zuvor vom Generalstaatsanwalt der DDR bestätigt werden, da keine Maßnahme des „Untersuchungsorgans“ im Widerspruch zu Gesetzen der DDR oder internationaler Verträge, Vereinbarungen und Abkommen stehen durfte.426 Die Abteilung II stand in Verbindung mit den anderen „Untersuchungsorganen“ der DDR ( Dezernat II der Deutschen Volkspolizei sowie der HA IX des MfS ). Stellte sich vor oder während eines Ermittlungsverfahrens heraus, dass die Zuständigkeit der Abteilung Zollfahndung ( Straftat gegen das Zoll - , Devisen oder Suchtmittelgesetz ) nicht vorlag oder überschritten wurde, ging der Sachverhalt an ein anderes „Untersuchungsorgan“.427 Jedes Verfahren begann mit der Aufnahme bzw. Prüfung der Anzeige durch die Abteilung II. Bereits in diesem Stadium konnte die Untersuchungseinrichtung des Zolls über die Zollämter und die anderen operativen Bereiche der Zollver waltung – insbesondere der Abteilung I des ZFD – „Sofortmaßnahmen“ einleiten, beispielsweise zur Fahndung und Ergreifung verdächtiger Personen, zur 423 Vgl. ebd., Bl. 403–405. 424 Vgl. Paragraph 15 zum Gesetz über die Staatsanwaltschaft der DDR vom 7. 4. 1977 (GBl. Teil I, Nr. 10, S. 93). 425 Vgl. 5. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 18. 2. 1986 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 439). 426 Vgl. Kreck, Abteilung Zollfahndung, S. 40 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /303/82). 427 Vgl. 5. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 18. 2. 1986 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 430).

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Sicherung der Beweismittel und auch zur „Abwendung von Fluchtabsichten bzw. drohenden Gefahren“.428 Bei umfangreichen Vorprüfungen und komplizierten Sachverhalten wurde ein Bericht erarbeitet, um letztlich die abschließende Entscheidung zu treffen, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird oder nicht. Zur Eröffnung des Ermittlungsverfahrens ließ die Abteilung II des ZFD dem zuständigen Staatsanwalt eine schriftlich begründete Verfügung zukommen, die auch die notwendigen Verfahrensdokumente enthielt. Während der Durchführung des Verfahrens sollte die Untersuchungsabteilung laut Anweisung des Leiters der Zollver waltung „die Täterschaft, die Art und Schwere der Schuld der Täter sowie das Tatgeschehen sachlich richtig, beweisrechtlich unangreifbar und juristisch zuverlässig [ aufklären ]. Dazu sind der organisierte Charakter, die Tatmethoden, die Intensität, der Tatumfang, die angestrebten bzw. erlangten Vorteile, die Täterpersönlichkeit, die Tatmotive und Beweggründe als auch das Verhalten vor und nach der Tat zu untersuchen“.429 Zur Erfüllung dieser Aufgaben erstellte die Abteilung II beispielsweise Fotodokumentationen sowie Gutachten und führte Gegenüberstellungen, Durchsuchungen oder Vernehmungen durch. Die mutmaßlichen Täter wurden gegebenenfalls in Untersuchungshaft genommen. All diese Befugnisse wusste auch das MfS zu nutzen : „Wesentliche Möglichkeiten für das MfS ergeben sich aus den Befugnissen der Abteilung Zollfahndung zur Vernehmung von Beschuldigten [...] und Zeugen [...] und der Befragung von Verdächtigen [...]. Dabei können einmal die durch die Abteilung Zollfahndung selbständig durchgeführten und oft sehr aussagekräftigen Vernehmungen analysiert werden. Es ist möglich, [...] einen bestimmten Informationsbedarf des MfS vorzugeben bzw. die Vernehmungspläne mit zu erarbeiten. Auch können gemeinsam durch Mitarbeiter einer Fachabteilung [ des MfS ] und dem Leiter des SG I [ Sachgebiet 1] Vernehmungen durchgeführt werden. Ist der Beschuldigte inhaftiert, was namentlich bei Ausländern ohne Wohnsitz in der DDR in der Regel der Fall ist, so ist nach Abstimmung mit dem StFW [ Stellvertreter für Fandungswesen ] bzw. dem SG - Leiter I auch die eigenständige Vernehmung durch Mitarbeiter der Abteilung IX realisierbar.“430

Wurde von „freiheitsbeschränkenden Maßnahmen“ abgesehen, konnte die Zollfahndung mutmaßliche ausländische Täter anweisen, ihre Reisedokumente vorübergehend an einer Dienststelle der Volkspolizei gegen eine Identitätsbescheinigung einzutauschen. Mit dieser Maßnahme sollte sichergestellt werden, dass sich die Angeklagten nicht durch eine ungenehmigte Ausreise dem Verfahren vorzeitig entziehen konnten.431 Am Ende eines Ermittlungsverfahrens traf der Leiter der Abteilung II „nach gewissenhafter Prüfung des Ermittlungsverfahrens in Abstimmung mit dem aufsichtführenden Staatsanwalt“432 eine Abschlussent428 429 430 431

Ebd., Bl. 431. Ebd., Bl. 432. Kreck, Abteilung Zollfahndung, S. 41 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS /303/82). Vgl. 5. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 18. 2. 1986 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 439). 432 Ebd.

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scheidung. Anschließend wurde beim Staatsanwalt Anklage erhoben bzw. ein Strafbefehl beantragt. Die Untersuchungsabteilung des Zolls konnte Verfahren keineswegs eigenständig planen und durchführen. Stattdessen hieß es in der 5. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung : „Die Abteilungen II [der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltungen des Zolls] haben zu jeder Zeit mit den Untersuchungsabteilungen und den zuständigen operativen Diensteinheiten des MfS bei Einleitung, Durchführung und dem Abschluss von Ermittlungsverfahren eng zusammenzuwirken. [...] Die Stellvertreter der Leiter der Bezirksverwaltungen für Fahndungswesen haben dazu das Zusammenwirken so zu organisieren, dass die Untersuchungsmöglichkeiten zur Unterstützung der Tätigkeit des MfS richtig ausgeschöpft, die operativen Erkenntnisse und Interessen des MfS stets berücksichtigt und die zuständigen Diensteinheiten rechtzeitig über operativ verwertbare Ergebnisse informiert werden. Die Bearbeitung von bedeutsamen und komplizierten Ermittlungsverfahren ist durchgängig mit den Untersuchungsabteilungen des MfS zu koordinieren.“433

In einer Diplomarbeit, die an der Juristischen Hochschule des MfS im Jahr 1988 verfasst wurde, wird auf einen konkreten Fall ver wiesen, der die intensive Zusammenarbeit der Untersuchungsabteilung des Zolls mit der Staatssicherheit unterstreicht. Dort heißt es : „So konnte zum Beispiel im Juli 1987 gegen den Bürger der DDR [ Name geschwärzt ] [...] ein Ermittlungsverfahren mit Haft wegen umfangreicher Zoll - und Devisenstraftaten [...] eingeleitet werden. Damit wurden Voraussetzungen geschaffen, um vorliegende inoffizielle Informationen einer operativen Diensteinheit des MfS über einen vorbereiteten spektakulären ungesetzlichen Grenzübertritt mittels Hubschrauber durch [ Name geschwärzt ] unter Gewährleistung der Konspiration der zum Einsatz gebrachten Kräfte, Mittel und Methoden zu prüfen. Durch kluge Untersuchungstaktik und - führung war es dem Untersuchungsführer gelungen, dass [ Name geschwärzt ] sich zu seinen diesbezüglichen Plänen äußerte. Um sich nach gelungenem ungesetzlichem Grenzübertritt einen finanziell guten Start zu verschaffen, hatte er Zahlungsmittel im Wert von 440 000 Mark, 3 000 VS - Dollar [ US - Dollar ] sowie wertvolle Antiquitäten in der Hauptstadt der DDR ausgelagert, die nach seinem ungesetzlichen Grenzübertritt in die BRD verbracht werden sollten. In diesem Zusammenhang konnten auch durch das Untersuchungsorgan Beweismittel für den Bau von 2 Hubschraubern sichergestellt werden. Damit konnte von der DDR ein größerer politischer und ökonomischer Schaden abgewendet werden. Dieser Erfolg ist beispielgebend für ein erfolgreiches, den gesellschaftlichen Erfordernissen entsprechendes politisch - operatives Zusammenwirken.“434

Die Anzahl der durchgeführten Ermittlungsverfahren hat sich ab Anfang der 1970er Jahre deutlich erhöht. Wurden im Jahr 1971 noch 106 Verfahren durch die Abteilung II eingeleitet, so waren es im Jahr 1975 bereits 331. Gleichzeitig erhöhte sich die festgestellte Schadenssumme von gut 8,5 Millionen auf knapp 40 Millionen Mark.435 433 Ebd., Bl. 445 f. 434 Gürtler, Stellvertreterbereich für Fahndungswesen, S. 34 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 282/88). 435 Vgl. Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 92).

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4.3

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Sachgebiet V

Mit Herausgabe der 5. Durchführungsanweisung zum Befehl 2/77 des Leiters der Zollver waltung wurde am 29. Mai 1979 in der Abteilung Zollfahndung der Hauptver waltung das Sachgebiet V436 gegründet. Die Bildung erfolgte mit dem Ziel, „die Wirksamkeit des Zollfahndungsdienstes bei der Bekämpfung des Schmuggels und Missbrauchs von Suchtmitteln zu erhöhen, einen umfassenden Schutz der Bevölkerung der DDR vor Bestrebungen und Versuchen zur Einschleusung von Suchtmitteln zu gewährleisten und die missbräuchliche Ausnutzung des Transitverkehrs durch die DDR zum Schmuggel von Suchtmitteln zu verhindern“.437 Bereits zuvor waren verschiedene Bereiche des ZFD mit der Rauschgiftbekämpfung befasst.438 Durch das Sachgebiet V verfügte die Zollver waltung von nun an jedoch über eine zentrale Koordinierungsstelle, was die Verhinderung der Ein - und Durchfuhr sowie der Zwischenlagerung und des Konsums von Suchtmitteln in der DDR anging. „Dazu hat ein enges Zusammenwirken mit dem Ministerium für Staatssicherheit, der Deutschen Volkspolizei und anderen staatlichen Organen zu erfolgen.“439 Das Sachgebiet unterstand direkt dem Leiter der Abteilung Zollfahndung der Hauptver waltung und war ausschließlich mit OibE des MfS besetzt.440 In den Bezirksverwaltungen wurden durch die Leiter der Abteilungen Zollfahndung „befähigte Mitarbeiter“ des Sachgebiets 2 der Abteilungen I ausgewählt, die gegebenenfalls herbeigezogen werden konnten, um auf Ebene der Bezirksver waltungen gegen den Schmuggel mit Rauschgift vorgehen zu können.441 Das Sachgebiet V leitete zum einen eigene Ermittlungen, zum anderen analysierte es die aktuelle Lage auf dem Gebiet der Schmuggelbekämpfung. Informationen kamen vor allem von den Zollämtern, wenn Feststellungen zu Suchtmitteln gemacht wurden.442 Aber auch Hinweisen von MfS und Volkspolizei bzw. aus der Bevölkerung wurde nachgegangen. Der Leiter des Sachgebiets V legte operative Vorlaufmaterialien und Ermittlungsakten an, 436 In den Akten wird ausdrücklich von einem Sachgebiet „V“ gesprochen. Es wird im Gegensatz zu den anderen Sachgebieten also eine römische statt einer arabischen Zahl ver wendet. 437 5. Durchführungsanweisung zum Befehl 2/77 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 29. 5. 1979 ( BStU, MfS, BV Gera Abt. VI 6313, Bl. 280). 438 Vgl. Dienstanweisung 21/70 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 9. 10. 1970 (BStU, MfS, HA VI 11580, Bl. 75–89); Dienstanweisung 20/74 des Leiters der Zollverwaltung der DDR vom 14. 8. 1974 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 211–224). 439 5. Durchführungsanweisung zum Befehl 2/77 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 29. 5. 1979 ( BStU, MfS, BV Gera, Abt. VI 6313, Bl. 281). 440 Vgl. Vortrag des Leiters der Abteilung Zollfahndung der Zollver waltung der DDR vor Angehörigen der HA IX des MfS vom 6. 5. 1983 ( Tonbandabschrift ) ( BStU, MfS, HA IX 2219, Bl. 82–84). 441 Vgl. 5. Durchführungsanweisung zum Befehl 2/77 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 29. 5. 1979 ( BStU, MfS, BV Gera, Abt. VI 6313, Bl. 282). 442 Vgl. Übersicht zu Feststellungen der Zollorgane der DDR zur versuchten Ein - und Durchfuhr von Suchtmitteln im Zeitraum vom 1. 1. 1971 bis 30. 6. 1978 ( BStU, MfS, HA IX 5374, Bl. 2–6).

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in denen Einzelpersonen und Personengruppen identifiziert und bearbeitet werden sollten. Die Mitarbeiter des Sachgebiets V leiteten anschließend Fahndungsmaßnahmen ein, die „im engen Zusammenwirken mit den zuständigen Diensteinheiten des Ministeriums für Staatssicherheit, den Grenzzollämtern, den Abteilungen Zollermittlung und Transitüber wachung“443 durchgeführt wurden. Über den Suchtmittelmissbrauch in der DDR ist bislang wenig bekannt. Interessant ist in diesem Falle die Aussage des Stellvertreters des Leiters für Fahndungswesen, Heinz Wunderlich, der 1983 in einem Vortrag vor Mitarbeitern der HA IX des MfS diesbezüglich folgende Anmerkung machte : „Es ist in der Tat so, dass wir in zunehmendem Maße, insbesondere im Transit, mit [...] Schmuggel von Suchtmitteln konfrontiert werden. Durch internationale Banden, insbesondere aus dem arabischen Raum im Nahen Osten, aber im zunehmenden Maße auch aus Südostasien und in der letzten Zeit auch aus Afrika wird versucht, Suchtmittel [,] vor allem Haschisch, Marioana [ sic !], aber auch Heroin über unser Territorium, insbesondere nach Westberlin zu schmuggeln. Schwerpunkt ist dabei die Nutzung des Flugverkehrs, also das Grenzzollamt Berlin - Schönefeld. Ich kann hier in diesem Kreis sagen, dass wir in den letzten Jahren so im Schnitt 50 Ermittlungsverfahren [...] bearbeiten. Ich kann hier auch in diesem Kreis sagen, dass in der Abteilung Zollfahndung der Hauptverwaltung extra ein, bei uns heißt es Sachgebiet, Referat besteht, das also operativ die Aufgabe hat, den Suchtmittelschmuggel zu bekämpfen. Es ist ein Sachgebiet, in dem ausschließlich Offiziere im besonderen Einsatz arbeiten. [...] Es gab Fälle, die gibt es laufend wieder, erst vorgestern wieder, da kamen aus Afrika Suchtmittel in Dörrfisch versteckt. Dörrfisch hat die Eigenschaft, besonders angenehm zu riechen, der ganze Korridor stinkt danach. Es gibt im arabischen Raum ein[ e ] Frucht [,] Pistazien, das ist so eine Nussart oder Mandelart. Dort hat man sich die idiotische Arbeit gemacht, körbeweise diese Pistazien aus der Schale herauszunehmen und mit Haschisch zu füllen. Wir hatten Fälle, wo man Haschisch zu Kirschen und Weintrauben geformt hat, mit Stempeln versehen, gefärbt und natürlich so ein paar echte Kirschen und Weintrauben oben drauf gesackt. Also mit raffinierten Mitteln und Methoden versucht man, das Kontrollregim[ e ] zu durchbrechen, [...] wobei wir konfrontiert sind, mit solchen Mengen bei Suchtmitteln, bei Haschisch beispielsweise, Haschisch und Marioana [ sic !] in der Größenordnung von 1 bis 10 oder 12 Kilo und bei Heroin ebenfalls, bei Heroin im Umfange von 100 Gramm bis zu 1 Kilo.“444

4.4

Abteilungen III ( Transitüberwachung und Beobachtung )

Nach dem Abschluss der deutsch - deutschen Verträge wurden bereits im November 1972 kleinere Arbeitsgruppen in den BV Potsdam und Magdeburg gegründet, die sich in ihren jeweiligen Bezirken speziell mit der Kontrolle der Transitstrecken zwischen der Bundesrepublik und Westberlin beschäftigten. Aus den Erfahrungen dieser Arbeitsgruppen kam es dann schließlich am 21. Mai 1974 in der Hauptver waltung und den Bezirksver waltungen Potsdam, Magdeburg, 443 5. Durchführungsanweisung zum Befehl 2/77 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 29. 5. 1979 ( BStU, MfS, BV Gera, Abt. VI 6313, Bl. 282). 444 Vortrag des Leiters der Abteilung Zollfahndung der Zollver waltung der DDR vor Angehörigen der HA IX des MfS vom 6. 5. 1983 ( Tonbandabschrift ) ( BStU, MfS, HA IX 2219, Bl. 82–84).

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Leipzig und Erfurt zur Gründung von Einheiten zur Transitüber wachung, die als Abteilungen III ( Transitüber wachung und Beobachtung ) ihre Arbeit aufnahmen. Sie unterstanden direkt den jeweiligen Stellvertretern des Leiters für Fahndungswesen. Die Mitarbeiter der Transitüber wachung wurden „unter Zugrundelegung entsprechender sicherheitspolitischer und kadermäßiger Anforderungen aus den anderen Bereichen der Zollver waltung, vor wiegend aus den Grenz - , Post - und Binnenzollämtern ausgewählt“.445 In der Regel haben sie sich bereits an ihren vorhergehenden Arbeitsstellen bewährt, was die Zusammenarbeit mit dem MfS anging.446 Insgesamt standen den Abteilungen III ca. 180 Mitarbeiter und 60 Kfz zur Verfügung.447 Aus Artikel 9 des Transitabkommens leitet sich ab, dass das Kontroll - und Abfertigungsverfahren an den Grenzübergangsstellen für diese Verkehrsart in der Regel am Fahrzeug erfolgte und auf die Prüfung der Identität der Personen sowie die Erteilung der Visa beschränkt blieb. Möglichkeiten für eine weitergehende Kontrolle ergaben sich nur, wenn „hinreichende Verdachtsgründe [bestanden ], dass ein Missbrauch der Transitwege für Zwecke beabsichtigt [ war ], begangen [ wurde ] oder begangen worden [ war ], die nicht mit der direkten Durchreise nach und von Berlin ( West ) im Zusammenhang [ standen ] und die den allgemein üblichen Vorschriften bezüglich der öffentlichen Ordnung“448 zuwiderliefen. Aus Artikel 16 des Transitabkommens ergab sich ein Missbrauch, wenn ein Transitreisender Materialien verbreitete oder aufnahm, Personen aufnahm, die vorgesehenen Transitwege verließ, andere Straftaten beging oder durch die Verletzung von Straßenverkehrsvorschriften Ordnungswidrigkeiten beging. Alle Transitstrecken sollten demzufolge auf Missbrauchshandlungen beobachtet werden.449 Oberstes Ziel der Kontrolltätigkeit war auch bei der Transitüber wachung, dass Fluchtversuche, unkontrollierte Zusammentreffen von Bürgern aus Ost und West sowie unkontrollierte Übergaben von Waren ( insbesondere Literatur, Tonträger und andere Materialien der „politisch - ideologischen Diversion“) verhindert wurden.450 Neben der allgemeinen Über wachung der Transitstrecken erfolgte eine zielgerichtete Beobachtung bestimmter Reisender und Transportmittel, wenn zu ihnen Feststellungen der Grenzzollämter vorlagen, an denen diese eingereist sind, oder wenn Hinweise anderer Abteilungen und Bereiche des Zollfahndungsdienstes bekannt waren.451 Beobachtungsschwerpunkte bildeten Raststätten mit Intershopverkaufsstellen, Tankstellen und andere Ser 445 Möller, Abteilung Transitüber wachung. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1977, S. 8a ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77). 446 Vgl. ebd., S. 34 f. 447 Vgl. ebd., S. 8a. 448 Art. 9, Abs. 4 Transitabkommen. 449 Vgl. 1. Durchführungsanweisung zum Befehl 2/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 1. 3. 1976 ( BStU, MfS, HA VIII 4412, Bl. 99). 450 Vgl. Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 9 f. ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77). 451 Vgl. Dienstanweisung 16/73 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 20. 12. 1973 ( BStU, MfS, BV Gera, Abt. VI 6313, Bl. 164–174).

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viceeinrichtungen sowie Parkplätze, da besonders hier ein Zusammentreffen von Transitreisenden und DDR - Bürgern leicht möglich war und der Straftatbestand der „Verbreitung und Aufnahme von Materialen und Personen“ befürchtet wurde. Die Abteilungen III arbeiteten mit den Verkehrskommandos Transit der Deutschen Volkspolizei und insbesondere mit der Abteilung VIII ( Beobachtung / Ermittlung ) des MfS zusammen, die federführend für die Über wachung des Transitverkehrs verantwortlich war452 und deren Aufgaben unter anderem auftragsbezogene Ermittlungen sowie die Obser vierung „politisch negativer Zielpersonen“ waren.453 Die Gestaltung der Zusammenarbeit war angelehnt an Grundsätze, wie sie sich an den Grenzübergangsstellen und Postzollämtern bewährt hatten. Die Leiter der Transitüber wachung und der Abteilungen VIII tauschten sich vierteljährlich über „neu erkannte Mittel und Methoden im Vorgehen der feindlichen und kriminellen Kräfte zum Missbrauch der Transitwege“454 aus. Zudem fanden monatlich gegenseitige Beratungen und Absprachen zur praktischen Gestaltung der Kontrollen statt. Dienstpläne der Transitüber wachung wurden ebenfalls in Abstimmung mit der Staatssicherheit monatlich erarbeitet, um die Verteilung der einsetzbaren Kräfte an den unterschiedlichen Streckenabschnitten, Park - und Rastplätzen nach Vorgaben des MfS vornehmen zu können. Täglich wurde der Einsatz der Kontrolleure über den Funkleitoffizier des Zolls erneut von der Abteilung VIII des MfS bestätigt.455 Außerdem organisierte das MfS Schulungen für die Zollkontrolleure, um durch die Weiterqualifizierung den „Erfolg in der gemeinsamen politisch - operativen Arbeit“456 gewährleisten zu können. „Bereits aus den dargelegten Aufgaben der Abteilung Transitüberwachung wird deutlich, dass es sich dabei nicht um eine bloße Erweiterung der Kräfte und Mittel der Abteilungen VIII zur politisch - operativen Sicherung der Transitwege / Straße handelt, sondern dass die Möglichkeiten und Befugnisse der Abteilungen Transitüber wachung im Rahmen ihrer zolldienstlichen Tätigkeit umfassend zur Durchsetzung des Transitabkommens nach Geist und Buchstaben zu nutzen sind.“457 So erfolgte eine direkte Zusammenarbeit mit dem MfS bei der Über wachung größerer Rast - und Tankplätze.458 Die Sicherung dieser Komplexe geschah verdeckt und sowohl durch Mitarbeiter des Zolls als auch durch Mitarbeiter der 452 Vgl. Vereinbarung über das Zusammenwirken der HA VIII /4 des MfS mit der Abteilung Transitüber wachung der HV der Zollver waltung der DDR zur Koordinierung der Abwehr - und Sicherungsaufgaben auf den Transitwegen ( Straße ), o. D. ( BStU, MfS, HA VI 13905, Bl. 13–18). 453 Vgl. Fricke, MfS intern, S. 29. 454 Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 106 ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77). 455 Vgl. ebd., S. 37 f. 456 Ebd., S. 36. 457 Ebd., S. 11. 458 In einer Diplomarbeit der JHS des MfS namentlich genannt war der „Rast - und Tankkomplex Michendorf“. Vgl. Hartmann, Sicherung des Rast - und Tankkomplexes Michendorf. Fachabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1979 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /698/79).

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Abteilung VIII des MfS.459 Neben den beteiligten MfS - Mitarbeitern agierten auch die Mitarbeiter der Transitüber wachung bei solchen Maßnahmen in Zivil.460 Die Obser vation bezog sich nicht nur auf das Areal selbst. Gegebenenfalls wurden auch in Gebäuden wie Intershops sogenannte „Beobachtungsstützpunkte errichtet, die durch Zollmitarbeiter besetzt waren“.461 Die Transitüber wachung des Zolls war dabei in allen bedeutenden Entscheidungen an die Staatssicherheit gebunden : „Eindeutig ist festgelegt, dass bei der Feststellung von Missbrauchshandlungen gemäß Artikel 16, Ziffer b ( Zustieg von Personen) und Artikel 16, Ziffer 1 a ( Materialübergaben ) jede Entscheidung der Zustimmung des MfS bedarf. Die Festlegungen des MfS sind verbindlich und die Maßnahmen sind durchzusetzen.“462 Die Kommunikation zwischen den Kontrollkräften des Zolls und der Staatssicherheit erfolgte über Funk. Die Mitarbeiter der Transitüberwachung übermittelten ihre Beobachtungen an einen „Funkleitoffizier“, der sämtliche Einsatzfahrzeuge und - besatzungen der Abteilung Transitüber wachung führte. Durch diesen wurden die Angaben der Beobachtungskräfte ( insbesondere das Kennzeichen der beobachteten Fahrzeuge ) an das örtlich zuständige Leitzentrum der Abteilung VIII des MfS übermittelt. Dort überprüften Fahnder die Kennzeichen in den vorhandenen Kfz - Dateien und gaben die Zustimmung bzw. Ablehnung zum offiziellen Einschreiten der Zöllner.463 Nach Genehmigung durch das MfS bzw. wenn seitens der Abteilung VIII ein Kontrollersuch vorlag, schritt die Transitüber wachung ein. DDR - Bürger und deren Fahrzeuge wurden in der Regel so lange unter Beobachtung gehalten, bis sie sich von den beteiligten Transitreisenden trennten und die Transitstrecken verließen. An einer geeigneten Stelle wurde das Fahrzeug schließlich angehalten. Die Befugnisse während der Kontrolle ergaben sich aus Paragraph 5 des Zollgesetzes der DDR sowie der „Verordnung über die Verfolgung von Zoll - und Devisenverstößen“.464 Bestätigte sich der Verdacht eines Missbrauchs, so konnte die Abteilung Transitüber wachung analog zur Abteilung II Vernehmungen durchführen und Gegenstände formlos einziehen.465 Die Vernehmer waren angewiesen, neben Informationen zum eigentlichen Sachverhalt nach Möglich459 Vgl. ebd., S. 28. 460 Vgl. 1. Durchführungsanweisung zum Befehl 2/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 1. 3. 1976 ( BStU, MfS, HA VIII 4412, Bl. 77). 461 Hartmann, Sicherung des Rast - und Tankkomplexes Michendorf, S. 28 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /698/79). 462 Schreiben des Leiters der HA VI des MfS an den Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen der Zollver waltung der DDR vom 17. 11. 1975 ( BStU, MfS, HA VIII 4412, Bl. 63). 463 Vgl. Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 25 ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77). 464 Vgl. Kunze, Abteilung Transitüber wachung. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1981, S. 16 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /270/81). 465 Ob die Materialien tatsächlich eingezogen wurden oder nicht, hing von deren Art und Umfang ab. So wurden von DDR - Bürgern übernommene Literatur und Devisen generell eingezogen, grundsätzlich nicht eingezogen wurden dagegen Waren, die durch Transitreisende in Intershops gekauft und an DDR - Bürger übergeben wurden. Vgl. Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 18 ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77).

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keit auch Angaben zu den beteiligten Transitreisenden zu erarbeiten.466 Die daraufhin angefertigten Protokolle waren aussagefähige Dokumente, die sich sowohl zum Nachweis eines Missbrauchs des Transitabkommens eigneten als auch für das MfS interessant sein konnten. Bereits während der Vernehmung erfolgte „die Feststellung der Personalien und ihre Übermittlung an den Funkleitoffizier. Dieser übermittelt sie an das Leitzentrum der territorial zuständigen Abteilung VIII“.467 Auf Anweisung des MfS konnten DDR - Bürger anschließend „zugeführt“ oder andere Maßnahmen gegen sie eingeleitet werden. Transitreisende wurden bei der Beobachtung eines Verstoßes in der Regel ebenfalls nicht unmittelbar vor Ort kontrolliert.468 Stattdessen informierte die Transitüber wachung über den Funkleitoffizier das Zollamt, an dem der Transitreisende zur Ausreise erwartet wurde. Dort wurde dann eine Verdachtskontrolle gegen ihn vorgenommen.469 Nach vorheriger Absprache mit dem MfS und bei entsprechenden Feststellungen durften aber auch Reisende aus der Bundesrepublik und Westberlin vor Ort kontrolliert werden. Dies geschah in der Regel auf den Transitstrecken und beinhaltete die Identitätskontrolle, die Aufforderung zur Vorführung der Waren und Zahlungsmittel sowie die Befragung der Reisenden.470 Vernehmungen und Einziehungen waren indes am Ort des Geschehens nicht gestattet. Stattdessen wurden die entsprechenden Waren und Zahlungsmittel unter Verfügungsverbot gestellt. Dafür wurden sie in ein Behältnis verbracht, das mit einem Zollverschluss versehen war. Der Transitreisende musste sich dann am Ausgangsgrenzzollamt melden und die unter Verfügungsgebot gestellten Gegenstände vorführen. Dort fand schließlich auch die Vernehmung statt.471 Egal, ob Transitreisende oder DDR - Bürger kontrolliert wurden, in jedem Fall fertigte ein Mitarbeiter der Transitüber wachung anschließend ohne Kenntnis der Betroffenen „auf die vom Sicherheitsorgan vorgegebenen Vordrucke“472 einen Feststellungsbericht an und übergab diesen im Original an die örtlich zuständige Abteilung VIII des MfS.473 Je nach Schwere musste über den Zollfahndungsdienst innerhalb von 24 Stunden entschieden werden, ob Untersuchungshaft,474 ein Ermittlungsverfahren oder – was die Regel war – ein „Verfah466 467 468 469 470

471 472 473 474

Vgl. Kunze, Abteilung Transitüber wachung, S. 28 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /270/81). Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 26 ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77). Vgl. Kunze, Abteilung Transitüber wachung, S. 29 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /270/81). Vgl. Hartmann, Sicherung des Rast - und Tankkomplexes Michendorf, S. 29 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /698/79). Befragung nach Herkunft, Bestimmung und Ver wendungszweck der aufgenommenen bzw. verbreiteten Waren und Zahlungsmittel sowie nach dem Reiseziel und dem Grund der „Missbrauchshandlung“. Vgl. 1. Durchführungsanweisung zum Befehl 2/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 1. 3. 1976 ( BStU, MfS, HA VIII 4412, Bl. 74). Ebd., Bl. 74 f. Ebd., Bl. 187. Vgl. ebd. Wurde für Transitreisende eine Untersuchungshaft beantragt, bedurfte dies der Bestätigung der Generalstaatsanwaltschaft der DDR. Vgl. Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 20 ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77).

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ren zu Verfolgung von Zoll - und Devisenverstößen“ eingeleitet wurden. Die Zollver waltung war berechtigt, Ordnungsstrafen bis zu 20 000 Mark oder bis zur fünffachen Höhe des Wertes der beanstandeten Materialien auszusprechen.475 Konnte die festgelegte Summe nicht bezahlt werden, durfte die Zollver waltung darüber hinaus Kraftfahrzeuge oder andere Wertgegenstände in Arrest nehmen, bis die Summe beglichen wurde.476 Weitere „Rechtsfolgemaßnahmen“ wurden gegebenenfalls nach Übergabe des Falls von der Abteilung Zollrecht der Hauptverwaltung vorgenommen.477 Wenn ein Transitreisender aus Sicht des Zolls mehrmals schwer gegen die Zollbestimmungen verstoßen hatte, wurde üblicher weise eine Transitsperre gegen die betreffende Person beantragt. Hingegen konnten bei Bagatelldelikten auch lediglich schriftliche Belehrungen ausgesprochen werden, ohne dass weitere Maßnahmen durchgesetzt wurden. In der Regel sprachen die Mitarbeiter der Transitüber wachung Belehrungen aus, sofern der Wert der festgestellten Materialien 200 Mark nicht überstieg, die beteiligten Personen nicht als verdächtig galten sowie die übergebenen Waren nicht von operativer Bedeutung waren. Das MfS sicherte sich aber in jedem Fall den Zugriff : „Eingeleitete Verfahren [...] bzw. andere festgestellte Sachverhalte [...] können bei operativer Notwendigkeit nach Vorliegen der entsprechenden Leiterentscheidungen einschließlich der eingezogenen Materialien durch die Diensteinheiten des Ministeriums für Staatssicherheit über die Abteilungen VIII sofort übernommen werden.“478 Anschließend war es dem MfS möglich, unter der „Legende Zollver waltung“ Kontakt zu den betreffenden Personen aufzunehmen.479 Das bedeutete, dass Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit als Zollmitarbeiter getarnt in Erscheinung traten, um gegenüber den Betroffenen das Zollverfahren zu bearbeiten und abzuschließen, was jedoch nur eine vordergründige Maßnahme war, um weiter reichende Informationen zu den Personen zu erhalten.480 Dafür standen den Ermittlern der Staatssicherheit Dienstausweise der Abteilung Zollfahndung zur Verfügung, die über das selbstständige Referat operative Technik (SRE) in den Bezirksverwaltungen des MfS angefordert werden konnten.481 Die 475 Allerdings bedurfte der Erlass einer Strafverfügung von über 5 000 Mark der Bestätigung des Stellvertreters des Leiters für Fahndungswesen. Strafverfügungen von 20 000 Mark und ggf. darüber hinaus wurden vom Leiter der Zollver waltung bestätigt. Vgl. Vortrag des Leiters der Abteilung Zollfahndung der Zollver waltung der DDR vor Angehörigen der HA IX des MfS vom 6. 5. 1983 ( Tonbandabschrift ) ( BStU, MfS, HA IX 2219, Bl. 73). 476 Vgl. Kreck, Abteilung Zollfahndung, S. 36 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS /303/82). 477 In der Regel erließ die Abteilung Zollrecht „erzieherische Maßnahmen“ gegenüber den betroffenen DDR - Bürgern. Das konnten beispielsweise Strafverfügungen oder Betriebsund Parteiinformationen sein. Vgl. Kunze, Abteilung Transitüber wachung, S. 35 f. (BStU, MfS, JHS MF VVS /270/81). 478 Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 17 ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77). 479 Üblicher weise wurde das Verfahren nach Übergabe von der Abteilung IX, dem „Untersuchungsorgan“ des MfS, weiterbearbeitet. Vgl. Kunze, Abteilung Transitüber wachung, S. 22 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /270/81). 480 Vgl. Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 48 ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77). 481 Vgl. Anwendung der Legende Abteilung Zollfahndung im Prozess der operativen Beobachtung und Ermittlung, o. D. ( BStU, MfS, BV Gera, Abt. VI 6322, Bl. 4).

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Kräfte des MfS mussten zwar nicht jede Dienstanweisung der Zollver waltung beherrschen, sollten jedoch allgemeine Auskunft über das Zollgesetz erteilen können, um gegenüber Dritten glaubhaft als Zollmitarbeiter auftreten zu können.482 „Für die stärkere Nutzung der zolldienstlichen Möglichkeiten insgesamt steht die Tatsache, dass alle operativen Maßnahmen auf der Zollrechtsverletzung basieren und für den betreffenden Bürger in keiner Phase der Bearbeitung die Interessen des MfS sichtbar werden.“483 Zahlen aus den Jahren 1975 und 1976 weisen aus, dass von der Abteilung Transitüber wachung des Zolls im Zeitraum von zwei Jahren Waren und Zahlungsmittel im Wert von über einer Million Mark eingezogen wurden. Die insgesamt getroffenen Feststellungen verteilen sich dabei wie folgt :

Abb. 14 : Feststellungen der Abteilungen Transitüberwachung von 1975–1976484

Die Zusammenarbeit der Transitüber wachung mit der Abteilung VIII führte mitunter auch zu Problemen. Verschiedene Abteilungen der Staatssicherheit nutzten teilweise selbst die Raststätten der Transitstrecken für Treffs mit inoffiziellen Mitarbeitern aus dem „Operationsgebiet“, bei denen oft auch Materialübergaben stattfanden. Da diese Treffen von Zeit zu Zeit nicht der Abteilung VIII angekündigt wurden, enttarnte sich das MfS mitunter selbst, indem (nach erteilter Genehmigung durch die Abteilung VIII ) an den Raststätten eine Kontrolle durch die Transitüber wachung bzw. an den Grenzübergangsstellen durch das Grenzzollamt erfolgte. Im Rahmen dieser Kontrollen gaben die Beschuldigten nicht selten Informationen preis, die Rückschlüsse auf die Zusammenarbeit mit dem MfS zuließen. Außerdem führten solche Kontrollen bei den 482 Vgl. ebd., Bl. 5. 483 Kunze, Abteilung Transitüber wachung, S. 14 f. ( BStU, MfS, JHS MF VVS /270/81). 484 Vgl. Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 82 ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77).

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inoffiziellen Mitarbeitern in der Regel zu einem Vertrauensbruch und daher zur Beendigung der Zusammenarbeit mit dem MfS.485 Die Transitüber wachung war nicht nur operativ tätig, sie war laut 2. Durchführungsanweisung zum Befehl 2/74 des Leiters der Zollver waltung auch mit der Auswertung, Analysierung und Verdichtung von Feststellungen aus der Beobachtungstätigkeit beschäftigt.486 Diese Aufgaben übernahmen die Sachgebiete „Auswertung und Information“ der Abteilungen Transitüber wachung. Sie erarbeiteten Materialien und Dokumentationen, mit denen in der deutsch - deutschen Transitkommission eindeutig belegt werden sollte, dass Dienststellen, Firmen, Speditionen, Fahrer und Transitreisende aus der Bundesrepublik und Westberlin gegen das Transitabkommen verstoßen haben.487 Sie machten zudem Vorschläge für die Einleitung zentraler Fahndungsmaßnahmen, wenn durch die Analysetätigkeit Ausgangsmaterialien ausreichend verdichtet werden konnten.488 Zudem wurde eine Vielzahl von Berichten erstellt, von denen insbesondere „Sachstands - und Methodenberichte“ für die Arbeit des MfS von Bedeutung waren. Sachstandsberichte wurden unter anderem zu „politisch - operativ“ bedeutsamen Feststellungen erarbeitet oder wenn offene Vorgänge durch die Transitüber wachung weiter verdichtet werden konnten. Sie gaben detailliert Auskunft über die Personen, denen eine Zollrechtsverletzung angelastet wurde. So wurden nicht nur deren Personalien erfasst, sondern auch erarbeitete „politisch - operative Fakten“ und das Auftreten und Verhalten der Personen während der eigentlichen Zollkontrolle. Darüber hinaus enthielten Sachstandsberichte Informationen zum Umfang, Wert und Ver wendungszweck der festgestellten Materialien, sie schilderten, wie die Materialien übergeben werden sollten und welche Maßnahmen eingeleitet wurden, um die Übergabe zu verhindern bzw. aufzudecken.489 „Von den Sachstandsberichten zu Bürgern der DDR, die im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Abteilungen Transitüberwachung wohnen, ist die erste Durchschrift an das örtlich zuständige Sicherheitsorgan zu übergeben.“490 Methodenberichte dagegen konzentrierten sich in ihrem Aussagegehalt ausschließlich auf den eigentlichen Tathergang der „aufgedeckten und verhinderten Zollstraftaten und Personenschleusungen“.491 Sie fassten zusammen, wie die Materialübergaben bzw. Fluchtversuche vorbereitet, eingeleitet, erkannt und verhindert wurden. Außerdem enthielten sie Schlussfolgerungen, wie die Kontrollen noch effizienter gestaltet werden konnten. „Die Methodenberichte zu Zollstraftaten und Personenschleusungen sind in enger Zusammenarbeit mit 485 Vgl. Kunze, Abteilung Transitüber wachung, S. 31 f. ( BStU, MfS, JHS MF VVS /270/81). 486 Vgl. 2. Durchführungsanweisung zum Befehl 2/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 21. 5. 1979 ( BStU, MfS, HA VIII 4412, Bl. 177 f.). 487 Vgl. Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 10 ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77). 488 Vgl. Dienstanweisung 16/73 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 20. 12. 1973 ( BStU, MfS, BV Gera, Abt. VI 6313, Bl. 186). 489 Vgl. ebd., Bl. 184. 490 Ebd., Bl. 192. 491 Ebd., Bl. 185.

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dem Zollfahndungsdienst bzw. dem zuständigen Organ des Ministeriums für Staatssicherheit zu erarbeiten.“492 Die Transitüberwachung des Zolls unterstützte also nicht nur unmittelbar die Kontrolltätigkeit der Abteilung VIII des MfS. Die von der Transitüber wachung erarbeiteten Sachverhalte und Informationen konnten durch die Diensteinheiten des MfS laut eigener Einschätzung auch genutzt werden „für die Klärung der Frage ‚Wer ist Wer ?‘ von operativ interessierenden Personenkreisen, zur Unterstützung der politisch - operativen Bearbeitung von Personen bzw. Sachverhalten im Operativ - Vorgang bzw. im Rahmen der operativen Personenkontrolle, als Erstinformationen bzw. Ausgangspunkte für die politisch - operative Bearbeitung der bekanntgewordenen Personen und Sachverhalte in Operativ - Vorgängen bzw. im Rahmen der operativen Personenkontrolle, als Ausgangsmaterial zur Suche, Aufklärung und Gewinnung von perspektivvollen IM / GMS, für die Gestaltung der politisch - operativen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet“.493

4.5

Abteilung IV

Die Abteilung IV des Zollfahndungsdienstes der Hauptver waltung war in die Sachgebiete 1 ( Auswertung und Information ), 2 ( Operative Information ) und 3 ( Zentrale kriminalistische Registrierung / Zentralkartei ) untergliedert. In den Bezirksver waltungen waren lediglich Sachgebiete „Auswertung und Information“ vorhanden.494 Hauptaufgabe der Abteilung IV war es, Aussagen über Tendenzen und Erscheinungen auf dem Gebiet der Zollkriminalität zu machen, insbesondere zu den Bereichen „Schmuggel und Spekulation“. Dafür wurden alle Arbeitsergebnisse, Feststellungen und Informationen, die von den Abteilungen und Bereichen der Zollfahndung und der Zollver waltung insgesamt erarbeitet wurden, ausgewertet. Zusätzlich flossen Hinweise aus der Tätigkeit anderer „Organe“, besonders der zuständigen Diensteinheiten des MfS, in die Herausarbeitung von Kriminalitätsschwerpunkten mit ein.495 Außerdem wurden Verkaufsbelege aus An - und Verkaufseinrichtungen und Annoncen von An - und Verkaufsangeboten in Presserzeugnissen von dieser Abteilung bzw. von diesen Sachgebieten analysiert.496 Die Abteilung IV war angehalten, in Zusammenarbeit mit den anderen Bereichen des Zollfahndungsdienstes, bei konkreten Erkenntnissen, Maßnahmen einzuleiten. Hierbei hatte die Eindämmung des Schmuggels – insbesondere mit Suchtmitteln – oberste Priorität. Dafür wurde 492 Ebd., Bl. 185. 493 Möller, Abteilung Transitüber wachung, S. 47 ( BStU, MfS, JHS MF GVS /83/77). 494 In den Bezirksver waltungen hatten die Sachgebiete „Auswertung und Information“ die selben Funktionen und Aufgaben wie die Sachgebiete 1–3 der Abteilung IV im ZFD der Hauptver waltung. 495 Vgl. 6. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 5. 5. 1986 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 465 f.). 496 Vgl. Gürtler, Stellvertreterbereich für Fahndungswesen, S. 41 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /282/88).

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Hinweisen aus allen Bereichen der Zollverwaltung nachgegangen und diese ausgewertet. Sämtliche Presseerzeugnisse mit „relevanter Annoncentätigkeit“, sowohl aus den sozialistischen wie aus dem nichtsozialistischen Staaten, wurden analysiert. Speziell für die Suchtmittelbekämpfung kamen Erkenntnisse hinzu, die von der Volkspolizei und dem MfS in puncto Rauschgiftkriminalität erarbeitet wurden, ebenso wie Hinweise aus der Bevölkerung, von Zollverwaltungen anderer sozialistischer Länder, anderer Staaten allgemein und internationaler Organisationen.497 All diese Informationen wurden in einem „zentralen Suchtmittelspeicher“ erfasst. „Zu Personen, Objekten, Kfz u. a. sind zentrale Vergleichsreihen zu führen. Die Auskunftserteilung zu den gespeicherten Informationen ist zu sichern.“498 Mit dieser Anweisung ist neben der Auswertungstätigkeit die zweite Hauptaufgabe der Abteilung IV benannt : die Erteilung von Auskünften und die regelmäßige Informationstätigkeit. Das beinhaltete unter anderem die „Gewährleistung der Informationstätigkeit gegenüber dem Sicherheitsorgan“.499 Hier sollten dem MfS zudem Vorschläge unterbreitet werden, wie gegen Personen konkret vorgegangen werden konnte, die im Verdacht standen „Schmuggel und Spekulation“ zu betreiben.500 Darüber hinaus erarbeitete die Abteilung IV Vorlagen, Berichte und „Führungsdokumente“501 für den Leiter der Zollver waltung, den Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, die Stellvertreter der Leiter der Bezirksver waltungen für Fahndungswesen und – in deren Auftrag – für Partei - , Staats - und andere „Organe des Zusammenwirkens“. Zur Unterstützung der Abteilung Ausbildung der Zollver waltung wurden zudem die Erkenntnisse, insbesondere zu Mitteln und Methoden des „Schmuggels und der Spekulation“ verallgemeinert und Erkennungskriterien formuliert, um die Zollkontrolle der Grenz - , Post - und Binnenzollämter so effizient wie möglich zu gestalten. Zuletzt stand die Abteilung IV eng in Verbindung mit der Abteilung Rechenzentrum der Hauptver waltung. Einerseits wurden von dort Informationen zur Analyse abgefordert, andererseits flossen neue Informationen in die Speicher des Rechenzentrums ein. Diese Kooperation sollte ständig ausgebaut und intensiviert werden, wie es in der 6. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung hieß : „Der Leiter der Abteilung IV [...] hat zu gewährleisten, dass die sich aus der Entwicklung von Wissenschaft und Technik ergebenden modernen Verfahren der Informationsbe - und - verarbeitung entsprechend den Erfordernissen und gegebenen Möglichkeiten angewandt werden. Er hat dazu eng mit der Abteilung Rechenzentrum der Hauptver waltung zusammenzuwirken.“502 497 Vgl. 6. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 5. 5. 1986 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 471 f.). 498 Ebd., Bl. 472. 499 Ebd., Bl. 466. 500 Vgl. ebd., Bl. 469. 501 Das waren beispielsweise Arbeitspläne, Referate, Maßnahme - und Einsatzpläne. Vgl. ebd., Bl. 466. 502 Ebd., Bl. 467 f.

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Deckmantel, Handlanger und Erfüllungsgehilfe

Abteilung Zollermittlung

Die Abteilung Zollermittlung wirft wie kein anderer Bereich der Zollver waltung Fragen auf, was ihre genauen Aufgaben und ihre Struktur betrifft. Die entscheidende Frage dabei lautet : War die Zollermittlung überhaupt eine Diensteinheit der Zollver waltung oder unterstand sie in operativer sowie personeller Hinsicht teilweise oder vollständig dem Ministerium für Staatssicherheit ? Zumindest die Gründung der Abteilung Zollermittlung steht eindeutig fest, sie fällt zweifelsfrei in das Jahr 1967. Aus einem Schreiben des stellvertretenden Leiters der Zollver waltung, Günther Arndt, an den stellvertretenden Leiter der HA VII des MfS,503 Gerhard Grünberg, geht her vor, dass im Vorfeld der Gründung drei Varianten zur Einordnung der Abteilung Zollermittlung im Gespräch waren. So heißt es in dem Schreiben : „Es werden folgende drei Varianten für möglich gehalten : 1.1 Der Bereich bildet eine selbstständige Abteilung, die nur offiziell zur Zollverwaltung gehört. Eine solche Lösung ist für eine hohe operative Wirksamkeit vorteilhaft, da die Abteilung integrierter Bestandteil des MfS ist. Probleme, die sich daraus für die vielfältige Koordinierung mit der Zollverwaltung ergeben, können sicher ohne große Schwierigkeiten gelöst werden. Von Nachteil bei dieser Lösung ist, dass durch die Bildung einer solchen selbstständigen Abteilung ein neues Organ an der Grenze in Erscheinung tritt, die Abdeckung dadurch schwieriger ist und die bereits gegenwärtig vorhandenen Zollfahnder an den GZÄ nicht als praktisch schon bestehende – natürlich noch zu festigende – Basis voll genutzt werden können. 1.2 Der Bereich bildet eine selbständige Abteilung Zollermittlung, die dem Leiter der Zollverwaltung untersteht und u.a. durch eine exakte Vereinbarung mit dem MfS verbunden ist. Darin müsste aus operativen Gründen der Gewährleistung der operativen Zielstellung die operative Kontrolle und Anleitung durch das MfS festgelegt sein. [...] 1.3 Der Bereich wird als eine in sich selbstständige Arbeitsgruppe ( Arbeitsgruppe Güterverkehr = AGV ) in den Zollfahndungsdienst eingegliedert. Verbindung zum MfS sowie operative Kontrolle und Anleitung durch das MfS könnten durch Vereinbarungen zwischen dem Leiter der Zollver waltung mit dem zuständigen Bereich des Ministeriums festgelegt werden. Das erscheint bei dieser Regelung umso wichtiger, um die Nachteile auszugleichen, die sich aus einer nicht unmittelbaren Eingliederung in das MfS vom Gesichtspunkt der hohen operativen Wirksamkeit ergeben.“504

Vieles spricht dafür, dass die Zollermittlung eine Abteilung war, die nur offiziell zur Zollver waltung gehörte. Ein wichtiges Indiz, das diese These stützt, findet sich in einem Schreiben des Leiters der Zollverwaltung, Gerhard Stauch, an den ersten Stellvertretenden des Ministers für Staatssicherheit, Bruno Beater, vom 3. April 1968. Darin heißt es, dass zur Bildung der Abteilung Zollermittlung

503 Die für den Zoll zuständige Abteilung „Zoll - Abwehr“ war bis 1970 der Abteilung VII des MfS zugeordnet, bevor sie anschließend von der Abteilung VI des MfS geführt wurde. Vgl. Tantzscher, Hauptabteilung VI, S. 5. 504 Schreiben des stellvertretenden Leiters der Zollver waltung der DDR, Günther Arndt, an den stellvertretenden Leiter der HA VII des MfS vom 24. 5. 1967 ( BArch, DL 203, Az. 00–07–01, Ka. 63).

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19 Planstellen des Zolls dem MfS übergeben wurden.505 Weiterhin wurde mit dem Leiter der Zollver waltung vereinbart, dass die Staatssicherheit „die volle kadermäßige Eigenverantwortung“506 trägt. Auch wird in einem MfS - internen Papier bezüglich der Zollermittlung von einer Linie gesprochen.507 Aus mehreren weiteren Akten ergibt sich, dass die Zollermittlung eine Abteilung der HA VI des MfS war.508 Ein Zeitzeuge, der von 1969 bis 1973 am See - Grenzzollamt Wismar als Kontrolleur tätig war, stützt ebenfalls die These, dass die Abteilung Zollermittlung eine selbstständige Abteilung der Staatssicherheit war: „In der Zeit [ zwischen 1969 und 1973] wurde in der DDR - Zollverwaltung ein neuer Dienstzweig eingeführt, das war die sogenannte Zollermittlung. Zollermittlung hörte sich natürlich nach Zoll an. Sie werden es schon gehört haben. Also ein normaler Zöllner konnte sich unter Zollermittlung überhaupt nichts vorstellen. Das waren, die Zollermittler des Grenzzollamtes Wismar waren Kollegen von mir, also Kontrolleure wie ich, und dann sind sie plötzlich gewechselt zur Zollermittlung. Sie waren ein extra Team, machten auch keine Schichtdienste mehr und haben an normalen Zollkontrollen teilgenommen. Was mich halt immer stutzig machte war, dass die Kollegen von der Zollermittlung gar nicht mehr kontrollierten, die führten nur Gespräche, bei denen wir auch zum größten Teil nicht mit dabei sein durften. Das wurde, das wusste ich damals noch nicht, das wurde auch dann legendiert. Die waren dann beispielsweise bei der Schiffsabfertigung die Leiter der Abfertigung, haben die Gespräche mit den Kapitänen geführt und das war natürlich klar, es gab nur einen Leiter, der die Gespräche geführt hat, der die Sache auch zum Schluss gebracht hat. Dass das dann immer die Zollermittler gewesen sind war ja klar, die haben die Leute ausgehorcht. Warum sie sie ausgehorcht haben war ja klar, sie wechselten plötzlich, waren keine Angehörigen mehr der DDR - Zollverwaltung, sie waren Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit. Das wussten wir nicht, die haben auch dicht gehalten [...] Mir ist das dann so nach und nach aufgegangen, dass das wohl so ähnlich läuft, weil auch wenn sie so die normalen Zollkontrollen begleitet haben, wie gesagt, sie haben, ich sag mal so, sich die Finger nicht mehr schmutzig gemacht und selbst jemand, der sich nicht so viele Gedanken gemacht hat über die Verbindung zwischen MfS und Zoll, hat sich dann schon über diese absolute Blödheit schon aufgeregt, weil es auch für uns peinlich war. Die hatten die ja so plump und so offensichtlich gelöchert, dass jeder gewusst hat, jeder ausländische Seemann gewusst hat, das ist nicht koscher, das hat mit dem Zoll nichts zu tun. Die Befragung war so was von primitiv [...]. Also das war ne richtige MfS - Tätigkeit, um ein allgemeines Lagebild zu schaffen.“509

Endgültig überzeugt von der MfS - Zugehörigkeit der Abteilung Zollermittlung war der Zeitzeuge, als er mit seinem damaligen Vorgesetzten ein Kadergespräch führte : 505 Schreiben des Leiters der Zollverwaltung der DDR, Gerhard Stauch, an den ersten Stellvertretenden des Ministers für Staatssicherheit, Bruno Beater, vom 3. 4. 1968 ( BArch, DL 203, Az. 00–02–01, Ka. 1). 506 MfS - Personalakte Frank Bartelmann, Vorschlag zum Einsatz als Offizier im besonderen Einsatz in der Zollver waltung vom 12. 9. 1975 ( BStU, MfS, KS 8884/90, Bl. 42). 507 Vgl. MfS - Personalakte Hans Bonow, Beurteilung vom 9. 4. 1979 ( BStU, MfS, KS 8976/90, Bl. 86). 508 Vgl. MfS - Personalakte Gerhard Conrads, Einstellungsvotschlag vom 1. 2. 1977 ( BStU, MfS, KS 12391/90, Bl. 33); MfS - Personalakte Joachim Pfeiffer, Einstellungsvorschlag vom 24. 3. 1975 ( BStU, MfS, KS 8878/90, Bl. 23). 509 Zeitzeugengespräch mit Christian Singer am 13. 1. 2006.

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„Ich bin dann eines Tages zu meinem Zollamtsleiter bestellt worden [...]. Und der hat mir dann offeriert, dass es ein Angebot gäbe, dass ich Angehöriger der Zollermittlung werden könnte. Und ich hab dann gesagt, ja, darf ich mal was fragen, beim Vieraugengespräch. Ich sag, ich hab so ein blödes Gefühl, die haben doch mit dem Zoll nichts mehr zu tun und so. Und dann hat er gesagt, ja, aber das darfst du wirklich nicht weitererzählen. Das sind auch keine Zöllner, man würde mit dir dann Kadergespräche führen. Das sind Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit. Ich soll erst mal mit dir sprechen, ob vom Grundsatz her deine Bereitschaft besteht. [...] Und ich hab dann gesagt, nö, nö, ich bleib dabei, ich will das auch nicht, ich möchte ganz gerne bei der allgemeinen Zollverwaltung bleiben, weil mir es auch Spaß gemacht hat.“510

Schlussfolgernd aus den bis hierhin aufgeführten Hinweisen handelte es sich bei der Zollermittlung mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Abteilung, die sowohl in der Struktur der Zollver waltung als auch des MfS vorkam – ähnlich, wie dies auch bei der Abteilung Postzollfahndung der Fall war. Zumindest sicherte sich die Staatssicherheit den unmittelbaren Zugriff auf diese Einheit. Laut einer Weisung des 1. Stellvertreters des Ministers für Staatssicherheit, Bruno Beater, sollten alle Funktionen im Stab sowie auf Leitungsebene der Abteilung Zollermittlung durch OibE besetzt werden.511 Zu Beginn bestand die Zollermittlung nur aus etwa 50 Spezialisten. Im weiteren Verlauf verdoppelte sich die Mitarbeiterzahl auf 107 im Jahr 1983.512 Die Aufgaben der Abteilung Zollermittlung werden in dem Befehl 11/74 des Leiters der Zollver waltung festgesetzt.513 Die Zollermittlung war mit Abschöpfungs - , Ermittlungs - und Analysetätigkeiten zur Verhinderung und Erkennung komplexer und schwerwiegender Straftaten, sowohl zollspezifischer als auch allgemeiner Natur, beschäftigt. Die Arbeit sollte laut oben genannten Befehls das Ziel verfolgen, „– schwerpunktbezogen zur rechtzeitigen Erkennung und Verhinderung des staatsfeindlichen Menschenhandels [...] beizutragen, – Zollstraftaten und Zoll - und Devisenverstöße zielgerichtet aufzudecken und zu ihrer vorbeugenden Verhinderung [...] einen wirksamen Beitrag zu leisten, – Zentren und Erscheinungsformen, Mittel und Methoden der politisch - ideologischen Diversion des Gegners, seiner Kontaktpolitik und anderer Arten der Feindtätigkeit [...] zu erkennen – vorbeugend und durch direkte Kontrollen zur Aufdeckung und Verhinderungen von Missbrauchshandlungen [ im spezifischen Transitverkehr ] beizutragen und aussagekräftige Materialien zielgerichtet zu erarbeiten, die beweisen, dass amtliche Dienststellen, Firmen, Speditionen und Transportführer der BRD und Westberlins bewusst und zielgerichtet gegen das Transitabkommen verstoßen, – Vorbereitungshandlungen, Mittel und Methoden des Gegeners zur Beeinträchtigung der Flugsicherheit sowie die Vorbereitung terroristischer Gewaltakte [...] rechtzeitig 510 Ebd. 511 Vgl. MfS - Personalakte Horst Bischoff. Vorschlag zum Einsatz als OibE vom 2. 10. 1970 ( BStU, MfS, KS 9316/90, Bl. 32). 512 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 31). 513 Vgl. Befehl 11/74 des Leiters der Zollverwaltung der DDR vom 23. 12. 1974 ( BStU, MfS, BV Neubrandenburg BdL / Dok. 438, Bl. 1–19).

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zu erkennen und im Zusammenwirken mit dem zuständigen Sicherheitsorgan zu verhindern, – politisch - operative Materialien und Informationen zu erarbeiten, die [...] Auskünfte über die politische, ökonomische, kulturelle, wissenschaftlich - technische oder militärische Sphäre des kapitalistischen Auslands und Westberlins geben, – durch eigenständige Tätigkeit und im engen Zusammenwirken mit den anderen an der Messeabfertigung und Kontrolle beteiligten Diensteinheiten der Zollverwaltung und des Sicherheitsorgans zur Durchsetzung des Befehls 4/74 [ Vorbereitung und Durchführung der Leipziger Messen ] beizutragen“.514

Die Zollermittlung war in der Hauptver waltung, in den Bezirksver waltungen Berlin, Potsdam, Rostock, Magdeburg, Dresden, Erfurt und Leipzig sowie an strategisch bedeutenden Grenzübergangsstellen vertreten.515 In der Hauptver waltung unterstand sie dem Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen. In den Bezirksver waltungen wurde die Zollermittlung als „Operativgruppe Zollermittlung“ und an den Grenzübergangsstellen als „Arbeitsgruppe Zollermittlung“ bezeichnet und unterstand jeweils direkt dem Leiter der Abteilung Zollermittlung der Hauptver waltung. In der Abteilung Zollermittlung der Hauptver waltung gab es drei Sachgebiete : das Sachgebiet „Auswertung und Information“, das Sachgebiet „Anleitung und Kontrolle“ sowie das Sachgebiet „Zentralkartei“. Wie die Sachgebiete „Auswertung und Information“ der anderen Bereiche des Zollfahndungsdienstes war auch das der Zollermittlung mit der Verdichtung sowie Aus - und Bewertung der Arbeitsergebnisse beschäftigt. Es erstellte daraus für die Leitungsebene des Zolls und für das MfS ver wertbare Dokumentationen und Informationen. Zudem flossen die erarbeiteten Erkenntnisse in Form von Verallgemeinerungen an die Zollämter und anderen Abteilungen der Zollver waltung zurück, um die Kontrollen so effektiv wie möglich zu gestalten. Über das Sachgebiet „Auswertung und Information“ wurde auch die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch der Zollermittlung mit der Hauptabteilung VI des MfS vollzogen.516 Durch das Sachgebiet „Anleitung und Kontrolle“ wurden die Leiter und Mitarbeiter der Operativ - und Arbeitsgruppen instruiert und deren Arbeitsergebnisse überprüft. Außerdem wurde über dieses Sachgebiet die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Passkontrolleinheiten abgestimmt.517 Das Sachgebiet „Zentralkartei“ sicherte, dass „politisch - operativ“ interessante Fakten aus der Arbeit der Zollermittlung erfasst, gespeichert und verdichtet wurden und erteilte bei Anfragen der Ermittler des Zolls und des MfS Auskünfte.518 Auf bezirklicher Ebene übernahmen die Aufgaben der drei Sachgebiete die jeweiligen Operativgruppen.

514 Ebd., Bl. 3 f. 515 Beispielsweise an den GÜSt Marienborn, Seddin und Berlin - Schönefeld. 516 Vgl. Befehl 11/74 des Leiters der Zollver waltung vom 23. 12. 1974 ( BStU, MfS, BV Neubrandenburg, BdL / Dok. 438, Bl. 8). 517 Vgl. ebd., Bl. 9. 518 Vgl. ebd.

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Die eigentlichen Kontroll - und Fahndungsmaßnahmen wurden durch die Arbeitsgruppen Zollermittlung an den Grenzübergangsstellen durchgeführt. Dort arbeiteten sie sowohl eng mit den Zoll - als auch mit den Passkontrolleuren zusammen und dienten gewissermaßen als „Bindeglied“. Zollermittler traten den Reisenden in Zolluniform gegenüber. Zur Lösung „spezieller Aufgaben“ konnten sie auch Zivil tragen. Sie waren befugt, selbstständig Kontrollen durchzuführen oder an den Kontrollen der Grenzzollämter teilzunehmen. Wie die PKE waren die Zollermittler „ständige Waffenträger“, während das Personal der Grenzzollämter lediglich im Dienst bewaffnet war.519 Ebenfalls wie die PKE durften sie Kontrollersuchen an die GZÄ stellen. Bei „operativer Notwendigkeit“ waren Zollkontrolleure unmittelbar an die Weisungen der Arbeitsgruppe Zollermittlung gebunden. Sie waren befugt, eingezogene Gegenstände und Materialien und angefertigte Protokolle von den Grenzzollämtern anzufordern und zu übernehmen.520 Zollermittler standen trotz dieser weitreichenden Befugnisse nicht in „Konkurrenz“ zu den Passkontrolleinheiten. Im Befehl 11/74 des Leiters der Zollver waltung wurde klar darauf hingewiesen, dass „die Passkontrolleinheit für die Erkennung, Aufklärung und Bekämpfung jeglicher Formen der Feindtätigkeit im grenzüberschreitenden Verkehr verantwortlich ist, Sofortmaßnahmen bei Übergabe solcher Informationen im Interesse der Sicherheit unseres Staates einleitet und Informationen, die die territoriale Sicherheit des Bezirkes betreffen, übergeben bekommt“.521 An einigen wenigen Grenzzollämtern, wie beispielsweise an der Eisenbahn Grenzübergangsstelle Seddin, gab es keine Passkontrolleinheiten. Hier wurden auch solche Feststellungen aus der Zollkontrolle an die Arbeitsgruppen Zollermittlung übergeben, für deren Übernahme ansonsten die Passkontrolleinheit verantwortlich war.522 Für den November 1984 ist eine Zäsur in der Struktur der ZE zu verzeichnen.523 Ab diesem Zeitpunkt wurde die Abteilung Zollermittlung unter dem Namen „Operativgruppe Zollfahndung“ geführt und vermutlich vollständig oder teilweise in den Zollfahndungsdienst eingegliedert. Die hierzu im Rahmen dieser Arbeit aufgefundenen Quellen beschränken sich weitgehend auf ein Referat des Stellvertreters des Leiters für Fahndungswesen der Hauptver waltung vom 14. 8. 1985, in dem es heißt : „Unter der Sicht der einheitlichen Führung aller operativen Prozesse hat sich die Eingliederung der Operativgruppe Zollfahndung ( früher Zollermittlung ) an den Grenzzollämtern Flughafen Berlin Schönefeld und Bahnhof Seddin in die Abteilung I des Bereiches Fahndungs519 Vgl. Zollverwaltung der DDR vom 29. 6. 1972 : Bericht über Anzeichen von Lebensmüdigkeit und Depression bei einer Angehörigen der Abteilung Zollermittlung ( BStU, MfS, Allg. S. 13/74, Bl. 8). 520 Vgl. Befehl 11/74 des Leiters der Zollverwaltung der DDR vom 23. 12. 1974 ( BStU, MfS, BV Neubrandenburg, BdL / Dok. 438, Bl. 12 f.). 521 Ebd., Bl. 14. 522 Vgl. ebd., Bl. 15. 523 Vgl. MfS - Personalakte Hans Bonow, Beurteilung vom 14. 8. 1987 ( BStU, MfS, KS 8976/90, Bl. 94).

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wesen der Hauptver waltung bewährt. Im Ergebnis dessen wurde in den Operativgruppen begonnen, weiterführende Maßnahmen der optimalen Nutzung der Abschöpfungsmöglichkeiten unter strikter Einhaltung der Konspiration durchzusetzen.“524

4.7

Sachgebiet Koordinierung und Technik

Sämtliche Abteilungen und Sachgebiete des Zollfahndungsdienstes mussten sich vor der Einleitung von operativen Vorgängen bzw. von Ermittlungsverfahren mit dem Sachgebiet Koordinierung und Technik abstimmen. Dieses Sachgebiet stand in unmittelbarem Kontakt zum MfS. Es unterlag Weisungen, die die Staatssicherheit eigens für die Beantragung, Bestätigung und Einleitung operativer Fahndungen erlassen hatte.525 Alle Personen, gegen die Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollten, wurden durch das Sachgebiet Koordinierung und Technik in der HA XII des MfS überprüft. Zudem wurden Absprachen mit den jeweiligen Diensteinheiten des MfS geführt. Darüber hinaus koordinierte das Sachgebiet auch Anträge anderer Bereiche der Zollver waltung zur Einleitung von Reisesperren – ebenfalls in Abstimmung mit dem MfS. Das Sachgebiet Koordinierung und Technik hatte darüber hinaus die Aufgabe, sämtliche Suchtmittel und suchtmittelverdächtige Substanzen, die von der Zollver waltung festgestellt und eingezogen wurden, zu erfassen. „Dazu sind die aus den Sofortmeldungen bekanntgewordenen Sachverhalte zu registrieren, die Materialien abzufordern und abzuverfügen“,526 heißt es in der 4. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung. Wenn beispielsweise unklar war, ob es sich bei einer vom Zoll eingezogenen Substanz um ein Suchtmittel handelte, konnte das Sachgebiet Koordinierung und Technik veranlassen, diese von der technischen Untersuchungsstelle des MfS, dem Operativ - technischen Sektor ( OTS ), analysieren zu lassen. Gleiches galt für die Begutachtung von möglichen Spuren und anderen „Sachbeweisen“, die beim Zoll anfielen.527 Das Sachgebiet Koordinierung und Technik war darüber hinaus angehalten, für Zollmitarbeiter regelmäßig Schulungsmaßnahmen zum Suchtmittelschmuggel durchzuführen. Über das Sachgebiet „Koordinierung und Technik“ verschaffte sich das MfS zudem Zugang zu den Speichern und der Rechentechnik der Zollver waltung. Sämtliche Diensteinheiten konnten über die Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI Informationen zu Feststellungen aus dem grenzüberschreitenden Verkehr anfordern, die an den Zollämtern ermittelt wurden. Spezielle Informationen, etwa über den Stand der „Bekämpfung“ des Schmuggels und der Spekulation, gab 524 Referat des Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen der Zollver waltung der DDR zur Dienstbesprechung vom 14. 8. 1985 ( BStU, MfS, HA IX 5362, Bl. 18 f ). 525 Vgl. 4. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 18. 2. 1986 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 410). 526 Ebd., Bl. 412. 527 Vgl. ebd., Bl. 408.

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das Sachgebiet „Koordinierung und Technik“ an die Abteilung Auswertung und Information der HA VI weiter.528 Das Sachgebiet war außerdem dafür verantwortlich, dass der Bereich Fahndungswesen technisch und materiell ständig ausreichend ausgestattet war. Es plante „auf der Grundlage vorgegebener Anforderungen des Bereichs Versorgungsdienste bzw. des Sicherheitsorgans“529 den Finanzbedarf und die Anschaffung von technischen Mitteln und kontrollierte die dafür festgesetzten Normen.

5.

Nutzung der Potenziale der Informationsspeicher

Nahezu alle Vorkommnisse und Feststellungen der Zollver waltung wurden in Form von Karteikarten und mittels EDV erfasst und gespeichert.530 Der Zoll verfügte damit über eine Reihe von Daten, die nicht zuletzt auch für das Ministerium für Staatssicherheit von Bedeutung waren. Bis zur Bildung der Hauptabteilung VI und der Abteilung Zollabwehr wurden Überprüfungen in den Speichern der Zollver waltung von den Dienststellen der Postzollfahndung vorgenommen. Ab 1970 wurde im MfS neu festgelegt, dass Personenüberprüfungen in den Karteien der Zollverwaltung ausschließlich durch die Abteilungen Zollabwehr der Linie VI erfolgten.531 Sämtlichen Diensteinheiten wurden einheitliche Anfrageformulare sowie Hinweise zugeleitet, aus denen die Möglichkeiten der Karteiüberprüfungen bei der Zollverwaltung sowie die Struktur und Standorte der Karteien her vorgingen. Daraufhin erhöhte sich die Anzahl der Überprüfungen aller Abteilungen des MfS in den Karteien der Zollver waltung erheblich.532 Deshalb wurde das Auskunftssystem bereits wenige Jahre später erneut verändert. Zum einen befahl der Leiter der Zollver waltung mit der Dienstanweisung 2/74533 den Aufbau einer Zentralkartei in der Zollverwaltung, zum anderen wurde mit der elektronischen Erfassung von Informationen in der Abteilung Rechenzentrum der Zollver waltung begonnen. Mit 528 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 19). 529 4. Durchführungsanweisung zum Befehl 1/85 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 18. 2. 1986 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 413). 530 Eine genaue Auf listung der von operativen Einheiten des Zolls eingespeicherten Angaben findet sich in : Hausdorf, Speicherung bedeutsamer Daten. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1980, S. 46–53 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS /373/80). 531 Vgl. Schreiben des Leiters der HA VI des MfS an den Leiter der HA IX des MfS vom 1. 10. 1970 : Festlegungen zur Vereinheitlichung von Überprüfungen durch das MfS in den Karteien der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA IX 558, Bl. 49). 532 Vgl. Schreiben des Leiters der HA VI des MfS an den Leiter der selbstständigen Abteilung M des MfS vom 1. 10. 1970 : Festlegungen zur Vereinheitlichung von Überprüfungen durch das MfS in den Karteien der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, Abt. M 750, Bl. 1). 533 Dienstanweisung 2/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 10. 1. 1974 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 1–27).

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diesen beiden Auskunftssystemen wurden nahezu alle bedeutenden Feststellungen zu Personen und Sachverhalten aus dem grenzüberschreitenden Personen- , Güter - und Postverkehr zentral gesammelt, die bei Kontrollhandlungen durch die Zollkräfte getroffen wurden.534 Parallel dazu existierten einige Speicher weiter, deren Informationen ebenfalls in die Zentralkartei bzw. in die Datenbank des Rechenzentrums einflossen. So wurden in den Postzollämtern und in der Hauptver waltung des Zolls Beweisakten über „feindliche Einrichtungen und Organisationen“ geführt, die als Absender von Postsendungen an Bürger der DDR bekannt waren. An den Postzollämtern existierte darüber hinaus eine „Organisations - Empfänger - Kartei“, in der alle Personen erfasst wurden, die als Empfänger solcher Sendungen in Erscheinung traten. Zudem lag dort eine Kartei über Institute, Betriebe und Einzelpersonen vor, die eine Sondergenehmigung zum ständigen oder zeitweiligen Bezug von westlichen Druckerzeugnissen hatten.535 In den Bezirksver waltungen des Zolls, in denen eine Abteilung Transitüber wachung existierte, wurden Karteien zu Kfz aufgebaut, die an den Transitstrecken auffällig wurden, unter anderem wegen „unbegründeten Halts, Waren - Übergaben, Kontakten und Verbindungsaufnahmen zu DDR - Bürgern“.536 In den Bezirksver waltungen an der Staatsgrenze zur ČSSR und zu Polen wurden weiterhin Vergleichsreihen zum „pass - und visafreien Reiseverkehr“ erstellt. Darin wurden alle Bürger der DDR, der Volksrepublik Polen und der ČSSR erfasst, die in dieser Verkehrsart wegen Zoll - und Devisenvergehen angefallen sind.537

5.1

Zentralkartei

In der Zentralkartei der Hauptver waltung der Zollver waltung wurden Angaben zu Personen gesammelt, die seit 1970 mit Zollrechtsverletzungen angefallen sind.538 Darüber hinaus wurden Daten über Personen eingepflegt, zu denen „politisch - operative und andere sicherheitsmäßig zu beachtende Feststellungen oder Hinweise“ aus dem grenzüberschreitenden Reise - , Güter - und Postverkehr bekannt wurden. Dazu gehörten Personen,

534 Vgl. Hausdorf, Speicherung bedeutsamer Daten, S. 4 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS / 373/80). 535 Vgl. HA IX des MfS von 1977 : Katalog über Erfassungsmittel, Materialsammlungen und Auskunftsmöglichkeiten ausgewählter Diensteinheiten des MfS, des MdI, der Zollverwaltung sowie anderer staatlicher, gesellschaftlicher oder wirtschaftsleitender Organe, Institutionen und Einrichtungen, die Möglichkeiten der operativen Überprüfung oder offiziellen Beweisführung in Untersuchungsvorgängen bieten ( BStU, MfS, BV Dresden Abt. IX 30129, Bl. 190). 536 Ebd., Bl. 187. 537 Vgl. ebd., Bl. 188. 538 Auch die Mehrzahl der Personen, die bereits zwischen 1965 und 1969 mit „zollauffälligen Handlungen“ registriert wurden, wurde erfasst. Vgl. ebd., Bl. 181.

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„– gegen die Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, – die in Durchführung von Ermittlungsverfahren als ‚Verdächtige‘ bekannt wurden, denen jedoch eine Straftat nicht nachgewiesen werden konnte, – gegen die ‚Verfahren zur Verfolgung von Zoll - und Devisenverstößen‘ eingeleitet wurden, – die in Aufklärungs - oder Ermittlungsakten bearbeitet werden / wurden, einschließlich deren Personenverbindungen, – die in operativen Vorlaufmaterialien bearbeitet werden / wurden, – die in Sachstandsberichten und Informationen genannt wurden, – die mit Zollrechtsverletzungen ( Missbrauchshandlungen ) im Transitverkehr zwischen der BRD und Westberlin angefallen sind, – die im Organisations - Paket - und Päckchenverkehr, bei der Einfuhr gefährlicher Literatur, mit bedeutenden Sachverhalten im Geschenkpaket - und - päckchenverkehr angefallen sind, – die mit Eingaben zu Rechtsentscheidungen bei der Zollver waltung in Erscheinung traten“.539

Im Jahr 1980 umfasste der Datenspeicher rund 2,5 Millionen Karteieinlagen zu etwa 1,3 Millionen natürlichen Personen. Jährlich wurden etwa 600 000 Karteikarten eingespeichert, fast ebenso viele Karteikarten ausgesondert bzw. als Mehrfacheinlagen durch Zusammenführung reduziert.540 Der Erweiterung der Zentralkartei waren ab diesem Zeitpunkt Grenzen gesetzt, da die finanziellen Mittel für neue Karteischränke, für die Mikroverfilmung und für weitere Planstellen fehlten. Ausgesondert wurden Hinweise vor allem dann, wenn die einliegenden Personen ein Alter erreicht haben, bei dem „mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ihr Ableben geschlossen werden kann“.541 Auch einmalige und geringfügige Zollrechtsverletzungen wurden nach gewissen Fristen gelöscht. Die HA IX attestierte der Zentralkartei einen großen Nutzwert, unter anderem zur Überprüfung bzw. Feststellung von Treffs an Transitstrecken, zu Zoll und Devisenverstößen durch DDR - Bürger und deren persönlichen und postalischen Kontakten zu Personen aus dem „NSW“. Auch wird betont, dass mittels der Zentralkartei Personen erkannt werden konnten, die zu „Zielgruppen gegnerischer Aktivitäten“ zählten und Sendungen mit „gefährlicher Literatur“ erhielten. Weiter heißt es : „Über die Kartei ist der Zugriff auf z. T. [ zum Teil ] mikroverfilmtes Grundlagenmaterial zur jeweiligen Person / Sachverhalt möglich. Das Grundlagenmaterial ermöglicht teilweise die Erlangung von Handschriftproben, Unterschriften und Lichtbildern der Person.“542 539 Schreiben des 1. Stellvertreters des Ministers für Staatssicherheit, Bruno Beater, an die Leiter der Diensteinheiten des MfS vom 8. 12. 1977 : Nutzung der Zentralkartei der Zollver waltung der DDR durch die operativen Diensteinheiten des MfS ( BStU, MfS, BdL / Dok. 006278, 1. Ex., Bl. 1 f.). 540 Vgl. Hausdorf, Speicherung bedeutsamer Daten, S. 12 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS / 373/80). 541 Ebd. 542 HA IX des MfS von 1977 : Katalog über Erfassungsmittel, Materialsammlungen und Auskunftsmöglichkeiten ausgewählter Diensteinheiten des MfS, des MdI, der Zollver waltung sowie anderer staatlicher, gesellschaftlicher oder wirtschaftsleitender Organe, Institutionen und Einrichtungen, die Möglichkeiten der operativen Überprüfung oder

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Für die Ver waltung der Zentralkartei war die Abteilung Zollermittlung zuständig. Während Nachfragen anderer Abteilungen und Bereiche des Zolls nur über die jeweiligen Leiter543 möglich waren, konnte die Staatssicherheit mühelos und nahezu uneingeschränkt auf die Daten zugreifen. Pro Jahr wurden ca. 190 000 Nachfragen verschiedener Diensteinheiten der Staatssicherheit bearbeitet.544 Die meisten Nachfragen stellten dabei die Hauptabteilungen I, VII, XIII und PS ( Personenschutz ) sowie verschiedene Diensteinheiten der Bezirksver waltungen Berlin, Halle, Leipzig, Frankfurt / Oder, Magdeburg und Neubrandenburg.545 Anfragen wurden in der Regel schriftlich gestellt und beantwortet. Sämtliche Diensteinheiten des MfS konnten über die Hauptabteilung VI, Abteilung Zoll - Abwehr, Auskunftsersuchen in der Zentralkartei stellen.546 Die Abteilung Zoll - Abwehr übernahm dann „unter Wahrung der Konspiration“ die Überprüfung. Bestand durch die Diensteinheiten Interesse an vorliegenden Informationen, veranlasste die Abteilung Zoll - Abwehr über OibE in der Zollver waltung die Anfertigung von Abzügen von den vorhandenen schriftlichen Unterlagen.547 Die Bearbeitungszeit für eine schriftliche Auskunftserteilung lag bei zwei bis drei Wochen. In dringenden Fällen war jedoch auch eine telefonische Auskunft rund um die Uhr möglich.548 „Nicht selten waren Einlagen in der Zentralkartei für die anfragende Diensteinheit der einzige bzw. erste Hinweis auf Westkontakte von DDR - Bürgern.“549 Die Abteilung Zollermittlung wurde angewiesen, die in der Zentralkartei eingelagerten Informationen nach „politisch - operativen“ Gesichtspunkten zu bewerten. „Ergeben sich dabei Fakten, die den begründeten Verdacht zielgerich-

543

544 545 546

547 548 549

offiziellen Beweisführung in Untersuchungsvorgängen bieten ( BStU, MfS, BV Dresden Abt. IX 30129, Bl. 182). Nachfrageberechtigt waren im Einzelnen der Leiter der Zollver waltung, seine Stellvertreter, die Leiter der Abteilungen Kader, Zollrecht, Operativ, Postzollfahndung, Postverkehr, Zollfahndung und Zollermitlung sowie die Leiter der Sachgebiete Eingaben und Disziplinare Praxis, Zollfahndung, Zollermittlung und Postverkehr der Hauptver waltung. Außerdem die Leiter und Stellvertreter operativ der Bezirksver waltungen und die Leiter der Abteilungen Operativ, Zollrecht, Zollfahndung, die Leiter der Sachgebiete der Abteilung Zollfahndung und die Leiter der Sachgebiete Eingaben, der Operativgruppe Zollermittlung und der Offiziere Postverkehr in den Bezirksver waltungen. Auch die Leiter und diensthabenden Offiziere der Zollämter und der Arbeitsgruppen Zollermittlung waren anfrageberechtigt. Vgl. Dienstanweisung 2/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 10. 1. 1974 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 9 f.). Vgl. Hausdorf, Speicherung bedeutsamer Daten, S. 12 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS / 373/80). Vgl. ebd., S. 17. Schreiben des 1. Stellvertreters des Ministers für Staatssicherheit, Bruno Beater, an die Leiter der Diensteinheiten des MfS vom 8. 12. 1977 : Nutzung der Zentralkartei der Zollver waltung der DDR durch die operativen Diensteinheiten des MfS ( BStU, MfS, BdL / Dok. 006278, 1. Ex., Bl. 2). Vgl. Hausdorf, Speicherung bedeutsamer Daten, S. 14 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS / 373/80). Vgl. 1. Ergänzung zur Dienstanweisung 2/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 17. 11. 1975 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 29 f.). Hausdorf, Speicherung bedeutsamer Daten, S. 17 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS /373/80).

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tet begangener Zollstraftaten, politisch - ideologischer Diversion oder anderer Rechtsverletzungen, Störtätigkeit, Erkundung des Grenzregimes u. a. erkennen lassen, sind die zuständigen Diensteinheiten der Zollver waltung [...] direkt zu informieren.“550 Dafür stand ein „Karteioffizier“ ständig im Kontakt mit den operativen Diensteinheiten der Zollver waltung und gab dem „Karteisachbearbeiter“ entsprechende Vorgaben, damit dieser „sicherheitsmäßig interessierende Sachverhalte bzw. Sachverhalte zu Schmuggel und Spekulation erkennt bzw. in der Lage ist, eine operative Vorbewertung durchführen zu können“.551 Informiert wurden vor allem die Abteilungen Zollermittlung, Zollfahndung, Postverkehr, Transitüber wachung, Operativ, Zollrecht sowie der Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen persönlich.552 Die Bedeutung der Zentralkartei kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der Leiter der Zollver waltung die Räumlichkeiten, in denen die Karteien ver waltet wurden, zum „Sperrbereich“ erklärte.553 Der Sperrbereich war durch eine codierte elektromechanische Schließvorrichtung an der Eingangstür sowie durch Stahlgitter an den Fensterfronten gesichert. Neben den Mitarbeitern der Zollermittlung, die mit der Führung der Zentralkartei beauftragt waren, hatte lediglich ein kleiner, ausgewählter Kreis um den Leiter der Zollver waltung Zutritt.554 Des Weiteren heißt es in der 2. Ergänzung zur Dienstanweisung 2/74 des Leiters der Zollver waltung : „Im Sperrbereich der Zentralkartei sind alle Reinigungs - und Raumpflegearbeiten in eigener Zuständigkeit durchzuführen. Maler - oder notwendige Reparaturarbeiten sind durch Handwerker der Zollver waltung ( Mitarbeiter der Zollver waltung ) bzw. des Sicherheitsorgans durchzuführen. Ist das nicht möglich, sind alle Arbeiten einschließlich der Entgegennahme von Nachfragen und der Erteilung von Auskünften aus der Zentralkartei einzustellen.“555

5.2

Datenbank der Abteilung Rechenzentrum

In der Zentralkartei waren Überprüfungen nur auf der Grundlage des Namens von Personen möglich. Dagegen bot die elektronische Datenerfassung eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, wie beispielsweise die Recherche nach bestimmten Sachverhalten, territorialen Schwerpunkten und ausgesuchten Zeiträumen.556 550 Dienstanweisung 2/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 10. 1. 1974 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 9). 551 Druf, Zentralkartei der Zollver waltung. Diplomarbeit an der Humboldt - Universität Berlin 1975, S. 21 ( Archiv Plessow ). 552 Ebd. S. 18. 553 Vgl. 2. Ergänzung zur Dienstanweisung 2/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 28. 2. 1979 ( BStU, MfS, HA VI 12152, Bl. 34). 554 Vgl. ebd., Bl. 36. 555 Ebd., Bl. 43. 556 Vgl. Hausdorf, Speicherung bedeutsamer Daten, S. 9 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS / 373/80).

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„Die dabei erzielten Resultate stellen eine wertvolle Hilfe für die politisch - operative Arbeit der Diensteinheiten des MfS dar. So ist es durch gründliche Auswertung der Rechercheergebnisse beispielsweise möglich, bei Sicherheitsüberprüfungen einen höheren Grad in der Aussage über die Zuverlässigkeit oder Nichteignung interessierender Personen zu erhalten, den Prozess der Suche, Auswahl und Gewinnung von IM sowie ihrer nachfolgenden periodischen Überprüfung auf Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit effektiv zu unterstützen sowie Schwerpunkte feindlicher Angriffsrichtungen im jeweiligen Verantwortungsbereich rechtzeitig zu erkennen.“557 Der Einsatz der Rechentechnik erfolgte ab Anfang der 1970er Jahre. Schrittweise wurden elektronische Kleinrechner ( aus DDR - Produktion ) eingesetzt, die maschinelle Datenerfassung organisiert und einige kleinere Datenverarbeitungsprojekte entwickelt. Den großen Vorteil der EDV - Technik gegenüber der Zentralkartei benannte die HA IX des MfS Ende der 1970er Jahre folgendermaßen: „In Ergänzung zur Zentralkartei ermöglicht die Datenbank den Zugang zu Informationen auch ausgehend von objektiven Tatumständen ( Zeit, Ort, Methode zollspezifischer Vorkommnisse ) sowie analytische Aufbearbeitungen.“558 So konnte über die Abteilung Rechenzentrum beispielsweise folgende komplexe Recherche durchgeführt werden : Welche bundesdeutschen Monteure waren zeitweilig in der DDR tätig und wollten im 1. Halbjahr 1980 sogenannte „Hetzliteratur“, versteckt im Kfz, an Schriftsteller der DDR überbringen und welche Rechtsentscheidungen wurden dazu von der Zollverwaltung getroffen?559 Zusätzlich zu den Informationen, die in der Zentralkartei gespeichert waren, enthielt die Datenbank Informationen zu allen Personen, die an den GÜSt Gegenstände hinterlegt haben, die nicht zum Transit durch die DDR zugelassen waren ( zum Beispiel Waffen oder Funksendeanlagen ). 1980 waren rund 2,1 Millionen Informationen maschinell eingespeichert.560 Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass die Auskunftsmöglichkeiten lange Zeit stark eingeschränkt waren. Aufgrund begrenzter Rechnerkapazitäten bedurfte jede Rechercheanfrage der Zustimmung des Leiters der Zollver waltung.561 Bis in die 557 Ebd. 558 HA IX des MfS von 1977 : Katalog über Erfassungsmittel, Materialsammlungen und Auskunftsmöglichkeiten ausgewählter Diensteinheiten des MfS, des MdI, der Zollver waltung sowie anderer staatlicher, gesellschaftlicher oder wirtschaftsleitender Organe, Institutionen und Einrichtungen, die Möglichkeiten der operativen Überprüfung oder offiziellen Beweisführung in Untersuchungsvorgängen bieten ( BStU, MfS, BV Dresden Abt. IX 30129, Bl. 184). 559 Vgl. Hausdorf, Speicherung bedeutsamer Daten, S. 25 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS / 373/80). 560 Vgl. ebd. 561 HA IX des MfS von 1977 : Katalog über Erfassungsmittel, Materialsammlungen und Auskunftsmöglichkeiten ausgewählter Diensteinheiten des MfS, des MdI, der Zollver waltung sowie anderer staatlicher, gesellschaftlicher oder wirtschaftsleitender Organe, Institutionen und Einrichtungen, die Möglichkeiten der operativen Überprüfung oder offiziellen Beweisführung in Untersuchungsvorgängen bieten ( BStU, MfS, BV Dresden, Abt. IX 30129, Bl. 184).

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späten 1980er Jahre diente eine in Ungarn produzierte Rechenanlage vom Typ EC 1010 ( Baujahr 1975) zur zentralen Verarbeitung von Daten in der Hauptver waltung des Zolls. In den Bezirksver waltungen kam bis zu dieser Zeit keine Rechentechnik zum Einsatz, jedoch wurde der über wiegende Teil der maschinellen Datenerfassung hier durchgeführt. Gespeichert wurden die erfassten Daten auf Magnetbandkassetten. Mittels Kurierdienst wurden diese im festgelegten Rhythmus der Hauptverwaltung zugestellt und in den Zentralrechner eingespielt.562 Die Anwenderprogramme für den Zentralrechner wurden allesamt von Mitarbeitern der Abteilung Rechenzentrum der Zollver waltung entwickelt. Mit ihnen konnten statistische Übersichten erstellt, Informationen aus den gespeicherten Daten durch Vorgabe bestimmter Suchkriterien gewonnen sowie bestimmte Häufigkeiten ( Personen, Transportmittel, Rechtsverletzungen ) ermittelt werden.563 Dadurch war es beispielsweise möglich, die Effektivität der Zollkontrollen besser einzuschätzen. Vor allem diente der Zentralrechner jedoch zur „Aufdeckung und Bekämpfung des Schmuggels und der Spekulation“. So konnten mittels Rechentechnik „sachliche, territoriale und personelle Schwerpunkte“ ermittelt werden und Ausgangsinformationen zu Schmuggelmethoden und Schmuggelverstecken bereitgestellt werden. „Die rechnergestützten Ausgangsinformationen fließen in die Arbeit der zuständigen Bereiche und Abteilungen der Hauptver waltung und der Bezirksver waltungen ein. [ Sie ] sind eine Grundlage für die Erarbeitung von Einschätzungen und komplexen Informationen zum aktuellen Stand der Schmuggelbekämpfung.“564 Über die Hauptabteilung VI des MfS, Abteilung Auswertung und Information, konnten die verschiedenen Diensteinheiten Recherchen in der Abteilung Rechenzentrum beantragen. Die Zahl der Rechercheanträge von MfS - Diensteinheiten stieg seit Einführung der Rechentechnik kontinuierlich an. Waren es 1976 noch 69 Aufträge, so bearbeitete die Abteilung Rechenzentrum drei Jahre später bereits knapp 400 Recherchen für die Staatssicherheit.565 Zudem wurde der Datenbestand des Zentralrechners im Auftrag der Staatssicherheit periodisch nach folgenden Komplexen ausgewertet : – Einfuhr von „Hetzmaterial und anderen zersetzenden Druckerzeugnissen aus dem NSW“ im Post und Reiseverkehr ( halbjährlich ), – Feststellungen im Post - und Reiseverkehr sowie aus der Eingabenbearbeitung, die im Zusammenhang mit der Kirche bzw. kirchlichen Einrichtungen stehen ( halbjährlich ),

562 Vgl. Zollver waltung der DDR vom 5. 6. 1987 : Informationen über den Stand und den Einsatz von Rechentechnik in der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 75). 563 Vgl. ebd., Bl. 76. 564 Ebd., Bl. 79. 565 Vgl. Hausdorf, Speicherung bedeutsamer Daten, S. 27 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS / 373/80).

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– Einfuhr von „gefährlicher Literatur“ im Zusammenhang mit Künstlern und Publizisten bzw. mit Einrichtungen der Kunst und Kultur bzw. des Presse und Verlagswesens ( halbjährlich ), – Einfuhr von „gefährlicher Literatur“ im Zusammenhang mit medizinischem Personal bzw. Einrichtungen des Gesundheits - und Sozialwesens ( halbjährlich ), – Empfänger und Absender von „Hetzliteratur und anderen zersetzenden Druckerzeugnissen“, die innerhalb von 6 Monaten drei Mal in Erscheinung traten, aufgeschlüsselt nach Bezirken und Kreisen ( halbjährlich ), – „Verstöße von Einwohnern Westberlins gegen die Besuchervereinbarung zwischen der Regierung der DDR und dem Senat von Westberlin“ ( vierteljährlich ), – Versuchte Einfuhr von Waffen, Munition, Sprengmitteln und „Gegenständen, die als Waffe gehandhabt werden können“, sowie von Rauschgift ( monatlich).566 „Die Auswertungsergebnisse dienen der Unterstützung der operativen Arbeit der verschiedenen Diensteinheiten des MfS, insbesondere der Linie VI, der Linie XX und der Kreisdienststellen.“567 Ab Mitte der 1980er Jahre setzte zeitgleich mit den kühnen Plänen der DDRPartei - und Wirtschaftsführung zur Entwicklung moderner Computerchips („Megabit - Projekt“) auch in der Datenverarbeitung der Zollver waltung ein Modernisierungsschub ein. So wurde ab 1986 damit begonnen, die Bereiche der Hauptver waltung mit Büro - und Personalcomputern vom Typ „A 5130“ und „PC 1715“ auszustatten.568 Damit konnten zwar überschaubare Rationalisierungseffekte erzielt werden, auch kleine und abgegrenzte Aufgaben der Informationsbereitstellung ( Statistiken, Schwerpunktberechnungen im Bereich „Schmuggel und Spekulation“) wurden bewältigt, doch kam man im Zoll bereits Mitte 1987 zum Schluss, dass „zur Erzielung komplexerer Lösungen perspektivisch eine Verkopplung mit Großrechentechnik erforderlich wird“.569 Bis zum Jahr 1991 sollte ein Großrechnersystem vom Typ „ESER - II“ ( Einheitliches System Elektronischer Rechentechnik ) zum Einsatz kommen. Bis ins Jahr 2000 sollte die „Realisierung von Direktanfragen über angeschlossene Bürocomputer im Fernbereich“570 gewährleistet werden – was dem Aufbau eines Intranets gleichkommt. „Der Einsatz eines Rechners des ESER - II bringt somit vollkommen 566 Vgl. ebd., S. 27 f. 567 Ebd., S. 28. 568 Vgl. Zollver waltung der DDR vom 5. 6. 1987 : Informationen über den Stand und den Einsatz von Rechentechnik in der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 74). 569 Vgl. ebd., Bl. 82. 570 Stellvertreter des Leiters der Zollver waltung der DDR, o. D. : Stufenprogramm für die kader - und ausbildungsmäßige Absicherung für den Einsatz der Mikro - und Großrechentechnik auf der Grundlage der Intensivierungskonzeption der Zollver waltung ( BStU, MfS, ZAIG 26236, Bl. 86).

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neue qualitative und zugleich auch quantitative Erfordernisse hinsichtlich der Vorbereitung, der Beherrschung und der Nutzung der Rechentechnik mit sich. Dabei kann sich die Zollver waltung nicht wie andere Organe und Institutionen auf langjährige praktische Erfahrungen in der Anwendung von ESER - Großrechnern stützen.“571 Fest steht, dass die Zusammenarbeit zwischen Zoll und MfS auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung weiter intensiviert wurde bzw. werden sollte. Das belegt eine „Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen der Zentralen Auswertungs - und Informationsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit und dem Rechenzentrum der Zollver waltung der DDR bei der Projektierung, dem Aufbau und der Nutzung einer Zentralen Datenbank der Zollverwaltung der DDR“.572 Der Aufbau der Zolldatenbank sollte vollständig unter der Leitung des MfS erfolgen. Die Staatssicherheit war sowohl für die Qualifizierung der EDV - Spezialisten als auch für die Bereitstellung der Datenkommunikations - Software verantwortlich. Dabei sollte die vom MfS selbst entwickelte Software zum Einsatz kommen.573 Zudem sollte die Staatssicherheit „Unterstützung bei der Bestimmung der für die Realisierung der Zentralen Datenbank erforderlichen hardwareseitigen und sonstigen materiell - technischen und kadermäßigen Voraussetzungen“574 leisten. Das bedeutet : Das MfS gab vor, welche Technik zum Einsatz kam und welche Zöllner Umgang mit dieser Technik haben durften. Zudem sollte die zum Einsatz kommende Datenbank, in die sämtliche Informationen aus der Arbeit des Zolls einflossen, von der Zentralen Auswertungs - und Informationsgruppe geplant und entwickelt werden. Die Staatssicherheit war auch verantwortlich für „die Einrichtung von Datenendstellen für die direkte rechercheseitige Nutzung der Zentralen Datenbank durch das MfS gemäß noch zu treffender Festlegungen“.575 Diese Investitionen kamen nicht mehr vollständig zum Tragen, wie auch das „Megabit - Projekt“ der DDR - Halbleiterindustrie scheiterte. Beachtenswert bleibt dennoch, welche Bedeutung der Rechentechnik des Zolls in den letzten Jahren der DDR beigemessen wurde und was man sich bis zur Schwelle des neuen Jahrtausends perspektivisch davon versprach. Die Arbeitsergebnisse und Informationen aus der Zollpraxis sollten über Datenfernleitungen nicht nur Zoll - intern übermittelt werden, sondern die Staatssicherheit plante den direkten, unmittelbaren Zugriff darauf.

571 Ebd. 572 Ebd., Bl. 68. Leider handelt es sich bei der vorliegenden Vereinbarung um einen Entwurf, der weder datiert noch von den Leitern beider Einrichtungen, Erich Mielke und Gerhard Stauch, unterzeichnet ist. 573 Vgl. Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen der ZAIG des MfS und dem Rechenzentrum der Zollver waltung der DDR bei der Projektierung, dem Aufbau und der Nutzung einer Zentralen Datenbank der Zollverwaltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, ZAIG 26236, Bl. 69). 574 Ebd., Bl. 70. 575 Ebd., Bl. 71.

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V.

Fallbeispiele für die Nutzung der Aufgaben, Methoden und Befugnisse der Zollver waltung durch das MfS

Das MfS hat die beschriebenen Potenziale des Zolls nicht nur erkannt und die strukturellen Voraussetzungen für eine etwaige Nutzung geschaffen – es hat vor allem diese Potenziale in seine praktische Tätigkeit mit einbezogen. Das soll nun anhand von zwei Fallbeispielen verdeutlicht werden, die darüber hinaus belegen, wie umfassend und tiefgreifend die Vereinnahmung der Zollver waltung durch die Staatssicherheit war. Anhand des Vorgehens gegen das Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V. wie auch am Beispiel der Absicherung der Leipziger Messe lässt sich das Zusammenspiel und Ineinandergreifen verschiedener Zoll - und MfS - Abteilungen besonders deutlich aufzeigen. In beiden Fällen konnte die Staatssicherheit erst durch die Nutzung und Kombination verschiedener Arbeitsbereiche der Zollver waltung die „politisch - operative Arbeit“ in ihrem Sinne erfolgreich bewerkstelligen.

1.

Der Fall „Schlange“ – Die Zurückdrängung der Aktivitäten des Hilfswerks der Helfenden Hände Hamburg e. V. durch Zoll und MfS

1.1

Hilfsorganisation oder „Feindorganisation“ ?

Das „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) entstand als Hamburger Frauenorganisation auf Initiative von Dora Fritzen. Sie hatte 1951 begonnen, Hilfspakete an politische Häftlinge und deren Angehörige in der DDR zu schicken. Für die Finanzierung kam sie selbst auf. Schon bald fand sie aber Mitstreiterinnen und innerhalb kurzer Zeit nahm der Umfang der Paketsendungen mit Kleidung, Lebensmitteln und Kosmetika zu. Dora Fritzen organisierte Sach - und Geldspenden, später erhielt der Verein auch staatliche Zuwendungen. Bis 1985 bildeten rund 200 ehrenamtliche Helferinnen sogenannte Packkreise. Jedes Mitglied im HWHH betreute einen feststehenden Kreis, meist zwischen zehn und 30 Personen.1 Dabei versandten sie Briefe und Pakete in alle 15 Bezirke der DDR. Als Absender benutzten sie sowohl ihre Privatanschriften als auch Deckadressen.2 Die Empfängeradressen waren in einer 1

2

Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 29. 4. 1977 : Bearbeitungskonzeption zur Aufklärung, Dokumentation und Bekämpfung der von der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ausgehenden subversiven Aktivitäten ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 1, Bl. 14). Ebd.

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Fallbeispiele

Kartei geordnet, die auch Vermerke über besondere Wünsche sowie Kleider oder Schuhgrößen enthielt. In dieser Kartei wurden alle abgeschickten Sendungen registriert.3 Neben der Unterstützung von Familien, deren Angehörige eindeutig aus politischen Motiven in der DDR zu Freiheitsstrafen verurteilt worden waren, setzte sich die Hilfsorganisation zunehmend auch für ausreisewillige DDR - Bürger ein. Dafür stand das HWHH mit Fluchthelferorganisationen in Kontakt.4 Zu den bekanntesten Fluchthelfern, mit denen das HWHH zusammenarbeitete, gehörte Michael Gartenschläger, der nach seinem Freikauf aus DDR - Haft im Jahr 1971 bis zu seinem Tod im Jahr 1976 Kontakte zum Hilfswerk unterhielt.5 Ab Anfang der 1960er Jahre betrieb das Hilfswerk unter anderem für die vorübergehende Unterbringung von Flüchtlingen aus der DDR zwei Gästehäuser : Das „Haus Johansallee“ in Hamburg, das als Spende von Rosemarie und Axel Springer erworben wurde,6 und das „Haus Billetal“7 in Reinbek bei Hamburg.8 In den ersten zehn Jahren ihres Bestehens fanden rund 1 000 ehemalige politische Häftlinge dort eine erste Bleibe.9 Aus Sicht der Zollver waltung und des MfS handelte es sich beim „Hilfswerk der Helfenden Hände“ um eine „Feindorganisation“, von der große Gefahr ausging. Der Zollfahndungsdienst beobachtete die Aktivitäten des HWHH bereits seit Anfang der 1970er Jahre und kam dabei zu der Einschätzung : „Es konnte aufgedeckt werden, dass diese Organisation sehr eng mit der Polizei und der Bundeswehr der BRD zusammenarbeitet, indem sie Sendungen in den Räumen von Polizeikasernen zusammenstellt, verpackt und von dort zum Versand [ bringt ] und Bundeswehroffiziersschüler in die Vorbereitung und Durchführung des Org. - Versandes einbezogen werden. Diese Organisation wird finanziell auch durch den Hamburger Senat, Konzerne und andere Regierungsstellen unterstützt und vereinigt in ihren Reihen u.a. exponierte Persönlichkeiten der BRD, die teilweise leitende Funktionen einnehmen. Der feindliche Charakter dieser Organisation gegenüber der DDR kommt u.a. in der Angriffsrichtung auf Personen, die wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Staatsverbrechen usw. verurteilt wurden und solchen, die auf Grund ihrer Tätigkeit ‚Rechtsanwalt u.ä.‘ Verbindungen zu inhaftierten Personen haben. Diese Tatsache und die enge Verflechtung zur Bundeswehr kommt u.a. auch darin zum Ausdruck, dass der Generalin-

3 4 5 6 7 8 9

Vgl. Beidokat, Westpakete S. 40. Vgl. Schreiben Hamburger Rechtsanwälte an den Präsidenten des Amtsgerichts Hamburg vom 25. 11. 1970 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 2, Bl. 22). Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 29. 11. 1977 : Auskunftsbericht und Einschätzung zur feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 2, Bl. 88). Vgl. Broschüre des HWHH „20 Jahre Liebe gegen Hass. Als Dank und zur Erinnerung an die Feierstunde am 17. 11. 1971“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 6, Bl. 87). Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr am 29. 11. 1977 : Auskunftsbericht und Einschätzung zur feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 2, Bl. 91). Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr vom 24. 3. 1977 : Verbindung des IMF „Hasso“ zum HWHH ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 2, Bl. 32). Vgl. Broschüre des HWHH „20 Jahre Liebe gegen Hass. Als Dank und zur Erinnerung an die Feierstunde am 17. 11. 1971“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 6, Bl. 93).

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Der Fall „Schlange“

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spekteur der Bundeswehr der BRD, de Maizière, dessen Bruder in der Hauptstadt der DDR Rechtsanwalt ist,10 in diesem Zusammenhang in Erscheinung tritt. Der besondere Charakter dieser Organisation kommt auch darin zum Ausdruck, dass sie gegenüber anderen Organisationen der BRD keine Öffentlichkeitsarbeit durchführt, ihre Struktur, personelle Zusammensetzung usw. geheim hält und selbst im Org. - Versand verschiedene Methoden zur Abdeckung ( Deckadressen, Versand über dritte Personen usw.) anwendet. Die Organisation nutzt verschiedene Möglichkeiten, um diese Abdeckung zu sichern und die Wirksamkeit zu erhalten. Dazu gehören u.a. der Erfahrungsaustausch über Probleme der politisch - ideologischen Diversion mit anderen gefährlichen Organisationen unter Leitung des ‚Büros für gesamtdeutsche Hilfe‘, Betreuung von republikflüchtigen Personen unter Ausschaltung der Auffanglanger u.a.“11

Auch in den Augen der Staatssicherheit handelte es sich beim HWHH „um eine caritativ getarnte, reaktionäre, antikommunistische feindliche Organisation, die als Instrument der entspannungsfeindlichen Kreise der BRD und Berlin ( West ) in deren antikommunistische Konzeption integriert ist und staatlich gestützt und gesteuert wird“.12 Mittels vorgetäuschter privater Geschenksendungen werde versucht, „in der DDR asozial lebende Personen bzw. Bürger, die kriminelle Handlungen begangen haben oder wegen Staatsverbrechen verurteilt sind, zu unterstützen“.13 Angeleitet von der Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben koordiniere das HWHH seine Aktionen mit weiteren „antikommunistischen Organisationen“, Verbänden und Massenorganisationen, insbesondere dem Springer - Konzern. Zu den Hauptaufgaben der Organisation gehöre unter anderem der „Aufbau eines politischen Untergrundes“ sowie die „Schaffung einer potenziellen Reser ve für konterrevolutionäre Aktionen des Gegners im Innern der DDR“.14 Darüber hinaus wurde dem HWHH angelastet, DDR - Bürger zum „rechtswidrigen Ersuchen auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR“ zu bewegen.15 Der „hohe Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit“ zeige sich in der „Tarnung und Konspirierung“,16 mit der das HWHH vorgehe. Damit gemeint war insbesondere die Versandmethode, indem Privatpersonen Päckchen und Pakete im Auftrag des HWHH sowohl unter „Missbrauch“ des Reise - und Touristenverkehrs als auch des Geschenkpaket - und - päckchenverkehrs in die DDR bringen und dort „Stützpunkte“ schaffen würden, um ihre Kontakte zu festigen und weiter auszubauen.17 10 Gemeint ist Clement de Maizière, Vater von Lothar de Maizière und langjähriger inoffizieller Mitarbeiter des MfS. 11 Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, o. D. : Jahresanalyse 1972 ( BStU, MfS, HA IX 5380, Bl. 12). 12 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 4. 1980 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, HA IX 3300, Bl. 3). 13 HA VI des MfS vom 10. 9. 1982 : Vermerk zur Westpressenotiz „DDR“ stört Hilfsaktionen für politische Gefangene („Die Zeit“ am 10. 9. 1982) vom 10. 9. 1982 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 269). 14 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 4. 1980 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, HA IX 3300, Bl. 3). 15 Ebd., Bl. 4. 16 Ebd. 17 Vgl. ebd.

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Fallbeispiele

Bei der „Bekämpfung feindlicher Organisationen“ konnte die Staatssicherheit auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Bereits Anfang der 1970er Jahre geriet die Organisation „Rheinische Hilfsgemeinschaft für den deutschen Osten e. V.“ ( RHG ) ins Visier des MfS.18 Dabei ergaben sich rasch Hinweise auf ein derart enges Verhältnis der RHG zum HWHH, dass man auf eine „Weiterbearbeitung“ der RHG „zugunsten“ des HWHH verzichtete. In dem Abschlussvermerk zur Bearbeitung der RHG vom 15. 12. 1977 heißt es : „Da es sich bei der ‚Hilfsgemeinschaft für den deutschen Osten‘ ohnehin um eine sog. Zweigstelle des ‚HWHH‘ handelt, wird eine getrennte Weiterbearbeitung der ‚RHG‘ als unzweckmäßig erachtet. Demnach werden einige op. [ operativ ] interessante Materialien aus dem Feindobjekt in den neuen ZOV [ zentralen operativen Vorgang ] (‚Schlange‘ ) einfließen und der restliche Teil archiviert.“19 Die Zollver waltung spielte im Vorgehen gegen beide „Feindorganisationen“ eine wichtige Rolle. Am Beispiel des Zentralen Operativen Vorgangs ( ZOV ) „Schlange“, den das MfS zur Bearbeitung des HWHH durchgeführt hat, soll dies verdeutlicht werden.

1.2

Der Zentrale Operative Vorgang „Schlange“

Mit der Herausgabe des Befehls 6/77 des Ministers für Staatssicherheit vom 18. März 1977 fiel der Startschuss für die „Bearbeitung“ des „Hilfswerks der Helfenden Hände“ im Rahmen eines zentralen operativen Vorgangs.20 Unter Federführung der HA VI, Bereich Zoll - Abwehr, operierte das MfS zudem mit zahlreichen IM und arbeitete mit weiteren Abteilungen, insbesondere der Linie SRT ( Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs ) der HA VI,21 den Abteilungen M ( Postverkehr ), ZKG ( Zentrale Koordinierungsgruppe ), HA VII ( Abwehrarbeit im Ministerium des Innern und der Deutschen Volkspolizei ), HA VIII (Beobachtung / Ermittlung ), HA II ( Spionageabwehr ), HVA ( Aufklärung / Auslandsspionage ), HA IX ( Disziplinar - und Untersuchungsorgan ) sowie mit verschiedenen Abteilungen in den Bezirksver waltungen des MfS in Rostock, Schwerin, Cottbus, Leipzig und Gera zusammen.22 Zudem wurden „offizielle 18 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 31. 5. 1972 : Konzeption zur Aufklärung und Abwehr der Wirkungsweise und Bekämpfung organisierter Paketeinfuhren durch die Organisation „Rheinische Hilfsgemeinschaft für den deutschen Osten e. V.“ (BStU, MfS, HA VI 13911, Bl. 89–91). 19 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 15. 12. 1977 : Abschlussvermerk ( BStU, MfS, ZA, Allg. S. Band 36/78, Bl. 8). 20 Vgl. ebd. 21 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 5. 1973 : 2. Zwischenbericht über den Stand der Aufklärung des Feindobjektes „Rheinische Hilfsgemeinschaft für den deutschen Osten e. V.“ ( BStU, MfS, ZA Allg. S. Band 36/78, Bl. 74). 22 Vgl. HA VI des MfS vom 29. 4. 1977 : Bearbeitungskonzeption zur Aufklärung, Dokumentation und Bekämpfung der von der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ausgehenden subversiven Aktivitäten ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 1, Bl. 10–25).

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Möglichkeiten“ der Zollverwaltung – wie die Paket - bzw. Päckchenkontrolle und die Einsichtnahme in Datenspeicher – ebenso genutzt wie auch „spezifische Möglichkeiten“ der Abteilungen Postverkehr und Zollfahndung, die insbesondere zur Beschaffung von „operativen Ausgangsmaterialien“ sowie zur „Aufklärung von Empfängerkreisen“ herangezogen wurden, wie dies bereits beim Vorgehen gegen die RHG geschehen war.23 Die Abteilung Postverkehr wurde einbezogen zur : „Analysierung und Auswertung aller Sendungen des HWHH an Empfänger in der DDR, Herausarbeitung von Schwerpunkten des Empfängerkreises, Herausarbeitung und Erarbeitung von Dokumentationen und Beweisen der subversiven Tätigkeit des HWHH sowie Aufdeckung von Hintergrundverbindungen, Verbindungen zu anderen Organisationen, staatlichen Einrichtungen der BRD, Menschenhändlerbanden, politischen Parteien und Organisationen zur Auswertung für das MfAA und die Abt. Agitation des MfS, Herausarbeitung neuer Mittel und Methoden, Tendenzen und Begehungsweisen im Org.- Versand regelmäßigen Erarbeitung aussagekräftiger Berichte und Informationen über die Ergebnisse der Kontrolltätigkeit“.24

Für den Zollfahndungsdienst waren folgende Aufgaben vorgesehen : „Durchführung von Ermittlungs - und Observationsmaßnahmen zu verdächtigen Personen, eigenständige Bearbeitung verdächtiger Personen unter Anleitung der Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI, Erarbeitung operativer Ausgangsmaterialien in Abstimmung mit der Abteilung Zoll - Abwehr, Erarbeitung von Hinweisen und Beweisen für die subversive Tätigkeit des HWHH im Rahmen der Aufgaben des Zollfahndungsdienstes.“25 Die Mitarbeiter der Zollver waltung arbeiteten ausschließlich im Auftrag der Staatssicherheit am ZOV „Schlange“. Darüber hinaus führte das MfS unter der „Legende Zollver waltung“ eigene Ermittlungen durch. Das bedeutet, MfS - Mitarbeiter gaben sich bei verschiedenen „operativen Maßnahmen“ als Zöllner aus und nutzten den Zoll als Deckmantel.

1.3

Im Fadenkreuz des MfS – Hauptangriffsziele der Staatssicherheit im Fall „Schlange“

Sämtliche Aktivitäten der Staatssicherheit hatten die Zerschlagung der Organisation zum Ziel.26 An erster Stelle der operativen Bearbeitung stand für das MfS dabei das „Eindringen in die Zentrale der Feindorganisation HWHH mit eige23 Vgl. HA VI des MfS vom 31. 5. 1972 : Konzeption zur Aufklärung und Abwehr der Wirkungsweise und Bekämpfung organisierter Paketeinfuhren durch die Organisation „Rheinische Hilfsgemeinschaft für den deutschen Osten e. V.“ ( BStU, MfS, ZA Allg. S. Band 36/78, Bl. 41). 24 HA VI des MfS vom 29. 4. 1977 : Bearbeitungskonzeption zur Aufklärung, Dokumentation und Bekämpfung der von der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ausgehenden subversiven Aktivitäten ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 1, Bl. 24 f.). 25 Ebd., Bl. 25. 26 Vgl. ebd., Bl. 8 f.

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Fallbeispiele

nen inoffiziellen Kräften“.27 Des Weiteren sollten geeignete IMF28 die Pläne, Absichten und Maßnahmen des Hilfswerks aufdecken und Quer - bzw. Hintergrundverbindungen sowie weitere Mitarbeiter der „Feindorganisation“ ausfindig machen. Darüber hinaus bildete die „Identifizierung solcher Personen und anderer Feindorganisationen, die im Verdacht stehen, die Kontaktmethoden und - kanäle des HWHH für nachrichtendienstliche Verbindungen und zu deren Konspirierung zu nutzen“29 einen weiteren Schwerpunkt. Die Staatssicherheit unterstellte dem Hilfswerk Hintergrundverbindungen zu „imperialistischen Geheimdiensten“, „anderen feindlichen Stellen“, „kriminellen Menschenhändlerbanden“ sowie zum Springer - Konzern, dessen Inhaber Axel Cäsar Springer das HWHH jährlich mit etwa 20 000 DM unterstützte.30 Der Über wachung unterlagen weiterhin die Erholungs - und Kurheime der Organisation in Cuxhaven und Bad Kissingen, in denen „Bürger der DDR unter Ausnutzung von Rentnerreisen in die BRD und unter strengster Geheimhaltung der wirklichen Zielorte zeitweise eingewiesen“ wurden.31 Nicht zuletzt sollten die führenden Mitglieder der Hilfsorganisation und deren engste Bekannte sowie die zirka 20 hauptamtlichen Mitarbeiter der zentralen Geschäftsstelle ( Buchhalter, Karteikräfte, Sekretärinnen, Kraftfahrer, Hausmeister usw.), allen voran die Vorsitzenden Dora Fritzen und Carmen von Greifenhagen, in ihrem „Arbeits - und Freizeitbereich“ bespitzelt werden. Neben den Mitarbeitern sowie den Förderern und Fürsprechern des HWHH aus Politik und Gesellschaft konzentrierten sich die am ZOV „Schlange“ beteiligten Mitarbeiter des MfS und der Zollver waltung vor allem auf die unmittelbaren Absender und Empfänger von Hilfssendungen. Zu deren Aufdeckung nutzte das MfS vornehmlich die Potenziale der Zollver waltung : „Unter Ausnutzung der Möglichkeiten der Abteilung Postverkehr der Zollverwaltung der DDR wird eine ständige Übersicht über alle anfallenden Zusendungen des HWHH sowie über den Empfängerkreis gesichert.“32 Ausgehend von diesen Informationen legte die HA VI des MfS fest, welche Personen in die „aktive Vorgangsbearbeitung“ einbezogen wurden und zu wel27 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 4. 1980 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, HA IX 3300, Bl. 5). 28 Inoffizielle Mitarbeiter der inneren Abwehr mit Feindverbindungen zum Operationsgebiet ( IM - Kategorie von 1968 bis 1979). 29 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 4. 1980 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, HA IX 3300, Bl. 5). 30 HA VI des MfS vom 29. 4. 1977 : Bearbeitungskonzeption zur Aufklärung, Dokumentation und Bekämpfung der von der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ausgehenden subversiven Aktivitäten ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 1, Bl. 15). 31 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 4. 1980 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, HA IX 3300, Bl. 5). 32 HA VI des MfS vom 29. 4. 1977 : Bearbeitungskonzeption zur Aufklärung, Dokumentation und Bekämpfung der von der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ausgehenden subversiven Aktivitäten ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 1, Bl. 19).

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chen Personen zunächst Kontroll - und Überwachungsmaßnahmen durchgeführt werden sollten. Kontrolliert und über wacht wurden vornehmlich „operativ interessante“ Personen aus den Bereichen Medizin, Wirtschaft und Bildung, also unter anderem Ärzte, Ingenieure und Mitarbeiter von Forschungseinrichtungen.33 Bis zum 8. März 1978, wenige Monate nach Einleitung des ZOV „Schlange“, überprüfte die Abteilung VI allein im Bezirk Rostock 78 432 Personen auf eine mögliche Verbindung zum HWHH.34 Die vorgangsleitenden Mitarbeiter der Staatssicherheit vermuteten, dass das HWHH in der DDR mit einigen Bürgern besonders intensiv in Kontakt stand, um den Versand von Hilfspaketen besser organisieren zu können. Solche „auf dem Territorium der DDR vorhandenen und neu entstehenden Stützpunkte des HWHH“35 sollten ebenfalls in Zusammenarbeit mit den zuständigen Diensteinheiten der jeweiligen Bezirksver waltungen erkannt und zerschlagen werden.

1.4

Ermittlungen des MfS durch den Einsatz von IM

Im Rahmen des ZOV „Schlange“ wurden inoffizielle Mitarbeiter sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR eingesetzt beziehungsweise neu geworben. Die Mehrzahl war der Hauptabteilung VI, Bereich Zoll - Abwehr, unterstellt. In Abstimmung mit der ZKG ( Zentrale Koordinierungsgruppe ) wurden jedoch auch IM anderer Diensteinheiten im „Operationsgebiet“ hinzugezogen. Der Staatssicherheit gelang es, IM aus dem Mitarbeiter - und Unterstützerkreis des HWHH zu werben und in die Organisation einzuschleusen. Das MfS hatte dabei klare Kriterien, welche „Kundschafter des Friedens“36 in der Bundesrepublik geworben werden sollten. Die IM mussten unter anderem zwischen 30 und 50 Jahre alt sein, möglichst einen kirchlichen oder sozialen Beruf ausüben, in geordneten familiären Verhältnissen leben und über keine Kontakte in die DDR verfügen.37 In der DDR warben Mitarbeiter der HA VI vor wiegend IM, die ver wandtschaftliche Beziehungen zu Mitarbeitern des HWHH hatten. Darüber hinaus wurde nach IM gesucht, die damit beauftragt werden konnten, sogenannte „Stützpunkte“38 des HWHH in der DDR aufzudecken sowie gegen Emp33 Vgl. ebd. 34 Vgl. Schreiben der HA VI, Abteilung Zoll - Abwehr an die BVfS Rostok vom 9. 3. 1978 : Personenindexe zum ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, TV 1, Band 1, Bl. 3). 35 HA VI des MfS vom 29. 4. 1977 : Bearbeitungskonzeption zur Aufklärung, Dokumentation und Bekämpfung der von der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ausgehenden subversiven Aktivitäten ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 1, Bl. 19). 36 Spione, die im westlichen Ausland eingesetzt wurden, bezeichnete das MfS oftmals als „Kundschafter des Friedens“. 37 Vgl. BVfS Schwerin, Abteilung VI, vom 4. 1. 1981 : Anforderungkriterien an IM aus dem OG für die offensive Bekämpfung der Feindorganisation „HWHH“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, TV 5, Band 2, Bl. 129–131). 38 Als „Stützpunkte“ wurden Personen bezeichnet, die entweder Sendungen des HWHH empfangen und an ihre eigentlichen Empfänger weitergeschickt haben oder in persön-

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fänger von Hilfssendungen zu ermitteln. Knapp eineinhalb Jahre nach Einleitung des ZOV „Schlange“ standen der Staatssicherheit bereits zwischen 30 und 50 IM39 zur Verfügung, die das HWHH „bearbeiten“ sollten.40 Anhand einiger Beispiele wird deutlich, wie und mit welcher Zielsetzung inoffizielle Mitarbeiter im ZOV „Schlange“ eingesetzt wurden. Beispielsweise verfügte die Staatssicherheit bereits vor Anlauf des ZOV „Schlange“ über den IM „Hasso“, der ehrenamtlich im Hilfswerk tätig war und persönlichen Kontakt zu den Vorsitzenden des HWHH unterhielt. „Hasso“ war bereits unmittelbar am Paketversand beteiligt. Zu seinen Hauptaufgaben zählte daher unter anderem die „Erarbeitung solcher Informationen über die Beschaffenheit, Bewachung und Lage der wichtigsten Objekte, die Persönlichkeitseigenschaften der Vorsitzenden und anderer hauptamtlicher Mitarbeiter, bestehende Differenzen usw., die als Ausgangspunkt und zur Grundlage eines wirksamen offensiven Vorgehens gegen das HWHH genutzt werden können“.41 Bereits im Jahr 1978 brach die Staatssicherheit aber die Verbindung zu „Hasso“ ab, da er „ins Blickfeld gegnerischer Organe“, unter anderem des Bundesnachrichtendienstes, geraten war und die Vorsitzende des HWHH, Dora Fritzen, vom BND darüber informiert wurde.42 Zu einer späteren Wiederaufnahme des Kontakts kam es nicht mehr. Nur zwei Jahre nach dem Verbindungsabbruch war „Hasso“ gestorben.43 Daraufhin sollten weitere inoffizielle Mitarbeiter in die Zentrale des Hilfswerks eingeschleust werden. Bei dem IM - Vorlauf 44 „Karl Hosemann“ kam das MfS zu der Einschätzung : „Der Kandidat ist Rentner und hat entsprechende Möglichkeiten für Reisen in das Operationsgebiet. Er gehört zu dem Personenkreis, der für das HWHH von Interesse ist.“45 Ein anderer IM wurde angewiesen, sich direkt an das HWHH zu wenden und um Pakete zu bitten. Sollte dies

39

40 41

42 43 44 45

lichem Kontakt zu Mitarbeitern des HWHH standen und diese bei der Betreuung von Empfängern unterstützten. Insgesamt gab es am 29. 11. 1978 33 IM und 16 IM - Vorläufe, die zur Bearbeitung des HWHH eingesetzt bzw. neu geworben wurden. Vgl. Schreiben des Leiters der ZKG des MfS vom 29. 11. 1978 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, TV 5, Band 3, Bl. 204–209). Vgl. ebd. HA VI des MfS vom 29. 4. 1977 : Bearbeitungskonzeption zur Aufklärung, Dokumentation und Bekämpfung der von der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ausgehenden subversiven Aktivitäten ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 1, Bl. 16). Vgl. Abteilung XXII des MfS vom 7. 6. 1982 : Operativinformation über die Bearbeitung eines ehemaligen Mitarbeiters der Feindorganisation „Hilfswerk Helfende Hände“ durch Geheimdienststellen der BRD ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 187). Vgl. ebd., Bl. 188. Inoffizielle Mitarbeiter wurden zunächst durch das MfS ermittelt, dann als IM - Vorlauf getestet und bei Eignung / Bewährung schließlich als IM verpflichtet und in eine der verschiedenen Kategorien eingeteilt. HA VI des MfS vom 29. 4. 1977 : Bearbeitungskonzeption zur Aufklärung, Dokumentation und Bekämpfung der von der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ausgehenden subversiven Aktivitäten ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 1, Bl. 16).

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gelingen, könnte er unter dem Vorwand, sich zu bedanken, direkt in das HWHH geschickt werden.46 Diese beiden genannten Vorhaben sind jedoch gescheitert. Schließlich setzte eine weibliche IM mit Decknamen „Gerda Maier“47 die Arbeit von „Hasso“ fort. Der „operative Wert“ der von ihr erarbeiteten Informationen entsprach jedoch nicht den „operativen Erfordernissen“, insbesondere weil die inoffizielle Mitarbeiterin nicht gleichermaßen eng mit der Vorsitzenden des HWHH, Dora Fritzen, in Verbindung stand, wie einst der IM „Hasso“.48 Im Jahr 1983 stellte die Staatssicherheit fest, dass die inoffizielle Mitarbeiterin sämtliche abgelieferten Berichte frei erfunden hatte. Die Zusammenarbeit wurde daraufhin eingestellt.49 Das MfS verfügte folglich ab Ende 1983 über keinen IM, der direkt im HWHH tätig war. Dies bedeutete jedoch nicht, dass die Staatssicherheit kein klares Bild über das HWHH und den Mitarbeiterbestand hatte. Für die „Aufklärung“ und fotografische Sicherung der Arbeits - und Wohnobjekte des HWHH setzte die Staatssicherheit beispielsweise den IMS 50 „Peter Franke“ ein. Er war als Lastkraftwagenfahrer im grenzüberschreitenden Reiseverkehr tätig. Zu seinen weiteren Aufgaben gehörte, „einfache Überprüfungshandlungen zu gewonnenen Informationen“ vorzunehmen sowie „geeignetes Material in das Operationsgebiet zu befördern und entsprechend weiterzuleiten“.51 Eine weitere IM besuchte im Auftrag des MfS ihre Schwester in Hamburg, um einen vermeintlichen „Stützpunkt“ des HWHH aufzuklären. Sämtliche Bewohner des Hauses, in dem die Schwester wohnte, wurden von ihr über mehrere Tage beschattet und anschließend in den Speichern des MfS, der Postzollfahndung und der Abteilung M überprüft.52 Das MfS versuchte mit weiteren Methoden mehr über die Unterstützer des HWHH zu erfahren. IM der Staatssicherheit sollten zum Beispiel Liebesverhältnisse mit Angehörigen des HWHH eingehen, um das Hilfswerk auszuspionieren. So bekam ein ehemaliger Angehöriger der Volkspolizei, der seit 1971 als hauptamtlicher IME53 unter dem Tarnnamen „Franz Weber“ für die Staatssicherheit arbeitete, den Auftrag, in das HWHH einzudringen und eine Mitarbeiterin des HWHH auszukundschaften. Als sich diese Mitarbeiterin in der DDR aufhielt, wurde sie von „Franz Weber“ gezielt angesprochen. „Diese Auf46 Vgl. HA VI des MfS vom 1. 2. 1983 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 64). 47 Vgl. ebd., Bl. 63. 48 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 23. 11. 1982 : Einschätzung des Bearbeitungsstandes des ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 26). 49 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 7. 9. 1982 : Einschätzung des Bearbeitungsstandes des ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 211). 50 Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit ( IM - Kategorie ). 51 HA VI des MfS vom 29. 4. 1977 : Bearbeitungskonzeption zur Aufklärung, Dokumentation und Bekämpfung der von der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ausgehenden subversiven Aktivitäten ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 1, Bl. 17). 52 Vgl. Treffbericht des VIM „Elisabeth“ vom 26. 5. 1982 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 22, Bl. 362–364). 53 Inoffizieller Mitarbeiter im ( für ) besonderen Einsatz ( IM - Kategorie ).

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gabe und die engere Gestaltung des Kontaktes in Form eines ‚Liebesverhältnisses‘ löste der IME in guter Qualität.“54 Der IME hatte laut Anordnung des MfS bei einer geplanten Reise zu der Mitarbeiterin des Hilfswerks folgenden Auftrag zu erledigen : „In seinem gesamten Verhalten [ sich ] an die [ Name geschwärzt ] anzupassen, das ‚Liebesverhältnis‘ auszubauen. Sein gesamter Aufenthalt muss von der ‚Sorge um Sie‘ geprägt sein. Während des gesamten Aufenthaltes (1 Woche ) ihren genauen Tagesablauf / Wochenrhytmus, die konkrete Arbeitsstelle, wenn möglich Arbeitsplatz, kennenzulernen. Durch ständige Begleitung und Zusammensein mit der [ Name geschwärzt ] ihre Freunde, Bekannte u. a. Verbindungspersonen kennenzulernen. In Unterhaltungen, ‚Kränzchen‘ usw. [ sich ] an Gesprächen zu beteiligen, durch evtl. kleine Aufmerksamkeiten Kontakte zu festigen. Um der [ Name geschwärzt ] finanziell ‚nicht auf der Tasche zu liegen‘ eine leichte Beschäftigung, nach Möglichkeit in ihrer Arbeitsstelle ( von ihr als DRK deklariert ), zu suchen und dadurch in ihrer Nähe zu sein. Voraussetzungen für erneute Wiedereinreisen der [ Name geschwärzt ] in die DDR und Reisen des IME ins OG [ Operationsgebiet ] zu schaffen.“55

Die geplante Reise zu der 67 Jahre alten Dame fand zunächst nicht statt. Stattdessen schlug diese vor, den IM erneut in der DDR zu treffen.56 Die darüber geschriebenen Briefe und geführten Telefonate übergab der IM seiner zuständigen Diensteinheit des MfS.57 Am 22. Februar 1980 reiste der IM „Franz Weber“ schließlich für drei Tage nach Hamburg. Aus seinem Bericht geht her vor, dass der IM ausführlich alle Lebensgewohnheiten und - umstände der Frau ausspionierte. Er berichtete über die Wohnung und den Hausrat, fertigte Skizzen zu den Räumlichkeiten an, machte Angaben über die ihm bekannt gewordenen Freunde und Ver wandten der Frau. Ebenso berichtete der IM über die Arbeitszeiten und den Verdienst der Dame wie auch über ihre bevorzugte Zeitungslektüre, ihre Einstellung zu aktuellen politischen Themen, wie zur Ausbürgerung Wolf Biermanns oder zur Übersiedlung Rudolf Bahros. Der „Liebes - IM“ kommt bezüglich ihrer Persönlichkeit zu der nüchternen Einschätzung : „Sie ist voreingenommen von sich selbst, sie spricht auch negativ gegen Ver wandte und Bekannte, kritisiert alles was von der DDR ausgeht, hetzt gegen die DDR - Regierung und Politik der Partei sowie Maßnahmen der staatlichen Organe, ist gehässig gegen die SU und die soz. Staaten und gegenüber fortschrittlichen Bestrebungen[,] sie ist auch kritisch gegen die SPD - Politiker, die in ihren Augen Kommunisten sind, sie verherrlicht die westliche Wirtschaftsweise, Lebensweise, freie Marktwirtschaft, rühmt die Freiheit, Freizügigkeit der BRD und ist für die Standpunkte der CDU / CSU Politik.“58 54 BVfS Gera, Abteilung VI, vom 12. 10. 1979 : Reiseauftrag für IME „Franz Weber“ zum Einsatz in Hamburg / BRD zur Klärung operativ bearbeiteter Sachverhalte zum HWHH ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 3, Bl. 126). 55 Ebd., Bl. 126 f. 56 Vgl. BVfS Gera an den Leiter der Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI des MfS vom 20. 11. 1979 : Veränderter Sachstand in der Bearbeitung des TOV „Schlange“ durch IME „Franz Weber“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 17, Bl. 71). 57 Vgl. ebd., Bl. 72–74. 58 Bericht des IME „Franz Weber“ vom 3. 3. 1980 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 17, Bl. 89).

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Weiter kommt der IM zu dem Schluss : „Für eine operative Tätigkeit und Mitarbeit ist sie wegen ihrer politischen Grundeinstellung, Hass gegen die DDR, völlig ungeeignet, man kann sie nur nutzen, um von ihr Informationen zu erhalten oder sie durch Initiativen mich versucht in ihre Tätigkeit einzubeziehen [sic!], damit man in die Arbeit des HWH[ H ] eindringen könnte.“59 Bei der Arbeit mit IM innerhalb der DDR bemühte sich das MfS zuallererst darum, aus dem Kreis der Empfänger von Sendungen des HWHH „geeignete“ Personen auszuwählen, die „für wirksame Bearbeitungsmaßnahmen gegen das HWHH eingesetzt werden“ konnten.60 Um mehr über die unmittelbaren Absender und Empfänger in Erfahrung zu bringen, wurden diese bei geplanten Treffen in der DDR oft von morgens bis abends über mehrere Tage beschattet.61 Mit solchen Obser vationen wurden nicht nur IM des MfS, sondern auch Mitarbeiter der Zollfahndung betraut.62

1.5

Gemeinsames Vorgehen von Zollverwaltung und MfS gegen das HWHH

Beratungen, Absprachen und Prämierungen Um ein gemeinsames Vorgehen gegen das HWHH zu ermöglichen, fanden zunächst unregelmäßig, später dann turnusmäßig Beratungen zwischen Mitarbeitern der HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, und Zollangehörigen der Abteilungen Postverkehr und Zollfahndung statt. So kamen Mitarbeiter des Referats Zoll - Abwehr an Postzollämtern mit Leitern, Zugführern und Spezialisten zusammen und informierten die Zöllner über die Machenschaften der „Feindorganisation“, „damit bei den Genossen der Zollver waltung ein klares Feindbild entsteht und sie ihrerseits Maßnahmen zur weiteren Zurückdrängung der Einfuhr derartiger Sendungen ableiten können“.63 Außerdem wurde durch das MfS sichergestellt, dass die Zollver waltung alle bisher bekannt gewordenen Personen und Adressen des HWHH erfuhr, um diese im Postverkehr erkennen zu können. „In dieser Richtung soll unter Beachtung der Konspiration und Geheimhaltung ein ständiger Informationsaustausch stattfinden.“64 59 Ebd., Bl. 104. 60 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 29. 4. 1977 : Bearbeitungskonzeption zur Aufklärung, Dokumentation und Bekämpfung der von der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ausgehenden subversiven Aktivitäten ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 1, Bl. 17). 61 Vgl. BVfS Schwerin, Abteilung VIII vom 7. 6. 1978 : Beobachtungsbericht ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 8, Bl. 280–282); BVfS Leipzig, Abteilung VIII vom 21. 3. 1972 : Beobachtungsbericht ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 9, Bl. 15–25). 62 Vgl. Zollverwaltung der DDR, Bezirksverwaltung Rostock, Abteilung Zollfahndung, vom 29. 9. 1973 : Obser vationsbericht ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 9, Bl. 105–107). 63 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 30. 4. 1981 : Absprachevermerk zwischen der HA VI, Abteilung Zoll - Abwehr und der Abteilung Postverkehr der Hauptver waltung Zoll ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 17). 64 Ebd.

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Am 23. Juni 1981 fand unter dem Titel „Die weitere Ver vollkommnung der zu koordinierenden Maßnahmen hinsichtlich der Erreichung einer größeren Wirksamkeit und Effektivität bei der Erkennung von Organisations - Sendungen der Feindorganisation ‚Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.‘ und im Rahmen der Bandkontrolle gewonnener Erkenntnisse“65 eine Beratung zwischen Mitarbeitern des Zolls und des MfS im PZA Leipzig statt. Teilnehmer waren „ausgewählte Zollangehörige“ aller Postzollämter der DDR, also Zöllner, die sich speziell mit der Erkennung und Fahndung von Sendungen des HWHH beschäftigten, sowie Vertreter der Abteilungen VI des MfS aus den Bezirksver waltungen Rostock, Schwerin, Leipzig und Gera.66 Den Teilnehmern wurde ein genereller Überblick über den derzeitigen Ermittlungsstand, den Aufbau, die Struktur, die Tätigkeit usw. des HWHH gegeben. Die Beratung diente zum einen dem Zweck, die beteiligten Zöllner ideologisch weiter zu stärken und für ihre Arbeit zu motivieren, zum anderen sollten durch den Erfahrungsaustausch neue Erkenntnisse der Zoll - Spezialisten für die politisch - operative Arbeit des MfS bereitgestellt werden.67 Im Ergebnis wurde von beiden Seiten die Beratung als Erfolg gewertet. „Generell kam zum Ausdruck, dass eine derartige Zusammenkunft begrüßt wurde und die Zollangehörigen spürten, dass auch das MfS an ihrer Seite steht und sie nicht allein mit ihren Aufgaben gelassen werden. [...] Auch die Gen. der teilvorgangsführenden DE [ Diensteinheit ] [ des MfS ] und der Vertreter des ZFD [ Zollfahndungsdienstes ] äußerten sich positiv über die Beratung. In diesem Zusammenhang wurde der Vorschlag unterbreitet, eine ähnliche Beratung mit den Sachgebieten III des ZFD und den op. Ermittlern an den PZÄ durchzuführen, da diese maßgeblich an Aufklärungshandlungen zu HWHH - Personen u. a. Ausgangsmaterialien mitwirken.“68 Tatsächlich erfolgte dann am 6. November 1981 durch die HA VI, Abteilung Zoll - Abwehr, der Vorschlag zur Teilnahme an turnusmäßigen Beratungen mit den Sachgebietsleitern der Sachgebiete III des Zollfahndungsdienstes ( Ermittlung / Aufklärung ) zu Problemen des ZOV „Schlange“. Die Beratungen sollten mit derselben Zielstellung erfolgen wie sie für die Beratung mit den Postzollämtern genannt wurde.69 Sie fanden dann ab 1982 regelmäßig statt.70 65 Leiter der Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI an den Leiter der Abteilung VI der BVfS Leipzig vom 1. 6. 1981 : Beratung mit Spezialisten der 1. Züge aller Postzollämter der DDR unter Federführung der Abt. Zoll - Abwehr ( ZOV „Schlange“) und Abteilung Postverkehr der Hauptver waltung Zoll ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 24). 66 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 27. 5. 1981 : Vorschlag zur Durchführung einer Beratung mit Spezialisten der 1. Züge aller PZÄ der DDR (14) sowie den zum ZOV „Schlange“ teil - und einzelvorgangsführenden Diensteinheiten der Abteilung VI der BVfS Rostock, Schwerin, Leipzig und Gera ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 21). 67 Vgl. ebd., Bl. 21 f. 68 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 25. 6. 1981 : Vermerk über die durchgeführte Beratung mit Spezialisten der 1. Züge der PZÄ Leipzig ( HWHH ) ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 28). 69 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 6. 11. 1981 : Vorschlag zur Teilnahme an einer turnusmäßigen Beratung mit Sachgebietsleitern der SG III des Zollfahndungs-

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Auch diese Beratungen dienten neben der Koordination des Vorgehens gegen das HWHH der Motivation der Zollmitarbeiter. Eine weitere Möglichkeit, die Zöllner zur effektiven Mitarbeit anzuspornen, war die Vergabe von Prämien. Zum Beispiel erhielt eine Beobachtergruppe der Zollfahndung der BV Berlin am 13. Juli 1978 eine Geldprämie in Höhe von 1 000 Mark. Die Begründung für die Auszeichnung lautete : „Die Beobachtergruppe in Stärke von 14 Mitarbeitern der Zollverwaltung war im Rahmen von geplanten Kontroll - und Über wachungsmaßnahmen unserer DE im Zusammenwirken mit der KD [ Kreisdienststelle ] Bitterfeld zur Beobachtung von zwei leitenden Mitarbeiterinnen des ‚Hilfswerkes der Helfenden Hände Hamburg e.V.‘, die sich seit Anfang Juli 1978 in der DDR aufhielten, eingesetzt worden. Während der Zeit ihres Einsatzes haben die Genossinnen und Genossen unter komplizierten Bedingungen eine hohe persönliche Einsatzbereitschaft gezeigt. Durch ihr Wirken konnten die Aktivitäten der beiden Mitarbeiterinnen des HWHH, weitere Stützpunkte und Verbindungspersonen bekanntgemacht werden. Die erzielten Ergebnisse sind für die weitere Bearbeitung der Organisation von großer Bedeutung. Die Auszeichnung erfolgt in Würdigung der gezeigten Leistungen während des Einsatzes und soll gleichzeitig für weitere Aufgaben anspornen.“71

Ermittlungstätigkeit der Zollverwaltung In der Zollver waltung der DDR war das „Hilfswerk der Helfenden Hände“ bereits lange vor der Eröffnung des ZOV „Schlange“ keine unbekannte Organisation. Die Zahl der vorgenommenen Einziehungen im Postverkehr wurde schon zuvor genau dokumentiert. Bis zum Jahr 1976 unterschied man in den Postzollämtern allerdings nicht zwischen dem HWHH und dem Deutschen Roten Kreuz Hamburg, da die Sendungen beider Einrichtungen äußerlich wie auch auf Grund ihres Inhalts nur schwer voneinander zu unterscheiden waren.72 Nach Schätzungen des Zollfahndungsdienstes waren 1977 etwa 2 700 Bürger der Bundesrepublik für den Versand von Hilfssendungen des HWHH zuständig. Sie schickten jährlich schätzungsweise 6 000 bis 7 000 DDR - Bürgern Päckchen und Pakete.73 Die Zahl der tatsächlich festgestellten Sendungen lag aber dienstes zu Problemen des ZOV „Schlange“ ( HWHH ) ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 60). 70 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 16. 3. 1982 : Vorschlag zur Teilnahme an einer weiteren turnusmäßigen Beratung mit Sachgebietsleitern der SG III des Zollfahndungsdienstes zu aktuellen Problemen des ZOV „Schlange“ ( HWHH ) ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 133); HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 8. 6. 1982: Bericht über die gemeinsame Beratung mit der Abteilung Postverkehr und des ZFD SG III der HV Zoll am 3. 6. 1982 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 189). 71 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 13. 7. 1978 : Vorschlag zur Auszeichnung eines Dienstkollektivs der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 2, Bl. 252). 72 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 26. 3. 1977 : Feststellungen der Zollver waltung der DDR zu Aktionen des „Hilfswerkes der Helfenden Hände“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 2, Bl. 36). 73 Vgl. ebd.

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deutlich darunter. Zwischen 1975 und 1979 wurden insgesamt 2 800 Pakete und Päckchen des HWHH entdeckt.74 Der Wert jeder einzelnen Sendung lag bei Paketen durchschnittlich bei 70 bis 120 DM, bei Päckchen bei ca. 30 bis 50 DM.75 Neben Lebens - und Genussmitteln wurden vor allem hochwertige Textilien sowie Kosmetikartikel verschickt. Die Zollver waltung hatte festgestellt, dass ein Absender des Hilfswerks ca. zehn bis 30 Personen in der DDR betreute. Meist handelte es sich dabei um Personen aus dem eigenen Ver wandten - bzw. früheren Bekanntenkreis. Wenn sich Absender und Empfänger besser kannten, wurden oftmals fingierte Absenderadressen („Tarnadressen“) ver wendet, die in der weiteren Folge variieren konnten. Aus den Akten der Zollfahndung geht aber her vor, dass die Ver wendung von „Tarnadressen“ ein lösbares Problem darstellte. „Insgesamt verfügt die Zollver waltung der DDR über umfangreiche Vergleichsmaterialien, wie Adressen, Handschriften, Verpackungsmaterial, Karteimittel und Bilddokumentationen, die die Erkennung derartiger Sendungen ermöglichen.“76 Darüber hinaus stellten die Mitarbeiter der Zollfahndung fest : „Die einzelnen [...] zum Versand gebrachten Pakete und Päckchen liegen, was den Wareninhalt betrifft, typischerweise streng im Rahmen der geltenden Einfuhrbestimmungen der DDR. Die Versandorganisationen orientieren ausdrücklich auf peinlichste Beachtung dieser Rechtsvorschriften, damit keine Einziehungen wegen derartiger Verstöße erfolgen können. Tatsächlich besteht beim organisierten Versand die Rechtsverletzung auch nicht in der Nichteinfuhrfähigkeit der Waren, sondern im Verstoß gegen §§ 1 und 6 der 20. DB [ Durchführungsbestimmung ] vom 14. 6. 73 zum Zollgesetz [...], wonach Sendungen, die von Firmen, Organisationen oder juristischen Personen verpackt und abgesandt worden sind, nicht als Geschenksendungen im Sinne des Gesetzes gelten und deswegen der Einziehung unterliegen.“77

Im September 1976 wurde von der Zollver waltung im Bereich Postzollwesen der Hauptver waltung eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Aufgabe hatte, „alle Feststellungen aus der Zollkontrolle zum ‚Hilfswerk‘ an den Postzollämtern aufzugreifen, zu analysieren, Rückschlüsse für [ die ] Zollkontrolle abzuleiten und wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung einzuleiten.“78 In festgelegten Abständen erfolgte dann eine Information an die Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI des MfS. Diese überprüfte und verdichtete die Informationen erneut und gab sie anderen Diensteinheiten zur Kenntnis. „Ähnliche geeignete Maßnahmen zur Erkennung und Feststellung von Aktivitäten des ‚Hilfswerkes‘ wurden auch an den Grenzzollämtern eingeleitet.“79 74 75 76 77 78 79

Vgl. Zollverwaltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 6. 3. 1980 : Zwischenbericht zum zentralen Ermittlungsvorhaben „Zentrum“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 238). Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 26. 3. 1977 : Feststellungen der Zollver waltung der DDR zu Aktionen des „Hilfswerkes der Helfenden Hände“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 2, Bl. 37). Ebd., Bl. 38. Ebd. Ebd., Bl. 39. Ebd.

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Um noch effektiver gegen das Hilfswerk vorgehen zu können, richtete die Abteilung Zoll - Abwehr im Jahr 1977 zunächst eine Personenkartei zu Empfängern und anschließend eine Personenkartei zu Absendern des HWHH ein. Informationen der Abteilung Postverkehr der Zollver waltung bildeten dabei die Erstellungsgrundlage. Die Tatsache, dass nur operativ interessante Personenkreise ab Jahrgang 1920 in die Kartei einfließen sollten – Personen also, die zum damaligen Zeitpunkt nicht älter als 57 Jahre waren – ist einer Anweisung des MfS geschuldet. Laut Analyse der Staatssicherheit kontaktierte das HWHH zwischen Juni 1975 und Juli 1977 2 000 DDR - Bürger neu. Darunter befanden sich vor allem viele junge Menschen.80 Rentner wurden nur bei besonderem operativen Interesse registriert. Auf den Karteikarten wurden die Namen der Absender bzw. Empfänger, ihre kleinen Personalien sowie die jeweilige Empfänger - bzw. Absenderbeziehung festgehalten. Das MfS rechnete mit ca. 2 000 bis 3 000 Empfängern und ca. 1 000 Absendern, die auf diese Art registriert werden sollten.81 Ab 1978 wurden zusätzlich alle Familienangehörigen der damals in der DDR inhaftierten Personen in den Karteien der Zollver waltung eingespeichert. „Im Rahmen der durch die Zollver waltung durchgeführten Empfängerfahndungen werden somit Kontaktaufnahmen der Feindorganisation erfasst und können operativ bearbeitet werden.“82 Die Postzollämter schickten Originalmaterial zu Schriftproben an die Abteilung Postverkehr der Zollver waltung, wenn bei Absendern eine größere Intensität des Versandes zu verzeichnen war und ständig neue Absender - Angaben bzw. neue Empfänger in Erscheinung traten. Dieses Material wurde dann von der Abteilung Postverkehr aufgearbeitet und verallgemeinert.83 Die Übergabe aller erarbeiteten Informationen an das MfS erfolgte über das Sachgebiet III des Zollfahndungsdienstes der Hauptver waltung. Dort wurde mit Wirkung vom 20. März 198084 unter der Bezeichnung „Zentrum“ eigenständig ein zentrales Ermittlungsvorhaben zum HWHH geführt, das sich auf Empfänger von Hilfs80 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 29. 11. 1977 : Auskunftsbericht und Einschätzung zur feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 2, Bl. 89). 81 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 27. 5. 1977 : Vermerk über eingeleitete Maßnahmen bei der Zollverwaltung, Abt. Postverkehr / Hauptverwaltung ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 2, Bl. 42). 82 KDfS Saalfeld, Abteilung VI, vom 15. 12. 1978 : Analyse über die Tätigkeit, Wirksamkeit und festgestellte Aktivitäten der feindlichen Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 2, Bl. 331). 83 Vgl. Zollver waltung der DDR, Abteilung Postverkehr, vom 7. 7. 1981 : Einschätzung des durchgeführten Erfahrungsaustausches zur wirksamen Bekämpfung der Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände“ Hamburg am PZA Leipzig ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 31). 84 Vgl. Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 18. 4. 1980 : Einschätzung zum Bearbeitungsstand der zentralen Ermittlungsakte „Zentrum“ entsprechend Punkt 7.1 des Arbeitsplanes der Abteilung Zollfahndung der Hauptver waltung für das I. Halbjahr 1980 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 254).

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sendungen des HWHH konzentrierte, die in Berlin wohnhaft waren.85 Auf Befehl der HA VI des MfS endete zwei Jahre darauf diese Phase unabhängiger Ermittlungen der Zollver waltung zum Hilfswerk. Unter dem Decknamen „Baron“ flossen seit März 1982 alle Erkenntnisse der Zollver waltung in eine zentrale Ermittlungsakte ein, an der auch das MfS beteiligt war. „Die Realisierung der Ermittlungsakte erfolgt koordiniert und arbeitsteilig mit der Hauptabteilung VI des MfS bei straffer zentraler Führung und eigenständiger Bearbeitung durch das Sachgebiet III [ des Zollfahndungsdienstes ] und unter Einbeziehung aller Abteilungen Zollfahndung. Es ist durchgängig ein enges Zusammenwirken mit den Postzollämtern über die Abteilung Postverkehr der Hauptver waltung gesichert.“86 Mit der Bildung dieser gemeinsamen zentralen Ermittlungsakte durch Zoll und Staatssicherheit war sichergestellt, dass das Vorgehen gegen das HWHH in jedem Einzelfall aufeinander abgestimmt war. Das MfS gab dabei die Personen vor, die vom Zoll aufgedeckt und bearbeitet werden sollten. „Die Bearbeitung konzentriert sich auf [...] vom MfS vorgegebene BRD - Bürger, bei denen es sich ausschließlich um Funktionäre und haupt - bzw. ehrenamtliche Mitarbeiter dieser Organisation handelt.“87 Feststellungen zu diesen Absendern im Postverkehr wurden als Sofortmeldung an die Abteilung Postverkehr der Hauptver waltung gesandt und anschließend an die Abteilung Zollfahndung der Hauptver waltung übergeben.88 Zusammen mit der HA VI des MfS wurde dann durch die Zollfahndung das weitere Vorgehen festgelegt, also die Auswahl jener Empfänger, die legendiert zu befragen waren, und unter welcher Legende dabei vorgegangen werden sollte.89 Das Material, das die Zöllner im Rahmen der Befragungen erarbeiteten ( Befragungsprotokolle, Auswertungsprotokolle, Schriftstücke, Tonbandaufzeichnungen etc.), wurde zentral bei der Hauptver waltung der Abteilung Zollfahndung gesammelt und geschlossen im Original an die Hauptabteilung VI des MfS übergeben. Das Sachgebiet III der Hauptver waltung des Zollfahndungsdienstes erhielt Kopien der Dokumente und Tonaufzeichnungen.90 In den Bezirksverwaltungen befanden sich zu den Vorgängen keine Unter85 Vgl. ebd. 86 Vgl. Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, an den Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen vom 10. 6. 1982 : Zwischeneinschätzung zur Realisierung der zentralen Ermittlungsakte des Sachgebietes III und zu den bei der Bekämpfung der Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg – Berlin“ erzielten ersten Ergebnissen ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 232). 87 Ebd. 88 Vgl. Postzollamt Halle an die Zollver waltung der DDR, Hauptver waltung, Abteilung Postverkehr, vom 26. 1. 1981 : Kontrollinformation ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 10, Bl. 318 f .). 89 Vgl. Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, an den Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen vom 10. 6. 1982 : Zwischeneinschätzung zur Realisierung der zentralen Ermittlungsakte des Sachgebietes III und zu den bei der Bekämpfung der Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg – Berlin“ erzielten ersten Ergebnissen ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 233). 90 Vgl. ebd.

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lagen. Die Bearbeitung der zentralen Ermittlungsakte „Baron“ war vorerst bis Ende 1982 geplant.91 Auf Betreiben der HA VI des MfS wurden mit Wirkung vom 13. September 1982 die „offensiven Befragungen“ von DDR - Bürgern „bis auf Widerruf“ eingestellt.92 Allerdings sind für das Jahr 1983 wieder Befragungen nachweisbar.93 Drei Monate nach Einführung der zentralen Ermittlungsakte „Baron“ führten die Mitarbeiter des Zollfahndungsdienstes bereits 25 „offensive und legendierte Maßnahmen“ bei Empfängern von Hilfssendungen durch.94 Insgesamt wurden 68 Befragungen von 60 Personen vorgenommen. Bei 44 Personen gelang es der Zollver waltung, diese von der Annahme weiterer Sendungen abzuhalten.95

1.6

Maßnahmen zur „Zersetzung“ und „Diskreditierung“

Die von der Zollver waltung und der Staatssicherheit durchgeführten Befragungen dienten der Erarbeitung weiterer Fakten über die „Feindorganisation“ HWHH. Sie sollten jedoch vor allem die Absender und Empfänger der Hilfssendungen unter Druck setzen und verunsichern. Hinzu kamen weitere Maßnahmen zur „Zersetzung“ und „Diskreditierung“. Verunsicherung von Absendern und Empfängern der Hilfssendungen „Mit dem Ziel der Unterbrechung bestehender Absender - und Empfängerbeziehungen sind zielgerichtet und offensiv störende Einwirkungen auf ausgewählte Empfänger in der DDR anzustreben und durchzuführen“,96 heißt es in der Bearbeitungskonzeption zum ZOV „Schlange“. „Im engen Zusammenwirken mit der Zollverwaltung“ sollten unter den Empfängern solche Personen ausgewählt und angesprochen werden, die „ausgehend von ihrer Persönlichkeit bzw. beruflichen Position geeignet sein könnten, derartige Org. - Sendungen mit entsprechenden schriftlichen Reaktionen an die Absen91 Vgl. ebd., Bl. 235. 92 Vgl. Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 15. 11. 1982 : Zwischenbericht zur zentralen Ermittlungsakte „Baron“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 19). 93 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 3. 2. 1983 : Vorschlag zur Weiterführung der Maßnahmen zur Störung der Absender - / Empfängerbeziehungen im Rahmen der operativen Bearbeitung der feindlichen Organisation „Hilfswerk der helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 88). 94 Vgl. Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, an den Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen vom 10. 6. 1982 : Zwischeneinschätzung zur Realisierung der zentralen Ermittlungsakte des Sachgebietes III und zu den bei der Bekämpfung der Organisation „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg – Berlin“ erzielten ersten Ergebnissen ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 233). 95 Vgl. Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 10. 10. 1982 : Gesamtstatistik zur zentralen Ermittlungsakte „Baron“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 293). 96 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 13. 1. 1982 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 83).

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der zurückzusenden“.97 Auch wurde geprüft, ob die Empfänger eventuell für eine Tätigkeit als IM gewonnen werden könnten.98 Die Zollver waltung sollte den befragten Empfängern schriftliche Erklärungen abverlangen, wonach ihnen die Absender der Hilfspakete unbekannt seien, sie den Empfang solcher Sendungen demonstrativ ablehnen und dies in einem entsprechenden Brief an den Absender zum Ausdruck bringen würden. Über die operativen Ermittler der Postzollämter wurden Erstermittlungen zu den Empfängern geführt. Die Ergebnisse teilten sie der Abteilung Postverkehr mit. Auf gemeinsamen Beratungen der Abteilungen Postverkehr und Zollfahndung mit der HA VI des MfS wurde anschließend festgelegt, ob und wie in Frage kommende DDR - Bürger anzusprechen sind. Nach entsprechender Entscheidung wurde die beschlagnahmte Paketsendung durch das Postzollamt an den zuständigen Mitarbeiter der Zollfahndung übergeben, der dann das Gespräch mit dem jeweiligen DDR - Bürger führte. Über den Ausgang des Gesprächs wurde schließlich die HA VI des MfS informiert.99 In einem Vermerk kam man bei der HA VI, Abteilung Zoll - Abwehr, am 30. März 1982 zu der Einschätzung, „dass die Genossen des ZFD das Anliegen der Verunsicherungsmaßnahmen richtig verstanden haben [...]. Sie sind gewillt, diese Maßnahmen mit hoher Qualität durchzuführen und ein Höchstmaß an Informationen zu gewinnen. [...] Alle anfallenden Probleme werden regelmäßig abgestimmt und eine zentrale Übersicht zu laufenden Maßnahmen geführt.“100 Auch in einer gemeinsamen Beratung von Mitarbeitern der Abteilung Zoll Abwehr mit Mitarbeitern der Abteilung Postverkehr und des Zollfahndungsdienstes bedankten sich die MfS - Mitarbeiter „in aller Form“ für die „gute Unterstützung und die Initiative bei der gemeinsamen Realisierung der betreffenden Maßnahmen [...]. Es wurde aufgezeigt, dass die Ergebnisse insbesondere in Form der Distanzierung der Empfänger vom HWHH, der Übergabe von operativ auswertbaren Originalbriefen der Absender bzw. Tarnadressen und der Abgabe beweiskräftiger Erklärungen, dass zwischen Empfänger und Absender keine persönliche Beziehung besteht, die Erwartungen übertroffen haben und gute Ausgangswerte für weiterführende Maßnahmen seitens [ des MfS ] darstellen.“101

97 Ebd., Bl. 89. 98 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 10. 6. 1982 : Vorschlag zur legendierten Befragung einer Bürgerin der DDR ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 192–194). 99 Vgl. HA VI des MfS vom 28. 1. 1982 : Vermerk über eine Absprache mit dem Leiter der Abt. Postverkehr der HV Berlin der Zollver waltung der DDR zum HWHH ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 94). 100 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 30. 3. 1982 : Vermerk über die durchgeführte Beratung mit SG - Leitern III des ZFD zum ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 136). 101 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 8. 6. 1982 : Bericht über die gemeinsame Beratung mit der Abteilung Postverkehr und des ZFD SG III der HV Zoll am 3. 6. 1982 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 189).

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Tatsächlich hat sich wohl der über wiegende Teil der so „bearbeiteten“ Empfänger von dem Erhalt weiterer Sendungen schriftlich distanziert,102 wobei grundsätzlich alle schriftlichen Erklärungen der befragten Empfänger im Original an das MfS übergeben wurden.103 Die befragten Empfänger von Hilfssendungen wurden weiterhin auf den Empfang möglicher Sendungen hin überprüft. Zollfahnder kontrollierten, ob die Empfänger tatsächlich Pakete zurückwiesen. Taten sie das nicht, wurden sie in aller Regel durch die Zollfahndung erneut aufgesucht.104 Auch kontrollierte das MfS über die Abteilung M die Briefpost der Empfänger von Hilfssendungen. Dadurch konnte die Staatssicherheit feststellen, ob und wie sich die Personen vom Empfang weiterer Sendungen distanzierten. In dem Brief eines DDR - Bürgers, der Hilfssendungen erhalten hatte, heißt es etwa : „Am Mittwoch dieser Woche haben mich zwei Beamte des Fahndungszollamtes mit dem Auto vom Geschäft abgeholt und mit auf ihre Dienststelle genommen ‚zur Klärung eines Sachverhaltes‘, wie sie sagten. Ich hatte keinen blassen Schimmer, um was es gehen könnte. Nun, es handelte sich um ein Paket von Euch an mich mit dem Inhalt von [ einer weiteren Person, Name geschwärzt ]. Nun hat man mich sehr ernsthaft aber höf lich darauf hingewiesen, dass die [ Name geschwärzt ] einer Organisation angehöre, die hier bei uns uner wünscht sei und unserem Staat Schaden zufüge. Man nimmt an, dass Du [...] das Paket verschleiert an mich weitergeleitet hast. Ich kann mir nicht denken, dass dies so ist und habe es den Beamten auch gesagt. Denn dann hättest du es bestimmt nicht unter dem Vermerk ‚von [ Name geschwärzt ]‘ geschickt. Oder habt Ihr noch eine andere [ Name geschwärzt ] ? Und wie es auch sei. Das Paket ist auf dem Weg zurück [...]. Bitte seid nicht böse auf mich. Aber wenn ich diese Verbindung aufrecht erhalte, bekomme ich große Schwierigkeiten wegen ( wie man sagt ) dieser Organisation. Um was für eine es sich handeln soll, weiß ich aber nicht. Man hat mir auch gesagt, dass ich von Euch und den anderen Verwandten jederzeit Pakete erhalten darf, aber nicht von Frau [ Name geschwärzt ].“105

Bei Empfängern, die sich nicht vom HWHH distanziert hatten, wurde mit weiteren Sendungen so verfahren, dass die Pakete im unregelmäßigen Wechsel einbehalten und zugestellt wurden, um so „dem Gegner“ keine Beweise zu liefern, dass der Empfänger ins Visier der DDR - Behörden genommen wurde.106 Machten die DDR - Empfänger in Folge dessen Eingaben zu nicht erhaltenen Sendungen, so wurden diese über das Sachgebiet Eingaben des Zolls an die Hauptver waltung des Zolls weitergeleitet. Dort arbeitete dieses Sachgebiet in Abstim-

102 Schriftliche Erklärung an die Abteilung Zollfahndung vom 8. 5. 1982 ( BStU, MfS, AOP 558/84, TV 4, Band 2, Bl. 17). 103 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 8. 6. 1982 : Bericht über die gemeinsame Beratung mit der Abteilung Postverkehr und des ZFD SG III der HV Zoll am 3. 6. 1982 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 190). 104 Vgl. ebd. 105 BVfS Gera, Abteilung VI, vom 16. 11. 1983 : Abschlussbericht zum Teilvorgang Nr. 2 des ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, TV 2, Band 2, Bl. 202). 106 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 8. 6. 1982 : Bericht über die gemeinsame Beratung mit der Abteilung Postverkehr und des ZFD SG III der HV Zoll am 3. 6. 1982 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 190).

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mung mit dem MfS operativ interessante Eingaben heraus und beriet über mögliche Reaktionen bzw. Maßnahmen.107 Weil immer mehr Päckchen und Pakete beschlagnahmt wurden, verschickte das HWHH im Laufe der Zeit verstärkt Wert - und Einschreibsendungen. Diese erreichten in der Regel die Empfänger.108 Gegen Ende des Jahres 1983 lag ihr Anteil bei 43 Prozent aller von Zoll und MfS erkannten Sendungen des HWHH.109 Der Empfang von Einschreibesendungen bedeutete jedoch nicht, dass dadurch keine Befragungen seitens des Zolls oder des MfS erfolgten.110 Bis zum 29. Juni 1982 wurden insgesamt 18 Einschreibe - Empfänger vom Zollfahndungsdienst aufgesucht.111 16 Personen teilten mit, dass sie keine persönlichen Beziehungen zu den Absendern besitzen. Weiterhin wurde Folgendes bekannt: „5 Empfänger konnten sich absolut nicht erklären, wie ihre Adresse dem betreffenden Absender bekannt wurde. Demgegenüber vermuteten 5 Empfänger, dass ihre Adresse über andere in der BRD lebende Verwandte oder Bekannte an die Absender ( Tarnadresse ) gegeben wurden. Von den 18 befragten Empfängern äußerten 6 die Vermutung, dass die Adressenvermittlung und die Paketsendungen im Zusammenhang mit Inhaftierungen von Familienangehörigen stehen könnten. Bei 9 Empfängern bestanden angeblich über die Organisation bzw. Institution, von denen die Sendungen ausgehen, keinerlei Vorstellungen. 4 Empfänger vermuten caritative Einrichtungen. Lediglich bei 3 Empfängern war in allgemeiner Form der Begriff Hilfswerk bekannt, der aus Briefen von der jeweiligen Tarnadresse zu entnehmen war. 2 Empfänger behaupteten, dass zu den Absendern weitläufige verwandtschaftliche Beziehungen beständen. Eine Überprüfung dieser Angaben ist mit einem vertretbaren Aufwand nicht möglich. [...] Von den befragten Personen distanzierten sich 13 Empfänger von den betroffenen Absendern, nachdem ihnen der Charakter der Organisation, der diese angehören, erläutert wurde. [...] 7 Personen teilten diesen Entschluss ihren Absendern unmissverständlich mit. In einem Fall wurde festgestellt, dass der Empfänger bei der Befragung die Annahme des vorliegenden Paketes ver weigerte, aber unmittelbar danach die betreffende Tarnadresse in einem Brief bat, einen anderen Absender zu benutzen, wie nach wie vor Interesse an der Aufrechterhaltung der Verbindung besteht. 10 Personen stellten Originalmaterial (Briefe ) der jeweiligen Absender zur Verfügung, die insbesondere für Schriftvergleiche zur Identifizierung fiktiver Absenderangaben Verwendung finden können. 10 Personen übergaben der Zollverwaltung eigenhändig schriftlich angefertigte Erklärungen, in denen sie bestätigen, dass zwischen ihnen und den betreffenden Absendern keine persönlichen Beziehungen bestehen und dass sie an der Aufrechterhaltung der Verbindung nicht interessiert sind. [...] Von 18 befragten Empfängern bestehen bei 12 Personen enge ver 107 Vgl. ebd. 108 Vgl. Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 15. 11. 1982 : Zwischenbericht zur zentralen Ermittlungsakte „Baron“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 15). 109 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 7. 9. 1983 : Einschätzung des Bearbeitungsstandes des ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 209). 110 Vgl. Bezirksver waltung Leipzig der Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 11. 5. 1982 : Auswertungsprotokoll über eine durchgeführte operative Maßnahme (BStU, MfS, AOP 558/84, Band 16, Bl. 30–32); Bezirksver waltung Leipzig der Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 2. 6. 1982 : Auswertungsprotokoll über eine durchgeführte operative Maßnahme ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 8, Bl. 13). 111 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 29. 6. 1982 : Zwischeneinschätzung zu Maßnahmen der Verunsicherung von ausgewählten Tarnadressen des HWHH im Zusammenwirken mit der Abteilung Postverkehr und des Zollfahndungsdienstes der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 229).

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wandtschaftliche Beziehungen zu Personen, die wegen Verletzung des § 213 STGB [ illegales Verlassen der DDR ] vorbestraft sind. Der überwiegende Teil dieser Straftäter wurde nach der Freiheitsstrafe in die BRD ausgewiesen.“112

Das MfS musste Anfang des Jahres 1983 den Tatendrang der Zollfahndung in den BV offensichtlich explizit drosseln : „Über die zuständige Leitungsebene der Hauptverwaltung des Zolls ist weisungsmäßig zu sichern, dass von den Zollfahndungsdiensten der BV Zoll weder aus Eigeninitiative noch auf Anregung der zuständigen Abt. VI Befragungen von Bürgern der DDR im Zusammenhang mit dem Empfang von Organisationssendungen ( Pakete ) durchgeführt werden, wenn dazu nicht nach erfolgter Abstimmung die ausdrückliche Genehmigung der Hauptver waltung vorliegt.“113 Ab Februar 1983 war nur noch ein besonders gut ausgewählter Kreis von Zollfahndern mit den Befragungen betraut, die aber nach wie vor unter der Legende „Zollfahndungsdienst“ stattfanden. So heißt es in einem Schreiben der HA VI vom 3. Februar 1983 : „Die legendierten Befragungen der betreffenden Empfänger in der DDR werden grundsätzlich von Mitarbeitern der HA VI / Abteilung Zoll - Abwehr oder durch einen namentlich begrenzten von der HA VI / Abt. Zoll - Abwehr für diese Aufgabe zu schulenden und zu bestätigenden Kreis von Mitarbeitern des Zollfahndungsdienstes der Bezirksverwaltungen Zoll durchgeführt.“114 In solchen Schulungen sollte den Zollfahndern ein „politisch kluges Vorgehen“ vermittelt werden. Insbesondere sollte vermieden werden, dass die Zöllner bei den Gesprächen Ausdrücke wie „feindliche Organisation“ ver wenden. Allgemein ging es darum, gegenüber den Befragten möglichst verschwiegen aufzutreten.115 Dies führte unter anderem dazu, dass Mitarbeiter der Zollfahndung ihre Befragungen wiederum unter Vorgabe von falschen Tatsachen führten. Sie wandten „doppelte Legenden“ an, indem sie sich beispielsweise als Angehörige der Deutschen Post auswiesen und unter dem Vorwand einer beschädigten Postsendung um ein Gespräch baten116 oder indem sie im Auftrag der Deutschen Post zur Aufklärung von angeblich verloren gegangenen Sendungen ermittelten, um so Informationen für die Staatssicherheit zu erarbeiten.117 112 Ebd., Bl. 229 f. 113 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 3. 2. 1983 : Vorschlag zur Weiterführung der Maßnahmen zur Störung der Absender - / Empfängerbeziehungen im Rahmen der operativen Bearbeitung der feindlichen Organisation „Hilfswerk der helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 87). 114 Ebd., Bl. 85. 115 Vgl. ebd., Bl. 86. 116 Vgl. Bezirksver waltung Erfurt der Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 14. 1. 1982 : Protokoll zur durchgeführten legendierten Maßnahme am 13. 1. 1982 bei einer DDR - Bürgerin ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 11, Bl. 134–136); Bezirksverwaltung Magdeburg der Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 11. 3. 1982 : Plan zur Durchführung einer legendierten Maßnahme im Rahmen der Bearbeitung der zentralen Ermittlungsakte „Baron“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 21, Bl. 135–137). 117 Vgl. Bezirksver waltung Rostock der Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 3. 6. 1980 : Protokoll über die legendierte Befragung eines DDR - Bürgers ( BStU,

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Fallbeispiele

Der Grund, warum ab 1983 der Zollfahndungsdienst nur noch mit einem eingeschränkten Kreis von Mitarbeitern vorher vom MfS genehmigte Befragungen durchführen durfte, lag darin, dass in mehreren Fällen Befragungen auf Eigeninitiative des Zollfahndungsdienstes erfolgten und nicht mit dem MfS abgestimmt waren. Über die Machenschaften und Praktiken der Zollver waltung gegen Empfänger von Hilfssendungen des HWHH wurde zudem in der bundesdeutschen Presse berichtet, vor allem im „Tagesspiegel“, der „Berliner Morgenpost“, der „Berliner Zeitung“ sowie der Tageszeitung „Die Welt“.118 Nach Ermittlungen des MfS stellte sich heraus, dass der entscheidende Informant der Westpresse zuvor durch die Zollverwaltung und ohne Abstimmung mit dem MfS befragt worden war.119 In einer Bearbeitungskonzeption zum ZOV „Schlange“ vom 1. Februar 1983 mahnte die HA VI auch alle beteiligten Diensteinheiten des MfS, die Auswahl der zu bearbeitenden Personen sorgsam und effektiv vorzunehmen, um „gegnerisch[ e ] politisch[ e ] Angriffe im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen“120 zu verhindern. Das MfS plante zudem, mit öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen den „kriminellen Charakter“ des HWHH deutlich zu machen.121 Offensichtlich sollten durch die Mithilfe der Zollver waltung solche Empfänger von Hilfssendungen ermittelt werden, die nachweislich schwere und moralisch ver werf liche Straftaten wie Mord, Raub, Erpressung, Diebstahl, sexueller Missbrauch von Kindern etc. begangen hatten. Solche Beispiele sollten dann in der DDR - Presse veröffentlicht werden, um das HWHH zu diskreditieren.122 Nachweislich wurde bis Ende des Jahres 1982 davon allerdings Abstand genommen.123 Trotz der negativen Berichterstattung in der Westpresse war die Staatssicherheit mit der Wirkung der vorgenommenen „Verunsicherungsmaßnahmen“ insgesamt sehr zufrieden und sah im Ergebnis einen „gravierenden Rückgang der Sendungen von den Tarnadressen, auf welche sich die Maßnahmen zur Störung

118 119

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122 123

MfS, AOP 558/84, Band 12, Bl. 248–250); Bezirksver waltung Leipzig der Zollver waltung der DDR, Abteilung Zollfahndung, vom 9. 6. 1982 : Auswertungsprotokoll über eine durchgeführte operative Maßnahme ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 16, Bl. 42–44). Vgl. HA VI des MfS vom 10. 9. 1982 : Vermerk zur Westpressenotiz „DDR“ stört Hilfsaktionen für politische Gefangene („Die Welt“ am 10. 9. 1982) vom 10. 9. 1982 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 270 f.). Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 28. 4. 1983 : Vermerk über die Zusammenhänge mit dem in der Westpresse erschienenen Artikel „DDR stört Hilfsaktionen für politische Gefangene“ („Die Welt“ vom 10. 9. 1982) ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 131). Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 2. 1983 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 68). HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 3. 2. 1982 : Vorschlag zur Weiterführung der Maßnahmen zur Störung der Absender - / Empfängerbeziehungen im Rahmen der operativen Bearbeitung der feindlichen Organisation „Hilfswerk der helfenden Hände Hamburg e. V.“ ( HWHH ) ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 85). Vgl. HA VI des MfS vom 1. 12. 1981 : Zersetzungs - und aktive Maßnahmen ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 3, Bl. 307). Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 23. 11. 1982 : Einschätzung des Bearbeitungsstandes des ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 28).

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Der Fall „Schlange“

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der Absender - / Empfängerbeziehungen im Zusammenwirken mit der Zollver waltung konzentrierten“.124 Mit Wirkung vom 10. Juni 1983 wurden die durchgeführten Verunsicherungsmaßnahmen auf Weisung des Leiters der Abteilung Zoll - Abwehr „aufgrund der gegenwärtigen politischen Situation“ bis auf Widerruf ausgesetzt.125 Damit gemeint waren der Regierungswechsel in der Bundesrepublik nach den Bundestagswahlen vom 6. März 1983 sowie die in dieser Zeit geführten Postverhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR.126 Stattdessen versuchte die Staatssicherheit mittels geeigneter IM, entsprechende Empfänger von Hilfssendungen so zu beeinflussen, dass sie den Empfang weiterer Sendungen ablehnten.127 Verunsicherung von Mitarbeitern des Hilfswerks Ähnlich wie die Absender und Empfänger wurden auch Mitarbeiter des HWHH gezielt und legendiert während ihres Aufenthalts in der DDR befragt und unter Druck gesetzt.128 In einer Bearbeitungskonzeption zum ZOV „Schlange“ vom 1. Februar 1983 heißt es : „Auf der Grundlage inoffizieller Hinweise kann eingeschätzt werden, dass sich infolge der gegen die Zentrale des HWHH geführten Zersetzungs - und Verunsicherungsmaßnahmen das gegenseitige Misstrauen unter den Mitarbeitern [...] verstärkt hat. Der Information zufolge veranlassen insbesondere die legendierten Gesprächsführungen mit den in die DDR eingereisten Mitarbeitern des HWHH zu Spekulationen darüber, welche Angehörigen des HWHH Informationen preisgegeben haben könnten.“129 Beispielsweise geht aus einem „Bericht über eine legendierte Gesprächsführung“ der Abteilung VI der BV des MfS in Rostock vom 10. Juni 1982 her vor, dass eine HWHH - Mitarbeiterin, die sich bei ihrer Halbschwester in der DDR aufhielt, unter Anwendung der „Legende Zollver waltung der DDR“ durch das MfS befragt wurde. Mit dem Vor wand der „Klärung eines Sachverhalts“, der während ihrer Einreise entstanden sei, erhielt sie eine Vorladung in die Bezirksver waltung des Zolls. Dort wurde sie aufgefordert, Angaben über ihre Tätigkeit im HWHH zu machen und sämtliche ihr bekannten Informationen zum Hilfs124 Ebd. 125 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 13. 6. 1983 : Vermerk über die zeitweilige Aussetzung von Verunsicherungsmaßnahmen gegenüber dem HWHH ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 163). 126 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr vom 7. 9. 1983 : Einschätzung des Bearbeitungsstandes des ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 212). 127 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, an den Leiter der KDfS Wernigerode vom 23. 6. 1983 : Befragung eines Ehepaares zum Empfang von Organisationssendungen durch den Zollfahndungsdienst ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 7, Bl. 307 f .). 128 Vgl. BVfS Rostock, Abteilung VI, vom 9. 10. 1981 : Konzeption über eine Kontaktaufnahme zur Mitarbeiterin des HWHH e. V. und der „Flüchtlingshilfe“ e. V. Hamburg ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 7, Bl. 189). 129 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 2. 1983 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AFO 170/86, Band 1, Bl. 51).

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Fallbeispiele

werk preiszugeben. Ihr wurde erläutert, dass sie mit ihrer Tätigkeit Straftäter unterstütze. Indirekt drohte man ihr damit, dass ihr künftige Einreisen zu ihrer querschnittsgelähmten Halbschwester ver währt werden könnten. Unter dem Druck erwog die Frau, ihre Tätigkeit beim HWHH einzustellen. Es wurden weitere Gesprächstermine vereinbart. Die Befragung endete mit der Auf lage, über den Inhalt des Gesprächs „in ihrem eigenen Interesse mit niemandem zu sprechen“.130 Anschließend beschattete ein IMS die Frau.131 Auf diese Art schüchterten Zoll - und MfS - Mitarbeiter eingereiste Unterstützerinnen des HWHH massiv ein. Solche „Maßnahmen zur Verunsicherung der Mitarbeiter des HWHH“ wurden 1983 verstärkt fortgeführt.132 Wie im oben genannten Beispiel war die Verhängung von Reisesperren ein beliebtes Mittel, HWHH - Angehörige zu schikanieren. Bestimmten Mitarbeitern des HWHH wurde gezielt die Einreise in die DDR ver weigert, um sie einzuschüchtern.133 Verunsicherungen entstanden aber auch dadurch, dass das MfS Reisesperren wieder aufhob.134 Unter den Mitarbeitern herrschte gegenseitiges Misstrauen, wer in den Befragungen während seines Aufenthalts in der DDR Informationen preisgegeben haben könnte. Eine plötzliche Genehmigung zur Einreise konnte den Schluss zulassen, dass das MfS die Einreise gezielt zulässt, um die betreffende Mitarbeiterin treffen und befragen zu können.135 Teilweise wurden Mitarbeiter des HWHH bei ihrer Ausreise unter dem Vor wand einer zollmäßigen Angelegenheit legendiert befragt. Dafür wurden unter den Zöllnern IM ausgewählt, welche die entsprechenden Personen während ihrer Ausreise unter dem Vor wand des „Verdachts der Verletzung der Zollbestimmungen“ befragen sollten. Der Zoll war zu Befragungen dieser Art befugt, was sich das MfS zu Nutze machte. Bei den Befragungen waren auch Personen vor Ort, die sich als Zollfahnder ausgaben, jedoch Mitarbeiter des MfS waren.136 Eine weitere Variante der Verunsicherung von Mitarbeitern waren gezielte anonyme Anrufe. Beispielsweise führte am 10. Oktober 1983 ein IM von Westberlin aus einen Drohanruf direkt zum HWHH aus. Zuvor gelangte die HA VI über die Abteilung XXII des MfS zu der Information, dass drei Unbekannte auf 130 BVfS Rostock, Abteilung VI, vom 10. 6. 1982 : Bericht über eine legendierte Gesprächsführung mit der im OV „Alster“ bearbeiteten BRD - Bürgerin ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 199). 131 Vgl. ebd., Bl. 201. 132 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 7. 9. 1983 : Einschätzung des Bearbeitungsstandes des ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 212). 133 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 6. 6. 1980 : Fahndungsersuchen zur Einleitung einer Reisesperre ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 23, Bl. 218 f.). 134 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 10. 5. 1983 : Antrag zur Aussetzung einer Reisesperre ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 14, Bl. 323). 135 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 2. 1983 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AFO 170/86, Band 1, Bl. 60). 136 In einem konkreten Fall gehörte der MfS - Mitarbeiter der der Abteilung IX an. Vgl. BVfS Gera, Abteilung VI, vom 23. 11. 1981 : Plan zur legendierten Befragung der im TOV „Schlange“ bearbeiteten führenden Mitarbeiterin des „Hilfswerk Helfende Hände Hamburg e. V.“, Sitz Hamburg ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 20, Bl. 299).

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Der Fall „Schlange“

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dem Grundstück der Vorsitzenden des HWHH, Dora Fritzen, einen Einbruchsdiebstahl begangen haben.137 Frau Fritzen vermutete, dass Mitarbeiter des HWHH aus Westberlin den Einbruch begangen haben könnten. „Dieser Umstand soll genutzt werden, um die Mitarbeiterinnen des HWHH weiter zu verunsichern, indem der Einbruch im HWHH publik gemacht ( die FRITZEN hatte darüber nicht informiert ) und Angst vor weiteren Einbrüchen bei anderen Mitarbeiterinnen des HWHH ausgelöst wird.“138 Der vorgegebene Text für das Gespräch lautete : „IM : Ich rufe aus Westberlin an, ist dort Frau Fritzen ? mögl. Antwort : Nein, wer ist denn dort. IM : Mein Name tut nichts zur Sache, ich habe eine wichtige Nachricht für Ihre Chefin. Hören Sie gut zu und richten Sie Ihrem Weiberverein aus, was ich jetzt sage. Da war doch dieser Einbruch bei der Fritzen, wenn Sie nicht wissen, was ich meine, müsst Ihr Eure Chefin mal fragen. Ich weiß jedenfalls, dass solche Dinger wieder geplant sind, diesmal aber nicht nur bei Eurer Chefin. Mir wäre es ja egal, was die mit Euch vorhaben, aber die sollen mich nicht unbestraft beschissen haben. Jedenfalls wollen sie sich einen nach dem anderen vorknöpfen.“139

Aufgrund von anonymen Anrufen sollten Widersprüche gegenüber dem Leitungsgremium erzeugt werden.140 Verunsicherung von Unterstützern des Hilfswerks „Zum Zwecke von Desinformationen“ tätigte das MfS anonyme Anrufe und verschickte anonyme Briefe an Spendenfirmen des HWHH.141 Mit solchen Maßnahmen sollte unterstellt werden, „dass die Sachwerte und Spenden veruntreut und nicht dem eigentlichen Zweck entsprechend ver wendet werden“.142 Belegt ist dies für eine Aktion im Februar 1982.143 Über eine IMS mit dem Tarnnamen „Gerda Maier“ wurden an fünf Firmen, darunter die Beiersdorf AG, Lindt und Sprüngli sowie Ostmann Gewürze, anonyme Briefe geschrieben. „Die Briefe sollen mit einer Schreibmaschine ( bei Abt. ZE vorhanden ) westlichen Fabrikats und ebensolchem Papier geschrieben und zur Übergabe an die noch 137 Vgl. BVfS Berlin, Abteilung XXII, vom 9. 9. 1983 : Information zu einem Einbruchdiebstahl im Grundstück der Leiterin der Feindorganisation „Hilfswerk Helfende Hände e. V.“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 11, Bl. 170 f.). 138 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 3. 10. 1983 : Vorschlag zur Realisierung einer operativen Maßnahme zur weiteren Verunsicherung des HWHH ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 222). 139 Ebd., Bl. 224. 140 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll Abwehr, vom 23. 11. 1982 : Einschätzung des Bearbeitungsstandes des ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 28). 141 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 2. 1983 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU ,MfS, AFO 170/86, Band 1, Bl. 61). 142 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 13. 1. 1982 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 90). 143 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 25. 2. 1982 : Vorschlag zur Realisierung einer operativen Maßnahme mit dem Ziel der weiteren Zersetzung und Verunsicherung der Mitarbeiter des HWHH ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 4, Bl. 120).

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Fallbeispiele

festzulegenden IM vorbereitet werden.“144 Der Briefentwurf für die anonymen Schreiben sah folgendermaßen aus : „Werte Herren ! Nach langem Überlegen sind wir zu den [ sic !] Entschluss gelangt, Ihnen diese Zeilen zu schreiben. Viele Jahre arbeiten wir nun ehrenamtlich im ‚Hilfswerk der Helfenden Hände‘ in Hamburg. Wie wir wissen, unterhalten auch Sie Geschäftsbeziehungen zu uns. Ich bin einverstanden, dass den Menschen im anderen Teil Deutschlands geholfen werden muss. Nicht einverstanden bin ich aber, dass Waren, die wir von Ihnen und von anderen Firmen erhalten, zweckentfremdet Ver wendung finden. Ich bin enttäuscht und entrüstet darüber, dass diese Waren in relativ großem Umfang nicht die Leute bekommen, für die sie eigentlich bestimmt sind, sondern, dass unsere an sich gut gemeinte Sache für die persönliche Bereicherung einiger unserer Mitarbeiter missbraucht wird. Mit den Einzelheiten darüber will ich Sie nicht belasten, da das auch gar nicht unser Anliegen ist. Wir, d. h. einige Mitarbeiterinnen, denen das Anliegen des HWHH noch ehrlich am Herzen liegt, wollen nur erreichen, dass diese Zustände wieder in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Da wir kaum anders dazu beitragen können, wollen wir zumindest die Firmen von denen wir Waren bzw. von denen wir bestimmte Vergünstigungen oder sogar Spenden erhalten, ins richtige Bild setzen. Wir möchten jedoch weiter im HWHH tätig sein und deshalb verstehen Sie sicher, dass wir anonym bleiben wollen. In der Hoffnung auf Unterstützung bei der Veränderung der geschilderten Zustände, beende ich diesen Brief.“145

Ähnliche anonyme Briefe, in dem den leitenden Mitarbeitern ebenfalls ein Missbrauch ihrer Befugnisse sowie persönliche Bereicherung unterstellt wurde, schickte das MfS auch an das Bundesministerium für gesamtdeutsche Angelegenheiten.146 So heißt es da : „Werte Herren ! Bereits im Jahre 1982 habe ich auf diesem Wege versucht, Ihnen eine Nachricht über unser Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg zukommen zu lassen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Sie diese Nachricht entweder nicht erreicht hat oder Ihnen die darin mitgeteilten Sorgen gleichgültig sind. Ich hatte Sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich viele von uns Gedanken darüber machen, dass unsere finanziellen Mittel mitunter zweckentfremdet bzw. für persönliche Zwecke missbraucht werden. Leider hat sich bisher daran nichts geändert. Ich verbleibe in der Hoffnung, dass sie die entsprechenden Schritte einleiten werden. Sie werden verstehen, dass ich anonym bleiben möchte, um hier keinen Ärger zu bekommen.“147

1.7

Einstellung des ZOV „Schlange“

Am 1. Februar 1983 kam man bei der Hauptabteilung VI des MfS zu der Überzeugung, dass die Gefährlichkeit des HWHH anders einzuschätzen ist als bei der ursprünglichen Bewertung : „Ein direkter ursächlicher Zusammenhang zwischen den Aktivitäten des HWHH und [...] Delikten bzw. Straftaten als Folge 144 Ebd. 145 Ebd., Bl. 122. 146 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 23. 11. 1982 : Einschätzung des Bearbeitungsstandes des ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 28). 147 Brief zur Übergabe an AIM „E. Marschner“ vom 30. 6. 1983 ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 180).

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Der Fall „Schlange“

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der Einflussnahme dieser Organisation konnte nicht nachgewiesen werden.“148 Ab Mitte 1983 wurden dann die von den Bezirksver waltungen des MfS angelegten Teilvorgänge zum Fall „Schlange“ eingestellt.149 Gegen Ende 1983 erfolgte die weitere Bearbeitung nur noch zentral von der HA VI.150 Zu diesem Zeitpunkt plädierte die Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI des MfS bereits für die Einstellung der Maßnahmen im Rahmen eines ZOV : „Da die Gesellschaftsgefährlichkeit des HWHH keineswegs höher als die anderer gleichgelagerter Organisationen eingeschätzt werden kann, wird es als zweckmäßig erachtet, die weitere Bearbeitung in den Gesamtkomplex der operativen Maßnahmen zur Kontrolle und Einschränkung des organisierten Paketversandes einzuordnen.“151 Am 9. November 1983 wurde der ZOV „Schlange“ schließlich nach gut sechseinhalb Jahren eingestellt. Die dienstinterne Begründung hierfür lautete : „Die Einstellung des ZOV ‚Schlange‘ erfolgt, da vom HWHH keine feindlichen Aktivitäten unternommen werden, die über den Rahmen des org. Versandes von Paketen hinausgehen. Nach gesicherten Erkenntnissen werden alle über das Verschicken der Pakete hinausgehenden Maßnahmen durch das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen / Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben zentral gesteuert. Die weitere Bearbeitung der Organisation HWHH wird in den Gesamtkomplex der op. Maßnahmen zur Aufdeckung und Einschränkung des org. Paketversandes eingeordnet.“152 Insgesamt wurden 91 Personen im Rahmen des ZOV erfasst. Gegen sie erfolgten 75 „operative Maßnahmen“. Der Vorgang besteht aus 25 Aktenbänden mit insgesamt 6 941 Blatt.153 Aus dem Abschlussbericht geht her vor, dass ca. 35 Bürgerinnen Mitarbeiterinnen des HWHH waren. Weitere 93 Personen, die ehrenamtlich für das HWHH arbeiteten, wurden im Zusammenwirken mit der Zollver waltung bekannt. „Die Mitarbeiterinnen des HWHH befinden sich nahezu ausnahmslos im Rentenalter und sind im Einzelnen, abgesehen von den leitenden Kräften, teilweise nicht immer über die Zusammenhänge und Zielstellungen dieser Paketaktionen im Klaren.“154 An anderer Stelle heißt es : „Ein direkter Zusammenhang zwischen den Aktivitäten des HWHH und Gesetzesverletzungen bzw. Straftaten als Folge der Einflussnahme dieser Organisation konnte nicht nach148 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 2. 1983 : Bearbeitungskonzeption ZOV „Schlange“ ( BStU,M fS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 59). 149 Vgl. Schreiben der BVfS Schwerin, Abteilung VI, an die HA VI des MfS, Abteilung ZollAbwehr, vom 7. 6. 1983 : Handakten zu den Mitarbeitern des HWHH aus dem ZOV „Schlange“ ( BStU,M fS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 151). 150 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 7.9. 1983 : Einschätzung des Bearbeitungsstandes des ZOV „Schlange“ ( BStU,M fS, AOP 558/84, Band 5, Bl. 213). 151 Ebd., Bl. 214. 152 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 9. 11. 1983 : Beschluss über die Archivierung des umseitig genannten Vorgangs ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 25, Bl. 162). 153 Vgl. ebd. 154 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 23. 11. 1983 : Abschlussbericht zum ZOV „Schlange“ ( BStU, MfS, AOP 558/84, Band 25, Bl. 165).

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Fallbeispiele

gewiesen werden. Ebenfalls konnte im Prozess der Klärung operativ bedeutsamer Anhaltspunkte nicht der Verdacht erarbeitet werden, dass unter dem Deckmantel des HWHH konkrete nachrichtendienstliche Maßnahmen realisiert werden.“155 Als Fazit heißt es im Abschlussbericht : „Es wird vorgeschlagen, die Bearbeitung der Organisation HWHH [...] mittels einer Feindobjektakte weiterzuführen. Diese Art der Bearbeitung entspräche der gegenwärtigen Bedeutsamkeit entsprechend der gewonnenen Erkenntnissen über die Aktivitäten des HWHH und dessen richtige Einordnung in den Gesamtkomplex gleichwertiger Organisationen.“156

1.8

Resümee

Das „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg e. V.“ hatte nur wenig gemein mit jener „Feindorganisation“, für die es die „Schutz - und Sicherheitsorgane“ der DDR ursprünglich hielten. Weder arbeitete das HWHH mit „imperialistischen Geheimdiensten“ zusammen, noch versuchte es in der DDR über „Stützpunkte“ aktiv zur „politischen Untergrundtätigkeit“ in der DDR beizutragen. Die Hilfsorganisation war vielmehr eine Einrichtung, in der vor wiegend Rentnerinnen aus der Bundesrepublik Deutsche in der DDR unterstützten, die in Konflikt mit der SED - Diktatur gekommen waren. Dabei verschickten sie Geschenkpakete und - päckchen sowie Briefe und organisierten persönliche Treffen, die den Betroffenen Hoffnung geben und ihnen verdeutlichen sollten, dass sie nicht vergessen worden waren. Genau in dieser Eigenschaft aber ist die eigentliche „Gefährlichkeit“ des HWHH für die Staatssicherheit und die Zollver waltung zu sehen. Das Beispiel des ZOV „Schlange“ macht zum ersten deutlich, wie sehr sich die Staats - und Parteiführung der DDR vor der „politisch - ideologischen Diversion“ fürchtete, wie sehr sie mit allen Mitteln zu verhindern suchte, unangepasstes Denken und Handeln in der DDR auch nur im Ansatz zuzulassen. Es macht zum zweiten deutlich, welch bedeutende Rolle der Zollver waltung bei der „Verhinderung der politisch - ideologischen Diversion“ zukam. Neben Briefen waren Pakete und Päckchen das wirksamste Mittel, um den Kontakt und das Verbundenheitsgefühl zwischen den Bürgern beider deutschen Staaten aufrechtzuerhalten. Die Zollver waltung war mit der Paket - und Päckchenkontrolle offiziell betraut. Um den Eindruck der „Rechtsstaatlichkeit“ in der DDR nach innen wie nach außen wenigstens formal zu wahren, konnte folglich nur der Zoll bei der „Bekämpfung des organisierten Versandes“ als zuständige Instanz offiziell in Erscheinung treten. Wie verdeutlicht wurde, nahm der Zoll seine Befugnisse aber zu keiner Zeit eigenständig wahr, sondern handelte im Fall des ZOV „Schlange“ ausschließlich unter direkter Anleitung des MfS. Das MfS konnte bei 155 Ebd., Bl. 191. 156 Ebd., Bl. 197.

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Die Aktion „Treffpunkt“

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der „Bekämpfung“ der Hilfsorganisation auf den Einsatz von IM und weiteren geheimdienstlichen Mitteln zurückgreifen. Zudem bediente sich die Staatssicherheit der rechtlichen Kompetenzen der Zollver waltung, um unter dem Deckmantel des Zolls selbstständig operativ tätig zu werden. Befragungen, die durch Zollfahnder vorgenommen wurden, dienten nicht der „Klärung eines zollmäßigen Sachverhalts“, sondern ausschließlich der Lösung „politisch - operativer“ Aufgaben der Staatssicherheit. Ermittlungen und Beobachtungen, die durch Zöllner vorgenommen wurden, dienten nicht der „Lösung schwerer Zollstraftaten“, sondern waren integraler Bestandteil der Spitzeltätigkeit der Geheimpolizei. Im Vorgehen gegen das „Hilfswerk der Helfenden Hände“ ver wischen die Grenzen zwischen Zoll und MfS. Es lässt die Zollver waltung in einem Licht erscheinen, welches den Schluss zulässt, dass es sich bei ihr in weiten Teilen um eine Tarnorganisation der Staatssicherheit handelte. Gleiches wird sich auch im zweiten Fallbeispiel zeigen.

2.

Die Aktion „Treffpunkt“ – Die Absicherung der Leipziger Messe durch Zoll und MfS

2.1

Die politische Bedeutung der Leipziger Messe im SED - Staat

Die Leipziger Messe war für die Staats - und Parteiführung der DDR aus mehreren Gründen ein Politikum höchsten Ranges : Außenpolitisch wie innenpolitisch sollte die Leipziger Messe aller Welt sowie der eigenen Bevölkerung signalisieren, dass die DDR ein selbstbewusster und souveräner Staat im kommunistischen Weltsystem war und als solcher einen Spitzenplatz unter den modernen Industrieländern beanspruchte. „Die Messe selbst ist [...] eine Demonstration der Kraft der sozialistischen Staatengemeinschaft. Sie widerspiegelt das Wachsen und Zusammenwachsen der sozialistischen Staaten.“157 Bereits in den ersten Nachkriegsjahren wurde die Messe im Sinne der SED umfunktioniert. „Aus der ehemals selbstver walteten Mustermesse wurde eine Messe nach politischem Muster, eine Staatsveranstaltung mit kommunistischer Liturgie.“158 Bereits in den 1950er Jahren sollte dem Besucher aus Westdeutschland und Westberlin die „Wahrheit“ über die DDR vermittelt werden, um gleichzeitig die „Lügen“ der Adenauer - Regierung zu entlar ven. Eigens dafür wurden beispielsweise ab 1950 sogenannte „Friedenskojen“ auf der Messe eingerichtet. „Dabei handelte es sich um 13 spezielle Stände, an denen vor allem Besucher aus der Bundesrepublik ausführlich über die DDR ‚aufgeklärt‘ werden sollten.“159 Politiker und Unternehmer aus aller Welt wurden von Funktionären und Repräsentanten des SED - Staats zu pompösen Empfängen in die Leipziger Oper 157 MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 12. 10. 1973 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1973 ( H )“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001837, Bl. 14). 158 Rudolph / Wüstenhagen, Leipziger Messe, S. 163. 159 Ebd., S. 39.

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oder in die Kongresshalle des Leipziger Zoos eingeladen. Ihr Erscheinen oder Fernbleiben hatte Signalwirkung und stand oft in direkter Verbindung mit der allgemeinen politischen Stimmungslage in Zeiten des Kalten Krieges. Auf dem Messegelände betrieb die SED - Führung eine regelrechte „Standdiplomatie“, indem hohe Funktionäre Einladungen großer Firmen, sie an ihren Ausstellungsständen zu besuchen, annahmen oder ausschlugen. Im Zuge der weitgehenden Anerkennung der DDR versachlichte sich ab Mitte der 1970er Jahre das Klima auf der Messe zusehend. In einem „Bericht über den Ablauf und die Ereignisse der Leipziger Herbstmesse 1973“ heißt es dazu : „Die Durchbrechung der diplomatischen Blockade der DDR übt immer stärkeren Einfluss auf das politische Profil der Messe aus. Da es nunmehr zahlreiche Möglichkeiten zur Selbstdarstellung der DDR auf internationaler Ebene gibt, verliert die Leipziger Messe zunehmend an Bedeutung als außenpolitisches Forum.“160 Dennoch blieb die Messe nach wie vor die größte internationale Veranstaltung der DDR und im Zuge dessen auch immer ein Instrument der Selbstdarstellung der Staats - und Parteiführung nach innen wie nach außen. Handelspolitisch war die Leipziger Messe zu jeder Zeit von Bedeutung, da sie sich sehr schnell zur unangefochtenen Drehscheibe im gesamten Ost - West Handel entwickeln konnte. Etwa die Hälfte des gesamten Außenhandels der DDR wurde auf der Leipziger Messe realisiert.161 Keine andere Messe auf dem Gebiet der RGW - Staaten konnte annähernd so hohe Aussteller - und Besucherzahlen, Standflächen und Umsätze verzeichnen.162 Beispielsweise zog die Frühjahrsmesse 1965 10 555 Aussteller an – allein 1100 kamen aus der Bundesrepublik bzw. Westberlin.163 Rund 735 000 Gäste waren in der Stadt, darunter ca. 40 000 Besucher aus Westdeutschland und Westberlin. Unbestritten war die Leipziger Messe damit der Motor für den Interzonen - bzw. deutsch - deutschen Handel. In eben diesem Sinne dokumentiert dieser Motor aber auch den rasanten wirtschaftlichen Niedergang der DDR, als er zum Ende der 1980er Jahre ins Stocken geriet : Bezüglich der staatlichen Planaufgaben konnten im Jahr 1989 Exporte in die UdSSR nur zu 83 Prozent, in die übrigen RGW - Staaten nur zu 67,3 Prozent und in die „kapitalistischen Industrieländer“ nur zu 47 Prozent

160 MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 21. 9. 1973 : Bericht über den Ablauf und die Ergebnisse der Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001838, Bl. 1). 161 Vgl. Institut der Zollver waltung von Dezember 1988 : Hinweise für die Durchführung der politisch - fachlichen Weiterbildung der Angehörigen der Grenzzollämter ( BArch, DL 203, Az 02–08–02, Ka. 184, Bl. 6). 162 Der Gesamtumsatz ( die Summe aller abgeschlossenen Export - und Importverträge ) betrug nach Berechnungen des MfS beispielsweise während der Leipziger Frühjahrsmesse 1973 über 13 Milliarden Valutamark. Vgl. MfS, Koordinierungsstab Aktion „Treffpunkt 1973“ vom 27. 3. 1973 : Bericht über die Ergebnisse der Leipziger Frühjahrsmesse 1973 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001686, Bl. 18). 163 Verglichen mit anderen Ostmessen wird der Spitzenplatz Leipzigs schnell ersichtlich : Nach Poznán gingen im selben Jahr insgesamt 5 273 Aussteller, nach Budapest 1900 und nach Brno 872.

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Die Aktion „Treffpunkt“

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realisiert werden. Noch verheerender zeigte sich die außenwirtschaftliche Kapitulation beim Import : Hier erreichten die abgeschlossenen Verträge mit sozialistischen Ländern nur 33 Prozent, mit nichtsozialistischen Staaten nicht einmal 17 Prozent des Plansolls. Dennoch blieb die Zahl der Aussteller und Besucher bis ins Jahr 1989 konstant hoch und erreichte ähnliche Werte, wie sie für das Jahr 1965 bereits angegeben wurden. Sicherheitspolitisch barg die Leipziger Messe zu jeder Zeit schwer kontrollierbare Risiken für die Staats - und Parteiführung. „Sie betrachtete die Messe als Propagandaveranstaltung in eigener Sache und als wirtschaftlichen Motor des Landes. Unbenommen davon blieb die Leipziger Messe – drittens – als Publikumsmesse eine der wenigen grenzüberschreitenden Begegnungsstätten zwischen West - und Ostdeutschen.“164 Vor allem in der Zeit vor Abschluss der deutsch - deutschen Verträge Anfang der 1970er Jahre nutzten viele die kurzzeitig gelockerten Einreisebedingungen während der Messe, um abseits des eigentlichen Messegeschehens mit Verwandten, alten Bekannten und Freunden ein Wiedersehen zu ermöglichen. Die sogenannten „Tante - Frida - Besucher“165 waren sowohl den Organisatoren als auch dem Sicherheitsapparat ein Dorn im Auge. Zum einen schmälerten sie das Angebot ohnehin spärlich vorhandener Unterkünfte und Gaststätten. Zum anderen fürchtete die Staatssicherheit weitreichende „feindlich - negative“ Konsequenzen, die mit ihrem Besuch in Verbindung standen. Nach Auffassung des MfS organisierten Besucher, die ausschließlich aufgrund der gelockerten Einreisebestimmungen nach Leipzig kamen, vermehrt „Menschenschleusungen“, „politisch - ideologische Diversion“ und „politische Untergrundtätigkeit“. Ehemaligen DDR - Bürgern schenkte die Staatssicherheit in diesem Zusammenhang besonders große Aufmerksamkeit. Sie fürchtete einen „Magneteffekt“, der von den „Republikflüchtigen“ auf die Daheimgebliebenen ausgehen könnte.166 Zur Frühjahrsmesse 1960 kamen beispielsweise 8 000 ehemalige DDR - Bürger in die Messestadt. „Da sie an der Messe nur wenig interessiert sind, blockieren sie die Gaststätten und Quartiere und erschweren die Unterbringung und Versorgung der Gäste, die tatsächlich der Messe wegen in Leipzig sind.“167 Die Über wachung und Eindämmung privater Besuchsreisen verlor seit Mitte der 1970er Jahre an Bedeutung. Ursache waren Erleichterungen im Reiseverkehr, die sich aus Abkommen wie dem Verkehrsvertrag und dem Vier - Mächte Abkommen ergaben. Besuche von Ver wandten und Bekannten in der DDR waren künftig an 45 Tagen im Jahr möglich. Nach der Unterzeichnung der KSZE - Schlussakte von Helsinki konnten auch DDR - Bürger versuchen, durch einen Ausreiseantrag ihr Land „legal“ zu verlassen – wenn auch oft ohne Erfolg. Anfang der 1980er Jahre fanden immer mehr Ausreisewillige und Anhänger der 164 165 166 167

Rudolph / Wüstenhagen, Leipziger Messe, S. 37. Ebd., S. 9. Vgl. ebd., S. 147. MfS vom 13. 4. 1960 : Protokoll über die erweiterte Sitzung des Kollegiums am 12. 4. 1960 – Abschlussbericht Aktion „Rakete“ ( BStU, MfS, Sekr. d. Min. 1556, Bl. 70).

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Fallbeispiele

sich bildenden Friedensbewegung den Weg in die Kirchen. Diese Kreise und Personen aus dem kirchlichen Umfeld bildeten einen neuen Über wachungsschwerpunkt zur Messe – gerade weil unter dem Dach der Kirche Friedensgruppen und Christen aus beiden Teilen Deutschlands während der Messezeit zusammentrafen.168 Neben allen sicherheitspolitischen Problemen, die durch die Leipziger Messe her vorgerufen wurden, bot die Messe für die Staatssicherheit allerdings auch einen einmaligen Fundus an „politisch - operativ“ interessanten Personen aus westlichen Industrieländern, die „abgeschöpft“ werden konnten. Vor allem die Hauptver waltung Aufklärung der Staatssicherheit profitierte von der Möglichkeit, gezielt mit Personen ( über wiegend aus der Bundesrepublik ) in Kontakt zu kommen, um diese für eine inoffizielle Tätigkeit im „Operationsgebiet“ zu gewinnen. „Besonderer Wert ist auf das Eindringen in westdeutsche Konzerne und Organisationen zu legen“, heißt es in diesbezüglichen Unterlagen.169 Ebenso bestand die Möglichkeit, mit bereits angeworbenen IM aus dem Ausland unauffällig Treffen zu organisieren und durchzuführen.170 „Es kann eingeschätzt werden, dass gute Voraussetzungen für die Trefftätigkeit aus dem Operationsgebiet während den Messen gegeben sind.“171 Beispielsweise kam es zur Leipziger Herbstmesse 1972 seitens des MfS zu zwei Neuanwerbungen von IM, 169 „Kontaktfestigungen“, 129 „Kontaktaufnahmen“ und 157 Treffen mit IM aus dem „Operationsgebiet“.172

2.2

Die Kontrollen der Staatssicherheit zur Leipziger Messe

Die Herausbildung des Kontrollsystems in den 1950er Jahren Den gesamten Besucherstrom während der Messe zu kontrollieren, war das angestrebte Ziel der „politisch - operativen Arbeit“ der Staatssicherheit während der Leipziger Messe. Bereits im Jahr 1947, noch vor der Gründung des MfS, existierte eine speziell geschaffene Einheit der Polizei, die den Auftrag hatte, die Belegung der Messequartiere zu über wachen.173 Die Schaffung eines komplexen Systems der Kontrolle und Über wachung der Messe ist aber erstmals in dem „Messe - Einsatzplan“ der Staatssicherheit aus dem Jahr 1953 dokumentiert. Das Über wachungssystem mit dem Decknamen „Aktion Fortschritt“ sah eine dreigliedrige Kontrollkette vor : 168 Vgl. Rudolph / Wüstenhagen, Leipziger Messe, S. 134. 169 Befehl 33/55 des Staatssekretärs für Staatssicherheit der DDR vom 4. 2. 1955 ( BStU, MfS, BdL / Dok 000300, Bl. 3). 170 Vgl. HA VI des MfS vom 25. 9. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 (H)“ ( BStU, MfS, BV Leipzig, Leitung 00861, Bl. 130 f.). 171 Ebd., Bl. 131. 172 Vgl. MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 5. 10. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 ( H )“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001487, Bl. 24). 173 Vgl. Rudolph / Wüstenhagen, Leipziger Messe, S. 39.

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Die Aktion „Treffpunkt“

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Zunächst wurden die Reisenden an den Flughäfen und Grenzübergangsstellen kontrolliert. Bei dem anschließenden Transfer in die Messestadt wurden in Zügen und Omnibussen „Informatoren“ – Vorläufer der späteren IM – eingesetzt. Zum damaligen Zeitpunkt erfolgte ihre Auswahl noch mehr oder weniger spontan. Ihr Auftrag ( sowie der der späteren IM ) bestand unter anderem darin, bereits bei der „Absicherung der An - und Abreise“ wie auch anschließend vor Ort in Leipzig Stimmungsberichte über ausländische und speziell westdeutsche Besucher zu liefern.174 Mit der Anmeldung der Gäste in Leipzig bei der Meldestelle der Volkspolizei setzte die zweite Kontrollstufe ein. Sämtliche Meldescheine der Messebesucher wurden an die Bezirksver waltung Leipzig des MfS weitergeleitet und dort mit dem Ziel überprüft, Personeninformationen für andere Abteilungen der Staatssicherheit herauszufiltern. Zum gleichen Zweck öffneten die damals 34 Mitarbeiter der Abteilung M der BV Leipzig zwischen dem 25. August und dem 9. September 1953 über eine viertel Million Briefe. Darüber hinaus wurden etwa 230 000 Schreiben durchleuchtet – somit wurden ca. 15 Prozent aller Briefe, die in diesem Zeitraum anfielen, kontrolliert.175 Das dritte Glied in der Kontrollkette bildete die Über wachung von Messegästen in den Unterkünften und auf den Messeständen. Mittels „Geheimer Mitarbeiter“ und „Geheimer Informatoren“ ( GI ), die auch unter den Vermietern angeworben wurden, zum Teil aber auch auf Vermieter angesetzt waren, sollten vor allem „Agentengruppen“ erfasst werden, die staats - und parteifeindliche Schriften in die DDR eingeschleust hatten.176 Dabei wurden besonders Mitglieder solcher Organisationen wie die „Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit“, die „Vereinigung Freier Studenten“ und der Westberliner „Bund Freier Juristen“ obser viert. Aber auch Mitarbeiter des Ostbüros der SPD und Parteianhänger der CDU sowie der FDP wurden als „imperialistische Agenten“ eingestuft. Zur gängigen Praxis gehörte es seit Mitte der 1950er Jahre auch, mittels sogenannter „leichter Mädchen“ ausländische Geschäftsleute auszuspionieren. Diese weiblichen GI kamen als sogenannte Standhilfen ( Hostessen ) zum Einsatz, wurden aber auch in Gaststätten, Kneipen und Bars eingesetzt. Sie sollten offensichtlich intime Verhältnisse mit Ausstellern eingehen, um möglichst kontinuierlich Informationen über die anvisierten Personen liefern zu können.177 Es kann allgemein eingeschätzt werden, dass dem Kontrollsystem in den 1950er Jahren noch deutliche personelle Aufstockungen und strukturelle Verfeinerungen bevorstanden. Zwar wurden 1953 bereits 385 Mitarbeiter des MfS 174 Vgl. HA VI des MfS vom 1. 8. 1971 : Maßnahmeplan zur Durchführung der Aktion „Treffpunkt 1971 ( H )“ ( BStU, MfS, HA VI 13421, Bl. 133). 175 Vgl. Rudolph / Wüstenhagen, Leipziger Messe, S. 52. 176 Vgl. BVfS Leipzig, Abteilung XIII, vom 14. 2. 1955 : Beschuldigte Personen in deren Quartiere während der Messe GI eingeschleust werden sollen ( BStU, MfS, BV Leipzig, Leitung 00861, Bl. 2). 177 Vgl. BVfS Leipzig, Messeeinsatzstab, vom 10. 3. 1955 : Messeabschlussbesprechung des Einsatzstabes Aktion „Schaufenster“ am 10. 3. 1955 ( BStU, MfS, BV Leipzig, Leitung 00861, Bl. 20 f.).

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Fallbeispiele

aus allen Bezirken der DDR nach Leipzig versetzt, um die Arbeit der örtlichen BV zu unterstützen. Hinzu kamen mehrere hundert inoffizielle Kräfte.178 Den Ermittlungen waren dennoch enge Grenzen gesetzt. Als „ineffizient“ erwies sich in den 1950er Jahren die Arbeit mit „Informatoren“, die teilweise erst unmittelbar zum Messebeginn vom MfS angeworben wurden. Davon wurde schnell abgesehen. Zu negativ waren die Erfahrungen, denn das Umfeld der anvisierten Person konnte in der Regel nicht präzise vorab ausgekundschaftet werden. Ein weiterer struktureller Mangel bestand in der Tatsache, dass zu Beginn die „Absicherung“ der Messe nicht zentral von der Berliner Normannenstraße179 aus koordiniert und langfristig vorbereitet wurde, sondern von der BV Leipzig des MfS neben den laufenden Aufgaben bewältigt werden musste. Dies wirkte sich insbesondere auf die mangelnde Vorbereitung der eingesetzten IM aus, die deshalb zum Teil gar nicht zum Einsatz kommen konnten.180 Die Tatsache, dass im Jahr 1989 über 2 000 zusätzliche hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit aus allen Teilen des Landes zur Frühjahrsmesse herangezogen wurden, unterstreicht, in welchem Ausmaß sich die Über wachungsmaßnahmen in den Folgejahren intensivieren sollten.181 Neuordnung durch die Schaffung des „Koordinierungsstabs Leipziger Messen“ Zur Leipziger Frühjahrsmesse 1966 wurde ein neues Über wachungssystem geschaffen. Sein Herzstück war der „Koordinierungsstab Leipziger Messen“, der als eigens geschaffene Abteilung der Hauptver waltung des MfS künftig zentrale und langfristig geplante Über wachungsmaßnahmen während der Leipziger Messe garantieren sollte. Leiter des Koordinierungsstabs war bis Mitte 1974 Hans Fruck ( stellvertretender Leiter der HV A ). Danach war der bisherige Stellvertreter, Manfred Hummitzsch, ( Leiter der BV Leipzig ) mit der Leitung des „Messeoperativstabs“ betraut.182 In seiner Arbeit unterstützten ihn sechs bis acht ranghohe MfS - Mitarbeiter.183 Der Stab hielt Kontakt zu den Einsatzleitern der weiteren „Schutz - und Sicherheitsorgane“ und regelte „die Zusammenarbeit 178 Erste verlässliche Zahlen gehen auf das Jahr 1961 zurück, als knapp 900 IM die Leipziger Frühjahrsmesse „absicherten“. Vgl. Rudolph / Wüstenhagen, Leipziger Messe, S. 120. 179 In der Berliner Normannenstraße im Stadtteil Lichtenberg befand sich die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit. 180 Vgl. MfS vom 13. 4. 1960 : Protokoll über die erweiterte Sitzung des Kollegiums am 12. 4. 1960 – Abschlussbericht Aktion „Rakete“ ( BStU, MfS, Sekr. d. Min. 1556, Bl. 76). 181 Vgl. Rudolph, Wüstenhagen, Leipziger Messe, S. 53. 182 Ab der Herbstmesse 1975 wurde der zentrale Einsatzstab des MfS während der Messen nicht mehr „Koordinierungsstab“, sondern „Messeoperativstab“ genannt. Vgl. Befehl 18/75 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 6. 8. 1975 ( BStU, MfS, BdL / Dok 004185, Bl. 2). 183 Vgl. Befehl 3/75 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 20. 2. 1975 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001991, Bl. 2 f.).

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Die Aktion „Treffpunkt“

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mit anderen zentralen Partei - , Staats - , Wirtschafts - und Handelsorganen“.184 Hauptaufgabenfeld des Koordinierungsstabs war aber die Anleitung sämtlicher Linien des MfS, die an der Über wachung der Messe beteiligt waren und die Arbeit der Leipziger Bezirksver waltung des MfS unterstützten.185 Festnahmen und auch Anwerbungen von Bürgern des nichtsozialistischen Auslandes durch Abteilungen des MfS mussten generell mit dem Stabsleiter abgestimmt werden. Die Leitung der Leipziger Bezirksver waltung des MfS trug die Verantwortung für die operative Umsetzung der angeordneten Über wachungsmaßnahmen in und um Leipzig.186 Durch die verstärkte Arbeit mit IM und durch den Einsatz moderner EDV - Anlagen wurde die Intensität der Über wachung auf eine neue Stufe gehoben. Aufgabenfelder inoffizieller Mitarbeiter Nahezu alle Stellen und Bereiche, die während der Messe von Bedeutung waren, wurden durch IM über wacht. Für alle eingesetzten IM galten die selben grundlegenden Arbeitsrichtlinien : „Die IM sind vor ihrem Messeeinsatz auf die Lösung von folgenden Aufgabenkomplexen in ihrem Verantwortungsbereich vorzubereiten : – Welche Personen aus Westdeutschland, Westberlin und dem nicht sozialistischen Ausland suchen bzw. unterhalten unter Angabe der konkreten Verhaltensweise verdächtige Verbindungen zu Bürgern der DDR ? – Welche Mittel und Methoden werden angewandt zur negativen bzw. feindlichen Beeinflussung unserer Bürger ? Feststellung von Maßnahmen der gegnerischen Kontaktpolitik, der Aufweichung, Zersetzung und Korruption. – Feststellung und Aufklärung von Personen, aus deren Verhaltensweise der Verdacht entsteht, dass sie Vorbereitungshandlungen zur Ausschleusung von DDR - Bürgern durchführen. – Ständige Beobachtung und Kontrolle der Personenbewegungen in den jeweiligen Aufgabenbereichen der IM zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Objekten. Sicherstellung eines richtigen politischen und politisch - operativen Reagierens der IM bei auftretenden Provokationen und anderen feindlichen Handlungen. – Aufklärung von westdeutschen Personen, die sich für Kontaktaufgaben mit dem Ziel der Werbung eignen.“187

Im Leipziger Messeamt, der offiziellen Koordinierungsstelle der Messe, waren fast alle Abteilungen und Bereiche durch inoffizielle Mitarbeiter in Schlüssel184 Befehl 33/73 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 7. 8. 1973 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001836, Bl. 2). 185 Im Einzelnen waren dies die HA I, II, VI, VII, VIII, IX, XVIII, XIX, XX, VRD, die HV A und B, das BdL II, die ZAIG und ZAGG sowie die Abteilung X. Vgl. Befehl 20/74 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 27. 7. 1974 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001914, Bl. 2). 186 Vgl. Befehl 33/73 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 7. 8. 1973 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001836, Bl. 8). 187 BVfS Dresden, Abteilung VI, vom 10. 8. 1971 : Maßnahmeplan des Leiters der Abteilung VI zur politisch - operativen Sicherung der Durchführung der Aktion „Treffpunkt 1971“ ( Herbst ) vom 5. bis 12. 9. 1971 ( BStU, MfS, HA VI 13421, Bl. 284).

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Fallbeispiele

positionen abgesichert.188 Auch direkt in den Ausstellerbetrieben befanden sich IM : „Die Leiter der operativen Haupt - / selbst. Abteilungen und Bezirksver waltungen / Ver waltungen des MfS haben zu sichern, dass in den wichtigsten Ausstellerbetrieben ihres Arbeitsgebietes qualifizierte inoffizielle Mitarbeiter zum Einsatz kommen.“189 Darüber hinaus befanden sich zahlreiche IM unter den Standhilfen der Aussteller sowie unter den Dolmetschern, Betreuern sowie dem Auf - und Abbaupersonal.190 „Bei der konspirativen Bekämpfung des Feindes konzentriert sich die Arbeitsgruppe Messe in ihrer Tätigkeit nicht nur auf die Absicherung des Leipziger Messeamtes, sondern auch auf die Personen, die nur zeitweilig als Standhilfen, Dolmetscher, Hostessen und technische Kräfte aller Art tätig sind.“191 Insgesamt unterlagen ca. 3 000 bis 5 000 Standhilfen ( je nach Messe ), etwa 2 000 Handwerker aus ca. 80 Betrieben und ca. 2 000 Hilfshausmeister bzw. Hallenmeister der Über wachung.192 Darüber hinaus wurden mit der Neuordnung des Über wachungssystems verstärkt auch Einrichtungen der Universität und der Hochschulen, der Kirchen, Jugendclubhäuser und Sportstätten, Angehörige anderer Sicherheitsorgane sowie Journalisten aus Presse und Rundfunk überwacht.193 Die Zahl der akkreditierten Journalisten betrug 1 000 zur Herbstmesse 1972. Davon kamen 193 aus der Bundesrepublik und Westberlin. Erstmalig erhielten zu dieser Messe Journalisten von ARD, ZDF und SFB eine Drehgenehmigung. „Die drei Aufnahmegruppen wurden von zuverlässigen Personen bzw. IM betreut.“194 Zur Frühjahrsmesse im Folgejahr waren bereits 1 370 Journalisten aus 46 Ländern akkreditiert. Davon kamen 286 aus Westdeutschland und Westberlin.195 Die Journalisten verhielten sich aufgrund der durchgängigen Kontrolle durch die Staatssicherheit jedoch sehr zurückhaltend, sodass das MfS lange Jahre kaum nennenswerte „illegale Aktionen“ feststellen konnte.196 „Die akkreditierten Journalisten hielten sich strikt an die Arbeitsgenehmigungen des MfAA.“197 Die politische Bedeutung der ausländischen Presse zeigte sich erst 188 Vgl. Jäger, Abwehrarbeit der Arbeitsgruppe Messe. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1969, S. 27 ( BStU, MfS, JHS MF GVS 129/69). 189 Befehl 33/73 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 7. 8. 1973 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001836, Bl. 5). 190 Vgl. ebd. 191 Jäger, Abwehrarbeit der Arbeitsgruppe Messe, S. 19 ( BStU, MfS, JHS MF GVS 129/69). 192 Vgl. Sternkopf, Arbeitsgruppe Messe. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1981, S. 10 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 326/81). 193 Vgl. Befehl 4/76 des Ministers für Staatssicherheit vom 29. 1. 1976 ( BStU, MfS, BdL / Dok 004918, Bl. 6 f.). 194 MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 5. 10. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 ( H )“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001487, Bl. 20). 195 Vgl. MfS, Koordinierungsstab Aktion „Treffpunkt 1973“, vom 27. 3. 1973 : Bericht über die Ergebnisse der Leipziger Frühjahrsmesse 1973 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001686, Bl. 34). 196 Vgl. MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 22. 4. 1974 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1974“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001901, Bl. 6). 197 Ebd., Bl. 5.

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Die Aktion „Treffpunkt“

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wieder Ende der 1980er Jahre, als Bilder von Ausreisewilligen um die Welt gingen und den Beginn der revolutionären Prozesse in der DDR dokumentierten. Ein absoluter Schwerpunkt der Über wachung, der zugleich aber die größten Schwierigkeiten machte, bildete die Obser vation der Unterkünfte von Messegästen. Dafür entstanden mehrere IM - Netze mit zunächst insgesamt 100 Mitarbeitern im Bereich der Regierungs - und Devisenhotels, in Gaststätten, Reisebüros und Meldestellen.198 Durch den Einsatz weiterer IM an den Rezeptionen der Hotels wurde sichergestellt, „dass Messeeinmieter vorrangig in vorbereitete Zimmer einquartiert“ wurden,199 wo sie abgehört werden konnten. Privatunterkünfte blieben zu Beginn von der Über wachung allerdings ebenso ausgenommen wie Hotels der staatlichen Handelsorganisation ( HO ), in denen fast ausschließlich Besucher aus dem nichtsozialistischen Ausland untergebracht waren. Zwei Jahre nach der Neuorganisation wurden dann aber auf Befehl des Ministers für Staatssicherheit 567 Privatquartiere stichprobenartig obser viert. Dabei stellte sich heraus, dass 95 Prozent der Quartiere an Messebesucher aus der DDR vergeben wurden. Das restliche „Fünf - Prozent - Kontingent“, insgesamt ca. 3 000 Betten, wurde an ausländische Besucher vermietet und stand für das MfS künftig im Mittelpunkt des Interesses : „Alle operativen Mitarbeiter und IM, die während der Aktion in Leipzig eingesetzt werden und in Privatquartieren wohnen, haben eine qualifizierte Einschätzung ihrer Quartiergeber anzufertigen. [...] Die Einschätzung muss geeignet sein, zur Klärung der Frage ‚Wer ist wer ?‘ beizutragen.“200 Die Vermieter von Privatquartieren sowie ihre Familienangehörigen und Nachbarn wurden fortan systematisch auf ihre „charakterlichen Äußerungen und Verhaltensweisen“, ihre Hobbys und auf Verbindungen nach Westdeutschland oder Westberlin überprüft.201 Versuche seitens des MfS, private Quartiergeber davon abzubringen, Messebesucher aus dem kapitalistischen Ausland aufzunehmen, blieben aber weitgehend ohne Erfolg : „Wie bereits zu vorangegangenen Messen trat zur Herbstmesse wiederum in Erscheinung, dass Leipziger Bürger nur gewillt waren, Messegäste aus der BRD, Westberlin oder dem kapitalistischen Ausland aufzunehmen. In den meisten Fällen wurde hierzu bekannt, dass die Quartiervermieter die Bezahlung der Zimmer in Devisen bzw. DM / West verlangten.“202 Oft handelte es sich zudem bei solchen „NSW - Quartiergebern“ um Personen, die eine hohe gesellschaftliche Stellung einnahmen, deshalb über „Quar198 Vgl. Rudolph; Wüstenhagen, Leipziger Messe, S. 129. 199 BVfS Karl - Marx - Stadt, Abteilung VI, vom 11. 8. 1971 : Maßnahmeplan zur Durchführung des Befehls 23/71 des Genossen Minister, des Maßnahmeplanes des Leiters der BV vom 23. 7. 1971 und des Maßnahmeplanes der HA VI zur Aktion „Treffpunkt 1971“ ( H ) ( BStU, MfS, HA VI 13421, Bl. 273). 200 Befehl 28/72 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 11. 7. 1972 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001486, Bl. 13). 201 Ebd., Bl. 13 f. 202 HA VI des MfS vom 25. 9. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 ( H )“ (BStU, MfS, BV Leipzig, Leitung 00861, Bl. 129 f.).

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Fallbeispiele

tiere mit hoher Qualität und Komfort“ verfügten und „aufgrund ihrer Funktion Träger von Staats - und Dienstgeheimnissen sein mussten“.203 „Von großer operativer Bedeutung ist nicht nur die Tatsache, dass nach Angaben der HA VI ca. 80 Prozent der aus der BRD, Westberlin und dem kap. Industrieländern eingereisten Personen ständige Messequartiere haben, sondern diese auch an andere Messereisende ihrer Länder weiter vermitteln. Dies erklärt auch die steigende Tendenz einer regelrechten Absicherung von Messegästen durch die Quartiergeber gegenüber Kontaktaufnahmen durch unbekannte Personen im Quartier.“204 Das MfS deutete dieses Verhalten so, dass westdeutsche und Westberliner Firmen offenbar auf diese Art „Firmenstützpunkte“ in der DDR errichten wollten, die „den Charakter einer Firmenvertretung“ tragen. Ziel sei es, den Quartiergeber dazu zu bringen, verschiedenste Aufgaben zu erfüllen, beispielsweise das Bereitstellen von Räumlichkeiten, die Weitervermittlung zuverlässiger Quartiere, die Vermittlung zuverlässiger Standhilfen, die Vertretung der Firma gegenüber dem Messeamt und die Organisation eines kulturellen Rahmenprogramms für Mitarbeiter der Firma ( Kartenbestellungen für Abendveranstaltungen etc.).205 Der Einsatz moderner Datenverarbeitung Aufgrund der intensivierten Über wachungsmaßnahmen war eine systematische Analyse der Besucherströme mit dem bisherigen Verfahren nicht mehr gewährleistet. Daher wurde die Erfassung von Daten mittels Kerblochkarten durch moderne Datenverarbeitung ersetzt. Seit 1968 wurden die Daten aller einreisenden bundesdeutschen Besucher elektronisch gespeichert und mit Hilfe der EDV ausgewertet.206 Aufgrund des modernen Verfahrens ist es zunehmend gelungen, die „echten“ Messebesucher systematisch aus dem Gesamtbesucherstrom herauszufiltern und dadurch die Zahl der „Tante - Frida - Besucher“, die Anträge auf Weiterreise zum Besuch von Ver wandten in der DDR stellten, deutlich zu senken. „Waren zur Frühjahrsmesse 1966 noch 1 278 Anträge genehmigt worden, so waren es zur Herbstmesse 1968 nur noch 234.“207 Bereits zu Beginn der 1970er Jahre waren Besucher und Firmenvertreter aus der Bundesrepublik, Westberlin und anderen nichtsozialistischen Ländern sowie deren Vermieter nahezu lückenlos in Computerdateien erfasst. Gespeicherte Daten konnten bei der Auswertungs - und Kontrollgruppe der Leipziger Bezirksverwaltung des MfS angefordert werden. Vier tägliche Kurierverbindungen sicherten die Verbindung 203 MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 5. 10. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 ( H )“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001487, Bl. 24). 204 MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 17. 4. 1973 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1973“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001686, Bl. 4). 205 Vgl. Jäger, Abwehrarbeit der Arbeitsgruppe Messe, S. 50 f. ( BStU, MfS, JHS MF GVS 129/69). 206 Rudolph / Wüstenhagen, Leipziger Messe, S. 130. 207 Ebd., S. 131.

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Die Aktion „Treffpunkt“

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zur Berliner MfS - Zentrale. Auf diese Weise konnten ca. 25 000 bis 30 000 Überprüfungen pro Messe effektiv durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Überprüfungen flossen gemäß der Dienstanweisung 5/69 des Ministers für Staatssicherheit in die „Messesonderkartei“ ein, die den Passkontrolleinheiten der HA VI an allen Grenzübergangsstellen vorlag.208 Ab 1980 sollte es aufgrund einer erneuten Modernisierung der Datenverarbeitungstechnik sogar möglich sein, alle eingereisten Personen bis zu zehn Jahre rückwirkend zu überprüfen.209 „Das Netz des MfS, mit dem es die Leipziger Messe überspann, war dicht gewebt.“210 Einen entscheidenden Beitrag, dieses Netz immer engmaschiger zu machen, leistete insbesondere die HA VI des MfS.

2.3

Aufgaben der HA VI während der Leipziger Messe

Die Hauptabteilung VI hatte eine Schlüsselrolle bei der „Absicherung“ der Leipziger Messe. Sie war verantwortlich für die „Sicherung des Ein - und Ausreiseverkehrs“. Die Bearbeitung ausländischer Messegäste begann mit ihrer Einreise und endete mit ihrer Ausreise. Ob Fluchtvorbereitungen aufgedeckt oder Fluchtversuche vereitelt werden konnten – und damit ein Hauptziel der Kontrollen des MfS zur Messe erreicht wurde –, entschied sich ebenfalls an den GÜSt der DDR. Die Zollverwaltung der DDR unterstützte die Arbeit der HA VI und weiterer Linien in vielen Bereichen. Zugleich war der Zoll selbst unter ständiger Kontrolle der Staatssicherheit. „Absicherung“ der Messe Eine Aufgabe an den Grenzübergangsstellen war die Realisierung aller Fahndungsmaßnahmen und Einreisesperren aufgrund vorliegender Anträge anderer Diensteinheiten sowie eigener Feststellungen. Gefahndet wurde insbesondere nach Personen, „die in der Vergangenheit bei gesellschaftlichen Höhepunkten durch Provokationen“211 auffielen. Zur Aktion „Treffpunkt 72 / ( H )“, wie die Leipziger Herbstmesse 1972 von der Staatssicherheit genannt wurde, leitete die HA VI 86 Fahndungen ein unt traf 256 Fahndungsfeststellungen. 36 Personen blieb gemäß Fahndungsauftrag die Einreise zur Messe ver währt.212 Darüber hinaus sollten die Passkontrolleinheiten während der Messe Informationen zu 208 Vgl. Befehl 20/74 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 27. 7. 1974 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001914, Bl. 4). 209 Vgl. Schreiben der BVfS Cottbus, Abt. AIG, an die Leiter aller Diensteinheiten vom 24. 4. 1978 : Datenverarbeitungsprojekt „Leipziger Messen“ ( BStU, MfS, KD Guben 151, Bl. 14). 210 Rudolph / Wüstenhagen, Leipziger Messe, S. 146. 211 Befehl 18/75 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 6. 8. 1975 ( BStU, MfS, BdL / Dok 004185, Bl. 9). 212 Vgl. HA VI des MfS vom 25. 9. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 (H)“ ( BStU, MfS, BV Leipzig, Leitung 00861, Bl. 134).

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Fallbeispiele

Personengruppen erarbeiten, die für das MfS allgemein von Interesse waren.213 „Dabei sind auch die Möglichkeiten der GZÄ sowie vorhandene Speicher mit einzubeziehen und zu nutzen.“214 Zudem sollten „Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung von Personenschleusungen und ungesetzlichen Grenzübertritten“215 durchgeführt werden. Die HA VI war jedoch nicht nur an den Grenzübergangsstellen tätig. Vor Ort in Leipzig war sie mitverantwortlich für die „Einleitung und Abstimmung operativer Kontroll - und Über wachungsmaßnahmen zu verdächtigen Personen mit anderen Diensteinheiten des MfS, insbesondere mit den Hauptabteilungen II, VIII und XIX“.216 Außerdem war sie mit der „Absicherung der Einrichtungen des Reisebüros der DDR, der Interhotels und Hotels“217 betraut. Mitte der 1970er Jahre wurden dafür in der Abteilung VI der BV Leipzig zwei Operativgruppen gebildet, die für die „Absicherung der beiden Schwerpunkthotels“, dem Hotel „Astoria“ am Hauptbahnhof ( Regierungshotel ) und dem Hotel „Stadt Leipzig“ am Brühl ( Diplomatenhotel ), sowie mit der Vermittlung „operativ vorbereiteter Privatquartiere an akkreditierte Diplomaten“218 zuständig waren. „Absicherung“ der Zollmitarbeiter Die Hauptabteilung VI des MfS war generell wie auch während der Leipziger Messe für die Über wachung der Zollmitarbeiter zuständig. Während der Ausübung ihrer Kontrolltätigkeit standen die Zöllner in engem Kontakt zu Messebesuchern und Ausstellern, was die Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI als klares Sicherheitsrisiko wertete. Sie kam regelmäßig zu dem Schluss, „dass während der Messe durch den Gegner eine zielgerichtete Kontakttätigkeit gegenüber dem Zollorgan organisiert und durchgeführt“ wurde.219 Die „Kontakttätigkeit“ trat fast ausschließlich während der Kontrolle und Abfertigung von Messegut auf. Insbesondere durch das Anbieten von Genussmitteln ( Alkohol und Zigaretten ), Werbegeschenken ( Kugelschreiber, Feuer213 Diesbezüglich gab das MfS an alle Linien einen „Informationsbedarfskatalog“ heraus. Interessante Personengruppen waren beispielsweise Diplomaten, kirchliche Angestellte, Angehörige der medizinischen Intelligenz oder Vertreter von Pharmaunternehmen. Vgl. Anlage zur Anweisung VI /7/86 des Leiters der HA VI des MfS vom 1. 11. 1986 (BStU, MfS, HA VI 80, Bl. 37). 214 Ebd. 215 Befehl 18/75 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 6. 8. 1975 ( BStU, MfS, BdL / Dok 004185, Bl. 9). 216 Befehl 3/75 des Ministers für Staatssicherheit der DDR vom 20. 2. 1975 ( BStU, MfS, BdL / Dok 001991, Bl. 12). 217 HA VI des MfS vom 25. 9. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 ( H )“ (BStU, MfS, BV Leipzig Leitung 00861, Bl. 125). 218 MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 11. 10. 1974 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1974 ( H )“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001915, Bl. 8). 219 HA VI des MfS vom 15. 4. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 ( F )“ (BStU, MfS, HA VI 13421, Bl. 8).

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zeuge, Werkzeugtaschen etc.), Zahlungsmitteln ( D - Mark ) und Einladungen an den Messestand oder in eine Gaststätte außerhalb des Messegeländes durch Aussteller waren Zöllner nach Meinung des MfS gefährdet.220 Zur Leipziger Frühjahrsmesse 1973 ereigneten sich zum Beispiel 263 „Kontaktversuche“.221 In der Regel wurde diese Art des Kontakts als Höf lichkeitsgeste interpretiert und als harmlos eingestuft. Anders verhielt es sich, wenn solche Kontaktversuche mehrmals unternommen wurden oder Zöllner mit hochwertigeren Gegenständen bestochen werden sollten. Generell ging die HA VI des MfS zum einen Sicherheitsproblemen nach, die durch die Zollver waltung selbst angezeigt wurden : „Den Einsatzkräften der Abteilung Zollabwehr [ der HA VI des MfS ] wurden alle Feststellungen über Anbiederungs - und Kontaktversuche zu Angehörigen der Zollverwaltung unmittelbar und schnellstmöglich zugeleitet.“222 Darüber hinaus setzte sie ihrerseits inoffizielle Mitarbeiter in den Messedienststellen der Zollver waltung ein, um Bestechungsversuche aufzudecken.223 „Durch die Abteilung Zoll ( Abwehr ) [wurden ] zur Aufklärung der gegnerischen Kontakttätigkeit gegenüber den Zollangehörigen 3 weibliche und 1 männlicher IME zum Einsatz gebracht.“224 Außerdem waren seitens des MfS zwei „Sicherungsgruppen“ mit einer Gesamtstärke von ca. 90 Personen während der Messen im Einsatz, die unter anderem mit der „operativen Absicherung und Kontrolle“ der Mitarbeiter des Zolls beschäftigt waren.225 Über die entdeckten Bestechungsversuche bei Zöllnern während der Frühjahrs - und Herbstmesse im Zeitraum 1970–1975 gibt Abbildung 15 Auskunft. Nahmen Zöllner Geschenke von Messegästen und Ausstellern an, so wurden sie nach Bekanntwerden sofort vom Messedienst suspendiert.226

220 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 20. 3. 1974 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 89). 221 Im Vergleich dazu kam es zu viel weniger Kontaktaufnahmen von Messereisenden mit Volkspolizisten. So wurden für die Frühjahrsmesse 1974 nur 20 „Kontaktversuche“ zu Angehörigen der Volkspolizei registriert. Vgl. MfS, Einsatzstab Aktion „Treffpunkt 1975“, vom 25. 3. 1975 : Abschlussbericht Aktion „Treffpunkt 1975“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001992, Bl. 13); Abteilung Zollermittlung vom 20. 3. 1973 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 19). 222 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11. 9. 1973: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 52). 223 Vgl. HA VI des MfS vom 15. 4. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 (F)“ ( BStU, MfS, HA VI 13421, Bl. 4). 224 Ebd., Bl. 12. 225 Sternkopf, Arbeitsgruppe Messe, S. 18 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 326/81). 226 Vgl. Bericht über die Dienstdurchführung anlässlich der Leipziger Frühjahrsmesse 1968 vom 1. 4. 1968 ( BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386). Auf die generelle Kontrolle und Über wachung von Zollangehörigen durch das MfS wird im kommenden Kapitel ausführlich eingegangen.

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Fallbeispiele

Abb. 15 : Bestechungsversuche bei Mitarbeitern der Zollver waltung während der Messe 1970–1975227

2.4

Aufgaben der Zollverwaltung zur Absicherung der Leipziger Messe

Die Arbeit des Zolls während der Leipziger Messe beschränkte sich bis Anfang der 1960er Jahre vorwiegend auf Kontrollen an den Grenzübergangsstellen. Ein Eingreifen des AZKW war damals aus Sicht der Staatssicherheit in der Regel nicht notwendig.228 Im Jahr 1958 zum Beispiel wurden zur Herbstmesse lediglich zwei operative Informationen vom Zoll an das MfS übergeben.229 Zwölf Jahre später waren es dagegen über 700.230 Nach Gründung der Zollverwaltung im Jahr 1962 wurde der Zoll intensiv in die Arbeit des Staatssicherheitsdienstes zur Kontrolle der Leipziger Messe einbezogen. Der Zoll unterstützte die „politisch - operative Arbeit“ des MfS zur Überwachung der Leipziger Messe spätestens ab Beginn der 1970er Jahre in nahezu allen Bereichen. Neben den Kon227 Abschlussbericht der Abteilung Zollermittlung zur Leipziger Herbstmesse 1970 vom 9. 9. 1970 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 13); Lageeinschätzung der Abteilung Zollermittlung vom 2. 9. 1970 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 39; Abschlussbericht der Abteilung Zollermittlung zur Leipziger Frühjahrsmesse 1971 vom 25. 3. 1971 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 139); Abschlussbericht der Abteilung Zollermittlung zur Leipziger Frühjahrsmesse 1975 vom 20. 3. 1975 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 168–169). 228 Vgl. MfS vom 13. 4. 1960 : Protokoll über die erweiterte Sitzung des Kollegiums am 12. 4. 1960 – Abschlussbericht Aktion „Rakete“ ( BStU, MfS, Sekr. d. Min. 1556, Bl. 74). 229 Vgl. Abschlussbericht über die Kontrolltätigkeit des AZKW zur Leipziger Herbstmesse 1958 vom 11. 11. 1958 ( BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386a ). 230 Vgl. Abschlussbericht der Abteilung Zollermittlung zur Leipziger Herbstmesse 1970 vom 9. 9. 1970 ( BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 388b ).

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trollkräften, die an Grenzzollämtern, Messedienststellen und Postzollämtern zur Über wachung der Frühjahrs - und Herbstmessen beitrugen, waren fortan insbesondere die Abteilungen Zollfahndung und Zollermittlung wesentlich in die Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit eingebunden. Vorbereitung des Messeeinsatzes Generell achtete die Leitung der Zollver waltung darauf, dass möglichst solche Zöllner für den Messeeinsatz ausgewählt wurden, die bereits Erfahrungen in der Messeabfertigung besaßen und sich bei ihrer täglichen Arbeit bewährt hatten. „Das stellte eine wesentliche Voraussetzung zur Schaffung einer offenen, kritischen und kämpferischen Atmosphäre in den Dienststellen dar.“231 Von den Zöllnern, die an den Messedienststellen in Leipzig eingesetzt wurden, waren zur Herbstmesse 1972 beispielsweise 85,8 Prozent Mitglied oder Kandidat der SED. 76,9 Prozent verfügten bereits über Messeerfahrung.232 Sämtliche Führungskader, die für die Anleitung der Kräfte während der Messe zuständig waren, wurden durch Gerhard Stauch, den Leiter der Zollver waltung und OibE des MfS, persönlich bestätigt.233 Im Vorfeld der Messe traten der Stellvertreter für Fahndungswesen, der Stellvertreter des Leiters der Zollver waltung und der Leiter der Bezirksver waltung Zoll Leipzig, welcher die Funktion des Messeeinsatzleiters übernahm, zusammen. „Unter Berücksichtigung der spezifischen Aufgabenstellung der Abteilung Zollermittlung“234 entwickelten sie von Messe zu Messe die Kontrollvorgaben und Aufgabenschwerpunkte aller Führungskader und Zollkontrolleure. In der Hierarchie unterstanden alle in Leipzig eingesetzten Kontrollkräfte des Zolls dem Leiter der Bezirksver waltung Leipzig. Dieser wiederum war wie alle anderen Leiter der Bezirksver waltungen des Zolls dem Stellvertreter für Fahndungswesen, Heinz Schröter, unterstellt. Er unterhielt in Abstimmung mit dem Stellvertreter des Leiters der Zollver waltung die Arbeitskontakte zu den anderen „Schutz - und Sicherheitsorganen“, insbesondere dem Ministerium für Staatssicherheit. Formal arbeitete unter seiner Führung auch die Abteilung Zollermittlung, die wie bereits aufgezeigt vermutlich nur „offiziell“ eine Abteilung der Zollverwaltung, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber eine spezielle Arbeitsgruppe der Staatssicherheit war.235 231 Vgl. Bericht über die Dienstdurchführung während der Leipziger Herbstmesse 1968 vom 18. 9. 1968 ( BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386). 232 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 4. 9. 1972 : Zwischenbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI Nr. 14841, Bl. 257). 233 Konzeption zur Vorbereitung der Leipziger Frühjahrsmesse 1970 vom 9. 12. 1969 (BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386, Bl. 5). 234 Befehl 4/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 12. 7. 1974, Bl. 5 f. ( Archiv Plessow ). 235 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 16. 9. 1976 : Bericht über die Ergebnisse der politischfachlichen Arbeit während der Leipziger Herbstmesse 1976 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 224).

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Fallbeispiele

Ermittlungen unter Federführung der Einsatzgruppe Zollermittlung Die „Einsatzgruppe Zollermittlung Leipziger Messen“ war ohne Zweifel die Abteilung, welche die Tätigkeit der Staatssicherheit während der Leipziger Messe am stärksten unterstützte. Sie fungierte während der Messe als Bindeglied zwischen Zoll und MfS und hielt daher engen Kontakt mit der Messeeinsatzgruppe Hauptabteilung VI des MfS.236 Sämtliche Anordnungen und Maßnahmen der Abteilung Zollermittlung erfolgten „in Übereinstimmung mit dem Maßnahmeplan des zuständigen Sicherheitsorgans“.237 Grundlage für die Arbeit der Abteilung Zollermittlung waren der Befehl 4/74 des Leiters der Zollver waltung, die zur Messe erlassenen Befehle des Ministers für Staatssicherheit und der Maßnahmeplan des Leiters der HA VI des MfS.238 Entsprechend der Aufgabenstellung wurde die Abteilung Zollermittlung beauftragt, Fakten und Hinweise zu sammeln über die „Wirkungsweise und Wirkungsintensität des Gegners auf dem Gebiet der politisch - ideologischen Diversion“, über „Stör versuche gegen die Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR“ sowie über Personen aus Westdeutschland, Westberlin und anderen westlichen Staaten, „die auf der Grundlage verdächtiger Umstände Kontakte zu Bürgern der DDR suchten und herstellten“.239 Zur Durchsetzung der Maßnahmen arbeitete die Abteilung Zollermittlung mit „geeigneten und speziell ausgebildeten Genossen“,240 mit Spezialisten aus ihren eigenen Reihen, sogenannten Auswertern, zusammen. Ihre Aufgabe war die „ständige und intensive Einflussnahme auf die Zollkontrolleure“,241 damit diese quantitativ und qualitativ hochwertige Informationen erarbeiteten. Die Auswerter waren in sämtlichen Bereichen der Zollver waltung eingesetzt, die während der Messe Kontroll - und Sicherungsaufgaben erfüllten. Die Arbeitsergebnisse dieser Spezialkräfte wurden gebündelt und in einer „Zentralen Auswertergruppe“242 der Zollermittlung verdichtet.243 Auf diese Art entstanden zu 236 Vgl. HA VI des MfS vom 1. 8. 1971 : Maßnahmeplan zur Durchführung der Aktion „Treffpunkt 1971 ( H )“ ( BStU, MfS, HA VI 13421, Bl. 100). 237 Abteilung Zollermittlung vom 13. 9. 1974 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 133). 238 Vgl. Zollver waltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 26. 9. 1972 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 199). Die Befehle des Ministers für Staatssicherheit wurden vor jeder Messe herausgegeben. Dem Autor liegen die Befehle 1/70, 28/72, 3/73, 33/73, 4/74, 20/74, 3/75, 18/75 sowie der Befehl 4/76 des Leiters des MfS ( allesamt Befehle zur Durchführung der Leipziger Frühjahrs - bzw. Herbstmesse ) vor. Die Inhalte des Befehls 4/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR fanden sich vorher in dem Befehl 2/70 des Leiters der Zollver waltung der DDR. Als Maßnahmeplan des Leiters der HA VI des MfS liegt dem Autor die Anweisung 10/75 des Leiters der Hauptabteilung VI vor. 239 Ebd. 240 Konzeption zur Vorbereitung der Leipziger Frühjahrsmesse 1970 vom 9. 12. 1969 (BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386, Bl. 3). 241 Abteilung Zollermittlung vom 20. 3. 1974 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 81). 242 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 4. 9. 1972 : Zwischenbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 261).

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jeder Messe hunderte „politisch - operative Informationen“, insbesondere aus den Bereichen „Kontakttätigkeit von Konzernen“, „Verbindungsaufnahmen zu Mitarbeitern der Zollver waltung der DDR“ sowie zu sonstigen interessanten Personen und Personenverbindungen.244 Fast all diese Informationen wurden zur weiteren Bearbeitung an die Staatssicherheit übergeben, wie Abbildung 16 zeigt :

Abb. 16 : Verwendung politisch - operativer Informationen der Abteilung Zollermittlung zur Frühjahrsmesse 1970–1975245

Im Folgenden werden die Bereiche, in denen Mitarbeiter der Zollermittlung als Auswerter tätig waren, um eine Vielzahl an Informationen zu gewinnen, genauer vorgestellt. Zollermittler an den Straßen - Grenzübergangsstellen Während der Leipziger Messe wichen die Vorgaben zu den Kontrollen des grenzüberschreitenden Waren - und Devisenverkehrs von den sonst üblichen Bestimmungen deutlich ab. Aus politischen Gründen, um das Ansehen der DDR im Ausland nicht zusätzlich zu beschädigen, wurde vor, während und unmittel243 Vgl. ebd., Bl. 262. 244 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 2. 9. 1974 : Zwischenbericht Leipziger Herbstmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 122 f.). 245 Vgl. Abschlussberichte der Zollver waltung der DDR, Bereich Stellverteter des Leiters für Fahndungswesen und der Abteilung Zollermittlung aus den Jahren 1970–1975 (BStU, MfS, HA VI 14841; BStU, MfS, HA VI 14842).

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Fallbeispiele

bar im Anschluss an die Leipziger Messe auf die sonst strengen Kontrollen an den GÜSt weitgehend verzichtet. Ende der 1950er Jahre, als die Leipziger Messe auf steigende Besucherzahlen dringend angewiesen war, sollte alles vermieden werden, was den Zustrom an Messegästen unnötig begrenzen könnte. Die internationalen Besucher kamen daher in den Genuss spürbarer Reiseerleichterungen : Die Kontrolleure des AZKW erhoben keine Straßenbenutzungsgebühren und kontrollierten Messegut sowie Reisegepäck nur stichprobenartig. Selbst die Höhe der eingeführten Zahlungsmittel überprüften sie nicht, sondern glaubten den Angaben der Reisenden.246 Lange Wartezeiten während der Einreise sollten möglichst verhindert werden. Daher waren die Kontrolleure auch angewiesen, sich in puncto Beanstandungen strengstens zurückzuhalten, was dazu führte, dass insbesondere „die neueingestellten Genossen [...] die Großzügigkeit in der Messeabfertigung nicht verstanden“.247 Strittige Entscheidungen mussten vorab mit dem Messeeinsatzleiter abgestimmt werden – „bis auf die Fälle, die ein sofortiges Einschalten anderer Organe, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit erforderlich machten“.248 Dass es trotz der verordneten großzügigen Entscheidungspraxis vereinzelt zu schikanösen Handlungen gegenüber Reisenden kam, belegen mehrere Quellen.249 Als sich die Leipziger Messe in den 1970er Jahren als Drehscheibe im Ost West - Handel etabliert hatte, erhöhten sich die Auf lagen für die Kontrollen an den Grenzzollämtern wieder. Dennoch blieben sie weit hinter den sonst üblichen Anforderungen zurück. Sie sollten mit dem Ziel erfolgen, „den niveauvollen und reibungslosen Ablauf der Messe zu unterstützen, die Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften zu gewährleisten und Stör versuche sowie feindliche Handlungen des Gegners in Vorbereitung und Durchführung der Messe rechtzeitig zu erkennen und [...] zu verhindern.“250 Die Überprüfungen des Zolls sollten so erfolgen, dass sie sich „nahtlos in die politische und ökonomische Gesamtzielstellung“ einordnen.251 Im Bereich der Einreise durften intensive Zollkontrollen erst durchgeführt werden, wenn diese zuvor durch den Leiter der Zollver waltung, seinen Stellvertreter, den Leiter der zuständigen Bezirksver waltung oder den Messeeinsatzleiter bestätigt wurden oder wenn ein Kontrollersuchen des diensthabenden Offiziers der ansässigen 246 Vgl. Instruktion 3/61 des ersten Stellverteter des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 26. 1. 1961 ( BStU, MfS, BdL / Dok Nr. 051213 1. Ex., Bl. 4). 247 Abschlussbericht über die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Leipziger Frühjahrsmesse 1962 vom 10. 10. 1962 ( BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386 a ). 248 Dienstanweisung 20/59 des Leiters des AZKW vom 29. 7. 1959 ( BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 388a, Bl. 5). 249 Vgl. Abschrift „Wo ist das Ostgeld für Sekt und leichte Mädchen ?“ vom 1. 10. 1958 (BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386 a ); Messebeschwerden ausländischer Messegäste über die Grenzabfertigung der DDR vom 14. 3. 1964 ( BArch, DL 203, Az 31–01– 01, Ka. 386 a ). 250 Befehl 4/74 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 12. 7. 1974, Bl. 1 ( Archiv Plessow ). 251 Ebd., Bl. 2.

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Passkontrolleinheit bzw. der Abteilung Zollermittlung vorlag. Bei der Wiederausreise wurden dagegen grundsätzlich die Mindestkontrollhandlungen durchgeführt. Darüber hinaus wurden alle größeren Messegüter unter Einsatz von Diensthunden kontrolliert. Beides diente offensichtlich dem Ziel, Personenschleusungen zu verhindern.252 Der Einsatz spezieller Auswerter der Zollermittlung erfolgte an den Grenzzollämtern Wartha, Hirschberg, Marienborn / Autobahn und Drewitz.253 Gemeinsam mit der HA VI des MfS wurden den Auswertern sogenannte Schwerpunktfirmen vorgegeben, die von hoher operativer Bedeutung waren und zu denen möglichst viele Informationen gesammelt werden sollten.254 Zollermittler sprachen Vertreter dieser Firmen gezielt an, kontrollierten und befragten sie.255 Alle Mitarbeiter der GZÄ wie auch der Arbeitsgruppe Postverkehr erarbeiteten Ausgangsmaterialien, die – gleich den übrigen Ergebnissen der Zollkontrolle – von den Grenzübergangsstellen direkt vor Ort nach Leipzig übermittelt wurden. Dort bestand somit die Möglichkeit, bestimmte Personen gezielt auszuwählen, die während ihres Aufenthalts in Leipzig durch die Kontrollkräfte vor Ort weiter „bearbeitet“ wurden.256 Ziel war es also, „Personen, die hinsichtlich ihrer beruf lichen Tätigkeit, ihrer gesellschaftlichen Stellung oder aus anderen Gründen von operativer Bedeutung sind, bereits beim Grenzübertritt festzustellen, vorzumelden und das zuständige Sicherheitsorgan sofort in Kenntnis zu setzen bzw. durch die Nutzung aller gegebenen Möglichkeiten diese Materialien zu politisch - operativen Informationen zu verdichten“.257 Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen „Anweisungen“ und „Vormeldungen“ von Personen. Bei „Anweisungen“ wurde Reisenden in deren Beisein auferlegt, sich in Leipzig in der Bezirksver waltung der Zollver waltung zur weiteren Klärung von Fragen zu melden, um einen zollrechtlichen Sachverhalt in Leipzig zu besprechen. Oft geschah dies in Zusammenhang mit sogenannten Verfügungsverboten, die gegenüber den Reisenden ausgesprochen wurden, wenn bestimmte Waren zur Einfuhr nicht zugelassen waren und bis zur Wiederausreise nicht benutzt werden durften. Unter Verfügungsverbot stehende Waren wurden ( ähnlich wie zum 252 Vgl. Hinweise für die Durchführung der politisch - fachlichen Weiterbildung der Angehörigen der Grenzzollämter vom 9. 8. 1974 ( BArch, DL 203, Az 02–08–02, Ka. 184, Bl. 13). 253 Am Grenzzollamt Griebnitzsee wurde statt eines Auswerters ein Zolloffizier der Bezirksver waltung Potsdam eingesetzt. 254 Vgl. Zollver waltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11. 9. 1973 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 56). 255 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 20. 3. 1974 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 96). 256 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 9. 9. 1970 : Bericht Leipziger Herbstmesse 1970 (BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 5). 257 Abteilung Zollermittlung vom 16. 9. 1976 : Bericht über die Ergebnisse der politisch - fachlichen Arbeit während der Leipziger Herbstmesse 1976 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 225).

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Fallbeispiele

Beispiel Schusswaffen im Transit ) verbeutelt.258 So wurden etwa zur Frühjahrsmesse 1971 insgesamt 713 Personen angewiesen, sich in Leipzig zur Klärung eines Vorfalls zu melden, davon erschienen 696 zur Befragung, insgesamt 337 „politisch - operative Informationen“ konnten anschließend durch die Befragergruppe erarbeitet werden.259 Diese Zahl der Anweisungen ging in den folgenden Jahren drastisch zurück. Da die Vergehen der Reisenden oft zu gering waren, als dass eine lange Befragung gerechtfertigt gewesen wäre, schickte man nur noch Personen zur Befragung, bei denen aus zollmäßigem Anlass ein längeres Gespräch von bis zu 30 Minuten zu rechtfertigen war, um gehaltvolle Informationen zu erarbeiten und gleichzeitig keinen Verdacht zu erregen. „Angewiesene Personen“ wurden über die Zentrale Auswertergruppe auch dem MfS mitgeteilt. Mitarbeiter des MfS konnten auf diese Art an den Befragungen des Zolls teilnehmen oder sie sogar eigenständig unter der „Legende Zollfahndung“ durchführen, wie dies bereits im ersten Fallbeispiel beschrieben wurde. Waren „angewiesene Personen“ nicht zur Befragung erschienen, so wurden diese in der Ausreise gezielt kontrolliert.260 Von der Praxis, Besucher zu den unter Verfügungsverbot gestellten Waren zu befragen, wurde offensichtlich ab der Herbstmesse 1983 gänzlich abgesehen. Augenscheinlich sollte alles vermieden werden, was Messegäste verunsicherte und dem politischen Klima schadete. „Die zolldienstliche Arbeit zur Leipziger Herbstmesse 1983 hat sich – wie unsere Tätigkeit insgesamt – in die Politik der Partei einzuordnen [...]. Dazu ist die Trennung von bestimmten bisherigen Arbeitsweisen zur Leipziger Messe notwendig ( z. B. Verfügungsverbote und Bearbeitung der Feststellungen in Leipzig).“261 Bei „Vormeldungen“ wurden Personen zur weiteren Bearbeitung in Leipzig angekündigt, ohne dass diese davon Kenntnis hatten.262 Während der Herbstmesse 1972 wurden zum Beispiel über 680 „interessante Personen“ durch die Grenzzollämter neu erfasst und die Staatssicherheit darüber in Kenntnis gesetzt.263 Direkte Übergaben von Personen an die Passkontrolleinheit der jeweiligen GÜSt gab es nur in Ausnahmefällen, wenn ein sofortiges Handeln dies notwendig machte. Insbesondere war dies der Fall, wenn ein Verdacht oder Hinweis auf Personenschleusung bestand.264 Besonders gut funktionierte die 258 Vgl. Bericht über die Ergebnisse der politisch - fachlichen Arbeit während der Leipziger Herbstmesse 1977 der Abteilung Zollermittlung vom 15. 9. 1977 ( BArch, DL 203, Az. 31–01–01, Ka. 389, Bl. 13). 259 Vgl. Abschlussbericht des Leiters der BV Leipzig der Zollver waltung vom 24. 3. 1971 (BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386). 260 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11. 9. 1973: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 49). 261 Einweisung der Stellvertreter operativ der Leiter der Bezirksver waltungen am 24. 8. 1983 vom 23. 8. 1983 ( BArch, DL 203, Az. 31–01–01, Ka. 389, Bl. 1). 262 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 26.9.1972: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 200). 263 Vgl. ebd., Bl. 213. 264 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11. 9. 1973: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI Nr. 14842, Bl. 50).

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Zusammenarbeit zwischen den eingesetzten Kräften des Zolls und des MfS offenbar an der GÜSt Marienborn. Die Zollermittlung kam jedenfalls nach Beendigung der Frühjahrsmesse 1975 zu folgendem Schluss : „Die Erfahrungen der Arbeitsgruppe Marienborn bei der Filtrierung des Reisestromes im engen Zusammenwirken mit der Passkontrolleinheit sind zu verallgemeinern und an allen Grenzzollämtern durch die Offiziere für Zollermittlung zur Anwendung zu bringen.“265 Zollermittler am Grenzzollamt Flughafen Leipzig / Schkeuditz Auch am Flughafen Leipzig / Schkeuditz arbeiteten Mitarbeiter des Grenzzollamts, der Abteilung Zollermittlung und der Passkontrolleinheit eng zusammen. In Schkeuditz lag der Schwerpunkt der Kontrollen während der Messezeit noch stärker auf der Verhinderung von „ungesetzlichen Grenzübertritten“, als dies sonst schon der Fall war.266 Offensichtlich fürchteten die Sicherheitsbehörden, dass es aufgrund des unvermeidbaren Zusammentreffens zwischen Bürgern der DDR und westlicher Staaten vermehrt zu Versuchen kam, Fluchtwillige mit gefälschten Personaldokumenten auszustatten. Diese Fluchtmethode – vom MfS als „Methode Umwandlung“ bezeichnet – wurde besonders häufig an Flughafen- GÜSt registriert. Die Hauptabteilung VI der Staatssicherheit nahm daher Einfluss auf die personelle Besetzung des Grenzzollamts am Flughafen. So wurde zu Beginn der 1970er Jahre während der Messezeit der Stellvertreter Operativ des GZA Flughafen Schönefeld – das größte Flughafen - Grenzzollamt der DDR – als Dienststellenleiter des GZA auf dem Messeflughafen Schkeuditz eingesetzt.267 Dies mag damit zusammenhängen, dass ab der Leipziger Herbstmesse 1972 Direktflugverbindungen zwischen der Bundesrepublik und dem Messeflughafen eingerichtet wurden, was die Anforderungen an die Überprüfungshandlungen deutlich erhöhte.268 „Im Zusammenhang mit der ständigen Erweiterung des Messeflugverkehrs, insbesondere durch die Einbeziehung von Fluggesellschaften der BRD, ist nunmehr kapazitätsmäßig ein Zustand erreicht, der die Aufrechterhaltung eines einigermaßen vergleichbaren internationalen Niveaus bei gleichzeitiger Gewährleistung des Sicherheitsbedürfnisses der DDR nicht mehr ermöglicht.“269

265 Abteilung Zollermittlung vom 20. 3. 1975 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1975 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 169). 266 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 13. 9. 1974 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 145). 267 Vgl. HA VI des MfS vom 15. 4. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 (F)“ ( BStU, MfS, HA VI 13421, Bl. 14). 268 Vgl. HA VI des MfS vom 25. 9. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 (H)“ ( BStU, MfS, BV Leipzig Leitung 00861, Bl. 117, 132). 269 MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 5. 10. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 ( H )“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001487, Bl. 22).

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Fallbeispiele

Daraufhin kam es Mitte der 1970er Jahre zu einigen „baulichen Veränderungen“ und Erweiterungen des Abfertigungstraktes. Ab der Frühjahrsmesse 1976 war es möglich, verdeckte Kontrollen vorzunehmen, um eine „Abschöpfung politisch - operativ interessanter Materialien im Kontrollbereich der Einreise“270 zu ermöglichen. Konkret sollten durch Auswerter der Zollermittlung Inhaltskontrollen von Gepäckstücken durchgeführt und Fotokopien von Dokumenten angefertigt werden können, ohne dass die Reisenden davon Kenntnis hatten. „Der Einsatz von Röntgengeräten und moderner Kopier - und Fototechnik ist sicherzustellen.“271 Oft konnten während solcher „gedeckter“ Kontrollen Informationen erarbeitet werden, „die Auskunft über Rüstungsprojekte, Forschungsstätten, Versuchsanstalten und wissenschaftlich - technische Entwicklungen in kapitalistischen Ländern“272 gaben – streng vertrauliche Informationen also, beispielsweise über die Lieferung von Jagdflugzeugen aus Israel nach Österreich oder die Zustellung von Leopard - Panzern aus der Bundesrepublik nach Kanada.273 Eine weitere Möglichkeit, interessante Dokumente von Firmen aus dem westlichen Ausland zu analysieren, bestand bei den Postzollämtern. Zollermittler an den Postzollämtern Die Zollverwaltung richtete ihr Augenmerk bei den Messekontrollen im Postverkehr vor allem auf sogenannte „messespezifische Sendungen“,274 die von Unternehmen aus der Bundesrepublik, aus Westberlin und dem westlichen Ausland zum Versand gebracht wurden. Grundsätzlich waren alle Postzollämter der DDR zu Messezeiten angewiesen, solche Sendungen zur Auswertung an die „Arbeitsgruppe Postverkehr“ nach Leipzig weiterzuleiten,275 in der wiederum Auswerter der Zollermittlung tätig waren.276 Zur Herbstmesse 1971 traten beispielsweise 91 Absender in Erscheinung, die 10 579 solcher Sendungen zum Versand brachten. „Den Hauptteil der Sendungen bildeten Einladungsschreiben mit eingelegten Prospekten und Fachzeit270 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 16.9.1975: Abschlussbericht über die Ergebnisse der politisch - operativen Tätigkeit des Bereiches Fahndungswesen zur Leipziger Herbstmesse 1975 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 194). 271 Ebd. 272 Abschlussbericht über die Ergebnisse der politisch - operativen Tätigkeit des Bereiches Fahndungswesen zur Leipziger Herbstmesse 1975 vom 16. 9. 1975 ( BArch, DL 203, Az. 31–01–01, Ka. 389, Bl. 12). 273 Vgl. Zollver waltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 22. 9. 1976 : Kurzfassung des Berichtes über die Ergebnisse der politisch - fachlichen Arbeit der Abteilung Zollermittlung während der Leipziger Herbstmesse 1976 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 221). 274 Abteilung Zollermittlung vom 14. 9. 1972 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 232). 275 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 16. 9. 1976 : Bericht über die Ergebnisse der politischfachlichen Arbeit während der Leipziger Herbstmesse 1976 ( BStU, MfS, HA VI Nr. 14842, Bl. 235). 276 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 26.9.1972: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 218).

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schriften, die vor wiegend an volkseigene Betriebe und an wissenschaftliche Einrichtungen zum Versand kamen.“277 Die leitenden Angestellte der VEB und Forscher wurden in den Einladungen dazu ermuntert, westdeutsche Messestände zu besuchen.278 Auffallend ist die hohe Zahl von handwerklichen Produktionsgenossenschaften ( PGH ), die messespezifische Sendungen erhielten. Zur Herbstmesse 1973 lag deren prozentualer Anteil bei 48 Prozent aller Sendungen dieser Art.279 In der Regel wurden solche Sendungen nicht einbehalten, sondern registriert, analysiert und anschließend an den Empfänger weitergeleitet.280 Zollermittler in der zentralen Messemeldestelle Ab 1960 musste sich jeder westdeutsche und westberliner Messebesucher in Leipzig bei der Zentralen Meldestelle der Volkspolizei registrieren lassen, wenn er sich länger als 24 Stunden in Leipzig aufhielt.281 Bis 1976 waren ein, ab 1977 zwei Auswerter der Abteilung Zollermittlung in der Meldestelle präsent, um die Meldescheine auszuwerten und Informationen über avisierte Personen zu erarbeiten.282 Die Zahl der Vormeldungen ( analog zu den Vormeldungen der Grenzzollämter ) politisch - operativ interessanter Personen und Personengruppen war enorm. So wurden zur Leipziger Herbstmesse 1976 3 226 Personenangaben aus der zentralen Meldestelle über die Zollermittlung an das MfS weitergeleitet. „Von diesen Vormeldungen konnten 40 % sofort operativ genutzt werden, weitere 35 % zur Aufbereitung für künftige Messen.“283 Die zentrale Meldestelle war auch deshalb von großer Bedeutung, da sie der einzige Ort war, an dem überprüft werden konnte, wo die Messebesucher während ihres Aufenthalts in Leipzig ihr Quartier hatten. Jeder Besucher musste bei der Anmeldung eine Unterkunft angeben oder ihm wurde ein Quartier vermittelt. Bei der Überprüfung dieser Angaben durch den Zoll stellte sich jedoch heraus, dass hunderte Reisende falsche Angaben über den Quartiergeber machten, da sie ihren Unterbringungsort geheim halten wollten.284 Diese Personen standen ebenso im Focus der Ermittlungen wie Messegäste, die sich in Leipzig nicht polizeilich 277 Abteilung Zollermittlung vom 4. 9. 1972 : Zwischenbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS HA VI 14841, Bl. 269). 278 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 20. 3. 1973 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 11). 279 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11.9.1973: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 41). 280 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 2. 9. 1974 : Zwischenbericht Leipziger Herbstmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 125). 281 Vgl. MfS vom 13. 4. 1960 : Protokoll über die erweiterte Sitzung des Kollegiums am 12. 4. 1960 – Abschlussbericht Aktion „Rakete“ ( BStU, MfS, Sekr. d. Min. 1556, Bl. 72). 282 Abteilung Zollermittlung vom 16. 9. 1976 : Bericht über die Ergebnisse der politisch - fachlichen Arbeit während der Leipziger Herbstmesse 1976 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 238). 283 Ebd., Bl. 236. 284 Vgl. Krummel, Nutzung der Leipziger Messen. Fachabschlussarbeit an der Bezirksverwaltung Leipzig der Zollverwaltung der DDR 1970, S. 26 ( Archiv Plessow ).

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Fallbeispiele

gemeldet hatten. Bei ihrer Wiederausreise fertigten die Passkontrolleinheiten Dokumentationen der Reisepässe und Grenzübertrittsdokumente an und befragten die betreffenden Personen nach dem Grund ihrer Nichtmeldung. Zur Frühjahrsmesse 1974 wurden beispielsweise 349 „Nichtanmelder“ bei ihrer Wiederausreise an den GÜSt festgestellt.285 Zu diesem Zeitpunkt durften „Nichtanmelder“ erst nach Zustimmung der Messeeinsatzgruppe der HA VI ausreisen.286 Später wurde von dieser strikten Haltung abgesehen, wenn sich keine „politisch - operativen“ oder andere Erfordernisse ergaben.287 Zollermittler in den Befragergruppen In sogenannten Befragergruppen des Zolls bildeten zwischen fünf und acht Mitarbeiter288 der Zollfahndung und Zollermittlung das Personal. Darüber hinaus waren dort zeitweilig aber auch Mitarbeiter des MfS aus der Hauptver waltung Aufklärung und der Hauptabteilung XX ( federführend auf dem Gebiet der Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der „politisch - ideologischen Diversion“ und der „politischen Untergrundtätigkeit“) tätig.289 Die Befragergruppen bearbeiteten die an den Grenzübergangsstellen ausgesprochenen Verfügungsverbote.290 Sie hatten darüber hinaus die Aufgabe, „die Befragung von Messereisenden, bei denen Beanstandungen getroffen wurden, zur Herausarbeitung politisch - operativer Fakten in hoher Qualität durchzuführen und Entscheidungen des Messeeinsatzleiters zu den Beanstandungen vorzubereiten“.291 Die MfS- Mitarbeiter sollten „persönliche Einschätzungen für mögliche spätere Kontaktierungen“292 vornehmen, beteiligten sich teilweise aktiv an den Befragungen und waren sogar befugt, Befragungen „selbstständig durchzuführen“.293

285 Vgl. MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 22. 4. 1974 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1974“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001901, Bl. 12). 286 Vgl. BVfS Magdeburg, Abteilung VI, vom 11. 8. 1971 : Maßnahmeplan der Abteilung VI der Bezirksver waltung Magdeburg zur Lösung der Aufgaben zur Aktion „Treffpunkt 1971“ ( H ) auf der Grundlage des Befehls 23/71 des Genossen Minister und des Maßnahmeplanes des Leiters der HA VI vom 26. 7. 1971 ( BStU, MfS, HA VI 13421, Bl. 172). 287 Vgl. Anweisung VI /7/86 des Leiters der HA VI des MfS vom 1. 11. 1986 ( BStU, MfS, HA VI, 80, Bl. 33). 288 Die Befragergruppe war von Messe zu Messe unterschiedlich stark besetzt. Vgl. Zollver waltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 26. 9. 1972 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 222). 289 Ebd., Bl. 211. 290 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 16. 9. 1976 : Bericht über die Ergebnisse der politischfachlichen Arbeit während der Leipziger Herbstmesse 1976 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 236). 291 Konzeption zur Vorbereitung der Leipziger Frühjahrsmesse 1970 vom 9. 12. 1969 (BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386, Bl. 4). 292 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 26.9.1972: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 211). 293 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11.9.1973: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 49).

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Zollermittler in den Messedienststellen Ein Großteil der nach Leipzig kommandierten Zöllner kam in den Diensteinheiten der Messedienststellen zum Einsatz. Eine Dienststelle befand sich in der Leipziger Innenstadt, eine weitere direkt auf dem Messegelände. Die Messedienststelle Innenstadt war mit der Anmeldung von Ausstellern und Messegütern betraut. Hier war ab Mitte der 1970er Jahre ständig ein Auswerter der Abteilung Zollermittlung zugegen. „Dort bieten sich günstige operative Möglichkeiten im Rahmen der zollmäßigen Abfertigung ausländischer Bürger und bevollmächtigter DDR - Bürger zur Unterstützung des Abschöpfungs und Führungsprozesses.“294 Die Dienststelle sollte baulich so verändert werden, dass es möglich war, „mit einem Zollbeteiligten zu sprechen ( gegenwärtig [1974] halten sich durchschnittlich 3 und mehr Zollbeteiligte in der Anmeldung auf).“295 Auch in der Messedienststelle Messegelände befanden sich in jeder Diensteinheit drei Auswerter, von denen einer den ständigen Kontakt zum Zugführer gewährleistete, damit politisch - operativ interessante Informationen schnell an die Zentrale Auswertergruppe weitergeleitet werden konnten.296 Die Messedienststelle auf dem Messegelände nahm die Funktion wahr, Messegüter während ihrer Entladung vom Lkw, durch eine Inhaltskontrolle am Stand und durch die Bearbeitung von Freigabeanträgen zu sichern.297 Freigabeanträge wurden von Firmen gestellt, die mitgeführte Waren als Werbegeschenke unter den Standbesuchern verteilen wollten. Die Freigabe dieser „Repräsentations - und Verbrauchswaren“ war kein rein formaler Akt, sondern unterlag Auf lagen, was Menge und Wert anging. Viele Standleiter sahen in dem Vorgehen der Messedienststelle auf dem Messegelände eine „Beeinträchtigung der Messetätigkeit“, da oft nur ein Teil der Werbematerialien freigegeben wurde.298 Zollermittler auf der Buchmesse Die Leipziger Buchmesse, die bis 1972 zur Frühjahrs - und Herbstmesse, ab 1973 ausschließlich zur Frühjahrsmesse im Messehaus am Markt stattfand, bildete ebenfalls einen wichtigen Über wachungsschwerpunkt des Zolls während der Messe.299

294 Abteilung Zollermittlung vom 20. 3. 1974 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 94). 295 Abteilung Zollermittlung vom 13. 9. 1974 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 147). 296 Abteilung Zollermittlung vom 9. 9. 1970 : Bericht Leipziger Herbstmesse 1970 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 22). 297 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 13. 9. 1974 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 143). 298 Vgl. ebd., Bl. 128. 299 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11.9.1973: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 33).

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Fallbeispiele

Zusammen mit einer Gutachterkommission des Ministeriums für Kultur und Mitarbeitern des Buchaußenhandelsbetriebs Buch - Export und - Import zensierte die Zollver waltung alle Buchexponate, die sich „gegen die Interessen der DDR“ wandten.300 Die Verlage waren verpflichtet, Muster der zur Ausstellung beabsichtigten Bücher bis spätestens vier Wochen vor Beginn der Buchmesse an den Generaldirektor des „AHB Buch - Export und - Import“ zu schicken. Somit konnte „beim Eintreffen des Messegutes in Leipzig eine zielgerichtete Überprüfung [...] vorgenommen werden“.301 Grundsätzlich eingezogen wurden Titel, die sich in den Augen der Gutachter „politisch - ideologisch zersetzend“ auf DDR Besucher auswirkten.302 Konkret waren dies Bücher, die sich kritisch mit der UdSSR ( vor allem im Zusammenhang mit dem Ungarn - Aufstand und dem „Prager Frühling“) auseinandersetzten. Auch Bücher, die, in welcher Form auch immer, die „Alleinvertretungsanmaßung“ propagierten, d. h. die Bundesrepublik als Deutschland bezeichneten oder in graphischer Form Deutschland geeint zeigten, wurden beanstandet. Ebenfalls eingezogen wurden Bücher, die „militärisches Gedankengut“ verbreiteten. Ein großer Teil der Beschwerden entfiel darüber hinaus auf Bücher mit theologischem bzw. kirchlichem Inhalt. Zur Herbstmesse 1972 wurden daher insgesamt 184 Buchtitel (369 Bücher ) zur Ausstellung nicht freigegeben.303 Dennoch versuchten Verlage wie Helios, Suhrkamp, Bertelsmann oder S. Fischer die selben Titel zur kommenden Buchmesse erneut auszustellen, weshalb sie besonders das Misstrauen bei Zoll und MfS weckten.304 Vor allem an Ständen der Verlage aus der Bundesrepublik und Westberlin, die einen hohen Anteil beanstandeter Literatur aufwiesen, beobachtete die Zollermittlung, dass sich dort „ständig größere Gruppen Jugendlicher aufhalten“.305 Viele der dort ausgestellten Buchtitel wurden gestohlen306 – „begüns300 Dabei konzentrierten sich die Ermittlungen vor allem auf Verlage aus Westdeutschland, Westberlin und dem übrigen nichtsozialistischen Ausland. Zur Herbstmesse 1972 war die DDR beispielsweise mit 85 Verlagen, die Bundesrepublik mit 15, Westberlin mit vier und das übrige nichtsozialistische Ausland mit sechs Verlagen vertreten. Vgl. MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 5. 10. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 ( H )“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001487, Bl. 18). 301 1. Durchführungsanweisung zur Anweisung über die Ordnung der Grundsätze für die Ausstellung, Vorführung bzw. Ver wendung von Informationsmitteln zu den Leipziger Messen durch ausländische, westdeutsche oder Westberliner Aussteller vom 19. 2. 1970 ( BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 388a ). 302 MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 17. 4. 1973 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1973“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001686, Bl. 8). 303 Abteilung Zollermittlung vom 14. 9. 1972 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 234). 304 Vgl. MfS, Einsatzstab Aktion „Treffpunkt 1975“, vom 25. 3. 1975 : Abschlussbericht Aktion „Treffpunkt 1975“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001992, Bl. 8). 305 Abteilung Zollermittlung vom 4. 9. 1972 : Zwischenbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 268). 306 So führte beispielsweise der Suhrkamp - Verlag zur Herbstmesse 1970 405 Bücher ein, von denen 317 am Ende der Messe nicht mehr auffindbar waren. Ähnliche Relationen zwischen eingeführten und vermissten Büchern gab es auch bei anderen Verlagen. Vgl. Krummel, Nutzung der Leipziger Messen, S. 15 ( Archiv Plessow ).

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tigt durch die Arbeitsweise des Standpersonals“,307 wie Auswerter der Zollermittlung feststellten. Nur sehr wenige Aussteller erstatteten Anzeige, was die Zollver waltung und das MfS zu dem Schluss führte, dass viele Verlage Diebstähle bewusst in Kauf nahmen, um der „politisch - ideologischen Diversion“ Vorschub zu leisten.308 Eine flächendeckende Über wachung der Buchmesse war aufgrund der „Dekonspirationsgefahr“ weder durch das MfS, noch durch die Zollver waltung möglich. Mitarbeiter der Zollver waltung konnten beispielsweise zur Leipziger Herbstmesse 1972 lediglich vier „Täter“ stellen.309 Auch Mitarbeiter der Staatssicherheit und der Volkspolizei blieben weitgehend glücklos, wenn es um die Aufdeckung von Bücherklau ging. Zwar erhöhte sich die Zahl der gefassten Bücherdiebe auf über 100 während der Buchmesse im Jahr 1981, gemessen an den tatsächlich entwendeten Büchern konnten die „Sicherheitsorgane“ jedoch kaum etwas gegen solche Diebstahlshandlungen tun.310 Neben Büchern begutachtete die Kommission auch sämtliche Bild - und Tonträger, die von Verlagen und Betrieben auf der Messe vorgeführt werden sollten. Die Aussteller mussten im Vorfeld die Einfuhr dieser „Informationsmittel“ bei der Zollver waltung beantragen. Zusammen mit der Gutachterkommission wurde über den Antrag entschieden. Prospekte und Bestellzettel für Buchbestellungen wurden in der Regel von der Zollver waltung alleine und direkt vor Ort begutachtet.311 Hier gab es zahlreiche Beanstandungen, insbesondere weil einige der Bestellzettel aus Sicht der Zollver waltung und der Staatssicherheit geeignet waren, Adressen von Angehörigen der DDR - Betriebe zu sammeln.312 Bei den Prospekten wurde oft die „Alleinvertretungsanmaßung“ oder die „Einbeziehung Westberlins in das Gebiet der BRD“ zum Anlass genommen, Einziehungen vorzunehmen. So wurden zum Beispiel zur Frühjahrsmesse 1973 aus diesen Gründen 18 461 Prospekte nicht freigegeben.313

307 Abteilung Zollermittlung vom 4. 9. 1972 : Zwischenbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 268). 308 Die Verlage hatten vermutlich auch deshalb kein gesteigertes Interesse, ihren Buchbestand genau im Auge zu behalten, da sie am Ende der Buchmesse sämtliche Exemplare nicht wieder ausführen, sondern an den „AHB Buch - Export und -Import“ überführen mussten. 309 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 26. 9.1972: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 215). 310 Vgl. Zeckert, Leipziger Buchmesse, S. 239–241. 311 Vgl. 2. Durchführungsanweisung zur Anweisung über die Ordnung der Grundsätze für die Ausstellung, Vorführung bzw. Ver wendung von Informationsmitteln zu den Leipziger Messen durch ausländische, westdeutsche oder Westberliner Aussteller vom 19. 2. 1970 ( BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 388a ). 312 Vgl. Zollver waltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11. 9. 1973 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 43). 313 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 20. 3. 1973 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 15).

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Fallbeispiele

Weitere Abteilungen der Zollver waltung, die zur Absicherung der Leipziger Messe beigetragen haben Wie eben gezeigt, stand fast die gesamte Tätigkeit des Zolls während der Leipziger Messe unter der unmittelbaren Führung und Kontrolle der Abteilung Zollermittlung und damit des MfS. Eine vollständige Beschreibung der Aufgaben des Zolls während der Leipziger Messe muss aber auch die Abteilung Zollfahndung berücksichtigen. Auch sie stellte Auswerter bereit. Auf eine gesonderte Betrachtung dieser Gruppe von Zollfahndern kann jedoch verzichtet werden, da sie sich in ihren Aufgaben nicht von der Zollermittlung unterschieden und während der Messe operativ auch der Abteilung Zollermittlung unterstellt waren.314 Ähnlich verhält es sich bei Zöllnern, die der „operativen Gruppe“ angehörten – einer Sondereinheit, die während der Leipziger Messe aus Mitarbeitern der Zollfahndung gebildet wurde und ebenfalls zu den Auswertern zählte. Der Leiter der Zollver waltung definierte die Aufgaben dieser Gruppe folgendermaßen : „Die Mitarbeiter der operativen Gruppe des Zollfahndungsdienstes werden an den Messedienststellen zur Vervollständigung von Informationen, Erhöhung des Abschöpfungsgrades politisch - operativer Informationen, gedeckten Kontrolle über die Durchsetzung von Verfügungen der Zollverwaltung, insbesondere bei der Freigabe von Prospektmaterialien, Ermittlung von Informationsständen, illegalen Standhilfen sowie Kontaktaufnahmen zu DDR - Bürgern eingesetzt. Sie verrichten ihren Dienst in Zivil und gehören zum Bestand der Auswertergruppe der Messedienststelle. Für den Einsatz sind qualifizierte Angehörige, die über ausreichende praktische und theoretische Erfahrungen in der kriminalistischen Arbeit verfügen, auszuwählen.“315

Weitgehend unabhängig von der Abteilung Zollermittlung bearbeitete die Abteilung Zollfahndung vor allem Sachverhalte aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität. Sie kümmerte sich also auch um Angelegenheiten, bei denen klare Verstöße gegen das Zollgesetz erkennbar waren. Beispiele hierfür waren Vertretertätigkeiten von Einzelpersonen und Betrieben der DDR für Firmen aus der Bundesrepublik, DDR - Betriebe, die während der Messe „unter Umgehung des Außenhandelsmonopols“ Waren direkt bei westdeutschen Firmen bestellten oder groß angelegter Briefmarken - und Devisenschmuggel. Ebenfalls registriert und aufgedeckt wurden Fälle von Geldtauschgeschäften316 sowie der 314 Abteilung Zollermittlung vom 4. 9. 1972 : Zwischenbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, 257). 315 Schreiben des Leiters der Zollver waltung der DDR zur weiteren Durchsetzung des Befehls 2/70 zur Vorbereitung und Durchführung der Leipziger Messe vom 30. 11. 1970 ( BArch, DL 203, Az. 31–01–01, Ka. 386). 316 So führte beispielsweise ein Bürger der Bundesrepublik zur Frühjahrsmesse 1977 sogenannte „Farbbausteine“ ( um Farbfernsehen zu ermöglichen ), Kassettenrekorder, Taschenrechner und dergleichen ein. Den erzielten Verkaufserlös von ca. 30 000 Mark führte er wieder in die Bundesrepublik aus. Vgl. Zollver waltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 30. 3. 1977 : Bericht über die Ergebnisse der polisch - fachlichen Arbeit des Bereiches während der Leipziger Frühjahrsmesse 1977 (BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 253).

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Die Aktion „Treffpunkt“

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Schmuggel von Gold, Silber317 und Antiquitäten318 während der Leipziger Messe. Von unmittelbarem operativen Wert für das MfS waren Ermittlungen des Zollfahndungsdienstes im Zusammenhang mit sogenannten „Intershop - Hinterlegkonten“, auf denen Bürger der Bundesrepublik Geld für DDR - Bürger eingezahlt hatten. Bei dem Einzahlungsvorgang wurden allerdings die Personalien des Einzahlenden nicht erfasst, sondern nur die des Empfängers, was die Fahndungstätigkeit erschwerte.319 Brisant waren die Einzahlungen vor allem, weil es sich bei den Beschenkten zu einem beachtlichen Teil um Empfänger von „Organisationssendungen“ handelte. Teilweise traten auch Empfänger mit leitenden Funktionen in volkseigenen Betrieben in Erscheinung. Der Umfang der Einzahlungen war beträchtlich. Alleine während der Frühjahrsmesse 1973 wurden über 100 000 D - Mark für Bürger der DDR eingezahlt. Die Fahnder sahen einen Zusammenhang zwischen den Organisationssendungen und den Hinterlegkonten, da „ab 1970 mit der Schaffung der Interhotel - Konten, [ Intershop - Hinterlegkonten ] der organisierte Paketversand eingeschränkt“ wurde, „die Anzahl der Einzahlungen jedoch ständig anstieg“.320 Bei einer im Dezember 1969 vorgenommenen Überprüfung der ca. 200 Hinterlegkonten durch die Zollfahndung stellte sich heraus, dass 175 Personen in den Karteien der Zollverwaltung erfasst und davon 51 Personen Empfänger von insgesamt 417 „Organisationssendungen“ waren. „Dies lässt vermuten, dass Zusammenhänge bestehen in der Nutzung dieser Einrichtungen von den westdeutschen Organisationen.“321 Ebenfalls der Abteilung Zollfahndung unterstellt und während der Leipziger Messe sehr aktiv waren die Mitarbeiter der Abteilung Transitüber wachung. „In enger Koordinierung und Abstimmung mit den Linien VIII, XIX, VII sowie den Sachgebieten VI der Kreisdienststellen ist durch die Leiter der Abteilungen VI in ihren Verantwortungsbereichen eine verstärkte Absicherung der Transit - und Zufahrtsstrecken auf Straße und Schiene nach Leipzig zu organisieren.“322 Die Transitüber wachung des Zolls wurde zunehmend in die Kontrollen einbezogen und traf zum Beispiel für die Frühjahrsmesse 1977 246 Feststellungen, 317 Ein Einreisender wollte Gold - und Silbermünzen im Wert von 38 000 Mark in die DDR einschmuggeln. Er wurde am Grenzzollamt erfasst, zur Befragung in Leipzig angewiesen und „in der Folge dem Sicherheitsorgan übergeben.“ Vgl. Zollver waltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11. 9. 1973 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 53). 318 DDR - Bürger sollen kunsthistorische Gegenstände von älteren Bürgern aufgekauft haben und diese durch westdeutsche Bürger „unter Ausnutzung des Messereiseverkehrs“ versteckt aus der DDR ausgeführt haben. Wie ein Beispiel zeigt, wurden von Einzelpersonen Kunstgegenstände im Wert von ca. zwei Millionen Mark ausgeführt. Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 2. 9. 1974 : Zwischenbericht Leipziger Herbstmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI Nr. 14842, Bl. 129, 252). 319 Vgl. Krummel, Nutzung der Leipziger Messen, S. 28 ( Archiv Plessow ). 320 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11.9.1973: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 54). 321 Vgl. Krummel, Nutzung der Leipziger Messen, S. 27 ( Archiv Plessow ). 322 HA VI des MfS vom 1. 8. 1971 : Maßnahmeplan zur Durchfürhung der Aktion „Treffpunkt 1971 ( H )“ ( BStU, MfS, HA VI 13421, Bl. 114).

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Fallbeispiele

die an die Messeeinsatzleitung der Abteilung VI des MfS weitergeleitet wurden.323 Das MfS beobachtete mit Sorge, dass die Transitstrecken unter den gelockerten Kontrollauf lagen für den Messereiseverkehr verstärkt zur „feindlichen Kontaktpolitik und - tätigkeit“ ausgenutzt wurden. Die Effektivität der eigenständigen Kontrollen durch die Transitüber wachung während der Messe wurde indes von der Staatssicherheit in Frage gestellt : „Die im Rahmen der Kontroll und Über wachungstätigkeit der Abteilung Transitüber wachung erarbeiteten Feststellungen trugen insgesamt zur Sicherung des Messereiseverkehrs bei, lassen jedoch im konkreten Einzelfall eine eindeutige Zuordnung bzw. einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Leipziger Frühjahrsmesse gegenwärtig nicht erkennen.“324 Zur Herbstmesse 1977 erarbeiteten die Zöllner der Transitüber wachung lediglich in sechs Fällen selbstständig Feststellungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Messereisenden standen.325 Etwas anders verhielt es sich bei gezielten „Beobachtungsersuchen“, die verschiedene Linien des MfS vor allem an die HA VIII stellten. So wurden etwa während der Leipziger Herbstmesse 1973 in 55 Fällen Beobachtungen von Messereisenden auf den Transitstrecken angeordnet und durchgeführt.326 Bei so mancher Verfolgung hatten die Kontrollkräfte jedoch das Nachsehen. Zumindest was die Motorisierung von Fahrzeugen anbelangte, mussten sich die Kontrolleure eingestehen, dass die Bürger aus dem „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ dem eigenen System überlegen waren. Deren Autos waren in manchen Fällen schlicht zu schnell. In einem Bericht zum Messeabschluss der Leipziger Frühjahrsmesse 1967 der Hauptabteilung VII des MfS heißt es beispielsweise : „Bei den letzten Aktionen trat wiederholt in Erscheinung, dass Beobachtungen der Abt. VIII erheblich erschwert und teilweise abgebrochen werden mussten, da die vorhandenen PKW durch die Motorleistung in der Geschwindigkeit begrenzt waren. Es gab Fälle, wo zu beobachtende Personen über Fahrzeuge verfügten, mit denen sie 150 bis 160 hkm [ sic !] erreichten.“327 Der Zoll kooperierte während der Messe nicht nur mit den anderen „Sicherheitsorganen“, sondern auch mit dem Ministerium für Außenwirtschaft. Zur Koordinierung von „politisch - operativ“ bedeutsamen Aufgaben zwischen der Zollver waltung und dem Ministerium für Außenhandel wurde der Arbeitsbe323 Vgl. Zollver waltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 30. 3. 1977 : Bericht über die Ergebnisse der politisch - fachlichen Arbeit des Bereiches während der Leipziger Frühjahrsmesse 1977 ( BStU, MfS, HA VI Nr. 14842, Bl. 245). 324 Ebd., Bl. 246. 325 Vgl. Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 26. 9. 1977 : Bericht über die Ergebnisse der politisch - fachlichen Arbeit des Bereiches Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen bei der Absicherung der Leipziger Herbstmesse 1977 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 256). 326 Vgl. MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 12. 10. 1973 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1973 ( H )“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001837, Bl. 13). 327 BVfS Leipzig vom 11. 4. 1967 : Vorlage für eine Beratung mit dem 1. Stellvertreter des Genossen Minister Genossen Generalleutnant Beater zu Fragen der Auswertung der Aktion „Offensive“ ( BStU, MfS, BV Leipzig, Leitung 00985/06, Bl. 49).

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Die Aktion „Treffpunkt“

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reich Zollfragen beim Staatssekretär im Ministerium für Außenhandel, geleitet von Alexander Schalck - Golodkowski, geschaffen. Die Mitarbeiter dieses Arbeitsbereiches waren nicht nur Zöllner, sondern durchweg auch OibE der HA VI – ein Umstand, der in der Führungsebene der Zollver waltung mehr die Regel denn die Ausnahme war, wie das kommende Kapitel zeigen wird.328 Schalck Golodkowski sicherte die Koordinierung spezieller Maßnahmen bei der Abwicklung besonderer Außenhandelsoperationen – auch während der Leipziger Messe. Er und sein enger Mitarbeiter Harry Ott gaben der Zollver waltung während der Messe Anweisungen, damit „durch operative Maßnahmen nicht die handelspolitischen Vorhaben gestört wurden“,329 die das Außenhandelsimperium mit verschiedensten westlichen Unternehmen plante. Bestimmte Aussteller wurden aufgrund solcher Vorgaben von den Kontrollen des Zolls an den GÜSt und in Leipzig befreit. Bedeutender als die direkte Unterstützung eines Ministeriums ist allerdings der Beitrag zu werten, den der Zoll während der Leipziger Messe für das „Schild und Schwert der Partei“ leistete.

2.5

Resümee

„Der Schwerpunkt unserer Tätigkeit lag auf der Erkennung und Unterstützung in der Bekämpfung der Feindtätigkeit sowie der Erarbeitung politisch - operativer Informationen zu Messeausstellern und - besuchern aus Westdeutschland, dem anderen kapitalistischen Ausland und Westberlin“.330 So formulierte es ein Mitarbeiter der Abteilung Zollermittlung in einem Bericht zur Leipziger Herbstmesse 1970. Beinahe jede Tätigkeit der über 300 Zöllner,331 die in den 1970er Jahren während der Messe im Einsatz waren und von den Zollermittlern gesteuert wurden, diente der Unterstützung verschiedenster Linien der Staatssicherheit. Abschließend werden einige Sachverhalte konkretisiert, die für die „politisch - operative Arbeit“ des MfS während der Leipziger Messe von großer Bedeutung waren und ohne Mithilfe des Zolls nicht hätten realisiert werden können : 328 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 24). 329 Zollver waltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 26. 9. 1972 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 216). 330 Abteilung Zollermittlung vom 9. 9. 1970 : Bericht Leipziger Herbstmesse 1970 ( BStU, MfS HA VI 14841, Bl. 4). 331 Die Zahl der eingesetzten Zöllner stieg seit den 50er Jahren permanent an. Waren zur Herbstmesse 1958 noch 79 Kontrollkräfte eingesetzt, so waren es 1962 bereits 140 und 1971 303. Vgl. Abschlussbericht über die Kontrolltätigkeit des AZKW zur Leipziger Herbstmesse 1958 vom 11. 11. 1958 ( BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386a ); Abschlussbericht über die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Leipziger Frühjahrsmesse 1962 vom 10. 10. 1962 ( BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386a ); Messeabschlussbericht des Leiters der BV Leipzig der Zollver waltung vom 24. 3. 1971 (BArch, DL 203, Az 31–01–01, Ka. 386).

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Fallbeispiele

Ab Anfang der 1970er Jahre kooperierte der Zoll unter Führung der Abteilung Zollermittlung mit der Hauptabteilung Ver waltung und Wirtschaft ( HA V+W ) des MfS, die bis 1974 bestand und danach in die Ver waltung Rückwärtige Dienste überging. Sie war für die Gewährleistung der „materiell - technischen Basis“ der Staatssicherheit zuständig. Die HA V+W nutzte die Messe, um für die Staatssicherheit Kraftfahrzeuge und andere Güter einzukaufen. Die Zollermittlung half ihr dabei, diese Einkäufe „unbürokratisch und abgedeckt von den Ausstellern“332 durchzuführen. „Operative Warenübernahmen“ erfolgten, indem die entsprechenden Güter auf den Registrierlisten der Messedienststände schlicht „freigemacht“ und gestrichen wurden. Offiziell wurden die übernommenen Waren also gar nicht eingeführt.333 Zudem gewährleistete die Zollermittlung, dass die HA V+W Prospekte der Aussteller übermittelt bekam, um für künftige Einkäufe planen zu können. Insbesondere handelte es sich dabei um technische Gegenstände und Waren aus den Bereichen Elektronik und Pharmazie.334 Der Zoll bewährte sich bei dieser Aufgabenstellung, wie eine Aktennotiz der Staatssicherheit zum Abschluss einer Messe belegt : „Der Bedarf der HA V u W an Prospektmaterialien von Unternehmen des nichtsozialistischen Wirtschaftsgebietes wurde voll gedeckt [...]. Gleichlaufend wurden über den gesamten Messeverlauf in ständiger Abstimmung mit der HA V u W notwendige Freigaben von zur Einfuhr bestimmten Gütern und die damit verbundenen zolltechnischen und Verfahrensfragen mit den Messedienststellen geklärt.“335 Ohne Zweifel bestand das engste Verhältnis zwischen der Zollver waltung und dem MfS im allgemeinen wie auch im speziellen Fall der Leipziger Messe mit der Hauptabteilung VI. Die Messeeinsatzgruppe HA VI des MfS arbeitete während der Messe als Abteilung operativ auf selbstständiger Basis. Darüber hinaus fungierte sie jedoch auch als „Dienstleistungseinheit“, die über den Koordinierungsstab des MfS Aufträge anderer Linien zur Bearbeitung entgegennahm.336 In beiden Eigenschaften stellte sie Informationsgesuche und Aufträge an die Abteilung Zollermittlung, die wiederum den Rückfluss der vom Zoll erarbeiteten Informationen an die Staatssicherheit organisierte. Auch hierbei wurde „eine schnelle Übergabe aller Informationen aus der zolldienstlichen Tätigkeit“337 gewährleistet.

332 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 26.9.1972: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 211). 333 Ebd., Bl. 216. 334 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 21. 3. 1974 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1974 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 111). 335 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11.9.1973: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 52). 336 Vgl. HA VI des MfS vom 1. 8. 1971 : Maßnahmeplan zur Durchführung der Aktion „Treffpunkt 1971 ( H )“ ( BStU, MfS, HA VI 13421, Bl. 104). 337 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 11.9.1973: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1973 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 49).

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Die Aktion „Treffpunkt“

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Mit Hilfe der Karteimittel der Zollver waltung, insbesondere der Zentralkartei,338 überprüften die Zoll - und MfS - Kräfte Standhilfen und Aufbaupersonal, um „Ausgangsmaterialien für eine zielgerichtete operative Tätigkeit zu erhalten“.339 Wer ohne Genehmigung bei „ausländischen und Westberliner Firmen“ arbeitete, weckte den Verdacht „zielgerichtet Kontakte zu Bürgern der BRD, Westberlins und anderer kapitalistischer Staaten“340 zu suchen. Auch Aussteller, die den direkten persönlichen Kontakt zu Vertretern von DDR - Betrieben außerhalb des Messegeschehens suchten, erweckten beim Zoll Misstrauen. Die Zollermittlung war überzeugt, „dass vornehmlich bestehende persönliche Verbindungen zu leitenden Mitarbeitern von Außenhandelsbetrieben bzw. zu anderen volkswirtschaftlich wichtigen Betrieben genutzt werden, um Einfluss auf deren Lieferbestellungen zum Nutzen der Unternehmen zu gewinnen bzw. günstiger verfolgte Geschäftspraktiken vorzubereiten und aufzubauen“.341 Neben der Unterbindung von Wirtschaftskriminalität war die Verhinderung eines unkontrollierten Zusammentreffens zwischen Bürgern beider deutscher Staaten ein weiteres erklärtes Hauptziel des MfS während der Leipziger Messe. Der Zoll leistete auch hierbei einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung dieses Ziels, indem Zollermittler und Zollfahnder sich an der Bespitzelung von Personen unmittelbar beteiligten. Oft wurden Empfänger sogenannter „Organisationssendungen“ heimlich bei Treffen mit Bundesbürgern beschattet.342 Auch westdeutsche Besucher, insbesondere Mitglieder karitativer Einrichtungen und Menschenrechtsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz oder Amnesty International, westdeutsche Studenten343 und kirchliche Kreise344 standen unter Beobachtung. Dies hatte vor allem zwei Gründe : Zum einen verteilten diese Personengruppen oftmals Flugblätter, Hefte, Bücher und andere Schriften, zum anderen wollten sie aber auch direkte persönliche Kontakte herstellen und pflegen. In mehreren kirchlichen Einrichtungen fanden daher während der Messe

338 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 26. 9.1972: Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 215 f.). 339 Abteilung Zollermittlung vom 14. 9. 1972 : Abschlussbericht Leipziger Herbstmesse 1972 ( BStU, MfS, HA VI 14841, Bl. 247). 340 Zollverwaltung der DDR, Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen, vom 16.9.1975: Abschlussbericht über die Ergebnisse der politisch - operativen Tätigkeit des Bereiches Fahndungswesen zur Leipziger Herbstmesse 1975 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 198). 341 Ebd., Bl. 202. 342 Krummel, Nutzung der Leipziger Messen, S. 7 ( Archiv Plessow ). 343 Zur Leipziger Frühjahrsmesse 1974 zum Beispiel waren es 536 Studenten aus der Bundesrepublik und Westberlin. Vgl. MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 22. 4. 1974 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1974“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001901, Bl. 4). 344 Besonders häufig werden Anhänger der „Katholischen Studentengemeinde“ ( KSG ) genannt. So kam es zu täglichen Treffen zwischen Mitgliedern der KSG Leipzig und ihren westdeutschen Partnergemeinden ( KSG Heidelberg, Essen, Freiburg ). Vgl. ebd., Bl. 6. Mehrere Leipziger KSG - Mitglieder haben nachweislich als IM für das MfS gearbeitet. Vgl. MfS, Einsatzstab Aktion „Treffpunkt 1975“, vom 25. 3. 1975 : Abschlussbericht Aktion „Treffpunkt 1975“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001992, Bl. 12).

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Fallbeispiele

täglich Zusammenkünfte zwischen Christen aus Ost und West statt.345 Solche Veranstaltungen unterlagen in aller Regel durchgängig der inoffiziellen Über wachung. Die Tatsache, dass das MfS dabei „politische Provokationen“ nicht feststellen konnte, legte auch bei MfS - Mitarbeitern die Vermutung nahe, dass die Veranstalter die Präsenz der Staatssicherheit erahnten :346 „Die eigentlichen politisch - klerikalen Gesprächen [ sic !] werden vertraulich, individuell oder in kleinem Kreis geführt.“347 Den in der DDR verbotenen „Zeugen Jehovas“ attestierte die Abteilung Zollermittlung eine besonders „rege Kontakttätigkeit, indem sie Treffen mit verschiedenen Personen hatten, u. a. in Wohnungen“.348 Die über wiegende Mehrheit der religiösen Messebesucher bezogen „Stammquartiere“, also Privatwohnungen, Pfarrämter und andere kirchliche Objekte.349 Dies erschwerte die Über wachung dieser Personen zusätzlich. Kirchliche Kontakte kamen vor allem in der Zeit der Leipziger Buchmessen zustande. Wegen des Wegfalls der Buchmesse während der Herbstmessen ab 1973 reisten kirchliche Kreise verstärkt zu den Frühjahrsmessen ein. Zu den Herbstmessen verlagerte sich ihre „Kontakttätigkeit“ in Privatwohnungen.350 Was ihre ideologische Überzeugung angeht, waren die Mitarbeiter der Zollver waltung nicht weniger verlässlich als die Spitzel der Staatssicherheit. Viele Quellen belegen, dass jede Form der Begegnung zwischen Menschen aus Ost und West, im Allgemeinen wie auch während der Leipziger Messe, grundsätzlich als gefährlich eingestuft wurde. Das betraf auch Kontakte, die sich fernab jeglicher „subversiver“ Motivation auf zwischenmenschlicher Ebene ergaben. Bestehende oder beabsichtigte Verlobungen zwischen Personen aus beiden Teilen Deutschlands, die während der Leipziger Messe entstanden waren, bezeichnete der Zoll stets als „Beeinflussung“ oder „Anregung zum Verlassen der DDR“351 – wohl wissend, dass sich daraus Antragsstellungen auf Übersiedlungen in die Bundesrepublik ergeben würden.

345 Explizit genannt werden die Häuser der katholischen Kirche „Bischof - Petrus - Haus“ und „Karl - Heine - Straße 110“. Vgl. MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 5. 10. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 ( H )“ ( BStU, MfS, Bdl / Dok 001487, Bl. 16). 346 Vgl. MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 22. 4. 1974 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1974“ ( BStU, MfS BdL / Dok 001901, Bl. 8). 347 MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 5. 10. 1972 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1972 ( H )“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001487, Bl. 20). 348 Abteilung Zollermittlung vom 20. 3. 1975 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1975 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 166). 349 Vgl. MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 17. 4. 1973 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1973“ ( BStU, MfS, BdL / Dok 001686, Bl. 9). 350 Vgl. MfS, Koordinierungsstab Leipziger Messen, vom 12. 10. 1973 : Abschlussbericht zur Aktion „Treffpunkt 1973 ( H )“ ( BStU, MfS, BdL / Dok Nr. 001837, Bl. 10). 351 Vgl. Abteilung Zollermittlung vom 20. 3. 1975 : Abschlussbericht Leipziger Frühjahrsmesse 1975 ( BStU, MfS, HA VI 14842, Bl. 167).

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VI. Kontrollierte Kontrolleure Die vorangegangenen Ausführungen haben verdeutlicht, wie umfangreich die Zollver waltung der DDR in die „politisch - operative Arbeit“ des Ministeriums für Staatssicherheit involviert war. Wie sich herausstellte, waren viele Aufgabenbereiche des Zolls unmittelbar in die Tätigkeit des MfS eingebunden. Abteilungen wie die Postzollfahndung oder die Zollermittlung unterstanden personell und funktional sogar ausschließlich der Staatssicherheit. Warum dies so war, wurde bereits erläutert : Der Zoll war dem MfS ein wichtiger Helfer bei der Lösung zahlreicher „politisch - operativer“ Aufgaben. Offen blieb bisher die Frage nach dem Wie : Wie war ein Funktionieren des Zolls im Sinne des MfS überhaupt möglich ? Und weiter : Welche Faktoren waren es, die die Zöllner über Jahrzehnte hinweg zu Erfüllungsgehilfen des Staatssicherheitsdienstes gemacht haben ? Und welche Entwicklung nahm das Verhältnis zwischen Zoll und MfS, als mit dem Beginn der Friedlichen Revolution in der DDR den Repräsentanten der Staatsmacht die ideologische Grundlage und Legitimation entzogen wurde ? Im Folgenden soll diesen Fragen nachgegangen werden. Einen ersten Hinweis darauf, was die Zöllner so eng mit der Staatssicherheit kooperieren ließ, liefert eine Quelle aus dem Jahr 1983, in welcher der Leiter des Instituts der Zollver waltung, Dieter Rutsch, zitiert wird : „Die Zollver waltung verfügt heute über einen der Partei treu ergebenen, politisch - ideologisch und moralisch gestählten, fachlich qualifizierten und im Klassenkampf erprobten Kader - sowie Personalbestand und einen reichen Erfahrungsschatz zur Gewährleistung der inneren Sicherheit des Organs, die in engem Zusammenwirken mit den Genossen des MfS erfolgt.“1 Das Ministerium für Staatssicherheit hatte nicht nur in allen Fragen der zollpraktischen Tätigkeit das letzte Wort, sondern auch bei sämtlichen Aspekten der „Anleitung und Kontrolle“. So besetzte das MfS alle entscheidenden Bereiche der Zollver waltung mit Offizieren im besonderen Einsatz sowie inoffiziellen Mitarbeitern. Diese Mitarbeiter in Schlüsselpositionen handelten ausschließlich im Sinne ihres geheimen Auftraggebers. Entsprechend befehligten sie das ihnen unterstellte Personal. Auch bei der Auswahl sowie der Aus - und Weiterbildung von Zollmitarbeitern hatte die Staatssicherheit entsprechenden Einfluss. Der Befehl 4/70 des Ministers für Staatssicherheit vom 15. Januar 1970 regelte alle grundlegenden Bestimmungen zur Kontrolle der Zollver waltung durch die Staatssicherheit. Demnach waren die Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI sowie die Referate Zoll - Abwehr in den Bezirksverwaltungen für Staatssicherheit für die „politisch - operative Sicherung“, einschließlich der Führung der IM / GMS - Systeme in der Zollver waltung, zuständig. „Über die bestehenden Syste1

Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 8).

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Kontrollierte Kontrolleure

me wird neben der Abwehrarbeit zugleich ein Beitrag geleistet, den Apparat der Zollver waltung personell schlagkräftig zu gestalten, ständigen Einfluss zu nehmen auf die Entwicklung der inneren Ordnung und Sicherheit, der Disziplin und des Schutzes von Staats - und Dienstgeheimnissen sowie der Sicherung und Auswahl, des Einsatzes und der Förderung der Kader unter Beachtung aller Faktoren, einschließlich perspektivischer tschekistischer Aufgabenlösungen.“2 Die „innere Sicherheit“ in der Zollver waltung konnte jedoch durch Maßnahmen wie die Besetzung von Schlüsselpositionen, die Einflussnahme auf die Auswahl von Zollmitarbeitern und deren Aus - und Weiterbildung alleine nicht gewährleistet werden. Dafür bedurfte es zudem der unmittelbaren Kontrolle und Überwachung der Kontrolleure. So schreibt der Leiter des Instituts der Zollver waltung und inoffizieller Mitarbeiter, Prof. Dr. Dieter Rutsch, in einer Forschungsarbeit : „Sicherheit zu gewährleisten, verlangt Maßnahmen, die eine Einheit von Überzeugung und Zwang darstellen und kann sich niemals allein auf ideologische Einsicht stützen, weil der gesellschaftliche Radius der zu verhütenden Gefahren und Schäden größer ist, als er vom einzelnen immer erkennbar ist bzw. sein kann.“3 Neben der ideologischen Indoktrinierung und der Sanktionierung jeglichen Fehlverhaltens war die Schaffung materieller Anreize ein dritter Faktor, der für die „innere Sicherheit“ im Mitarbeiterbestand der Zollver waltung entscheidend war. Dennoch wird sich zeigen, dass alle jene Maßnahmen uner wünschtes Verhalten einzelner Zöllner nicht verhindern konnten. Als die DDR in ihre endgültige Systemkrise steuerte, schwankte das Verhältnis der Zollver waltung zur Staatssicherheit zwischen Stagnation und Emanzipation. Während vor allem die Führungskader des Zolls bis zuletzt der SED und ihrem „Schild und Schwert“ treu ergeben waren, rumorte es im Mitarbeiterbestand beträchtlich. Dieses bewegte Ende der Zollver waltung soll zum Schluss des Kapitels Beachtung finden.

1.

Besetzung von Schlüsselpositionen durch das MfS

Das Prinzip der Einzelleitung Ähnlich wie die anderen „bewaffneten Organe“ war auch die Zollver waltung der DDR nach militärischen Prinzipien gegliedert und streng hierarchisch organisiert. So galt im DDR - Zoll wie im MfS das „Prinzip der Einzelleitung“, das von der Staatssicherheit selbst folgendermaßen definiert wurde : „Nach dem Prinzip der E. [ Einzelleitung ] trägt der Leiter in seinem Verantwortungsbereich die ungeteilte Verantwortung, dass alle politisch - operativen Aufgaben erfüllt, die unterstellten Leiter und Mitarbeiter zur Erfüllung dieser Aufgaben erzogen und befähigt 2 3

Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. (BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 21). Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 33 f.).

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werden und sich zu tschekistischen Persönlichkeiten entwickeln. Diese Verantwortung des Leiters schließt seine Weisungs - und Kontrollbefugnis ein. Die E. ist die spezifische Form der Verwirklichung des demokratischen Zentralismus im MfS und verkörpert die Einheit von politischer, politisch - operativer, politisch - ideologischer, ökonomischer und administrativer Leitung. Sie fordert und fördert die militärische Disziplin und eine straffe Ordnung und gibt Raum für das bewusste und schöpferische Mitwirken aller Angehörigen des MfS bei der Erfüllung der gestellten Aufgaben. In Verwirklichung der E. haben die Leiter das Recht und die Pflicht, Weisungen an die unterstellten Leiter und Mitarbeiter zu erteilen und Befehle bzw. andere dienstliche Bestimmungen zu erlassen. Sie haben die Pflicht, bei der Vorbereitung dienstlicher Bestimmungen und Weisungen notwendige Beratungen mit sachkundigen Angehörigen des MfS durchzuführen und die Initiative, Bereitschaft und Fähigkeit des Kollektivs bei ihrer Realisierung zu entwickeln.“4

Die Leiter der einzelnen Bereiche, Abteilungen und Sachgebiete hatten folglich in ihrem Aufgabengebiet weitreichende Kompetenzen. Der Staatssicherheitsdienst versuchte aus diesem Grund, besonders in leitende Positionen vorzudringen, um seine Interessen im Zoll effektiv durchsetzen zu können. In erster Linie erfolgte die Besetzung solcher Schlüsselpositionen mit „Offizieren im besonderen Einsatz“.5 Vereinzelt wurden Mitarbeiter aus dem Führungsstab des Zolls zu diesem Zweck aber auch als inoffizielle Mitarbeiter verpflichtet. Bereits seit Anfang der 1960er Jahre wurde die Zollver waltung durch das MfS „operativ angeleitet“. Dafür fasste das Sekretariat des ZK der SED im September 1961 eigens einen Beschluss.6 Bis spätestens Ende der 1970er Jahre war die Besetzung von Schlüsselpositionen so weit fortgeschritten, dass die Staatssicherheit den Bedarf als ausreichend einstufte. In einer „Einschätzung zum Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollver waltung der DDR“, die 1979 von der Abteilung Auswertung und Information der HA VI des MfS erstellt wurde, heißt es : „Insgesamt kann die Feststellung getroffen werden, dass das Zusammenwirken mit den einzelnen Bereichen der Zollver waltung den operativen Erfordernissen entspricht [...]. Diese positive Entwicklung ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass es durch die aktive Einflussnahme auf die Führungskader verstanden wurde, deren Wirksamkeit in den Dienststellen der Zollver waltung zur Durchsetzung der Interessen des MfS unter Ausnutzung der zolldienstlichen Tätigkeit weiter zu erhöhen sowie zur Stabilisierung von Ordnung und Sicherheit in den Objekten der Zollverwaltung beizutragen.“7 4 5

6 7

Suckut, Wörterbuch, S. 105 f. Bereits Anfang der 1960er Jahre begann das MfS damit, Schlüsselpositionen in Staat und Gesellschaft mit Offizieren im besonderen Einsatz ( OibE ) zu besetzen. Bevorzugte Einsatzgebiete waren das Außen - und Innenministerium, die Versorgungseinrichtungen des Ministerrates, Hochschulen, Außenhandelsbetriebe und Industriekombinate. Zuletzt standen über 3 000 OibE im Dienst der Staatssicherheit. Vgl. Seul, MfS und DDR - Volkswirtschaft, S. 565. Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 16). HA VI des MfS, Abteilung Auswertung und Information, vom 8. 5. 1979 : Einschätzung zum Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen

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Kontrollierte Kontrolleure

Offiziere im besonderen Einsatz in Schlüsselpositionen der Zollverwaltung Nahezu alle wichtigen Führungspositionen der Zollver waltung waren durch hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit besetzt. Diese gaben sich weder untereinander noch gegenüber den übrigen Zollmitarbeitern als Angehörige des MfS zu erkennen, sondern waren als OibE für verschiedene Diensteinheiten der Staatssicherheit im Einsatz. Den weitaus größten Teil stellte die HA VI des MfS. Unter ihrer Führung wurden im Jahr 1983 44 OibE im Zoll angeleitet.8 Im Einzelnen waren dies : Der Leiter der Zollver waltung Der Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen Der Sekretariatsleiter Die Sekretärin Der Kraftfahrer Der Leiter der Abteilung Zollfahndung Die Sekretärin Der Sachgebietsleiter I ( Untersuchung ) Der Sachgebietsleiter VI ( Zentrale Untersuchungsgruppe ) Drei Mitarbeiter des Sachgebiets Der Sachgebietsleiter V ( Rauschgiftbekämpfung ) Der Leiter der Abteilung Zollermittlung Der Stellvertretende Leiter der Abteilung Zollermittlung Die Sekretärin Drei Sachgebietsleiter der Abteilung Zollermittlung Der Leiter der Operativgruppe Flughafen Berlin - Schönefeld Der Leiter der Operativgruppe Eisenbahngüter verkehr Seddin Der Leiter des Sachgebiets Koordinierung und Technik Vier Mitarbeiter des Sachgebiets Der Beauftragte des Leiters Fünf Mitarbeiter des Beauftragten des Leiters Acht Beauftragte der Leiter der Bezirksver waltungen Der Leiter der Abteilung Ausbildung Der Stellvertreter des Direktors für Forschung am Institut der Zollver waltung Zwei Mitarbeiter aus dem Arbeitsbereich Zollfragen im Ministerium für Außenhandel Her vorzuheben ist bei dieser Aufstellung die Durchdringung des Stellvertreterbereichs für Fahndungswesen in der Hauptver waltung des Zolls mit OibE. Die Zusammenarbeit war in diesem Bereich so eng und vertrauensvoll, dass die Aus-

8

Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 66, Bl. 69). Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 16 f.).

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wahl und Werbung geeigneter MfS - Offiziere nicht wie sonst durch externe Stasi - Mitarbeiter der Abteilung VI geplant und durchgeführt wurde, sondern direkt durch den Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen erfolgte.9 Im Jahr 1983 war allein der Bereich Fahndungswesen mit 25 OibE der HA VI „abgesichert“. Eine weitere Quelle aus dem Jahr 1986 bestätigt diese Zahl.10 Unter Anleitung der HA Kader und Schulung des MfS war in diesem Zeitraum zudem der Leiter des Bereichs Kader und Ausbildung des Zolls als OibE tätig. Der Stellvertreter Operativ des Diplomatenzollamts in Berlin ( Zollamt I ) unterstand als OibE der HA II. Die HA VIII des MfS befehligte den Leiter der Abteilung Transitüber wachung, dessen stellvertretenden Leiter, den Leiter der Dienststelle Beobachtung und dessen Stellvertreter sowie den Leiter des Zentralen Asser vatenlagers. Schließlich war der stellvertretende Leiter der Abteilung Zollfahndung ebenfalls als OibE tätig. Er arbeitete im Auftrag der HA IX des MfS. Auch in den Bezirksver waltungen des Zolls wurden durch die Abteilungen VI, VIII und IX der Staatssicherheit OibE verankert. Dabei handelte es sich 1983 um 28 Leiter, Stellvertreter und Sachgebietsleiter aus den Bereichen Zollfahndung und Transitüber wachung der Bezirksver waltungen. Nach dem bisherigen Forschungsstand waren 1983 also insgesamt 80 Offiziere im besonderen Einsatz in entscheidenden Bereichen der Zollver waltung eingesetzt.11 Der einflussreichste OibE war zweifellos der Leiter der Zollver waltung, Gerhard Stauch. Ihm wurde in allen bedeutenden operativen Fragen die endgültige Entscheidungskompetenz übertragen. Ebenso wurden alle Personalvorgänge ( Einstellungen, Entlassungen, Beförderungen, Sanktionen ) von ihm bestätigt. In wichtigen Abteilungen der Hauptver waltung war er persönlich für die personelle Besetzung zuständig. Für die Staatssicherheit von besonders großer Bedeutung war, dass es in die alleinige Zuständigkeit von Stauch fiel, Weisungen für alle Dienstbereiche der Zollver waltung zu erlassen.12 Doch der Einfluss der Staatssicherheit auf den Erlass von Weisungen ging noch weiter : Jede einzelne Dienstanweisung und Durchführungsanweisung, jeder Befehl und jede Ordnung, die in der Zollver waltung Gültigkeit hatten, wurden von Stauch ausnahmslos mit der HA VI des MfS abgestimmt.13 „Über das Abstimmungsverfahren mit der HA VI wird gewährleistet, dass die für die Arbeit des MfS 9 Vgl. MfS - Personalakte Joachim Pfeiffer, Aussprachebericht des Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen vom 17. 4. 1973 ( BStU, MfS, KS 8878/90, Bl. 178). 10 Vgl. HA VI des MfS vom 14. 2. 1986 : Wirksamkeit und operativer Nutzeffekt der Arbeit mit OibE ( BStU, MfS, HA VI 44, Bl. 118). 11 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 17 f.). 12 Eine Übersicht aller im Rahmen der Arbeit herangezogenen Dienstanweisungen, Befehle etc. findet sich in den Quellenangaben. 13 Gerhard Stauch arbeitete zur Abstimmung von Dienstanweisungen, Ordnungen, Befehlen etc. mit dem „Leiter der Arbeitsgruppe des Leiters“ des MfS zusammen. Vgl. HA VI des MfS, Arbeitsgruppe des Leiters, vom 2. 5. 1985 : Funktions - und Qualifikationsmerkmale des Leiters der Arbeitsgruppe des Leiters ( BStU, MfS, HA VI 1468, Bl. 62).

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Kontrollierte Kontrolleure

bedeutsamen Aufgaben in den Weisungen erfasst und im operativen Dienst durchgesetzt werden. In erforderlichen Fällen werden auf Anregung der HA VI entsprechende Dienstanweisungen erlassen.“14 Neue Richtlinien ( Befehle, Ordnungen, Weisungen ) wurden oft auf der Grundlage von Informationen entwickelt, die der Leiter der Zollver waltung regelmäßig dem MfS und anderen staatlichen Einrichtungen zustellte. Die Staatssicherheit konnte bei Bedarf Informationen, die nicht direkt an sie gerichtet waren, von der Zollver waltung abfordern.15 Tabelle 4 gibt hierzu eine Übersicht : Tabelle 4 : Periodische Informationen des Leiters der Zollverwaltung für Empfänger außerhalb der Zollverwaltung ( Stand : 1988)16 Periodizität

Inhalt

Empfänger

täglich

Tagesmeldung des Operativstabes der Zollverwaltung

ZK der SED ( Abteilung für Sicherheitsfragen ), MfS ( HA VI und HA VIII )

Monatsinformation über die wesentlichen Ergebnisse der Zollkontrolle, monatlich Feststellungsbearbeitung und Entscheidungspraxis Monatsinformation zur Abfertigung des pass- und visafreien Reiseverkehrs zwimonatlich schen der DDR und der ČSSR und zwischen der DDR und der VR Polen Quartalsinformation über die vierteljährlich Ergebnisse der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Postverkehrs Quartalsinformation über die vierteljährlich Aufdeckung organisierter Einfuhren im grenzüberschreitenden Postverkehr

ZK der SED ( Abteilung für Sicherheitsfragen ) MfS ( HA VI ) Persönlich den „Genossen Stoph, Kleiber, Jarowinsky, Sölle, Beil, Höfner, H. Krolikowski, Herger“17 MfS ( HA VI )

MfS ( HA VI )

14

Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. (BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 8). 15 Vgl. Schreiben der HA VI des MfS vom 19. 11. 1988 : Übersicht über die Informationstätigkeit der Zollver waltung der DDR gegenüber anderen Organen und Einrichtungen außerhalb der Zollver waltung ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 270, Bl. 95). 16 HA VI des MfS vom 19. 11. 1988 : Periodische Informationen des Leiters der Zollver waltung, die Empfänger außerhalb der Zollver waltung erhalten ( BStU, MfS Sekr. Neiber 270, Bl. 92–94). 17 Die aufgeführten Funktionäre bekleideten folgende Ämter : Willi Stoph : Minister des Innern, Minister für Nationale Verteidigung, Vorsitzender des Ministerrats und des Staatsrates der DDR; Günther Kleiber : Mitglied des Politbüros des ZK der SED; Werner Jarowinski : Mitglied des Politbüros und ZK - Sekretär; Horst Sölle: Abteilungsleiter im ZK der SED, Minister für Außenhandel; Gerhard Beil : Minister für Außenhandel; Ernst Höfner : Minister der Finanzen; Herbert Krolikowski : Stellvertretender Minister für Auswärtige Angelegenheiten; Wolfgang Herger : FDJ - und SED - Funktionär ( u. a. von 1985 bis 1989 Abteilungsleiter Sicherheit im ZK der SED, von 1987 bis 1990 Vorsitzender des Ausschusses für Nationale Verteidigung ). Vgl. Herbst / Ranke / Winkler ( Hg.), So funktionierte die DDR, Band 3.

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Besetzung von Schlüsselpositionen durch das MfS Periodizität halbjährlich

halbjährlich

jährlich

jährlich

jährlich

jährlich jährlich

jährlich jährlich jährlich jährlich jährlich fünf-jährlich fünf-jährlich

Inhalt

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Empfänger

ZK der SED ( Abteilung für Sicherheitsfragen ) Analyse über die Bearbeitung der Beschwerden und Eingaben der Bürger Staatsrat der DDR ( Abteilung Eingaben ) Halbjahresanalyse Abrechnung Ministerium der Finanzen (MdF) Haushaltsplan Jahresinformation über Ergebnisse bei der Durchsetzung der zolldienstlichen ZK der SED ( Abteilung für Bestimmungen im Reiseverkehr über Sicherheitsfragen ) die Staatsgrenze zur BRD und zu Berlin ( West ) Jahresinformation zur Durchführung ZK der SED ( Abteilung für des Abkommens über den Postverkehr Sicherheitsfragen ) zwischen der DDR und der BRD Jahresinformation über Ergebnisse der Zollkontrolle und FeststellungsbearZK der SED ( Abteilung für beitung im pass- und visafreien Sicherheitsfragen ) Reiseverkehr über die Staatsgrenze zur ČSSR und zur VR Polen Einschätzung zu Schwerpunkten der MfS ( HA VI ) disziplinaren Entwicklung Bericht über die Arbeit auf dem Gebiet MfS ( HA VI ) des Geheimnisschutzes Information über Ordnung, Sicherheit und Geheimnisschutz in den DatenMfS ( HA VI ) verarbeitungseinrichtungen der Zollverwaltung Haushalts-Jahresplanung MdF Jahresanalyse Abrechnung MdF Haushaltsplan Militär-ökonomischer Jahresplan SPK Abrechung des militär-ökonomischen SPK Planes Haushalts-Fünfjahrplanung Ministerium der Finanzen ( MdF ) Militär-ökonomischer Fünfjahresplan Staatliche Plankommission ( SPK )

Inoffizielle Mitarbeiter in Schlüsselpositionen der Zollverwaltung Die Staatssicherheit brachte in der Zollver waltung inoffizielle Mitarbeiter vor allem zur „Absicherung des Personalbestandes“ zum Einsatz – also, um mit deren Hilfe etwaiges Fehlverhalten der Zöllner aufzudecken. Auf inoffizielle Mitarbeiter, die primär zu diesem Zweck eingesetzt wurden, wird an späterer Stelle näher eingegangen. Einige IM wurden aber neben dieser Aufgabe auch dazu genutzt, um – ähnlich wie OibE – die operativen Interessen der Staatssicherheit in Schlüsselposi-

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Kontrollierte Kontrolleure

tionen des Zolls durchzusetzen.18 Allein in der Hauptver waltung des Zolls existierten im Jahr 1983 elf FIM - Netze.19 Folgende Bereiche wurden dort durch IM in Schlüsselpositionen abgesichert : – – – – – – – – – – –

Bereich Stellvertreter des Leiters (1 FIM /2 IMS ) Abteilung Zollfahndung (1 FIM /4 IMS ) Abteilung Zollrecht und Rechenzentrum (1 FIM /3 IMS ) Zollamt Berlin I – Diplomatenzollamt (1 FIM /2 IMS ) Bereich Kader / Ausbildung (1 FIM /4 IMS ) Abteilung Ausbildung (1 FIM /2 IMS ) Objektschutz (1 FIM /2 IMS ) Bereich Versorgungsdienste (1 FIM /2 IMS /1 GMS ) Abteilung Nachrichten, Postverkehr und Finanzen (1 FIM /4 IMS ) VS - Stelle ( Verschlusssachen ) der Hauptver waltung (1 FIM /1 IMS ) Außensicherung der Hauptver waltung (1 FIM /3 IMS )

Darüber hinaus wurden 1983 weitere 32 IM in der Hauptver waltung des Zolls von operativen Mitarbeitern der Abteilung Zollabwehr der HA VI direkt gesteuert.20 Hinzu kamen weitere vier FIM - Netze, die allesamt für die „Absicherung“ des Instituts der Zollver waltung in Plessow zuständig waren.21 Am 30. Juni 1986 erreichte der Gesamtbestand an IM im Bereich Zollabwehr der HA VI seinen Höchststand. Damals existierten 27 FIM - Netze mit insgesamt 226 inoffiziellen Mitarbeitern.22 Darunter befanden sich am Flughafen Berlin - Schönefeld 7 FIM - Netze mit 50 IMS und einem GMS. Diese wurden im Folgejahr an die HA XIX übergeben, da sie fortan für den „Sicherheitsbereich Flughafen Schönefeld“ zuständig war. Wie viele IM in Schlüsselpositionen in den Bezirksver waltungen des Zolls und an den Zollämtern tätig waren, kann nach bisherigem Stand nicht exakt beziffert werden. Dass aber auch dort IM in leitenden Positionen arbeiteten, steht fest. Im Jahr 1970 gab es beispielsweise in der Bezirksver waltung des Zolls 18 Dies waren in der Regel sogenannte „Inoffizielle Mitarbeiter im ( für ) besonderen Einsatz“ ( IME ), vom MfS mitunter auch als „Experten - IM“ bezeichnet bzw. sogenannte „Inoffizielle Mitarbeiter Sicherheit“ ( IMS ), die jeweils von Führungs - IM ( FIM ) angeleitet wurden. Vgl. BVfS Dresden, Abteilung VI, vom 23. 8. 1976 : Analyse „Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 112); HA VI ds MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 27. 6. 1982 : Vorschlag zur Neuprofilierung der FIM - Netze im Verantwortungsbereich der Abt. Zoll - Abwehr ( BStU, MfS, HA VI 4679, Bl. 1). 19 Vgl. ebd., Bl. 1–8. 20 Vgl. ebd., Bl. 9 f. 21 Vgl. HA VI des MfS vom 16. 10. 1985 : Vorschlag zur Gewährleistung einer regelmäßigen und kontinuierlichen Trefftätigkeit der 4 bestehenden FIM - Netze der Abteilung ZollAbwehr am Institut der Zollver waltung unter den Bedingungen der im August 1985 in Kraft gesetzten neuen Rechte und Pflichten der Offiziershörer ( BStU, MfS, HA VI 4679, Bl. 31). 22 Müller - Enbergs, Inoffizielle Mitarbeiter, Teil 3, S. 295.

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Besetzung von Schlüsselpositionen durch das MfS

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Dresden inoffizielle Mitarbeiter in der Zollfahndung, der Operativabteilung, den Abteilungen Recht, Ausbildung und Kader und im Wirtschaftsbereich, darüber hinaus auch am Postzollamt Dresden, am Binnenzollamt Dresden sowie am Flughafen - Grenzzollamt Dresden und am Grenzzollamt Bad Schandau.23 An den Grenzzollämtern waren insbesondere die Stellen des Leiters und seines Stellvertreters bedeutende Schlüsselpositionen. „Beide Funktionäre verfügen über die notwendigen Möglichkeiten, die Belange des MfS in allen Bereichen des GZA durchzusetzen. Es ist daher zweckmäßig, wenn der Leiter oder der Stellvertreter operativ IMS oder GMS ist, unabhängig von einer bereits guten offiziellen Zusammenarbeit.“24 Darüber hinaus sollten an den Grenzzollämtern auch weitere Stellen mit IM in Schlüsselpositionen besetzt werden : Die Gehilfen des Stellvertreters operativ galten als geeignet, da sie unter anderem mit Personalfragen beschäftigt waren und Leiterentscheidungen vorbereiteten. Die Sachbearbeiter für Statistik hatten den Gesamtüberblick über alle operativen Ergebnisse des jeweiligen Zollamtes. Sie konnten für das MfS somit beispielsweise Berichte zu Sicherheitsproblemen im Personalbestand erarbeiten. Die Offiziere für Abgaben und Gebühren sollten den Zugführern, Kassierern und Kontrolleuren in allen diesbezüglichen Fragen Auskunft geben. Sie waren aufgrund ihrer Funktion in unmittelbarem Kontakt mit den Kontrolleuren und sollten „Manipulationen mit Westmark und Devisen“ aufklären. „Eine Werbung als IMS erscheint hier unbedingt erforderlich, da Geldmanipulationen bereits der Ausgangspunkt für weitere Straftaten gegen die Sicherheit des Staates waren bzw. sein können.“25 IM in Schlüsselpositionen gab es darüber hinaus auch oftmals unter Zug - und Gruppenführern, „da sie die Kontrolleure zielgerichtet einsetzen und deren operative Ergebnisse unmittelbar an die PKE übergeben können“.26 „Die wirksame inoffizielle Absicherung der Diensteinheiten der Zollverwaltung der DDR durch die Abteilungen VI der Bezirksver waltungen, Referate Zollabwehr, ist eine entscheidende Voraussetzung für die Effektivität des offiziellen Zusammenwirkens auf den verschiedenen Leitungsebenen. [...] Die Kombination offizieller und inoffizieller Methoden sichert den größten Nutzeffekt bei der Ausschöpfung der vielfältigen Möglichkeiten der Zollver waltung.“27 Aus diesem Grund wurden

23 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 9. 3. 1970 : Einsatz in der BV des MfS Dresden auf der Linie Zoll-Abwehr vom 5.3.–6.3.1970 (BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 19). 24 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 6. 1970 : Aufgabenstellung der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) und der Abteilungen VI, Referate bzw. Hauptsachgebiete Zoll (Abwehr ) der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Organisierung der politisch - operativen Arbeit an den Grenzzollämtern der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 12760, Bl. 157). 25 Ebd., Bl. 159. 26 Ebd., Bl. 160. 27 Juristische Hochschule des MfS von September 1982 : Forschunsergebnisse zum Thema „Aktuelle und perspektivische Erfordernisse sowie politisch - operative Arbeitsprozesse zur Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs aus der DDR nach anderen sozialistischen Staaten“ ( BStU, MfS, JHS 21925–2, Bl. 91).

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Kontrollierte Kontrolleure

„die entscheidenden Führunspositionen in den Objekten und Dienststellen der Zollver waltung der DDR mit IM / GMS besetzt bzw. abgesichert“.28 Inoffizielle Mitarbeiter in Führungspositionen sollten dem MfS vor allem Informationen und Analysen liefern, wie es um die konkrete Situation in ihrem jeweiligen „Verantwortungsbereich“ bestellt ist, was also die momentanen Arbeitsschwerpunkte sind, wie effektiv diese durchgesetzt werden etc.29 Auch sollte es auf diese Art gelingen, „vom MfS benannte personifizierte Unsicherheitsfaktoren legendiert aus dem Verantwortungsbereich zu entfernen, ohne dass das MfS als ‚Initiator‘ offiziell in Erscheinung tritt“.30 Darüber hinaus dienten IM zur „Durchsetzung der politisch - operativen Interessen und Informationsforderungen des MfS und der Auswertung von operativen Arbeitsergebnissen“, besonders an den Grenzübergangsstellen.31 Dort galt es vor allem, die effektive Zusammenarbeit der Zollkontrolleure mit den Angehörigen der Passkontrolleinheit bzw. mit den Zollermittlern sicherzustellen.32 Der Einsatz von IM in Schlüsselpositionen erfolgte erst, wenn diese sich in der inoffiziellen Zusammenarbeit lange und zweifelsfrei bewährt hatten und vom MfS entsprechend überprüft waren. Die Abbildung 17 gibt einen Überblick darüber, welche Bereiche der Hauptver waltung des Zolls von OibE oder IM in Schlüsselpositionen besetzt waren bzw. direkte Arbeitskontakte zum MfS unterhielten.

28 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Auswertung und Information, vom 8. 5. 1979 : Einschätzung zum Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 66, Bl. 71). 29 In diesem Zusammenhang lieferten auch IM in Führungspositionen Informationen zu Mitarbeitern, die sich nicht an die Sicherheitsbestimmungen hielten oder durch sonstiges „Fehlverhalten“ auffielen. Auch wurden sie zur Bearbeitung operativer Personenkontrollen eingesetzt. Vgl. ebd. 30 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 3. 12. 1981 : Zusammenfassende Einschätzung zur Durchsicht der durch die Abt. VI der BVfS Magdeburg bearbeiteten OPK zu Angehörigen der Zollver waltung ( BStU, MfS, HA VI 4536, Bl. 4). 31 HA VI des MfS, Abteilung Auswertung und Information, vom 8. 5. 1979 : Einschätzung zum Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 66, Bl. 71). 32 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 6. 1970 : Aufgabenstellung der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) und der Abteilungen VI, Referate bzw. Hauptsachgebiete Zoll ( Abwehr ) der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Organisierung der politisch - operativen Arbeit an den Grenzzollämtern der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 12760, Bl. 157).

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33 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 282, Bl. 29–35); Diverse Schreiben der HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, aus dem Jahr 1981 (BStU, MfS, HA VI 3599); HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 27. 6. 1983 : Vorschlag zur Neuprofilierung der FIM - Netze im Verantwortungsbereich der Abt. Zoll - Abwehr ( BStU, MfS, HA VI 4679, Bl. 1–8).

Abb. 17 : Mit OibE bzw. IM in Schlüsselpositionen besetzte Bereiche der Zollver waltung33

Besetzung von Schlüsselpositionen durch das MfS

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2.

Kontrollierte Kontrolleure

Auswahl von Zollbewerbern und deren Überprüfung

Bereits an der Auswahl von Zollmitarbeitern war das MfS aktiv beteiligt. So heißt es in einer geheimen Verschlusssache der Hauptabteilung VI : „Die Überprüfung der Bewerber für das Zollorgan stellt einen Schwerpunkt im Rahmen der vorbeugenden politisch - operativen Abwehrarbeit der Abteilungen VI der Bezirksver waltungen dar. So wird insbesondere über IM in Schlüsselpositionen und inoffzielle Mitarbeiter, die zum Teil im Kaderorgan der Zollverwaltung tätig sind, gewährleistet, dass die Sicherheitsinteressen des MfS beachtet werden und Einfluss auf eine sorgfältige Auswahl der Kader für das Zollorgan genommen wird.“34 Grundsätzliche Regelungen für die Einstellung in die Zollver waltung finden sich in der Dienstlaufbahnordnung der Zollver waltung.35 Darin heißt es : „Die Zollver waltung hat der Auswahl und der Entwicklung ihrer Angehörigen stets große Aufmerksamkeit geschenkt. Sie hat sich dabei auf Kader konzentriert, die über einen festen Klassenstandpunkt verfügen, die der Arbeiterklasse und der Partei treu ergeben sind. Die Angehörigen müssen mindestens über den Abschluss der 10. Klasse verfügen und einen Beruf erlernt haben; männliche Angehörige werden erst nach Absolvierung der Wehrpflicht eingestellt.“36 Jeder Bewerber wurde bei seiner Einstellung über eine Reihe von Verpflichtungen belehrt.37 Er war demnach unter anderem angehalten, jede Veränderung, die nach Ausfüllen seines Personalbogens eingetreten war ( z. B. Eheschließung, Geburten, Zugehörigkeit zu Parteien, aber auch Arbeitsplatzwechsel des Ehepartners, durch Eheschließung hinzugekommene Ver wandte und Verbindungen nach Westdeutschland und Westberlin ) sofort seinem Vorgesetzten zu melden. Zudem musste er strengste Verschwiegenheit über alle dienstlichen Angelegenheiten wahren. Dies galt auch über die Zeit des aktiven Dienstes hinaus : Beim Ausscheiden aus der Zollver waltung musste jeder Mitarbeiter handschriftlich eine Schweigeverpflichtung verfassen.38 Er verpflichtete sich darin zu strengstem Stillschweigen über alle „bekannt gewordenen Mittel und Methoden [ der Zollver waltung ] sowie Personen anderer Sicherheitsorgane und

34 HA VI des MfS, Abteilung Auswertung und Information, vom 8. 5. 1979 : Einschätzung zum Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 66, Bl. 74). 35 Vgl. Dienstlaufbahnordnung der Zollver waltung. Zit. in Wilke, Sicherheitsüberprüfungen. Fachabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule Potsdam 1982, S. 42 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /873/81). 36 Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollverwaltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 69). 37 Vgl. „Belehrung zur Verpflichtung“. Zit. in Wilke, Sicherheitsüberprüfungen, S. 49 (BStU, MfS, JHS MF VVS /873/81). 38 Vgl. Dienstanweisung 24/69 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 23. 12. 1969 ( BStU, MfS, BV Gera, Abt. VI 6313, Bl. 549e ).

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Auswahl von Zollbewerbern und deren Überprüfung

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alle anderen damit zusammenhängenden Informationen“.39 Mitarbeitern der Zollver waltung und deren Angehörigen war es außerdem nicht gestattet, Verbindungen und Kontakte gleich welcher Art nach Westdeutschland, Westberlin oder in andere kapitalistische Staaten aufzunehmen, zu unterhalten oder Nutznießer solcher Verbindungen durch andere Personen zu sein. Westfernsehen durfte weder von den Zollangehörigen noch von anderen Personen in deren Haushalt empfangen werden, westliche Druckerzeugnisse durften Zöllner nicht lesen, nicht weitergeben und deren Inhalt nicht verbreiten. In der Dienstanweisung 24/69 des Leiters der Zollver waltung wurden diesbezügliche Verbote detailliert aufgeführt. Darunter fallen auch kuriose Bestimmungen wie zum Beispiel die, dass es Zöllnern untersagt war, „in Kraftfahrzeugen, die in Westdeutschland, anderen nichtsozialistischen Staaten oder Westberlin zugelassen sind, mitzufahren, sich von solchen Fahrzeugen abschleppen zu lassen bzw. selbst Abschleppdienste zu leisten“.40 Jeglicher Kontakt mit dem „Klassenfeind“ war somit verboten. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft war ebenfalls untersagt. Bereits dieser kleine Auszug aus den Anforderungen an Zollbewerber macht deutlich, dass politische Zuverlässigkeit eine Grundvoraussetzung für jede Einstellung in die Zollver waltung war. Darüber wurde ein Zollbewerber aber nicht nur belehrt, er wurde auch dahingehend überprüft. Laut der Dienstanweisung 6/88 des Leiters der Zollver waltung erfolgte jedes Bewerbungs - und Überprüfungsverfahren auf Bezirksebene und im Zusammenwirken zwischen den Abteilungen Kader der Zollver waltung und den Abteilungen VI des MfS. Da der Dienst in der NVA eine Grundvoraussetzung zur Einstellung war, konzentrierte sich die Suche nach Nachwuchskräften vor allem auf Personen, die vor dem Abschluss ihres Wehrdienstes standen. „Die Durchführung der Werbemaßnahmen in den Einheiten der NVA und Grenztruppen sowie im zivilen Bereich erfolgt durch die zentralen Werbegruppen der Bezirksver waltungen, die den Leitern der Abteilungen Kader / Ausbildung als strukturmäßige Diensteinheiten direkt unterstellt sind.“41 Für die Kader werbung kamen nur erfahrene und gut ausgebildete Zollmitarbeiter zum Einsatz. Laut Befehl 10/81 des Leiters der Zollver waltung waren dazu „solche Offiziere einzusetzen, die fest mit unserem Organ verbunden sind, über Fähigkeiten zur Gesprächsführung verfügen und mit Einfühlungsvermögen und Hartnäckigkeit die Aufgaben lösen“.42 Die Mitarbeiter der Werbe39 BVfS Schwerin, Abteilung VIII, vom 22. 7. 1987 : Abschlussbericht zur Überprüfung eines Angehörigen der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, BV Schwerin, Abt. XII 777/87, Bl. 165). 40 Vgl. Dienstanweisung 24/69 des Leiters der Zollver waltung vom 23. 12. 1969 ( BStU, MfS, BV Gera, Abt. VI 6313, Bl. 549g ). 41 Vgl. Befehl 6/88 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 17. 8. 1988 ( BStU, MfS, HA VI 4989, Bl. 434). 42 Befehl 10/81 des Leiters der Zollverwaltung der DDR. Zit. nach Sturm, Sicherheitsüberprüfungen. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1986, S. 72 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /720/86).

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gruppen wurden im Zoll ausschließlich zur Gewinnung von Nachwuchskräften eingesetzt. Sie durften für „operative Zusatzdienste“ an den Zollämtern ausdrücklich nicht eingesetzt werden.43 Noch bevor ein Rekrut realisieren konnte, dass sich die Zollver waltung für ihn interessierte, holten die Werber des Zolls in den NVA - Einheiten Auskünfte über ihn ein. Die Kaderoffiziere sprachen zunächst mit den Verbindungsoffizieren der betreffenden Einheit, anschließend mit dem unmittelbaren Kommandeur des Betreffenden. Zudem nahmen sie Einsicht in die Wehrstammunterlangen der potenziellen neuen Mitarbeiter. Durch solche Maßnahmen erhofften sich die Werber, erste Erkenntnisse über Verhaltensweisen ( politisches Auftreten, disziplinierte Unterordnung, Pflichterfüllung, Umgangskreis, persönliche Interessensgebiete ) der betreffenden Personen zu erlangen. „Dies ist Voraussetzung, um von vornherein nichtgeeignete Bürger von jeglicher Werbetätigkeit auszuschließen, die oft in der Dienstdurchführung bei der NVA ( z. B. Angehörige kirchlicher Kreise ) insgesamt ein sozial untadeliges Auftreten und Verhalten zeigen.“44 Neben den Werbegruppen sollte aber auch jeder einzelne Zöllner zur Gewinnung neuer Mitarbeiter beitragen. Für die sogenannte individuelle Werbung sollten die Führungskader das ihnen unterstellte Personal motivieren und befähigen, aus dem eigenen Ver wandten - und Bekanntenkreis „geeignete Bürger für eine beruf liche Entwicklung in der Zollver waltung zu gewinnen“.45 Wenn sich ein Interessent für den Dienst in der Zollver waltung bewarb, ohne dass eine entsprechende Werbung vorausging, sollte besonders gründlich untersucht werden, warum der Bewerber im Zoll arbeiten wollte. „In solchen Fällen muss, ohne auszuschließen, dass es sich um eine positiv motivierte Bewerbung handeln kann, die Prüfung der kaderpolitischen Eignung besonders darauf gerichtet werden, dass ein Eindringen feindlicher oder anderer labiler, von egoistischen oder karrieristischen Motiven geleiteten Kräften in das Organ ausgeschlossen wird.“46 Bei jeder Bewerbung veranlasste die Abteilung Kader zunächst eine „Speicher vorprüfung“ des Zollbewerbers und seiner Ver wandten. Dabei prüften die Mitarbeiter der Abteilung in den Karteimitteln der Deutschen Volkspolizei ( in der Personaldatenbank ) und in der Zentralkartei der Zollver waltung, ob ein negativer Hinweis bzw. eine Erfassung vorlag.47 War dies nicht der Fall, wurden die Personalien des Bewerbers sowie die der bekannt gewordenen Ver wandten 43 Vgl. Befehl 6/88 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 17. 8. 1988 ( BStU, MfS, HA VI 4989, Bl. 435. 44 Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 65). 45 Befehl 6/88 des Leiters der Zollverwaltung der DDR vom 17. 8. 1988 ( BStU, MfS, HA VI 4989, Bl. 437). 46 Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 62). 47 Vgl. 1. Durchführungsanweisung zum Befehl 6/88 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 17. 8. 1988 ( BStU, MfS, HA VI 4989, Bl. 445).

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Auswahl von Zollbewerbern und deren Überprüfung

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an die Abteilung VI übergeben. Durch das MfS erfolgte dann eine Überprüfung der Personalien in der Abteilung XII ( Zentrale Auskunft / Speicher ) sowie gegebenenfalls auch im Reisedatenspeicher der Hauptabteilung VI. Erst wenn bis dahin keine negative Erfassung vorlag, wurde an die Kaderabteilung der Zollver waltung die Zustimmung gegeben, die eigentlichen „Überprüfungs - und Ermittlungsmaßnahmen“ einzuleiten und durchzuführen. Am Beginn dieser Maßnahmen stand das Erstgespräch mit dem Bewerber. Hierbei sollten weitere Einzelheiten zur Person des Bewerbers festgestellt werden. Solche Einzelheiten waren beispielsweise leitende Motive für die Dienstaufnahme in die Zollver waltung, die soziale Herkunft ( das Elternhaus und die Familienverhältnisse des Zollbewerbers ), mögliche Kontakte des Bewerbers oder dessen Verwandten und Bekannten ins „kapitalistische Ausland“ oder auch sein Verhalten und Auftreten während des Gesprächs und somit erste Hinweise auf Charakter - und Persönlichkeitseigenschaften.48 Das Gespräch diente letztlich zur Beantwortung der Fragen, „wie der zu gewinnende Bürger zu den Feinden der Arbeiterklasse und des Sozialismus steht, welche Bereitwilligkeit er zeigt, besondere Belastungen und Anforderungen für eine Tätigkeit zu übernehmen, [...] welche Opferbereitschaft dafür existiert, [...] ( Fähigkeit zu Verschwiegenheit, Hass gegen Feinde, Liebe zur sozialistischen Heimat, Freundschaft zur Sowjetunion, solidarische Verbundenheit mit allen Verbündeten der Arbeiterklasse und des Sozialismus ). Wer zu diesen Fragen Desinteresse, Gleichgültigkeit, Abneigung oder gar Ablehnung erkennen lässt, ist sicherheitspolitisch ungeeignet für eine weitere Einstellungsbearbeitung.“49 Nach dem Erstgespräch begann die Ermittlungstätigkeit bezüglich des Bewerbers und seiner Ver wandten bzw. Bekannten, zu denen er persönliche und postalische Verbindungen unterhielt oder unterhalten hatte. Die in der „Kader werbung“ eingesetzten Zollangehörigen waren verpflichtet, „Auskünfte, sowohl im Arbeitsbereich als auch im Wohn - und Freizeitbereich einzuholen“.50 So sollten unter anderem Rückschlüsse auf die Arbeitsdisziplin, das Verhalten im „Kollektiv“, die politische Haltung, die Lebensweise und den Freundes - und Bekann48 Aus einer Quelle geht hervor, dass das Erstgespräch zur Beantwortung folgender Grundsatzfragen dienen sollte : Wie verlief die Entwicklung des Bewerbers in der Kindheit ? Wie vollzog sich die Entwicklung der Schul - und Jugendzeit ? Wie verlief die Berufswahl und beruf liche Ausbildung bzw. Entwicklung ? Wie vollzog sich die gesellschaftliche Entwicklung ? Worin bestehen die individuellen persönlichen Bedürfnisse und Interessen des betreffenden Bürgers ? Welche Familienmitglieder und Ver wandtschaften existieren insgesamt, inwieweit leben davon Ver wandte im kapitalistischen Ausland bzw. Westberlin? Welche Personen gehören zum näheren Umgangskreis des betreffenden Bürgers ? Wie sind die Eigentums - und Besitzverhältnisse des betreffenden Bürgers und seine Haltung zu persönlichem Eigentum, seine materiellen Bedürfnisse motiviert ? Welche beruf liche Tätigkeit üben der Ehepartner oder andere nächststehende Ver wandte bzw. engste Bekannte aus ? Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 67–72). 49 Ebd., Bl. 66. 50 Sturm, Sicherheitsüberprüfungen, S. 25 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /720/86).

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tenkreis des Zollbewerbers gezogen werden können.51 Im Anschluss an die Überprüfungs - und Ermittlungstätigkeit entschied die Kaderabteilung, ob der Bewerber als geeignet galt. Falls nein, wurde dem Bewerber eine mündliche Absage erteilt. „Darüber hinaus ist ein Vermerk unter Angabe der Ablehnungsgründe und der Reaktion des Interessierenden zu fertigen, der dem Bürger nicht zur Kenntnis zu geben ist.“52 Falls ja, wurden auf Grundlage der Überprüfung und Ermittlung Berichte erarbeitet, die wiederum der Abteilung VI des MfS vorgelegt wurden. Seitens dieser Abteilung sollte anschließend überprüft werden, ob genügend Fakten erarbeitet worden sind, die belegen, dass der Bewerber den sicherheitspolitischen Anforderungen entsprach. Gegebenenfalls stellte das MfS eigene Ermittlungen an, um zu einer Entscheidungsfindung zu kommen.53 Grundlage für diese Entscheidung war die Richtlinie 1/82 des Ministers für Staatssicherheit.54 Erst wenn von Seiten des MfS die Zustimmung zur Einstellung des Zollbewerbers für die Abteilung Kader der Zollver waltung vorlag, konnte dieser seinen Dienst antreten. Die Zeitspanne vom Beginn der Überprüfung durch das „Zollorgan“ bis zur Zustimmung zur Einstellung durch das MfS sollte drei Monate nicht übersteigen.55 „Die Einstellungsbearbeitung hat wesentliche Auswirkungen auf die künftige Entwicklung der inneren Sicherheit, da hier entschieden wird, dass nur sicherheitspolitisch zuverlässige Bürger zur Einstellung kommen und keine feindlichen Kräfte, den Feinden ideologisch oder moralisch erlegene, vom Gegner irregeführte bzw. für seine Einwirkungen empfängliche Personen in das Organ eindringen.“56 Probleme bei der Überprüfung von Zollbewerbern traten dahingehend auf, dass aufgrund der langen Zeitspanne einige Kandidaten zwischenzeitlich ihre Bewerbung wieder zurücknahmen. Ein weiteres Problem ergab sich daraus, dass bei einigen Erstgesprächen „durch unsachliches und überhebliches Auftreten und Verhalten der Angehörigen [ der Kaderabteilung der Zollver waltung ] eine ablehnende Haltung bei den Zollbewerbern erzeugt wurde“.57 Die Tatsache, dass es zu jeder Zeit Probleme bei der Besetzung der Planstellen in der Zollver waltung gab58 und zeitweise mit den Neueinstellungen nur die Entlassungen abgedeckt werden konnten, hatte auch zur Folge, dass die zur „Kaderwerbung“ beauftragten Zollangehörigen unter Erfolgszwang standen und ihre Arbeitsergebnisse vor wiegend an der Anzahl der Neueinstellungen 51 Vgl. ebd., Bl. 88 f. 52 1. Durchführungsanweisung zum Befehl 6/88 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 17. 8. 1988 ( BStU, MfS, HA VI 4989, Bl. 448). 53 Vgl. Schreiben der BVfS Potsdam, Abteilung VI, an die KDfS Anklam vom 21. 9. 1984 : Ermittlungsersuchen/ Auskunftsersuchen (BStU, MfS, BV Neubrandenburg, KD Anklam 48b, Bl 10). 54 Vgl. Sturm, Sicherheitsüberprüfungen, S. 17 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /720/86). 55 Vgl. ebd., S. 18. 56 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 61). 57 Ebd., S. 73. 58 Vgl. Suwalski, Zollver waltung, S. 589.

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Erziehung, Aus- und Weiterbildung von Kontrolleuren

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gemessen wurden.59 Infolge dessen kam es oft zu Abstrichen bei den Ermittlungs - und Überprüfungskriterien.60 Den Abschluss des Einstellungsverfahrens markierte das Einstellungsgespräch. Es wurde von dem Leiter des Sachgebiets Kader der betreffenden Bezirksver waltung geführt. In der Regel waren darüber hinaus die betreffenden Bewerbungsbearbeiter, Ermittler und künftigen Vorgesetzten des Bewerbers in das Gespräch mit einbezogen. Das Gespräch wurde mit dem Ziel einer „letzten Persönlichkeitsprüfung“ geführt.61 Die Entscheidung über die Aufnahme in den Dienst der Zollver waltung blieb bis zum Abschluss des Einstellungsgesprächs formal offen. Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, wie der Bewerber auf ausgesprochene Anforderungen, den vorgesehenen Einsatz, den beabsichtigten Dienstort, den in Betracht gezogenen Einstellungsdienstgrad und die voraussichtliche Besoldung reagiert. Die Stellungnahmen des Zollbewerbers wurden aktenkundig gemacht, um „bei später möglichen Konflikten solide Grundlagen für eine sachliche Auseinandersetzung zu haben“.62 Auch wenn, wie oben beschrieben, die Zustimmung des MfS zur Einstellung eine unabdingbare Voraussetzung war, blieben die befugten Leiter beim Zoll für eine positive Entscheidung voll persönlich verantwortlich.63

3.

Erziehung, Aus - und Weiterbildung von Kontrolleuren

Alle Mitarbeiter der Zollver waltung wurden nach ihrer Einstellung permanent geschult. Eine klare Trennlinie zwischen fachlicher Unter weisung und ideologischer Beeinflussung gab es dabei nicht. Praktisch keine Form der Aus - und Weiterbildung war frei von ideologischer Indoktrinierung. Den Zöllnern sollte neben zollpraktischen Fähigkeiten zu jeder Zeit auch ein klares „Feindbild“ vermittelt werden. „Der Mitarbeiter der Zollverwaltung erfüllt an der unmittelbaren Nahtstelle zwischen den beiden unversöhnlichen Gesellschaftsordnungen, zwischen den mächtigsten militärischen Blöcken der Welt und in unmittelbarer Konfrontation mit den gefährlichsten, stärksten, erfahrensten und raffiniertesten Kräften des Imperialismus in Europa unter weltoffenen Bedingungen der DDR seine Klassenpflicht im Rahmen der Austragung dieser sich entfaltenden Klassenauseinandersetzung.“64

59 Vgl. Sturm, Sicherheitsüberprüfungen, S. 26 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /720/86). 60 Vgl. Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes. Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1989, S. 49 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /438/89). 61 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 74). 62 Ebd. 63 Vgl. ebd., Bl. 77. 64 Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 38).

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Kontrollierte Kontrolleure

„Daraus ergibt sich, dass die Mitarbeiter der Zollverwaltung eine prinzipienfeste, zuverlässige und konsequente Haltung zur Erfüllung von Sicherheitsinteressen der DDR benötigen. Das verlangt vor allem ein von kommunistischer Ideentreue und von tiefem Hass gegen die Feinde der Arbeiterklasse erfülltes Klassenbewusstsein“.65

Geschult und vertieft wurde das „Klassenbewusstsein“ an verschiedenen Einrichtungen. Sowohl an den Dienststellen und in den Bezirksver waltungen als auch am Institut der Zollver waltung fanden derartige Aus - und Weiterbildungsmaßnahmen statt. Dort wurden auch die für die Kontrollen unverzichtbaren praktischen Kenntnisse vermittelt.

3.1

Grundausbildung

In aller Regel wurden Dienstanfänger als künftige Kontrolleure an den Zollämtern eingestellt. Die beruf liche Grundausbildung von Kontrolleuren, erfolgte in zwei Etappen. In den ersten sechs bis zwölf Wochen erfolgte zunächst eine praktische Einarbeitung vor Ort. Dafür bekam jeder neue Zöllner einen sogenannten Lehrkontrolleur zugewiesen, der ihn individuell anleitete. Er sollte ihn in dieser Zeit mit der Struktur und den grundlegenden Aufgaben der Zollver waltung vertraut machen und ihm erste Einblicke in die praktische Kontrolltätigkeit gewähren.66 „Lehrkontrolleure haben besonders dafür zu sorgen, dass Dienstanfänger frühzeitig Erfolge bei der Erkennung von Feindaktivitäten erreichen und dafür entsprechend gewürdigt werden.“67 Im Anschluss wurde der Dienstanfänger zu einem Grundlehrgang delegiert, der sechs Monate andauerte. Fragen der „inneren Sicherheit“ spielten dabei eine bedeutende Rolle. „Im Rahmen der Verabschiedung des Dienstanfängers zum Grundlehrgang ist durch den Vorgesetzten auch die Überzeugung und Erwartung für ein sicherheitspolitisch vorbildliches Verhalten auszusprechen. Die Offiziere der Grundlehrgänge haben sich frühzeitig mit dem Persönlichkeitsbild der Dienstanfänger durch Einsichtnahme in Kaderunterlagen in der Bezirksverwaltung bzw. Gespräche mit dem zuständigen Dienstvorgesetzten an den Zollämtern vertraut zu machen und Kontakt zum Dienstanfänger aufzunehmen. Im Verlaufe des Grundlehrgangs ist der Behandlung von Fragen zur Gewährleistung der inneren Sicherheit durch entsprechende Schulungsveranstaltungen wie auch durch die Tätigkeit des Lehrgangsleiters großes Gewicht beizumessen.“68

Die Lehrgänge wurden in der jeweils zuständigen Bezirksverwaltung Zoll durchgeführt. Eigens für diesen Zweck verfügte jede BV Zoll über Unterrichtsräume und Gebäude zur „internatsmäßigen Unterbringung“.69 Der konkrete Inhalt des 65 Ebd., Bl. 95. 66 Vgl. Sozialistische Zollkontrolle, 1/89, S. 16 ( Archiv Plessow ). 67 Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 80). 68 Ebd., Bl. 80. 69 Sozialistische Zollkontrolle, 1/89, S. 16 ( Archiv Plessow ).

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Erziehung, Aus- und Weiterbildung von Kontrolleuren

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Ausbildungsprogramms wurde von der Abteilung Ausbildung der Hauptver waltung erarbeitet und – bis auf wenige Ausnahmen70 – an allen Bezirksver waltungen einheitlich vermittelt. In einem diesbezüglichen Papier heißt es : „Die fachliche Ausbildung muss zur sicheren Beherrschung der grundlegenden Rechtsvorschriften für den grenzüberschreitenden Waren - und Devisenverkehr und der Befehle und Weisungen des Leiters der Zollverwaltung beitragen und bei den Dienstanfängern eine richtige Einstellung zur konsequenten Durchsetzung der Befehle und Weisungen entwickeln. Es ist zu erreichen, dass sich die Dienstanfänger Grundfähigkeiten für die Durchführung von Abfertigungshandlungen und Kontrollverfahren und zur Durchführung zielgerichteter und differenzierter Zollkontrollen aneignen. Die fachliche Ausbildung muss das Auftreten und die Verhaltensweisen der Dienstanfänger für den operativen Dienst formen helfen, um sie zu befähigen, die erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten politisch richtig anzuwenden [...]. Die militärische Ausbildung und Körperertüchtigung hat dazu beizutragen, dass die neueingestellten Mitarbeiter zur bewussten militärischen Disziplin und Ordnung und zu physisch leistungsfähigen Kadern ausgebildet und erzogen werden. Ihnen ist bewusst zu machen, dass die Erreichung hoher Leistungen in der militärischen Ausbildung und Körperertüchtigung für die ständige Gewährleistung und Einsatzbereitschaft der Diensteinheiten und für die zuverlässige Erfüllung der Aufgaben der Zollverwaltung zum Schutz der DDR Vorraussetzung sind. [...] In der militärischen Körperertüchtigung steht die Zweikampf - und Kampfsportausbildung im Mittelpunkt. Insbesondere haben sich die Dienstanfänger die Grundelemente der Judoselbstverteidigung anzueignen und die Bedingungen für den Judogürtel Stufe II und für das Kampfsportabzeichen abzulegen.“71

Für die Durchführung der Lehrgänge standen den Bezirksver waltungen entsprechend dem zentralen Ausbildungsprogramm der Hauptver waltung ( Stand : 9. 8.1974) insgesamt 736 Stunden zur Verfügung, die sich wie in Tabelle 5 dargestellt, aufteilten. Anhand der Tabelle lässt sich verdeutlichen, dass bereits in dieser frühen Phase der Aus - und Weiterbildung von Zöllnern die Vermittlung der marxistischleninistischen Ideologie im Vordergrund stand. Während die zolltechnischen Unterrichtsteile von ständigen Ausbildern des Zolls durchgeführt wurden, standen zur Vermittlung des ideologischen Rüstzeugs „erfahrene Lektoren aus dem Partei - und Staatsapparat sowie von Hoch - und Fachschulen“72 zur Verfügung. Die mündlichen und schriftlichen Leistungen der Lehrgangsteilnehmer wurden benotet. Abschließend bekam jeder Teilnehmer ein Zeugnis ausgehändigt. Entsprechend der Kaderordnung wurden in den entsprechenden Bezirksverwaltungen zudem gründliche Beurteilungen über alle Teilnehmer erarbeitet und den

70 So wurden beispielsweise in den Bezirksver waltungen Frankfurt ( Oder ) und Dresden Dienstanfängern im Rahmen der Grundausbildung erste Kenntnisse der polnischen und tschechischen Sprache vermittelt, da sie unmittelbar an der Grenze zu den Nachbarstaaten Polen und ČSSR eingesetzt wurden. Vgl. Sozialistische Zollkontrolle, 3/1983, S. 13 ( Archiv Plessow ). 71 Institut der Zollver waltung der DDR, o. D. : Informationsmaterial der Abteilung Kader / Ausbildung der Zollver waltung der DDR ( BArch, DL 203, Az. 01–05–00, Ka. 166). 72 Sozialistische Zollkontrolle, 3/1983, S. 13 ( Archiv Plessow ).

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Kontrollierte Kontrolleure

Tabelle 5 : Verteilung der Ausbildungsstunden im Grundlehrgang73 Lehrstoff Stundenzahl Marxismus-Leninismus 205 Zollabfertigung und Kontrolle von Handelswaren/Umzugsgut 95 Militärische Ausbildung und Körperertüchtigung 76 Recht zur Verfolgung von Zoll- und Devisenverstößen 72 Grundfragen des sozialistischen Zollrechts 65 Zollkontrolle des Transitverkehrs 51 Zollkontrolle im Reiseverkehr 43 Grundfragen des operativ-taktischen Verhaltens in der 30 Zollkontrolle Bestimmungen über das Dienstverhältnis in der Zollverwaltung 24 Reservestunden zur Auswertung von ZK-Tagungen etc. 23 Aufgaben der Zollverwaltung und ihre Struktur 23 Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Postverkehrs 21 Eröffnung und Einführung 8

Leitern der zuständigen Dienststellen übersandt.74 Von Fall zu Fall wurde „unter Beachtung des [ im Grundlehrgang ] gezeigten Verhaltens“75 entschieden, an welcher Stelle die jungen Zollkontrolleure eingesetzt werden sollten. Dabei galt der Grundsatz, dass Dienstanfänger nicht zur Kontrolle des Ausreiseverkehrs vorgesehen waren. Offensichtlich war dieser Arbeitsbereich zu sensibel, sollte doch hier eine Grundaufgabenstellung – die Verhinderung von Fluchtversuchen – erfüllt werden. Zudem wurde auf Grundlage der Abschlussbeurteilung mit jedem einzelnen Zollkontrolleur an seiner Dienststelle ein gezieltes Kadergespräch geführt, das sich wiederum auf die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften konzentrierte. „Insgesamt ist der ganze Prozess der Werbung und Einstellungsbearbeitung sowie Einarbeitung von Dienstanfängern so zu gestalten, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, der Sicherheitspolitik der Partei treu ergebene Menschen auszuwählen, sie von der Bedeutsamkeit der Sicherheit zu überzeugen und sie für die Ver wirklichung der Pflichten für die innere Sicher73 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR, o. D. : Informationsmaterial der Abteilung Kader / Ausbildung der Zollver waltung der DDR ( BArch, DL 203, Az. 01–05–00, Ka. 166). 74 Vgl. Schreiben des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 24. 7. 1969 : Maßnahmeplan zur sofortigen Lösung von Hauptaufgaben auf dem Gebiet der Entwicklung der Kader in der Zollver waltung ( BArch, DL 203, Az. 01–05–00, Ka. 166). 75 Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 82).

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heit des Organs vom ersten Tag der Dienstaufnahme an zu gewinnen und zu befähigen. [...] Der Dienstanfänger muss zugleich spüren, dass er von Beginn an durch seine Vorgesetzten wie durch sein Dienstkollektiv unter ständiger Kontrolle steht.“76

3.2

Aus - und Weiterbildungsmaßnahmen im Dienstalltag

Die „politisch - fachliche Weiterbildung“ erfolgte für alle Zollmitarbeiter parallel zur Dienstausübung.77 Sie wurde von den Leitern der einzelnen Zollämter und Abteilungen organisiert und durchgeführt, also in der Regel von jenen Mitarbeitern in Schlüsselpositionen, die als IM oder OibE in engem Kontakt zur Staatssicherheit standen. Speziell für diesen Personenkreis organisierten die Abteilungen VI des MfS regelmäßig sogenannte „instruktiv - methodische Ausbildungstage“.78 Dabei gab der Staatssicherheitsdienst Schwerpunkte dafür vor, was die Führungskräfte des Zolls ihren Mitarbeitern an den Dienststellen weiter vermitteln sollten. Wichtigstes Kriterium war – wie bereits in der Grundausbildung – neben der Vermittlung zollpraktischer Fähigkeiten besonders die kommunistische Erziehung. Dies beinhaltete auch, den Mitarbeitern ständig vor Augen zu halten, dass sie in Ausübung ihrer Tätigkeit immerzu mit „feindlichen Kräften“ konfrontiert werden, auch wenn diese in der Regel nicht als solche zu erkennen sind. Aus heutiger Sicht scheint diese Bewertung extrem übertrieben, musste sie doch bei den Kontrolleuren beinahe zwangsläufig zu dem „paranoiden Bewusstsein“ führen, hinter jeder harmlosen Fassade eine Bedrohung zu wittern : „Die jungen Mitarbeiter der Zollver waltung verfügen von ihrem Ehrendienst in der NVA oder in anderen bewaffneten Organen her über ein Feindbild, das auch durch einen klaren klassenbewussten Hass gegen die militärischen Kräfte des Feindes geprägt ist. Der Mitarbeiter wird jedoch auf andere Weise mit dem Feind konfrontiert. Das Typische besteht darin, dass diese feindlichen Kräfte äußerlich nichts mit dem Erscheinungsbild der militärischen Aggressivität des Feindes gemeinsam haben und immer mehr durch biedermännisch getarnte äußerliche Erscheinungsformen gekennzeichnet sind.“79 Mit der ständigen Bedrohung durch einen „unsichtbaren Feind“ wurde auch die unbedingte Einhaltung von Ordnungen, Befehlen und Dienstanweisungen des Leiters der Zollver waltung begründet. Nur wenn sie exakt befolgt werden 76 Ebd., Bl. 83. 77 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollverwaltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 69). 78 HA VI des MfS vom 30. 1. 1986 : Stand und Wirksamkeit des Zusammenwirkens der PKE der HA VI mit den GZÄ der BV Zoll Berlin in Durchsetzung der Sicherheitserfordernisse an den GÜSt und des Befehls 7/80 des Leiters der Zollver waltung der DDR (BStU, MfS, HA VI 44, Bl. 81). 79 Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 369).

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würden, könnten „feindliche Aktivitäten“ überhaupt erkannt, aufgedeckt und unterbunden werden.80 Die Erörterung dienstlicher Vorgaben gehörte somit zu einem festen Bestandteil der Aus - und Weiterbildung. Deren praktische Umsetzung wurde regelmäßig trainiert und überprüft. Militärische Übungen ( Schießen, Zweikampftechnik, Umgang mit der militärischen Schutzausrüstung ) waren für die Zöllner ebenso alltäglich wie Tests zur Wirksamkeit der Zollkontrollen. Beispielsweise erfolgten an Flughafen - GÜSt ( aber auch an allen anderen Zollämtern ) regelmäßig „Testmaßnahmen zur Überprüfung der Wirksamkeit der Flugsicherheitskontrolle“.81 Die Zollamtsleiter werteten anschließend die Überprüfungsmaßnahmen gemeinsam mit den PKE - Kräften vor Ort aus und zogen entsprechende Schlussfolgerungen. Weitergehende praktische Schulungsmaßnahmen wurden für die „Spezialisten“ unter den Zöllnern durchgeführt. Dies betraf insbesondere Diensthundeführer und Röntgenkontrolleure wie auch Mitarbeiter, die zur „Terrorabwehr“ eingesetzt wurden.82 Neben solchen Schulungsmaßnahmen, die explizit auf die Qualifizierung der Zollkontrollen ausgerichtet waren, wurden zusätzliche Veranstaltungen durchgeführt, die eine Mischform aus praktischer und ideologischer Unter weisung darstellten. Jeder Arbeitstag begann für die Zollkontrolleure mit einer 15 - bis 20 - minütigen Einweisung. Zum einen dienten die Einweisungen schlicht der Verteilung anstehender Aufgaben. Zum anderen wurden aber auch „erfolgreiche“ Kontrollfeststellungen analysiert, die beteiligten Zöllner lobend erwähnt oder prämiert. Darüber hinaus standen den Führungskadern mit der täglichen Diensteinweisung aber auch „gute Möglichkeiten für die Erziehung und Befähigung [ der ] Angehörigen“83 zur Verfügung. Monatlich wurden an allen Zollämtern Weiterbildungsveranstaltungen „in Einheit von politischer und fachlicher Bildung, kommunistischer Erziehung und praktischer Befähigung“84 durchgeführt. Dazu stellte die Abteilung Ausbildung der Hauptverwaltung des Zolls Lehrmaterialien zur Verfügung, welche als Grundlage für die Gestaltung der Schulungsmaßnahmen dienten. Die Veranstaltungsleiter arbeiteten dabei Beispiele und Probleme der eigenen Dienststelle mit ein. Ebenfalls monatlich fanden „Dienstversammlungen zur Leistungseinschätzung der Dienstkollektive und der Angehörigen“85 statt. Hier wurde die Effektivität und Qualität der Kontrollen sowohl für die Dienstzüge als auch für jeden einzelnen Kontrolleur eingeschätzt und darüber 80 Vgl. ebd., Bl. 377. 81 HA VI des MfS vom 30. 1. 1986 : Stand und Wirksamkeit des Zusammenwirkens der PKE der HA VI mit den GZÄ der BV Zoll Berlin in Durchsetzung der Sicherheitserfordernisse an den GÜSt und des Befehls 7/80 des Leiters der Zollver waltung der DDR (BStU, MfS, HA VI 44, Bl. 81). 82 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 70). 83 Vgl. Schneider, Aufgaben der Führungskader. Diplomarbeit am Institut der Zollver waltung der DDR 1987, S. 21 f. ( Archiv Plessow ). 84 Ebd., S. 28. 85 Ebd., S. 35.

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beraten. Folgende Gesichtspunkte sollten laut Vorgabe des Leiters der Zollver waltung in die Bewertung mit einfließen : „Einsatzbereitschaft der Angehörigen, bewusste Disziplin, hoher Leistungswille sowie volle Wahrnehmung der übertragenen Verantwortung; das Auftreten und Verhalten im Kontrollprozess, das Gesamtverhalten im Kollektiv; die Qualität der Bearbeitung von Feststellungen sowie der rechtlichen Entscheidungen [...]; die Gewährleistung einer hohen Sicherheit in der Arbeit, Einhaltung der Prinzipien der inneren Ordnung, Sicherheit und Wachsamkeit.“86 Insgesamt war an den einzelnen Dienststellen des Zolls beinahe ein Viertel der formalen Arbeitszeit der Mitarbeiter für Aus - und Weiterbildungsmaßnahmen vorgesehen. „Eine grobe Überschlagsrechnung der monatlich aufgewandten Zeit für aufgabenbezogene Weiterbildungsveranstaltungen (9 Stunden ), Dienstversammlungen (2 Stunden ), tägliche Diensteinweisungen (15 Minuten ) und zeitlich nicht messbare individuelle Erläuterungen von Weisungen, militärische Ausbildung (2 Stunden ), Dienstort (2 Stunden ), weitere außerordentliche dienstliche Zusammenkünfte, für Teilnahme an einem Fernstudium, an Spezialausbildungen ( Hundeführer, spezielle Erfahrungsaustausche usw.) vorgeschriebene Belehrungen über Weisungen, Übungen zur Überprüfung der Einsatzbereitschaft für besondere Situationen, Neuererberatungen – Partei - bzw. FDJ - Versammlungen und - lehrgang nicht einberechnet – ergibt 30–35 Stunden für Befähigungsmaßnahmen“.87

3.3

Erziehungsaufgaben der Parteiorganisation in der Zollverwaltung

Wie in den anderen „bewaffneten Organen“ war die Erziehungsarbeit auch in der Zollverwaltung darauf gerichtet, den Kontrolleuren eine staatstreue Haltung zu vermitteln. „Das verlangt, das bedingungslose Vertrauen in die Partei und die uneingeschränkte Anerkennung der Richtigkeit ihrer Politik unter allen Angehörigen ständig zu festigen und allen Angriffen auf die Partei sowie jeglichen Versuchen einer Untergrabung ihrer Autorität offensiv und kämpferisch zu begegnen.“88 Die „führende Rolle der Partei“ war bereits im Zollgesetz der DDR juristisch verankert. Darin hieß es, das Zollwesen solle dazu beitragen, die Deutsche Demokratische Republik – und damit die SED – zu stärken und zu sichern.89 Die im Programm und im Statut der SED verfassten Normen dienten der Kader86 Orientierungen des Leiters der Zollver waltung der DDR für die Einschätzung der Leistungen der Angehörigen durch die Führungskader vom 30. 7. 1985. In : Offelmann, Leistungsbewertung und ihre Nutzung. Diplomarbeit am Institut der Zollver waltung der DDR 1988, S. 8 ( Archiv Plessow ). 87 Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 107). 88 Ebd., Bl. 20. 89 Vgl. Zollgesetz der DDR vom 28. 3. 1962, Gbl. I Nr. 3, S. 42.

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abteilung als Grundlage für die Vermittlung eines „sozialistischen Klassenbewusstseins“ sowie für eine „sozialistische Lebensweise und Moral“ der Zöllner. Ordnungen, Befehle und Weisungen des Leiters und die darin festgelegten Pflichten, Verhaltensanforderungen und Aufgabenstellungen sollten von den Zollmitarbeitern als „Ausdruck des Willens der Partei und seiner Durchsetzung“ verstanden werden. Die SED war in allen volkseigenen Betrieben, Ver waltungen und Institutionen der DDR, in denen drei oder mehr Mitglieder der SED arbeiteten, mit eigenen Betriebsparteiorganisationen vertreten.90 Diese sollten die „führende Rolle der Partei der Arbeiterklasse“ bis in die untersten Ebenen ihrer Betriebe und Ver waltungen durchsetzen und allen Mitarbeitern – auch den parteilosen – durch politische Propaganda die Ziele der SED nahe bringen und sie zu hohen Leistungen an ihrem Arbeitsplatz motivieren. Die Betriebsparteiorganisationen besaßen laut Statut der SED seit 1954 das Recht zur Kontrolle über die Tätigkeit der Betriebsleitungen und sollten die Durchführung der Arbeitspläne über wachen.91 Auch in der Zollver waltung der DDR war die SED vertreten. Bis Anfang der 1960er Jahre war die Parteiarbeit zumindest in der Hauptver waltung der Zollver waltung allerdings wenig effektiv. In einer Einschätzung der Leitung der Grundorganisation der SED heißt es : „So zeigt uns die Praxis, dass die Führungstätigkeit der Parteiorganisationen noch in der allgemeinen unkonkreten Leitungstätigkeit stecken bleibt. Sie hilft noch völlig unzureichend, durch konkrete politisch - ideologische Arbeit die zentralen staatlichen Aufgaben durchzusetzen. [...] Die gegenwärtige Lage ist so, dass ein Teil der Parteiorganisationen der Zollver waltung den Büros für Industrie und Bauwesen sowie ein anderer Teil noch den Abteilungen Sicherheit in den Bezirks - und Kreisleitungen unterstehen.“92 Dies sollte sich mit der Einführung einer „Richtlinie über die Leitung der Parteiarbeit und den Parteiaufbau in der Zollver waltung der DDR“ im Jahr 1964 ändern, indem die Rechte der Parteileitungen deutlich erweitert und einheitliche Strukturen in der gesamten Zollver waltung eingeführt wurden. Fortan existierten in der Hauptver waltung des Zolls sowie in der Bezirksver waltung Berlin Parteiorganisationen mit zentralen Parteileitungen. In den anderen Bezirksver waltungen und am Institut der Zollverwaltung sowie in den Zollämtern und weiteren Dienststellen wurden Grundorganisationen der SED gebildet. „Entspre-

90 Vgl. Schumann, Parteiorganisation, S. 106. 91 Diese Kontrollbefugnis galt allerdings nicht für die Parteiorganisationen im Staatsapparat. Erklärt wurde dies mit der Begründung, dass dort „besondere Arbeitsbedingungen“ herrschten. Dort waren sie lediglich berechtigt, Arbeitsmängel in ihrer Institution Parteimitgliedern in leitenden Positionen dieser Institution, dem ZK der SED oder anderen ihnen übergeordneten Parteiinstanzen zu melden. Vgl. ebd., S. 107. 92 Schreiben der Leitung Grundorganisation der SED in der Zollver waltung der DDR an das Zentralkomitee der SED, Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel, vom 1. 7. 1963 ( BArch, DY 30/ IVA 2/6.10, 46).

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chend der dienstlichen Struktur untergliedern sich die Parteiorganisationen in Grundorganisationen, Abteilungsparteiorganisationen und Parteigruppen.“93 Verantwortlich für die politische Führung und Kontrolle der Parteiorganisationen war die Abteilung für Sicherheitsfragen des ZK der SED. Sie wurde durch einen Parteiorganisator vor Ort vertreten. Er war der oberste Vertreter der Partei in der Zollver waltung. Der erste Parteiorganisator seit Gründung der Zollver waltung, Heinz Köhler, wurde 1970 wegen „unmoralischen Verhaltens“ von seiner Funktion entbunden. Im Arbeitsprotokoll Nr. 99 des Sekretariats des ZK der SED vom 17. November 1970 hieß es diesbezüglich : „Er unterhielt ein außereheliches Verhältnis zu einer Ärztin der Zollver waltung und ist nicht bereit, dieses zu lösen – auch nicht bei drohendem Ausschluss aus der SED. Als sein Nachfolger wurde Zolloberrat Fritz Sturm vorgesehen, der zu dem Zeitpunkt [ an ] einem Dreijahreslehrgang an der Parteischule der KPdSU teilnimmt und im Juli 1971 zurückkehrt.“94 Der Parteiorganisator führte Beratungen und Schulungen mit Parteifunktionären der Partei - und Grundorganisationen der Zollver waltung durch. Zudem analysierte er, wie die Beschlüsse der SED im Zoll umgesetzt wurden. „Zur Beratung und Erläuterung politischer und ideologischer Grundaufgaben, die in Auswertung und Durchführung von Beschlüssen der Parteiführung für die Gesamtaufgabenstellung und Entwicklung der Zollverwaltung der DDR von entscheidender Bedeutung sind, können mit Zustimmung der Abteilung für Sicherheitsfragen des ZK zentrale Parteiaktivtagungen95 – unter Einbeziehung der Grundorganisationen in der Hauptver waltung, in den Bezirksver waltungen, am Institut sowie in den Zollämtern und den anderen Dienststellen – durchgeführt werden.“96 Die Kaderabteilung des Zolls sah die Parteiorganisation als „Kern und entscheidenden Impulsgeber“ für ein hohes Niveau der inneren Sicherheit im Personalbestand.97 Insbesondere die Führungskräfte waren angewiesen, sich bei 93 Richtlinie über die Leitung der Parteiarbeit und den Parteiaufbau in der Zollver waltung aus dem Jahr 1986 ( BArch, DY 30/ J IV 2/3, 4646). 94 Arbeitsprotokoll des Sekretariats des ZK der SED vom 17. 11. 1970 ( BArch, DY 30/ J IV 2/3A ). 95 „Die Parteiaktivtagung war eine Veranstaltung und Methode der Massenmobilisierung innerhalb der SED; sie wurde zur raschen, einheitlichen Orientierung und Formierung der Parteikräfte eingesetzt. Die Parteiaktivtagungen wurden [...] einberufen, um außerordentliche Aufgaben zu beraten bzw. über diese zu informieren und um für die Lösung bestimmter Schwerpunktaufgaben die Kräfte zu aktivieren und zu konzentrieren. Zu diesen Zusammenkünften traf sich das ‚Parteiaktiv‘ des [...] Bereichs : die Leitungsmitglieder sowie erprobte Genossen aus den Parteikollektiven, die entsprechend der jeweiligen Aufgabenstellung ausgewählt wurden. Die Beschlüsse einer Parteiaktivtagung bedurften der Zustimmung der Parteileitung, die sie einberufen hatte.“ Zit. nach Herbst / Ranke / Winkler, So funktionierte die DDR, Band 2, S. 782 f. 96 Richtlinie über die Leitung der Parteiarbeit und den Parteiaufbau in der Zollver waltung aus dem Jahr 1986 ( BArch, DY 30/ J IV 2/3, 4646). 97 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 21).

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der Einzelleitung ihres Bereichs in Führungs - und Erziehungsfragen konsequent von den „Interessen der Partei“ leiten zu lassen.98 Jeder Vorgesetzte stand daher in enger Verbindung zu dem örtlichen Parteisekretär. „Mit dem Parteisekretär sind Schwerpunkte der politisch - ideologischen Arbeit entsprechend den zu lösenden Aufgaben sowie den Erfordernissen zu beraten.“99 Die Vorgesetzten waren verpflichtet, die Parteisekretäre regelmäßig über den Stand der inneren Sicherheit in ihren Dienstbereichen zu informieren, gegebenenfalls auch die Parteileitung diesbezüglich zu unterrichten und auf deren Wunsch die ganze Parteiorganisation mit bedeutenden Vorgängen zur inneren Sicherheit ( positiver wie negativer Natur ) vertraut zu machen. Bei Pflichtverletzungen von Zollmitarbeitern musste sich der Vorgesetzte mit dem Parteisekretär auf abgestimmte Maßnahmen einigen. Außerdem musste er Hinweisen des Parteisekretärs über mögliche Pflichtverletzungen einzelner Zöllner nachgehen. „Alle Leiter haben die ihnen übertragenen Aufgaben der Anleitung und Kontrolle planmäßig, qualitäts - und termingerecht eigenverantwortlich durchzusetzen und ständig den Stand und die Wirksamkeit des Befähigt - und Vorbereitetseins zu prüfen. Sie haben zugleich die Hilfe und Kraft der Parteiorganisation auch als ‚Kontrollinstrument‘ zu nutzen und in enger Zusammenarbeit mit den Parteisekretären oder Gruppenorganisatoren alle Maßnahmen der Anleitung und Kontrolle einheitlich nach den Maßstäben von Höchstleistungen im Befähigt - und Vorbereitetsein zu orientieren.“100 Jeder Mitarbeiter wurde in regelmäßigen Abständen bezüglich seiner „sozialistischen Arbeits - und Lebensweise“ beurteilt. Dabei sollten Aussagen über das „klassenmäßige Auftreten“, die „Grundeinstellung des Angehörigen zur Disziplin, Ordnung und Sicherheit“ sowie die gezeigten Leistungen und erreichten Arbeitsergebnisse getroffen werden. Die Kaderabteilung der Zollver waltung stimmte sich bezüglich der Einschätzung mit den zuständigen Parteileitungen ab. Führungspersonal wurde in der Regel alle fünf Jahre beurteilt, der übrige Personalbestand im Abstand von drei Jahren. Positive Beurteilungen konnten sich für die einzelnen Zöllner sprichwörtlich auszahlen, da nicht selten die Erhöhung der Gehaltsstufe von einer positiven Beurteilung abhing.101 Um innerhalb der Zollverwaltung Karriere zu machen, war die Mitgliedschaft in der Partei eine Grundvoraussetzung. Ein höherer Dienstgrad102 ( angefangen 98 Vgl. ebd. 99 Ebd., Bl. 154. 100 HA VI, o. D. : Führungs - und leitungsmäßige Anforderungen zur Gewährleistung des Befähigt - und Vorbereitetseins der Grenzsicherungskräfte ( BStU, MfS, HA VI 130, Bl. 46). 101 Vgl. Zollver waltung der DDR, Bereich Kader / Ausbildung, vom 8. 9. 1988 : Zur Dienstlaufbahn in der Zollver waltung und dem leistungsorientierten Gehaltssystem ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 88). 102 In der Zollver waltung der DDR gab es folgende Dienstgrade ( in aufsteigender Reihenfolge ) : Zollwachtmeister, Zollober wachtmeister, Zollhauptwachtmeister, Zollassistent, Zolloberassistent, Zolluntersekretär, Zollsekretär, Zollobersekretär, Zollunterkommissar, Zollkommissar, Zolloberkommissar, Zollhauptkommissar, Zollrat, Zolloberrat, Zoll-

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Exkurs : Gelenkte Gedanken

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beim Zollkommissar ) wurde nur an Zöllner vergeben, die ein Studium am Institut der Zollver waltung absolviert hatten, was wiederum die Mitgliedschaft in der SED und damit eine regelmäßige Teilnahme an Parteiversammlungen bedingte. Das Institut der Zollver waltung war die zentrale Ausbildungsstätte für künftige Führungskräfte. Der folgende Exkurs verdeutlicht, dass dort die eben benannten Ausbildungs - und Erziehungskriterien besonders streng umgesetzt wurden. Zugleich lässt sich anhand der Genese des Instituts aufzeigen, wie der Einfluss der Staatssicherheit auf die Durchsetzung dieser Kriterien immer weiter zunahm.

4.

Exkurs : Gelenkte Gedanken – Aus - und Weiterbildung am Institut der Zollverwaltung „Heinrich Rau“

Die Ausbildung von hoch qualifizierten und „der SED treu ergebenen“ Führungskräften innerhalb der Zollver waltung war unmittelbar mit dem Ort Plessow verbunden. Unweit von Potsdam entstand ab Herbst 1963 in und um die Gemäuer eines ehemaligen Ritterguts die „Kaderschmiede“ des DDR - Zolls. Ab 1965 als Fachschule, ab 1981 als Hochschule anerkannt, wurden dort vor allem Zollamtsleiter, Abteilungsleiter und Personal für weitere leitende Dienststellen aus - und weitergebildet.103

4.1

Von der Gründung erster Zollschulen zum Institut der Zollverwaltung „Heinrich Rau“

Die Ausbildung der Kontrollkräfte des Amtes zur Kontrolle des Warenverkehrs sowie des Amtes für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs erfolgte zunächst unter widrigen Bedingungen und auf bescheidenem Niveau. Die erste Zollschule des AKW entstand am 3. November 1951 in angemieteten Räumlichkeiten eines FDGB - Ferienheims in Zinnowitz. Die Ausbildung konnte lediglich in den Wintermonaten erfolgen, da nur zu diesem Zeitpunkt das Ferienheim leer stand. Aufgrund des akuten Lehrermangels vermittelten mehrheitlich die besten Schüler vorangegangener Lehrgänge elementare Grundkenntnisse aus den Bereichen Gesellschaftskunde, Organisation und Technik, Außenhandel, Warenkunde, Gesetzeskunde sowie Vernehmungstechnik. Mit Gründung des AZKW mussten komplexere und langfristige Lehrgänge durchgeführt werden können, um den neuen Anforderungen der Kontrolle des steigenden Außenhandels sowie des innerdeutschen Handels gewachsen zu sein. inspekteur, Zollchef inspekteur. Aus : Amt für Zoll und Kontrolle des Wahrenverkehrs (Hg.), Handbuch für den Zolldienst, Berlin 1960, S. 493. 103 Vgl. Vortrag des Leiters der Abteilung Kader vom 30. 3. 1978 ( BArch, DL 203, Az. 01– 05–00, Ka. 166).

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Kontrollierte Kontrolleure

Ab dem 1. Juli 1954 wurde dafür in Cöthen mit dem Bau einer zolleigenen Internatsschule begonnen. Vier Monate später wurde die Schule des AZKW eröffnet und ein erster Halbjahreslehrgang für Schichtleiter an Zollämtern angeboten. Weil der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern ständig größer wurde, konnten in Cöthen allerdings bald nicht mehr genügend Nachwuchskräfte ausgebildet werden, so dass Mitte des Jahres 1958 die Schule erneut verlegt wurde. Von nun an fand die Aus - und Weiterbildung von Zolloffizieren in Johanngeorgenstadt statt. Auch qualitativ wurde die Ausbildung komplexer. Den Schülern wurden ein „gesichertes marxistisch - leninistisches Grundwissen“, Grundfragen der Leitungstätigkeit sowie Kenntnisse aus den Bereichen Grenz - und Binnenkontrolle, Untersuchung, Strafrecht, „politisch - ökonomische Geografie“, Deutsch und Mathematik vermittelt. Darüber hinaus wurden die Zolloffiziere militärisch ausgebildet, worunter auch die tägliche sportliche Betätigung fiel. Ab dem 30. April 1962 trug die Zollschule den „Ehrennamen“ des im Jahr zuvor verstorbenen Ministers für Außenhandel und Innerdeutschen Handel, Heinrich Rau. In den folgenden Jahren haben sich die Ausbildungsinhalte nochmals erweitert. Spezielle Fächer wie Strafrecht und Strafverfahrensrecht, Kriminalistik, Grundfragen des Zollrechts, Zollrecht der DDR sowie allgemeine Disziplinen wie Physik, Chemie, Pädagogik und Psychologie kamen hinzu. Mit dem Bau der Berliner Mauer entstand eine neue Situation im grenzüberschreitenden sowie innerdeutschen Verkehr, die im Zollgesetz der DDR vom 28. März 1962 ihren Ausdruck fand. Kurz - und längerfristige Qualifizierungslehrgänge entsprachen laut Einschätzung der Leitung der Zollver waltung nicht mehr den kader - und sicherheitspolitischen Umständen. Während der Vorbereitungen zu dem Gesetz über das „einheitliche sozialistische Bildungssystem“, das am 25. Februar 1965 in Kraft trat, wurde die Schule der Zollver waltung nach Plessow bei Potsdam verlegt. Künftig sollten in dieser zentral gelegenen Ausbildungsstätte dreijährige Lehrgänge stattfinden, die einer Fachschulausbildung gleichkamen. Am 16. Oktober 1965 bekam die Schule schließlich den Status einer Fachschule zuerkannt. In Folge dessen wurden die Lehrpläne ständig präzisiert. Neben einer Hinwendung zu zollspezifischen Ausbildungsfächern stieg der Anteil des marxistisch - leninistischen Unterrichts auf 34 Prozent. Spätestens ab Beginn der 1970er Jahre bildete die „politisch - ideologische Stählung“ der Führungskader den absoluten Ausbildungsschwerpunkt. Gleichzeitig reiften innerhalb des Lehrkörpers wie auch im Führungsstab der Zollver waltung Überlegungen, die Ausbildung generell auf einem „höheren Niveau“ sicherzustellen. Zwischen 1974 und 1976 wurden daher unter anderem eine Sporthalle, ein Internat sowie ein Hörsaal und Küchenkomplex ihrer Bestimmung übergeben. Es entstanden Lehrkabinette mit diversen Anschauungs - und Kontrollmodellen. Jeder Student erlangte während seines Studiums beispielsweise die „Röntgenbefähigung“. Auch die Lebensbedingungen und Freizeitangebote verbesserten sich ständig. Auf dem Gelände der Zollschule entstanden unter anderem ein Kino, eine Sauna, ein Klub mit

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Exkurs : Gelenkte Gedanken

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Restaurant sowie eine Kantine mit reichhaltigem Essensangebot.104 Entscheidend aber war, dass sich das wissenschaftlich - theoretische Niveau der Lehrenden deutlich erhöhte. Von 1968 bis 1979 wurden sechs promovierte Lehrer eingestellt und weitere sechs Lehrer zur Promotion an zivilen Hochschulen bzw. Universitäten geführt. Damit wuchs der Anteil promovierter Dozenten am Lehrkörper in diesem Zeitraum von acht auf 25 Prozent an. Lag der Personalbestand an der alten Zollschule in Johanngeorgenstadt noch bei 70 Mitarbeitern, erhöhte sich dieser kontinuierlich und erreichte im Jahr 1980 den Stand von 137 Beschäftigten. Diese Entwicklung unterstreicht den ständig wachsenden Bedarf an Fachschulkadern ebenso wie die Tatsache, dass die Ausbildungsdauer der Zolloffiziere ab dem vierten Direktlehrgang auf zwei Studienjahre verkürzt wurde – ohne dabei Abstriche bei den Inhalten zu machen. Die unternommenen Bemühungen, den Lehrkörper weiter zu qualifizieren und das Unterrichtsniveau weiter anzuheben, führten schließlich zur Gründung des Instituts der Zollver waltung am 1. Januar 1981.105 Mit Herausgabe der Ordnung 4/84 des Leiters der Zollver waltung vom 26. September 1984 erfolgte die Fachschulausbildung künftig nur noch im Fernstudium.106 Ziel und schließlich auch Praxis war es, dass sämtliche Kontrolleure weiterhin an den Zollämtern ihren Dienst verrichteten und zeitgleich einen Fachschulabschluss erlangten. In Plessow selbst wurden Zollmitarbeiter in einem dreijährigen Direktstudium zum Hochschulabschluss „Diplom - Staatswissenschaftler“ geführt. In sieben Hochschuldirektlehrgängen schlossen zukünftige Zollamtsleiter, Führungskader und Offiziere der Hauptver waltung und der Bezirksver waltungen ihr Studium ab. Von Mitarbeitern des Lehrkörpers wurden zudem 27 Promotionsverfahren A und acht Promotionsverfahren B durchgeführt. Der Anteil promovierter Mitarbeiter am Institut erhöhte sich stetig und lag schließlich bei 64 Prozent im Jahr 1990. Allein für die Besoldung der 200 Studenten sowie 166 Beschäftigten107 brachte die Zollver waltung jährlich finanzielle Mittel in Höhe von knapp fünf Millionen Mark auf.108 Hinzu kamen Mittel in Höhe von über 150 000 Mark pro Jahr für die 20 Zivilplanstellen.109

104 Vgl. Arbeitsübersetzung eines Artikels aus der Zeitschrift „Clo Douane“, 4/81 vom 7. 5. 1981 ( BStU, MfS, HA VI 3598, Bl. 113). 105 Vgl. Gründungsurkunde des Instituts der Zollver waltung ( Archiv Plessow ). 106 Vgl. Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987, Bl. 22 ( Archiv Plessow ). 107 Vgl. Schreiben des Leiter des Bereichs Kader / Ausbildung der Zollver waltung der DDR an den Leiter der Zollver waltung der DDR, o. D. : Stellenplanvorschlag für das Institut der Zollver waltung der DDR „Heinrich Rau“ ( BStU, MfS HA VI 3585, Bl. 31). 108 Vgl. ebd., Bl. 41. 109 Vgl. ebd., Bl. 42.

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Aufgaben des „Bildungszentrums der Zollverwaltung“

„Unerschütterliche Treue und Ergebenheit gegenüber unserer Partei“110 – Ausbildung und Erziehung von künftigen Führungskadern „Es sind solche Charakterzüge zu entwickeln und zu festigen, wie Parteilichkeit, Wachsamkeit, Standhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Bescheidenheit und moralische Sauberkeit, revolutionäre Begeisterung und Ausdauer, Einsatzbereitschaft, Prinzipienfestigkeit, Elastizität, kämpferisches Eintreten für die Verwirklichung der Politik der Partei und konsequente Haltung gegenüber der Ideologie des Klassenfeindes sowie gegenüber Mängeln, Schlendrian und Spießertum.“111 Dieser kurze Auszug aus dem Lehrprogramm für das Fachschuldirektstudium aus dem Jahr 1968 unterstreicht den elitären Anspruch, der bereits zu diesem Zeitpunkt in der Bildungseinrichtung bestand. Oberstes Ziel jeglicher Bildungs - und Erziehungsarbeit an der Fachschule und später am Institut der Zollver waltung war die „politisch - ideologische Stählung“ der künftigen Führungskräfte. Im Hochschulstudium umfasste das marxistischleninistische Grundlagenstudium zirka 1900 Stunden und bildete somit vor der zolldienstlichen Ausbildung mit zirka 1750 Stunden, der rechtswissenschaftlichen Ausbildung mit zirka 1700 Stunden und der militärischen Ausbildung mit zirka 540 Stunden den absoluten Schwerpunkt. Auch im Fachschulstudium bildete die marxistisch - leninistische Ausbildung mit zirka 570 Stunden den Schwerpunkt der einzelnen Lehrdisziplinen.112 Nachdem es bereits vier Abteilungsparteiorganisationen gab, die der Grundorganisation der SED in der Hauptver waltung des Zolls unterstanden,113 wurde an der Fachschule 1978 eine selbstständige Grundorganisation gebildet. Nach dem Verständnis der Parteiorganisation war „ein Offizier der Zollver waltung in erster Linie Kommunist [...], ein politischer Funktionär [ des ] Arbeiter - und - Bauern - Staates.“114 Die Basis für das erfolgreiche Wirken jedes Vorgesetzten war folglich seine Parteiorganisation. Der Einfluss der Partei konnte in den Folgejahren weiter gesteigert werden. Der Parteiorganisator des ZK der SED in der

110 Vgl. Erläuterungen zu den Aufgaben des Instituts anlässlich des Besuchs des Leiters der Zollver waltung der Volksrepublik Bulgarien am 13. 10. 1981, Bl. 5 ( Archiv Plessow ). 111 Lehrprogramm für das dreijährige Fachschulstudium von Oktober 1968, Bl. 5 ( Archiv Plessow ). 112 Vgl. Erläuterungen zu den Aufgaben des Instituts anlässlich des Besuchs des Leiters der Zollver waltung der Volksrepublik Bulgarien am 13. 10. 1981, Bl. 6–8 ( Archiv Plessow ). 113 Vgl. MfS - Arbeitsakte Dieter Rutsch, Zollver waltung der DDR, Fachschule Plessow, vom 20. 11. 1975 : Protokoll zur Beratung mit den Führungskadern der Fachschule zu Schlussfolgerungen aus dem 15. Plenum für die Weitergestaltung der ideologischen Erziehungsarbeit und Führungstätigkeit ( BStU, MfS, AIM 6886/78 Teil II Band 1, Bl. 252). 114 Vgl. Leitung der Grundorganisation der SED in der Hauptver waltung der Zollver waltung der DDR vom 18. 11. 1976 : Gesprächskonzeption für die Beratung mit den APO Sekretären von verantwortlichen Kadern der operativen Bereiche der Hauptver waltung über Aufgaben und Erfahrungen bei der Ver wirklichung der vom IX. Parteitag geforderten komplexen Führungstätigkeit der Partei ( ebd., Bl. 335).

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Zollver waltung zieht in einem Bericht über einen Einsatz an der Fachschule der Zollver waltung vom 14. Juli 1980 folgendes Fazit : „Es kann eingeschätzt werden, dass sich auf der Grundlage der Kaderprogramme der Fachschule und der entsprechenden Maßnahmen der Leitung der Grundorganisation die wissenschaftliche Qualifizierung und die politische Reife des Lehrkörpers gut entwickelt haben [...]. Der Lehrkörper setzt sich aus Genossen zusammen, die der Partei treu ergeben sind und für die eine große Aufgeschlossenheit und Leistungsbereitschaft zur Erfüllung hoher Anforderungen in der Bildungs - und Erziehungsarbeit charakteristisch ist. Die Studenten der Fachschul - Direktlehrgänge sind junge Kommunisten mit einer kämpferischen Einstellung zu ihrem Studienauftrag als Parteiauftrag. Sie erhalten ein solides theoretisch - ideologisches und politisch - operatives Fundament für ihre künftige Führungstätigkeit und Parteiarbeit. Sie festigen dabei ihre klassenmäßigen und moralisch - charakterlichen Eigenschaften und Fähigkeiten.“115

Neben der gezielten ideologischen Beeinflussung sollte der streng geregelte Tagesablauf zur Entwicklung und Festigung oben genannter Eigenschaften beitragen. Das Studium erfolgte unter Bedingungen, die in weiten Teilen den Abläufen in Militärkasernen glichen. Morgen - und Abendappell, Frühsport, Wachestehen, Ausgangsperren und weitere Merkmale militärischen Drills wurden den Zöllnern verordnet. Alle zwei Wochen gab es Wochenendurlaub, nach Abschluss eines Studienjahres einen zusammenhängenden Jahresurlaub von drei Wochen. Die eigentliche fachliche Ausbildung auf dem Gebiet des Zoll - und Strafrechts, der Kriminalistik sowie der Kontrollpraxis trat immer stärker in den Hintergrund. Diese Verschiebung der Prioritäten wurde seitens der Leiterebene der Zollver waltung folgendermaßen begründet : „Die Studenten müssen sich eine hohe Moral, eine kommunistische Lebensweise anerziehen. Natürlich sind die [...] fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten von großer Bedeutung. Sie können jedoch nur durch Menschen realisiert werden, die auch durch ihre persönliche Lebensweise, ihr Verhalten, ihren Charakter das Recht besitzen, sich Führungskader zu nennen.“116 Weiterbildung von Führungskadern Am Institut der Zollver waltung wurden auch Lehrgänge durchgeführt, die der „planmäßigen Weiterbildung“ leitender Kader dienten. In der Regel besuchte jeder Zollamtsleiter und jeder Führungskader der Hauptver waltung bzw. der Bezirksver waltungen alle drei Jahre einen Lehrgang in Plessow. Die dort durchgeführten Weiterbildungsmaßnahmen dauerten zwischen zwei und vier Wochen und waren mit je 20 bis 30 „Genossen“ besetzt. „In den Lehrgängen wurden aktuelle Fragen der Politik und des Kampfes der Partei, neue gesellschaftswis115 Vgl. Schreiben des Parteiorganisators des ZK der SED in der Zollver waltung der DDR vom 24. 7. 1980 : Bericht über den Einsatz an der Fachschule der Zollver waltung „Heinrich Rau“ ( BStU, MfS, HA VI 3584, Bl. 38–39). 116 Referat des Leiters der Fachschule der Zollver waltung „Heinrich Rau“ zum Jahreswechsel 1979/80, o. D. ( BStU, MfS, HA VI 3585, Bl. 48).

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senschaftliche Erkenntnisse und vor allem neue Erfahrungen aus der Führung der zolldienstlichen Arbeit vermittelt. Der Unterricht wurde durch Vertreter zentraler Partei - und Staatsorgane, durch leitende Offiziere der Hauptver waltung, durch Hochschullehrer und wissenschaftliche Mitarbeiter anderer Bildungseinrichtungen und auch durch Lehrer [ des ] Instituts durchgeführt.“117 Auch Gastlektoren des MfS waren für die Weiterbildung von Führungskadern verantwortlich.118 Erfüllung von Forschungsaufgaben auf dem Gebiet des „sozialistischen Zollwesens“ Forschung fand an der Bildungseinrichtung der Zollver waltung wie an Hochschulen der DDR allgemein üblich unter der Bedingung statt, dass die Aneignung von Wissen bestimmten Auf lagen oblag. Das bedeutet beispielsweise, dass für den Gebrauch der Lehrmittel strenge Sicherheitskriterien galten. Ausgeliehene Bücher aus der 40 000 Bände umfassenden Bibliothek119 durften nicht unter den Studenten weitergegeben werden. Doch die Fachschule bzw. das Institut der Zollver waltung war – ungleich den anderen Hochschulen – die Bildungsstätte eines „bewaffneten Organs“. Dies bedingte, dass die gesamte Abfassung der Abschlussarbeiten aus Sicherheitsgründen im Institut erfolgen musste. Die Frage, ob Dissertationen und Diplomarbeiten in wissenschaftlichen Einrichtungen außerhalb der Zollver waltung zugänglich sein durften, wurde von Fall zu Fall durch die Leitung geprüft.120 Die Forschungstätigkeit am Institut der Zollver waltung weist eine interessante Besonderheit auf : In Plessow wurde versucht – nach den Prinzipien unterschiedlicher Denkschulen im geisteswissenschaftlichen Bereich – eine eigene, zollspezifische „Ideologie“ zu begründen. Ziel war es demnach, den „prinzipiellen Unterschied zum kapitalistischen Zollwesen“ herauszuarbeiten und für eine „Entlar vung des kapitalistischen Zollwesens, seiner reaktionären Funktionen und Wirkungsweise und der Rolle imperialistischer Zollorgane im politischen Machtmechanismus des Imperialismus“ zu sorgen.121 Auch wenn dieses ambitionierte Forschungsziel nie erreicht wurde, erstellten die Studenten und Mitar-

117 Vgl. Erläuterungen zu den Aufgaben des Instituts anlässlich des Besuchs des Leiters der Zollver waltung der Volksrepublik Bulgarien am 13. 10. 1981, Bl. 17 ( Archiv Plessow ). 118 Vgl. Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 362). 119 Vgl. Arbeitsübersetzung eines Artikels aus der Zeitschrift „Clo Douane“, 4/81 vom 7. 5. 1981 ( BStU, MfS, HA VI 3598, Bl. 112). 120 Vgl. Schreiben der Abteilung Forschung des Institut der Zollverwaltung der DDR „Heinrich Rau“ vom 14. 9. 1988 : Festlegungen zur Erhöhung der Ordnung, Sicherheit und Geheimhaltung im Umgang mit Forschungsmaterialien sowie anderen dienstlichen Materialien ( BStU, MfS, HA VI 3589, Bl. 10). 121 Vgl. Erläuterungen zu den Aufgaben des Instituts anlässlich des Besuchs des Leiters der Zollver waltung der Volksrepublik Bulgarien am 13. 10. 1981, Bl. 18 ( Archiv Plessow ).

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beiter der Bildungsstätte des Zolls zumindest wissenschaftliche Abhandlungen, die nicht selten „auch für die Lösung der Aufgaben des MfS“122 von Nutzen waren.

4.3

Der Einfluss des MfS auf das Institut der Zollverwaltung

Militärische Absicherung des Instituts Da es sich beim Institut der Zollver waltung um ein „Objekt der bewaffneten Organe der DDR“ handelte, wurde die Zollschule gleich einer militärischen Einrichtung streng von äußeren Einflüssen abgeschirmt. Verschiedene Posten waren für die „Ordnung und Sicherheit“ verantwortlich, darunter Aus - und Einlassposten sowie Streifenposten, die über das Gelände patrouillierten. Das gesamte Institut war umzäunt und mit einer mehrstufigen Zaunsicherungsanlage ausgestattet, die durch einen Stolperdraht Alarm auslöste.123 Besucher des Instituts erhielten nur gegen Abgabe des Personalausweises einen Passierschein. Anschließend wurden sie von einem zuständigen Mitarbeiter abgeholt und durften sich nicht selbstständig auf dem Gelände bewegen. Für etwaige Reparatur und Instandhaltungsarbeiten wurden ausschließlich namentlich bekannte und nach strengen Sicherheitskriterien überprüfte Handwerker bestellt.124 Ein unbefugtes Betreten war somit nahezu ausgeschlossen. Dennoch kamen die Posten hin und wieder in Kontakt mit Bürgern, die sich bewusst oder unbewusst dem „Sicherheitsobjekt“ näherten und auffällig wurden, da sie die Wachen grundlos ansprachen oder Kommentare abgaben. Solche Ereignisse wurden durch die Posten schriftlich festgehalten und zusammen mit einer Beschreibung der auffälligen Personen an das MfS weitergeleitet, das eine Personenüberprüfung durchführte.125 Die ausgeklügelte „Betretungsordnung“ sah zu Gunsten des MfS und der Partei auch Ausnahmen vor. In der 1. Durchführungsanweisung zur Hausanweisung des Instituts der Zollver waltung heißt es unter anderem : „Personen, die sich in Begleitung des Direktors oder des Parteisekretärs des Instituts befinden, unterliegen keiner Kontrolle durch den Objektschutz.“ Und weiter : „Personen, die sich in Begleitung des Verbindungsoffiziers des MfS befinden oder durch ihn avisiert sind, können ohne Passierschein das Objekt betreten.“126

122 Vgl. MfS - Personalakte Dieter Rutsch, Auszeichnung mit der Verdienstmedaille der NVA in Silber vom 19. 10. 1977 ( BStU, MfS, AIM 6886/78 Teil I Band 1, Bl. 174). 123 Vgl. Schreiben des Leiters der Abteilung Objektsicherung am Institut der Zollver waltung der DDR „Heinrich Rau“ vom 25. 6. 1986 : Einschätzung der Ordnung und Sicherheit im Objekt ( BStU, MfS, HA VI 3588, Bl. 12). 124 Vg. ebd., Bl. 13. 125 Vgl. Anlagen zu Lagefilmen des Institut der Zollver waltung der DDR „Heinrich Rau“ in den Jahren 1981 bis 1984 ( BStU, MfS, HA VI 3593, Bl. 10–15). 126 1. Durchführungsanweisung zur Hausanweisung 89 des Direktors des Instituts der Zollver waltung der DDR „Heinrich Rau“, o. D. ( BStU, MfS, HA VI 3589, Bl. 20).

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Strukturelle Absicherung des Instituts Das Institut war dem OibE und Leiter der Zollver waltung, Gerhard Stauch, unterstellt. Stauch machte die Entscheidung über eine Zulassung zum Studium in Plessow zur „Chefsache“. Potenzielle Lehrgangsteilnehmer wurden von den Bezirksver waltungen des Zolls vorgeschlagen, über ihre Teilnahme entschied in jedem Fall der Leiter der Zollver waltung persönlich. Alle künftigen Hochschulkader waren bereits vor Aufnahme des Studiums Mitglied der SED, hatten sich im operativen Zolldienst bewährt und verfügten über praktische Erfahrungen bei der Führung von „Dienstkollektiven“ sowie in der zolldienstlichen Arbeit.127

Abb. 18 : Gerhard Stauch (rechts) begrüßt Erich Mielke im Plessower Zoll-Institut128

Das Institut wurde „durch den Direktor nach dem Prinzip der Einzelleitung auf der Grundlage der Beschlüsse der Partei, der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen sowie der Befehle und Weisungen des Leiters der Zollver waltung“129 geleitet. Direktor des Instituts war Dieter Rutsch, seit 1952 Mitglied der SED. Er arbeitete seit 1958 – dem Jahr seiner Einstellung im AZKW – immer

127 Vgl. Erläuterungen zu den Aufgaben des Instituts anlässlich des Besuchs des Leiters der Zollver waltung der Volksrepublik Bulgarien am 13. 10. 1981, Bl. 3 ( Archiv Plessow ). 128 Bildquelle : BStU, MfS - SdM - Fo - 0470. 129 Struktur und Kaderübersicht des Instituts der Zollver waltung, Bl. 5 ( Archiv Plessow ).

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wieder inoffiziell unter dem Decknamen „Christian Deger“ für das MfS.130 Nach dessen Einschätzung verfügte er über „anwendungsbereite Kenntnisse und praktische Erfahrungen, die er sich im Rahmen seines inoffiziellen Einsatzes sowie durch sein offizielles Zusammenwirken mit Diensteinheiten des MfS erworben hat“.131 Rutsch stand in engem Kontakt mit der Führungsspitze der Zollver waltung sowie mit dem Parteisekretär und führte in der Regel monatlich Dienstbesprechungen mit den ihm unmittelbar unterstellten Kadern durch. Darüber hinaus war der Direktor jederzeit befugt, Dienstberatungen mit allen Führungskadern und Lehrern des Instituts durchzuführen. Aufgrund dieser Tatsache konnte er als IM „zur Gewinnung von Informationen aus dem Bereich der Leitung der Zollver waltung [ sowie der ] Wahrung der Interessen des MfS im Bereich der Fachschule der Zollver waltung in Plessow“ genutzt werden.132 Unter den Führungskadern befand sich zudem mindestens ein OibE. Nachgewiesenermaßen zählte dazu der Stellvertreter für Forschung am Institut, Horst Bischoff, geführt unter dem Decknamen „Manfred“.133 Er hatte eine Schlüsselfunktion inne, was den Einfluss der Staatssicherheit auf das Institut anging, aber auch die Verbindung des Instituts der Zollver waltung mit der Juristischen Hochschule des MfS ( JHS ) in Potsdam betreffend. Zusammenwirken des Instituts der Zollverwaltung mit der Juristischen Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit Die Juristische Hochschule des MfS in Potsdam sollte dem Direktor des Instituts der Zollver waltung, Dieter Rutsch, in vielerlei Hinsicht als „Vorbild“ für die Konzeption des Instituts der Zollver waltung dienen. So schrieb der Bereichsleiter der Zoll - Abwehr der HA VI des MfS, Günter Herfurth, am 28. Oktober 1981 an den Leiter der HA VI, Heinz Fiedler : „Durch die Zollver waltung der DDR wurden und werden vielfältige Aktivitäten ausgelöst, um die bereits in der Vorbereitungsphase der Institutsbildung seitens der Juristischen Hochschule Potsdam erhaltene Hilfe und Unterstützung noch stärker auszubauen.“134 Rutsch besuchte beispielsweise am 1. Oktober 1981 den Lehrbereichsleiter Helmut Eck 130 Vgl. MfS - Personalakte Dieter Rutsch, Vorschlag zur Schaffung einer Schlüsselposition im AZKW vom 20. 3. 1959 ( BStU, MfS, AIM 6886/78 Teil I Band 1, Bl. 13). Verpflichtungserklärung vom 23. 12. 1958 ( ebd., Bl. 18). 131 MfS - Personalakte Dieter Rutsch, Einsatz - und Entwicklungskonzeption vom 21. 6. 1976 ( ebd., Bl. 169). 132 MfS - Personalakte Dieter Rutsch, Beschluss zum Anlegen eines IMS - Vorgangs vom 26. 5. 1972 ( ebd., Bl. 49). 133 Vgl. Schreiben des Bereichs Kader / Ausbildung der Zollverwaltung der DDR, o. D. : Vorschlag zur Ernennung von Kadern in Dienststellungen der Nomenklatur des Leiters der Zollver waltung am zu bildenden Institut der Zollver waltung der DDR „Heinrich Rau“ ( BStU, MfS, HA VI 3585, Bl. 51). 134 Vgl. Schreiben des Leiters der Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI an den Leiter der HA VI vom 28. 10. 1981 : Information der Abteilung Zoll - Abwehr zum Zusammenwirken des Instituts der Zollver waltung der DDR mit der Juristischen Hochschule Potsdam des MfS ( BStU, MfS, HA VI 3599, Bl. 5).

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in der JHS, um sich über die „Traditionsstätte des MfS“ zu informieren, weil nach seinem Willen am Institut der Zollver waltung ebenfalls ein Traditionskabinett eingerichtet werden sollte.135 Während der Führung durch die Traditionsstätte bestand aber das Problem, dass die Räumlichkeiten „in keiner Weise dafür gesondert hergerichtet“ waren136 und Rutsch somit möglicher weise an Informationen geriet, „die Außenstehenden nicht zugänglich sein dürfen und selbst allgemein nicht einmal jedem Mitarbeiter des MfS zugänglich werden“.137 Dieser Vorfall verdeutlicht beispielhaft die generelle Problematik bei der Zusammenarbeit zwischen der JHS und dem Institut der Zollver waltung : Direkte, persönliche Kontakte auf Führungsebene der Hochschuleinrichtungen waren seitens des MfS einerseits erwünscht, weil dadurch eine direkte Einflussnahme auf Spitzenkräfte gewährleistet werden konnte. Andererseits bargen solche Kontakte immer auch die Gefahr, dass Mitarbeitern des Zolls ohne Absicht tiefere Einsichten in die Arbeitsweise des MfS gewährt wurden. Der Direktor des Instituts der Zollver waltung und IM „Christian Deger“, der seine eigene Promotion an der Juristischen Hochschule des MfS verfasste,138 strebte weitgehende, persönliche Verbindung zwischen den Führungspersonen des Instituts und der JHS an : Direkte Verbindungen sollte es geben zwischen dem Leiter der Sektion Rechtswissenschaften der JHS und dem entsprechenden Mitarbeiter des Instituts, dem Leiter des Bereichs Erziehung / Ausbildung des Instituts mit „entsprechenden Genossen“ der JHS, den Leitern der Sektionen Marxismus - Leninismus beider Hochschulen, dem Stellvertreter für Forschung des Instituts, Horst Bischoff alias „Manfred“, und dem Direktor für Forschung an der JHS.139 Darüber hinaus sollte es direkte Kontakte zwischen ihm persönlich und dem Rektor der JHS sowie auf Ebene der Lehrstuhl - Leiter geben.140 Rutsch sah darüber hinaus vor, dass Mitarbeiter des MfS in den Beiräten der Sektionen am Institut der Zollver waltung mitwirkten.141 Solch enge 135 Vgl. Bericht des IM „Manfred“ vom 6. 10. 1981 : Gewährleistung der Konspiration und des Geheimnisschutzes im Zusammenwirken Institut der Zollverwaltung und Juristische Hochschule ( BStU, MfS, HA VI 3599, Bl. 2). 136 Vgl. ebd. 137 Vgl. ebd., Bl. 3. 138 Vgl. MfS - Personalakte Dieter Rutsch, Direktor der Fachschule der Zollver waltung der DDR, an den Leiter der Zollver waltung der DDR vom 31. 3. 1976 ( BStU, MfS, AIM 6886/78 Teil I Band 1, Bl. 134). 139 Der Bereich Forschung am Institut der Zollver waltung war laut der Abteilung Zoll Abwehr des MfS ein Schwerpunktbereich, da er „für den Gegner von besonderem Interesse“ gewesen sein soll. Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 10. 5. 1988 : Berichterstattung zum Thema „Einschätzung des Standes der Entwicklung und der operativen Wirksamkeit der Arbeit mit FIM“ ( BStU, MfS, HA VI 4679, Bl. 118). 140 Vgl. Bericht des IM „Manfred“ vom 6. 10. 1981 : Gewährleistung der Konspiration und des Geheimnisschutzes im Zusammenwirken Institut der Zollverwaltung und Juristische Hochschule ( BStU, MfS, HA VI 3599, Bl. 3). 141 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 28. 10. 1981 : Information zu Fragen der Gewährleistung der Konspiration und des Geheimnisschutzes im Zusammenwirken der Juristischen Hochschule des MfS mit dem Institut der Zollver waltung der DDR (BStU, MfS, HA VI 3599, Bl. 8).

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Bindungen an die „Kaderschmiede“ des Ministeriums für Staatssicherheit gingen den zuständigen Mitarbeitern der Staatssicherheit am Ende zu weit. Der Bereich Abwehr der HA VI kam bei der Analyse der Vorschläge zu dem Schluss: „Damit würde uns die operative Kontrolle aus den Händen gleiten.“142 Bereits vor Gründung des Instituts wurden Kontakte zwischen der Fachschule in Plessow und der JHS über den Führungs - IM ( FIM ) und OibE Dr. Horst Bischoff alias „Manfred“ hergestellt, der damals 1. Stellvertreter des Fachschuldirektors war. Wie aus seiner MfS - Kaderakte her vorgeht, attestierte ihm der Leiter der Abteilung Zoll - Abwehr schon damals „einen wesentlichen Anteil bei der konspirativen Durchsetzung der Interessen des MfS an der Zollfachschule. [...] Gen. Major Bischoff informiert das MfS über alle ihm bekannt werdenden politisch - operativ relevanten Sachverhalte und führt entsprechend seiner Funktion Veränderungen im Interesse des MfS herbei. Sein Informationsaufkommen ist sehr hoch.“143 Mit Gründung des Instituts wurde Horst Bischoff als Stellvertreter für Forschung eingesetzt, da es die Funktion des 1. Stellvertreters seit der Institutsbildung nicht mehr gab.144 Seit langem gab es zwischen Rutsch und Bischoff persönliche Spannungen.145 Infolge dessen wurden die Verbindungen zwischen dem Institut und dem MfS mehr und mehr über Horst Bischoff hergestellt, während der bisherige Direktor, Dieter Rutsch, auf Beschluss der Hauptabteilung VI des MfS gegen seinen Willen letztlich nur noch offiziell mit der Staatssicherheit kooperieren durfte.146 Im Jahr 1988 wurde Bischoff schließlich zum Direktor des Instituts ernannt und unterhielt als OibE einerseits inoffizielle, als Direktor andererseits ( wie schon sein Vorgänger ) offizielle, direkte Kontakte zum Direktor für Forschung der Hochschule des MfS.147 Darüber hinaus sollte er auch mit dem Rektor der JHS sowie – „wegen der Bedeutung der Lehrgebiete“148 – mit dem Direktor der Sektion Marxismus - Leninismus der JHS in Verbindung stehen. Auf diese Weise wurde „ein enges, aber auf wirkliche politisch - operative Notwendigkeiten ausgerichtetes Zusammenwirken [ gesichert ]. Allgemeine theoretische Fragen und Erkenntnisse, die auch aus anderen Einrichtungen abgeklärt werden können ( einschließlich allgemeines Studium von Leistungsprinzipien ), 142 Vgl. ebd., Bl. 5. 143 BStU, MfS, 9316/90, Bl. 51, 54. 144 Vgl. Schreiben des Leiters der Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI an den Leiter der HA VI vom 28. 10. 1981 : Information der Abteilung Zoll - Abwehr zum Zusammenwirken des Instituts der Zollver waltung der DDR mit der Juristischen Hochschule Potsdam des MfS ( BStU, MfS, HA VI 3599, Bl. 5). 145 Vgl. MfS - Personalakte Dieter Rutsch ( BStU, MfS, AIM 6886/78 Teil I Band 1). 146 Vgl. MfS - Arbeitsakte Dieter Rutsch, Treffbericht vom 15. 2. 1974 ( BStU, MfS, AIM 6886/78 Teil II Band 1, Bl. 98). 147 Vgl. BStU, MfS, 9316/90, Bl. 61. 148 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 28. 10. 1981 : Information zu Fragen der Gewährleistung der Konspiration und des Geheimnisschutzes im Zusammenwirken der Juristischen Hochschule des MfS mit dem Institut der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 3599, Bl. 7).

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sollten von vornherein aus dem Zusammenwirken ausgeklammert werden, um die JHP [ Juristische Hochschule Potsdam ] einerseits nicht unnötig zu belasten und andererseits sie nicht in die Rolle einer ‚Leiteinrichtung‘ zu drängen.“149 Das MfS war maßgeblich an der Entwicklung der Aus - und Weiterbildungspolitik in der Zollver waltung beteiligt. Das unterstreicht unter anderem ein Schreiben des Arbeitsbereichs Passkontrolle des MfS an den Leiter der Kaderabteilung der Zollverwaltung. Darin wird die Ordnung 4/84 des Leiters der Zollver waltung, in der auch Regelungen zum Fach - und Hochschulstudium am Institut der Zollver waltung festgelegt wurden, nicht nur kommentiert, sondern ausdrücklich ergänzt.150 Bereits der Beschlussentwurf zur Bildung des Instituts lag dem MfS mit der Bitte um Zustimmung vor.151 Offiziell war das Studium am Institut der Zollver waltung ausschließlich eigenen Mitarbeitern vorbehalten. Aus einem „Studien - Informator“, der von der Hauptabteilung Kader und Schulung des MfS herausgegeben wurde, geht allerdings her vor, dass Angehörige der Staatssicherheit zu allen Bildungseinrichtungen der bewaffneten Organe Zutritt hatten. Als Zöllner getarnt, studierten sie nachweislich auch in Plessow.152 Doch das MfS machte sich das Institut auch noch auf eine andere Art zu Nutzen. Studierende des Instituts, die von Seiten des MfS als geeignet eingeschätzt wurden, warb die Staatssicherheit zum Zweck einer erfolgreichen „Kaderauffüllung“153 gezielt ab. Die Auswahl und Benennung erfolgte über den OibE „Manfred“, Horst Bischoff. Der löste diese Aufgabe offensichtlich zur Zufriedenheit der Staatssicherheit : „Verantwortungsbewusst leistet Genosse Bischoff einen eigenständigen Beitrag hinsichtlich der Kaderauffüllung des MfS. Entsprechende Personen werden von ihm ausgewählt und benannt.“154 Personelle Besetzung des Instituts Das MfS entwickelte rechtzeitig vor Gründung des Instituts einen „Maßnahmeplan zur Absicherung strukturmäßiger und kadermäßiger Fragen [...] im Zusammenhang mit der Eröffnung des Hochschulbetriebes“.155 Bei der Entwicklung 149 Ebd., Bl. 8. 150 Vgl. Schreiben des Arbeitsbereichs Passkontrolle des MfS an den Leiter der Abteilung Kader / Ausbildung der Zollverwaltung der DDR vom 17. 7. 1984 : Meinungsäußerung zum Entwurf der Ordnung über die Aus - und Weiterbildung der Angehörigen der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 14435, Bl. 44–48). 151 Vgl. HA VI des MfS vom 15. 12. 1980 : Beschlussentwurf über die Umwandlung der Fachschule der Zollver waltung in das „Institut der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, HA VI 3585, Bl. 20). 152 Vgl. MfS, HA Kader und Schulung, o. D. : Studien - Informator zur Aus - und Weiterbildung von Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit an Bildungseinrichtungen anderer bewaffneter Organe ( BStU, MfS, BdL / Dok. 006097 1. Ex., Bl. 30). 153 BStU, MfS, 9316/90, Bl. 66. 154 Vgl. BStU, MfS, KS 9316/90, Bl. 66. 155 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 12. 2. 1981 : Maßnahmeplan zur Absicherung strukturmäßiger und kadermäßiger Fragen am Institut der ZV im Zusammenhang mit der Eröffnung des Hochschulbetriebes ( BStU, MfS, HA VI 3585, Bl. 68).

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eines Stellenplanvorschlags für das Institut der Zollver waltung wurden die Erfahrungen in der Arbeitsweise und der strukturellen Zusammensetzung anderer Hochschuleinrichtungen – „insbesondere der Juristischen Hochschule Potsdam Eiche“156 – berücksichtigt. Der gesamte Lehrkörper des Instituts war Mitglied der SED.157 Im Maßnahmeplan des Leiters der Zollver waltung zur kadermäßigen Sicherstellung der Aufgaben des zu bildenden Instituts der Zollver waltung vom 25. 3. 1981 stand ebenfalls an erster Stelle, dass für die Lehrtätigkeit Kader ausgewählt wurden, „die in ihrer bisherigen Tätigkeit bewiesen haben, dass sie bereit und in der Lage sind, die Beschlüsse von Partei und Regierung mit hohem persönlichen Einsatz schöpferisch zu ver wirklichen“.158 Alle Führungskader waren darüber hinaus Leitungsmitglieder der Grundorganisation der SED bzw. der Abteilungsparteiorganisation des Lehrkörpers.159 Auch hierbei wurde vor allem intensiv mit dem OibE Horst Bischoff alias „Manfred“ zusammengearbeitet. Die Staatssicherheit stimmte sich mit „Manfred“ bezüglich der zum Institut versetzten Zollangehörigen und bezüglich der zu werbenden Zivilmitarbeiter ab. Als Stellvertreter für Forschung am Institut erfuhr Bischoff mit als erster von geplanten Versetzungen und Werbungen und musste für eine „sofortige Abstimmung dieser Zollangehörigen mit den zuständigen Referaten Abt. VI / op. 3 [ Abteilung Zollabwehr ] der Bezirke bzw. mit eigenen Kräften der Diensteinheit bei Zollangehörigen die aus der HV [ Hauptver waltung ] zum Institut versetzt werden“160 sorgen. Auch Lehrkräfte ziviler Hochschulen, die in Plessow lehren sollten, wurden vorab von „Manfred“ zur Überprüfung an das MfS gemeldet.161 „Es ist besonders darauf zu achten, dass die Kader den pol. - op. [ politisch - operativen ] Erfordernissen und Ansprüchen genügen.“162 Über die Leitung der Abteilung Zollabwehr wurde auch Einfluss genommen auf den Direktor des Instituts. Es sollte in jedem Falle gesichert sein, dass das MfS bei der Besetzung von leitenden Funktionen am Institut eigene Interessen geltend machen konnte.163 Doch nicht nur über die Auswahl des Personals hatte das MfS das letzte Wort. Bereits die „Auswahl und Bestätigung der Teilnehmer am 1. Hochschullehrgang“ erfolgte durch Abstimmung der Abteilung Zollabwehr des MfS mit der Abteilung Kader und Ausbildung der Zollver waltung, die diesbezüglich Vorschläge unterbreitete.164 156 Schreiben des Bereichs Kader / Ausbildung der Zollver waltung der DDR an den Leiter der Zollver waltung der DDR, o. D. : Stellenplanvorschlag für das Institut der Zollver waltung der DDR „Heinrich Rau“ ( BStU, MfS, HA VI 3585, Bl. 30). 157 Vgl. Schreiben des Parteiorganisators des ZK der SED in der Zollver waltung der DDR vom 24. 7. 1980 : Bericht über den Einsatz an der Fachschule der Zollver waltung „Heinrich Rau“ ( BStU, MfS, HA VI 3584, Bl. 46). 158 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 12. 2. 1981 : Maßnahmeplan zur Absicherung strukturmäßiger und kadermäßiger Fragen am Institut der ZV im Zusammenhang mit der Eröffnung des Hochschulbetriebes ( BStU, MfS, HA VI 3585, Bl. 71). 159 Vgl. ebd., Bl. 54–64. 160 Ebd., Bl. 69–70. 161 Vgl. ebd., Bl. 70. 162 Ebd., Bl. 69. 163 Vgl. ebd., Bl. 70. 164 Vgl. ebd., Bl. 69.

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Sowohl die Stellenplanbesetzung als auch die Auswahl der Studenten sollte somit nachhaltig durch das MfS über wacht und mitbestimmt werden. In beiden Punkten „ist auf Schaffung einer inoffiziellen Basis im zukünftigen Hochschullehrgang sowie unter den ‚neuen Stammkräften‘ des Instituts op. [ operatives ] Augenmerk zu legen. Die erforderlichen inoffiziellen Kräfte sind durch Übernahme von ehemaligen Diensteinheiten ( bei Zuversetzung / Direktstudenten ) zu schaffen.“165 Die „Absicherung“ des Lehrkörpers und der Studenten durch inoffizielle Mitarbeiter am Institut der Zollverwaltung Trotz der weitreichenden ideologischen Überzeugtheit vieler Zöllner kam es unter den Studenten in Plessow dennoch immer wieder zu Verhaltensweisen, die der „weiteren Festigung der Disziplin, Ordnung und sozialistischen Moral“166 widersprachen.167 Häufig auftretende Probleme waren „übermäßiger Alkoholgenuss“, „Vernachlässigung der Aufsichtspflicht“, „Verletzung der Arbeitsdisziplin“, „ehewidrige Beziehungen“ oder allgemein „moralwidrige Verhaltensweisen“.168 Um solches Fehlverhalten aufzudecken, versuchte das MfS nicht nur den IM - Bestand innerhalb der Bildungseinrichtung zu erhöhen, sondern auch außerhalb des streng bewachten Areals Zuträger zu finden – beispielsweise aus Kreisen der Kirche. Mit Gründung wurde das Institut baulich erweitert. Hinzu kam ein Heizhaus samt Kohlebunker. Dafür musste Kirchenland angekauft werden. Für die Staatssicherheit war dies ein Anlass, die „Aufklärungsarbeit“ im Umkreis des Instituts zu intensivieren. So sollte geprüft werden, ob durch den Ankauf von Kirchenland der örtliche Katechet als IM geworben werden konnte. Darüber hinaus sollte überprüft werden, welche Einwohner Plessows von dem Erweitungsvorhaben Kenntnis hatten und wie sie darüber diskutierten. Nicht zuletzt sollten Bürger aus der Umgebung des Zollinstituts als inoffizielle Kräfte gewonnen werden.169

165 Ebd. 166 Zollver waltung der DDR, Abteilung Kader, vom 3. 10. 1975 : Bericht über die Durchführung eines Einsatzes der Abteilung Kader der Hauptver waltung an der Fachschule der Zollver waltung der DDR ( MfS - Arbeitsakte Dieter Rutsch, BStU, MfS, AIM 6886/78 Teil II Band 1, Bl. 203). 167 So sind beispielsweise 27 Prozent der Lehrgangsteilnehmer des 7. Direktlehrgangs an der Fachschule mit „disziplinwidrigen Verhaltensweisen und Vorkommnissen“ aufgefallen. Vgl. Zollver waltung der DDR, Fachschule Plessow, vom 21. 11. 1975 : Protokoll der Beratung zu Fragen der Lehr - und Erziehungsarbeit beim Direktor der Fachschule ( ebd., Bl. 258). 168 Vgl. Zollver waltung der DDR, Fachschule Plessow, vom 3. 10. 1975 : Übersicht über festgestellte Pflichtverletzungen an der Fachschule der Zollver waltung ( ebd., Bl. 216–224). 169 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 12. 2. 1981 : Maßnahmeplan zur Absicherung strukturmäßiger und kadermäßiger Fragen am Institut der ZV im Zusammenhang mit der Eröffnung des Hochschulbetriebes ( BStU, MfS, HA VI 3585, Bl. 70).

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Um bei Disziplinar verstößen „unmittelbar Erziehungsmaßnahmen einleiten zu können“,170 trafen sich die Angehörigen der Staatssicherheit unter dem Vor wand einer dienstlichen Besprechung mit einigen inoffiziellen Mitarbeitern wie dem Direktor oder dem Stellvertreter für Forschung direkt in deren Büros.171 Informationen für Sicherheitsüberprüfungen und operative Personenkontrollen erhielt das MfS durch vier FIM - Netze,172 die in den Fach - und Hochschullehrgängen – meist im Verhältnis 1 :3173 – vorhanden waren. Für diese Treffen standen der Staatssicherheit mehrere „konspirative Wohnungen“ ( IMK ) zur Verfügung.174 Die IMK befanden sich nicht direkt in Plessow, sondern in Werder bzw. Potsdam, da laut Einschätzung des IM „Christian Deger“ der nur wenige hundert Einwohner zählende Ort Plessow „von der politisch - sozialen Zusammensetzung [...] nicht für T - Durchführungen [ Treff - Durchführungen ] geeignet“175 war. Im August 1985 traten aufgrund einiger disziplinarischer Vorkommnisse neue Rechte und Pflichten für Offiziershörer am Institut der Zollver waltung in Kraft. Das MfS begrüßte einerseits diese Maßnahmen, da sie „wesentlich zur Erhöhung von Disziplin und Ordnung“176 beitrugen. Andererseits brachten die präzisierten Festlegungen auch „wesentliche Hemmnisse für die Arbeit der FIMNetze, die sich ausschließlich aus Offiziershörern zusammensetzen, mit sich“.177 Die neuen Rechte und Pflichten sahen unter anderem vor, dass die tägliche Studienzeit um eine Stunde verlängert wurde und eine Abmeldung vom Dienst erst ab 18.00 Uhr unter Angabe des Aufenthaltsortes möglich war. Zudem bestand fortan Uniformpflicht für den Weg zum und vom Dienstort. Dies stellte die IM vor einige Probleme. Bisher trafen sich die IM mit ihren Führungsoffizieren regelmäßig um 17.00 Uhr. Diese Treffzeit konnte nun nicht mehr eingehalten werden. Auch die seither gängige „Legende“ für Abmeldungen, Einkäufe zu erle170 MfS - Arbeitsakte Dieter Rutsch, Treffbericht vom 17. 12. 1975 ( BStU, MfS, AIM 6886/78 Teil II Band 1, Bl. 270). 171 Vgl. MfS - Arbeitsakte Dieter Rutsch, Treffbericht vom 17. 11. 1975 ( ebd., Bl. 228). 172 Vgl. HA VI des MfS vom 16. 10. 1985 : Vorschlag zur Gewährleistung einer regelmäßigen und kontinuierlichen Trefftätigkeit der 4 bestehenden FIM - Netze der Abteilung Zollabwehr am Institut der Zollver waltung unter den Bedingungen der im August 1985 in Kraft gesetzten neuen Rechte und Pflichten der Offiziershörer ( BStU, MfS, HA VI 4679, Bl. 31). 173 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 27. 6. 1983 : Vorschlag zur Neuprofilierung der FIM - Netze im Verantwortungsbereich der Abt. Zoll - Abwehr ( BStU, MfS, HA VI 4679, Bl. 5 f.). 174 Vgl. ebd., Bl. 4. 175 MfS - Arbeitsakte Dieter Rutsch, Notiz über Möglichkeiten der Treffdurchführung mit Genossen der Fachschule vom 23. 11. 1976 ( BStU, MfS, AIM 6886/78 Teil II Band 1, Bl. 235). 176 HA VI des MfS vom 16. 10. 1985 : Vorschlag zur Gewährleistung einer regelmäßigen und kontinuierlichen Trefftätigkeit der 4 bestehenden FIM - Netze der Abteilung Zollabwehr am Institut der Zollver waltung unter den Bedingungen der im August 1985 in Kraft gesetzten neuen Rechte und Pflichten der Offiziershörer ( BStU, MfS, HA VI 4679, Bl. 31). 177 Ebd.

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digen, war nicht mehr brauchbar, da im Raum Potsdam die Geschäfte üblicher weise um 18.00 Uhr schlossen. „Regelmäßige Abmeldungen von IM ( Offiziershörern ) nach 18.00 Uhr zu fiktiven Adressen nach Potsdam / Werder bzw. in gastronomische Einrichtungen bringen die Gefahr mit sich, dass sie ins Blickfeld der Lehrgangsleiter und anderer Funktionsoffiziere geraten und Kontroll und Erziehungsmaßnahmen eingeleitet werden.“178 Die Staatssicherheit befürchtete somit gewissermaßen eine „Enttarnung“ durch den Zoll. Zudem erschwerte die schlechte Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz den IM, sich aus Plessow zu entfernen. Den einzigen Ausweg aus dem entstandenen Dilemma sah das MfS darin, den Treffpunkt für konspirative Gespräche direkt in das Institut zu verlegen. Dafür wurden die Diensträume des einzigen IM unter den Lehrgangsleitern genutzt. „Unter den konkreten Regimebedingungen am Institut der Zollver waltung entspricht diese Vorgehensweise am besten den hohen Anforderungen an die Konspiration und Geheimhaltung in der inoffiziellen Arbeit.“179 Die Bildungsstätte der Zollver waltung war für das MfS ohne Zweifel von besonderer Bedeutung. Bis zuletzt bemühte sich die Staatssicherheit um eine „noch stärkere zielgerichtete und schwerpunktmäßigere politisch - operative Abwehrarbeit am Institut der Zollver waltung“.180 Hier wurden die künftigen Führungskader ausgebildet, die in Zukunft nach dem „Prinzip der Einzelleitung“ Verantwortung übernehmen sollten. Auch wenn nicht jeder aus der künftigen Elite direkt als IM oder OibE mit dem MfS kooperierte, wurden in Plessow dennoch die Gedanken jedes Einzelnen so gelenkt, dass er seine Entscheidungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nach den Interessen der SED und ihrem „Schild und Schwert“ ausrichtete.

5.

Kontrolle und Überwachung von Kontrolleuren

5.1

Allgemeine Gefährdungspotenziale für die „innere Sicherheit“ der Zollverwaltung

Die strengen Einstellungskriterien sowie das aufwändige Verfahren zur Erziehung, Aus - und Weiterbildung von Kontrolleuren und Führungskräften dienten einem vorrangigen Zweck. In einer Forschungsarbeit, die am Institut der Zollver waltung im Auftrag der Juristischen Hochschule des MfS verfasst wurde, findet sich ein erster Hinweis : „Da der Mitarbeiter der Zollver waltung zur Sicherung der Grenzen der DDR und zur Vereitelung [ feindlicher ] Bestrebungen in engem Zusammenwirken mit allen Schutz - und Sicherheitsorganen beizutragen 178 Ebd., Bl. 32. 179 Ebd. 180 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 10. 5. 1988 : Berichterstattung zum Thema „Einschätzung des Standes der Entwicklung und der operativen Wirksamkeit der Arbeit mit FIM“ ( BStU, MfS, HA VI 4679, Bl. 117).

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hat, gehört er selbst zu einem Angriffsobjekt des Feindes und ist mit raffinierten, zielgerichteten, subversiven Aktivitäten gegen die innere Sicherheit der Zollver waltung konfrontiert.“181 Als „Feinde“ wurden insbesondere westliche Geheimdienste bezeichnet, allen voran der Bundesnachrichtendienst. Die Staatssicherheit nahm an, Geheimdienstmitarbeiter wollten unmittelbar in den Personalbestand der Zollver waltung eindringen, um sogenannte Innenquellen zu schaffen.182 „Daraus erwächst [...] die Möglichkeit, über das Zollorgan in die Konspiration des MfS einzudringen.“183 Neben den Geheimdiensten wurden aber auch westliche Institutionen und Einzelpersonen als „feindlich“ eingestuft, von denen die Staatssicherheit annahm, dass sie „ideologisch zersetzend“ auf die Zöllner einwirkten. Außerdem wurde allen „Feinden“ nachgesagt, dass sie mit dem Ziel agierten, Zollmitarbeiter „auszuhorchen, zu desorientieren, zu desorganisieren, zu verunsichern und in anderer Weise dadurch die Einsatzbereitschaft und - fähigkeit, Kampfkraft und Zuverlässigkeit der Zollver waltung anzugreifen“.184 In Ausübung ihres Berufes waren die einzelnen Zöllner je nach Dienstort und Tätigkeitsbereich in unterschiedlicher Intensität und auf verschiedene Art und Weise mit den Einflüssen des Westens konfrontiert. Während für die Kontrolleure an den Grenzzollämtern – insbesondere an der deutsch - deutschen Grenze – ein unmittelbarer Kontakt mit westdeutschen Reisenden und somit mit der westlichen Lebensweise zum Alltag gehörte, waren die Kontrolleure der Postzollämter ständig mit westlichen Druckerzeugnissen konfrontiert. Die Mitarbeiter der Binnenzollämter waren diesen „Gefahren“ dagegen kaum ausgesetzt. Für alle Zöllner gleich hoch schätzte die Staatssicherheit das Gefährdungspotenzial dagegen außerhalb des Dienstes ein. Immer bestand die Möglichkeit, dass die Zöllner direkt oder über Dritte persönlich oder postalisch in Kontakt zu westlichen Ver wandten oder Bekannten standen oder über die Massenmedien vom „Feind“ beeinflusst wurden. Eine weitere Bedrohung der „inneren Sicherheit“ war mit der ständig steigenden Arbeitsbelastung der Zöllner gegeben, die vor allem durch einen stetig wachsenden Personalmangel, verbunden mit einer ständigen Ausweitung der Kontrollintensität, verursacht wurde. Wahrnehmen wollte die Staatssicherheit diesen Zusammenhang indes lange Zeit nicht. Die permanente Überforderung des Personals war für sie ein Symptom der „ideologisch - zersetzenden“ Beeinflussung des Westens.

181 Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 335 f.). 182 Vgl. Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 13 f. ( BStU, MfS, JHS MF VVS 438/89). 183 Sturm, Sicherheitsüberprüfungen, S. 14 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 720/86). 184 Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 336).

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Kontrollierte Kontrolleure

Die Leiter einzelner Dienstbereiche und die Kaderabteilung des Zolls sowie die Abteilung Zoll - Abwehr der Linie VI des MfS waren neben der Überprüfung von Zollbewerbern auch für die Kontrolle und Über wachung nach Einstellung in den Dienst zuständig.

5.2

Das Kontrollsystem der Zollverwaltung

Leistungsbewertung In allen Bereichen der Zollver waltung, die mit praktischen Kontrolltätigkeiten beauftragt waren, wurde die Leistung der einzelnen Kontrolleure bewertet. An sämtlichen Grenz - , Post - und Binnenzollämtern waren die Leiter angehalten, im Rahmen einer monatlich festgelegten „Auswertung des Standes der Erfüllung der Aufgaben“185 die Arbeit der einzelnen Zöllner einzuschätzen. Für die Leistungsbewertung wurden einheitliche Kriterien vorgegeben. Diese umfassten folgende Gesichtspunkte : „– Einsatzbereitschaft der Angehörigen, bewusste Disziplin, hoher Leistungswille sowie volle Wahrnehmung der übertragenen Verantwortung – das Auftreten und Verhalten im Kontrollprozess, das Gesamtverhalten im Kollektiv – die Qualität der Bearbeitung von Feststellungen sowie der rechtlichen Entscheidungen entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Rechtsfolgemaßnahmen zu den Rechtsverletzungen – die Gewährleistung einer hohen Sicherheit in der Arbeit, Einhaltung der Prinzipien der inneren Ordnung, Sicherheit und Wachsamkeit.“186

Als Bewertungsgrundlage standen den Leitern umfassende Statistiken zur Verfügung, in denen unter anderem die „Kontrollerfolge“ der einzelnen Zöllner erfasst wurden. Zudem wurden laut der Ordnung 4/82 des Leiters der Zollver waltung vom 17. Dezember 1982 „Führungsdokumente“ und andere „Nachweisunterlagen“ herangezogen.187 Nicht zuletzt begutachteten die Leiter das Verhalten und die Leistung der Zöllner auch durch direkte Beobachtung der Kontrollhandlungen bzw. durch Gespräche mit Zugführern und anderen Kontrolleuren. „Die Leiter der Zollämter haben über die Ergebnisse der Kontrolle und Anleitung, die getroffenen Feststellungen und zu den eingeleiteten Maßnahmen einen Nachweis zu führen.“188 Außergewöhnlich grobe Verletzungen der Arbeitsgrundsätze einzelner Zöllner meldeten die Zollamtsleiter unmittelbar nach Bekanntwerden als „Sofortmeldung“ der zuständigen Bezirksver waltung. Abgesehen von solchen Ausnahmen wurden die einzelnen Beurteilungen jedoch zu Gesamteinschätzungen verallgemeinert. Die Bezirksver waltung wurde in regelmäßig festgelegten Ab185 Vgl. Offelmann, Leistungsbewertung und ihre Nutzung, S. 9 ( Archiv Plessow ). 186 Vgl. ebd., S. 8 ( Archiv Plessow ). 187 Vgl. Ordnung 4/82 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 17. 12. 1982 ( BStU, MfS, HA VI 4988, Bl. 180). 188 Ebd., Bl. 182.

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ständen über den Leistungsstand an den einzelnen Zollämtern informiert. Die Leiter der Bezirksver waltungen informierten anschließend wiederum die Führungsebene der Hauptver waltung. Zur „Kontrolle und Anleitung in den nachgeordneten Bereichen, Abteilungen und Zollämtern“189 konnten vom Leiter der Zollverwaltung, seinen Stellvertretern und Leitern der Bereiche der Hauptver waltung sowie von der Führungsebene der Bezirksver waltungen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden : Wenn die Überprüfung mehrere Aufgabengebiete umfasste, also sehr umfangreich war, wurden „Brigadeeinsätze“ durchgeführt. Bezog sich die Überprüfung im Wesentlichen auf ein Arbeitsgebiet ( beispielsweise die Röntgenkontrolle an Zollämtern ), nannte man die Überprüfungen „operative Einsätze“. Wenn Feststellungen, Vorkommnisse und Ereignisse eine sofortige Überprüfung erforderlich machten, sprach man beim Zoll von „operativen Überprüfungen“.190 Eine Kontrollmethode, die ausschließlich Gerhard Stauch – dem Zollinspekteur, OibE und Leiter der Zollver waltung – vorbehalten war, war die sogenannte „Inspektion“. Inspektionen waren umfassende Überprüfungen von Bezirksverwaltungen, Zollämtern und anderen Dienststellen, bei denen sich Stauch und sein Führungsstab unter anderem ein Bild vom „Niveau der Führungstätigkeit“, von der „Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen“ und von dem „politisch - ideologischen und politisch - moralischen sowie disziplinarischen Zustand“ vor Ort machten.191 In welcher Form auch immer Leistungsüberprüfungen stattfanden, sie wurden von der Leiterebene und Kaderabteilung des Zolls genau registriert und ausgewertet und waren letztlich ausschlaggebend dafür, ob sanktionierende oder belobigende Maßnahmen erfolgten. Überzeugen, belohnen und strafen Um hohe Disziplin und damit einhergehend wirksame, effektive Kontrollen im Mitarbeiterbestand der Zollver waltung erreichen zu können, bediente man sich in der Zollver waltung dreier Prinzipien : Überzeugen, Belohnen und Strafen. Das Prinzip der Überzeugung wurde im Zusammenhang mit der ideologischen Schulung und Beeinflussung von Zöllnern während ihrer Aus - und Weiterbildung bereits ausführlich vorgestellt. Es bildet die Grundlage für die beiden übrigen Prinzipien, denn Lob und Tadel basierten auf der Bewertungsgrundlage der Ideologie, von der alle Zöllner überzeugt sein sollten. Belohnen und Strafen – für beide grundlegenden erzieherischen Maßnahmen gab der Leiter der Zollver waltung zwei maßgebende Ordnungen heraus : die Disziplinarordnung und die Prämienordnung. Auf diese beiden Ordnungen fällt letztlich jede Erziehungsmaßnahme der Führungskräfte in der Zollver waltung 189 Ebd., Bl. 183. 190 Vgl. ebd. 191 Vgl. ebd., Bl. 188.

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Kontrollierte Kontrolleure

zurück. Dienstvorgesetzte mit Disziplinarbefugnissen in der Zollver waltung waren ( hierarchisch geordnet ) : – – – – – – – – – –

Der Leiter der Zollver waltung, Die Stellvertreter des Leiters, Die Leiter der Bereiche der Hauptver waltung, Die Leiter der Abteilungen der Hauptver waltung, Die Leiter der Bezirksver waltungen und der Direktor der Fachschule / des Instituts der Zollver waltung, Die Stellvertreter der Leiter der Bezirksver waltungen und des Direktors der Fachschule / des Instituts der Zollver waltung, Die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen und der Fachschule / des Instituts der Zollver waltung, Die Sachgebietsleiter der Hauptver waltung und der Bezirksver waltungen, Die Leiter der Dienststellen ( insbesondere der Zollämter ), Die Zugführer.

Je höher die Dienststellung, desto umfassender waren die Disziplinarbefugnisse. Die Befugnisse höherer Dienstvorgesetzter umfassten auch die der niederen Dienstvorgesetzten. Neben dem Leiter der Zollver waltung hatte nur der Minister für Außenhandel Disziplinarbefugnisse im vollen Umfang der Disziplinarordnung.192 Laut Paragraph 15 dieser Ordnung konnten Mitarbeiter der Zollver waltung belobigt werden für : „a ) vorbildliche Pflichterfüllung sowie beispielgebende Leistungen in der zolldienstlichen Tätigkeit oder in der gesellschaftlichen Arbeit, b ) her vorragende Leistungen und mutigen Einsatz zum Schutz und zur Sicherung der DDR, c ) wachsames und umsichtiges Handeln und Bewahrung der Deutschen Demokratischen Republik vor Schaden“.193 Die Formen der Belobigung waren im Paragraph 16 der Disziplinarordnung festgeschrieben. Sie umfassten : „a ) Aussprechen des Dankes, b ) vorzeitige Löschung einer Disziplinarmaßnahme, c ) Geld - oder Sachprämien bzw. andere materielle Würdigungen, d ) Sonderurlaub bis zu drei Tagen, e ) Ehrenurkunde mit oder ohne materielle Anerkennung, f ) Ehrengeschenk des Leiters der Zollver waltung, g ) vorzeitige Beförderung zum nächsthöheren Dienstgrad“.194 Auch bestrafende Maßnahmen waren in der Disziplinarordnung ausgewiesen. Wenn Zollmitarbeiter fahrlässig oder vorsätzlich „staatsbürgerliche oder dienstliche Pflichten“ verletzten und die in den Rechtsvorschriften, Befehlen, Ordnungen, Direktiven und Weisungen des Leiters der Zollver waltung getroffenen Festlegungen missachtet hatten, wurden sie disziplinarisch belangt. Art und Schwere der Bestrafung wurden dabei individuell vom Dienstvorgesetzten erörtert und eingestuft. Folgende „Disziplinarmaßnahmen“ konnten zur Anwendung kommen : „a ) Tadel, b ) Ver weis, c ) strenger Ver weis, d ) Herabsetzung in der Dienststellung, e ) Herabsetzung im Dienstgrad mit bzw. ohne Herabsetzung 192 Disziplinarordnung der Zollver waltung vom 19. 6. 1979, Bl. 6 ( Archiv Plessow ). 193 Ebd., Bl. 7. 194 Ebd.

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in der Dienststellung, f ) Entlassung aus disziplinären Gründen ( fristlose Entlassung mit bzw. ohne Herabsetzung im Dienstgrad [ oder ] fristlose Entlassung mit Aberkennung des Dienstgrades ).“195 Die Dienstvorgesetzten durften gegenüber den Mitarbeitern nur jeweils eine Disziplinarmaßnahme aussprechen – auch wenn dieser gleich mehrere Disziplinverstöße begangen hat. Zollmitarbeiter, die schwere Verstöße begingen bzw. wiederholt in Erscheinung traten, die während des Verstoßes unter Alkoholeinfluss standen, deren bereits ausgesprochene Disziplinarmaßnahmen noch nicht gelöscht waren und die an Verstößen beteiligt waren, die von mehreren Mitarbeitern begangen wurden, sollten „besonders nachhaltig“ zur Verantwortung gezogen werden.196 Die Löschung einer Disziplinarmaßnahme sollte vorrangig durch eine Belobigung erfolgen. Die härteste Form der Strafe, die Entlassung aus dem Dienst, durften nur hohe Vorgesetzte aussprechen. Die Entlassung von Offizieren war dem Leiter der Zollver waltung vorbehalten. Alle Zollmitarbeiter, gleich welchen Ranges, waren über die Disziplinarordnung hinaus für begangene „Straftaten“ entsprechend der Strafprozessordnung voll strafrechtlich verantwortlich und belangbar. Ein weiteres wichtiges Instrument der Leiterebene, um erziehend auf Zollmitarbeiter einzuwirken, war das Prämiensystem. Aus der Prämienordnung der Zollverwaltung der DDR geht hervor, dass Prämien „die Entwicklung der schöpferischen Initiative der Mitarbeiter der Zollver waltung zur Erreichung höchster Ergebnisse bei der Lösung der von Partei und Regierung gestellten Aufgaben aktiv [ unterstützen ] sollten“.197 Es standen Prämienfonds in Höhe von drei Prozent des gesamten Besoldungsvolumens der Zollver waltung zur Verfügung, die von der Abteilung Finanzen an die einzelnen Bereiche und Dienststellen der Zollver waltung weitergeleitet wurden. Der mit 72 Prozent größte Teil der Prämien wurde an den Zollämtern vergeben.198 Dort entschied der Dienststellenleiter auf Grundlage von Vorschlägen des jeweiligen Zugführers über die Auszahlung einer Prämie.199 Prämien wurden grundsätzlich zu bestimmten Anlässen ausgezahlt, wie beispielsweise zum Tag der Republik, zum Tag der Zollver waltung oder zum 1. Mai. Empfänger waren Kontrolleure, die im Dienst hohen Einsatz zeigten – also beispielsweise besonders viele Überstunden leisteten oder viele Kontrollfeststellungen machten. Prämien konnten sowohl Geld als auch Sachprämien ( z. B. Bücher ) sein, die in der Regel einen Wert von 100 bis 150 Mark hatten.200 Über diese periodisch ausgezahlten Prämien hinaus stand der Leitung der Zollämter ein Sonderprämienfond zur Verfügung. Die Mittel in diesem Fond waren zweckgebunden für die Prämierung überdurchschnittlicher Kontroll195 Ebd., Bl. 10. 196 Ebd., Bl. 10 f. 197 Ordnung 6/77 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 7. 9. 1977, Bl. 1 ( Archiv Plessow ). 198 Ebd., Bl. 2. 199 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. 200 Vgl. ebd.

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erfolge, beispielsweise der „Aufdeckung von raffinierten Schmuggelverstecken und gute Erfolge bei der Bekämpfung der Feindtätigkeit“ oder der „Verhinderung von Menschenschleusungen“.201 Solche Art Prämie wurde von den im Rahmen dieser Arbeit befragten ehemaligen Zöllnern als „Erfolgsprämie“202 bzw. „Sofortprämie“203 bezeichnet, da ihre Auszahlung bereits am kommenden Tag durch den Zugführer realisiert wurde. Die Höhe dieser Prämie richtete sich nach dem Wert der Feststellung, wobei bei einer aufgedeckten Personenschleusung laut Aussagen eines Zeitzeugen bis zu 500 Mark ausgezahlt werden konnten.204 Während der täglichen Einweisung zum Dienst wurde die prämierte Feststellung besprochen und ausgewertet, anschließend durfte der Prämienempfänger vortreten und das Geld entgegennehmen. Eine besondere Art der Prämierung stand dem Leiter der Zollverwaltung persönlich zur Verfügung. Entsprechend dem „Gesetz über die Stiftung und Verleihung staatlicher Auszeichnungen“ konnte er – den Ehrentitel „Verdienter Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR“ ( die höchste Auszeichnung der Zollver waltung ),205 – die „Verdienstmedaille der Zollver waltung der DDR“ in den Stufen Bronze ( fünf Dienstjahre ), Silber ( zehn Dienstjahre ) und Gold (15, 20, 25 und 30 Dienstjahre ) sowie – die „Medaille für treue Dienste in der Zollver waltung der DDR“ verleihen.206 Jede der Auszeichnungen war mit dem Empfang einer Prämie bzw. einer „finanziellen Zuwendung“ verbunden.207 Im Falle der „Verdienstmedaille in Gold“ wurde beispielsweise eine Geldprämie in Höhe von 750 Mark ausgezahlt.208 Das Prämiensystem war mit Sicherheit ein geeignetes Instrument, um die Zöllner zu verstärktem Einsatz und zu Wachsamkeit bei den Kontrollen zu motivieren – und zwar nicht nur durch die Auszahlung von Prämien oder die Verleihung von Auszeichnungen, sondern auch durch deren Vorenthaltung. Wenn zum Beispiel Kontrollen fahrlässig durchgeführt wurden oder wenn es zu negativen Äußerungen bezüglich des hohen Arbeitspensums kam, blieben für den Betroffenen Prämien für lange Zeit aus. Dies wirkte aus Sicht mancher Zeitzeugen aber eher frustrierend als motivierend.209 Eine weitere negative Folge des 201 Ordnung 6/77 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 7. 9. 1977, Bl. 7 f. ( Archiv Plessow ). 202 Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. 203 Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004. 204 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. 205 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 71). 206 Vgl. ebd., Bl. 90. 207 Vgl. ebd., Bl. 91. 208 Vgl. Ordnung 6/77 des Leiters der Zollverwaltung der DDR vom 7. 9. 1977, Bl. 4 ( Archiv Plessow ). 209 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 3. 2004.

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Prämiensystems war der Neid unter den Zöllnern, da einige unter ihnen sehr häufig, andere wiederum selten oder nie eine Prämie erhielten.210

5.3

Kontrollsystem der Abteilung Zoll - Abwehr des MfS

Offizielles Kontrollsystem Auch wenn die Zollver waltung formal eigenständig für eine „hohe Disziplin, Ordnung und innere Sicherheit“211 verantwortlich war : Alle bedeutenden Disziplinarmaßnahmen, die von Führungskadern des Zolls ausgesprochen wurden, waren mit der Staatssicherheit abgestimmt bzw. wurden von ihr vorgegeben. Das bestätigt beispielsweise der ehemalige Leiter des Instituts der Zollver waltung, Dieter Rutsch : „Zu den Anforderungen an die Vorgesetzten [ der Zollver waltung ] für ein enges Zusammenwirken mit den Genossen des MfS zur Gewährleistung der inneren Sicherheit des Organs gehören [...] – die umfassende und rechtzeitige Information der zuständigen Genossen des MfS über alle die Gewährleistung der inneren Sicherheit berührenden Fragen; das betrifft besonders die Übergabe von Feststellungen gemäß den geltenden Grundsätzen, Informationen über Vorkommnisse, Ereignisse und andere bekanntgewordene Hinweise im eigenen Dienstkollektiv, die geeignet sind, die innere Sicherheit zu gefährden; – die unbedingte Abstimmung bei jeder Einstellung, Kommandierung, Versetzung, Zuversetzung, Einleitung von Disziplinarverfahren sowie Entlassungen und die verantwortungsbewusste Beachtung der Hinweise der zuständigen Genossen des MfS auf der Grundlage der Befehle und Weisungen des Leiters der Zollver waltung sowie im Rahmen der Befugnisse des Vorgesetzten; [...] – die Gewährleistung einer absoluten Undurchschaubarkeit des Zusammenwirkens durch Dritte sowie einer hohen Schweigepflicht über Inhalt, Umfang, Formen, Mittel und Methoden des Zusammenwirkens.“212 In der Hauptver waltung, den Bezirksver waltungen und an den Zollämtern wurden Mitarbeiter des MfS als Verbindungsoffiziere eingesetzt, um die Arbeit der Zöllner vor Ort zu kontrollieren und die Forderungen der Staatssicherheit auf allen Ebenen durchzusetzen.213 Diese Verbindungsoffiziere standen in unmittelbarem Kontakt mit den Leitern der Abteilungen VI des MfS. Die Leiter der Abteilungen VI führten mit den Leitern der Bezirksver waltungen Zoll regelmä210 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. 211 Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 155). 212 Ebd., Bl. 155 f. 213 Vgl. HA VI des MfS, o. D. : Meinungsäußerung zum Vorschlag der HA VII des MfS (BStU, MfS, HA VI 1380, Bl. 30).

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ßig Absprachen und Beratungen zur „Absicherung der Mitarbeiter der Zollver waltung“214 durch. Solch eine offizielle Zusammenarbeit mit Führungskadern des Zolls – und damit oftmals mit OibE bzw. IM in Schlüsselpositionen – trug laut Einschätzung der HA VI „wesentlich zur Erhöhung von Sicherheit und Ordnung in den Zollobjekten“215 bei und war für die Kontrolle des Personalbestands unverzichtbar. Nicht nur, weil Hinweise, welche die innere Sicherheit betrafen, zwischen beiden Instanzen ausgetauscht wurden, sondern auch, weil die zu treffenden disziplinarischen Maßnahmen ( z. B. Versetzungen, Entlassungen etc.) aus Sicht der Zollmitarbeiter von ihren Leitern und der Kaderabteilung des Zolls – und „offensichtlich“ eben nicht von Mitarbeitern des MfS – durchgesetzt wurden. Inoffizielles Kontrollsystem Die verdeckte Ermittlung war für die Abteilung Zoll - Abwehr die entscheidende Grundlage zur Über wachung des Personalbestands im Zoll. Vor Gründung der HA VI des MfS im Jahr 1970 wurden die Kontrolleure der Zollämter durch die lokal zuständigen Kreisdienststellen der Staatssicherheit überwacht. In der Folgezeit fand eine schrittweise Übernahme einzelner Zolldienststellen durch die Abteilungen Zoll - Abwehr der Linie VI statt.216 Noch bis Mitte der 1970er Jahre wurden einzelne Zollbereiche durch Kreisdienststellen „abgesichert“, bevor schließlich die Abteilung Zoll - Abwehr der Linie VI die Gesamtverantwortung übernahm.217 Sehr vereinzelt, beispielsweise im Falle des Binnenzollamts Bautzen, erfolgte die Übernahme erst um die Jahre 1978/1979.218 Ein Schema über das endgültige System der verdeckten Kontrolle von Zollkontrolleuren zeigt Abbildung 19. Als Informanten standen der Abteilung Zoll - Abwehr verschiedene Personenkreise zur Verfügung. Offiziere im besonderen Einsatz und inoffizielle Mitarbeiter in Schlüsselpositionen waren hauptsächlich für die Durchsetzung der Interessen des MfS im Zoll verantwortlich, hatten aber auch die Aufgabe, Hinweise und Auffälligkeiten, die die innere Sicherheit betrafen, an die Staatssicherheit weiterzuleiten. Den sicherlich größten Teil der Informanten machten inoffizielle Mitarbeiter aus dem direkten Arbeitsbereich der Kontrolleure des Zolls aus. 214 HA VI des MfS, Abteilung Auswertung und Information, vom 8. 5. 1979 : Einschätzung zum Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 66, Bl. 73). 215 Ebd., Bl. 80. 216 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 15. 12. 1971 : Bericht über den Dienstbesuch in der Abteilung VI, Referat Zoll ( Abwehr ), der BV Dresden am 1. und 2. 12. 1971 ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 22). 217 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 10. 12. 1973 : Dienstreisebericht ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 54). 218 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 2. 1979 : Bericht über den durchgeführten Arbeitseinsatz in der Abteilung VI, Referat Zoll - Abwehr, der BV Dresden vom 23.1. bis 26.1.1979 ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 140).

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Abb. 19 : Schema der verdeckten Kontrolle von Zollkontrolleuren

„Bei der Auswahl und dem Einsatz der inoffiziellen Mitarbeiter ist von den Kontaktschwerpunkten und leichtver wundbaren Stellen der Dienststelle und [...] Diensteinheit sowie von der Tätigkeit der Zollangehörigen auszugehen.“219 So wurden hauptsächlich Zöllner als IM ausgewählt, die Führungskräfte und Geheimnisträger waren oder in Bereichen arbeiteten, die am stärksten „feindlichen Einflüssen“ ausgesetzt waren.220 Beispielsweise unterlagen Inhaltskontrolleure an Postzollämtern ständig den Einflüssen westlicher Literatur oder anderen westlichen Erzeugnissen. Im Bereich der Grenzzollämter betraf dies zum Beispiel Kontrolleure, die unmittelbar an den Kontrollstellen des Lkw - und PkwVerkehrs sowie der Gepäck - und Zahlungsmittelkontrolle arbeiteten.221 Darüber hinaus standen diese Kontrolleure auch in unmittelbarem persönlichen Kontakt zu den Reisenden. 219 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 6. 1970 : Aufgabenstellung der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) und der Abteilungen VI, Referate bzw. Hauptsachgebiete Zoll (Abwehr ) der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Organisierung der politisch - operativen Arbeit an den Grenzzollämtern der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 12760, Bl. 143). 220 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Auswertung und Information, vom 8. 5. 1979 : Einschätzung zum Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 66, Bl. 72). 221 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 6. 1970 : Aufgabenstellung der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) und der Abteilungen VI, Referate bzw. Hauptsachgebiete Zoll (Abwehr ) der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Organisierung der politisch - operativen Arbeit an den Grenzzollämtern der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 12760, Bl. 143).

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In der Staatssicherheit instruierten sogenannte Führungs - IM ( FIM ) mehrere inoffizelle Mitarbeiter in sogenannten FIM - Netzen. Eine Quelle gibt Hinweise darauf, wie viele solcher FIM - Netze in den Bezirksverwaltungen der Zollverwaltung existierten : „Zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollver waltung sowie zur Durchsetzung der operativen Interessen des MfS arbeiten in den Abteilungen VI der Bezirksver waltungen gegenwärtig [ Stand : 8. Mai 1979] 90 FIM - Netze, die durch 82 FIM, 7 IME und 1 OibE gesteuert werden.“222 Hinsichtlich der Auslastung der FIM - Netze bestanden große Unterschiede. In der Abteilung VI der BV Potsdam führte zum Beispiel ein hauptamtlicher FIM zum oben genannten Zeitpunkt 21 IM / GMS, während in der Abteilung VI der BV Rostock damals in 22 FIM - Netze insgesamt 59 inoffizielle Mitarbeiter integriert waren.223 Die Abteilung VI der BV Dresden verfügte zu dieser Zeit über wesentlich mehr inoffizielle Kräfte. 202 IM, 37 GMS und 22 IM - Vorläufe waren für die „Absicherung“ von insgesamt 695 Zöllnern zuständig.224 „Bei der zahlenmäßigen Aufstellung der inoffiziellen Mitarbeiter muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht nur um Zollangehörige handelt, sondern dass ein geringer Teil der inoffiziellen Mitarbeiter aus dem Freizeitbereich bzw. aus den Institutionen an den GÜSt geworben wurde.“225 Man kann unter Berücksichtigung des eben zitierten Umstands davon ausgehen, dass in der Bezirksver waltung Zoll Dresden über 30 Prozent des Mitarbeiterbestands in FIM - Netzen verankert waren. Der Einsatz von FIM - Netzen bot für die Staatssicherheit viele Vorteile. Führungs - IM und IM / GMS arbeiteten meist in der selben Dienststelle und standen daher in engem Kontakt zueinander. Da FIM oft in Führungspositionen angesiedelt waren, hatten sie Einfluss auf die Dienstplanung und konnten ihre IM / GMS mit „operativ zu bearbeitenden Angehörigen“ zusammenarbeiten lassen. Zudem boten die offiziellen dienstlichen Kontakte nach Einschätzung der HA VI „eine gute Abdeckung von Treffs und damit eine Erhöhung der Konspiration“.226 Insbesondere an den GZÄ waren FIM in Führungspositionen als erste über sicherheitsrelevante Hinweise informiert, die sich aus den Kontrollen ergaben. So konnten sie die von ihnen gesteuerten IM unmittelbar zur Verdichtung derartiger Informationen aus dem grenzüberschreitenden Verkehr 222 HA VI des MfS, Abteilung Auswertung und Information, vom 8. 5. 1979 : Einschätzung zum Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 66, Bl. 84). 223 Vgl. ebd. 224 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 2. 1979 : Bericht über den durchgeführten Arbeitseinsatz in der Abteilung VI, Referat Zoll - Abwehr, der BV Dresden vom 23.1. bis 26. 1. 1979 ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 140). 225 Ebd., Bl. 142. 226 HA VI des MfS, Abteilung Auswertung und Information, vom 8. 5. 1979 : Einschätzung zum Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 66, Bl. 84).

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beauftragen. Die Über wachung ging an den Grenzzollämtern aber noch weiter: Auch Ser viceeinrichtungen auf dem Gelände der GÜSt, beispielsweise die Kantinen, waren mit IM und GMS der Abteilung Zoll - Abwehr „abgesichert“.227 „Weiterhin sei darauf ver wiesen, dass auch eine gute Zusammenarbeit mit den PKE zur vorbeugenden Sicherung des Kaderbestandes der Zollver waltung beiträgt.“228 Passkontrolleure wie auch Postzollfahnder waren als hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit an den Grenzübergangsstellen wie an den Postzollämtern mit den Zöllnern in direktem Kontakt. Nachweislich wurden PKE Mitarbeiter dazu beauftragt, „operative Einschätzungen“229 zu Zollangehörigen anzufertigen. Das bestätigt auch ein ehemaliger Leiter eines großen GZA an der Westgrenze. „Sie waren auch angehalten, die Kontrolleure der PKE, Tätigkeitsbeschreibungen der Zöllner abzugeben, also auch ihre eigentlichen Partner, auch in der Schicht. Das hat dann dazu geführt, dass der PKE - Leiter kam und gesagt hat, pass mal auf, im Trakt soundso zur Zeit soundso haben deine Kontrolleure Mayer, Schulze, Lehmann ’ne Stunde gefrühstückt, die haben Lkw nicht ordentlich abgefertigt, die haben nicht an der Leine gezogen [...]. Und das gab Frust. Unsere Zöllner fühlten sich immer ungleich behandelt. [...] Insgesamt, wenn ich das so aus meiner Erfahrung am Grenzzollamt sehe, war das Verhältnis vor allem auf den unteren Ebenen zwischen der PKE und zwischen den Zöllnern nicht gut. Also sie haben sich schon gegängelt gefühlt, sie haben sich auch überwacht gefühlt. Nun ist dieses Verhältnis natürlich dadurch ein bisschen, das sag ich jetzt zynisch, verbessert worden, weil, das hab ich damals tatsächlich nur geahnt, nur geahnt, sehr sehr viele Zöllner natürlich auch sehr eng mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet haben. Das hab ich aber erst nach der Wende erfahren [...] Die Zielstellung war wohl damals so, dass, ich weiß die Prozente nicht mehr, dass – eine bestimmte Anzahl der Zöllner musste immer IM sein, die mussten, glaub ich, nach zwei Jahren oder drei Jahren inaktiviert werden, um wieder neue zu gewinnen. [...] Wenn man mal so ein Grenzzollamt nimmt wie Hirschberg und das mal auf die Zeit von zehn Jahren bezieht, ich denke mal, da ist so die Hälfte des Personalbestandes IM gewesen, so schrecklich ist das wirklich.“230

Passkontrolleure führten Über wachungsmaßnahmen oftmals nicht nur am jeweiligen Dienstort der Zöllner durch, sondern auch darüber hinaus. „So kann auch eine Befragung der PKE - Mitarbeiter zu einzelnen Zöllnern bezüglich des Wohn - und Freizeitbereiches erfolgen, da diese oftmals in gemeinsamen Wohngebieten leben.“231 In der Sicherheitslogik der Staatssicherheit standen die Bespitzelung im Dienst und im Privatleben in einem kausalen Zusammenhang: „Werden negative Einflüsse aus dem Dienst wirksam, so können sie auch die 227 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 19. 2. 1979 : Bericht über den durchgeführten Arbeitseinsatz in der Abteilung VI, Referat Zoll - Abwehr, der BV Potsdam vom 12.2. bis 15. 2. 1979 ( BStU, MfS, HA VI 4391, Bl. 62). 228 Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 43 ( BStU, MfS, MF JHS VVS /438/89). 229 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 5. 11. 1970 : Dienstreisebericht über den durchgeführten Einsatz in der BV Dresden Abteilung VI, Referat Zoll ( Abwehr ) (BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 5). 230 Zeitzeugengespräch mit Christian Singer am 13. 1. 2006. 231 Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 43 ( BStU, MfS, MF JHS VVS /438/89).

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Entwicklung negativer Verhaltensweisen außerhalb des Dienstes begünstigen. Beides trifft auch in umgekehrter Weise zu, so dass Dienst - und Freizeitverhalten voneinander untrennbar sind.“232 Wie im Arbeitsbereich sollte also auch im „Wohn - , Freizeit - und Interessenbereich“233 der Zollangehörigen verdeckt ermittelt werden. Dafür wurden zunächst IM unter den PKE - und Zollkräften eingesetzt. Diese standen jedoch vor einem Problem, auf das unter anderem in einer Diplomarbeit der JHS ausdrücklich hingewiesen wurde : Viele Zöllner schotteten sich offenbar aus Angst vor Verleumdung oder Denunzierung voneinander ab. Diese „Absicherung der Zollangehörigen untereinander setzt sich auch im Wohn - und Freizeitbereich fort“.234 Bestätigt wird diese Problematik auch in einem IM - Bericht aus den Jahr 1989, in dem es heißt : „Unzureichend ist derzeit insgesamt die Bereitschaft bei den IM, die obj. [ objektive ] Möglichkeiten der Herstellung von Kontakten / Verbindungen im Wohn - und Freizeitbereich hätten, einzuschätzen. Ursachen dafür liegen einerseits darin begründet, dass die Ehepartner der IM, aber auch die IM / GMS persönlich, nach Dienstschluss an keinerlei engerem Kontakt mit Angehörigen des Organs interessiert sind.“235 Aus diesem Grund wurden auch inoffizielle Mitarbeiter außerhalb des beruf lichen Umfelds der Zöllner herangezogen. „Geeignete Quellen“ waren unter anderem Versicherungsvertreter, Vertreter der Volkssolidarität, Arbeitskollegen von Ehepartnern, Wohnungsnachbarn, aber auch Freunde und Bekannte mit gleichen Freizeitinteressen ( Sport, Kultur etc.).236 Darüber hinaus galten auch Postzusteller, Handwerker, Ärzte oder Verkaufskräfte in nahe gelegenen Geschäften als taugliche Informanten.237 All diese IM wurden in der Regel nicht durch die Abteilung Zoll - Abwehr angeleitet, sondern unterstanden den örtlichen Kreisdienststellen des MfS. Daher arbeiteten die Abteilungen Zoll - Abwehr zur Überprüfung des Privatlebens der Zöllner eng mit den zuständigen MfS Kreisdienststellen zusammen. Die Informationen der MfS - Kreisdienststellen wurden in aller Regel ohne konkrete Vorgaben der Abteilungen VI erarbeitet und sollten daher insbesondere dazu beitragen, „vorrangig zu sichernde Personen [...] zu erkennen und so Maßnahmen der gezielten operativen Aufklärung einleiten zu können“.238 Eine weitere Form der Zusammenarbeit entwickelte die Abteilung Zoll - Abwehr zudem mit dem Bereich Auslandstourismus. Durch ihn und durch den Einsatz eigener IM wurden spätestens ab den 1980er Jahren 232 Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 40). 233 Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 37 ( BStU, MfS, MF JHS VVS /438/89). 234 Ebd. 235 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 22. 5. 1989 : Einschätzung der Wirksamkeit der IM / GMS - Arbeit im Verantwortungsbereich ( BStU, MfS, HA VI 14600, Bl. 78). 236 Vgl. Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 40 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /438/89). 237 Vgl. Hammerl, Sicherung von Schwerpunktbereichen, S. 52 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /1080/84). 238 Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 42 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /438/89).

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auch „die Möglichkeiten der Über wachung von [ Zöllnern ] während ihrer Urlaubsaufenthalte im sozialistischen Ausland ausgebaut und verstärkt genutzt“.239 Generell erfolgte die Bespitzelung von Kontrolleuren durch die Abteilung VI des MfS nach zwei Prinzipien : Zum einen waren alle inoffiziellen Kräfte angehalten, über sämtliche „Auffälligkeiten“ einzelner Zöllner aus ihrem Umfeld zu berichten. Beispielsweise galt es bereits als berichtenswert, wenn die Ehefrau eines Zöllners mit einem „Plastebeutel westlicher Herkunft“240 auf der Straße vor ihrem Haus gesehen wurde. Zum anderen wurden Zollkontrolleure aber auch systematisch und gezielt bespitzelt. So war vorgesehen, alle Zollmitarbeiter turnusmäßig durch Zoll und MfS zu überprüfen. Diesen sogenannten „Nachermittlungen“ wurden die Untersuchungsergebnisse des Auswahl - und Einstellungsverfahrens zu Grunde gelegt. Sie hatten zum Ziel, etwaige sicherheitsrelevante Veränderungen der Zöllner im Turnus von fünf Jahren zu überprüfen und fanden im Zusammenhang mit „Wer ist Wer ?“ - Überprüfungen statt, mit denen ab 1973 das allumfassende Sicherheits - und Informationsbedürfnis der Staatssicherheit gestillt werden sollte. Aufgrund der angespannten Personalsituation realisierte man solche Nachermittlungen aber vorwiegend bei bestimmten „Schwerpunktpersonenkreisen“, die durch die HA VI des MfS festgelegt wurden.241 Darunter fielen insbesondere Personen in Schlüsselpositionen, Geheimnisträger sowie – an den Zollämtern – Diensthundeführer und Kontrolleure mit selbstständigen Kontrollbereichen ( z. B. KB - I - Kontrolleure ).242 Die Ergebnisse solcher Überprüfungen wurden in „operativen Handakten“ (OPA ) festgehalten, welche die Abteilungen Zoll - Abwehr zu jedem Zollmitarbeiter führten. Bei bestimmten Zollangehörigen wurden diese Handakten ergänzt durch Einschätzungen, die mindestens jährlich durch IM / GMS erarbeitet wurden. Davon betroffen waren insbesondere mittlere und leitende Kader sowie Geheimnisträger. Darüber hinaus speicherte die Abteilung Zoll - Abwehr auch Informationen, die von anderen Diensteinheiten des MfS über Zöllner erarbeitet wurden.243 Somit konnten durch die Analyse der Handakten Schwerpunkte zu Problemen der inneren Sicherheit erkannt werden. Bei Bedarf erfolgten dann zu bestimmten Zollangehörigen weitere Sicherheitsüberprüfungen, in besonderen Fällen auch OPK ( operative Personenkontrollen ). Dabei wurden im Durch239 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 20. 1. 1987 : Berichterstattung zur Leiterberatung am 25. 2. 1987 zum Thema „Einschätzung der Wirksamkeit der Durchführung von OPK“ ( BStU, MfS, HA VI 6391, Bl. 118). 240 Vgl. Schreiben der Bezirksver waltung Potsdam der Zollver waltung der DDR, Abteilung Kader, an die Hauptver waltung der Zollver waltung der DDR, Abteilung Kader, vom 30. 3. 1978 : Durchsetzung der DA 24/69 bei Mitarbeiter der Zollver waltung ( BStU, MfS, HA VI 4391, Bl. 31 f.). 241 Vgl. Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 22 ( BStU, MfS, JHS VVS /438/89). 242 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 23. 8. 1976 : Analyse „Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 105). 243 Vgl. Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 22 ( BStU, MfS, JHS VVS /438/89).

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schnitt 5,7 IM der Abteilung Zoll - Abwehr auf einen zu bearbeitenden Zöllner angesetzt ( Stand : 1987).244 Außerdem zog die Abteilung Zoll - Abwehr weitere MfS - Diensteinheiten in die Ermittlungstätigkeit mit ein, insbesondere die Abteilungen M, VIII, 26 und die Postzollfahndung. Es handelte sich hierbei um Abteilungen, die insbesondere die Privatsphäre der Zöllner durchleuchten sollten : Post - , Brief - und Telefonkontrolle sowie unmittelbare Beobachtungen gehörten zu ihren Aufgaben.245 Sicherheitsüberprüfungen wurden verstärkt bei solchen Zöllnern durchgeführt, die in ihrer Funktion mit Informationen oder Gegenständen in Kontakt kamen, die den Geheimhaltungsstufen GVS und VVS unterlagen,246 die in solche Funktionen wechselten oder in irgendeiner Form Westkontakten ausgesetzt waren oder diese unterhielten. Besonders in der Hauptverwaltung der Zollverwaltung war die Anzahl der Geheimnisträger unter den Mitarbeitern sehr hoch, weshalb das MfS diese Bereiche besonders „absicherte“.247 Ende 1981 waren von den ca. 550 Angestellten der Hauptver waltung etwa 300 in den Geheimhaltungsstufen GVS und VVS bestätigt.248 Besonderes Augenmerk legte die HA VI des MfS daher unter anderem auf alle „Führungskader“ ( Leiter und deren Stellvertreter ), aber auch auf deren Sekretärinnen sowie auf Mitarbeiter der Abteilung Zollfahndung oder andere Zollangehörige, die dienstlich enge Kontakte und Verbindungen zum MfS hatten.249 Von ihrer Bearbeitung durch die Staatssicherheit sollten die betreffenden Zöllner in keiner Form Kenntnis bekommen. Daher erfolgten Sanktionen, die bei einem aufgedeckten Fehlverhalten eingeleitet wurden, nicht unmittelbar durch das MfS, sondern grundsätzlich durch die Zollver waltung selbst. Beispielsweise sollten Zollkontrolleure der Grenzzollämter bereits während ihrer Bearbeitung mit Hilfe von OibE und IM in Schlüsselpositionen „unter einer zweckmäßigen Legende“250 vom GZA wegversetzt werden. Es galt dabei der 244 Vgl. HA VI des MfS vom 28. 2. 1987 : Protokoll der Leiterberatung am 25. 2. 1987 ( BStU, MfS, HA VI 6391, Bl. 164). 245 Vgl. Wilke, Sicherheitsüberprüfungen, S. 29 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 873/81). 246 Geheimhaltungs[ stufe ] : Der unterschiedliche Wert geheimzuhaltender Informationen und Gegenstände, welcher in ihrer Einstufung als „Geheime Verschlusssache – persönlich“ ( GVS - p ), „Geheime Verschlusssache“ ( GVS ) bzw. „Vertrauliche Verschlusssache“ ( VVS ) bei Staatsgeheimnissen und „Vertrauliche Dienstsache“ ( VD ) sowie „Nur für den Dienstgebrauch“ ( NfD ) bei Dienstgeheimnissen ausgedrückt wird. [...] Die Bestimmung des G. dient der Sicherung der Geheimnisse vor dem Zugriff unbefugter, nicht für die Arbeit mit Geheimnissen berechtigter Personen, indem der Personenkreis und die Verfahrensweise des Zugangs und der Kenntnisnahme der Geheimnisse durch rechtlich - verfügende Maßnahmen differenziert und exakt durchgeführt wird. Die Kontrolle dieser Maßnahmen durch die zuständigen Diensteinheiten des MfS ist Bestandteil des Geheimnisschutzes und trägt entscheidend zur Sicherung der Geheimnisse gegen Verrat und unbefugte Offenbarung bei. Aus : Suckut, Wörterbuch, S. 137 f. 247 Vgl. HA VI des MfS vom 4. 12. 1985 : Zuarbeit zur Lageeinschätzung auf dem Gebiet des Geheimnisschutzes zum Bereich Stellvertreter des Leiters der Zollverwaltung ( BStU, MfS, HA VI 14599, Bl. 18–24). 248 Vgl. Wilke, Sicherheitsüberprüfungen, S. 10 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /873/81). 249 Vgl. ebd., S. 13 f. 250 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 6. 1970 : Aufgabenstellung der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) und der Abteilungen VI, Referate bzw. Hauptsachgebiete Zoll

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Grundsatz : „An der Staatsgrenze West und der Staatsgrenze Berlin versieht kein Zollangehöriger seinen Dienst, der durch das MfS operativ bearbeitet wird.“251 Nach einer abgeschlossenen Überprüfung durch das MfS bekamen Zollangehörige mögliche Konsequenzen ebenfalls nur von Seiten ihrer Führungskräfte und der Kaderabteilung des Zolls zu spüren. Ausschließlich von dieser Seite wurden „offiziell“ Disziplinarmaßnahmen, wie sie im Vorhinein beschrieben wurden, umgesetzt. Dass beispielsweise eine Entscheidung auf Entlassung vom MfS getroffen wurde und die Kaderabteilung des Zolls diese Entscheidung lediglich ausführte, sollte für den betreffenden Zöllner im Verborgenen bleiben. Diese Praxis der personalpolitischen Einflussnahme des MfS auf den Mitarbeiterbestand des Zolls kann auch ein ehemaliger Zollamtsleiter bestätigen. „Wenn sie denn der Auffassung waren, die Leute des MfS, dass man dort personalmäßig reagieren musste, sind sie mit der Information auf die Leiter der Zollämter zugegangen und haben um Aufklärung gebeten. Also, um das bildhaft zu machen : Wir haben Informationen, dass der Mayer Westpakete empfängt. Hier und hier. Haben wir auch von unseren Postzollämtern. Das ist so. Und das war’s dann. Kümmere dich. Dann haben Sie natürlich mit dem Kollegen gesprochen. Sie haben gesagt, wir führen jetzt ein Personalgespräch. Es gibt sichere Erkenntnisse, dass ... Und dann wurden natürlich auch personalmäßige Konsequenzen gezogen. Offiziell durch die Verantwortlichen der DDRZollverwaltung, überwiegend aber beeinflusst durch das Ministerium für Staatssicherheit. [...] Die Order hab ich nicht dann durch die bekommen, sondern hab ich bekommen durch meine vorgesetzten Behörden, also durch die Kaderabteilung der Zollver waltung.“252

Eine Ausnahme von dieser Praxis erfolgte lediglich, wenn bei der Überprüfung festgestellt wurde, dass sich der Zöllner als IM eignete und vom MfS als solcher geworben wurde, was nachgewiesenermaßen auch geschah.253

5.4

Disziplinarverstöße und Sanktionen

Wie beschrieben wurde, entwickelte das MfS ein ausgeklügeltes und für Zollmitarbeiter außerhalb der Leiterebene kaum erkenn - und durchschaubares Kontrollsystem. Mit dessen Hilfe konnte die Staatssicherheit den Zoll sowohl in „politisch - operativen“ Fragen als auch in Fragen der inneren Sicherheit nahezu vollständig anleiten. Auch wenn bereits bei der Auswahl und Erziehung der Zollmitarbeiter großer Wert auf systemkonformes Verhalten gelegt wurde – es gab immer wieder Situationen und Anlässe, die verdeutlichten, wie brüchig das ideologische Korsett war, das den Zöllnern anerzogen und mitunter auch aufge(Abwehr ) der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Organisierung der politisch - operativen Arbeit an den Grenzzollämtern der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 12760, Bl. 144). 251 Ebd. 252 Zeitzeugengespräch mit Christian Singer am 13. 1. 2006. 253 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 20. 1. 1987 : Berichterstattung zur Leiterberatung am 25. 2. 1987 zum Thema „Einschätzung der Wirksamkeit der Durchführung von OPK“ ( BStU, MfS, HA VI 6391, Bl. 115).

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zwungen wurde. Im Folgenden soll auf solche Begebenheiten und die daraus folgenden Sanktionen eingegangen werden. Grundsätzliches Die Weisungen des Leiters der Zollver waltung sahen vor, dass sämtliche Disziplinarverstöße genau erfasst wurden. Lückenlos lässt sich das Disziplinargeschehen in der Zollver waltung aber nicht rekonstruieren. Entsprechende Unterlagen sind bis heute nicht auffindbar. Stattdessen ist es jedoch möglich, über einzelne Zeiträume entsprechende Aussagen zu treffen. So zeigt sich zum Beispiel, dass durch die Abteilungen VI der Staatssicherheit zum Zeitpunkt 8. Mai 1979 drei Operativvorgänge ( OV ) und 105 Operative Personenkontrollen (OPK) an Zollmitarbeitern durchgeführt wurden.254 Dabei wurden in 50 Fällen OPK eingeleitet, weil Zöllner vermeintlich in Kontakt mit Personen aus dem westlichen Ausland standen. 17 Mal wurden OPK im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen eingeleitet, in elf Fällen zur „Aufklärung politisch ideologischer und moralisch - negativer Verhaltensweisen“.255 Hinzu kamen weitere zehn OPK wegen Verstößen gegen Befehle und Weisungen, neun zur „Aufklärung negativer Verhaltensweisen“ außerhalb der Dienstzeit und acht wegen des Verdachts, eine kriminelle Handlung begangen zu haben.256 Für das erste Halbjahr 1981 liegen Zahlen vor, nach denen ( gemessen an der Gesamtzahl der geahndeten Disziplinverstöße ) 59 Prozent Kontrolleure, elf Prozent technische Kräfte und 25 Prozent Offiziere an Verstößen beteiligt waren. Gut die Hälfte der beteiligten Offiziere waren als Führungskräfte eingestuft.257 14 Prozent aller „Disziplinverletzer“ waren Dienstanfänger und 43 Prozent arbeiteten seit über zehn Jahren in der Zollver waltung. 75 Prozent aller Personen, die in diesem Zeitraum disziplinarisch in Erscheinung traten, waren Mitglied der SED.258 Besonders der hohe Anteil an Parteimitgliedern scheint auf den ersten Blick überraschend. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die prozentuale Verteilung der Disziplinar verstöße im Großen und Ganzen der sozialen Zusammensetzung des Gesamtpersonals entspricht. Der Anteil der Disziplinarverstöße von Parteimitgliedern entspricht in etwa dem Anteil der Parteimitglieder im 254 Ein anschauliches Beispiel für einen durchgeführten Operativvorgang bei einem Zollangehörigen stellt der OV „Schakal“ dar ( BStU, MfS, BV Schwerin, AOP 841/89 Band 1, Bl. 33–57, 373–376). 255 HA VI des MfS, Abteilung Auswertung und Information, vom 8. 5. 1979 : Einschätzung zum Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 66, Bl. 78). 256 Vgl. ebd. 257 Leider liegen hierzu keine absoluten Zahlen vor. Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR, Abteilung Kader, vom 15. 10. 1981 : Ausführungen auf der Dienstberatung des Direktors vor Fürungskadern und den APO - Sekretären des Instituts zur Auswertung des Disziplinargeschehens in der Zollver waltung sowie am Institut im 1. Halbjahr 1981 am 22. 10. 1981 ( BStU, MfS, HA VI 3600, Bl. 2). 258 Vgl. ebd.

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gesamten Personalbestand. Kontrolleure trugen ebenso wenig über - oder unterproportional zur Gesamtzahl derer bei, die Verstöße begangen hatten, wie beispielsweise Offiziere. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass – zumindest im ersten Halbjahr 1981 – Disziplinar verstöße ein Phänomen darstellten, das alle Zöllner gleich betraf, unabhängig davon, wie zuverlässig sie von der Kaderabteilung eingestuft worden waren.259 Dabei muss jedoch beachtet werden, dass in der zu Grunde liegenden Statistik keine Angaben über die Qualität der Disziplinar verstöße gemacht wurden, also nicht festgestellt werden kann, ob bestimmte Gruppen über - oder unterproportional vertreten sind, was die Schwere der Verstöße angeht. Fest steht aber, dass 20 Prozent der disziplinarisch belangten Mitarbeiter „auf Grund der Schwere der durch sie verursachten Disziplinverstöße, des sich bewussten Hinwegsetzens über gesellschaftliche Normen und dienstliche Pflichten und der dadurch nicht mehr vorhandenen kaderpolitischen und sicherheitsmäßigen Voraussetzungen aus dem Organ entlassen“ wurden.260 Die auf diese Art entlassenen Zöllner sind in der Regel auch nach ihrer Zeit im DDR - Zoll weiter vom MfS beschattet worden.261 Verstöße gegen die innere Sicherheit in der Zollver waltung waren vielfältig. Einen ersten Eindruck vermitteln Beispiele, die in einem Kontrollbericht der Abteilung Zoll - Abwehr zur Arbeit der BV Zoll Potsdam im Jahr 1979 aufgeführt wurden. Darin werden Ermittlungsergebnisse aufgeführt wie : „trägt sich mit Entpflichtungsgedanken, äußerte dies gegenüber anderen Zollangehörigen“, „ist mit Lkw - Fahrern aus dem kap. Ausland per Du“, „führt ständig negative Diskussionen. Erhält 2 Tulpen zum Lohn von einem Kraftfahrer aus den Niederlanden, die er nicht abgab“, „führt negative Diskussionen zum Studium der Parteipresse und gegen die PKE. Sieht gemeinsam mit Ehefrau Westfernsehen“, „verstößt häufig gegen Befehle und Weisungen, ständiger Genuss von Alkohol“, „war im Besitz von 5, - DM / DBB, deren Herkunft nicht konkret geklärt wurde“, „Ehefrau erhält Geschenke aus der BRD. Mutter hat Verbindungen nach WB“.262 Verallgemeinernd lässt sich einschätzen, dass die große Mehrzahl der Disziplinar verstöße im Zusammenhang mit Westkontakten jeglicher Form standen. In einigen Fällen wurden auch Verhaltensweisen wie übermäßiger Alkoholgenuss oder außereheliche Beziehungen registriert und sanktioniert. Einen Sonderfall stellten Verstöße im Zusammenhang mit Desertionen dar. Bei solchen selten vorkommenden Fällen entzogen sich Zöllner durch ihre Flucht einer Bestrafung. 259 Nur Zollangehörige, die als ideologisch gefestigt galten, gelangten in Führungspositionen. 260 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR, Abteilung Kader, vom 15. 10. 1981 : Ausführungen auf der Dienstberatung des Direktors vor Führungskadern und den APO - Sekretären des Instituts zur Auswertung des Disziplinargeschehens in der Zollver waltung sowie am Institut im 1. Halbjahr 1981 am 22. 10. 1981 ( BStU, MfS, HA VI 3600, Bl. 2). 261 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 19. 2. 1979 : Bericht über den durchgeführten Arbeitseinsatz in der Abteilung VI, Referat Zoll - Abwehr, der BV Potsdam vom 12. 2. bis 15. 2. 1979 ( BStU, MfS, HA VI 4391, Bl. 67). 262 Ebd., Bl. 64.

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Verstöße im Zusammenhang mit „Gegnerischer Kontaktpolitik“ Unter „gegnerischer Kontaktpolitik“ fasste das MfS alle Facetten westlicher Beeinflussung von Zollmitarbeitern zusammen, die mit dem Ziel erfolgte, Informationen über Tätigkeit des Zolls und des Grenzsicherungs - und Kontrollregimes zu erlangen oder „negativ“ auf die Angehörigen der Zollver waltung einzuwirken.263 Die Bandbreite der „gegnerischen Kontaktpolitik“ war daher sehr groß. Die Mitarbeiter der Post - und Grenzzollämter kamen ständig in Kontakt mit westlichen Gegenständen und Druckerzeugnissen, die „negative Wirkungen“264 erzeugen konnten, insbesondere wenn diese länger als nötig und aus „individuellen Motiven“265 in Augenschein genommen wurden. Aufgrund des unmittelbaren Kontakts zu Reisenden galten die Kontrolleure der Grenzzollämter aber als am stärksten gefährdet. Sie sollten zu jeder Zeit beachten, dass sie „ständig im Blickfeld des Ausspionierens durch feindliche Kräfte, und zwar nicht nur durch Versuche direkten Aushorchens, sondern auch anderer koordinierter getarnter äußerlich nicht immer erkennbarer Aktivitäten“266 standen. Alle Zöllner der Grenzzollämter waren verpflichtet, ihre Vorgesetzten über „sicherheitspolitisch relevante Ereignisse“267 zu unterrichten. Wenn Reisende Fragen stellten, die nicht im Zusammenhang mit der Zollkontrolle standen, beispielsweise zur Dienstzeit, zur Besoldung, zum technologischen Ablauf der Kontrollen, mussten sie dies nach erfolgter Kontrolle melden. Wenn Reisende an der Grenzübergangsstelle Film - oder Fotoaufnahmen machten, mussten die Zöllner ebenfalls Bericht erstatten. Im höchsten Maße „sicherheitspolitisch relevant“ war es, wenn Reisende versuchten, Zöllner zu bestechen, wenn sie versuchten, persönliche Gespräche mit den Kontrolleuren zu führen oder sie gar zum „Verlassen der DDR“268 aufforderten. Wenn in Päckchen und Paketen aus eben genannten Motiven Nachrichten, Gegenstände oder Zahlungsmittel enthalten waren, unterlag auch dies der Meldepflicht. Alleine die Kontrolleure der Grenzzollämter meldeten beispielsweise im ersten Halbjahr 1981 mehr als 2 000 derartige Handlungen von Reisenden.269

263 Vgl. Institut der Zollverwaltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollverwaltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 50). 264 Ebd., Bl. 116. 265 Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 350). 266 Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 86). 267 Ebd., Bl. 37. 268 Ebd., Bl. 51. 269 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR, Abteilung Kader, vom 15. 10. 1981 : Ausführungen auf der Dienstberatung des Direktors vor Führungskadern und den APO - Sekretären des Instituts zur Auswertung des Disziplinargeschehens in der Zollver waltung sowie am Institut im 1. Halbjahr 1981 am 22. 10. 1981 ( BStU, MfS, HA VI 3600, Bl. 5).

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Die Akten belegen jedoch auch, dass entsprechende Meldungen nicht immer vorschriftsgemäß durchgeführt wurden. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Zum einen waren Meldungen über außergewöhnliche Vorkommnisse mit einem beträchtlichen bürokratischen Aufwand verbunden. Die Beobachtung musste durch die Zöllner schriftlich fixiert werden und zog oftmals eine Befragung durch den Vorgesetzten nach sich. Etliche Zöllner wollten sich dieses zeitraubende Verfahren ersparen und verzichteten auf eine entsprechende Meldung. Zum anderen diagnostizierte das MfS, dass Zollkontrolleure oftmals die „Gefährlichkeit derartiger Handlungen“270 nicht erkannten und diese als unbedeutend einstuften. Ein weiterer häufiger Grund war das bewusste Verschweigen „westlicher Beeinflussung“, wenn sie durch die Zöllner selbst gewollt oder geduldet war. Häufig verheimlichten die Kontrolleure es, wenn im eigenen Haushalt westliche Fernsehsender empfangen wurden. Auch der postalische oder persönliche Kontakt zu westlichen Ver wandten durch die Zöllner selbst oder ihre Angehörigen wurde nicht immer gemeldet. Die Angst, solche Verbindungen aufgeben zu müssen, war oftmals größer als die Angst vor einer Entlassung, die durch eine aufgedeckte Nichtmeldung drohte. Die IM der Abteilungen Zoll - Abwehr wurden daher instruiert, derartige Verbindungen aufzudecken. Sie sollten „durch aktive Nutzung aller Möglichkeiten im Dienst - , Freizeit - und Wohnbereich unter Wahrung der Konspiration Kontakte zwischen Angehörigen der Zollver waltung und Bürgern aus den nichtsozialistischen Staaten feststellen, personifizieren und [...] erste konspirative Aufklärungsaktivitäten durchführen“.271 In aller Regel hatten verheimlichte Westkontakte die fristlose Entlassung aus dem Zolldienst zur Folge, insbesondere wenn die Zöllner nicht bereit waren, diese Kontakte abzubrechen. Besonders schwer viel Zöllnern eine solche Entscheidung, wenn es sich dabei um die eigenen Eltern, Geschwister oder Kinder handelte. Auch in diesen Fällen waren die Konsequenzen nicht verhandelbar. Anfang der 1980er Jahre bestanden bei insgesamt 49 Prozent aller Angehörigen der Zollver waltung Ver wandtschaftsverhältnisse bzw. Schwägerschaften zu „Bürgern des nichtsozialistischen Auslands“.272 In absoluten Zahlen waren etwa 10 000 Kinder, Väter, Mütter, Geschwister, Tanten, Onkel, Großeltern, Schwiegereltern und Schwager aus dem westlichen Ausland mit etwa 4 000 DDR - Zöllnern ver wandt.273 Dagegen wurden jährlich lediglich ca. 30 Fälle aufgedeckt, bei denen Zöllner Kontakte oder Kontaktaufnahmen zu Westver wandten verschwiegen hatten.274 270 Bruneleit, Befähigung der IM. Fachabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule Potsdam 1980, S. 24 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS /947/79). 271 Ebd., S. 79. 272 Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 206). 273 Vgl. ebd., Bl. 207. 274 Vgl. ebd., Bl. 179.

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„Charakteristisch für diese ehemaligen Angehörigen war, dass sie unwahre Angaben in abgegebenen Meldungen über stattgefundene Zusammentreffen mit Bürgern des kapitalistischen Auslandes machten und Verbindungen über dritte Personen unterhielten. Bewusst verschleierten sie die Unterhaltung unerlaubter Kontakte und versuchten damit, die Vorgesetzten zu täuschen. Untersuchungen ergaben, dass diese ehemaligen Angehörigen den Forderungen zur Gewährleistung der inneren Sicherheit nicht nachkamen, sich uneinsichtig verhielten und auf die Fortführung der unterhaltenen Kontakte beharrten. Bei Bekanntwerden solcher der inneren Sicherheit widersprechenden Verhaltensweisen reagierte die Mehrzahl der Vorgesetzten prinzipiell und mit der erforderlichen Konsequenz.“275

In den Akten über Disziplinarmaßnahmen im Zusammenhang mit Westver wandtschaften finden sich auch kuriose Sachverhalte. So wurde beispielsweise ein Zöllner der BV Dresden über zehn Jahre hinweg von der Staatssicherheit als IM genutzt, obwohl bereits zuvor vermutet wurde, dass er den Kontakt zu westdeutschen Ver wandten nicht vollständig abbrechen wollte. Erst Ende der 1980er Jahre leitete das MfS eine OPK gegen ihn ein, in dessen Folge er schließlich entlassen wurde ( OPK „Blender“).276 In diesen Zeitraum fiel auch die erste vom DDR - Ministerrat erlassene Reiseverordnung, die nicht geheim war, sondern im Gesetzblatt der DDR abgedruckt wurde.277 Zwar wurden damit keine Reiseerleichterungen in Aussicht gestellt, jedoch rückte die Verordnung die Ausreiseproblematik zusehends ins gesellschaftliche Blickfeld, die in den Folgemonaten zu einem zentralen Konflikt zwischen weiten Bevölkerungsteilen und der Staatsführung wurde. Dieser Konflikt machte auch vor den Mitarbeitern der Zollver waltung nicht halt. Immer mehr Ver wandte und Bekannte aus dem persönlichen Umfeld der Zöllner nahmen verstärkt Kontakte nach Westdeutschland auf. So heißt es in einer Analyse der Abteilung Zoll - Abwehr zu Fragen der inneren Sicherheit in der Zollver waltung vom 30. August 1988 : „Im Verantwortungsbereich ist zu verzeichnen, dass die Feststellungen zu Westkontakten / Westverbindungen von Ver wandten / Bekannten von Zollangehörigen im Vergleich 1987 zu 1988 einen spürbaren Anstieg nehmen. So gab es im gesamten Jahr 1987 194 Feststellungen und im Vergleich 1988 gab es nur im 1. Halbjahr bereits 163 Feststellungen. Einen nicht zu unterschätzenden Anteil nehmen hier DFA - Reisen [ Reisen in dringenden Familienangelegenheiten ] von Ver wandten ein.“278 In einer Diplomarbeit der Juristischen Hochschule des MfS wird hierzu eine weitere Anmerkung gemacht : „Aus diesem Grund ist zu verzeichnen, dass ein Großteil der Zollangehörigen dieser neuen Situation hilf los gegenübersteht und in persönliche Gewissenskonflikte gerät, weil BRD - Kontakte von Ver wandten und die Zugehörigkeit zur Zollver waltung nicht mit275 Institut der Zollver waltung der DDR, Abteilung Kader, vom 15. 10. 1981 : Ausführungen auf der Dienstberatung des Direktors vor Führungskadern und den APO - Sekretären des Instituts zur Auswertung des Disziplinargeschehens in der Zollver waltung sowie am Institut im 1. Halbjahr 1981 am 22. 10. 1981 ( BStU, MfS, HA VI 3600, Bl. 6). 276 Vgl. Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 25 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /438/89). 277 Gesetzblatt der DDR Nr. 25 vom 13. 12. 1988. 278 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 30. 8. 1988 : Analyse zu Fragen der inneren Sicherheit ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 12).

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einander vereinbar erscheinen. [...] Aus Gesprächen mit IM wird sichtbar, dass bekanntgewordene Kontakte von Verwandten von Zollangehörigen als peinlich empfunden werden[,] und man will dies gegenüber anderen aus diesem Grund vertuschen. [...] Ein weiterer Fakt ist, dass durch Zollangehörige bei Kontakten von Ver wandten persönliche Nachteile in ihrer dienstlichen Entwicklung gesehen werden und teilweise sogar mit Ablösung aus der derzeitigen Funktion bis hin zur Entlassung gerechnet wird. Aus diesem Grund werden derartige Verbindungen verschwiegen.“279

Aufgrund der eingetretenen Situation kam es 1988 auch zu einer Aufweichung der starren Regelung, dass Westkontakte von Zollmitarbeitern und deren Angehörigen in jeglicher Form untersagt waren. Der Leiter der Zollver waltung forderte „bei der Bewertung kader - und sicherheitspolitischer Faktoren jeglichen Schematismus auszuschließen“.280 Des Weiteren schlussfolgerte er, „dass die alleinige Tatsache der Zugehörigkeit zur Zollverwaltung keinen Ausschließungsgrund für eine Ausreise von Ver wandten / Bekannten des Angehörigen unseres Zollorgans in die BRD, andere nichtsozialistische Staaten und nach Berlin (West) darstellt. [...] Jeder Sachverhalt ist anhand der getroffenen grundsätzlichen Regelungen differenziert und individuell zu prüfen und zu entscheiden.“281 Aufgrund der „weltoffenen Politik der Partei“282 unter den neuen Bedingungen Ende der 1980er Jahre wurde im gleichen Zusammenhang auch das Verbot des Empfangs westlicher Radio - und Fernsehsendungen stillschweigend aus der „Belehrung zum Dienstvertrag“ für neueinzustellende Kader gestrichen.283 Abgesehen von dieser Endphase in der Geschichte der Zollver waltung bleibt allerdings festzuhalten, dass der direkte oder indirekte Kontakt zu westlichen Ver wandten und Bekannten generell streng untersagt war. Er stellte einen permanenten, aber nicht dominanten Faktor zur Gefährdung der „inneren Sicherheit“ dar. Weit häufiger wurde gemeldet bzw. beobachtet, dass Kontrolleure mehr Kontakt zu Reisenden hatten, als dies zur Kontrolle und Abfertigung unbedingt notwendig war. Eine Analyse über die Bezirksver waltung Zoll Berlin zeigt, dass innerhalb eines Jahres284 von 475 Zöllnern der Berliner Grenzzollämter 198 an insgesamt 446 sogenannten Sachverhalten beteiligt waren.285 Die Bandbreite dieser Sachverhalte war sehr groß. Wenn Reisende sich gegenüber den Kontrolleuren beispielsweise provokativ verhielten oder sich negativ zu deren Auftreten oder Verhalten äußerten, galt dies bereits als verdächtig und wurde registriert. Von besonderer Bedeutung waren jene Sachverhalte, die zoll - und MfS 279 Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 26 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /438/89). 280 Schreiben des Leiters der Zollver waltung vom 4. 4. 1988 : Grundsätzliche Anforderungen und Aufgaben zur Gewährleistung der inneren Sicherheit der Zollver waltung unter den gegenwärtigen und zukünftigen Lagebedingungen ( BStU, MfS, HA VI 3646, Bl. 3). 281 Ebd., Bl. 7. 282 Zollverwaltung der DDR, o. D. : Einweisung in neue dienstregelnde Weisungen und Festlegungen des Leiters der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 3608, Bl. 24). 283 Vgl. ebd., Bl. 23. 284 Im Zeitraum vom 1. 10. 1978 bis 30. 9. 1979. 285 Vgl. Bruneleit, Befähigung der IM, S. 16 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS /947/79).

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intern als „Teste der Zollkontrolle“286 und „Kontaktversuche“287 zusammengefasst wurden. „Hierbei handelt es sich um Erscheinungen, die objektiv gesehen einen Versuch darstellen können, in das Sicherheitssystem des grenzüberschreitenden Verkehrs einzudringen.“288 Stets liegt hierbei jedoch die Betonung auf „können“, was bedeutet, dass nicht jeder „Kontaktversuch“ von Reisenden mit dem Ziel erfolgte, die Zollver waltung auszuspionieren oder Zöllner zu korrumpieren. Oftmals waren es auch schlicht gut gemeinte Gesten ohne weitere Hintergedanken.289 „Man muss diese Kontaktversuche [...] gründlich analysieren um feststellen zu können, ob es sich hierbei um echte politisch - operativ - bedeutsame Kontakte handelt oder nicht“,290 heißt es folgerichtig auch beim MfS. In der BV Berlin wurden in dem oben genannten Zeitraum 188 Sachverhalte unter den Bezeichnungen „Teste der Zollkontrolle“ und „Kontaktversuche“ bekannt und registriert.291 In der gesamten Zollver waltung waren es 1979 ca. 2 300 solcher Sachverhalte.292 Abbildung 20 zeigt, wie sich die „Kontaktversuche“ und „Teste der Zollkontrolle“ im Zeitraum von 1970 bis 1972 im Einzelnen zusammensetzten. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass Kontaktierungs - und Korrumpierungsversuche durch das Über wachungssystem der Staatssicherheit ausnahmslos aufgedeckt wurden, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren, wie oft solche Versuche erfolgreich waren. Dass sie aber erfolgten und dass Zöllner sich zu „verschiedenartigen feindlichen und kriminellen Handlungen“293 haben 286 Als „Teste der Zollkontrolle“ wurden alle Fragen von Reisenden bezeichnet, die sich auf das Abfertigungs - und Kontrollsystem an den GÜSt bezogen haben, beispielsweise Fragen zu konkreten Abfertigungsmethoden, zur Organisation des Dienstsystems, zur Ausrüstung und Bewaffnung. Darüber hinaus wurden auch verfälschte Zollerklärungen, sofern sie als solche entdeckt wurden, als „Teste der Zollkontrolle“ bezeichnet. Vgl. ebd., S. 29 f. 287 Als „Kontaktversuche“ wurden Aussagen und Handlungen von Reisenden bezeichnet, welche die Zöllner selbst beeinflussen sollten. Darunter fielen beispielsweise das Anbieten von Gegenständen, darunter Nahrungsmittel, Genussmittel, Druckerzeugnisse, aber auch Zahlungsmittel. Oftmals wurde auf diese Art versucht, die Zöllner zu bestechen, um Kontrollen zu erleichtern, zu entgehen oder um nach erfolgten Feststellungen Sanktionen zu umgehen. Ebenfalls als „Kontaktversuch“ wurden Fragen zur Person und Aufforderungen an die Zöllner verstanden, beispielsweise die Aufforderung zum Sehen, Hören und Lesen westlicher Massenmedien oder zur Flucht aus der DDR. Vgl. ebd., S. 30 f. 288 Ebd., S. 17. 289 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 6. 1970 : Aufgabenstellung der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) und der Abteilungen VI, Referate bzw. Hauptsachgebiete Zoll ( Abwehr ) der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Organisierung der politisch - operativen Arbeit an den Grenzzollämtern der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 12760, Bl. 149). 290 Bruneleit, Befähigung der IM, S. 31 ( BStU, MfS, JHS MF / VVS /947/79). 291 Vgl. ebd., S. 17. 292 Vgl. Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 340). 293 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 6. 1970 : Aufgabenstellung der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) und der Abteilungen VI, Referate bzw. Hauptsachgebiete Zoll

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Abb. 20 : Kontaktversuche und Teste der Zollkontrolle (1970–1972)294

bewegen lassen, steht außer Frage. Oftmals geschah dies im Zusammenhang mit Personen, die regelmäßig, d. h. an bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten, die GÜSt passierten. Insbesondere Lkw - Fahrer gehörten zu diesem Kreis, wie aus der „Personenkartei - West“ der HA VI her vorgeht, in der unter anderem auch Reisende erfasst wurden, die sich bei der Zollkontrolle auffällig verhielten.295 Fernfahrer westlicher Speditionen trafen aufgrund des Schichtsystems an den GZÄ nicht selten regelmäßig auf dieselben Kontrolleure, was für die Entwicklung eines – wie auch immer gearteten – Vertrauensverhältnisses förderlich war. So wurden beispielsweise im Mai 1970 drei GZA - Mitarbeiter durch die Staatssicherheit wegen „verschiedener Vergehen gegen die Strafgesetze der DDR“ inhaftiert, die mit westdeutschen Lkw - Fahrern in Kontakt standen. „Die Straftaten, die diese Zollangehörigen begangen haben, entwickelten sich vom Grußbestellen an Westver wandtschaft, in der Annahme von Genussmitteln, Damenunter wäsche, Schundliteratur, den Kauf von Intershopwaren durch die Fahrer für die rechtswidrig angeeigneten DM / DBB [ DM / Deutsche Bundesbank ], die direkte Bestellung von Convertern und Transistoren bis zum Verrat von Dienstgeheimnissen. Die Fahrer forderten Auskunft über Dienstplanung, Dienstzeit und Charakteristiken von anderen Zollangehörigen. Sie verlangten von den Beschuldigten die unmittelbare, ihren Wünschen entsprechende Abfertigung, die terminlich vereinbart wurde.“296 (Abwehr ) der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Organisierung der politisch - operativen Arbeit an den Grenzzollämtern der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 12760, Bl. 151). 294 Berichte der HA VI, Abteilung Zoll - Abwehr, über Kontrolleinsätze und den Stand der IM / GMS - Arbeit am GZA Marienborn / Autobahn ab Mitte der 1970er Jahre ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 147 f.). 295 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 11. 3. 1971 : Einschätzung der Kontaktpolitik und - tätigkeit des Gegners gegen das Zollorgan der DDR ( BStU, MfS, HA VI 13910, Bl. 172). 296 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 6. 1970 : Aufgabenstellung der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) und der Abteilungen VI, Referate bzw. Hauptsachgebiete Zoll

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Am Grenzzollamt Marienborn wurde im Juni 1975 ein ähnlicher Vorfall aufgedeckt. Über inoffizielle Mitarbeiter wurde die zuständige Abteilung VI des MfS informiert, dass es im Bereich der Diensthundeführer zu Unregelmäßigkeiten kam. Daraufhin wurde ein Kontrolleur „unter OPK gestellt und der gesamte Abfertigungsbereich verstärkt durch IM kontrolliert“.297 Zu einem Diensthundeführer wurde ermittelt, „dass er schon lange Zeit von Kraftfahrern, vorwiegend holländischer, belgischer und französischer Firmen, Gegenstände annahm. Manchmal bekam er sie angeboten, manchmal forderte er sie. Nach Hause transportierte er sie in seiner Aktentasche. [...] Aufgrund der Annahme von Gegenständen traute [ er ] sich nicht mehr, ordnungsgemäße Kontrollen durchzuführen und begünstigte dadurch mögliche Schleusungsversuche. [...] Betreffs der Gegenstände gab [ er ] an, dass er vorwiegend solche Dinge gefordert bzw. angenommen hat, wie Kugelschreiber, Tonbandkassetten, Sex - und Pornozeitschriften, Schnaps, Bier, Bierbüchsen u. ä. vom Wert nicht unerhebliche Dinge. Bei der durchgeführten Haussuchung [ sic !] bestätigten sich seine Angaben hinsichtlich der Art der genannten Gegenstände und wurden lediglich von der Menge her überboten.“

In einem anderen Fall forderte ein Zollkontrolleur am GZA Drewitz einen Reisenden direkt auf, ihm ein „Geschenk“ auszuhändigen, um passieren zu dürfen. Was der Zöllner nicht wusste ist, dass es sich bei dem Reisenden um einen IM der Abteilung VI handelte, der aus Westberlin zurück in die DDR reiste. Der IM erstattete anschließend genauestens Bericht über den Vorfall. Darin heißt es: „Der Angehörige der Zollorgane wies den IM an, [...] seinen PKW vor dem Kontrollgebäude zu parken und für den Angehörigen der Zollorgane einen Einkaufsbeutel mit entsprechenden Gegenständen als sogenanntes ‚Geschenk‘ fertigzumachen, ohne dass dies andere Kontrollkräfte einsehen können. Der IM füllte daraufhin einen Einkaufsbeutel (Plastetüte ) mit : 3 Stück Apfelseife, 1 x Zahnpasta, 3 Strumpfhosen, 2 x Apfelshampo, [ sic !] 1 x Kinderschampo [ sic !], die er dem Angehörigen der Zollorgane im Kontrollzimmer übergab. Während des Gespräches sowie bei der Übergabe der Gegenstände waren keine anderen Personen anwesend. Der Angehörige der Zollorgane sagte daraufhin, nun kennen sie mich und verwarnte den IM, zu keiner Person darüber zu sprechen, sonst würde er große Schwierigkeiten bekommen. Auf die Frage des IM nach den zu verzollenden Gegenständen winkte der Angehörige der Zollorgane ab, es wäre schon in Ordnung und wünschte ihm gute Fahrt, bis auf ein baldiges Wiedersehen.“298

Einen weiteren schweren Verstoß stellte „das Ansichnehmen von Fundgut, die Entwendung bzw. der Diebstahl von westlichen Druckerzeugnissen, besonders pornographischen Erzeugnissen und anderen Gegenständen oder Zahlungsmit-

(Abwehr ) der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Organisierung der politisch - operativen Arbeit an den Grenzzollämtern der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 12760, Bl. 153). 297 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 30. 6. 1975 : Information über Vorkommnisse am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 151). 298 Schreiben der BVfS Halle, Abteilung XX, an die HA VI des MfS vom 6. 3. 1980 : Information über Gefährdung der staatlichen Sicherheit der DDR durch Missbrauch dienstlicher Befugnisse eines Angehörigen der Zollorgane der DDR an der Grenzübergangsstelle Drewitz ( BStU, MfS, HA VI 4391, Bl. 148).

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teln unter Ausnutzung des Dienstes bis hin zu ihrer Weiter verbreitung“299 dar. So wurde beispielsweise ein Zollkontrolleur im März 1976 wegen „aktiver Bestechung“ fristlos aus der Zollverwaltung entlassen. Im Zusammenhang mit diesem Vorfall heißt es in den Unterlagen der zuständigen Abteilung VI der Bezirksver waltung Dresden des MfS : „Die inoffizielle Arbeit erbrachte bedeutende Hinweise über ideologische Aufweichung, die Beschaffung westlicher Druckerzeugnisse sowie mangelnde Kontrollergebnisse. [...] [ Er ] vertrat u. a. die Auffassung, westliche Schmöker hätten ihm mehr gegeben als die Parteibeschlüsse. Er wurde aus der SED ausgeschlossen.“300 Auch die Asser vatenkammern der Zollver waltung waren sensible Bereiche. Bei der Staatssicherheit wurde „durch den zielgerichteten Einsatz von IM / GMS konsequent darauf geachtet, dass durch die eingesetzten Asser vatenver walter an den einzelnen Dienststellen keine Manipulationen oder Diebstahlshandlungen durchgeführt werden können“.301 In der Praxis wurden die Asser vate dennoch vereinzelt von Zöllnern gestohlen. So wurden mitunter Gegenstände wie Kassettenrecorder entwendet.302 Literatur, insbesondere pornographische Erzeugnisse, wurde immer wieder „unberechtigt“ in Augenschein genommen. Beispielsweise heißt es zur Tätigkeit im Postzollamt Dresden aus dem Jahr 1979: „Durch einige Zollangehörige [...] werden Grobsendungen geöffnet, obwohl verboten ( Porno - und Sexbilder ), und werden zum Lesen herumgereicht.“303 Um insbesondere beschlagnahmte westliche Literatur, die in den Asser vatenkammern der Zollämter vorübergehend aufbewahrt wurde, vor unbefugtem Zugriff zu sichern, ergriffen die GZA - Leiter besondere Maßnahmen. An vielen Zollämtern mussten die Kontrolleure derartige Literatur in abgeschlossene Behältnisse ( ähnlich einem Briefkasten ) werfen, sodass „ein Zugriff ohne Öffnen der Verschlusseinrichtung nicht mehr möglich ist“.304 Eine Alternative war, dass westliche Literatur sofort vom Zoll an die PKE übergeben und gar nicht erst in zolleigenen Asser vatenkammern gelagert wurde. 299 Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 353). 300 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 23. 8. 1976 : Analyse „Stand der politisch operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR“ ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 109). 301 BVfS Magdeburg, Abteilung VI, vom 15. 8. 1977 : Bericht über den Stand der Durchsetzung der DA 19/72 des Leiters der Zollver waltung der DDR zur Behandlung von Asser vaten, die bei den Dienststellen der Zollver waltung anfallen sowie die Sicherung einer straffen Kontrolle über die exakte Durchsetzung der DA durch das Ref. 3 der Abt. VI (BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 282). 302 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 23. 8. 1976 : Analyse „Stand der politisch - operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 109). 303 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 1. 2. 1979 : Bericht über den durchgeführten Arbeitseinsatz in der Abteilung VI, Referat Zoll - Abwehr, der BV Dresden vom 23.1. bis 26. 1. 1979 ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 144). 304 Ebd., Bl. 113.

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In Einzelfällen begingen Zöllner auch während der Kontrollhandlungen Diebstähle. So wird beispielsweise von einem Zöllner am Flughafen Dresden berichtet, der eine US - Dollarmünze gestohlen hatte und sie mit Hilfe seiner Frau für ca. 1 900 Mark verkaufte.305 In einem anderen Fall wurden 1973 gegen drei Angehörige der Zollver waltung „wegen des dringenden Verdachts des Diebstahls von persönlichem Eigentum und der Verbreitung pornographischer Schriften Ermittlungsverfahren mit Haft“306 eingeleitet. Dem Kontrolleur und den beiden Röntgenkontrolleuren wurde vorgeworfen, Tonbandgeräte, Uhren, Zahlungsmittel, Schmuck, Genussmittel, Filme und Hefte pornographischen Inhalts aus Gepäckstücken entwendet zu haben. Den Ehefrauen der Verhafteten wurde zur Last gelegt, am Verkauf der gestohlenen Waren bzw. an Einkäufen mit den entwendeten Geldbeträgen in Intershop - Läden beteiligt gewesen zu sein.307 In einem weiteren Fall aus dem Jahr 1989 wurde ein Ermittlungsverfahren mit Haft gegen die Leiterin eines Postzollamtes eingeleitet. In der Untersuchungsakte der Staatssicherheit heißt es diesbezüglich : „Die Beschuldigte ist geständig, seit 1987 unter Ausnutzung ihrer beruf lichen Stellung Diebstahlshandlungen zu begehen. Mit dem Ziel persönlicher Bereicherung eignete sie sich rechtswidrig Pakete aus den eingehenden Sendungen aus dem NSW [ nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet ] an und verbrachte sie mittels Privat - Pkw in ihre Wohnung. Im Ergebnis einer Hausdurchsuchung wurden umfangreiches Diebesgut und weitere Artikel aus dem NSW sichergestellt. [...] Ihren Aussagen zufolge entwendete sie 6 Paket - und mehr als 20 Päckchen - und Grobsendungen und eignete sich darin befindliche Erzeugnisse der Heimelektronik, Bekleidungsstücke, Kosmetikartikel sowie Nahrungs - und Genussmittel im Wert von ca. 40000, - Mark rechtswidrig an.“308

Trotz der Vielzahl unterschiedlicher Verstöße, die im Zusammenhang mit „westlicher Kontaktpolitik“ begangen wurden, muss insgesamt zu diesen Fragen eingeschätzt werden, „dass derartige ernsthafte Verfehlungen bzw. Vergehen keine typischen Erscheinungen sind und Einzelfälle darstellen“.309 Dies trifft auch auf andere Disziplinar verstöße zu, auf die im Folgenden eingegangen werden soll. Verstöße gegen die Normen der „sozialistischen Moral und Ethik“ Da Zöllner sowohl im Dienst als auch privat Repräsentanten des DDR - Regimes waren, sollten sie sich zu jeder Zeit gemäß den Normen der „sozialistischen Moral und Ethik“ verhalten. Obwohl in keiner Quelle benannt wird, welche Aspekte genau dieser Verhaltenskodex umfasste, lassen sich anhand der darun305 Vgl. ebd., Bl. 147. 306 MfS vom 2. 4. 1973 : Information über begangene stafbare Handlungen durch Angehörige der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, Z 2157, Bl. 2). 307 Vgl. ebd., Bl. 1–3. 308 HA XIX des MfS vom 12. 5. 1989 : Information „Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit Haft gegen die Leiterin eines Postzollamtes“ ( BStU, MfS, HA XIX 5148, Bl. 27–30). 309 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 23. 8. 1976 : Analyse „Stand der politisch operativen Abwehrarbeit zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Objekten und Dienststellen der Zollverwaltung der DDR“ ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 110).

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ter erfassten Disziplinar verstöße jedoch Anhaltspunkte herausarbeiten, die darüber Auskunft geben. Ein großes Problem, das innerhalb der Zollver waltung bestand und dieser Kategorie zuzuordnen ist, war der Missbrauch von Alkohol. Beispielsweise verzeichnete die Kaderabteilung des Zolls im ersten Halbjahr 1981 21 Prozent aller Disziplinar verstöße im Zusammenhang mit Alkoholgenuss. „Den Schwerpunkt solcher disziplin - und moralwidriger Verhaltensweisen bildeten das Fernbleiben bzw. verspätete Erscheinen zum Dienst im Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholgenuss. [...] Dabei zeigte sich, dass anfängliche Erscheinungen von übermäßigem Alkoholgenuss nicht zum Anlass genommen wurden, das Freizeitverhalten dieser Angehörigen gründlich einzuschätzen sowie die diesen Vorkommnissen zugrundeliegenden fehlerhaften Einstellungen und Haltungen einer prinzipiellen Klärung zuzuführen.“310 Dass der Missbrauch von Alkohol innerhalb der Zollver waltung ein ernstzunehmendes Thema war, unterstreicht auch die Tatsache, dass der Leiter der Zollver waltung am 1. Dezember 1987 eine Dienstanweisung zur „Gewährleistung der Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Angehörigen der Zollver waltung“ herausgab, in der ausschließlich herausgestellt wurde, dass in allen Dienstbereichen der Genuss von alkoholischen Getränken während des Dienstes untersagt war : „Angehörige, die bei der Dienstaufnahme unter Alkoholeinfluss stehen oder während des Dienstes Alkohol zu sich nehmen, sind unverzüglich aus dem Dienst herauszulösen. Zu solchen Vorkommnissen sind gründliche Untersuchungen zur disziplinaren Verantwortlichkeit zu führen.“311 Auch sogenanntes moral - und ehewidriges Verhalten widersprach dem erwünschten Verhaltenskodex und wurde entsprechend verfolgt und geahndet.312 Hierbei zeigt sich besonders deutlich, dass die Zöllner in keiner Lebenssituation eine Privatsphäre für sich in Anspruch nehmen konnten. Ein Privatleben existierte nicht für sie, was sich auch im Sprachgebrauch von Zoll ( und MfS) ausdrückte. Stets war vom „Freizeitbereich“, nie jedoch vom „Privatbereich“ die Rede. Dementsprechend wurden auch höchst intime Angelegenheiten wie außereheliche Beziehungen oder unerwünschte sexuelle Neigungen und Vorlieben ( insbesondere Homosexualität ) ausgekundschaftet und sanktioniert. Neben Verhaltensweisen waren auch bestimmte Charakter - und Persönlichkeitseigenschaften uner wünscht. Im Gegensatz zum Verhalten lässt sich der Charakter bzw. die Persönlichkeit eines Menschen nicht objektiv beurteilen. Nichtsdestotrotz wurden Eigenschaften wie „Überheblichkeit, überstiegenes Geltungsbedürfnis, [ Wankelmütigkeit ], Schwatzhaftigkeit, Prahlsucht, überstei310 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR, Abteilung Kader, vom 15. 10. 1981 : Ausführungen auf der Dienstberatung des Direktors vor Führungskadern und den APO - Sekretären des Instituts zur Auswertung des Disziplinargeschehens in der Zollver waltung sowie am Institut im 1. Halbjahr 1981 am 22. 10. 1981 ( BStU, MfS, HA VI 3600, Bl. 13). 311 Dienstanweisung 25/87 des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 1. 12. 1987, Bl. 1 ( Archiv Plessow ). 312 Vgl. Sturm, Sicherheitsüberprüfungen, S. 23 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 720/86).

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gerte materielle und finanzielle Interessiertheit“313 bei einzelnen Zöllnern attestiert und als Anhaltspunkte dafür verstanden, dass die betreffenden Mitarbeiter den Einflüssen des Westens bereits übermäßig ausgesetzt waren. Derartige Eigenschaften wurden als „materielle und geistige Relikte der Ausbeutergesellschaft“314 angesehen, die noch nicht über wunden waren bzw. wieder wirksam wurden. Zur „sozialistischen Moral“ gehörte auch eine positive und gewissenhafte Einstellung zur Arbeit. Immer wieder beobachteten Führungskräfte bei Kontrolleuren jedoch mitunter eine „ausgeprägte Tendenz der Oberflächlichkeit, Unlust und Inkonsequenz in der Dienstdurchführung“,315 die sich in einer geringen Anzahl von Kontrollerfolgen bzw. einer ungenügenden Bearbeitung von Ermittlungsakten und Informationen ausdrückte. Verstöße im Zusammenhang mit Desertionen Desertionen von Zöllnern waren von besonderer sicherheitspolitischer Bedeutung. Das MfS befürchtete, dass die Zöllner nach ihrer Flucht den „feindlichen Stellen“ in der Bundesrepublik Angaben über ihre Tätigkeit und damit über das Sicherheitssystem insgesamt machen könnten.316 Beispielsweise flüchtete im Jahr 1971 ein Zollangehöriger mit seiner Familie über die Ostsee. Im Bericht dazu heißt es : „Der Grenzdurchbruch erfolgte am 24.10.1971 mit dem Zollboot 301, dass zu dieser Zeit zur Reparatur in der kleinen Reparaturwerft des VEB Schiffsanlagenbau Barth lag, auf dem der betreffende Zollangehörige als Bauaufsicht tätig war. Mit diesem Zollboot haben der Zollangehörige [...], dessen Ehefrau und ein Kind sowie der Schiffsbauingenieur [...], dessen Ehefrau und ein Kind die DDR ungesetzlich verlassen. Der Fluchtweg führte [...] über die Ostsee nach dem dänischen Hafen Roedby, wo die Verräter u. deren Angehörige das Zollboot verließen. Von dort aus gelangten sie nach Westdeutschland. [...] Das Verbrechen wurde durch die beteiligten Personen [...] gründlich vorbereitet. Die Vermögenswerte der Familien wurden fast vollständig vorher verkauft. Der Erlös und ein wesentlicher Teil persönlicher Dinge wie Bekleidung u. dgl. wurden mitgenommen. [...] Der Grenzdurchbruch wurde möglich durch das Vorhandensein einer unvertretbaren Verkettung begünstigender Umstände, einer Reihe von Mängeln in der polit. - op. Sicherung der betreffenden Bereiche, durch ungenügende Koordinierung operativer Sicherungsmaßnahmen zwischen den zuständigen Diensteinheiten des MfS und erheb313 Vgl. ebd. 314 Juristische Hochschule des MfS vom 1. 7. 1977 : Forschungsergebnisse zum Thema „Das reale und aufgabenbezogene Feindbild des Mitarbeiters der Zollver waltung in der Gegenwart“ ( BStU, MfS, JHS 22070, Bl. 79). 315 BVfS Dresden, Abteilung VI, vom 22. 1. 1971 : Sach - und Personenkriterien für die Organisierung der politisch - operativen Arbeit des Referats Zoll - Abwehr – entsprechend der Schwerpunkte des Informationsbedarfs der Linie VI ( BStU, MfS, HA VI 4393, Bl. 18). 316 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 2. 6. 1970 : Aufgabenstellung der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) und der Abteilungen VI, Referate bzw. Hauptsachgebiete Zoll ( Abwehr ) der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Organisierung der politisch - operativen Arbeit an den Grenzzollämtern der Zollver waltung der DDR ( BStU, MfS, HA VI 12760, Bl. 152).

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Personalmangel

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licher Mängel im Zusammenwirken der für das Grenzsicherungssystem verantwortlichen Organe. [...] Die Verräter [...] haben die Möglichkeit, dem Gegner eine Vielzahl wichtiger, im Interesse der DDR u. and. soz. Staaten geheimzuhaltende Informationen auszuliefern. Der ehemalige Zollangehörige [...] besitzt umfangreiche Kenntnisse über die Sicherung der Staatsgrenze Nord, über eine Vielzahl militärischer Objekte, über die Kontrolltätigkeit der Zollorgane u. des MfS in den Häfen sowie eine Vielzahl von Personen der Schutz - und Sicherheitsorgane einschließlich des MfS.“317

6.

Personalmangel – Hauptursache für Disziplinarverstöße und Schlüsselproblem der Zollverwaltung

Ein Umstand, der sich in den 1970er und insbesondere in den 1980er Jahren negativ auf die Arbeits - und Lebensbedingungen der Zöllner auswirkte, war der Personalmangel. Nicht besetzte Planstellen betrafen die einzelnen Bereiche der Zollver waltung unterschiedlich stark. Der Personalmangel verschärfte sich insbesondere an den Grenzzollämtern, da sich das Verkehrsaufkommen aller Kategorien an den GÜSt ständig erhöhte, die umfangreichen Kontrollbestimmungen jedoch unverändert fortbestanden und spürbare Rationalisierungseffekte durch neue Kontrolltechnik ausblieben. Das ZK der SED nahm sich am 29. Oktober 1980 der Problematik an und beschloss eine Erhöhung der Grundbesoldung für die Mitarbeiter an den Grenzzollämtern. Mit Wirkung vom 1. Januar 1981 erhielten Dienstanfänger 90 Mark und Zollkontrolleure 126 Mark mehr im Monat. Auch das Gehalt der Zugführer, Grenzzollamtsleiter und deren Stellvertreter wurde um monatlich 63, 45 bzw. 54 Mark aufgestockt.318 Die Begründung der Gehaltserhöhung war zugleich ein Eingeständnis, dass die Lage an den Grenzzollämtern immer schwieriger wurde. So heißt es in dem Beschluss : „Für Mitarbeiter der Bezirksverwaltungen und der Hauptverwaltung wird keine Erhöhung der Besoldung vorgenommen. [...] Die vorgesehene Maßnahme betrifft zu 84 % Zollkontrolleure, 16 % Gruppenführer, Zugführer und andere Führungskader an den Zollämtern. [...] An die an der Staatsgrenze sowie in den Diensteinheiten der Transitüberwachung tätigen Mitarbeiter werden Anforderungen gestellt, die mit hohen physischen und psychischen Belastungen verbunden sind. Erschwernisse und Härten ergeben sich für sie vor allem dadurch, dass sie zur Bewältigung der Verkehrsspitzen verstärkt an Sonnabenden bzw. Sonn - und Feiertagen sowie zu anderen Schwerpunktzeiten ihren Dienst leisten. Da in diesen Fällen die gemäß Schichtrhythmus zur Verfügung stehenden Kräfte nicht ausreichen, ist zur Gewährleistung einer wirksameren Zollkontrolle der Einsatz weiterer Mitarbeiter erforderlich, die mit zusätzlichen Stunden belastet werden. Für diesen zusätzlich geleisteten Dienst wird keine Freizeit oder Überstundenbezahlung gewährt.

317 Handschriftliche Notiz, o. D. : Wichtigste Ergebnisse der Überprüfung der Ursachen und Umstände des ungesetzlichen Verlassens der DDR durch einen Angehörigen der Zollver waltung und weiterer 5 DDR - Bürger mittels eines Zollboots über die Staatsgrenze Nord ( BStU, MfS, ZAIG 26409, Bl. 57–59). 318 Vgl. Reinschriftprotokoll des Sekretariats des ZK der SED vom 29. 10. 1980 ( BArch, DY 30/ J IV 2/3, 3136).

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Kontrollierte Kontrolleure

Hinzu kommt, dass die Tätigkeit an den Grenzdienststellen die Bereitschaft des Mitarbeiters voraussetzt, seinen ständigen Wohnsitz im grenznahen Raum zu nehmen. Daraus entstehen für die Mitarbeiter weitere persönliche und familiäre Belastungen. Häufig können die Ehepartner der Mitarbeiter am neuen Wohnort keine ihrem Beruf bzw. der Ausbildung entsprechende Tätigkeit ausüben. Ehepartner mit Hoch - oder Fachschulabschluss müssen zum Teil niedriger bezahlte Tätigkeiten aufnehmen. Aus dem gleichen Grund bestehen Probleme bei der Beschaffung von Lehrstellen für die Kinder der Mitarbeiter. Die ökonomischen und kulturellen Zentren der Kreise sind teilweise von den Wohnorten dieser Mitarbeiter nur unter verkehrsmäßig ungünstigen Bedingungen erreichbar. Diese Bedingungen, wobei die auftretenden finanziellen Fragen keine untergeordnete Rolle spielen, erschweren auch die Werbung junger klassenbewusster Arbeiter für den Dienst in der Zollverwaltung und komplizieren die Stabilisierung des Personalbestandes. Insbesondere resultieren aus den genannten Faktoren Ablehnungen zur Aufnahme der Tätigkeit in der Zollver waltung durch Bürger, die nach Ableistung ihres Grundwehrdienstes oder als Soldaten bzw. Unteroffiziere auf Zeit aus der NVA entlassen werden. Vielfach begründen sie ihre Ablehnungen damit, dass ihnen günstigere Arbeits - und Verdienstmöglichkeiten in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens angeboten wurden. Die Erhöhung der Besoldung für Offiziere an den Dienststellen wird zur Wahrung notwendiger Relationen gegenüber der Besoldung der Zollkontrolleure erforderlich. Zur Realisierung der vorgeschlagenen Maßnahmen ist eine Erhöhung des Fonds an Besoldungsmitteln um 8,1 Millionen Mark im Jahr erforderlich.“319

Etwas anders gelagert war dieselbe Problematik an den Postzollämtern. Verschiedene Anlässe sorgten immer wieder zu einem erhöhten Aufkommen von Postsendungen, deren Kontrolle nur unter größten Schwierigkeiten und Mehrbelastungen des Personals bewältigt werden konnte. Regelmäßig traten solche Belastungen im „Jahresendverkehr“ in der Weihnachtszeit auf, aber auch Ereignisse wie die Olympischen Spiele in München 1972 machten „Sondermaßnahmen“ erforderlich.320 Im Zuge dessen stieg der Kontrollaufwand erheblich an. Beispielhaft für diese Situation ist ein Bericht über Schwierigkeiten bei der Kontrolle von Paketsendungen im Postzollamt Falkenberg / Elster im Kreis Herzberg vom 12. Mai 1972. Dort heißt es unter anderem: „Bereits am 2.5.72 waren Rückstände von zirka 7 000 Sendungen zu verzeichnen, die [...] nicht weiter abgebaut werden konnten. Unter den Rückständen befanden sich dabei einzelne Sendungen, die schon zirka 3 Wochen beim PZA Falkenberg lagerten. Aufgrund der langen Lagerzeit waren einige Teile des Inhalts, besonders Obst, bereits verdorben und mussten aus den Sendungen herausgenommen werden.“321 Ende der 1980er Jahre wurden an den Postzollämtern zunehmend robotergestützte Kontrollanlagen installiert. Dadurch konnte zwar die Kontrollkapazität ausgeweitet werden, zugleich stieg das Kontrollaufkommen durch die 319 Arbeitsprotokoll des Sekretariats des ZK der SED vom 29. 10. 1980 ( BArch, DY 30/ J IV 2/3A ). 320 Vgl. BVfS Cottbus vom 12. 5. 1972 : Bericht über auftretende Schwierigkeiten bei der Kontrolle eingehender Paketsendungen im Postzollamt Falkenberg / Elster, Kreis Herzberg ( BStU, MfS, BV Cottbus, AKG 3539, Bl. 185–188). 321 Ebd., Bl. 187.

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Personalmangel

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Einführung neuer Bestimmungen aber erheblich an. Seit 1987 durften Druckerzeugnisse in die DDR eingeführt werden, die nicht auf der Postzeitungsliste der Deutschen Post aufgeführt waren, sofern sie nicht den „Interessen der DDR“ widersprachen. Dieses Kriterium musste im Einzelfall geprüft werden und bedeutete für die Kontrolleure an den Postzollämtern eine zusätzliche Arbeitsbelastung. Um den Personalmangel abzumildern, hätten nicht nur die Soll - Stärken im Personalbestand realisiert, sondern zusätzliche Zollmitarbeiter eingestellt werden müssen. Die Kaderoffiziere standen allerdings immer öfter vor dem Problem, dass „die personelle Sicherstellung komplizierter wird und zugleich die Sicherheitsanforderungen zu erhöhen sind [ sowie ] Entlassungen aus disziplinarischen Gründen bzw. wegen Nichteignung für den Dienst zunehmen“.322 In den 1980er Jahren verursachten geburtenschwache Jahrgänge zudem weitere Schwierigkeiten in der Personalgewinnung. Demzufolge konstatierte man 1986 beim MfS, „dass die gegenwärtige Kaderzuführung in der Zollver waltung der DDR nicht ausreicht, um den vorhandenen Bedarf an Kadern zu decken. Mit den Neueinstellungen werden zur Zeit nur die Entlassungen abgedeckt. Die große Anzahl von Fehlplanstellen in der gesamten Zollver waltung, und insbesondere an den Zollämtern, bleibt bestehen.“323 Abbildung 21 verdeutlicht nochmals den Personalmangel, von dem die Grenzzollämter besonders betroffen waren.

Abb. 21 : Soll - Ist - Vergleich der Personalstärke in der Zollverwaltung324

322 Vgl. Institut der Zollverwaltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollverwaltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 35). 323 Sturm, Sicherheitsüberprüfungen, S. 27 ( BStU, MfS, JHS MF VVS 720/86). 324 Vgl. Grundlegende Informationen der HA VI des MfS zur Zollver waltung der DDR vom 9. 2. 1985 ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 36).

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Einige Bezirksver waltungen des Zolls standen nicht nur vor dem Problem, dass keine neuen Kräfte eingestellt werden konnten, sondern mussten reale Verluste bei der Personalstärke in Kauf nehmen. Beispielsweise verzeichnete die BV Zoll Berlin im Jahr 1983 51 Entlassungen, davon zwölf aus disziplinarischen Gründen und 29 wegen „Nichtbereitschaft“, womit die Weigerung von Zöllnern gemeint war, die Erschwernisse des Dienstes auf sich zu nehmen. Dem gegenüber standen nur 30 Einstellungen, was einen Rückgang des Personalbestands um 21 Personen bedeutete.325 Auf einer Leiterberatung kommt der Leiter der HA VI am 11. Februar 1987 in diesem Zusammenhang zu folgender Aussage : „Wenn die Kontrolldichte beim Zoll so absinkt, dass nur jeder Zehnte zu gewissen Zeiten kontrolliert wird, oder dass zuweilen nicht einmal mehr der Pflichtumtausch realisiert werden kann, weil kein Zöllner da ist und damit gegen die Gesetze verstoßen wird, dann steht echt die Aussage, wie steht es mit der Kräftelage ? Ist das noch vertretbar oder nicht ?“326 In Dienststellen, die vom Personalmangel betroffen waren, nahm aber nicht nur die Kontrollintensität immer weiter ab. Es machten sich zudem immer mehr „Resignationserscheinungen“327 bemerkbar. So beklagte sich ein Zollmitarbeiter des GZA Drewitz bereits im Jahr 1978 schriftlich bei seinem Vorgesetzten über die zunehmende Arbeitsbelastung, die zu einer fehlerhaften Abfertigung des Verkehrs führe, was wiederum häufig Disziplinarmaßnahmen nach sich zog. Die Abteilung Zoll - Abwehr kam nach einer umfassenden „inoffiziellen Prüfung“ zu dem Schluss, „dass alle im Brief genannten Fakten den Tatsachen entsprechen“.328 Die Situation an den Zollämtern besserte sich bis zum Ende der DDR nicht mehr. So hieß es beispielsweise noch am 10. Mai 1989 in einem Bericht der Abteilung VI des MfS im Bezirk Rostock : „Aus Überbelastung (30–50 Stunden ) über den normalen Dienst im Monat, mangelnder Arbeit mit den Mitarbeitern, kommen immer wieder Unlust und auch Diskussionen über Entpflichtungsabsichten auf. Bereits in diesem Jahr, bis zum 10. 5., stellten 10 Genossen den Antrag auf Entlassung aus der Zollver waltung mit der Begründung [,] sie sind den Anforderungen des Dienstes, insbesondere des Schicht - , Wochenend und Zusatzdienstes, nicht mehr gewachsen. Die Ehefrauen bereiten Schwierigkeiten und äußern Unverständnis usw. Aus vorgenannten Gründen kam es bisher 1989 zu 8 Entlassungen.“329 325 Vgl. HA VI des MfS vom 10. 2. 1983 : Protokoll der Leiterberatung am 9. 2. 1983 ( BStU, MfS, HA VI 16, Teil 2 von 2, Bl. 588). 326 HA VI des MfS vom 16. 2. 1987 : Protokoll der Leiterberatung am 11. 2. 1987 ( BStU, MfS, HA VI 16, Teil 1 von 2, Bl. 100). 327 Nücklich, Sicherung des Kaderbestandes, S. 36 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /438/89). 328 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 25. 10. 1978 : Abschlussbericht über die Feststellung und Identifizierung des Verfassers eines anonymen Briefes an den Generalsekretär der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker ( BStU, MfS, HA VI 4391, Bl. 45). 329 BVfS Rostock, Abteilung VI, vom 10. 5. 1989 : Berichterstattung zum Stand der Um - und Durchsetzung der Festlegungen aus der Kontrolle vom August 1988 zur Qualifizierung

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Fallbeispiel : Der durchherrschte Alltag der Zöllner

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Die Sicherung des Personalbestandes der Zollver waltung durch das MfS hatte einen nicht zu unterschätzenden negativen Effekt, der sich bis in die 1970er Jahre in einem latenten, später in einem akuten Personalmangel in der Zollver waltung ausdrückte. Gerade der akute Personalmangel war jedoch ein entscheidender Faktor, der eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Zollver waltung zur Folge hatte und eine verstärkte Sicherung des Personalbestands bedingte. Diese Situation lässt sich als Dilemma bezeichnen, denn in der Tat hatte die Staatssicherheit letztlich nur die Wahl zwischen zwei Übeln : Abstriche bei den Kriterien zur Auswahl und Überprüfung des Mitarbeiterbestandes der Zollver waltung bargen die Gefahr, dass geheime Informationen des MfS bekannt werden konnten und die Zollver waltung ihre Aufgaben nicht ausreichend im Sinne des MfS erfüllte. Eine verstärkte Sicherung des Personalbestands und der daraus her vorgehende Personalmangel erzielten letzten Endes jedoch denselben Effekt.

7.

Fallbeispiel : Der durchherrschte Alltag der Zöllner am Beispiel der Grenzübergangsstelle Marienborn

Wie kaum ein anderer Ort symbolisierte die GÜSt Marienborn nicht nur die deutsch - deutsche Teilung, sondern auch das Ausmaß der Kontrolle und Über wachung, das zu deren Aufrechterhaltung notwendig war. Ob Reisender, Zöllner oder Passkontrolleur – jeder Einzelne unterlag an diesem technisch hochgerüsteten Bollwerk verschiedenen Formen der Über wachung. Die Zöllner befanden sich dabei in einer besonderen Situation : Sie waren nicht nur Kontrolleure, sondern standen selbst unter permanenter Kontrolle durch das MfS. Wie lebten die kontrollierten Kontrolleure an diesem in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlichen Ort ? Wie erlebten sie und die Reisenden die Kontrollen ? Wie empfanden die Zöllner ihre eigene Über wachung ? Auf diese und weitere Fragen, die im Zusammenhang mit dem durchherrschten Alltag330 der Zöllner in Marienborn stehen, wird im Folgenden eingegangen. Dafür soll zunächst verdeutlicht werden, dass die Grenzübergangsstelle – und damit der Arbeitsplatz der Zöllner – bereits durch seine imposante bauliche Konstruktion das Gefühl der Kontrolle und der Über wachung vermittelte, was sich auch auf die Wahrnehmung und das Verhalten aller, die sich an diesem Ort begegneten, auswirkte.

der politisch - operativen Arbeit in den Diensteinheiten der Zollver waltung ( BStU, MfS, BV Rostock, Abt. VI 1018, Bl. 40). 330 Bei dem Ausdruck „durchherrschter Alltag“ sei auf den Historiker Alf Lüdtke ver wiesen, der den Begriff der „Durchherrschung“ geprägt hat.

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362 7.1

Kontrollierte Kontrolleure

Entwicklung und Bedeutung der Grenzübergangsstelle Marienborn

Die Entwicklung der Grenzübergangsstelle Marienborn weist in vielen Gesichtspunkten Parallelen zur Entwicklung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Verrichteten im Juli 1945 die Angehörigen der vier Besatzungsmächte auf der neu errichteten alliierten Kontrollstelle Helmstedt / Marienborn noch gemeinsam ihren Dienst, so war bereits kaum ein Jahr darauf abzusehen, dass der Ausbau der innerdeutschen Grenze und somit die Teilung Deutschlands faktisch nicht mehr aufzuhalten war. Ein erster Ausdruck der einsetzenden Spaltung war die Abriegelung aller Straßen - und Eisenbahnverbindungen nach Berlin durch die Rote Armee in der Zeit vom 24. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949 als Reaktion auf die Währungsreform der westlichen Besatzungszonen. Nach Gründung der beiden deutschen Staaten ließ die SMAD ab Herbst 1949 den Kontrollpassierpunkt ( KPP ) Marienborn unmittelbar an der innerdeutschen Grenze ausbauen. Innerhalb weniger Wochen entstanden für die sowjetischen Militärs wie auch für die an den Kontrollen beteiligten Volkspolizisten der DDR Abfertigungsbaracken und Kasernen. Anfang der 1950er Jahre übertrug die Sowjetunion der SED - Führung schließlich die alleinige Verantwortung über den KPP Marienborn. Die Kontrolle von Transporten westlicher Alliierter von und nach Berlin blieb allerdings weiterhin den 15 bis 20 dort stationierten Soldaten und Offizieren der Roten Armee vorbehalten.331 Auf der westlichen Seite des Kontrollpunkts behielten die drei westlichen Siegermächte die Hoheit über den alliierten Grenzverkehr. Von ihnen wurde der Kontrollpunkt Helmstedt / Marienborn als „Checkpoint Alpha“ bezeichnet. Er stellte zusammen mit „Checkpoint Bravo“ ( Dreilinden–Drewitz ) und „Checkpoint Charlie“ ( innerhalb Berlins ) einen von drei Übergängen dar, die von den Besatzungsmächten zur Grenzpassage der Besatzungszonen genutzt wurden. Bereits wenige Jahre nach Gründung der beiden deutschen Staaten machte sich zunehmend ein wirtschaftliches Gefälle zwischen Ost und West und eine damit einhergehende verstärkte Massenflucht aus der DDR bemerkbar. Die Staatsführung reagierte ab 1952 mit der Errichtung von Sperranlagen an der „Demarkationslinie“. Der Ausbau der Grenzanlagen beinhaltete einen zehn Meter breiten Kontrollstreifen, einen 500 Meter breiten Schutzstreifen und ein fünf Kilometer breites Sperrgebiet, dessen Betreten eine besondere Erlaubnis voraussetzte. Infolge einer Ministerratsverordnung vom 26. Mai 1952 wurden 12 000 Menschen entlang des Sperrgebiets zwangsausgesiedelt. An den westlichen Grenzübergangsstellen der DDR ordnete die SED eine massive Verschärfung der Kontrollen an. Bereits 1955 waren in Marienborn ca. 200 Grenzpolizisten und Zöllner zur Verhinderung von Personenfluchten und Warenschmuggel im Einsatz.332 Mit dem Bau der Berliner Mauer wurde das gesamte System der Grenzüber wachung weiter ausgebaut. Die DDR - Grenzsicherung war mit 331 Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn ( Hg.), Broschüre, S. 20. 332 Ebd.

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Fallbeispiel : Der durchherrschte Alltag der Zöllner

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Beschluss des Nationalen Verteidigungsrates vom 15. September 1961 fortan ein integraler Bestandteil der Landesverteidigung und vollständig militarisiert. Die „Grenzpolizei“ wurde zum „Kommando Grenze“ der NVA ( Grenztruppen der DDR ) umgewandelt. Die Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn erstreckte sich durch weitere Ausbauten bis Mitte der 1960er Jahre auf ein Territorium von über einem Kilometer Länge. Sie hatte sich inzwischen zum größten und bedeutendsten Grenzübergang an der innerdeutschen Grenze entwickelt. In dieser Zeit nutzte die SED - Führung die GÜSt Marienborn auch als „Waffe im politischen Tagesgeschäft“.333 Auf Tage einer reibungslosen und schnellen Kontrolle folgten Tage mit langsamer Abfertigung und stundenlangen Schikanen der Reisenden. Eine weitreichende Veränderung dieser Situation folgte nach Abschluss der deutsch - deutschen Verträge zu Beginn der 1970er Jahre. Vor allem das bereits erwähnte Transitabkommen hatte zur Folge, dass zahlreiche neue Grenzübergangsstellen errichtet, bestehende Anlagen erweitert bzw. modernisiert und Transitstrecken ausgebaut wurden. Vor diesem Hintergrund beschloss der Ministerrat der DDR im Jahr 1971 den Neubau der GÜSt Marienborn und kam damit einer Forderung des MfS nach, das bereits Jahre zuvor die Sicherheit der alten GÜSt bemängelt hatte. Die neue Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn sollte vor allem zwei Ansprüchen genügen : Zum einen sollte eine möglichst reibungslose Abfertigung der Ein - und Ausreisenden ermöglicht werden, deren Zahl ständig zunahm. Zum anderen sollte dabei unter allen Umständen verhindert werden, dass Grenzdurchbrüche realisiert werden konnten oder Waren illegal zur Ein - oder Ausfuhr gelangten. Das neue Kontrollobjekt wurde ca. 990 Meter „freundwärts“, also weiter in das Territorium der DDR hinein errichtet. Damit war die GÜSt von westlicher Seite aus kaum direkt einsehbar. Zugleich konnten mögliche Fluchtversuche auf den letzten Metern vor der „Demarkationslinie“ fortan verhindert werden. Der Neubau des Komplexes verschlang bis zur Fertigstellung im Jahr 1974 ca. 70 Millionen Mark. Es entstand ein System der Über wachung, das Grenzdurchbrüche nahezu unmöglich machte. Im Laufe der Jahre wurde es mit immensem geistigen und materiellen Aufwand fast bis zur „Perfektion“ weiterentwickelt. So kam ab 1976 eine Apparatur zum Einsatz, die von einer Forschergruppe der HA VI des MfS entwickelt wurde und die es ermöglichte, ganze Pkw und Lkw mittels ionisierender Strahlung ( Cäsium 137) zu durchleuchten. Der Einsatz dieser „Gamma - Kanone“ erfolgte unter strengster Geheimhaltung durch die Passkontrolleinheiten.334 Jochen Maier, ehemaliger Mitarbeiter der PKE Marienborn erinnert sich : „Das war ja das absolut Geheimste, was es überhaupt gab. Es war ja auch von der UNO nicht gewollt oder nicht genehmigt, Röntgenstrahlen anzuwenden. Das war ja alles inof333 Ebd., S. 26. 334 Ab 1974 wurde die Gamma - Kanone in Marienborn getestet. 1976 erfolgte dort der regelmäßige Einsatz. Die Atomstrahlenanlage wurde in der Folgezeit auch an den GÜSt Staaken (1980), Drewitz (1980), Zarrentin (1984), Stolpe (1987) und Hirschberg (1988) montiert. Vgl. Tantzscher, Hauptabteilung VI, S. 74.

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Kontrollierte Kontrolleure

fiziell. Das gab es nicht. Hätten Sie nirgends irgend einen Vermerk gefunden oder so. Nur in den ganz internsten Staatssicherheitsunterlagen. Und die [ Gammakanone ] war in der Vorkontrolle Ausreise installiert, so dass praktisch der Pkw, der da vorgefahren ist, musste bremsen, wenn das der Verkehr zugelassen hat. Dann hatte derjenige, der ein Stockwerk höher saß, über dieser Kamera zur Gammakanone, die Möglichkeit, das war ne, hat auf Wärme reagiert. Und wenn der gemerkt hat, da kommt mehr als ein gewisses Prozent Wärme, registriert das Gerät, dann hat der praktisch einen [ Knopf ] ausgelöst, ab in die Garage mit dem Auto. Und dann wurde der richtig zur Tiefenkontrolle reingenommen.“335

Die Wirkungsweise der Durchleuchtungstechnik wird von einem weiteren ehemaligen Passkontrolleur bestätigt : „Heutzutage ist das ja auch so, wenn man bei Wohnhäusern solche Stellen finden möchte, die nicht gut isoliert sind. So ist das da auch. Da haben die die Fahrzeuge angehalten da vorn und von oben diese Wärmebildkamera drauf und dann kann man eben dann sehen, ist der Kofferraum warm oder nicht warm.“336 Die Kontrolleure des Grenzzollamts Marienborn / Autobahn wurden darüber nicht in Kenntnis gesetzt : „Wir wussten zwar, dass da was, dass die das aufgebaut haben, aber wofür ? Und was ? Kein Wort.“337 Auch die Reisenden selbst blieben völlig im Unklaren, was den Zweck der Apparatur anging, wie die Aussage eines Zeitzeugen unterstreicht : „und worüber ich total überrascht war – ich hab immer gesagt : Erwin, wenn wir gefahren sind, warum fahren wir hier eigentlich so langsam ? Der eine Mann, der da steht, an dem Turm, diese lange Autoschlange – warum, was soll das ? [...] Da oben hängt so’n Kasten, hab ich gesagt. Also ich bin bestimmt überzeugt davon, dass das ein Röntgengerät ist. [...] Und jetzt ? Ich mein, es ist zwei, drei Jahre her, erzählte der Oberleutnant irgendetwas von einer Gamma - Kanone. [...] Sie ist bis heute nicht auffindbar und ein Stück Geschichte. [...] Ja, ich hab mich immer gefragt, woher wissen die eigentlich, dass wir zu viert sind, zu dritt sind und gar nicht den Kofferraum aufmachen lassen ?“338 In den Köpfen der DDR - Führung reiften ab Mitte der 1980er weitere Planungen, wie das Über wachungssystem noch weiter ausgebaut werden konnte. Bis zum Jahr 2000 sollte eine „High - Tech - Grenze“ errichtet werden, die Flüchtende bereits im Hinterland durch modernste Technik wie Mikrowellenanlagen, Infrarotschranken, Funksignalgebersysteme und Vieles mehr aufspüren und unschädlich machen sollte, ohne dabei Schusswaffen einsetzen zu müssen. Durch das Projekt „Grenze 2000“339 versprach sich die Staatsführung eine Verbesserung ihrer internationalen Position. Dadurch gab sie indirekt zu, was sie offiziell immer geleugnet hat : Die Grenze der DDR – und somit auch die Grenzübergangsstelle Marienborn – symbolisierte zu jeder Zeit den Unrechtscharakter eines Systems, „deren politische Führung die Bevölkerung einsperrte und 335 336 337 338 339

Zeitzeugengespräch mit Jochen Maier am 21. 9. 2005. Zeitzeugengespräch mit Michael Heinze am 12. 9. 2006. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Horst Malewski am 13. 7. 2005. Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn ( Hg.), Broschüre, S. 7.

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Fallbeispiel : Der durchherrschte Alltag der Zöllner

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auf Menschen schießen ließ, wenn sie von Deutschland nach Deutschland gelangen wollten“.340 Neubau der GÜSt im Zeichen der Sicherheit Den Baumaßnahmen zur Errichtung der neuen Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn gingen jahrelange Beratungen der Militärs der NVA, der Offiziere des MfS und Baubetrieben sowie Sonderbeauftragten des Verkehrsministeriums voraus. Immer wieder wurden Baupläne von Seiten der „Sicherheitsorgane“ als nicht ausreichend erachtet. Schließlich befasste sich das SED Politbüro, das höchste Entscheidungsgremium der DDR, mit der Angelegenheit und genehmigte einen großzügigen Finanzrahmen für das Projekt. Insgesamt wurden 60,2 Millionen Mark als „Gesamtwertumfang“ festgelegt. Der Neubau der GÜSt wurde am 26. Mai 1971 beschlossen.341 Als Baubeginn wurde der 1. Januar 1972 festgelegt, die Fertigstellung des Gesamtvorhabens war zum 7. Oktober 1973 geplant.342 Während dieser Zeit sollte die Abfertigung des grenzüberschreitenden Verkehrs am alten KPP ungehindert weitergehen. Das gesamte Bauvorhaben wurde vom Ministerium für Staatssicherheit über wacht. Sämtliche Pläne waren dem MfS vorzulegen, alle Personen, die am Bau der neuen GÜSt beteiligt waren, wurden durch hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter überprüft und über wacht. Mit der Aktion „Basalt“, wie die Überprüfungen zum Bauvorhaben im MfS - Jargon genannt wurden, waren insgesamt 42 IM / GMS beschäftigt. 2 456 Personen wurden vor Baubeginn überprüft, davon kamen 1610 zum Einsatz, 556 wurden bereits in dieser Phase abgelehnt. Während der Bauzeit wurden 25 Personen aus Sicherheitsgründen von der Baustelle ver wiesen.343 Die Baustelle durfte nur mit einem entsprechenden Passierschein betreten werden. Sie war von einem 2,2 bis 2,5 Meter hohen, teilweise undurchsichtigen Zaun umgeben und ständig voll ausgeleuchtet.344 Bis 1974 entstand so unter größten Sicherheitsbedingungen ein Komplex mit einer Gesamtlänge von 2145 Metern. Der eigentliche Kontrollabschnitt, der den Kern der heutigen Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn bildet, maß 1 060 mal 340 Meter und war ca. einen Kilometer von der Staatsgrenze entfernt. Damit kamen die Planer einer zentralen Forderung des Stabes der Grenz340 Ebd. 341 Beschluss des Ministerrates vom 26. 5. 1971 ( Archiv Plessow ). 342 Ministerium für Verkehrswesen, HV Straßenwesen, vom 16. 6.1970 : Protokoll der Grundsatzberatung des Stellvertreters des Ministers für Verkehrswesen am 21. 4. 1970 zur Vorbereitung des strukturbestimmenden Vorhabens „Rekonstruktion der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn“ ( BA - MA, DHV 32/114177, Bl. 179). 343 BVfS Magdeburg, Auswertungs - und Informationsgruppe, vom 7. 9. 1973 : Bericht über den Kontrolleinsatz in der Operativgruppe 00–10/1 ( BStU, MfS, BV Magdeburg, 182 AKG, Bl. 418 f ). 344 NVA, Kommando Grenztruppen, Chef des Stabes, vom 29. 1. 1970 : Militärische Forderungen zum Neubau und Standort der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn, zur Ordnung und Sicherheit im Baustellenbereich sowie Verkehrsführung während der Bauzeit ( BA - MA, DVH 32/114717, Bl. 29 f.).

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truppen nach, der zufolge die Lage der neuen GÜSt die „weitgehende Ausschaltung der Beobachtung des Kontrollterritoriums und der Kontrollhandlungen durch den Gegner“345 garantieren musste. Nach den Erfahrungen am alten KPP Marienborn, an dem es zu einer permanenten Überlastung der Kapazitäten und zu etlichen Grenzdurchbrüchen kam, wurde unter der Aufsicht des MfS nun ein modernes und bis ins Detail geplantes Kontrollobjekt entwickelt, das von Beginn an Grenzdurchbrüche nahezu unmöglich machte und gleichzeitig hohe Verkehrsaufkommen bewältigen konnte. Alle Schwachpunkte der alten Grenzübergangsstelle wurden in den Planungen berücksichtigt und beseitigt. Der Ein - und Ausreiseverkehr war fortan in verschiedene Verkehrsarten aufgeteilt, für die jeweils eigene Abfertigungsspuren eingerichtet wurden. So gab es eigene Spuren für den Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik und Westberlin, für den Transitverkehr in und aus anderen Ländern, für den Ein - und Ausreiseverkehr Bundesrepublik / DDR und für die Durchfahrt der in Westberlin stationierten alliierten Truppen. Im Bereich der Einreise waren 14 Abfertigungsspuren für Pkw, acht für Lkw, eine für gefährliche Güter und eine für Busse vorhanden. Diese Aufteilung der Spuren bestand analog bei der Ausreise, allerdings für Pkw mit zwei Abfertigungsspuren weniger. Die Gesamtkapazität der neuen Grenzübergangsstelle lag bei 38 400 Fahrzeugen täglich.346 Weiträumige Stauräume im Grenzstreckenabschnitt, also zwischen der Grenze im Westen bzw. dem Kontrollpunkt der Volkspolizei im Osten und der Grenzübergangsstelle, waren vorhanden. Stand das Gesamtbild des alten KPP laut Ministerrat der DDR noch „im krassen Widerspruch zum Entwicklungsstand [ des ] sozialistischen Staates“,347 so orientierten sich die Planer nun darauf, „die Anlagen der GÜSt sachlich, zweckentsprechend und in architektonisch guter Harmonie zu entwickeln“.348 Auch Reisende beobachteten den Neubau der Grenzübergangsstelle genau. Peter Kaiser, der zu dieser Zeit regelmäßig über Marienborn ein - und ausreiste, erinnert sich : „Da hatte man den Eindruck, man versuchte Weltniveau. Na ja, zwar strenge Kontrollen, aber das ganze Umfeld. Und dann wurde ja dieser ganze Komplex hier gebaut. Man sah das schon immer, wenn man ausreiste, als die Baracken immer direkt an der Autobahn standen, was passiert hier eigentlich ? Man konnte sich das nicht vorstellen. Und wenn man dann zu ersten Mal im Kleinen Grenzverkehr das hier sah – um Gottes Willen, was ist denn hier geworden ?“349 Um an dem Neubau Grenzdurchbrüche zu verhindern, waren verschiedenste Einrichtungen vorhanden. Zum einen konnte von jedem Kontrollpunkt aus 345 Ebd., Bl. 25. 346 Vgl. HA VI des MfS, o. D. : Informationsammlung und Bilddokumentation zur Grenzübergangsstelle Marienborn ( BStU, MfS, HA VI 1300, Bl. 1–176). 347 Beschluss des Ministerrates vom 26. 5. 1971 ( Archiv Plessow ). 348 Ministerium für Verkehrswesen, HV Straßenwesen, vom 16. 6. 1970 : Protokoll der Grundsatzberatung des Stellvertreters des Ministers für Verkehrswesen am 21. 4. 1970 zur Vorbereitung des strukturbestimmenden Vorhabens „Rekonstruktion der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn“ ( BA - MA, DHV 32/114177, Bl. 175). 349 Zeitzeugengespräch mit Peter Kaiser am 27. 7. 2005.

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per Knopfdruck Alarm ausgelöst werden, angefangen bei dem Kontrollplatz der Volkspolizei an der Fünf - Kilometer - Sperrzone bis hin zu den Abfertigungsplätzen des Zolls und der PKE. Eine zivile Alarmanlage verband die Einrichtungen der Staatsbank, des Intershops, des Roten Kreuzes und des Tierarztes mit dem Führungspunkt der PKE. Im Führungspunkt der NVA, einem viergeschossigen Turmbau, liefen alle Informationen zusammen, um ein „reibungsloses Zusammenwirken der Sicherungskräfte“ im Ernstfall zu sichern. Telefonleitungen ermöglichten die schnelle Kommunikation unter allen Sicherungsposten. Neben sämtlichen Schlagbäumen konnte vom Führungspunkt aus die Kfz - Sperranlage vom Typ „Tanna“,350 im Sprachgebrauch der Sicherungskräfte als „Pfiffi“351 bekannt, bedient werden. Diese befand sich zwischen dem Kontrollterritorium und der Staatsgrenze. Der Stahlträger, der sich über beide Fahrbahnseiten ausfahren ließ, hielt dem Aufprall eines Lkws von 50 Tonnen bei einer Geschwindigkeit von 80 Km / h stand.352 Über die „Effektivität“ der Straßensperre äußert sich ein ehemaliger PKE - Mitarbeiter : „Ich sag einmal so, wer die höhere Idee hatte und hier versuchen wollte, mit dem Auto hier durch, der war lebensmüde. Genauso kann ich ein Auto nehmen und voll gegen die Mauer fahren. Dann bin ich auch tot. Das war lebensmüde.“353 Als weitere Sicherungsmaßnahme ließ das MfS eine Fernbeobachtungsanlage installieren, mit der alle Hauptsicherungsbereiche der GÜSt erfasst werden konnten.354 Eine Kamera war an der „Staatsgrenze“ montiert, um das Geschehen auf westdeutschem Gebiet beobachten zu können.355 Anders als am alten KPP war das Kontrollterritorium weitestgehend von einem zwei Meter hohen Zaun umgeben, der in westliche Richtung „blickdicht“ gehalten wurde. Auch einzelne Gebäude waren teilweise umzäunt. An allen Dienstbereichen befanden sich Betonabweiser, die den Sicherungskräften im Falle eines Schusswechsels Deckung bieten sollten.356 Das Kontrollterritorium war mit einem begehbaren Tunnelsystem ausgestattet. Es verband einzelne Bereiche und Gebäude des Kontrollkomplexes miteinander. In erster Linie wurden in diesen Tunnelröhren Versorgungsleitungen für Heizung, Energie und Nachrichtenkabel verlegt.357 Die 350 Vgl. Müller, Bekämpfung terroristischer Gewaltakte, S. 37 ( BStU, MfS, JHS GVS 149/85). 351 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Karsten Fink am 1. 4. 2004. 352 NVA, Kommando der Grenztruppen, von September 1970 : Forderungsprogramm zur Erarbeitung der Grundsatzentscheidung für die Rekonstruktion der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn ( BA - MA, DVH 32/114719, Bl. 431). 353 Zeitzeugengespräch mit Michael Heinze am 12. 9. 2006. 354 HA VI des MfS, o. D. : Informationsammlung und Bilddokumentation zur Grenzübergangsstelle Marienborn ( BStU, MfS, HA VI 1300, Bl. 3). 355 NVA, Kommando der Grenztruppen, vom 1. 7. 1972 : Überarbeitung des Forderungsprogramms Objekt 00–10/1A ( BA - MA, DVH 32/114719, Bl. 287). 356 HA VI des MfS, o. D. : Informationsammlung und Bilddokumentation zur Grenzübergangsstelle Marienborn ( BStU, MfS, HA VI 1300, Bl. 3). 357 NVA, Kommando der Grenztruppen, von September 1970 : Forderungsprogramm zur Erarbeitung der Grundsatzentscheidung für die Rekonstruktion der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn ( BA - MA, DVH 32/114719, Bl. 412).

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Staatssicherheit sah in den unterirdischen Gängen darüber hinaus die Möglichkeit „zum gedeckten Heranführen von Kräften“,358 zum Beispiel im Falle von Geiselnahmen. Das gesamte Territorium der GÜSt wurde nachts mittels Quecksilberdampf lampen beleuchtet. Der überdachte Raum an den Kontrollstellen von Zoll und PKE war zusätzlich mit Leuchtstoff lampen ausgestattet, die eine völlig schattenfreie Ausleuchtung der Abfertigungsspuren gewährleisteten.359 Im Falle eines Stromausfalls wurden alle sicherheitsrelevanten Bereiche der GÜSt automatisch per Notstrom versorgt.360 Zivilangestellte und Sicherheitspersonal der neuen GÜSt Wie aufwendig der Betrieb der GÜSt Marienborn war, zeigt sich an der Zahl der Beschäftigten. In den letzten Jahren bis 1990 hatten dort über 1 000 Personen ihren Arbeitsplatz. Darunter befand sich eine beachtliche Zahl an Zivilpersonen, die für die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes zuständig war. So arbeiteten etwa 40 Angestellte der Staatsbank in der umsatzstärksten Wechselstube der DDR. Zudem sorgten zehn Reinigungsfrauen für Sauberkeit und zehn Kantinenfrauen für die Verpflegung des Personals. Für Instandsetzungsarbeiten gab es an der GÜSt eine eigene Tischlerei und eine Elektro - und Schlosser werkstatt, in der zehn Handwerker arbeiteten. Sechs Sanitäter des Deutschen Roten Kreuzes betreuten in der DRK - Station Krankentransporte und leisteten Erste Hilfe. Ein zusätzlicher Sanitäter wurde von der Zollver waltung gestellt. An der Sonderkontrollstelle für Pflanzenschutz und an der Veterinärstation arbeiteten pro Schicht jeweils fünf Zivilpersonen.361 Unter dem Sicherheitspersonal stellte die Passkontrolleinheit des MfS den weitaus größten Anteil der Arbeitskräfte. Die Sollstärke der PKE Marienborn bestand aus vier Männerschichten ( Diensteinheiten ) mit jeweils 116 Passkontrolleuren und einer Frauenschicht mit etwa 80 Passkontrolleurinnen.362 Gut die Hälfte des Personals der GÜSt bestand somit aus hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS. Die Grenztruppen der DDR stellten eine 102 Mann starke Sicherungskompanie zur Bewachung des Kontrollgeländes, befehligt von einem Kommandanten und zehn diensthabenden Offizieren.363 Etwa 200 Personen, die an der GÜSt ihren Dienst verrichteten, waren Angehörige der Zollver waltung. Sie waren in vier Diensteinheiten unterteilt. Jede Diensteinheit bestand planmäßig aus ca. 50 Zöllnern,364 darunter auch einige Frauen, die als Kontrolleurinnen 358 HA VI des MfS, o. D. : Informationsammlung und Bilddokumentation zur Grenzübergangsstelle Marienborn ( BStU, MfS, HA VI 1300, Bl. 3). 359 NVA, Kommando der Grenztruppen, von September 1970 : Forderungsprogramm zur Erarbeitung der Grundsatzentscheidung für die Rekonstruktion der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn ( BA - MA, DVH 32/114719, Bl. 450). 360 Ebd., Bl. 452. 361 Ebd. 362 Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn ( Hg.), Broschüre, S. 40. 363 Ebd. 364 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Heiner Müller am 12. 2. 1996.

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Fallbeispiel : Der durchherrschte Alltag der Zöllner

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eingesetzt wurden, aber im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen keine Dienstwaffen trugen.365

7.2

Der Alltag der Kontrolleure

Wie eben verdeutlicht wurde, verrichteten die Zöllner ihren Dienst in einem Umfeld, das sich in vielerlei Hinsicht von dem anderer DDR - Bürger unterschied. Folglich hob sich auch das Alltagsleben der Kontrolleure von dem der Allgemeinheit ab. Einerseits kamen die Mitarbeiter in den Genuss bedeutender Privilegien, anderseits wurde ihnen auch Vieles abverlangt. Allgemeine Privilegien Der Beruf des Zöllners brachte nicht nur am GZA Marienborn, sondern innerhalb der gesamten Zollver waltung bestimmte Privilegien mit sich. Allgemein lassen sich diese Sonderrechte in vier Bereiche zusammenfassen : Urlaubsanspruch, Verdienst, Versorgung mit Wohnraum und Rentenansprüche. Wie die gesamte arbeitende Bevölkerung hatten auch Mitarbeiter des Zolls in der DDR jedes Jahr Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die untere Grenze des Urlaubsanspruches lag für Zöllner bei 33, die obere nach Erreichen des 25. Dienstjahres bei 42 Kalendertagen.366 Anders als die Allgemeinheit konnten die Zöllner bei ihrer Urlaubsplanung auf eine außergewöhnlich gute Infrastruktur zurückgreifen, die ihnen für die Nutzung zur Verfügung stand : Die Zollver waltung verfügte über vier Erholungsheime und diverse Naherholungszentren, in denen alle Mitarbeiter gemeinsam mit ihren Familien einen Teil ihres Urlaubs verbringen konnten.367 Die Erholungsheime lagen in den landschaftlich schönen Gegenden Binz auf der Insel Rügen, Lehnin im Gebiet der Havelseen, Tabarz im Thüringer Wald sowie Oybin im Zittauer Gebirge. Sie hatten eine Kapazität von 500 Betten. Rein rechnerisch konnte somit jeder Zollangehörige samt Familie etwa alle drei bis vier Jahre einen der begehrten Urlaubsplätze bekommen. Für die Allgemeinbevölkerung waren Reisen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes ( FDGB ) dagegen rar und schnell vergriffen.368 Die Wartezeit auf einen Ferienheimplatz lag damit bei Zollangehörigen deutlich unter der allgemein üblichen Dauer. Wie auch bei FDGB - Ferien betrug der Urlaubsaufenthalt in der Regel zwei Wochen und war stark subventioniert. Jeder Urlauber bezahlte vier Mark pro Tag – sehr viel weniger als die tatsächlichen Kosten für Unterbringung und Verpflegung.

365 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004. 366 Vgl. Information über die Gestaltung der Dienst - , Arbeits - und Lebensbedingungen der Angehörigen der Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 97). 367 Vgl. ebd., Bl. 71. 368 Vgl. Sommer, DDR - Alltag, S. 165.

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Kontrollierte Kontrolleure

Die Naherholungszentren des Zolls bestanden aus komplett eingerichteten Bungalows, die vornehmlich an Wochenenden und in der warmen Jahreszeit genutzt wurden. Jede Bezirksver waltung des Zolls unterhielt mehrere Bungalows. In der gesamten Zollver waltung betrug die Kapazität 530 Plätze.369 Während der achtwöchigen Schulferien im Sommer wurde für Kinder von Zollmitarbeitern ein Kinderferienlager organisiert. Jeweils 180 Plätze standen in drei Durchgängen von je 18 Tagen zur Verfügung. Teilnehmen konnten Kinder im Alter von zehn bis 14 Jahren. Auch diese Leistung wurde finanziell stark unterstützt. Die Eltern hatten pro Kind und Durchgang lediglich zwölf Mark aufzubringen.370 Auch wenn kostengünstige Urlaubsreisen in der DDR generell keine Seltenheit waren, so muss dies in Bezug auf die Zollmitarbeiter doch als Privileg gewertet werden. Relativ zum tatsächlichen Einkommen waren Urlaubsreisen für Zöllner wesentlich erschwinglicher, denn der Verdienst von Zollmitarbeitern überstieg das durchschnittliche Einkommen eines Arbeiters mit ähnlicher Qualifikation bei Weitem. Das Gehalt junger Kontrolleure betrug ( unter Einbeziehung von Prämien und Zulagen ) bereits ca. 1 000 Mark und konnte sich erheblich steigern. Das Gehaltssystem der Zollver waltung umfasste 40 Stufen.371 Je nachdem, welchen Dienstrang ein Zollmitarbeiter innehatte, veränderte sich auch seine Bezahlung. Ein „Zollrat“ konnte beispielsweise ca. 2 000 Mark ( netto ) verdienen.372 Eine Besonderheit stellte die Tatsache dar, dass Offiziere im besonderen Einsatz in der Zollver waltung eine zusätzliche Vergütung durch die Staatssicherheit bekamen. War ein OibE seit drei bis fünf Jahren im Zoll beschäftigt, erhielt er zusätzlich zum Gehalt der Zollver waltung nochmals acht Prozent durch das MfS. Bei einer Beschäftigung im Zoll zwischen fünf und zehn Jahren waren es bereits zehn Prozent, zwischen zehn und 15 Jahren 15 Prozent und darüber hinaus 20 Prozent.373 Es zahlte sich also sprichwörtlich aus, für das MfS in der Zollver waltung tätig zu sein. Kontrolleure mit besonderen Kenntnissen wie beispielsweise Diensthundeführer erhielten darüber hinaus weitere monatliche finanzielle Zuschläge. Für eine lange Zeit war die Aussicht auf eine eigene Wohnung das wohl größte Privileg der Zollmitarbeiter. Mitte der 1980er Jahre wurden 50 Prozent der der Zollver waltung zur Verfügung stehenden Mittel für Investitionen im Wohnungsbau eingesetzt.374 Jeder Zöllner hatte Anspruch auf eine Dienstwohnung für sich und seine Familie. In der Regel vergingen etwa zwei Jahre von der

369 Vgl. Information über die Gestaltung der Dienst - , Arbeits - und Lebensbedingungen der Angehörigen der Zollver waltung der DDR, o. D. ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 98). 370 Vgl. ebd., Bl. 99. 371 Vgl. ebd., Bl. 87. 372 Vgl. MfS - Personalakte Werner Steuding ( BStU, MfS, KS 1042/87). 373 Vgl. Zollver waltung der DDR, Bereich Kader / Ausbildung vom 8. 9. 1988 : Zur Dienstlaufbahn in der Zollver waltung und dem leistungsorientierten Gehaltssystem ( BStU, MfS, HA VI 4680, Bl. 87). 374 Vgl. ebd., Bl. 96.

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Beantragung bis zur Bereitstellung einer Wohnung.375 Ledige junge Zöllner mussten normaler weise etwas länger warten. Sie wurden bis zur Bereitstellung einer eigenen Wohnung in zolleigenen Wohnheimen untergebracht. Dort wurden sie vollständig mit Speisen und Getränken bewirtet. Zur Versorgung aller Angehörigen gehörte auch, dass sie ihre Kinder in Kinderkrippen und Kindergärten ganztägig zur Betreuung unterbringen konnten. Nach einer ehrenhaften Entlassung aus dem aktiven Dienst konnten ehemalige Mitarbeiter ihre Wohnung weiterhin in Anspruch nehmen.376 Die Altersrente von Zollmitarbeitern war wie bei allen Angehörigen der „bewaffneten Organe“ höher angesetzt als nach den Regelungen der Sozialversicherung der Gewerkschaften der DDR. Sie betrug 75 Prozent des letzten Bruttogehalts. Auch auf weiteren Gebieten wurde für ehemalige Zöllner gesorgt: Aus einer vom Leiter der Zollver waltung erlassenen „Ordnung zur Betreuung der Veteranen“ geht her vor, dass diesen regelmäßig Geburtstagsglückwünsche zukamen, sie im Falle eines Krankenhausaufenthalts besucht, kulturelle Veranstaltungen für Veteranen organisiert sowie Ferienplätze für sie zur Verfügung gestellt werden sollten.377 Neben solchen Sonderrechten, die generell allen Zöllnern zugute kamen, bestimmten weitere Faktoren das Alltagsleben, die von Ort zu Ort unterschiedlich ausgeprägt waren. „Es war ja alles da.“ – Verpflegungs - und Versorgungslage der Zöllner in Marienborn Nach Einschätzung aller befragten ehemaligen Kontrolleure des GZA Marienborn zählte die außerordentlich gute Verpflegungs - und Versorgungslage an der GÜSt zu ihren größten Privilegien. Rund um die Uhr wurden den Zöllnern beispielsweise warme Mahlzeiten angeboten.378 „Wenn wir [...] von der Spätschicht gekommen sind um 22.00 Uhr, da konntest du noch hingehen und hast warmes Essen gekriegt, alles.“379 „Auch Kaffee wurde ausgeschenkt, aber ohne Bezahlung, aber Bohnenkaffee, kein Muckefuck, ist klar. Denn der Bohnenkaffe war ja trotzdem ganz schön teuer damals.“380 Dass man sich um das leibliche Wohl der Zöllner besonders kümmerte, bestätigt Sandra Steiner, die unter anderem für die Versorgung und Verpflegung zuständig war : „Sie [ die Zöllner ] wollten dann eben mal ihre berühmte Zollschnitte, die wir ihnen dann auch aufgebaut haben und mundgerecht ser viert haben. Es wurden Spezialwünsche zuletzt auch erfüllt ( lachen ). Damit wir die Mitarbeiter auch bei Laune hielten. Zollschnitte, war also ein Stück Brot, auf 375 376 377 378 379 380

Vgl. ebd. Vgl. ebd., Bl. 97. Vgl. ebd., Bl. 103. Vgl. Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Karsten Fink am 1. 4. 2004.

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etwas Butter, dann Salami drunter oder Schinken, je nach dem, wie er das wollte, der Mitarbeiter, und dann wurde ein Ei darüber gebraten. Also so etwas habe ich dann auch mitgemacht, ja.“381 Vielen in Erinnerung ist auch der sogenannte „Früchtebeutel“, der den Zöllnern wöchentlich überreicht wurde.382 „Da gab es dann Zitronen oder mal ein Glas Halberstädter Würstchen für jeden. Das gab’s umsonst, für jeden Mitarbeiter der Zollver waltung. [...] Ja. Was so an Mangelware war. Hmm, auch Weihnachten gab es immer schöne Sachen als Geschenk.“383 Neben der Verpflegung war generell die Versorgung der Mitarbeiter gewährleistet. „Es war ja alles da. Du brauchtest dich im Grunde um nichts zu kümmern, um nichts.“384 Als „Sonderbedarfsträger“ standen den Zöllnern Konsum-, HO - und Delikat - Verkaufsstellen385 zur Verfügung.386 Darüber hinaus wurden regelmäßig per Liefer wagen weitere begehrte Konsumgüter in das Sperrgebiet gebracht. „Das waren die wunderschönsten Sachen, was wir so zu kaufen bekommen haben, ja. Kaffeemaschinen, Allesschneider und Multiboys [ Küchenmaschinen aus DDR - Produktion ] [...]. Das haben wir alles bekommen.“387 Die bereitgestellten „Mangelwaren“ wurden zwar relativ teuer zum Verkauf angeboten, doch die Zollmitarbeiter konnten aufgrund ihres recht hohen Gehalts dennoch darauf zurückgreifen. „Es wurde gut versorgt. Wir wussten, wann der Lieferwagen kam. Und dann musste man nur mit dem nötigen Geld da sein. Und Sonderwünsche wurden auf den Zettel geschrieben. Das heißt, wenn Geburtstag war oder andere Feierlichkeiten, dass auch beim Schlachter dann ein Paket schon gepackt war. Wenn man so wie ich erst halb Sechse, so Sechse nach Haus kam, ins Dorf kam. Ich wusste, donnerstags kam das Schuhauto. Oder Mittwochs kriegte der HO Textilien. Dann ist man eben hingegangen. Also es war schon eine spürbar bessere Versorgung im Sperrgebiet. Ich habe das dann immer gesehen, bei meinen Einsätzen, ich sagte ja, ich war Kreistagsabgeordnete. Hatte ich doch, ich sag mal, so ein bisschen die Möglichkeit, meinen Horizont zu erweitern. Auch mal mit anderen Augen zu sehen, wenn ich dann im Kreisgebiet unter wegs war. Oder ich war in Betrieben oder Einrichtungen, eben in der LPG. Ich hab dann schon gesehen von der Ausstattung her. Dann wusste ich doch wieder, wenn ich hier meine Arbeit gemacht habe, dass wir doch Sonderbedarfsträger waren.“388

Neben der Versorgung standen den Mitarbeitern auch Freizeit - und Erholungsangebote zur Verfügung. Dazu zählten ein Kino,389 ein Kulturhaus aber auch Wochenend - und zolleigene Ferienbungalows, welche die Mitarbeiter in 381 382 383 384 385 386 387 388 389

Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004. Vgl. Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Franziska Bittner am 2. 6. 2004. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. Delikat - Läden bildeten eine seit 1976 bestehende Handelskette der DDR, welche Lebensmittel des „gehobenen Bedarfs“ anbot. Vgl. Zeitzeugengespräch mit Julia Berger am 28. 9. 2004; Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004. Zeitzeugengespräch mit Julia Berger am 28. 9. 2004. Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004. Vgl. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004.

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Anspruch nehmen konnten. „Ja, wir hatten von der Dienststelle, Beispiel ganz nah, hatten wir in Süpplingen, hier am Steinbruch bei Haldensleben, Bungalows, wir hatten in Magdeburg am Barleber See Bungalows. Wir hatten in Blankenburg am Ziegenberg Bungalows. So, dass unsere Mitarbeiter auch dort Urlaub machen konnten. Zum Wochenende hinreisen konnten. Also Naherholung genießen konnten. Und in Plötzki hatten wir noch Bungalows. Die wir selber mit unseren Mitarbeitern auch aufgebaut haben, ausgestattet haben und dann zur Verfügung gestellt haben. Selber bewirtschaftet haben. Und dann wie gesagt, die Ferienplätze, die zentral von Berlin kamen, außer unseren Ferienhäusern.“390 Für junge Familien war zur Entlastung zudem ein rund um die Uhr betreuter Kindergarten vorhanden. „Von sieben bis sieben war die Kinderkrippe offen. [...] Du warst ja sorgenfrei. Es ist sicher nicht schön, wenn du das Kind abends um sieben abgeben musst, aber es war versorgt, also du brauchst dir keine Sorgen machen, das stimmt natürlich. Ja, und Frauen haben das natürlich auch so gesehen.“391 „Mit du ist nichts mehr“ – Belastende Umstände Der Alltag der Zöllner hatte neben den genannten Vorzügen aber auch seine Schattenseiten. Viele der befragten ehemaligen Kontrolleure beklagten beispielsweise die Isolation, die das Leben im Sperrgebiet mit sich brachte. Thorsten Schumann dazu : „Allerdings hier oben, du wohntest weiter weg natürlich vom Schuss, es war ja wie mitten im Wald. Hinzu kam ja dieser 500 Meter Streifen, dass du also deine engsten Ver wandten ja nur mit dem Passierschein reingekriegt hast, du brauchtest also nie Angst haben, dass dich jemand überrascht mit einem Besuch von außerhalb. Ja und das waren natürlich so ein paar Schwierigkeiten, aber die hatte man einfach in Kauf genommen.“392 Als weitaus belastender wurden Umstände empfunden, die nicht mit der privaten Lebenssituation, sondern mit der täglichen Arbeit in Verbindung standen. Aus den Zeitzeugengesprächen geht her vor, dass mit der Eröffnung der neuen Grenzübergangsstelle 1974 in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur im Arbeitsalltag verbunden war. Während ein Zöllner, der auf der alten Grenzübergangsstelle tätig war, die Umgangsformen als „ziemlich leger“393 bezeichnete, beschreiben andere das Arbeitsklima der neuen GÜSt allein aufgrund der Größe und der beeindruckenden Wirkung des Kontrollkomplexes als „sehr anonym“394 und unpersönlich. Fortan wurde Wert auf strenge Hierarchien gelegt. Freundschaftliche Kontakte zwischen Vorgesetzten und Untergebenen waren zunehmend uner wünscht. Petra Linke, eine Zöllnerin, die den Umzug in die neue Grenz390 391 392 393 394

Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. Ebd. Zeitzeugengespräch mit Karl - Wilhelm Schneider am 2. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004.

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übergangsstelle miterlebt hat, erinnert sich an diese Zeit : „Wir hatten zusammen Fernstudium gemacht, hier noch ein Mitarbeiter und ich und so, und der war vorher Gruppenführer und jetzt wurde der Zugführer, und wir kannten uns sehr gut, wollte ich damit sagen, ja ? [...] Der war sogar unser Nachbar so beim Wohnen. Und auf einmal sagt der du, äh, mit du ist nichts mehr, ich möchte, dass Sie mich jetzt siezen im Dienst. So dieses Unpersönliche nachher, wir sollten alle Sie sagen untereinander. [...] Und dass, wurde auch alles so, das war alles irgendwie unpersönlicher geworden, diese Kameradschaft war weg mit den Vorgesetzten und so, das gab es nicht mehr.“395 Der Neubau der GÜSt fiel in eine Zeit, in der sich zwei weitere Faktoren zunehmend ungünstig auf den Arbeitsalltag der Kontrolleure auswirkten : Dem Grenzzollamt Marienborn fehlte es zunehmend an Personal und zugleich stieg das Verkehrsaufkommen immer weiter an. „Am Schluss kamen nur noch die Dummen“ – Personalmangel bei steigendem Kontrollaufkommen Was bereits für die Zollver waltung im Allgemeinen galt, galt für das GZA Marienborn in ganz besonderem Maße : Die Sollstärke des GZA stand im krassen Widerspruch zu den tatsächlich vorhandenen Kräften. Der Personalmangel kann als Schlüsselproblem betrachtet werden, das Auswirkungen auf verschiedenste Aspekte der Arbeits - und Lebensbedingungen der Zöllner hatte. Im März 1989 stellte ein Zugführer der Passkontrolleinheit Marienborn in einem internen Schreiben an die Abteilung VI der Bezirksver waltung Magdeburg des MfS unter anderem fest : „Den Dienstzügen des GZA Marienborn / A [ Autobahn ] fehlen fast generell die Kräfte, um die Aufgaben allseitig zu erfüllen. [...] Die Struktur der Dienstzüge des GZA Marienborn / A entspricht nicht den Erfordernissen [...]. Die fehlenden objektiven Voraussetzungen zur umfassenden Aufgabenerfüllung führen teilweise zu Resignation oder Gleichgültigkeit und so werden Mängel im subjektiven Bereich potenziert. Die Kräftesituation im GZA bedingt hohe Stundenbelastungen der Mitarbeiter und Dienstzüge und daraus resultierend eine schlechte Stimmung im Mitarbeiterbestand, die nicht zuletzt auch die Gewährleistung der inneren Sicherheit im Mitarbeiterbestand des GZA negativ beeinflussen kann. Die den Mitarbeitern der Dienstzüge des GZA abverlangten hohen Stundenleistungen ( derzeit bis 280 Stunden im Monat ) haben zur Folge, dass die Leistungskader den Mitarbeitern wenig Disziplin und Ordnung abverlangen.“396

Der Umstand der Unterbesetzung des Grenzzollamtes war ein langjähriger Prozess, dessen Ursachen und begünstigende Bedingungen bereits Ende der 1960er Jahre vorhanden waren. Seit Bestehen des GZA war die Soll - Stärke jeder der vier Dienstzüge auf 1 : 40 festgelegt, d. h. ein Zugführer leitete 40 Kontrolleure. In der frühen Phase entsprach diese Soll - Stärke in etwa auch der Ist 395 Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004. 396 BvfS Magedeburg, Abteilung VI, vom 21. 3. 1989 : Probleme im politisch - operativen Zusammenwirken mit den GZÄ ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 667 f.).

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Stärke. Seitdem nahm die Zahl der eingesetzten Kontrolleure pro Schicht immer weiter ab, bis sie sich ab Mitte der 1970er Jahre auf etwa 25 einstellte und bis zum Ende der Zollver waltung mehr oder weniger konstant verharrte.397 Diese rapide Abnahme des Personalbestands bestätigt auch der ehemalige Zollkontrolleur Thorsten Schumann : „Ich kann mich erinnern, dass wir nachher zum Schluss, als ich noch hier war, nur noch eine Zugstärke hatten von Mitte 20. Also wir hatten garantiert in der alten GÜSt noch mindestens 20 Leute mehr.“398 Zeitgleich mit der Abnahme der einsetzbaren Kräfte stieg das Verkehrsaufkommen kontinuierlich an, insbesondere durch den Abschluss der deutsch - deutschen Verträge, aber auch durch die allgemeine Zunahme des Straßengüter verkehrs. Dies verdeutlicht Abbildung 22.

Abb. 22 : Entwicklung des Verkehrsaufkommens an der GÜSt Marienborn / Autobahn 1981–1988399

Aus der Zunahme des grenzüberschreitenden Verkehrs ergab sich für die Staatsführung ein erheblich gesteigertes Sicherheitsbedürfnis, das sich quantitativ und qualitativ sowohl auf die Kontrollen als auch auf die Kontrolleure auswirkte. Der Umfang der Kontrollen nahm zu, während die Zahl der Kontrolleure, bedingt durch steigende personalpolitische Anforderungen und die sich immer weiter verschlechternden Arbeitsbedingungen, auf einem äußerst niedri397 Ebd., Bl. 561. 398 Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. 399 HA VI des MfS, o. D. : Übersicht über das Verkehrsaufkommen in den Jahren 1981– 1989 ( BStU, MfS, HA VI 11598, Bl. 3).

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gen Niveau stagnierte. Ein ehemaliger Zollamtsleiter sagt in diesem Zusammenhang : „Das Problem, warum an den Zollämtern, an den großen Zollämtern vor allen Dingen, immer ein hoffnungsloser Personalmangel bestand, hing eben sehr eng zusammen mit der Sicherheitsdoktrin [...] der Partei - und Staatsführung und der DDR - Zollverwaltung. Weil diese Gewährleistung der Sicherheit in Anführungsstrichen und vor allen Dingen das Verhindern von Schleusungen hat den gesamten Dienstplan diktiert. Davon ausgehend, in erster Linie von solchen politischen Prämissen, gab es ganz genau festgelegte Mindestdienststärken. Und die mussten auf allen Postenbereichen eingehalten werden. Und die waren so angelegt, dass sie zu jeder Zeit durchgehende Kontrollen im Ausgang machen mussten, also sie mussten. Also sie mussten jeden PKW kontrollieren auf Personenschleusung, [...] das hat einen unglaublichen Personalbedarf erzeugt.“400

Zwölf - Stunden - Dienste waren für die Zöllner in Marienborn zunehmend keine Ausnahme, sondern eher die Regel. „Wenn ich mir das vergegenwärtige, was wir hier für Überstunden gemacht haben. Das war nicht ganz unerheblich. Das war stellenweise in der Woche bis zu 40 Stunden mehr, die wir geleistet haben.“401 Besonders frustrierend war dieser Umstand, weil die geleisteten Überstunden in keiner Weise angerechnet wurden. „Von wegen mit Anschreiben und dann irgendwann abbummeln und so – das konnten Sie vergessen.“402 Die Vielzahl an Überstunden belastete zudem auch das Familienleben der Zöllner, da oftmals beide Ehepartner beim Zoll angestellt waren und gemeinsam unter der Situation litten, wie auch Thorsten Schumann : „Wir hatten ja auch kein Familienleben, das muss man dann mal dazusagen. Wir waren beide hier tätig. Man wollte auch nicht, dass Familienangehörige in einem Zug sind. Es gab mal Ausnahmen, wenn sie absolut nicht mehr klargekommen sind, aber dann war natürlich logischer weise meine Frau in einem anderen Zug, zwangsläufig eine andere Schicht, sodass wir uns eher seltener gesehen haben [...] und das hält man auf Dauer auch nicht aus, auch nicht als junger Mensch.“403 Zu Zeiten, in denen mit starkem Reiseverkehr an der GÜSt gerechnet werden musste ( beispielsweise über Ostern, Pfingsten oder Weihnachten ), wurde zwar durch die Bezirksver waltung der Zollver waltung in Magdeburg eigenes Personal oder Personal von anderen Grenzübergangsstellen des Bezirks kurzfristig nach Marienborn delegiert, doch der generelle Kräftemangel im gesamten Bezirk wurde damit nicht beseitigt.404 Für regelrechte Verärgerung unter den Zöllnern sorgte beispielsweise der Besuch des Leiters der Zollver waltung, Gerhard Stauch, am GZA Marienborn im Jahr 1986. Für diesen Anlass wurden damals viele Zöllner kurzfristig aus Magdeburg nach Marienborn verlegt, so dass mit einer Stärke von 1 :37 kontrolliert werden konnte. Anton Berger, ehemaliger Zugführer, erinnert sich : „Ich komme auf die GÜSt, mein Gott ! Ein Haufen Leute ! Und der Stauch, der oberste Zollchef stand mitten drin ! Da hat400 401 402 403 404

Zeitzeugengespräch mit Christian Singer am 31. 1. 2006. Zeitzeugengespräch mit Rainer Tischler am 26. 5. 2004. Zeitzeugengespräch mit Oliver Schmid am 12. 10. 2004. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. Vgl. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004.

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ten die per Fernschreiben aus dem ganzen Bezirk hier Leute ranzitiert und dann haben sie mit 125 Mann da die Osterabfertigung, den Ausreiseverkehr bewältigt. Und der war dann im Wesentlichen ohne Stau.“405 Aus Berichten von inoffiziellen Mitarbeitern des GZA geht her vor, dass viele Zöllner diese kurzzeitige Verbesserung der Kräftesituation der Errichtung „Potemkinscher Dörfer“ gleichkam. Sie empfanden das Vorgehen als „Schauspiel“, das von der wahren Situation am Grenzzollamt ablenken sollte.406 In der Tat hatte die damalige Situation mit der Wirklichkeit wenig gemein, denn im Jahr 1986 lag die Entlassungsquote in der Bezirksver waltung Zoll Magdeburg sogar über der Einstellungsquote. Zum 12. Februar 1987 waren beispielsweise im gesamten Bezirk Magdeburg 500 Planstellen der Zollver waltung nicht besetzt. Das entsprach einem Ausstand von zehn Prozent. Diese Situation bestand bereits Jahre zuvor.407 Dass leitende Kader den Missstand nicht erkannten oder nicht wahrhaben wollten, bestätigt auch ein ehemaliger Zugführer des GZA Marienborn : „Ja also wir hatten chronischen Kräftemangel, also für die Abfertigung erstmal. Also wenn wir Dienst nach Weisung hätten machen wollen, das war ja das Schizophrene, muss ich Ihnen sagen, [...] du bist angezählt worden, also kritisiert worden, dass du nicht, die Bereiche nicht richtig besetzt, aber die Voraussetzungen waren gar nicht gegeben dafür und meistens haben wir dann im Transit Personenverkehr da reduziert.“408 Notgedrungen war das Grenzzollamt Marienborn bei der Anwerbung neuer Mitarbeiter weitgehend auf sich alleine gestellt. Deshalb gab es am GZA eine eigene „Werbegruppe“, in der sechs bis sieben Zöllner ausschließlich mit der Gewinnung neuer Mitarbeiter beschäftigt waren.409 Die Hälfte der hierfür eingesetzten Zöllner war mit der Suche und Kontaktierung potenzieller Nachwuchskräfte beauftragt, während die andere Hälfte die Zollbewerber und deren Umfeld auf ihre „kaderpolitische Zuverlässigkeit“ überprüfte. Das Auswahl - und Überprüfungsverfahren der Werbegruppe des GZA glich laut Aussagen der Zeitzeugen in weiten Teilen dem, was an früherer Stelle bereits beschrieben wurde.410 Zu jedem Zollbewerber wurden Ermittlungsberichte angefertigt und an die Kaderabteilung der Bezirksver waltung Zoll nach Magdeburg weitergeleitet. Vor der Einstellung musste die Abteilung VI der Bezirksver waltung des MfS in Magdeburg ihre Zustimmung geben. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Aussage eines Zeitzeugen, der mehrfach beobachtet hat, dass vom Zoll ausgewählte und überprüfte Bewerber nach Prüfung durch die Abteilung VI zwar 405 Ebd. 406 Vgl. BVfS Magdeburg im September 1986 : Zur Situation am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 561). 407 Vgl. ebd. 408 Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. 409 Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. 410 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 3. 2004.

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an der GÜSt ihren Dienst verrichteten, jedoch „in einer anderen Uniform“.411 Demnach nutzte die Staatssicherheit die Arbeit der Werbegruppe für die Auswahl und Gewinnung ihres eigenen Personalbestandes bei der Passkontrolleinheit. Doch nicht nur, dass das MfS Zollbewerber abgeworben hat, es hat andererseits auch die Zustimmung zur Einstellung am GZA ver weigert, wenn ein Zollbewerber bereits vor der Kontaktaufnahme durch den Zoll von der Staatssicherheit angesprochen wurde und eine Zusammenarbeit mit dem MfS abgelehnt hatte.412 Die Gewinnung neuer Kräfte für das GZA war bereits aus den eben genannten Gründen ein schwieriges Unterfangen. Zusätzlich wurde die Werbung durch weitere Faktoren erschwert. Nach dem Machtwechsel an der Spitze des Staatsapparats im Jahr 1971 wurde auf dem VIII. Parteitag der SED unter ihrem neuen Vorsitzenden Erich Honecker die weitere „Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes auf Grundlage eines erhöhten Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion, der Erhöhung der Effektivität, des wissenschaftlich - technischen Fortschritts und des Wachstums der Arbeitsproduktivität“ als künftige Hauptaufgabe beschlossen und verkündet. Die daraufhin ergriffenen Maßnahmen zielten im Kern vor allem auf die Verbesserung der Wohnbedingungen durch ein umfassendes Bauprogramm ab.413 Das Grenzzollamt Marienborn verfügte aber bereits ab Anfang der 1960er Jahre über genügend Wohnheime und Wohnblöcke in Marienborn, Harbke und Wefensleben. Für fast alle der befragten ehemaligen Kontrolleure lag das Hauptmotiv, den Dienst in der Zollver waltung am GZA Marienborn aufzunehmen, in der Aussicht, rasch eine eigene Wohnung zu bekommen. Mit der Verbesserung der angespannten Wohnsituation verlor die Werbegruppe des GZA einen entscheidenden Trumpf. Ein weiterer Vorteil, die gute Bezahlung der Zöllner, nahm ebenfalls Schaden durch die beschlossene „Einheit von Wirtschafts - und Sozialpolitik“. Zwar lag der Verdienst eines Zollkontrolleurs ab den 1970er Jahren mit durchschnittlich 1 000 bis 1600 Mark Netto414 weit über dem der allgemeinen Bevölkerung, doch die Vielzahl der Überstunden, die wie erwähnt allesamt ohne Lohnausgleich geleistet werden mussten, relativierte diese Privilegierung erheblich. Für eine Anstellung in der Zollver waltung musste jeder Bewerber nachweisen, dass er seinen Dienst bei der NVA geleistet hatte. Daher konzentrierte sich die Werbegruppe bei ihrer Suche nach Nachwuchskräften vor allem auf Personen, die vor dem Abschluss ihres Wehrdienstes standen. Fast alle ehemaligen Zöllner, die für die vorliegende Arbeit befragt werden konnten, wurden vom AZKW bzw. von der Zollver waltung kontaktiert und geworben, während sie ihren Dienst in der Kasernierten Volkspolizei bzw. in der NVA leisteten. Ledig411 412 413 414

Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. Ebd. Heydemann, Innenpolitik, S. 29. Die hier genannten Zahlen ergaben sich aus der Befragung ehemaliger Zollmitarbeiter. Der Monatslohn hing vom jeweiligen Dienstgrad ab.

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lich ein Zöllner, der bereits 1953 im AZKW tätig war, arbeitete vor seiner Werbung in einem Betrieb.415 Die Werber des GZA Marienborn suchten ihre Zielpersonen sowohl in den einzelnen Truppenteilen als auch in ihren Privatwohnungen auf. Bei den Zeitzeugen, die während ihrer Zeit in der Zollver waltung auch als Werber tätig waren, war diese Tätigkeit sehr unbeliebt. Einerseits standen sie unter dem Druck der Kaderabteilung der Bezirksver waltung, die ständig auf die Neuwerbung von Mitarbeitern drängte. Andererseits erlebten sie ihre Tätigkeit als „Klinkenputzen“ und „Betteln“, da sie „immer weniger“ und „immer zu wenig“ Personen von einer Tätigkeit in der Zollver waltung überzeugen konnten.416 Die Aussage eines Zeitzeugen, der in der Werbegruppe tätig war, ist bezeichnend und kann stellvertretend für die eben angedeuteten Entwicklungen stehen : „Also, rein vom geistigen Niveau, von den Schulzeugnissen, im Laufe der Jahre, ich will es mal überspitzt sagen, es kamen dann nur noch zum Schluss die Dummen. [...] Hauptsache er hatte eine saubere Kaderakte.“417

7.3

Der Alltag des Kontrollierens

Die Kontrolle von Reisenden bestimmte den Arbeitsalltag der Zöllner in Marienborn. Wie erlebten Zöllner und Reisende die Kontrollen ? Was erlebten sie während der Kontrollen ? Auf ausgewählte Aspekte des Verhältnisses zwischen Zoll und Reisenden soll im Folgenden näher eingegangen werden. „Die waren alle korrekt – eiskalt korrekt“ – Der Schein der Normalität bei den Kontrollen Unabhängig vom Wesen ihrer politischen Verfasstheit zählen Pass - und Zollkontrollen bei allen souveränen Staaten zu den völkerrechtlich geschützten Hoheitsrechten im Rahmen der Sicherung ihrer Staatsgrenzen. Auch die Souveränitätsrechte der beiden deutschen Staaten wurden im Zuge des Berlin - Abkommens durch die vier Mächte im September 1971, die sich anschließenden deutsch deutschen Verträge und den Eintritt der Bundesrepublik sowie der DDR in die Vereinten Nationen im September 1973 bestätigt. Jahr für Jahr kam es zu mehreren Millionen Kontroll - und Abfertigungshandlungen, von denen der über wiegende Teil ohne Zwischenfälle vonstatten ging. Die Leiter der Grenzzollämter waren angewiesen, auf ein „korrektes“ Auftreten der Kontrolleure zu achten. Zwar bestätigt die Mehrzahl der im Rahmen der Arbeit befragten Reisenden, dass dieser Weisung am Grenzzollamt Marienborn Folge geleistet wurde. Für die meisten stellten die Kontrollen dennoch etwas Unangenehmes dar, auch wenn die Prozedur der Grenzüberschreitung so vielen Menschen in Fleisch und 415 Zeitzeugengespräch mit Karl - Wilhelm Schneider am 2. 3. 2004. 416 Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 4. 2004. 417 Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004.

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Kontrollierte Kontrolleure

Blut übergegangen ist, dass von einer ganzen „Marienborn - Generation“418 gesprochen wird. Ein Zeitzeuge berichtet in diesem Zusammenhang : „Dazu muss ich sagen, die war’n alle meistens korrekt – und zwar überkorrekt, eiskalt korrekt, also dass es einen schauerte, wenn man mit den Menschen zu tun hatte.“419 Die von Seiten des DDR - Regimes oft propagierte Normalität der Grenzabfertigung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Kontrollen an den Grenzübergangsstellen unter den Bedingungen des Kalten Krieges vollzogen und für die Sicherungskräfte wie für die Reisenden zu jeder Zeit Besonderheiten aufwiesen. Die Kontrolleure der Grenzzollämter waren wie kein anderes „Organ“ Tag für Tag den Einflüssen des Westens ausgesetzt. Sie waren es, die die Reisenden befragten, kontrollierten und vernahmen.420 Für viele Reisende wiederum waren die Kontrollen des Zolls ein prägendes Ereignis, nirgendwo sonst kamen sie in derart engen Kontakt mit Repräsentanten des DDR - Regimes. Die Normalität der Kontrollen war nur zum Schein gegeben, denn in der Realität erfolgten sie fast immer in einer Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens. Im Gegensatz zu den Zollbehörden westlicher Länder standen die Zöllner der DDR unter einem permanenten Erfolgszwang, möglichst viele „Kontrollerfolge“ zu erzielen. Sie trafen zudem auf Reisende, die bei der Grenzpassage oft Gefühle der Beklemmung, Angst und Aggression empfanden. „Der bringt überhaupt nichts“ – Zöllner unter Erfolgszwang Am 13. Mai 1976 wurde das GZA Marienborn mit dem „Ehrenbanner des Zentralkomitees der SED“421 ausgezeichnet. Verliehen wurde es im Rahmen einer Festveranstaltung durch den Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke. Anhand der Festansprache, die er vor 390 geladenen Zöllnern, Passkontrolleuren und SED - Funktionären hielt, wird deutlich, nach welchen Kriterien ein Grenzzollamt im Sinne der Partei - und Staatsführung erfolgreich funktionierte.422 Zunächst lobte der Minister, dass 75 Prozent der Mitarbeiter der SED angehörten. Des Weiteren stellte er heraus, dass im Jahr 1975 durch das GZA Marienborn in 15 Fällen die Ausschleusung von 21 Personen und in den ersten vier Monaten des Jahres 1975 in elf Fällen die Ausschleusung von 27 Personen verhindert werden konnte. Zudem konnten durch das GZA vom Januar 1975 bis 418 Der Schriftsteller und Osteuropa - Historiker Karl Schlögel prägte den Begriff „Marienborn - Generation“ in der Nummer 3/2007 der Vierteljahreszeitschrift „Leviathan“. Vgl. „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 16. 1. 2008, S. 7. 419 Zeitzeugengespräch mit Hartmut Weber am 11. 7. 2005. 420 Die GÜSt Marienborn passierten täglich Reisende unterschiedlichster Herkunft. Den Großteil machten Bürger der Bundesrepublik aus. Daher wird im Folgenden der besseren Lesbarkeit halber der Begriff „Reisende“ mit „Reisende aus der Bundesrepublik“ gleichgesetzt. 421 Schreiben des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 6. 5. 1976 : Ablaufplan für die Auszeichnungsveranstaltung anlässlich der Verleihung des Ehrenbanners des Zentralkomitees an das Grenzzollamt Marienborn / A. am 13. 5. 1976 ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 218). 422 Ebd., Bl. 226–238.

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Ende April 1976 in rund 6 500 Fällen Verletzungen des Transitabkommens nachgewiesen werden. Im Reiseverkehr wurden im etwa gleichen Zeitraum 11500 Feststellungen getroffen, dennoch konnte eine reibungslose und zügige Abwicklung des ständig wachsenden Verkehrs garantiert werden. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern des Grenzzollamtes und der Passkontrolleinheit würde sich zunehmend positiv gestalten. Daraus ableitend kann verallgemeinernd festgestellt werden, dass ein Grenzzollamt im Sinne der Partei - und Staatsführung offensichtlich dann erfolgreich funktionierte, wenn erstens bei den Kontrollen möglichst viele Erfolge erzielt wurden, zweitens die Abfertigung der Reisenden reibungslos verlief und drittens der Personalbestand politisch - ideologisch gefestigt war und dadurch ein erfolgreiches Zusammenwirken mit der Passkontrolleinheit gewährleistet werden konnte. Über die Kontrolltätigkeit wurde am Grenzzollamt Marienborn genauestens Buch geführt. Die Kontrollergebnisse jedes einzelnen Tages wurden in sogenannten „Lagemeldungen“ zusammengefasst und per Fernschreiber an die Bezirksver waltung nach Magdeburg abgesetzt.423 Diese fasste die Lagemeldungen aller Grenzzollämter des Bezirks ( Marienborn / Autobahn, Marienborn / Eisenbahn, Oebisfelde und Buchhorst ) zu „Lagefilmen“ zusammen. Die Tatsache, dass sich diese Lagefilme heute im BStU - Archiv befinden, lässt darauf schließen, dass der Bezirksver waltung des MfS jeweils eine Ausfertigung zur Information übergeben wurde. Aus den Lagefilmen geht unter anderem her vor, wie viele Gütertransportmittel bei der Einreise im vertragsgebundenen Transit an den einzelnen GÜSt abgefertigt wurden, wie viele Vorgänge an die Passkontrolleinheiten übergeben wurden, wie viele Personen kontrolliert wurden und welche Feststellungen dabei getroffen wurden.424 Für den internen Gebrauch wurden von der Statistikabteilung des Grenzzollamts Listen geführt, aus denen die Anzahl und die Art der Feststellungen her vorgingen, die jeder einzelne Zöllner in einem bestimmten Zeitraum getroffen hatte. Es war Aufgabe der Zugführer des GZA, diese Listen regelmäßig zu kontrollieren.425 Das bestätigt auch die Zeitzeugin Petra Linke : „Ich hab die Statistik ausgeführt und dann kam der Dienststellenleiter oder irgendjemand kam oder der Zugführer meistens. Meistens kam der Zugführer und hat sich dann informiert. Darüber. Hat sich die Listen angekuckt und hat gesagt, der, der ist aber [...] der bringt überhaupt nichts.“426 Hatte ein Kontrolleur über einen längeren Zeitraum keine oder wenige Kontrollerfolge, so wurde er von seinem Zugführer ermahnt und mitunter auch ganz aus dem operativen Dienst herausgelöst.427 Hatte er dagegen auffällig viele oder umfangreiche Feststellungen, so wurden ihm von Zeit zu Zeit Prämien ausge423 424 425 426 427

Vgl. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. Vgl. BVfS Magdeburg : Lagefilme 1973 ( BStU, MfS, BV Magdeburg, Abt. IX Nr. 1234). Vgl. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004. Vgl. Zeitzeugengespräch mir Julia Berger am 28. 9. 2004.

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zahlt. Wenn dagegen Kontrollen fahrlässig durchgeführt wurden oder wenn es zu negativen Äußerungen bezüglich des hohen Arbeitspensums kam, blieben Prämien für den Betroffenen lange Zeit aus.428 „Du konntest als Kontrolleur so gut sein wie du wolltest. Hast du ne Prämie gekriegt. Aber hast du einen einzigen Fall mal übersehen und es gab eine Verdachtskontrolle war das alles im Arsch, so auf gut Deutsch gesagt. Deine ganzen Kontrollerfolge null und nichtig.“429 „Da ging der Puls hoch“ – Reisende zwischen Beklemmung, Angst und Aggression Die Schilderung von Erlebnissen während der Grenzpassage über die GÜSt Marienborn ruft bei vielen ehemaligen Reisenden zum Teil sehr emotionale Erinnerungen her vor. Der imposante Kontrollkomplex, die zahlreichen Sicherungskräfte und die Ungewissheit über die bevorstehenden Kontrollen haben ihren Teil dazu beigetragen. „Sobald man was von der Grenze sah, da ging der Puls hoch“430, so schildert ein Zeitzeuge die Situation. Die Aussagen eines weiteren Reisenden gehen in eine ähnliche Richtung : „Wenn wir auf die Grenze zufuhren, das sind so die Gefühle, die – die kann man eigentlich nur beschreiben [...]. Ob man’s nachempfinden kann, ist glaub’ ich [...] vielleicht zu viel verlangt. [...] Also erstmal wenn wir Richtung Osten fuhren, und je näher man wirklich hier her kam, und so die Ecken wusste, da geht’s runter, da oben, und dann sah man schon die ganzen – die Kontrolltürme und die Wachtürme. [...] Es legte sich wie eine – eine Beklemmung auf uns, muss ich ganz ehrlich sagen. Es war nicht Angst, aber es war ’ne Beklemmung, wie wird das sein. [...] Überlegen Sie mal, wie viel Leute hier durchgefahren sind, haben geflucht, haben geschimpft, [...] hätten die [ Sicherungskräfte ] am liebsten erwürgen können, wenn sie gekonnt hätten. Das ist, das bleibt doch nicht ohne Wirkung. [...] Das war etwas, was mit dem System zusammenhing, Ost – und West.“431

Die Haltung der Reisenden gegenüber dem DDR - Grenzregime wurde neben eigenen Erfahrungen vor allem durch Berichte der westlichen Massenmedien geprägt. Beispielsweise sorgte der Tod des BRD - Bürgers Rudolf Burkert am 10. April 1983 an der GÜSt Drewitz für rege Berichterstattung der westdeutschen Tagespresse. Burkert verstarb während einer Vernehmung durch Zollkontrolleure an Herzversagen. Die Obduktion des Verstorbenen konnte die Vernehmung als Todesursache zwar nicht bestätigen, aber auch nicht ausschließen. Bezug nehmend auf diesen Vorfall kam der Leiter der Bezirksver waltung Zoll in Magdeburg in einem Schreiben vom 27. Mai 1983 zu dem Schluss, dass sich vor allem Bundesbürger an den Grenzübergangsstellen des Bezirks „regelrecht aufsässig“432 verhielten. Sie würden versuchen, sich der Kontrolle zu widerset428 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 3. 2004. 429 Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 3. 2004. 430 Zeitzeugengespräch mit Hartmut Weber am 11. 7. 2005. 431 Zeitzeugengespräch mit Leonhard Möller, o. D. 432 Vgl. Schreiben des Leiters der Bezirksver waltung Magdeburg der Zollver waltung der DDR vom 27. 5. 1983 ( LSHASA, MD, REP P13 SED - Bezirksleitung Magdeburg vorl. Nr. 21024).

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zen, sie kämen Verfügungen nur wider willig nach und versuchten Mitarbeiter der Zollver waltung zu behindern, zu beleidigen oder zu diffamieren. Tatsächlich waren die Reaktionen der Reisenden zum Teil gereizt. Ein Reisender bemerkte am GZA Marienborn, nachdem gegen ihn ein Devisenverfahren eingeleitet wurde : „Jetzt weiß ich, wie der Burkert gestorben ist.“433 Nachdem bei einer Reisenden am Körper versteckte Literatur entdeckt wurde, sagte sie : „Hier wird man wie ein Verbrecher behandelt – kein Wunder, wenn man dabei einen Herzinfarkt bekommt.“434 Andere reagierten dagegen eher eingeschüchtert auf den Vorfall. Ein älterer Herr bat die Zöllner, dass seine Frau während der Kontrollen im Pkw sitzen bleiben durfte, da sie unter körperlichen Gebrechen litt. Er sagte wörtlich : „Ich möchte keine Schwierigkeiten bekommen. Mir soll es nicht so ergehen wie Burkert und deshalb habe ich auch jetzt immer eine Bescheinigung für meine Ehefrau mit.“435 Dass die Grenzkontrollen für viele Reisende eine Extremsituation waren, steht fest. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen teilte im Mai 1983 mit, dass seit 1978 34 Reisende aus der Bundesrepublik an den Grenzübergangsstellen der DDR an Herzversagen, Herzinfarkt oder vergleichbaren Herzkrankheiten gestorben sind. Zwar würde nichts darauf hindeuten, dass diese Todesfälle während der Kontrollen oder Verhöre eintraten, es könnte jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die durch Kontrollmaßnahmen an der Grenze ausgelöste psychische Belastung im Einzelfall zu gesundheitlichen Gefährdungen geführt hätte.436 In der DDR - Presse wurden solche Äußerungen in der Regel als „Hetze“ bezeichnet. Dennoch zeigt der Umstand, dass westliche Zeitungsmeldungen über Vorfälle an den GÜSt von der Zentralen Auswertungs - und Informationsgruppe des MfS akribisch gesammelt und ausgewertet wurden, wie ernsthaft man mit Negativschlagzeilen umgegangen ist. Auch innerhalb des Grenzzollamts Marienborn achtete der Führungsstab auf ein korrektes Verhalten der Zollkontrolleure den Reisenden gegenüber. Generell von Willkür bei den Kontrollen zu sprechen, wäre abwegig. In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass es für manche der befragten Reisenden nicht immer eindeutig war, ob die Sicherungskräfte, mit denen sie in Kontakt kamen, dem Zoll oder der Passkontrolle zuzuordnen waren. Erschwerend kam hinzu, dass einige Passkontrolleure über Zolluniformen verfügten, um unter dem Deckmantel des Zolls den Reisenden gegenüberzutreten, wie Anton Berger, ehemaliger Zugführer des GZA Marienborn zu verstehen gibt : „Nicht jeder, der sich als Zöllner ausgegeben hat, war ein Zöllner. Die Kontrollermittler von der PKE haben sich auch immer als Zöllner oder als Grenztruppen ausgegeben, die haben ja nicht gesagt, ich komm’ von der Stasi. [...] Die Reisenden haben ja auch alles in einen Haufen geschmissen, das waren ja alles Zöllner oder 433 434 435 436

Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. Der Tagesspiegel vom 14. 5. 1983.

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Vopos.“437 Auch ein ehemaliger Passkontrolleur bestätigt diese Umstände : „Es war nicht immer das, was nach außen hin zu sehen war, auch wirklich drin. Das ist einfach nur unter dem Deckmantel : Die Bevölkerung weiß nicht, was ich jetzt heimlich mache.“438 Was den Einsatz „echter“ Zollkontrolleure anging, hatte der Zugführer jeder Diensteinheit darauf zu achten, wer in welchem Maße in Kontakt mit den Reisenden kam. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass in der Abfertigung des Güter verkehrs „rauere Sitten“ herrschten als im Reiseverkehr, dementsprechend wurden im Reiseverkehr vorzugsweise Kontrolleure eingesetzt, die nach Ermessen des Zugführers über das hinreichende Niveau und den entsprechenden Intellekt verfügten.439 „Und wenn man dann [ als Lkw - Kontrolleur ] mit Leuten zusammengerät, die im Besucherreiseverkehr fahren, die dann doch ein paar Gehirnwindungen mehr haben, und man behält den Ton bei, da kann es doch schon zu der einen oder anderen Dienstaufsichtsbeschwerde kommen.“440 Der Umgang mit Dienstaufsichtsbeschwerden ist ein weiteres Indiz dafür, dass ein ordnungsgemäßes Verhalten den Reisenden gegenüber von Bedeutung war. Wenn sich Reisende schlecht behandelt fühlten, beschwerten sie sich oft an zentraler Stelle in Berlin. Laut den Aussagen aller befragten Zeitzeugen wurden diese Beschwerden immer zurückverfolgt. Der betreffende Zöllner wurde in den meisten Fällen ermahnt, das Vorkommnis oft während der nächsten Diensteinweisung besprochen, verbunden mit dem Hinweis, den Reisenden korrekt gegenüberzutreten.441 Dazu sagt eine ehemalige Zöllnerin aus Marienborn : „Jeder hatte mal einen schlechten Tag. Oder hat vielleicht eine Handlung durchgeführt, die nicht so korrekt beim Auge des Reisenden war. Dann wurde er dafür bestraft. Und das wusste er, es wurde geschult. Es wurde belehrt. Und jeder Mitarbeiter trug eine Verantwortung. Er hat viel Geld bekommen, und dann wurde auch auf die Finger geklopft. Es war hier keine Narrenfreiheit. Es konnte nicht jeder kontrollieren und tun und machen, so wie er wollte, das gab es nicht“.442 Ein weiterer ehemaliger Kontrolleur gibt an, dass in der Folge von Beschwerden auch Zöllner entlassen wurden und kommt in diesem Zusammenhang zu dem Schluss : „Also wenn die Reisenden richtig gewusst hätten, was sie für Macht auf uns ausüben können, dann wäre das eine Katastrophe hier geworden.“443

437 Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. 438 Zeitzeugengespräch mit Jochen Maier am 21. 9. 2005. 439 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Heiner Müller am 12. 2. 1996. 440 Zeitzeugengespräch mit Rainer Tischler am 26. 5. 2004. 441 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. 442 Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004. 443 Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 3. 2004.

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„Das war für mich so erniedrigend“ – Schikanen und Provokationen Es steht außer Frage, dass die Zöllner den Reisenden gegenüber aufgrund ihrer Kontrollpflichten und - befugnisse über eine gewisse Autorität verfügten, was sich mitunter auch in obrigkeitsstaatlichem Verhalten ausdrückte.444 So stand teilweise der Umfang der Kontrollen und Vernehmungen in keinem Verhältnis zu den Feststellungen. Was zählte, war oft nur der Kontrollerfolg, verbunden mit einem Geständnis des Beschuldigten, um so über die Verhängung einer Strafverfügung Devisen zu erwirtschaften.445 Peter Schmid, der selbst Vernehmungen in Marienborn durchführte, erläutert : „In der Klärung des Sachverhaltes musste man herausarbeiten, dass er [ der Reisende ] vorsätzlich entgegen den gesetzlichen Bestimmungen ihn obliegende Rechtspflichten bei der Ein - und Ausfuhr verletzt hat. [...] Meine Aufgabe : den Bürger zu überzeugen, dass er das vorsätzlich getan hat. [...] Dann habe ich die Möglichkeit gehabt, eine Strafverfügung auszusprechen. [...] Und das wurde vom Reisenden unterschrieben, er hat sein Blatt gekriegt, die Gegenstände wurden eingezogen und unter Umständen gab es noch eine Strafverfügung dazu. [...] Vater Staat brauchte Geld, brauchte Devisen.“446 Diese Art der Vernehmung war vorgeschrieben, glaubt man den Aussagen der Zeitzeugen. Die Kontrolleure hatten eigenen Angaben zufolge keine andere Wahl, was das Ziel der Vernehmung anging. Somit waren Schikanen, wie beispielsweise stundenlange Verhöre, zu einem bedeutenden Teil „systemisch“ bedingt. Dennoch waren Verhöre selbst innerhalb der Zollver waltung nicht unumstritten. Ottmar Berghoff, ehemals Mitarbeiter bei der Zollfahndung, kommt zu dem Schluss, dass ein solches Herauskehren der Staatsobrigkeit sich schließlich negativ auf die Ermittlungsarbeit der Fahnder ausgewirkt habe. Er führt in diesem Zusammenhang fort : „In meinem Verantwortungsbereich hab ich dort heftige Auseinandersetzungen gehabt, auch vor Ort [ an den Grenzzollämtern ], wenn wir [ der Zollfahndungsdienst ] solche Kontrolleinsätze, Facheinsätze gemacht haben, wo ich, wo es wirklich darum ging, nicht voreingenommen den Vorsatz auf Teufel komm raus zu beweisen, möglicher weise durch Rechtsbeugung und durch manipulierte Beweise.“447 Die Mindestkontrollhandlungen im Bereich der Ausreise und die intensiven Kontrollen in den Kontrollgaragen bei entsprechendem Verdacht waren eben444 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. 445 Von der Verhängung einer Strafverfügung konnte laut Anweisung des Leiters der Zollver waltung der DDR nur abgesehen werden „bei festgestellter erstmaliger Verletzung der Rechtsvorschriften [...] – wenn keine spekulative Absicht erkennbar ist“. In diesen Fällen sollten lediglich Einziehungen und Belehrungen vorgenommen werden. Vgl. Schreiben des Stellvertreter des Leiters für Fahndungswesen der Zollver waltung der DDR an den Leiter der HA VI des MfS vom 24. 5. 1973 : Einschätzung der bisherigen Arbeitsergebnisse des Sachgebietes Transitüber wachung ( BStU, MfS, HA VI 13332, Bl. 28). 446 Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. 447 Zeitzeugengespräch mit Ottmar Berghoff am 15. 6. 2004.

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falls Vorschriften, die unter allen Umständen eingehalten werden sollten.448 „Ermessensspielraum hatten wir keinen“,449 so rechtfertigten sich viele ehemalige Zöllner in diesem Zusammenhang. Dass bei den Kontrollen alle Personen das Fahrzeug verlassen mussten, unabhängig von deren Alter oder Verfassung, wurde von den Reisenden oft als Schikane empfunden. Dessen waren sich die Zöllner durchaus auch bewusst : „Wenn dann mal auch dann ’ne ältere Dame oder ein älterer Herr dann da mit drin saß und der möglicher weise auch noch mit Krücke. Dann sieht das natürlich zunächst erstmal so aus, wenn du jetzt den Pkw kontrollierst, du hast ja auch deine Gründe gehabt. Du hast das ja nicht gemacht, weil du ihn ärgern wolltest, sondern weil du der Meinung warst, da ist irgendwas oder hast den Verdacht. Und dann kann natürlich schnell auch mal so was auch hochkommen.“450 Eine weitere Vorschrift war die sogenannte „Vorführungspflicht“ der Reisenden. Die Zöllner selbst waren nicht befugt, selbstständig die Rückbank eines Autos anzuheben, Koffer zu öffnen oder Verkleidungen von Autos zu demontieren. Die Vorgänge in den Kontrollgaragen wurden von den Befragten oft als besonders schikanös empfunden. Peter Kaiser, einst Reisender, schildert eine typische Kontrollsituation : „Hier ein großer Tisch, stellen Sie [ sich ] mal hin und nun machen sie die Verkleidung in Ihrem Auto ab. Ich sag, das kann ich nicht, das Auto ist neu, das habe ich erst seit vier Wochen. Das zeigen wir Ihnen. Dann kam der mit ’nem großen Schraubenzieher. Sehen Sie, zack, zack, den Rest machen Sie. Dann musste ich die gesamte Innenverkleidung raus machen – damals waren ja die Autos noch nicht so modern wie heut, dass sie total verkleidet sind. Da war immer noch Blech und da waren immer nur so Streifen. Und so nach ’ner halben Stunde kam dann der Kontrolleur wieder mit einer Spezialleuchte und leuchtete dann da rein, ob ich nicht darin Ostmark versteckt hatte, denn die hatten ja auch so einen Sicherheitsstreifen und der hätte dann aufgeleuchtet. Überall rumgeleuchtet. Kein Wort gesagt, was der eigentlich wollte. Dann kam Genosse Leutnant wieder, dann sagte der Kontrolleur Fehlanzeige. Na denn lass ihn mal laufen. Und dann fing ich wieder an, die Innenverkleidung da einigermaßen zu befestigen und mein Gepäck wieder einzuräumen. Die Aktion hat etwa zwei Stunden gedauert. [...] Also das war für mich so eine Erniedrigung.“451

Die Zöllner waren nicht dafür verantwortlich, ein zerlegtes Fahrzeug wieder zusammenzubauen. Reisenden, die selbst dazu nicht in der Lage waren, wurde gestattet, gegen die Zahlung von Westmark einen Automechaniker zu benachrichtigen. „Dann haben wir gesagt, auf ihre Kosten lassen wir jemanden kommen, der dann das macht.“452 Dieses Prozedere in den Kontrollgaragen wurde selbst von manchen Sicherheitskräften als erniedrigend empfunden. Ein ehemaliger Passkontrolleur sagt in dem Zusammenhang : 448 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004; Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. 449 Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004. 450 Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. 451 Zeitzeugengespräch mit Peter Kaiser am 27. 7. 2005. 452 Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004.

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„Das fand ich nicht schön. Innerlich hab ich mich sowieso drüber aufgeregt, aber ich hätte es nicht äußern dürfen. Das fand ich dann irgendwo gemein. Also wenn ein Rentner daherkommt und kriegt sein Auto auseinandergelegt, wo er selbst nicht weiß, wo die Tankklappe zu öffnen ist [...]. Und plötzlich liegt die Türverkleidung auf dem Pflaster, die Rücksitzbank ist weg und was nicht alles an Verkleidung innen ausgebaut wurde. Und nun mach’s gut. Nun packst du’s irgendwo rein und fahr zur nächsten Werkstatt. Das fand ich nicht gut. [...] Der hat seinen Kram in den Kofferraum gepackt und ist dann abgehauen. Oder hat es selbst versucht, zusammenzubauen. So wahr ich hier sitze. [...] Mancher Zöllner hat mit Hand angelegt. Nicht jeder hat’s getan. Der hat seine Kontrolle durchgeführt und damit war sein Part erledigt.“453

Zöllner, die unter allen Umständen „Dienst nach Vorschrift“ machten, mussten in Kauf nehmen, dass ihre Kontrollen vereinzelt als Schikanen empfunden wurden. Gleichwohl lag es aber doch letztlich im Ermessen des einzelnen GZA - Mitarbeiters, wie rigide er die Kontrollvorgaben umsetzte : „Wir hatten zwar unsere Vorschriften, aber wir hatten auch unseren Spielraum. [...] Du hast was festgestellt und es war nicht in Ordnung, was weiß ich, zu wenig Geld angegeben, bloß weil die Oma so aufgeregt war und hat aus dem Portmonee nicht gefunden, dass sie da vorne auch noch Geld reingesteckt hatte. Na gut, dann sind sie eben weitergefahren. Oder eben sie hat ein bisschen mehr mit und hat schon gezittert und gemacht, ach ja, ich hätte mir das fast denken können oder ich hab das nicht gewusst. Wenn ich überzeugt war, dass sie das ehrlich meint und nicht bewusst [...] dann sind die eben auch so durchgefahren, du hättest dich nur nicht erwischen lassen dürfen, das ist klar, ja ? Aber solche Entscheidungen hab ich mir dann auch schon mal vorbehalten [...]. Und außerdem, es war ja immer dann Arbeit auch wieder. Musstest ja ’nen Zettel schreiben und dies und das, das war ja manchmal auch so, da war auch viel Betrieb.“454

Ganz ohne Zweifel gab es im Personalbestand der Kontrolleure in Marienborn auch einzelne Mitarbeiter, die aus rein subjektiven Gründen ihre Machtposition gegenüber den Reisenden her vorhoben. Das bestätigen die ehemaligen Zöllner selbst. „Es war ja bei manchen auch so, na ja ich bin hier Zöllner, Uniform, ja bin ich wer ? Denen werde ich aber mal zeigen, wer hier der Stärkere ist.“455 Da sich die Kontrollen Tag für Tag wiederholten, fehlte es zudem manchen Zöllnern an Einfühlungsvermögen. Zollkontrollen an der deutsch - deutschen Grenze waren für viele Reisende per se unangenehm und noch dazu keine alltägliche Erfahrung. „Wer ist schon erfreut, wenn ich sage, machen Sie bitte mal den Kofferraum auf oder kommen Sie mit Ihrem Koffer rein in den Kontrollraum, das ist schon unangenehm, das war uns allen klar, aber manche, die konnten eben halt nicht, die haben dann halt auch von der Tonlage her, da geht es ja manchmal schon los, haben die das einfach nicht verstanden. [...] Für uns war es üblich und Alltag. Für den Reisenden logischer weise nicht, das ist ganz klar.“456 Einige Zöllner fühlten sich durch das Verhalten der Reisenden mitunter provoziert. Dabei konnte es sich sowohl um Provokationen handeln, die offensicht453 454 455 456

Zeitzeugengespräch mit Jochen Maier am 22. 6. 2006. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004.

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lich als solche verstanden werden sollten, oder aber um Provokationen, die als solche aufgefasst wurden, ohne dass dies beabsichtigt war. Ein ehemaliger Zöllner äußert sich in diesem Zusammenhang zu einzelnen Kollegen : „Dieses von oben herab und jedes Wort auf die Goldwaage legen und jemanden dann sogar zu provozieren, ja. Was ? Wo wollen sie hin ? In die Zone ? Wo ist denn das ? Was wollen sie in der Zone ? Und dann schon war der Wortkrieg, ja. Und einfach nicht hinnehmen, dass das Wort Zone eben umgangssprachlich ist.“457 Viele Reisende haben in Erinnerung, dass vor allem Zöllnerinnen sehr strenge Kontrollen durchführten. Dies wurde von den ehemaligen GZA - Mitarbeitern zwar nicht vorbehaltlos bestätigt, dennoch versuchten viele während der Zeitzeugengespräche, diesen Umstand zu erklären, statt ihn zu widerlegen. Dabei zeigte sich, dass in den aufgeführten Erklärungsversuchen, warum es zu Schikanen seitens der Zöllner gegenüber den Reisenden kam, weibliche Kontrolleure besonders oft erwähnt wurden. Vor allem Frauen sollen sich sehr genau an die gegebenen Vorschriften gehalten haben, wie Anton Berger erläutert : „Die haben sich da an Lappalien hochgezogen, da haben wir [ Männer ] drüber weggekuckt. Ja ? Also, mit was die da alles ankamen hier, nicht ? Wenn da einer mal ein Pfund Kaffee vergessen hat, da haben die einen Staatsakt draus gemacht. Da haben wir gar nichts zu gesagt – tragen sie es nach, und denn ist gut. Also von der Seite her waren sie viel krümelkackriger [ lacht ].“458 Sandra Steiner, Zöllnerin in Marienborn : „Ich würde sagen, heute, dass eben Frauen von Natur aus, ich nehme mich da nicht aus, doch gerne mal etwas herrschsüchtig sind.“459 Petra Linke sieht dafür einen anderen Grund. Frauen mussten sich ihrer Meinung nach gegenüber männlichen Kollegen viel stärker beweisen, um Karriere zu machen. „Es gab ja Männer, die sind an mir vorbeigezogen wie Kometen, die sind gekommen, da war ich schon fünf Jahre da und sind dann schon, nach einem Jahr, Dienstgrade höher gewesen.“460 Sie ergänzt: „Vielleicht hat man von Anfang an gleich so ein Gesicht gezogen, dass man nicht irgendwie angemacht wird oder was, ja ? Denn viele Leute waren auch sehr mitleidig und haben gesagt, och, das tut uns ja leid, wie Sie hier stehen müssen mit Schnee und Regen und so, ja ? Dass man vielleicht von vornherein schon so ein bisschen so gekuckt hat, so sprich mich nicht an so ungefähr, ja ? Das kann schon sein. [...] Mich hat auch mal jemand gefragt, ob ich deutsch kann. Ich sage, ja warum nicht ? Ja, weil da hab ich so ’ne Russenmütze auf, so ’ne Pelzmütze, ja ? Da hat die gedacht, ich bin Russin, ja ? Ich sag, natürlich kann ich deutsch, bestimmt so gut wie Sie. Na ja, ich meine, es war auch manchmal oft andersrum, man wurde auch oft andersrum angemacht, das ist schon möglich, dass Frauen da besonders genau gewesen sind und genau reagiert haben, alles genau so gemacht haben, wie sie es sollten, schon möglich.“461

Unabhängig vom Geschlecht darf im Zusammenhang mit schikanösem Verhalten der Kontrolleure nicht unterschätzt werden, dass bei vielen Zöllnern ein 457 458 459 460 461

Zeitzeugengespräch mit Ottmar Berghoff am 15. 6. 2004. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004. Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004. Ebd.

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gewisses Frustpotenzial vorhanden war. Eine Ursache dafür war die enorme Arbeitsbelastung, die ein Zeitzeuge folgendermaßen kommentiert : „Es gab hier Situationen, wo hier manche Zwölf - Stunden - Dienst hatten und dann kamen sie an und sagen, pass auf, hier ist die Hölle los, kannst du nicht noch mal vier Stunden dran hängen, [...] wenn dir dann einer so dusselig kommt, dass man da mal aus der Haut fahren kann, ist völlig normal.“462 Eine weitere Ursache kann in der materiellen Ungleichheit zwischen Reisenden und Zöllnern gesehen werden. Aus der Sicht mancher Zöllner waren es die Reisenden, die für die schlechte Versorgungslage in der DDR verantwortlich waren. „Die haben uns ja ausgenommen, damals.“463 – „Dann kontrollierst du und machst den Kofferraum auf [...] und dann hat der da stapelweise Bettwäsche drin und du rennst schon ein halbes Jahr hinter einem Bettlaken hinterher. [...] Für Westmark hast du alles gekriegt“.464 Ein weiterer Zöllner ergänzt : „Mir ist es einmal passiert, da habe ich das Fahrzeug auseinandergenommen und hab da wirklich im wörtlichen Sinne ein halbes Schwein rausgeholt. Das Fahrzeug kam direkt vom Schlachter, und dieses halbe Schwein, das sollte ins Ausland geschmuggelt werden.“465 Einen weiteren möglichen Grund für ein unkorrektes Auftreten gegenüber den Reisenden sehen manche Zöllner in den Reisenden selbst. Unter ihnen hätten sich auch Personen befunden, die auf die Kontrollen bewusst mit Provokationen reagierten. „Du hast natürlich welche, die sind von vornherein schon negativ eingestellt gewesen, da konntest du freundlich sein, das konntest du vergessen.“466 Insbesondere im Bereich des vertragsgebundenen Transitverkehrs waren den Zöllnern bei den Kontrollen – abgesehen von einer äußeren Beschau der Fahrzeuge und der Frage nach genehmigungspflichtigen Gegenständen – die Hände gebunden. Dieser Dienst in den Abfertigungsspuren des vertragsgebundenen Transits war aufgrund der monotonen und wortgleichen Befragung der Reisenden bei vielen Kontrolleuren ohnehin unbeliebt : „Das war ’ne Katastrophe. Wenn Sie da acht bis zwölf Stunden fragen, das geht gar nicht, das schaffen Sie gar nicht. Und dann immer so einen bestimmten Satz und das an jedem Pkw, das kriegen Sie einfach nicht hin.“467 Unter den Zöllnern sprach man daher vom Dienst auf der „Papageieninsel“.468 Manche Reisende nutzten den Umstand der Kontrollbefreiungen im Transitverkehr und breiteten demonstrativ die Bild - Zeitung im Auto aus, die in dicken Lettern über Vorkommnisse an der Grenze berichtete.469 „Und da kam einem manchmal schon die Galle hoch und ich hab gedacht, um Gottes Willen, 462 463 464 465 466 467 468 469

Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Karsten Fink am 1. 4. 2004. Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Heiner Müller am 12. 2. 1996. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. Ebd. Vgl. Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004.

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Kontrollierte Kontrolleure

Abb. 23 : Im Transitverkehr von und nach Westberlin dürfen Zollkontrolleure lediglich eine äußere Beschau der Fahrzeuge vornehmen470

was schreibt die Bild - Zeitung da wieder, ja, über dieses, was wir ja wieder ganz anders gesehen haben.“471 Darüber hinaus wurden Sex - Zeitschriften und rechtsgerichtete Blätter auf diese Weise zur Schau gestellt.472 Auch direkte Drohungen wurden besonders unter den Bedingungen des Transitverkehrs geäußert : „Der Spediteur Heinrich hat ja auch mal gesagt, [...] wenn es mal die DDR nicht mehr gibt, sagt er, dann binde ich euch hinten an meinen Lkw und schleif euch bis Braunschweig.“473 Auch im Bereich der Ein - und Ausreise kam es zu Schikanen und Provokationen. Ein Reisender berichtet von einer Befragung durch einen Zollmitarbeiter, die Auslöser für sein provokantes Handeln war : „Wie viel Geld haben sie dabei ? Ich sage, was ich angegeben habe : dreihundert Westmark. Glaube ich nicht. Sie fahren zum Geburtstag ihrer Mutter, wie viel haben sie denn nun wirklich, rücken Sie mal mit der Sprache raus. Den interessierte es überhaupt nicht, was ich im Auto hatte. Ja, und immer wieder fragte er. Oh, na ja, sagte der dann, der Zöllner, das wird der Kollege im Gebäude – wo man hier einreiste, also wo auch diese Kraftfahrzeughalle da ist – der wird das schon mit entsprechender Leibesvisitation kontrollieren. Da habe ich gesagt, das können wir gleich hier haben. Dann habe ich angefangen, mich auszuziehen. [...] Und als ich dann begann das Oberhemd aufzuknöpfen, 470 471 472 473

Bildquelle : Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn. Vgl. Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann 25. 4. 2004. Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 3. 2004.

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da kam – ich habe immer gesagt Genosse Leutnant – sagt : Was ist denn hier los ? Ich sage, Ihr Genosse hat mir eine Leibesvisitation angedroht und das können wir gleich hier haben. Ich hab gesagt, hier sind viele Besucher. Das sollen die Besucher sehen, die aus dem Westen einreisen.“474

Durch die Kontrollhandlungen in ähnlicher Weise provoziert fühlte sich ein weiterer Reisender, der häufig im Rahmen des Kleinen Grenzverkehrs über Marienborn in die DDR einreiste : „Da kam, ja der konnte nicht viel älter als ich sein, jünger, viel jünger. Nichts auf der Schulter, das muss so Anfang, Anfänger gewesen sein im Zoll. Jedenfalls musste er sich wohl noch profilieren, musste es also ganz genau machen und da war das berühmte Hochheben der Rückbank. Und das, das kommt immer drauf an, ich sag es heute noch, wie man in den Wald rein ruft, so kommt es wieder raus. Der kam auch schon, so richtig so von oben herab, als wenn du so ein ganz Kleiner bist. Machen ’se mal die Rückbank hoch. Na ja, dann hab ich hinten die Tür aufgemacht, hab mich mitten in die Tür gestellt mit der rechten Hand die Rückbank hochgemacht. Der konnte also an mir nicht vorbeikucken. Ich hab, die Statur die ich heute habe, hab ich schon immer gehabt. [...] Gehen Sie mal an die Seite. Ja. Losgelassen, Bank fällt runter, bin ich auf die Seite gegangen, hab mich so hingestellt. Ich hab doch gesagt, Sie sollen die Rückbank hochheben. Ja, gut, bin ich wieder vorgegangen, Rückbank hochgehoben. Gehen Sie mal an die Seite. Wieder losgelassen, wieder so hingestellt. Dann kuckt er mich ganz entsetzt von oben an. Wollen Sie was von mir ? Nein, sag ich, ich will nix von Ihnen, ich handle nur nach dem, was Sie mir die ganze Zeit sagen. [...] Dann wurde der ärgerlich, das hab ich gemerkt, der ging richtig hoch. Hmmm, dann ist er ums Auto rum, an die andere Tür. Heben Sie mal die Rückbank hoch. Na, dann hab ich Sie hochgehoben, dann konnte er von der anderen Seite reinkucken. [...] Nehmen Sie die Rückbank mal raus, also die Sitzfläche. Ja, bitte. Rausgenommen, da stand da ein Tisch, draufgelegt. Und nun ? Jetzt bauen Sie mal die Rücklehne ab. [...] Ich sag, ja wenn Sie ein zehner Steckschlüssel haben, können wir die ausbauen. Wieso ? Ich sag, passen Sie auf. Hab ich den Kofferraum aufgemacht, können Sie da reinkucken, sag ich ? Sehen Sie dieses tiefe Loch da ? Die beiden ? Da hinten ist eine zehner Schraube drin, die hält die Rückbank fest. Hmm. [...] Dann hol ich einen zehner Steckschlüssel. Dann hat er wohl ’ne Viertelstunde gesucht und keinen gefunden. Dann kam er wieder, er hat keinen. Ich sag, dann können wir das nicht ausbauen, ich hab auch keinen hier. Ich sag, selbst wenn ich einen hier hätte, würde ich ihn Ihnen nicht geben. Denn Sie wollen da ja hinkucken. Ich war richtig fuchtig. Also ich weiß nicht, was der Quatsch sollte, was er da mit mir abzieht. Ja. [...] Sie können Ihre Bank wieder reinmachen. Ich sage gut, Bank wieder rein. Und dann hab ich ihm gesagt, so beiläufig, ich sag, wissen Sie was, Kollege ? Damit Sie auch zufrieden sind, morgen komm’ ich mit ’nem leeren Auto, dann können Sie sich mal ankucken, wie es hinter der Rückbank aussieht. Der hat wohl gedacht, ich will den verarschen. Dann bin ich nach Hause gefahren, hab alles aus meinem Auto ausgebaut, was überflüssig ist. Sitz, Beifahrersitz raus, Rückbank raus, alles raus. Nur noch den Fahrersitz drin. Dann nehm’ ich meine Tasche, wo die Fotoausrüstung drin war, und so bin ich wieder eingereist. Und so eingereist, dass ich wusste, dass der immer noch da ist. Denn der hat Nachtschicht angefangen und die Nachtschicht hat sich hingezogen bis morgens und dann haben sie erst Ablösung gehabt. Also musste ich bei dem wieder in die Kontrolle kommen. Und tatsächlich, er war noch da. Und derselbe hat mich wieder kontrolliert. Ich sag, Kollege, wünschen Sie das so ? Können Sie schön sehen, brauch ich nichts hochheben. Der hat nur reingekuckt, in die Zollerklärung hat er einen Strich, weil ich überhaupt nichts mit hatte, zu, zack, hab ich wiedergekriegt, weiterfahren. Dann konnte ich weiterfahren.“475 474 Zeitzeugengespräch mit Peter Kaiser am 27. 7. 2005. 475 Zeitzeugengespräch mit Andreas Kurz am 1. 4. 2004.

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„Es waren keine Heiligen“ – Korruption und Bestechung Neben solchen „konfrontativen“ Zusammentreffen zwischen Zöllnern und Reisenden entwickelte sich aber auch in einigen Fällen ein beinahe als freundschaftlich zu bezeichnendes Verhältnis. Gerade Reisende, die regelmäßig und zu bestimmten Zeiten die GÜSt passierten, trafen wie eben geschildert, oftmals auf die gleichen Kontrolleure. Im Bereich des Güter verkehrs waren es vor allem Lkw - Fahrer von Speditionen, die regelmäßig in die DDR einreisten oder nach Westberlin fuhren. Ein früherer Zugführer kommt zu der Auffassung : „Der Ton war etwas lockerer, würde ich mal sagen. Sollte zwar nicht sein, aber die Fahrer, kamen ja jede Nacht die gleichen, nicht ? Die waren ja teilweise schon per du, sag ich jetzt mal übertrieben.“476 Im Bereich des Reiseverkehrs waren vor allem Bundesbürger, die im Rahmen des „Kleinen Grenzverkehrs“ die GÜSt passierten, mit den Zöllnern bekannt. „Und mit denen hast du dich dann auch mal in Ruhe unterhalten, bist auch mal in die Garage gefahren, damit du deine Ruhe gehabt hast“,477 meint ein ehemaliger Kontrolleur. Wie bereits mehrfach erwähnt, waren derartige Kontakte und Verhaltensweisen uner wünscht. Dennoch ließen sie sich nicht immer verhindern. Wesentlich härtere Konsequenzen hatte es, wenn Zöllner Geld oder Gegenstände von Reisenden annahmen oder gar abforderten. Bereits die Annahme eines Kugelschreibers konnte die fristlose Entlassung aus dem Dienst in der Zollver waltung nach sich ziehen.478 Trotz der zu erwartenden Sanktionen wurden kleine Geschenke nicht immer abgelehnt, wie ein ehemaliger Kontrolleur im Güter verkehr berichtet : „Wenn wir Trumpf kontrolliert haben, Schokolade, dann wanderte ganz automatisch eine Tafel weg. Die Fahrer waren aber schon so instruiert, die haben eine von der Firma mitgekriegt und haben die wieder dazu gepackt, denn wenn die in Drewitz wieder in die Kontrolle gegangen sind, dann musste ja die Stückzahl stimmen. Also ich will damit bloß sagen, es waren keine Heiligen, die da oben standen [ an den LKW - Rampen der Zollkontrolle ], absolut nicht.“479 Es blieb jedoch nicht immer bei solchen Bagatellvorkommnissen. Auch Fälle schwerster Korruption kamen innerhalb des Grenzzollamtes Marienborn vor. Bei einem Reisenden zum Beispiel wurde in der Zollkontrolle in größerem Umfang pornographische Literatur festgestellt. Die Vorgänge der anschließenden Vernehmung schildert er so : „Da wurde ich gefragt, ja, Herr [ Jansen ], was sollen wir nun aufschreiben, sollen wir aufschreiben, ‚indem Sie versuchten, Gegenstände und Druckerzeugnisse in die DDR einzuführen‘ – Druckerzeugnisse ! [...] Oder sollen wir reinschreiben, ‚Einfuhr Pornographie‘ ? Ich sag, was ist denn der Unterschied ? Na, die Druckerzeugnisse, die kosten 150 Mark Strafe, und Pornographie kostet 1000 Mark Strafe ! [...] Ich sag, ja, bester Mann, dann natürlich die Schriften, habe ich eben Schriften eingeführt. Dann geht er an den Spind, die hatten glaub ich schmälere Spinde, macht die Tür auf, holt eine Bild476 477 478 479

Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. Vgl. ebd. Vgl. Zeitzeugengespräch mit Karl - Wilhelm Schneider am 2. 3. 2004.

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zeitung hervor, holt einen ‚Spiegel‘, kennen Sie ja auch die Zeitschrift, ‚Der Spiegel‘, legt das auf den Tisch und sagt, so, das haben wir bei Ihnen beschlagnahmt. [...] So, sagt er zu seinen Kollegen, jetzt sucht Euch jeder einen Stapel aus. Ich sagte, Augenblick mal, sag ich, heißt das, [...] dass Sie die gar nicht beschlagnahmen, sondern dass Sie die privat mit nach Hause nehmen ? Ja, sagt er, wir müssen doch morgen, wir müssen doch neuen Nachschub haben. Ich sag, Augenblick mal, das machen Sie in meinem Beisein, wo ich da als Zeuge sitze, verteilen Sie da hier an Ihre Kameraden die Bücher ? Ja, sagt er, das kannst du doch jedem erzählen, das glaubt Dir doch keiner. Und da bin ich fast vom Stuhl gefallen. Hat er doch Recht, das glaubt ja keiner. Wahrscheinlich werden Sie das ja auch nicht glauben. Aber ich schwör Ihnen bei allem, was mir heilig ist, das ist wahr!“480

Unabhängig davon, ob man den Aussagen des Zeitzeugens Glauben schenken mag oder nicht : Fälle schwerer Korruption bei Zöllnern des GZA Marienborn sind in den Unterlagen des MfS aktenkundig. In einer Sicherungskonzeption der Abteilung VI zum Grenzzollamt Marienborn / Autobahn wies man noch im Jahr 1989 ausdrücklich auf „die feindliche Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit durch eine forcierte Einflussnahme auf Zollangehörige“, „Bestechungs - und Kontaktierungsversuche“ sowie auf „Spionageangriffe in all ihren Erscheinungsformen“481 hin. Während einer Operativen Personenkontrolle im Jahr 1975 konnte einem Hundeführer nachgewiesen werden, dass er im Besitz von westlichen Kugelschreibern war. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass er bereits seit langer Zeit von Kraftfahrern westlicher Firmen Kugelschreiber, Tonbandkassetten, Pornozeitschriften, Schnaps, Bier und Ähnliches angenommen beziehungsweise solche Gegenstände eingefordert hatte. Im Gegenzug verzichtete der Hundeführer auf die vorgeschriebenen Kontrollen. Es stellte sich heraus, dass weitere vier Hundeführer und ein Zollkontrolleur in ähnlicher Weise agierten. Das MfS schätzte für die Betroffenen als charakteristisch ein, „dass sie untereinander mit den angenommenen Gegenständen prahlten, Sexzeitschriften ansahen und teilweise erhaltenes Bier oder Schnaps während des Dienstes zu sich nahmen.“482 Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist, dass dies „in den Diensträumen des Bereichs Ausreise oft gemeinsam mit PKE - Angehörigen“483 geschah. Nach Bekanntwerden der Vorkommnisse wurden alle sechs Zollangehörigen fristlos entlassen, drei weitere Zöllner wurden disziplinarisch belangt.484 Gegenüber den beteiligten Passkontrolleuren ließ man dagegen Milde walten. Gegen sie wurden zwar ebenfalls Disziplinarmaßnahmen eingeleitet, entlassen wurden jedoch nur zwei, da sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut auffielen.485 480 Zeitzeugengespräch mit Heiner Jansen am 5. 3. 2003. 481 BVfS Magdeburg, Abt. VI, vom 19. 5. 1989 : Sicherungskonzeption zum Grenzzollamt Marienborn / Autobahn ( BStU, MfS, BV Magdeburg, 159 AKG, Bl. 83). 482 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 30. 6. 1975 : Information über Vorkommnisse am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 152). 483 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 3. 7. 1975 : Bericht über Vorkommnisse am GZA Marienborn / Autobahn ( BStU, MfS HA VI 4392, Bl. 166). 484 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 30. 6. 1975 : Information über Vorkommnisse am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 152 f.). 485 Vgl. HA VI des MfS vom 30. 11. 1981 : Aktenvermerk „Absprache beim Leiter der BV Magdeburg am 28. 11. 1981“ ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 428).

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Kontrollierte Kontrolleure

Der kontrollierte Alltag

Zu den alltäglichen Arbeits - und Lebensbedingungen der Zöllner gehörte immer auch die Kontrolle und Über wachung, die für die GZA - Mitarbeiter zwar spürbar, jedoch größtenteils nicht durchschaubar war. Zur „politisch - operativen Sicherung des GZA Marienborn / Autobahn“486 bedienten sich Partei und Staatssicherheit solcher Mittel, Methoden und Akteure, wie sie bereits grundsätzlich vorgestellt wurden. An dieser Stelle soll dezidiert erläutert werden, wie die Über wachung am Beispiel der größten Grenzübergangsstelle der DDR konkret vorgenommen wurde, welches Ausmaß sie erreichte und wie sie das Leben der Kontrolleure bestimmte. Obwohl die Parteiorganisation der SED von der Kaderabteilung des Zolls als „Kern und entscheidender Impulsgeber“487 für ein „hohes Niveau“ der inneren Sicherheit im Personalbestand angesehen wurde, empfanden die befragten Zöllner die nahezu obligate Mitgliedschaft in der SED und die Teilnahme an den monatlich stattfindenden Schulungen und Parteiversammlungen über wiegend nicht als eine Form der Kontrolle, sondern vielmehr als ein „notwendiges Übel“, um innerhalb der Zollver waltung Karriere machen zu können. „Im Grunde genommen waren ja alle in der SED, wie freiwillig auch immer.“488 „Um eine Führungsposition zu besetzen, war’s eine der Voraussetzungen. Ich bin nicht rein gezogen worden in die Partei. Ich bin freiwillig rein gegangenen in die Partei, weil ich es als Notwendigkeit angesehen hab.“489 Zumindest aus der heutigen Sicht zeigen sich die ehemaligen Kontrolleure von den Disziplinierungs - und Erziehungsmaßnahmen der Parteiorganisation in Marienborn unbeeindruckt : „Meistens gab es Staub. Also eben Kontrollergebnisse wurden dann – dass es zu wenig sind, oder Auftreten, Verhalten und innere Sicherheit und polit - ideologische und – ach, na ja, rein fachlich war das wenigste.“490 Viel häufiger als die Parteiorganisation erwähnten befragte Zöllner die Angehörigen der Passkontrolleinheit, wenn es um Erinnerungen an die Kontrolle und Über wachung ihrer eigenen Person ging. Eine mögliche Erklärung dafür liefert der Umstand, dass das MfS seine Präsenz gegenüber den Zollmitarbeitern am offensichtlichsten in Form der PKE zeigte. Das Verhältnis zwischen den Zöllnern und den Passkontrolleuren in Marienborn glich in vielen Aspekten der komplizierten, doppeldeutigen Verbindung zwischen Zoll und Staatssicherheit überhaupt. PKE - Mitarbeiter waren für die Zollkontrolleure offiziell „Partner 486 BVfS Magdeburg, Abt. VI, vom 19. 5. 1989 : Sicherungskonzeption zum Grenzzollamt Marienborn / Autobahn ( BStU, MfS, BV Magdeburg 159 AKG, Bl. 83). 487 Vgl. Institut der Zollver waltung der DDR vom 30. 4. 1983 : Forschungsergebnisse zum Thema „Erfordernisse und praktische Wege der weiteren Gewährleistung und Erhöhung der inneren Sicherheit der Zollver waltung der DDR“ ( BStU, MfS, JHS 21934, Bl. 21). 488 Zeitzeugengespräch mit Ottmar Berghoff am 15. 6. 2004. 489 Zeitzeugengespräch mit Sandra Steiner am 5. 10. 2004. 490 Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004.

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des politisch - operativen Zusammenwirkens“, inoffiziell waren sie auch deren Über wacher. „Hier hat der eine auf den anderen aufgepasst“ – Passkontrolleure als „Kampfgefährten“ und Überwacher In der „Koordinierungsvereinbarung zwischen dem Leiter der Passkontrolleinheit und dem Leiter des Grenzzollamtes“ der GÜSt Marienborn / Autobahn vom 21. Oktober 1976 wurde unter anderem festgelegt, dass „das Zusammengehörigkeitsgefühl und die kameradschaftliche Zusammenarbeit der Mitarbeiter der Vereinbarungspartner sich festigt und vertieft.“491 Nach den Erkenntnissen, die sich aus der Befragung ehemaliger Zoll - und PKE - Mitarbeiter ergaben, war und blieb das Verhältnis aber weitgehend distanziert. „Wobei ich sagen muss, das bezog sich in allererster Linie auf den Bereich hier unten an der Grenzübergangsstelle. Oben in der Führungsetage, wir haben da keine Probleme gehabt, mit der Passkontrolle irgendwie zusammenzuarbeiten.“492 Die Passkontrolleinheit war für die Sicherheit der GÜSt federführend verantwortlich,493 sie organisierte das Zusammenwirken mit dem Zoll und unterstand direkt der Abteilung VI des MfS, die auch für die Abwehrarbeit in der Zollver waltung zuständig war. Das bedingte zum einen, dass sich die PKE selbst von den Zöllnern abgrenzte, um zu verhindern, dass Zollangehörige Einblick in die internen Strukturen des MfS bekamen. Zum anderen war aber auch allen Zöllnern bewusst, dass jede kritische Äußerung oder jedes auffällige Verhalten von der PKE registriert wurde und gegebenenfalls Konsequenzen nach sich ziehen könnte. „Also es war kein freundschaftliches Verhältnis. Auf keinen Fall. Wir haben die nicht in die Karten kucken lassen und die uns auch nicht“, erinnert sich ein ehemaliger Passkontrolleur.494 Ein Zusammengehörigkeitsgefühl konnte sich auch deshalb nicht ergeben, da viele Zöllner den Eindruck hatten, dass die PKE ihnen gegenüber in mehrfacher Hinsicht privilegiert war. Eine Aussage von Jochen Maier, der für die PKE in Marienborn tätig war, bestätigt diesen Eindruck : „Wir haben ein bisschen zum Zoll runtergesehen. Weil das waren die Schnüff ler für uns, die halt eben die Drecksarbeit machen mussten, den Reisenden den Koffer ausräumen halt eben, ’ne ? Und da auch nach Kleinigkeiten gesucht haben. Wir hatten die Möglichkeit – durch unser Fahndungssystem waren wir da einen Schritt voraus gegenüber diesem Zollorgan, die natürlich auch sicherlich ihre Spezialisten hatten, das will ich nicht in Abrede stellen. Aber

491 Rieger, Staatsfeindlicher Menschenhandel. Fachabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1976, S. 47 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /796/76). 492 Zeitzeugengespräch mit Oliver Schmid am 12. 10. 2004. 493 Vgl. HA VI des MfS, o. D. : Führungs - und leitungsmäßige Anforderungen zur Gewährleistung des Befähigt - und Vorbereitetseins der Grenzsicherungskräfte ( BStU, MfS, HA VI 130, Bl. 54). 494 Zeitzeugengespräch mit Michael Heinze am 12. 9. 2006.

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wir hatten eben die Herrschaft über den Zoll, wir mussten die absichern, wir haben sie kontrolliert, wie sie ihren Dienst versehen.“495 Bereits die Befehlsstruktur und die Weisungsbefugnisse verdeutlichen, dass sich der Zoll an der GÜSt Marienborn der PKE unterzuordnen hatte. Jede Feststellung, die während der Kontrollen des Grenzzollamts getroffen wurde und nicht ausschließlich eine reine Zollstraftat war, musste direkt an die PKE übergeben werden.496 Insbesondere war dies der Fall, wenn unerlaubte Literatur, Ton - oder Bildträger entdeckt wurden oder Angehörige von Glaubensgemeinschaften ( insbesondere die Zeugen Jehovas ) im Zusammenhang mit einer Straftat standen.497 Was anschließend mit den übergebenen Sachverhalten passierte, blieb für die Zöllner unklar. „Einen Rücklauf – was ist denn da mal draus geworden aus dieser oder jener Sache – das gab es nicht. [...] Wenn es weg war, war es weg. Und das hat auch kein Dienststellenleiter oder Stellvertreter dann mehr erfahren. [...] Wo das dann geblieben ist, weiß ich nicht, weiß keiner.“498 Darüber hinaus verdeutlicht die Tatsache, dass die Passkontrolleinheit im Gegensatz zum Grenzzollamt bestimmte Fahrzeuge von Kontrollen befreien lassen konnte oder andererseits solche anordnen konnte, die Rangordnung unter den „Organen“ ebenso wie der Umstand, dass auch der Zugang zu bestimmten Bereichen auf der GÜSt ( beispielsweise das „Sonderobjekt“ der Ausreise oder das Tunnelsystem ) den Einheiten der Passkontrolle vorbehalten war.499 Ein weiteres Privileg der Passkontrolleure war, dass sie ständige Waffenträger waren. Im Gegensatz dazu trugen beim Zoll nur die männlichen Kontrolleure Waffen, und dies auch nur während der Dienstzeit.500 Für große Verärgerung seitens der Zöllner sorgte das Verhalten der PKE am Einlassposten der GÜSt. Das Betreten des Kontrollterritoriums war nur in Verbindung mit einem speziellen Ausweis erlaubt, den jeder Beschäftigte mit sich führen musste.501 Wurde dieser Ausweis von einem Zöllner vergessen, so kontaktierte der Einlassposten der PKE zunächst seinen Zugführer. Dieser vergewisserte sich dann bei dem Zugführer des Grenzzollamtes, bevor er anschließend die Erlaubnis zum Betreten der GÜSt aussprach.502 Viele Zöllner hielten diese Prozedur für maßlos übertrieben. Obwohl sie jeden Tag an die GÜSt kamen und dem Posten der PKE somit bekannt waren, fühlten sie sich behandelt, als stellten sie ohne ihren Ausweis eine potenzielle Gefahr dar. Neben der Weisungs - und Befehlskompetenz gab es noch weitere Unterschiede, die auf eine „Besserstellung“ der Passkontrolleinheit hindeuteten. Die Arbeitsbedingungen der PKE waren beispielsweise erheblich komfortabler. Die 495 496 497 498 499 500

Zeitzeugengespräch mit Jochen Maier am 22. 6. 2006. Rieger, Staatsfeindlicher Menschenhandel, S. 48 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /796/76). Vgl. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Oliver Schmid am 12. 10. 2004. Vgl. Zeitzeugengespräch mit Egon Linke am 11. 3. 2004. Vgl. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004. 501 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004. 502 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Egon Linke, am 11. 3. 2004.

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Passkontrolleinheit in Marienborn war zu keiner Zeit personell derart unterbesetzt wie das Grenzzollamt. Des Weiteren verrichteten die PKE - Mitarbeiter ihren Dienst vor wiegend in geschlossenen Räumlichkeiten, während die Kontrolleure des GZA „bei Wind und Wetter“ in den Abfertigungsspuren standen. Zudem wurde die Arbeit der Passkontrolleinheit wesentlich besser bezahlt. Offiziell sollten die PKE - Mitarbeiter über ihr Gehalt zwar Stillschweigen bewahren, dennoch war die bessere Bezahlung den Zöllnern bekannt. Ein Zeitzeuge, dessen Schwager bei der PKE beschäftigt war, sprach von etwa 500 Mark, die ein Passkontrolleur pro Monat mehr verdiente.503 Alles in allem war unter den Zöllnern ein gewisses Maß an Neid gegenüber den Passkontrolleuren zu verzeichnen. „Wir haben auch immer gesagt, die machen ja nicht viel, die sitzen ja nur drin. Wir mussten ja draußen die Kontrollen durchführen, ja ? Und die brauchten das nicht. Die sind ja nur im Büro gewesen und haben dann dafür noch wesentlich mehr Geld gekriegt. Und wofür sie das kriegten haben sie uns nicht gesagt. Das war alles geheim, was die gemacht haben.“504 Die klare Trennung der PKE von den Zöllnern, wie sie für den Kontrollprozess bereits beschrieben wurde, setzte sich auch im Wohn - und Freizeitbereich fort. Die Unterkünfte in der Umgebung der GÜSt Marienborn waren eingeteilt in sogenannte „PKE - Blöcke“ und „Zoll - Blöcke“.505 Die befragten ehemaligen Zöllner unternahmen ihren Angaben zufolge keine gemeinsamen Freizeitaktivitäten mit den Passkontrolleuren. „Man musste doch schon vorsichtig sein. In Äußerungen und Aussagen, in allem drum und dran. Ja, also das, da hab ich mich immer ferngehalten.“506 Begegnungen außerhalb des Dienstes, beispielsweise in einer Gaststätte, waren rein zufälliger Natur. „Hättest du in der Gaststätte gesagt, ich haue ab, gebe ich dir Brief und Siegel, nach spätestens zehn Minuten hätten sie dich geholt.“507 Um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, wurden von den Zugführern der PKE und des GZA von Zeit zu Zeit gemeinsame Ausflüge organisiert. „Ja, na wir waren mal in Ergsleben im Kulturhaus, dann war Essen und Trinken angesagt, weiß gar nicht, hatten wir Musik auch ? [...] Na ja, was Besonderes war es auch nicht.“508 Abgesehen von dem ehemaligen Zugführer selbst konnte ( oder wollte ) sich jedoch keiner der Befragten an ein solches „gemeinsames Schichtvergnügen“509 erinnern. Einige Passkontrolleure wurden zeitweise beauftragt, während des Dienstes bestimmte Zöllner zu beobachten.510 Zusätzlich war in den „Zoll - Blöcken“ in

503 504 505 506 507 508 509 510

Vgl. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Petra Linke am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Karsten Fink am 1. 4. 2004. Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. Ebd. Vgl. ebd.; vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 17. 5. 1983 : Bericht über den durchgeführten Anleitungs - und Kontrolleinsatz in der Abt. VI /3, BvfS Magdeburg vom 9. 5.–11. 5. 1983 ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 483).

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der Regel wenigstens eine Wohnung mit einem PKE - Mitarbeiter besetzt.511 Ein ehemaliger Zöllner erinnert sich an die nächtlichen Aktivitäten seines Nachbarn, der als Passkontrolleur in Marienborn tätig war : „In einem nächsten Eingang, da hat mal ein Herr [ Schulze ] gewohnt. Von der Passkontrolle. Und da sagt meine Frau mal zu mir abends, da raschelt irgendwas an der Tür. Ich mach die Türe auf, steht [ Schulze ] da. [...] Es war ja für einen Zöllner verboten, Westfernsehen zu kucken oder ausländische Radiosender zu empfangen. [...] Das Fernsehprogramm war ja zu DDR - Zeiten [ in den Anfangsjahren um ] 22.00 Uhr [...] beendet. Und du hast genau gesehen, wer Westfernsehen gekuckt hat. Und das hast du gesehen, du hast da unten wirklich keinen Schritt gemacht, ohne dass sie das mitgekriegt haben.“512 Die Effektivität solcher Kontrollmaßnahmen lässt bei ehemaligen Passkontrolleuren wie Jochen Maier allerdings Zweifel offen : „Wenn jemand auffällig geworden ist, dann hat man auch dementsprechend Leute darauf instruiert, kuckt mal auf diese Person. Wie verhält er sich ? Wie macht er seinen Dienst? Macht er Dienst nach Vorschrift oder macht er es einfach nur, dass er sein Geld am Ende des Monats überwiesen bekommt. Aber sonst muss ich sagen, allgemein hat man sich irgendwie so abgecheckt. Das kommt jetzt auf die Persönlichkeit jedes Einzelnen an. Wenn ich jetzt ein Fehlverhalten merke, meld ich’s oder meld ich’s nicht ? Das kam auch dann drauf an, auch Freizeitbereich, wenn man sich dort irgendwo gesehen hat, wie man miteinander umgeht. Das ist so ’ne Gradwanderung. Mag ich jemanden ? Bin ich ein Anscheißer ? Oder behalt ich es für mich ?“513

Sowohl bei den befragten Zöllnern als auch bei den Passkontrolleuren zeigte sich, dass auf der Grenzübergangsstelle grundsätzlich ein Gefühl des gegenseitigen Misstrauens vorherrschte. „Und Sie müssen das sich so vorstellen, hier hat einer auf den anderen aufgepasst. Um das mal so zu sagen. Weil hier jeder in der Lage war, sich auf den Lkw mit draufzustellen, dann war er mit weg.“514 Unterstützt wurde dieses Misstrauen durch die permanente Über wachung mittels Fernsehfahndungstechnik, die ab 1982 durch die PKE in den Abfertigungsbereichen installiert wurde.515 Dennoch war eine allumfassende Kontrolle der Zöllner durch die Passkontrolleure aufgrund der eben beschriebenen Umstände nicht möglich. Die eigentliche, weit effizientere Art der Über wachung erfolgte in Form von inoffiziellen Mitarbeitern aus dem Personalbestand des Grenzzollamtes.

511 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Thorsten Schumann am 25. 3. 2004; Zeitzeugengespräch mit Karsten Fink am 1. 4. 2004. 512 Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. 513 Zeitzeugengespräch mit Jochen Maier am 22. 6. 2006. 514 Zeitzeugengespräch mit Rainer Tischler am 26. 5. 2006. 515 Vgl. HA VI des MfS, AG Sicherheit und Terrorabwehr, vom 6. 9. 1982 : Kontrollbericht ( BStU, MfS, HA VI Teil IV 1531, Bl. 50).

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Fallbeispiel : Der durchherrschte Alltag der Zöllner

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„Es hat keiner gewusst, dass ich IM war“ – Inoffizielle Mitarbeiter im Grenzzollamt Marienborn Für die Abteilung VI des MfS bildete das GZA Marienborn / Autobahn gegenüber allen anderen Grenzzollämtern im Bezirk Magdeburg den „absoluten operativen Schwerpunkt“.516 Mit dem Neubau der GÜSt stieg die Zahl der dort eingesetzten inoffiziellen Mitarbeiter sprunghaft an und sollte bis ins Jahr 1990 weiter ausgebaut werden. Dennoch schätzte die Staatssicherheit den IM Bestand in Marienborn zu keiner Zeit als ausreichend ein. Ganz im Gegenteil : Besonders aufgrund des bereits beschriebenen fortwährenden Personalmangels wurden auch noch im Jahr 1989 „ernsthafte Probleme der inneren Sicherheit“ befürchtet.517 Die Durchdringung mit IM erfolgte unter Beachtung von festgelegten Schwerpunkten. Zum einen sollten die einzelnen Dienstzüge in ausreichendem Maß abgesichert sein. Im Jahr 1973 war beispielsweise der vierte Zug des GZA noch durch keinen IM bewacht,518 bereits zwei Jahre darauf waren in jedem Dienstzug ca. vier bis fünf inoffizielle Kräfte vorhanden.519 Von dieser Entwicklung wussten die Mitarbeiter des Grenzzollamtes nichts. Wie alle IM waren auch die des Zolls dazu verpflichtet, niemanden über ihre MfS - Tätigkeit in Kenntnis zu setzen. Das bestätigt auch ein ehemaliger Kontrolleur : „Also es hat keiner gewusst, dass ich IM war.“520 Die IM unter den Kontrolleuren wurden zu etwa zwei Dritteln im Bereich Ausreise und zu etwa einem Drittel im Bereich Einreise eingesetzt.521 Zudem achtete die Abteilung VI des MfS darauf, dass es sich bei diesen IM vor wiegend um „KB1–Kontrolleure“ handelte, also um Zöllner, die an den Mindestkontrollhandlungen beteiligt waren und zu entscheiden hatten, ob ein Fahrzeug einer Tiefenkontrolle unterzogen werden sollte oder nicht. Durch die Arbeit dieser IM sollte die offizielle Forderung des MfS überprüft werden, wonach die Zugführer jeder Diensteinheit dafür Sorge zu tragen hatten, dass nur „bestätigte“, also zuverlässige KB1–Kontrolleure zum Einsatz kamen.522

516 BVfS Magdeburg, Abteilung VI, vom 10. 9. 1975 : Einschätzung der IM - und operagtiven Vorgangsbearbeitung des Referates 3 ( BStU, MfS, HA VI 4932, Bl. 202). 517 BVfS Magdeburg, Abteilung VI, vom 21. 3. 1989 : Probleme im politisch - operativen Zusammenwirken mit den GZÄ ( ebd., Bl. 668). 518 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 16. 6. 1970 : Konzeption der HA VI, Abt. Zoll ( Abwehr ) für den Einsatz in der BV Magdeburg, Abt. VI, Linie Zoll ( Abwehr) ( ebd., Bl. 3 f. ). 519 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 3. 7. 1975 : Bericht über Vorkommnisse am GZA Marienborn / Autobahn ( ebd., Bl. 162). 520 Zeitzeugengespräch mit Peter Schmid am 11. 3. 2004. 521 Vgl. BVfS Magdeburg, Abteilung VI, vom 11. 9. 1975 : Einschätzung über den quantitativen und qualitativen Stand der IM / GMS - Arbeit zur Sicherung des Objekts Grenzzollamt Marienborn / Autobahn ( BStU, MfS, HA VI 4932, Bl. 196). 522 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 10. 4. 1979 : Bericht über den durchgeführten Arbeitseinsatz in der Abt. VI, Ref. Zoll - Abwehr der BV Magdeburg in der Zeit vom 20.3. bis 23. 3. 1979 ( ebd., Bl. 363).

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Einen weiteren Über wachungsschwerpunkt am GZA Marienborn bildeten neben den Röntgenkontrolleuren und den Kontrolleuren, die im Bereich des Transitgüter verkehrs / Ausreise arbeiteten, die Diensthundeführer.523 Ab 1979 war jede der vier Hundeführerschichten mit mindestens einem IM besetzt.524 Der Bestand an inoffiziellen Mitarbeitern stieg von Jahr zu Jahr an, wie Abbildung 24 verdeutlicht.

Abb. 24 : Inoffizielle Mitarbeiter525 am GZA Marienborn / Autobahn526 523 Vgl. Hammerl, Sicherung von Schwerpunktbereichen, S. 17 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /1080/84). 524 Vgl. Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 10. 4. 1979 : Bericht über den durchgeführten Arbeitseinsatz in der Abt. VI, Ref. Zoll - Abwehr der BV Magdeburg in der Zeit vom 20.3. bis 23. 3. 1979 ( BStU, MfS, HA VI 4932, Bl. 364). 525 Zu den Kategorien der inoffiziellen Mitarbeiter : FIM waren sogenannte „Inoffizielle Mitarbeiter zur Führung anderer IM und GMS“. Auf der Grundlage erteilter Vorgaben bzw. übertragener Rechte und Pflichten hatten die FIM solche Aufgaben wie die relativ selbstständige Erziehung und Befähigung, die Auftragserteilung und Instruierung von IM und GMS zu lösen. GMS waren „Bürger der DDR mit einer auch in der Öffentlichkeit bekannten staatsbewussten Einstellung und Haltung“, die ( wie andere inoffizielle Mitarbeiter ) an der Lösung „politisch - operativer Aufgabenstellungen“ mitarbeiteten. IMK / KW waren sogenannte „Inoffizielle Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens“, die den IM Wohnungen, offizielle Adressen und Telefonanschlüsse zur Verfügung stellten. IMS waren sogenannte „Inoffizielle Mitarbeiter zur politisch - operativen Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsbereiches“ und vor allem für die „Gewährleistung der inneren Sicherheit“ zuständig. Vgl. Suckut, Wörterbuch, S. 145, 198 f. 526 Vgl. Berichte der HA VI, Abteilung Zoll - Abwehr, über Kontrolleinsätze und den Stand der IM / GMS - Arbeit am GZA Marienborn / Autobahn ab Mitte der 1970er Jahre ( BStU, MfS, HA VI 4392, insb. Bl. 3–4, 162–163, 196, 290, 351); Hammerl, Sicherung von

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Fallbeispiel : Der durchherrschte Alltag der Zöllner

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Neben den an den Kontrollhandlungen beteiligten Zöllnern bildete die Über wachung des Führungsstabs den zweiten großen Schwerpunkt. Bereits 1975 waren neun IM im Stab des GZA Marienborn verankert.527 Dabei handelte es sich um den Stellvertreter operativ des Dienststellenleiters, seinen ersten Gehilfen, den Offizier für Versorgung und Finanzen, den Offizier für Zollrecht, einen Mitarbeiter in der Statistik sowie um einige Zug - und Gruppenführer.528 Vier Jahre darauf kam die Hauptabteilung VI des MfS zu der Einschätzung, dass alle wichtigen Schlüsselpositionen in den Grenzzollämtern in der Bezirksverwaltung Magdeburg mit IM besetzt sind. Dazu gehörte neben den genannten Positionen die des Dienststellenleiters.529 Zusätzlich zu diesen IM am GZA selbst waren die Unterkünfte, besonders in Wefensleben, wo ein großer Teil der GZA - Mitarbeiter wohnte, durch IM und GMS „abgesichert“. Dabei handelte es sich neben Zöllnern und Passkontrolleuren unter anderem auch um Postzusteller, Handwerker, Ärzte oder Verkaufskräfte in den nahe gelegenen Geschäften.530 Diese „IM im Wohn - und Freizeitbereich“ wurden in die Abbildung 24 nicht mit einbezogen. Aus den Quellen geht aber her vor, dass im „Bereich Wefensleben“ im Jahr 1975 sieben Zöllner und acht weitere Personen zur Verfügung standen.531 Diese wurden im Gegensatz zu den IM am GZA nicht direkt durch die Abteilung VI der Bezirksver waltung Magdeburg des MfS angeleitet, sondern unterstanden der zuständigen Kreisdienststelle des MfS, mit der eine „enge Zusammenarbeit“532 erfolgte. Zu den Aufgaben aller IM gehörte die „Sicherung sämtlicher operativer Kontrollprozesse“. Die inoffiziellen Mitarbeiter sollten dafür Sorge tragen, dass das GZA die Kontrollen im Sinne des MfS durchführte. Zudem wurden sie zur Gewinnung neuer Erkenntnisse bei eingeleiteten operativen Personenkontrollen ( OPK ) und operativen Personenaufklärungen ( Sicherheitsüberprüfungen ) von Zöllnern eingesetzt. Jeder IM hatte außerdem auf „Erscheinungsformen der politisch - ideologischen Diversion“ bei Zöllnern zu achten, beispielsweise, ob Zollangehörige selbst oder über Dritte in Kontakt zum westlichen Ausland stan-

527 528 529 530 531 532

Schwerpunktbereichen, Fachschulabschlussarbeit an der Juristischen Hochschule des MfS Potsdam 1985 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /1080/84). Vgl. Leiter der Abteilung Kader und Ausbildung der Zollver waltung der DDR an den Leiter der Zollver waltung der DDR vom Juli 1975 : Information zu den disziplinaren Vorkommnissen am GZA Marienborn / Autobahn ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 197). Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 3. 7. 1975 : Bericht über Vorkommnisse am GZA Marienborn / Autobahn ( ebd., Bl. 163). Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 10. 4. 1979 : Bericht über den durchgeführten Arbeitseinsatz in der Abt. VI, Ref. Zoll - Abwehr, der BV Magdeburg in der Zeit vom 20.3. bis 23.3. 1979 ( ebd., Bl. 356). Vgl. Hammerl, Sicherung von Schwerpunktbereichen, S. 52 ( BStU, MfS, JHS MF VVS /1080/84). Vgl. BVfS Magdeburg, Abteilung VI, vom 10. 9. 1975 : Einschätzung der IM - und operativen Vorgangsbearbeitung des Referates 3 ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 202). HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 10. 4. 1979 : Bericht über den durchgeführten Arbeitseinsatz in der Abt. VI, Ref. Zoll - Abwehr der BV Magdeburg in der Zeit vom 20. 3. bis 23.3. 1979 ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 357).

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Kontrollierte Kontrolleure

den oder wie sie sich zu politischen und moralischen Fragen äußerten.533 Die IM im Bereich des Stabs sollten darüber hinaus über die „Führungs - und Leitungstätigkeit“ am GZA berichten. Durch sie sollte auch erreicht werden, dass durch die Zug - und Gruppenführer „politisch richtige Entscheidungen“ getroffen wurden. Zudem versuchte man über IM in Schlüsselpositionen Einfluss zu nehmen auf die Zusammensetzung der einzelnen Diensteinheiten und Versetzungen bestimmter Zollangehöriger „im Interesse des MfS“.534 Die Umbesetzung des Personalbestands am GZA Marienborn erfolgte jedoch nicht immer im Interesse des MfS. Vielmehr waren Versetzungen in Bezug auf die Arbeit mit IM oftmals ein großes Problem für die Abteilung VI. Immer wieder kam es vor, dass neu gewonnene IM aus ihren Positionen herausgelöst wurden und nicht mehr in Marienborn zur Verfügung standen. So wurden zum Beispiel im Jahr 1975 neun Zöllner, die als IM fungierten, in die Bezirksver waltung nach Magdeburg, zur Transitüber wachung, in ein Postzollamt, zur Fachschule nach Plessow oder in die Hauptverwaltung des Zolls versetzt. Im Vergleich dazu hatte sich die Zahl der Versetzungen im Jahr 1984 nicht wesentlich verringert. Damals sind sieben IM aus diesem Grund ausgefallen. Diese Umstände können eine Erklärung dafür liefern, warum die Ausweitung des IM - Netzes in Marienborn nur schleppend voranging. Zur Sicherstellung des Personalbestands führte die Abteilung VI des MfS zu jedem Zöllner des GZA Marienborn eine sogenannte OPA - Akte ( Akte zur operativen Personenaufklärung ), woraus her vorging, wo der betreffende Zöllner eingesetzt wurde, ob er bereits in Vorkommnisse und Disziplinar verfahren ver wickelt war, wie er die ihm gestellten Aufgaben erfüllte, ob „operativ bedeutsame Hinweise“ gegen ihn vorlagen, über welche Spezialkenntnisse er verfügte und ob er Geheimnisträger war. Darüber hinaus wurden seine Charaktereigenschaften, seine Familienverhältnisse und seine Hobbys beschrieben sowie Angaben über Verwandte, Bekannte und seinen Umgangskreis gemacht.535 1973 attestierte die Staatssicherheit diesen Handakten noch „unterschiedliche Aussagekraft“,536 bereits zwei Jahre später kam das MfS zur Auffassung, dass all diese Akten „sauber geführt“ seien und „ordentliche Aussagen“537 über die Betroffenen gemacht werden könnten.

533 Vgl. HA VI des MfS, o. D. : Inhaltliche Auszüge aus der Arbeitsakte des IMS „Wolfgang Simon“ ( ebd., Bl. 394). 534 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 10. 4. 1979 : Bericht über den durchgeführten Arbeitseinsatz in der Abt. VI, Ref. Zoll - Abwehr, der BV Magdeburg in der Zeit vom 20. 3. bis 23. 3. 1979 ( ebd., Bl. 356). 535 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 17. 5. 1983 : Bericht über den durchgeführten Anleitungs - und Kontrolleinsatz in der Abt. VI /3, BVfS Magdeburg vom 9. 5.– 11. 5. 1983 ( ebd., Bl. 481). 536 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 12. 10. 1973 : Dienstreisebericht ( ebd., Bl. 130). 537 HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 11. 11. 1975 : Dienstreisebericht ( ebd., Bl. 210).

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Fallbeispiel : Der durchherrschte Alltag der Zöllner

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Jährlich wurden ca. 40 bis 60 Zöllner des Grenzzollamts einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen, deren Ergebnisse dann in die entsprechenden OPA Akten eingeflossen sind.538 Bei einem Personalbestand von ca. 200 Zöllnern und einem Mittelwert von ca. 50 operativen Personenaufklärungen pro Jahr wurde jeder Zöllner im Turnus von vier Jahren überprüft. Tatsächlich aber richtete sich die Häufigkeit der Sicherheitsüberprüfungen einerseits danach, welche Position der GZA - Mitarbeiter einnahm. Zöllner, die Schlüsselpositionen besetzten, wurden jährlich überprüft.539 Dazu gehörte auch Anton Berger, ein ehemaliger Zugführer. „Ich meine, ich hätte ja sagen können, hier, das Auto ist kontrollbefreit, lass den fahren. Und hinten lag einer drin, dann wäre der weg gewesen. Also von der Seite haben die schon einem misstraut.“540 Ebenfalls häufiger überprüft wurden Zöllner, bei denen im Rahmen der OPA Sicherheitsmängel festgestellt wurden. Nicht selten führten solche Erkenntnisse zur Einleitung von OPK oder OV. Exemplarisch wird im Folgenden ein Vorgang beschrieben, der verdeutlicht, dass trotz der aufwändigen Absicherung des Personalbestandes keine lückenlose Über wachung der Zöllner möglich war und dass aufgedeckte Vorfälle oftmals drastische Konsequenzen nach sich zogen. Am 24. November 1981 gelang einem Diensthundeführer des GZA Marienborn die Flucht in die Bundesrepublik. Wie aus dem Operativen Vorgang ( OV „Mitfahrer“) ersichtlich wurde, konnte sich der Zöllner im Bereich Güter verkehr / Ausreise unbemerkt in einen LKW schmuggeln und so die Grenze passieren. Ein ehemaliger Passkontrolleur schildert die gelungene Flucht : „Stellen Sie sich vor. Ganz normaler Dienst, keiner denkt was Böses. Man kontrolliert dann an der Fahrerkabine vom LKW die Person. Vorher der Zoll, der kam dann in der Ausreise vor uns. Wir waren immer die letzten in der Ausreise. Passkontrolle. Wenn wir fertig waren, dann war es gut. Und der Zöllner hat das schon lange vorbereitet, muss er ja auch. Ein Tankzug, er kontrolliert den und der war leer, der Tankzug. Und es hat niemand gemerkt, dass der sich praktisch beim Kontrollieren in diesen Tank reingeschlichen hat oder reinfallen lassen hat, wie auch immer. Der geht ja nicht ganz zu. Ich denke mal, der Fahrer wird’s auch nicht gewusst haben, der hat das gar nicht gemerkt. Sie müssen sich vorstellen, so ein LKW ist ja ziemlich groß und lang. Der Zöllner musste einmal um das ganze Fahrzeug rings rum. Oben drüber beim Tankzug, die Plomben kontrollieren, ob das alles noch ordnungsgemäß ist. Die Plomben kontrollieren mit den Zollbegleitpapieren. So, dann hat er die Gelegenheit genutzt und ist eingestiegen, keiner hat’s gemerkt. [...] In unterbesetzten Zeiten war manchmal einer allein, wo hätten zwei sein sollen. Da musste der zwei Spuren innen und außen betreuen, so dass man den Überblick nicht hatte, wo ist der Zöllner. Also praktisch der da rein und einer von uns, Passkontrolle, nur ‚mach’s gut‘ und da war er weg. Und in dem seiner Haut, der diesen LKW hat abfahren lassen, möchte ich nicht gesteckt haben.“541

538 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 17. 5. 1983 : Bericht über den durchgeführten Anleitungs - und Kontrolleinsatz in der Abt. VI /3, BVfS Magdeburg vom 9. 5.– 11. 5. 1983 ( ebd., Bl. 482). 539 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Anton Berger am 16. 3. 2004. 540 Ebd. 541 Zeitzeugengespräch mit Jochen Maier am 21. 9. 2005.

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Kontrollierte Kontrolleure

Die anschließend von der Abteilung VI eingeleiteten Maßnahmen „führten zu umfangreichen strukturellen und personellen Veränderungen im GZA“.542 Nachdem das Verschwinden des Hundeführers bekannt wurde, durchsuchten Angehörige der PKE sofort das gesamte Gelände der GÜSt. Die Kontrolle am Einlassposten der PKE wurde verschärft, alle Angehörigen der PKE und des GZA, die in der Schicht Dienst hatten, in der sich der Vorfall ereignete, durften die GÜSt nicht verlassen bzw. wurden zurückbeordert und befragt.543 Es folgten eine Vielzahl weiterer Maßnahmen wie die Anfertigung von 50 Fahndungsbildern oder die Befragung und Vernehmung von Personen aus dem Ver wandten - und Bekanntenkreis des Hundeführers. Innerhalb von eineinhalb Jahren nach diesem Vorfall wurden 16 Zollangehörige entlassen, zehn innerhalb des GZA umgesetzt und vier in das Hinterland versetzt, d. h., sie durften künftig das Sperrgebiet nicht wieder betreten.544 Das drastische Vorgehen des MfS erklärt sich vor allem dadurch, dass der geflüchtete Hundeführer selbst einmal als IM tätig war.545 Zudem verfügte er laut einer Einschätzung der PKE Marienborn über zahlreiche Kenntnisse, was die Sicherungsanlagen der GÜSt sowie die Kontrollmethoden und - instrumente der PKE und des GZA anging.546 Die Flucht des Zöllners blieb allen befragten Zeitzeugen in lebhafter Erinnerung, nicht zuletzt deshalb, weil sich keiner der Befragten an einen ähnlichen Vorfall am Grenzzollamt erinnern konnte und die heftige Reaktion des MfS auf dieses Ereignis alle Zöllner erahnen ließ, welches Ausmaß die Über wachung der Zollangehörigen angenommen hatte. Doch trotz der aufgezeigten Über wachungsmaßnahmen ist es dem MfS nicht gelungen, das Personal des GZA vollständig zu kontrollieren. Der angestaute Unmut vieler Zollkontrolleure entlud sich erst am Ende der finalen Krise, auf die der SED - Staat Ende der 1980er Jahre unweigerlich zusteuerte. Infolge der Friedlichen Revolution war auch die Zollver waltung extremen Wandlungsprozessen innerhalb kürzester Zeit unterworfen. Auf diese letzte Phase des DDR - Zolls, in der das Ministerium für Staatssicherheit noch immer eine bedeutende Rolle spielte, wird nun abschließend eingegangen.

542 HA VI des MfS, AG Sicherheit und Terrorabwehr, vom 13. 9. 1982 : Kontrolleinsatz in der Abt. VI der BV Magdeburg, PKE Marienborn / A. am 11. und 12. 9. 1982 ( BStU, MfS, HA VI 1531, Bl. 26). 543 Vgl. HA VI des MfS, AG Sicherheit und Terrorabwehr, vom 6. 9. 1982 : Kontrollbericht ( BStU, MfS, HA VI 1531, Bl. 42–44). 544 Vgl. HA VI des MfS, Abteilung Zoll - Abwehr, vom 17. 5. 1983 : Bericht über den durchgeführten Anleitungs - und Kontrolleinsatz in der Abt. VI /3, BVfS Magdeburg vom 9. 5.– 11. 5. 1983 ( BStU, MfS, HA VI 4392, Bl. 482). 545 Vgl. HA VI des MfS, AG Sicherheit und Terrorabwehr, vom 6. 9. 1982 : Kontrollbericht ( BStU, MfS, HA VI 1531, Bl. 46). 546 Vgl. ebd., Bl. 55–59.

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Der Weg in den Untergang

8.

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Der Weg in den Untergang – Zollver waltung, MfS und die Friedliche Revolution in der DDR 1989/90

Die revolutionären politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der DDR, insbesondere nach Öffnung der Grenzen zur Bundesrepublik und Westberlin am 9. November 1989, stellten die Zollver waltung über Nacht vor völlig neue Herausforderungen. Von nun an sollte der Zoll nicht mehr den „staatsfeindlichen Menschenhandel“, sondern den „Ausverkauf“ der DDR verhindern, von dem in weiten Teilen der Bevölkerung in jenen Tagen die Rede war. Viele DDR - Bürger waren für dieses Thema sensibilisiert, da bereits in den Jahren und Monaten vor der Wende ein massenhafter Aufkauf von Waren durch Bürger der sozialistischen Nachbarstaaten stattfand, gegen den die Zollver waltung vorzugehen versuchte. In dieser Funktion genoss der DDR - Zoll zeitweise ein nie dagewesenes Ansehen in Teilen der Gesellschaft, das aber sogleich wieder zerstört wurde, als man in den Massenmedien davon berichtete, dass mit der Auf lösung des Ministeriums für Staatssicherheit Tausende Stasi - Spitzel in die Reihen des Zolls aufgenommen werden sollten. Auch innerhalb der Zollver waltung sorgte diese Nachricht bei vielen für Unmut, dem durch den im Zerfall befindlichen Sicherheitsapparat nun jedoch nicht mehr Einhalt geboten werden konnte. Wie in vielen anderen staatlichen Institutionen und Einrichtungen, wie in der SED und in den Blockparteien mussten schließlich auch im Zoll der DDR die alte Führungsriege abtreten. Innerhalb kurzer Zeit sollte die Zollver waltung in eine weitgehend zivile Einrichtung umgewandelt werden, bevor eine Vereinigung mit der westdeutschen Bundeszollver waltung anstand. Der DDR - Zoll blieb dabei für inoffizielle und hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit ein Deckmantel – nun aber zur Verschleierung der persönlichen Vergangenheit. Jedoch blieben die ehemaligen MfS - Mitarbeiter im Zoll größtenteils nicht unentdeckt. Im Zuge der obligatorischen „Gauck - Überprüfungen“547 wurden zahlreiche ehemalige „Tschekisten“ entlassen.

8.1

Kampf gegen Windmühlen bei Schmuggel und Spekulation

In ihrer Funktion als Wächter über das staatliche Außenhandelsmonopol war die Zollver waltung genau über die wirtschaftliche Lage der DDR im Bilde. In den letzten Jahren vor der Wende häuften sich die Anzeichen dafür, dass den Zollbehörden zunehmend die Kontrolle über den grenzüberschreitenden Warenverkehr zu entgleiten drohte. Vor allem zwei Faktoren waren für diese Entwicklung bedeutend : Erstens erreichte das wirtschaftliche Gefälle zwischen der Bundesrepublik und der DDR bis dahin nie gekannte Ausmaße. Dies hatte 547 So wurden umgangssprachlich Überprüfungen genannt, die durch den ehemaligen Bundesbeaufragten für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR, Joachim Gauck, eingeleitet wurden, um bei Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst eine frühere Tätigkeit beim MfS ausschließen oder bestätigen zu können.

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Kontrollierte Kontrolleure

auch massive Auswirkungen auf das Preisgefüge im Warenhandel. Bei einzelnen Importgütern, insbesondere der Computer - und Elektroindustrie, lagen die Verbraucherpreise in der DDR um das 50 - fache über denen der Bundesrepublik.548 Zweitens gab es auch im Handel mit den sozialistischen „Bruderstaaten“ immer besorgniserregendere Entwicklungen. In der ČSSR wie in Polen kam es in den 1980er Jahren zu latenten Versorgungsengpässen bei bestimmten Konsumgütern. Gegen Ende der 1980er Jahre wurden die mangelhafte Versorgung schließlich zu einem akuten Problem. Beide Faktoren begünstigten Schmuggel und Spekulation über die gesamte Staatsgrenze der DDR. Statistische Vorboten des Systemzerfalls Im Sommer 1989, als die Partei - und Staatsführung durch den immer stärker werdenden Ausreisestrom bereits in arge Bedrängnis geraten war, erstattete der Leiter der Zollver waltung vor der Abteilung für Sicherheitsfragen beim ZK der SED Bericht über die Entwicklung der vergangenen Jahre beim grenzüberschreitenden Warenverkehr.549 Seine Ausführungen deckten sich mit der aktuellen politischen Lage, denn sie versprachen nichts Gutes. So hatte der „spekulative Handel mit Computertechnik“ in den Jahren 1986 und 1987 sprunghaft zugenommen. „Vielfach kauften Betriebe geschmuggelte Computer, so dass in volkswirtschaftlich beachtlichen Größenordnungen Mittel aus gesellschaftlichen Fonds in den Konsumfonds flossen.“ Im Paket - und Päckchenverkehr wurden vom 1. Januar 1986 bis 30. Juni 1989 unter anderem 150 000 Paar Schuhe, 610 000 Stück Kindertextilien, 130 Tonnen Fleischwaren, 35 Tonnen Backzutaten, 40 Tonnen Gewürze ( davon 14,8 Tonnen Pfeffer ), 20 Tonnen Kaffee und 420 000 Stück Porzellan und Bleikristall festgestellt, die „illegal“ ausgeführt werden sollten. Auch im Transitverkehr von und nach Westberlin gab es Probleme. So stiegen die Verkehrszahlen Ende der 1980er Jahre immer weiter an. Alleine im ersten Halbjahr 1989 zählte der DDR - Zoll rund 431 000 Pkw, wobei mehr als die Hälfte über das GZA Marienborn abgefertigt wurden. Der Güter verkehr im Transit von und nach Westberlin stieg im Vergleich zu 1986 um 14 Prozent an. „Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Zugleich ist mit neuen Aufgaben zu rechnen. Da die personellen, materiellen und finanziellen Fonds gleichbleiben, sind in Zukunft weitere Maßnahmen der Intensivierung und Rationalisierung zolldienstlicher Arbeitsabläufe erforderlich.“550 548 Vgl. Schreiben des Leiters der Zollver waltung der DDR an den Minister für Handel und Versorgung vom 17. 2. 1988 : Information zu aktuellen Problemen des Schmuggels und der Spekulation mit Erzeugnissen der Computerindustrie ( BStU, MfS, ZAIG 22836, Bl. 67–77). 549 Vgl. Berichterstattung des Leiters der Zollver waltung der DDR vor der Abteilung für Sicherheitsfragen beim ZK der SED im Jahr 1989 ( BArch, DL 203, Az. 00–01–00, Ka. 1). 550 Vgl. ebd.

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Der Weg in den Untergang

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Durch die Abteilung Transitüber wachung wurden seit 1986 drei Millionen Feststellungen getroffen, „deren weitere operative Bearbeitung zur Aufdeckung und Verhinderung von Personenschleusungen, ungesetzlichen Grenzübertritten sowie Zoll - und Devisenstraftaten mit einer Gesamtsumme von fünfeinhalb Millionen Mark führte“.551 Darüber hinaus sind in dieser Zeit die „Feststellungen zu Ein - und Ausschleusungen von Materialien“ um mehr als das Doppelte angestiegen. Insgesamt 2 400 derartige Rechtsverletzungen wurden registriert. Gegenüber den beteiligten Personen leitete die Zollver waltung über 1 000 Ordnungsstrafverfahren ein und nahm dabei Einziehungen im Wert von über einer Million Mark vor. Aufgrund der verhängten Strafen stieg auch die Anzahl der Eingaben von Bürgern gegenüber dem Jahr 1986 um mehr als das Doppelte an. Bereits im ersten Halbjahr 1989 wurden 114 600 Eingaben bearbeitet.552 Ernsthafte Schwierigkeiten entstanden aber auch an den Grenzen zu den sozialistischen Staaten : Während an der Staatsgrenze zur Bundesrepublik seit 1986 36 „gewaltsame Grenzdurchbrüche“ verhindert wurden, übergab der Zoll seit dieser Zeit 3 524 Personen an die PKE, die im Verdacht standen, die DDR „illegal“ zu verlassen. Alleine 3 210 Personen – über 90 Prozent – wurden an der Grenze zur ČSSR gestellt. Im selben Zeitraum nahm auch der „illegale ambulante Handel“ extrem zu, der vorwiegend von polnischen und tschechoslowakischen Staatsbürgern betrieben wurde. Während 1986 und 1987 insgesamt rund 400 Personen gefasst werden konnten, waren es 1988 bereits 1160 und im ersten Halbjahr 1989 1510 Personen. Der Wert der Gegenstände und Verkaufserlöse, die eingezogen wurden, erhöhte sich von 300 000 Mark im Jahr 1986 auf rund drei Millionen Mark im ersten Halbjahr 1989. Marktkräfte in der Planwirtschaft – Straßenhandel und „illegale Ausfuhren“ „Der Missbrauch des ambulanten Handels auf Straßen, Plätzen und Märkten zur Spekulation mit Gegenständen, die unter Ausnutzung des grenzüberschreitenden Verkehrs eingeführt werden, hält unvermindert an.“553 Zu dieser Feststellung kommt die Führungsspitze des DDR - Zolls am 9. August 1989. Bisher wurden in diesem Jahr von den Grenzzollämtern 9 000 Einziehungen von Gegenständen vorgenommen, davon 80 Prozent an der Grenze zu Polen, 14 Prozent an der Grenze zur Bundesrepublik und Westberlin und 6 Prozent an der Grenze zur ČSSR.554 Die Dunkelziffer der tatsächlich eingeführten Gegenstände dürfte um ein Vielfaches höher gelegen haben. Die Straßenhändler schmuggelten vor allem Jeansbekleidung und andere Modeartikel, Quarzuhren, Tonbandkassetten und weitere Geräte der Heimelektronik. Mit dem Ver551 Vgl. ebd. 552 Vgl. ebd. 553 Schreiben des Leiters der Zollver waltung der DDR vom 9. 8. 1989 : Information zu Problemen des Missbrauchs des ambulanten Handels ( BStU, MfS, ZAIG 25449, Bl. 41). 554 Ebd.

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kaufserlös wurden andere Konsumgüter in der DDR massenhaft aufgekauft und außer Landes gebracht. Dabei stellte die Zollver waltung fest, dass an den einzelnen Staatsgrenzen mitunter verschiedenartige Waren vor wiegend zur Ausfuhr gebracht wurden, wie Tabelle 6 zeigt : Tabelle 6 : Vorrangig zur Ausfuhr gebrachte Waren im Jahr 1989555 Staatsgrenze zur Bundesrepublik Vorrangig wurden ausgeführt: – Kunstgewerbliche Gegenstände ( kunstgewerbliche Textilien, Kerzenständer, Zierkerzen, Holzfiguren, Pyramiden, Samoware ) – Erzeugnisse aus Keramik, Glas, Porzellan ( Vasen, Krüge, Schalen, Kaffee-, Saft- und Speiseservices, Gläser ) – Bücher ( Kinder- und Märchenbücher, Bildbände, Fachbücher, Belletristik ) – Schallplatten ( klassische Werke, Volksmusik, Rock- und Popgruppen ) – Spirituosen, Wein, Sekt – Zigaretten – Musikinstrumente – Modelleisenbahnteile

Staatsgrenze zu Polen

Staatgrenze zur ČSSR

Vorrangig wurden ausgeführt: – Haushalts- bzw. Küchengeräte ( Entsafter, Kleinküchen bzw. Backwunder, Reibemaschinen, Rühr- und Mixgeräte, Kaffeemühlen und -maschinen, Schnellkochtöpfe, Töpfe, Pfannen, Wasserkessel, Siebe, Thermosbehälter, Staubsauger ) – Hitzebeständige Glaswaren, insbesondere Teegläser – Elektroherde und Kochplatten – Wäscheschleudern – Farben und Lacke – Wolle und Garne – Kaffee – Schokoladenwaren – Sonstige Nahrungs- und Genussmittel ( Süßwaren, Puddingpulver, Götterspeise, Soßenpulver, Mehl, Öle, Fette, Butter, Speisegelatine, Fischkonserven, Spirituosen ) – Kosmetikartikel (Körperspray, Seife, Haut- und Rasiercreme, Haarlack, Zahnbürsten, Zahnpasta )

Vorrangig wurden ausgeführt: – Kinderwagen – Fahrräder – Elektrogeräte (Staubsauger, Bügeleisen, Föne, Luftfilterhauben, Wäschetrockner, Rührund Mixgeräte, Frittiergeräte, Kaffeemaschinen und -mühlen, Grillgeräte, Toaster, Waffeleisen, Strick- und Bügelmaschinen ) – Haushaltsnähmaschinen – Musikinstrumente – Werkzeuge, Kleineisenwaren, Gartengeräte

555 Vgl. Zollver waltung der DDR vom 9. 8. 1989 : Information zu Problemen des Missbrauchs des ambulanten Handels ( BStU, MfS, ZAIG 25449, Bl. 64–69).

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Die DDR - Regierung sah sich veranlasst, diesem sprichwörtlich „marktwirtschaftlichen“ Treiben Einhalt zu gebieten. So wurde beispielsweise im Bezirk Rostock im Januar 1989 eine „nichtstrukturelle Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Schmuggels und der Spekulation“556 gegründet, die aus Mitarbeitern des Zolls, des MfS, der Volkspolizei sowie der Steuerfahndung bestand. Sie sollte zunächst in Greifswald Kontrollen durchführen. Nachdem durch Beobachtungsmaßnahmen der „illegale Straßenhandel“ bestätigt wurde, erfolgte am 21. Januar 1989 der Zugriff. Dabei wurde während der Einweisung unter anderem festgelegt, dass „Zuführungen ausnahmslos durch Kräfte der DVP zu erfolgen haben“.557 Ausdrücklich konnten bei Widerstand gegen die Maßnahmen der DVP „Führungskette und Schlagstock“558 zum Einsatz gebracht werden. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass „keine Hetzjagden auf Bürger der VR Polen erfolgen“559 sollten. Bei der Aktion wurden 28 polnische Bürger „zugeführt“. Dabei handelte es sich in 20 Fällen um Personen, „die auf der Grundlage von Regierungsabkommen auf der Großbaustelle der DSF [ deutsch - sowjetischen Freundschaft ] im KKW Lubmin tätig“560 waren. Insgesamt zog die Arbeitsgruppe Gegenstände im Wert von 54 340 Mark und Verkaufserlöse in Höhe von 2 890 Mark ein.561 Solch rigide Maßnahmen gegen Bürger der „Bruderstaaten“ zeigen in besonders deutlicher Form, was für das gesamte sozialistische Lager Ende der 1980er Jahre galt : Die Wirtschaftslage verkomplizierte sich, die Länder des Ostblocks drifteten ökonomisch immer weiter auseinander und das gesamte System der Planwirtschaft steuerte seiner finalen Krise entgegen. In einer Reihe sozialistischer Staaten wurden Einfuhrbeschränkungen aufgehoben oder reduziert und Einfuhrzölle gesenkt. Dies hatte zum Ziel, dass Reisende so viele Waren wie möglich importierten, um das mangelhafte Warenangebot auf dem Binnenmarkt auszugleichen. Zeitgleich verhängten die Staaten neue Ausfuhr verbote, um die Versorgungsprobleme der eigenen Bevölkerung nicht weiter zu verschlimmern. Im Oktober 1988 erließ die Tschechoslowakei neue Zollbestimmungen, im November desselben Jahres reagierte die DDR mit entsprechenden „Maßnahmen im Interesse der Bürger der DDR“562 und im Januar 1989 verkündete die UdSSR, die Ausfuhr - Zollfreigrenze für Ausländer von bisher 500 Rubel auf 100 Rubel pro Person und Reise zu senken.563 Die Ausfuhr ver556 BVfS Rostock, Abteilung VI, vom 1. 2. 1989 : Zusammenfassender Bericht zum durchgeführten Komplexeinsatz zur Bekämpfung des ungesetzlichen ambulanten Straßenhandels auf der Strandpromenade Lubmin am 21. 1. 1989 ( BStU, MfS, BV Rostock, Abt. VI 1170, Bl. 7). 557 Ebd. 558 Ebd., Bl. 8. 559 Ebd. 560 Ebd. 561 Ebd. 562 Neues Deutschland vom 18. 11. 1988 ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 270, Bl. 179). 563 Vgl. Information des Leiters der Zollver waltung der DDR, o. D. : Maßnahmen zum Schutze des Binnenmarktes im Interesse der Bürger der DDR ( BStU, MfS, ZAIG 25449, Bl. 81).

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bote der ČSSR und der DDR wurden am 18. November 1988 im SED - Blatt „Neues Deutschland“ veröffentlicht. Die Liste der betroffenen Waren füllte mehr als eine halbe Zeitungsseite.564 Auch von westlichen Massenmedien wurden diese Entwicklungen aufmerksam verfolgt.565 So kommentierte beispielsweise Hans Herbert Götz für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 24. November 1988 : „Die ‚überarbeiteten Zollvorschriften‘ der DDR und der Tschechoslowakei sprechen eine traurige, aber klare Sprache. Die Liste derjenigen Waren, die aus der DDR und der Tschechoslowakei künftig entweder überhaupt nicht mehr oder nur in kleinen Mengen ausgeführt werden dürfen, umfassen das komplette Sortiment eines Warenhauses : Lebensmittel, Fleisch - und Fischwaren vor allem, Zutaten für die Weihnachtsbäckerei, Textilien, Schuhe, Fotomaterial, Maschinen, Haushaltsgeräte und dazu noch, kurioserweise, Aktien und Sparbücher. [...] Die DDR - Bevölkerung ist seit Jahrzehnten daran gewöhnt, dass nicht immer alles verfügbar ist, was man gerade benötigt. Aber die derzeitigen Störungen, begleitet von längst nicht mehr bescheidenen Preiserhöhungen, haben eine andere Qualität, auch andere Wirkungen.“566

Am 25. November 1988 berichtete Alex Wachsmuth, Korrespondent der Deutschen Presseagentur, von Maßnahmen der ČSSR, die sich gegen „Butterfahrten“ aus Polen, der DDR und der Sowjetunion richteten. Das Vorgehen der tschechoslowakischen Sicherheitskräfte sei auf „vehementen Protest und sogar Gegenmaßnahmen gestoßen, die das politische Klima zwischen den sozialistischen Bruderländern stark belasten“.567 Umgekehrt äußerten auch ČSSR - Bürger ihren Unmut. Sie seien an der Grenze der DDR „höchstpeinlichen Untersuchungen unterzogen worden. Zurückgekehrt meinten sie, die DDR - Grenzer hätten sich ‚wie SS - Leute‘ aufgeführt.“568 Zwischen der ČSSR und Polen kam es im Zuge der eingeleiteten Kontrollmaßnahmen gar zu offen ausgetragenen diplomatischen Spannungen. Die Zeitung „Die Welt“ berichtete am 26. November 1988 : „Zwischen Polen und der Tschechoslowakei ist aufgrund einer neuen Zollvorschrift ein ‚Zollkrieg‘ ausgebrochen. Die Vorschrift verbietet praktisch den individuellen Export von Lebensmitteln und Konsumgütern aus der ČSSR. Das Warschauer Außenministerium zeigte sich inzwischen ‚befremdet‘ über die ‚schikanöse Behandlung polnischer Staatsbürger durch die ČSSR - Grenzorgane‘. Zwischen der Tschechoslowakei und Polen verkehrende Züge haben in letzter Zeit oft bis zu zehn Stunden Verspätung, weil tschechoslowakische Zöllner die polnischen Reisenden ‚bis aufs Hemd ausziehen‘, heißt es. [...] Warschau fordert nun von Prag, der ‚unwürdigen und erniedrigenden Behandlung‘ ihrer Staatsbürger durch ČSSR - Grenzbehörden ein Ende zu bereiten. Gleichzeitig machen die Polen eine Gegenrechnung auf. So berichten die Warschauer Medien von Kolonnen tschechischer Touristen, die alle Geschäfte in den grenznahen polnischen Städten leer kauften.“569 564 Neues Deutschland vom 18. 11. 1988 ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 270, Bl. 179). 565 Vgl. Sammlung von Zeitungsartikeln aus Der Tagesspiegel, Bild und Berliner Morgenpost vom 18. 11. 1988 ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 270, Bl. 181). 566 FAZ vom 24. 11. 1988. 567 DPA - Meldung vom 25. 11. 1988 ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 270, Bl. 162). 568 Ebd., Bl. 163. 569 Die Welt vom 26. 11. 1988.

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Die Situation spitzte sich im Jahr 1989 auch in der DDR weiter zu. Mitte des Jahres 1989 forderte der Vorsitzende des Ministerrats, Willi Stoph, dass bis November 1989 eine „Verordnung über den ambulanten Handel“ zur Beschlussfassung vorliegen müsse, um dem Ausverkauf der DDR entgegenzutreten. Dieser Plan zur Stabilisierung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs war letztlich zum Scheitern verurteilt. Mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 und der massenhaften Aus - und Wiedereinreise von DDR - und Bundesbürgern waren die Sicherheitskräfte an den GÜSt ebenso überrascht wie überfordert. An den Grenzübergangsstellen zur Bundesrepublik und Westberlin, von denen in Folge der Ereignisse immer mehr neu eröffnet wurden, waren „Fahrzeugstaus bis zu 50 Kilometer Länge und Wartezeiten von mehreren Stunden“570 unvermeidbar. Im Reiseverkehr konnte fortan nur noch stichprobenhaft kontrolliert werden. In einem Bericht der Zollver waltung wurden „Beispiele zur Verhinderung der Ausfuhr von Waren und Mark der DDR am 24. und 25. 11. 1989“571 aufgeführt. Demzufolge reisten allein an diesen beiden Tagen 2,3 Millionen Bürger der DDR in die Bundesrepublik bzw. Westberlin aus und wieder zurück. Dabei wurde erkannt, dass viele versuchten, werthaltige Gegenstände aus ihrem Besitz ( Porzellan, Münzen, Briefmarken, Musikinstrumente etc.) in den Westen zu schmuggeln, um diese dort zu verkaufen. Darüber hinaus betätigten sie sich mitunter als Kleinstunternehmer. So heißt es beispielsweise : „Zwei gemeinsam über das Grenzzollamt Hirschberg reisende DDR - Bürger wollten 30 kg Bratwürste (300 Stück ), 150 Semmeln und einen Grillrost nach der BRD ausführen. Sie wollten in Nürnberg in der Nähe des Fußballstadions einen Bratwurststand eröffnen.“572 Die Öffnung der Grenzen am 9. November 1989 markierte den Ausgangspunkt für eine geschichtliche Entwicklung, die innerhalb weniger Monate in der Erosion und schließlich im Untergang der SED und ihrer Machtinstrumente endete.

8.2

Faktoren des Zerfalls

Missachtung der Realitäten Allen negativen Vorboten zum Trotz folgte die Leitung der Zollver waltung ihrer Partei in die finale Krise. In extremer Diskrepanz zu den realen Verhältnissen schwor sie ihre Mitarbeiter auf die anstehende „Klassenkampfsituation“ ein. Am 25. Oktober 1988 legte die „ZPL [ Zentrale Parteileitung ] der Parteiorganisation 570 Schreiben des Leiters der Zollver waltung vom 26. 11. 1989 : Zur Arbeit der Zollorgane in Durchsetzung des Beschlusses des Ministerrates über Maßnahmen zur Abwehr von negativen Auswirkungen des Reiseverkehrs vom 23. 11. 1989 ( BStU, MfS, ZAIG 15905, Bl. 1). 571 Schreiben des Leiters der Zollver waltung vom 26. 11. 1989 : Ausgewählte Beispiele zur Verhinderung der Ausfuhr von Waren und Mark der DDR am 24. und 25. 11. 1989 (BStU, MfS, Sekr. Neiber 552, Bl. 65). 572 Ebd.

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der Hauptver waltung“573 einen Rechenschaftsbericht vor – es sollte ihr letzter sein. Darin heißt es : „Die Analyse der Diskussionen [...] zeigt das Verständnis unserer Genossen dafür, dass die ersten praktischen Schritte auf dem Wege zur Abrüstung keinerlei Anlass sind, in der allseitigen politischen, ideologischen und militärischen Wachsamkeit gegenüber der Politik und den Zielen des imperialistischen Klassenfeindes, besonders des Imperialismus der BRD, auch nur im geringsten nachzulassen. [...] Gerade für unseren Kampf an der Trennlinie beider Systeme ist es von prinzipieller Bedeutung, dass das Klassenwesen unserer Epoche – der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus – immer deutlich bleibt. [...] Der Lebensstandart der Werktätigen, der höchste in der Welt, ist nicht vergleichbar mit dem der BRD, ist schon gar nicht an Autos, Videos und ähnlichen [ sic!] zu messen. [...] Die Geschichte und die Gegenwart des Kampfes der Kommunisten, darunter der DDR, sind Beweis dafür, dass dem Sozialismus, und nur dem Sozialismus, auf deutschem Boden und auf der ganzen Erde die Zukunft gehört, dass es ein Zurück in die kapitalistische Unrechtsgesellschaft nicht geben wird. Wir sind die Partei der Zukunft. [...] Zukunftssicher, zielbewusst und voller Tatendrang richten wir unseren Blick bereits auf die ergebnisorientierte Vorbereitung des 40. Jahrestages unseres sozialistischen Vaterlandes.“574

Diese eindeutige und zugleich völlig hypertrophe Haltung setzte sich über den 40. Jahrstag der DDR hinaus fort. Alle Zollmitarbeiter wurden noch, als die Friedliche Revolution in vollem Gange war, politisch indoktriniert. Der Auszug aus einem Schulungsheft für Zollmitarbeiter über „Wesen, Ziele und Erscheinungsformen der politisch - ideologischen Diversion und der darin eingeschlossenen imperialistischen Menschenrechtsdemagogie“575 veranschaulicht, wie fernab der Realität die revolutionären Entwicklungen Ende 1989 eingeschätzt wurden : „Die gegenwärtigen Angriffe auf die DDR lassen deutlich erkennen, dass man hier eine innere Opposition schaffen will, die unter solchen demagogischen Namen wie ‚Neues Forum‘, ‚Demokratische Initiative‘, ‚Demokratischer Aufbruch‘, ‚Bürgerbewegung jetzt‘ und anderen etabliert werden soll. [...] Unsere Republik stellt mit ihrem starken Sozialismus, ihrer prinzipiellen, auf das Wohl des Volkes orientierten Politik ein Haupthindernis, einen Sperrriegel für die weitere Verwirklichung der imperialistischen Pläne dar. [...] Seit vier Jahrzehnten entwickelt sich unsere Republik als ein Staat, in dem Rechtssicherheit und Gesetzlichkeit zum Bestandteil der Lebensqualität der Menschen geworden sind. Die Realitäten des Lebens widerlegen also alle Behauptungen imperialistischer Politiker und Ideologen über eine angebliche ‚Missachtung der Menschenrechte‘ im Sozialismus. Nicht der angebliche Mangel an Menschenrechten und Freiheit hat in den letzten Wochen eine größere Anzahl DDR - Bürger zum Verrat an der DDR getrieben, sondern die Manipulierung dieser Menschen im Sinne der Bonner Politik. [...] Gerade unter dem Einfluss der zügellosen Hetze gegen die DDR sowie des wachsenden Neofaschismus in der BRD sowie Berlin ( West ) wird versucht, bei den Angehörigen Zweifel an der Richtigkeit der Parteipolitik hervorzurufen. Man beschimpft sie als ‚Kommu573 Rechenschaftsbericht der Zentralen Parteileitung der SED vom 25. 10. 1988 ( BArch, DL 203, Az. 00–04–01, Ka. 10b.) 574 Ebd. 575 Institut der Zollver waltung von Dezember 1988 : Hinweise für die Durchführung der politisch - fachlichen Weiterbildung der Angehörigen der Grenzzollämter ( BArch, DL 203, Az. 02–07–00, Ka. 184).

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nistenschweine‘ und droht an, bald mit ihnen abzurechnen. [...] In nicht geringer Zahl versuchen Reisende, Kontakt zu unseren Angehörigen herzustellen, sich anzubiedern, Bestechungsversuche zu unternehmen. Sie fordern zur Verletzung der Dienstpflichten und auch zum illegalen Verlassen der DDR auf. Das Alles läuft auf die Untergrabung und Zersetzung der Kampfkraft unseres Organs hinaus. Es häufen sich Fälle offener Provokation und tätlicher Angriffe auf Angehörige der Zollverwaltung im Dienst, auf dem Weg vom und zum Dienst und in der Freizeit. Dagegen treten unsere Angehörigen mutig und entschlossen auf. [...] Es gehört zu den Traditionen der Zollver waltung, dass die Angehörigen in Zeiten zugespitzter Klassenauseinandersetzung stets ihren Mann gestanden haben, und sie werden auch künftig dem Feind keine Chance geben. [...] Von jedem Angehörigen ist zu erwarten und zu fordern, dass er die Politik der Partei mit ihren guten Ergebnissen und Argumenten überzeugend vertritt und in Wort und Tat Vorbild bei deren Durchsetzung ist.“576

Aus dem heute vorliegenden Quellenmaterial lässt sich schließen, dass die Leitung der Zollver waltung spätestens im Herbst 1989 endgültig den Kontakt zur eigenen Basis verloren hatte. Ihr kamen keine kritischen Stimmen aus dem Personalbestand zu Ohren, stattdessen berichteten die Leiter sämtlicher Bezirksver waltungen, dass die Zöllner „einheitlich und geschlossen“ hinter der SED stehen würden. Knapp eine Woche nach den Ausschreitungen am „Tag der Republik“, dem 7. Oktober 1989, bekamen die Kader der Hauptver waltung in Berlin unter anderem Folgendes über die Lage der Zöllner in den Bezirken zu lesen : „Genossen der Bezirksver waltung Berlin brachten zum Ausdruck, dass 40 Jahre DDR für sie gleichbedeutend seien mit 40 Jahren erfolgreiche Entwicklung zum Wohl des gesamten Volkes. [...] Ein Genosse der Bezirksver waltung Dresden, der die Ausschreitungen am Dresdner Hauptbahnhof 577 selbst miterlebte, sagte, dass es jetzt darauf ankäme, dass jeder Genosse seinen Platz kennt und offensiv dem Gegner gegenübertritt. Eine Genossin des Grenzzollamts Drewitz [...] äußerte ihre Überzeugung, dass die Ursachen für die angesprochenen Probleme gründlich untersucht und ihre Lösung erfolgen wird. Man könne über alles diskutieren, nur nicht über Macht und den Sozialismus in der DDR.“578 Die Liste solcher Bekundungen ließe sich weiter fortsetzen. Tatsache ist, die gemeldete Stimmungslage stimmte nicht mit der eigentlichen Stimmungslage der 576 Ebd. 577 Im Zuge der Ausreisewelle von DDR - Bürgern kam es im Sommer 1989 unter anderem zur Besetzung der Deutschen Botschaft in Prag. Unter dem Druck wachsender Flüchtlingszahlen und der Medien und angesichts des bevorstehenden 40. Jahrestages der DDR, den die DDR - Führung feierlich begehen wollte, entschied sie Ende September, die Flüchtlinge in Zügen, die über die DDR fahren sollten, ausreisen zu lassen. Unter großem Jubel verkündete Hans - Dietrich Genscher dies am 30. September in der Prager Botschaft. In den folgenden Tagen fuhren dann mehrfach Züge mit insgesamt 17 000 Flüchtlingen von Prag über die DDR in die Bundesrepublik, da die Botschaft mehrmals neu besetzt worden war. Die DDR - Führung löste das Problem auf ihre Weise, indem sie am 3. Oktober auch die Grenzen zur Tschechoslowakei schloss. Am 4. Oktober kam es bei der Durchfahrt von Zügen durch den Dresdner Hauptbahnhof zu schweren Ausschreitungen, als Tausende Dresdner versuchten, in die Züge zu gelangen. Unter Einsatz von Wasser werfern und Tränengas räumte die Polizei den Bahnhof. 578 Vgl. Schreiben der Zollver waltung der DDR vom 13. 10. 1989 : Zusammengefasste Information in Auswertung der Meldungen der Leiter der Bezirksver waltungen vom 12. 10. 1989 ( BStU, MfS, ZAIG 25449, Bl. 5).

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Kontrolleure überein. Dies bekam unter anderem der Leiter der Zollverwaltung, Gerhard Stauch, schließlich zu spüren, wie der Zeitzeuge Christian Singer berichtet. Singer war lange Zeit in der Arbeitsgruppe des Leiters der Zollver waltung tätig und arbeitete in der Wendezeit im Führungsstab der Bezirksver waltung des Zolls Magdeburg. Er erzählt, wie er im Herbst 1989 zusammen mit dem Leiter der Bezirksver waltung einen Brief an den Leiter der Zollver waltung schrieb und was sich daraus entwickelte : „Wir haben dann diesen Brief geschrieben, wir möchten darum bitten, dass Dienstkleidung nur noch getragen wird bei der Grenzabfertigung, beispielsweise nicht mehr im Stab der Bezirksverwaltung, wir möchten auch Abstand nehmen von der militärischen Anrede, von der Parteianrede Genosse, wir möchten, dass Sie [...] uns mit Herr anreden und so. Und dann haben wir uns verbeten die Anleitung und Kontrolle durch die Hauptver waltung, wir haben darum gebeten, dass wir souveräner als Leitung der Bezirksverwaltung die Entscheidungen treffen können. Ja, und dann haben wir dieses Schreiben an die Hauptverwaltung geschickt [...]. Und [...] drei Wochen später rief mich der Stauch an. Sag mal, ich hab da so ein Schreiben, da, hmm, du hast das mit unterschrieben. Ist das wirklich deine ehrliche Meinung ? Ich sag, ja, das ist meine ehrliche Auffassung. Ich muss auch wirklich sagen, er war natürlich da schon ein gebrochener Mann, er tat mir auch Leid irgendwie, weil er hat mich auch gefördert, ist ja ganz klar. Und ich kam mit ihm persönlich auch ganz gut hin. Er war völlig fertig, hat das überhaupt nicht verstanden, gar nicht verstanden. Das werd ich nie vergessen, als er sagte, na ja, wenn wir schon anfangen daran zu zweifeln, das ist nun wirklich der Anfang vom Ende. Ja, und wie weit ist das denn mit der Umsetzung dieses Briefes ? [...] Das war ganz erstaunlich. Noch viel erstaunlicher war, dass er mich dann wieder anrief und sagte, er möchte ein Forum abhalten am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn. Dann hab ich gesagt, was wollen Sie denn für ein Forum abhalten ? Ja, ich will die noch mal politisch instruieren und will noch mal was sagen zur Leitung der DDR - Zollverwaltung. [...] Ich sag, Chef, ich will es Ihnen nur raten, machen Sie das nicht. Ich sag, meine Leute sind ungehalten, ich sag, Chef, wenn Sie hier rauskommen, ich sag, hören Sie auf, ich sag, wenn Sie das so erzählen, wie Sie das sehen, das wird böses Theater. Meine Leute machen Sie fertig, nicht ? Oder lachen Sie aus. Es war schrecklich. Er hatte auch einen guten Berater, nämlich den Hoffmann, den Kaderchef, also einen schlechten Berater. Jedenfalls kamen die dann raus [...]. Es ging nach altem Schrot und Korn, ich hab auch keine Meldung gemacht. Ne, ich melde Ihnen, die Bezirksverwaltung Magdeburg, keine besonderen Vorkommnisse, ne ? Zack. Das hab ich nicht gemacht. Ich hatte aber Uniform angezogen, allerdings ohne Rangabzeichen, also Sterne schon, aber keine Orden dran. Das hat er nur mit einem Augenbrauenziehen zur Kenntnis genommen und dann ging er ins Wohnheim, die Kollegen saßen alle schon drin [...]. Ja, nun kriegte ich die erste Frage. Wie haben Sie die Versammlung vorbereitet, welche Diskussionsbeiträge gibt’s [...] und haben Sie denn die vorbereiteten Antworten da ? Tatsächlich. Ich sage, seien Sie mir nicht böse, das ist ein Scherz, ’ne ? Ich sag, was macht ihr in Berlin ? Pennen die denn ? [...] Ich hab überhaupt nichts vorbereitet. Die Leute sitzen da, ich hab Sie gewarnt und nun machen Sie mal. [...] Die ganze Veranstaltung war höchst peinlich, die war höchst peinlich, also unsere Leute haben allen Frust, den sie hatten, rausgelassen. Also erstens mal, der Leiter der Zollverwaltung betrat mit seinem Hoffmann in Begleitung meiner Wenigkeit den Raum. Es waren ungefähr 150 Leute da. Keiner stand auf. Er ging durch, äußerst konsterniert, setzte sich und sagte : Ja, früher war es ja üblich, dass wenn der Leiter der Zollverwaltung den Raum betreten hat, dass man sich erhebt. Und dann ging das los. Jacken auf und so bei unseren Leuten, da war was los. Da war was los ! Das können Sie sich gar nicht vorstellen. Und er hat unbedingt ’ne Ansprache gehalten. Ja, wir müssen jetzt, alle Schutz - und Sicherheitsorgane der Deutschen Demo-

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kratischen Republik da und dort, damit die Konterrevolution hier nicht Fuß fasst. Die Leute waren baff, die waren, er war jenseits von Gut und Böse. Er war, er hat, wirklich, er hat wirklich jede Beziehung zur Realität verloren. Wirklich auch in einem sehr scharfen Ton, wie man es von ihm ja auch gewohnt war. [...] Und dann : Wenn Sie sich überlegen, was Sie hier verdient haben in der Zollverwaltung, dann müssen Sie im zivilen Bereich einen mittelgroßen Betrieb leiten und so. Es war schon peinlich [...]. Dann kam die erste Wortmeldung. Wie können Sie als Leiter der Zollverwaltung, wie Sie immer gesagt haben, als alter Parteiarbeiter, das dulden die ganzen Jahre, dass wir jeden Monat 80 Überstunden schrubben [...]. Es war ein Fiasko, es war ein Skandal, sodass ich dann wirklich mich so, ich denk nach ’ner halben Stunde mich einschalten musste und ich hab dann meine Kollegen ermahnt und gesagt, [...] ich würde ausbitten, dass der Leitung der Zollverwaltung der notwendige Respekt gezollt wird [...]. Ich will nur sagen, in der Veranstaltung wurde wirklich ganz, ganz deutlich, dass die Führung der Zollverwaltung völlig die Bodenhaftung verloren hatte und die Verwaltung war ihnen da schon entglitten, also das muss man schon sagen. Die Verabschiedung war ganz schrecklich, unter Androhung schlimmster Bestrafungen, aber das war mir auch Wurst, ich meine, Sie hatten ja auch gar nicht mehr die Macht. Das muss man schon sagen. Und dann war wirklich, bis der Krenz dann nachher an der Macht war, war es aus. Ich hab nie wieder was von denen gehört, in keinster Art und Weise und wenig später ging’s ja dann los mit der Öffnung der Zollämter.“579

In den Wirren der Friedlichen Revolution überschlugen sich die politischen Ereignisse. In personeller Hinsicht war jedoch von Beginn an eine Strategie der SED erkennbar : Charakteristisch für anstehende Personalwechsel war, dass die „neuen Gesichter“ allesamt alt gediente und der SED treu gebliebene Kader waren. Erwähnt werden an dieser Stelle nur folgende Ereignisse : Am 18. Oktober 1989 trat der Generalsekretär des ZK der SED und Staatsratsvorsitzende Erich Honecker zurück und wurde durch Egon Krenz ersetzt, der lange Jahre bereits hochrangiger Funktionär der SED war. Am 7. November 1989 erfolgte der geschlossene Rücktritt des Ministerrats, infolgedessen Wolfgang Schwanitz den bisherigen Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, ablöste. Einige Zeit später wurde schließlich auch der Leiter der Zollver waltung, Gerhard Stauch, entmachtet und anschließend durch seinen Stellvertreter Günther Arndt ersetzt.580 Wie bei ihren Vorgängern schwankte die Strategie der neuen Entscheider zwischen hektischer Aktion und Reaktion auf die sich ständig verändernden Begebenheiten. Aufkeimende Akzeptanz Am 17. November 1989 wählte die Volkskammer einen neuen Ministerrat. Wenige Tage später beschloss dieser als einen der dringendsten Punkte, „Maß-

579 Zeitzeugengespräch mit Christian Singer am 31. 1. 2006. 580 Die offizielle „Verabschiedung“ von Gerhard Stauch durch den Minister für Außenwirtschaft, Gerhard Beil, erfolgte erst am 15. 1. 1990. Seine Entmachtung wurde jedoch bereits zuvor durch den Ministerrat beschlossen, der Günther Arndt als Nachfolger bestimmte. Vgl. Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR, 01/90, Bl. 3 ( Archiv Plessow ).

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nahmen zur Abwehr von negativen Auswirkungen des Reiseverkehrs“581 einzuleiten. Diese Maßnahmen wurden unter anderem mit der Zollver waltung und dem neu gegründeten „Amt für Nationale Sicherheit“ ( AfNS ) – der Nachfolgebehörde des MfS – abgestimmt. Beispielsweise durften Reisende künftig zwischen Westberlin und Polen die Transitstrecken nicht mehr verlassen, wie dies bisher nur während der Transitfahrt zwischen der Bundesrepublik und Westberlin der Fall war. „Maßnahmen zur Verhinderung der Aufnahme von Waren durch Transitreisende sind von der Zollver waltung durch den Einsatz von Über wachungskräften auf den Transitstraßen zu treffen.“582 Als weitere Maßnahme legte der Ministerrat fest, den „Abkauf bestimmter Industriewaren, Bekleidungserzeugnisse und Lebensmittel durch ausländische Bürger, einschließlich westlicher Alliierter“583 zu unterbinden.584 Der Verkauf dieser Waren sollte nur an Bürger der DDR sowie an in der DDR beschäftigte Ausländer erfolgen. Zur Unterstützung des Verkaufspersonals, das für die Einhaltung der Bestimmungen Sorge tragen musste, kamen neben „Kräften des Ministeriums für Innere Angelegenheiten und der Arbeiter - und - Bauern - Inspektion“ vor allem Mitarbeiter des Zollfahndungsdienstes „in Uniform und in Zivil“585 zum Einsatz. In einem Bericht der Zollver waltung wird Bezug nehmend auf die Beschlüsse des Ministerrates vom 23. November 1989 aufgeführt, „dass durch die Präsenz der zum Einsatz gelangten Kräfte, durch ihr Einschreiten bei Warenabkäufen sowie durch Kontrollmaßnahmen [...] der Abkauf von Waren wirksam eingedämmt werden konnte. Das zeigten die Einsätze in der Hauptstadt sowie auch in Warenhäusern in Dresden, Erfurt, Suhl, Gera und anderen Städten.“586 Allein am 14. November 1989 konnten beispielsweise in einer Berliner Kaufhalle 1 000 Transitreisende aus Polen vom Einkauf zurückgewiesen werden. Aktionen wie diese kündeten von einer neuen Strategie der Zollver waltung. Wurde sie dem „illegalen“ Handel schon nicht Herr, so setzte sie wenigstens alles daran, ihr eigenes Handeln im Lichte einer gerechten Sache erscheinen zu lassen. Sie wollte in der Öffentlichkeit als die Instanz wahrgenommen werden, 581 Vgl. Sitzungsmaterial des Ministerrates der DDR vom 21. 11. 1989 ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 552, Bl. 40). 582 Vgl. ebd., Bl. 45. 583 Vgl. ebd., Bl. 43. 584 Dabei handelte es sich im Einzelnen um folgende Waren : Kameras, einschließlich Zubehör, Ferngläser, Bleikristall, hochwertige Kaffeeser vices, Luftgewehre, Modelleisenbahnen, Kfz - und Fahrradersatzteile, Nähmaschinen, Bereifung, Leder waren, Dauer wurst, Speiseöl, Kakaoerzeugnisse, Teppiche und Wohnraumtextilien, Haushaltswäsche, Untertrikotagen und Mieder waren, Schuhe, elektrische Haushaltsgeräte, Armaturen aller Art, Fahrräder, Handwerkzeuge, Weihnachtsgänse, Gewürze, Apfelsinen. Zudem konnten die Räte der Bezirke weitere Erzeugnisse festlegen, die vom Abkauf bedroht waren. Vgl. ebd., Bl. 40. 585 Vgl. ebd., Bl. 44. 586 Vgl. Zollver waltung der DDR vom 26. 11. 1989 : Zur Arbeit der Zollorgane in Durchsetzung des Beschlusses des Ministerrates über Maßnahmen zur Abwehr von negativen Auswirkungen des Reiseverkehrs vom 23. 11. 1989 ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 552, Bl. 63).

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die der Bevölkerung Schutz vor dem völligen Ausverkauf der DDR bietet. Unterstützt wird diese These durch die Tatsache, dass sich die im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit durchgeführten „rechtspropagandistischen Veranstaltungen und Auswertungen vor Kollektiven“587 bereits im ersten Halbjahr 1989 im Vergleich zum ersten Halbjahr 1986 verdreifacht haben. So wurden vom 1. Januar bis 30. Juni 1989 480 Vorträge, Foren, Schulungen und Auswertungen vorgenommen, an denen ca. 16 700 DDR - Bürger teilnahmen.588 Die Zollver waltung konnte hinsichtlich ihrer öffentlichen Wahrnehmung tatsächlich auch Erfolge vermelden. So hieß es bezüglich der eben aufgeführten Kontrollaktion am 14. November 1989 : „Seitens der Bürger der DDR wird diesen Maßnahmen Verständnis entgegengebracht. Das ging in Kaufhäusern bis zu offenen Beifallsbekundungen.“589 Auch der Zeitzeuge Ottmar Berghoff, damals Mitarbeiter der Zollfahndung, erinnert sich an den aufkommenden Zuspruch in der Bevölkerung : „Die DDR - Zollverwaltung war plötzlich republikweit bei dem weitaus größeren Teil der Bevölkerung plötzlich so wichtig geworden, damit man nicht sich die Haare vom Kopf fressen lässt von den gierigen Wessis. [...] In der DDR [war] alles Mangelware, aber es gab durch die Subventionspolitik ja Vieles, was im Westen wesentlich teurer war zum normalen Leben, ja ? [...] Dann gab es ja zentnerweise Buttertransporte nach Westdeutschland. Und, und, und. Was dort alles geschleppt worden ist, was nicht niet - und nagelfest war. Da kam es ja zu dem Tausch [ von Westmark ]. [...] Es gab ja Tage, da hattest du eins zu 26 den Kurs.“590 Von der steigenden Akzeptanz konnte die Zollver waltung jedoch nicht lange profitieren. Wie das MfS bereits bei der Gründung des DDR - Zolls maßgeblich auf dessen Entwicklung Einfluss genommen hat, so ist auch das Ende der Zollver waltung unmittelbar mit der Auf lösung des MfS / AfNS verbunden.

8.3

„Stasi in die Produktion“ – und in die Zollverwaltung

Nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 sah sich der DDR Zoll mit einer immensen Steigerung seiner Kontrollaufgaben konfrontiert. Zur Erleichterung des Grenzverkehrs zur Bundesrepublik und zu Westberlin wurden in den folgenden Wochen ständig neue Grenzübergangsstellen geschaffen, an denen die Zöllner nach wie vor Kontrollen durchzuführen hatten. Eine Woche nach Inkrafttreten der neuen Reiseregelungen waren zu den bereits bestehenden 20 Grenzübergängen zur Bundesrepublik und den 25 Grenzüber587 Berichterstattung des Leiters der Zollver waltung der DDR vor der Abteilung für Sicherheitsfragen beim ZK der SED aus dem Jahr 1989 (BArch, DL 203, Az. 00–01–00, Ka. 1). 588 Vgl. ebd. 589 Vgl. Schreiben des Leiters der Zollver waltung vom 26. 11. 1989 : Zur Arbeit der Zollorgane in Durchsetzung des Beschlusses des Ministerrates über Maßnahmen zur Abwehr von negativen Auswirkungen des Reiseverkehrs vom 23. 11. 1989 ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 552, Bl. 63). 590 Zeitzeugengespräch mir Ottmar Berghoff am 15. 6. 2004.

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gangsstellen zu Westberlin 13 weitere GÜSt zur Bundesrepublik und zehn zu Westberlin geschaffen worden. Bis zum 24. November 1989 sollten 55 Grenzübergangsstellen zur Bundesrepublik und 35 zu Westberlin benutzt werden können.591 Insgesamt wurden bis Anfang 1990 über 230 Zollämter und Zollstellen neu eröffnet.592 Mit der bisherigen Personalstärke konnte die Zollver waltung die anstehenden Aufgaben nicht bewältigen, weshalb während jener Tage die Zuführung neuer Mitarbeiter ganz oben auf der Agenda stand. Zeitgleich mit der Ausweitung der Aufgaben des Zolls durch die Staatsführung und der Aufwertung der Tätigkeit des Zolls durch die Bevölkerung geschah mit dem Ministerium für Staatssicherheit Gegenteiliges : Die Nachfolgeorganisation des MfS, das Amt für Nationale Sicherheit, sollte nach seiner Gründung am 17. November 1989 personell verschlankt werden. Zugleich wurde der Bevölkerung mehr und mehr der Unrechtscharakter des MfS / AfNS bewusst, und es regte sich zunehmend Protest gegen dessen Existenz. Diese Entwicklung fand ihren Höhepunkt in der Besetzung von Bezirksver waltungen und der Hauptver waltung der Staatssicherheit zwischen dem 4. Dezember 1989 und dem 15. Januar 1990, nachdem bekannt geworden war, dass massenhaft Akten vernichtet werden sollten. Schließlich befand sich das AfNS auf Beschluss des Ministerrats vom 14. Dezember 1989 bereits wieder in der Auf lösung. Aus der „Konzeption zur Bestimmung der grundsätzlichen Aufgaben und Struktur des Amtes für Nationale Sicherheit“ vom 29. November 1989 geht hervor, dass etwa 48 000 MfS - Mitarbeiter in andere staatliche Einrichtungen vermittelt, verrentet oder entlassen werden sollten.593 Zur vollständigen Umsetzung dieser Pläne kam es wegen der Auf lösung des AfNS nicht mehr. Dennoch wurde in Teilen mit der Versetzung des ehemaligen Stasi - Personals in Bereiche der Grenzsicherung begonnen. Dort sollte der erhöhte Personalbedarf gedeckt werden, der mit den zusätzlichen Grenzübergangsstellen nach dem Mauerfall entstanden war. Die zuständige Linie VI sollte mit etwa 10 000 Mitarbeitern an die Grenztruppen übergeben werden. Zusätzlich begann die Kader ver waltung des AfNS, Passkontrolleure und Mitarbeiter anderer Diensteinheiten an die Zollverwaltung abzugeben.594 Der politische Entschluss, ehemalige MfS - Mitarbeiter in die Reihen der Zollver waltung aufzunehmen, um den dortigen Personalbedarf an Kontrolleuren zu decken, lag nahe. Auf Verständnis traf er indes nicht, weder in der Bevölkerung, noch bei den Mitarbeitern der Zollver waltung. Im Gegenteil : Er zerstörte nachhaltig das wachsende Ansehen des DDR - Zolls bis in die Zeit nach der Wieder vereinigung und löste innerhalb des Zolls heftige Debatten aus. 591 Vgl. Sabine und Zeno Zimmerling, Neue Chronik DDR, Folgen 2–3, Berlin 1990, o. S. 592 Vgl. Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR, 02/90, Bl. 8 ( Archiv Plessow ). 593 Vgl. Konzeption zur Bestimmung der grundsätzlichen Aufgaben und Struktur des Amtes für Nationale Sicherheit vom 29. 11. 1989 ( BStU, MfS, ZA SdM 2289, Teil 3 von 3, Bl. 655–667). 594 Vgl. Gieseke, Hauptamtliche Mitarbeiter, S. 491. Vgl. Süß, Staatssicherheit am Ende, S. 547.

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Der Plan der lautlosen Eingliederung Unabhängig vom bevorstehenden bzw. erfolgten Personalwechsel an der Spitze der SED wie auch auf Leiterebene von Zoll und MfS / AfNS funktionierte das „Zusammenwirken“ der Akteure zunächst ebenso reibungslos, wie zu Zeiten vor der politischen Systemkrise. In einer „Vertraulichen Verschlusssache“ vom 21. November 1989 einigte sich der Ministerrat mit den Leitern der Zollver waltung und des AfNS darauf, folgende Maßnahme sofort und „koordiniert zu ver wirklichen“ : „Zur Sicherung eines zuverlässigen Zollregimes an den Grenzübergängen zur BRD und Berlin / West sowie beim Transit durch die DDR sind die Zollorgane personell durch die Übernahme ehemaliger Angehöriger des MfS zu verstärken. Die Planstellen der Zollver waltung sind entsprechend zu erhöhen sowie notwendige materielle und finanzielle Fonds zuzuführen.“595 Insgesamt sollten bis zum 31. Dezember 1989 7 000 Mitarbeiter des AfNS (vor wiegend Passkontrolleure ) aus dem Dienstverhältnis entpflichtet und in der Zollver waltung eingestellt werden. Bedingung für die Aufnahme in die Reihen des Zolls war, dass die Bewerber nicht über 40 Jahre alt waren, mindestens über einen Fachschulabschluss verfügten sowie möglichst den Dienstgrad Unterleutnant bzw. Leutnant führten, da bei einem höheren Dienstgrad mit einer „Herabsetzung im Dienstgrad“ zu rechnen gewesen wäre.596 In einem internen Schreiben des AfNS mit dem Titel „Hinweise, Empfehlungen für künftige mögliche Arbeitsplätze“ wird die Zollver waltung an erster Stelle benannt, verbunden mit dem Hinweis, dass Fachschulkader als Unterkommissar und Hochschulkader als Kommissar eingestellt würden – und zwar unter „versorgungsrechtlich gleichen Bedingungen wie [ beim ] MfS“.597 Durch das Ministerium der Finanzen sollten dem Zoll die erforderlichen Besoldungsmittel zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelte es sich um Beträge von 14,5 Millionen Mark für den Monat Dezember 1989, 174,7 Millionen Mark für das Jahr 1990 sowie pauschal 46,5 Millionen Mark für „materiell - technische Aufwendungen“.598 Noch am Tag der Beschlussfassung dieses Plans wurde mit dessen Umsetzung begonnen.599 Die Zollverwaltung diente den ehemaligen MfS - Mitarbeitern also auch in der letzten Phase ihrer Existenz als „Deckmantel“ – wenn auch nicht in „politisch operativer“ Hinsicht, sondern in ganz konkreter : Durch ihre neue Identität als 595 Sitzungsmaterial des Ministerrates der DDR vom 21. 11. 1989 ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 552, Bl. 42). 596 Vgl. Schreiben der HA IX vom 21. 11. 1989 : Erfassung der Angehörigen der Diensteinheit, die Interesse bekunden, eine Tätigkeit beim Zoll aufzunehmen ( BStU, MfS, HA IX 13077, Bl. 2). 597 Schreiben des Leiters des AfNS an die Leiter aller Diensteinheiten vom 5. 12. 1989 : Hinweise, Empfehlungen für künftige mögliche Arbeitsplätze ( BStU, MfS, HA II 29900, Bl. 104). 598 Vereinbarung des Leiters der Zollver waltung der DDR mit dem Leiter des AfNS vom 21. 11. 1989 ( BStU, MfS, Sekr. Neiber 552, Bl. 39). 599 Vgl. Schreiben der HA IX vom 21. 11. 1989 : Erfassung der Angehörigen der Diensteinheit, die Interesse bekunden, eine Tätigkeit beim Zoll aufzunehmen ( BStU, MfS, HA IX 13077, Bl. 9).

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Zollmitarbeiter konnten die MfS - Mitarbeiter ihre ehemalige Zugehörigkeit zu dem in Auf lösung befindlichen Geheimdienst verschleiern.600 Generell wurde Ende 1989/ Anfang 1990 hektisch daran gearbeitet, die engen Bindungen des MfS zur Zollver waltung dauerhaft zu verheimlichen. Als eines der wenigen Dokumente, die ein solches Vorgehen konkret beschreiben, liegt ein Schreiben der Abteilung Operative Technik der BV des MfS Leipzig vom 16. November 1989 vor. Darin heißt es lapidar : „Das Objekt S 0285 wurde am 13. 11. 1989 an die Zollorgane der DDR übergeben. Die eingebaute Sicherungstechnik verbleibt im Objekt und wird von den [ sic !] obengenannten Organ übernommen. Betreuungs - und Wartungspflichten entstehen aus der Übergabe nicht.“601 Bei dem genannten „Objekt“ handelte es sich um die Räumlichkeiten der Abteilung Postzollfahndung des MfS, jener Abteilung, die wie kaum eine andere unter dem Deckmantel der Zollver waltung agierte und nun abgewickelt wurde. Neben „Objekten“ wurde mit der Übergabe und Übermittlung von „noch vorhandenem Material bzw. erarbeiteter Hinweise sowie von Erkenntnissen auf diesem Gebiet [ Kampf gegen Schmuggel und Spekulation ]“602 begonnen, um Aktivitäten zu verschleiern, für die das MfS nach offizieller Lesart nie zuständig war. In dem diesbezüglichen Schreiben heißt es daher auch ausdrücklich : „Es ist zu sichern, dass dabei keine Einmischung in die Zuständigkeit der [ Zollver waltung ] erfolgt bzw. [ deren ] Aufgaben oder Verantwortung [...] übernommen werden.“603 Zeitgleich begann man im MfS / AfNS mit der Entlassung von OibE – jenen Mitarbeitern, die ebenfalls für eine besonders enge Bindung zwischen Zoll und MfS standen.604 Ebenfalls in dieser Zeit wurde nicht nur im Staatssicherheitsdienst, sondern auch in der Zollver waltung mit der Vernichtung von Akten begonnen, die Rückschlüsse auf konkrete Verbindungen zuließen. Das beweist ein Schriftstück vom 4. Dezember 1989, aus dem her vorgeht, dass „formgebundene Weisungen der Zollver waltung und VD - Sachen – einschließlich der dazugehörigen Nachweiskarten [...] mittels Verkollerung vernichtet“605 wurden. Auch die Zeitzeugen Ottmar Berghoff, der bei der Zollfahndung beschäftigt war, oder Christian Singer, der damals im Stab der Bezirksver waltung Zoll Magdeburg tätig war, bestätigen die Vernichtung von Akten in der Zollver waltung : „Was das Vernichten der Akten betrifft, der ganzen Vorgänge betrifft, gab es nie offizielle Weisungen. Das ist von der Leitung der Zollverwaltung verfügt worden, dass die Akten 600 Vgl Kaderbefehl 172/89 des Leiters der Zollver waltung vom 28. 12. 1989 ( BArch, DL 203, Az 01–04–04, Ka. 165a ). 601 BVfS Leipzig, Abteilung OT, vom 16. 11. 1989 : Sicherungstechnik Abt. M im Objekt 7050 Leipzig, Rohrteichstraße 2, „Postzollfahndung“ ( BStU, MfS, BV Leipzig, Abt. OT 00046/03, Bl. 2). 602 Schreiben des Leiters des AfNS an die Leiter aller Diensteinheiten vom 5. 12. 1989 (BStU, MfS, HA II 29900, Bl. 103). 603 Schreiben des Leiters des AfNS an die Leiter aller Diensteinheiten vom 5. 12. 1989 (BStU, MfS, HA XVIII 3336, Bl. 38). 604 Grimmer / Irmler / Opitz / Schwanitz ( Hg.), Die Sicherheit, Band 1, S. 25. 605 Vernichtungsprotokoll der Abteilung Postzollfahndung vom 4. 12. 1989 ( BStU, MfS, Abt. M 42, Bl. 36).

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zu vernichten sind, die operativen Inhalt haben, das ist ganz klar. Das ist mannigfaltig gemacht worden. Ich hatte zu vernichten alle Unterlagen der Abteilung Zollrecht, Kaderabteilung, außer Personalakten und das war’s. Und das andere war im Ermessen der Leitung der Bezirksverwaltung. Bei uns hat sich das gut angelassen, nach drei Stunden hat der erste Schredder aufgegeben. Dann haben die Leute protestiert, die Zöllner protestiert und haben gesagt, das ist ’ne Schweinerei. Wir wollen in der neuen Ver waltung Fuß fassen und wollen uns bewerben. Und wir sollen ihnen was vorenthalten, ich mach das nicht mehr mit. Da hab ich gesagt, das find ich ’ne tolle Idee, neue Schredder hab ich nicht, mir persönlich ist das eh scheißegal, ich hab nichts zu verheimlichen.“606

Enthüllungen in der Öffentlichkeit Der Plan, die ehemaligen MfS - Mitarbeiter möglichst ohne großes öffentliches Aufsehen in den Zoll zu versetzen, scheiterte bereits, bevor er überhaupt endgültig beschlossen wurde. Am 17. November 1989 notierte ein Mitarbeiter der Abteilung VI der Bezirksver waltung für Staatssicherheit ( BVfS ) Leipzig folgende Information : „Unter Führungskadern der BV Zoll Leipzig wird zum Inter view des Leiters der BVfS Leipzig mit dem Sender Leipzig die Meinung vertreten, man könne zwar Mitarbeiter des MfS in die Zollver waltung integrieren, hätte dies aber nicht über das Radio äußern müssen, da dadurch auch der Ruf der Zollver waltung geschädigt werden könne. Im Binnenzollamt und weiteren Bereichen der BV Zoll Leipzig wird die Auffassung vertreten, dass der Zoll nun durch das MfS unter wandert werden soll, bis hin zu der Auffassung, dass die Zöllner direkt bespitzelt werden sollen.“607 Am 1. Dezember 1989 veröffentlichte die Zeitung „Die Zeit“ unter dem Titel „Stasi an den Schlagbaum“ ein Inter view mit Henry Otto, dem stellvertretenden Leiter der Zollfahndung in der DDR. Angesprochen auf die Frage, ob der akute Personalbedarf des Zolls auch mit ehemaligen Mitarbeitern des MfS gestillt werden solle, antwortete dieser : „Ein Teil der dort abgebauten Mitarbeiter wird sicher zum Zoll kommen. Woher sollen wir denn sonst die Leute hernehmen ?“608 Eine Diskussionsrunde im DDR - Fernsehen, an der auch der neue Leiter der Zollver waltung, Günther Arndt, teilnahm und bei der die Aufnahme von Stasi Mitarbeitern in den Zoll ebenfalls diskutiert wurde, ist zeitlich nicht exakt zu datieren. Stattdessen liegt aber die Aussage eines ehemaligen Zollmitarbeiters vor, die sich auf dieses Ereignis bezieht : „Jetzt sehe ich die noch in dieser Runde. Der Zoll muss verstärkt werden. [...] Das hob das Selbstbewusstsein natürlich auch ein bisschen. Da gab’s ne ganze Menge Veröffentlichungen, wie toll wir waren, was wir dort alles so feststellen. Dann hat der Arndt den blöden Satz geprägt – öffentlich – und da hab ich gesagt, der muss doch ’ne Meise haben: ‚Und da werden wir jetzt vom MfS Personal übernehmen, damit wir die Zollverwaltung personell stärken, damit wir die Grenze richtig sichern können.‘ Und das war der Anfang vom Ende. Dann kamen die nämlich auch. Dann wurden die auch bei uns im Zollfahn606 Zeitzeugengespräch mit Christian Singer am 31. 1. 2006. 607 Bürgerkomitee Leipzig ( Hg.), Stasi intern, S. 329. 608 Die Zeit vom 1. 12. 1989.

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dungsamt integriert aus dem MfS heraus. [...] Und das dauerte nicht lange, da ging nämlich ein Aufschrei durch die verschiedenen politischen Gruppierungen und durch die Medien. Es kann doch wohl nicht wahr sein [...] – ja ? Und dann mussten die wieder raus. [...] Und auf bestimmter Führungsebene, das kriegte man ganz schnell mit. Da haben Führungskräfte fünfzigtausend Mark [ als Abfindung ] gekriegt – pro Kopf. [...] Und da kriegte ich damals dann die kalte Wut als ich [ das ] mitkriegte.“609

Wende und Ende der Zollverwaltung Die Eingliederung der Stasi - Mitarbeiter in den Zoll verlief nicht ohne Spannungen. Der Entschluss wurde ausschließlich durch höchste Gremien gefasst. Die Leiter der Bezirksver waltungen hatten dabei keinerlei Mitsprache, ganz zu schweigen von den Kontrolleuren. Das bestätigt erneut Christian Singer: „Wir hatten überhaupt keine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen. Weder von der Anzahl her, noch von der Eignung her, gab es nicht. Und die Leute wurden eigentlich überall verteilt, sie kamen nur nicht in den Stab der Bezirksverwaltungen. Das blieb den Leitern der Bezirksverwaltungen überlassen. Wir haben sie dann verteilt an die Zollämter. [...] Es hat großen Frust bei meinen Leuten ausgelöst, es hat große Ängste ausgelöst bei meinen Leuten, weil die Stasi - Leute in der Regel besser ausgebildet waren. Sie waren zwar nicht gebildeter, sie waren auch nicht qualifizierter, aber sie hatten bessere Abschlüsse, das muss man schon sagen. Das führte zu Ängsten, wenn es denn so kommt, dass die DDR - Zollverwaltung, die beiden Staaten noch bestehen, dann booten die uns aus und irgendwann [...] werden wir noch entlassen. Das führte zu Frust.“610

Nachdem die Volkskammer am 1. Dezember 1989 den Führungsanspruch der SED aus der Verfassung gestrichen hatte, erklärte die SED auf einem Sonderparteitag vom 16. bis 17. Dezember 1989 ihren „Bruch mit dem Stalinismus“ und benannte sich in Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus ( SED - PDS ) um. In unmittelbarer Konsequenz dieser Ereignisse wurden die Parteiorganisationen aus der Zollver waltung herausgelöst. Am 15. Dezember 1989 beendeten die hauptamtlichen Parteisekretäre der Dienststellen und die Mitarbeiter des Lehrstuhls für Marxismus und Leninismus am Institut der Zollver waltung ihre Tätigkeit. Dieses Ereignis kann als der Zeitpunkt betrachtet werden, ab dem sich die Wende schließlich auch auf die Zollver waltung der DDR unmittelbar auswirkte. Ohne genaue Zahlen vor weisen zu können, gibt es grundsätzliche Hinweise, dass bis Januar 1990 ein erheblicher Teil der Zollmitarbeiter ihre Parteimitgliedschaft beendete.611 Zu Beginn des Jahres 1990 führte die Leitung der Zollver waltung auch neue Befehlsstrukturen ein. Die zentralistische Führung der Zollver waltung wurde abgeschafft, indem die Bezirksver waltungen des Zolls, die fortan Zolldirektionen hießen, die alleinige Zuständigkeit für die „operative Anleitung und Kontrolle“ innehatten.612 Der Bereich Kader und Ausbildung sowie das Sachgebiet Disziplinare Praxis wurden aufgelöst und stattdessen eine 609 610 611 612

Zeitzeugengespräch mit Ottmar Berghoff am 15. 6. 2004. Zeitzeugengespräch mit Christian Singer am 31. 1. 2006. Vgl. Potsdamer Bote vom 16. 11. 2003. Vgl. ebd.

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Abteilung Personalangelegenheiten gegründet, die dem neuen Leiter der Zollver waltung direkt unterstellt war.613 Innerhalb der Zollver waltung wurde der Ruf nach einer „von Parteien, Bewegungen und Staat unabhängigen Einzelgewerkschaft der Zöllner, Zivilbeschäftigten und Veteranen“614 laut.615 Ab Januar 1990 gab eine neu gegründete Arbeitsgruppe Medien - und Öffentlichkeitsarbeit ein „Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR“ heraus, das die Zöllner künftig über aktuelle und sie interessierende Fragen informieren sollte. Darin wurde angekündigt, dass die neue Leitung der Zollver waltung die weitere Eingliederung von ehemaligen Stasi Mitarbeitern in die Reihen des Zolls stoppen würde. Bis zum 10. Januar 1990 wurden insgesamt 2 056 MfS - Kader eingestellt, weitere 662 Bewerbungen befanden sich in abschließender Bearbeitung.616 Zu der ursprünglich vorgesehenen Einstellung von 7 000 MfS - Mitarbeitern kam es nicht mehr. Der Bruch mit der eigenen Vergangenheit lässt sich unter anderem auch daran ablesen, dass sich die Zollver waltung im Februar 1990 ein völlig neues Selbstbild verordnete. Die Leitung der Zollver waltung hatte eine „Konzeption zum Antlitz und zu den Aufgaben der Zollverwaltung in einer erneuerten DDR“ erarbeitet.617 Darin gestanden die Führungskader erstmals ein, dass das Zollwesen der DDR aufgrund eines forcierten Sicherheitsdenkens in der DDR immer stärker in eine Rolle gedrängt wurde, „die von international üblichen Zollaufgaben abwich“.618 Zugleich erforderten die sich jetzt abzeichnenden Konturen der Reform des politischen Systems, der raschen Annäherung der beiden deutschen Staaten und der Wirtschafts - und Ver waltungsreform eine grundlegende Neubestimmung – auch des Zollwesens. Die Zollver waltung der DDR sollte strukturell und aufgabenbezogen an die Zollsysteme westlicher Staaten angepasst werden. Neben der Erhebung von Zöllen sollte die Bekämpfung des Suchtmittel - und Kulturgutschmuggels in den Mittelpunkt der Tätigkeit rücken. Der Beitritt der DDR zum Brüsseler Zollrat wurde angestrebt, ebenso wollte die Zollver waltung künftig alle international üblichen Zollkonventionen der UNO erfüllen.619 Ein dafür notwendiges neues Zollgesetz befand sich in der Entwicklung. Unterstrichen wird in der Konzeption ebenfalls, dass die Zollver waltung künftig einen grundsätzlich zivilen Charakter haben sollte. Das hatte auch Konsequenzen für die zukünftige Personalpolitik : „Die Zollver waltung steht jedem Bürger der DDR, unabhängig seiner weltanschaulichen oder von anderen Posi613 Vgl. Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR, 01/90, Bl. 2 ( Archiv Plessow ). 614 Ebd. 615 Am 3. März 1990 wurde schließlich eine unabhängige „Gewerkschaft der Zöllner“ der DDR gegründet. Vgl. Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR, 06/90, Bl. 2 ( Archiv Plessow ). 616 Vgl. Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR, 01/90, Bl. 3 ( Archiv Plessow ). 617 Vgl. Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR, 02/90, Bl. 1 ( Archiv Plessow ). 618 Ebd., Bl. 2. 619 Vgl. ebd., Bl. 6.

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tionen offen; erforderlich ist einzig Verfassungstreue.“620 Aus „Mitarbeitern der bewaffneten Kräfte“ sollten innerhalb weniger Monate Beamte werden. Am 18. März 1990 fanden die ersten freien Volkskammerwahlen in der DDR statt. Die Allianz für Deutschland – ein Zusammenschluss aus Christlich - Demokratischer Union ( CDU - Ost ), Deutscher Sozialer Union ( DSU ) und Demokratischem Aufbruch ( DA ) – konnte dabei 48,15 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen. Damit war eine rasche Wieder vereinigung der beiden deutschen Staaten besiegelt. In Konsequenz dessen wurden dem DDR - Zoll westdeutsche Berater zur Seite gestellt, um den Zusammenschluss mit der Bundeszollver waltung vorzubereiten. Zur Vorbereitung der staatlichen Einheit gehörte auch die Unterstellung der Zollverwaltung unter das Ministerium für Finanzen und Preise, die mit Wirkung vom 10. April 1990 vollzogen wurde.621 In Vorbereitung der Wirtschafts - , Währungs - und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR ab dem 1. Juli 1990 wurde zeitgleich mit dem Aufbau neuer örtlicher Zolldienststellen in der DDR begonnen. Sie glichen in ihrer Struktur denen der alten Bundesrepublik. Künftig gab es auf dem Gebiet der DDR 21 Hauptzollämter, zu denen 92 Binnenzollämter und 20 Zollkommissariate mit 107 Grenzaufsichtsstellen gehörten. Insgesamt waren dafür 7 300 Planstellen veranschlagt. An den sechs künftigen Zollfahndungsämtern, den sechs zugeordneten Zweigstellen und einem zentralen Zollfahndungsamt war ein Personalbestand von ca. 500 Mitarbeitern vorgesehen. Der künftige Bedarf an Mitarbeitern lag also deutlich unter der damals aktuellen Personalstärke. Insbesondere an den Grenzzollämtern der innerdeutschen Grenze, an den Postzollämtern, den Bezirksver waltungen und in der Hauptver waltung musste Personal abgebaut werden. Alle bisherigen Zollmitarbeiter konnten sich um eine Einstellung unter den neuen Bedingungen bewerben. Zudem wurde ihnen auch angeboten, sich um eine Anstellung bei den ca. 140 neu zu bildenden Finanzämtern auf dem Gebiet der DDR zu bewerben.622 Unzweifelhaft hatte sich die DDR - Zollver waltung bis zum Frühjahr 1990 innerhalb kürzester Zeit gewandelt. Eine wirkliche Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, die das ganze Ausmaß der Verstrickung mit der Staatssicherheit aufzeigte, fand aber bis zur Wieder vereinigung nicht mehr statt. Beispielhaft für die Verkennung der Tatsachen ist die Reaktion leitender Zollmitarbeiter auf einen Artikel der Berliner Zeitung vom 26. April 1990. Unter der Überschrift „Die Stasi bediente sich auch in der Kartei des Zolls“ wurde die Öffentlichkeit erstmals über die enge Verbindung zwischen Zoll und MfS informiert.623 Auch wenn das darin geschilderte Ausmaß der Unter wanderung und Instrumentali620 Ebd., Bl. 10. 621 Vgl. Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollverwaltung der DDR, 08/90, Bl. 1 ( Archiv Plessow ). 622 Vgl. Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR, 09/90, Bl. 1–4 ( Archiv Plessow ). 623 Berliner Zeitung vom 26. 4. 1990.

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Der Weg in den Untergang

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sierung bei Weitem noch nicht dem entsprach, wie es in der vorliegenden Arbeit aufgezeigt wurde, wiesen Führungskader die Vor würfe in einer Stellungnahme weit von sich. Eine Weitergabe von Informationen an das MfS hätte nur bei Feststellungen mit Rauschgift, Waffen, Munition und anderen Rechtsverletzungen stattgefunden.624 „Wir vermissen in diesem Bericht auch Aussagen zu dem neuen Antlitz und zu den neuen Aufgaben der Zollver waltung. [...] Die Chance, sich ehrlich den neuen Aufgaben zu stellen, sollte jedem Zöllner zugebilligt werden – auch durch unsere Presse.“625 Am 3. Oktober 1990 wurden schließlich gemäß Artikel 13 Absatz 2 des Einigungsvertrages ca. 7 600 Beschäftigte der DDR - Zollver waltung in die bundesdeutsche Zollver waltung übernommen.626 Vor der Übernahme musste jeder ehemalige DDR - Zöllner einen Fragebogen ausfüllen, in dem er ausführlich zu seinem persönlichen und beruf lichen Werdegang Auskunft zu geben hatte. Auch die Frage nach einer eventuellen Tätigkeit beim MfS / AfNS wurde gestellt. Wer haupt - oder nebenamtlich für dieses Amt tätig gewesen war, wurde nicht eingestellt bzw. fristlos entlassen. Zusätzlich zu der Fragebogenaktion wurde beim „Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes“ ein Datenabgleich zwischen Gehaltszahlungsdisketten der DDR - Zollver waltung und des MfS / AfNS durchgeführt. Wenn sich ein daraus ergebender Verdacht auf eine frühere Stasi - Tätigkeit bestätigte, erfolgte auch in diesen Fällen eine fristlose Kündigung. Dagegen behielt sich der Bundesminister der Finanzen „die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung von früheren Angehörigen des MfS / AfNS [ vor ], soweit nicht wegen Art und Dauer der Tätigkeit von vornherein ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar war. [...] Hierbei handelt es sich um Fälle geringer Verstrickung. Diese Personen haben z. B. nur ihren Wehrdienst in den Wacheinheiten des MfS abgeleistet oder rein handwerkliche Tätigkeiten ohne nachrichtendienstlichen Bezug ausgeübt.“627 Ehemalige Passkontrolleure des MfS durften grundsätzlich nicht in die Bundeszollver waltung übernommen werden.628 Dennoch erhielten bereits in den ersten 10 Monaten nach der Wieder vereinigung ca. 1 200 übernommene DDRZöllner aufgrund persönlicher Verstrickungen mit dem MfS ihre Kündigung.629 Nachdem am 29. Dezember 1991 das Stasi - Unterlagen - Gesetz in Kraft trat und die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik regulär ihre Tätigkeit aufnahm, dürfte sich diese Zahl noch weiter erhöht haben.

624 Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR, 10/90, Bl. 3 ( Archiv Plessow ). 625 Ebd. 626 Vgl. Deutscher Bundestag ( Hg.), 12. Wahlperiode, Drucksache 12/1080, S. 23. 627 Deutscher Bundestag ( Hg.), 12. Wahlperiode, Drucksache 12/1176, S. 27. 628 Vgl. ebd. 629 Vgl. Deutscher Bundestag ( Hg.), 12. Wahlperiode, Drucksache 12/1080, S. 23.

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VII. Schlussbetrachtung Wie in der Untersuchung herausgearbeitet werden konnte, war die Zollver waltung der DDR für verschiedenste Aspekte der „politisch - operativen Arbeit“ des Ministeriums für Staatssicherheit von großer Bedeutung. Der hohe Nutzen des Zolls für das MfS ergab sich aus den Aufgaben, die der Zollver waltung übertragen wurden, den damit verbundenen materiellen Ressourcen und insbesondere den zollrechtlichen Befugnissen. Der DDR - Zoll agierte in zahlreichen sicherheitsrelevanten Bereichen und war damit ein integraler Bestandteil des Sicherheitsapparates der SED - Diktatur. Er fungierte als wichtiger Teil des Kontroll - und Abfertigungsregimes an den Grenzübergangsstellen der DDR, kontrollierte die Transitwege zwischen der Bundesrepublik und Westberlin und über wachte den gesamten internationalen Paket - und Päckchenverkehr. Darüber hinaus war er als Untersuchungsbehörde mit der Aufklärung von Straftaten betraut. Zu den Aufgabenstellungen der Zollverwaltung insgesamt gehörte die Verhinderung der sogenannten politisch - ideologischen Diversion, die Zurückdrängung der „politischen Untergrundtätigkeit“ und – vor allem – die Verhinderung von „ungesetzlichen Grenzübertritten“. Diese globalen Aufgabenstellungen unterschieden sich kaum von denen anderer „Sicherheitsorgane“. Doch anders als das MfS, Volkspolizei und NVA war die Zollver waltung laut „offizieller“ Gesetzeslage vor allem für die Kontrolle des internationalen Waren - und Devisenverkehrs zuständig und eben nicht mit geheimdienstlichen, polizeilichen oder militärischen Funktionen betraut. Dies machte sich die Staatssicherheit zu Nutze. Sie nutzte die Zollver waltung als Deckmantel und schöpfte dafür sowohl die materiellen Ressourcen als auch die rechtlichen Befugnisse der Zollver waltung voll aus. Speziell geschulte Zollkontrolleure durchsuchten mittels hochentwickelter Kontrolltechnik Personen, Fahrzeuge, Gepäckstücke, Päckchen und Pakete entweder im Auftrag des MfS oder meldeten ihre Kontrollergebnisse der Staatssicherheit. Zollfahnder und Zollermittler, allesamt hochspezialisierte Kriminalisten, beobachteten und befragten Personen niemals ohne Kenntnis der Staatssicherheit. Alle Datenspeicher der Zollver waltung waren für sämtliche Diensteinheiten des MfS zugänglich. Eine Zusammenarbeit zwischen Institutionen, die mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eines Landes betraut sind, ist zunächst nicht weiter ungewöhnlich. Im Falle des MfS und der Zollver waltung erfolgte diese Zusammenarbeit jedoch nicht unter den Bedingungen der Gewaltenteilung, wie sie in demokratischen Rechtsstaaten üblich ist, sondern unter den Bedingungen einer Diktatur. Zwar waren auch in der DDR Legislative, Exekutive und Judikative formal voneinander getrennt, letztendlich aber fielen Gesetzgebung, Regierung und Rechtssprechung in die Hände einiger weniger Spitzenfunktionäre im Politbüro und im Sekretariat des ZK der SED. In der 40 - jährigen Geschichte der DDR zeigte sich diese Diskrepanz zwischen Schein und Sein einmal mehr, einmal weniger deutlich. Ereignisse wie die Niederschlagung des

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Schlussbetrachtung

Volksaufstands vom 17. Juni 1953 und der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 offenbarten am deutlichsten die totalitären Züge des Regimes. Spätestens ab den 1970er Jahren – im Zuge der weitgehenden internationalen Anerkennung der DDR sowie der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung mit westlichen Staaten – war die Staatsführung mehr und mehr gezwungen, ihrer Herrschaftsform und Herrschaftspraxis einen „demokratischen Anstrich“ zu geben. Es kam „zu einem Umschwung vom offenen Justizterror zu einem formalisierten Scheinrecht“.1 Auch das MfS sollte möglichst unauffällig hinter einer rechtsstaatlichen Fassade agieren. Unter diesen Bedingungen war die Zollver waltung der DDR von erheblicher Bedeutung für die „politisch - operative Arbeit“ des Geheimdienstes. Der DDR - Zoll verfügte über spezifische rechtliche Befugnisse, die aus dem Zollgesetz der DDR her vorgingen, um die ihm übertragenen Aufgaben erfüllen zu können. Darunter fiel das Recht zur Prüfung und Beschlagnahme von Waren sowie zur Befragung und Vernehmung von Personen. Die Staatssicherheit konnte ihre geheimdienstlichen Arbeitsweisen mit den zolldienstlichen Befugnissen ergänzen und kombinieren und somit die „politisch- operativen Möglichkeiten“ erheblich ausweiten.2 Die Funktion als verlängerter Arm der Staatssicherheit wurde der Zollverwaltung seitens der SED - Führung nicht von Beginn an zugeschrieben, sondern bildete sich ebenso schrittweise heraus, wie die Stellung des MfS als primus inter pares bei den „Sicherheitsorganen“. Zunächst wurde damit begonnen, die Führungsspitze des Zolls mit SED - treuen Kadern zu besetzen. Parallel dazu weitete sich das Aufgabenspektrum des Zolls mit der Übernahme grenzpolizeilicher Funktionen und der Kontrolle des Paket - und Päckchenverkehrs ab Ende der 1950er Jahre erheblich aus. In dieser Phase setzte dann auch die systematische Unter wanderung des Zolls durch das Ministerium für Staatssicherheit ein. Ein erster bedeutender Schritt in diese Richtung war mit der Versetzung des OibE Gerhard Stauch in das Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs gemacht, der ab Juni 1958 zunächst als Stellvertreter des Leiters, ab April 1961 als Leiter eingesetzt wurde. Die größte Zäsur im Verhältnis zwischen Zoll und Staatssicherheit ging aber einher mit dem Bau der Berliner Mauer und der damit verbundenen endgültigen Abschottung der DDR gegenüber dem Westen. Zentrale Tätigkeitsfelder des Zolls rückten dadurch so nah an das erweiterte Aufgabenspektrum des MfS heran, dass sie gänzlich oder teilweise der Staatssicherheit übertragen wurden. So übernahmen nach Gründung der Zollverwaltung im Jahr 1962 Passkontrolleinheiten des MfS die Fahndung und Identitätsprüfung an den Grenzübergangsstellen der DDR. Mit Gründung der Abteilung Postzollfahndung und der Abteilung Zollermittlung besaß die Staatssicherheit zudem eigene Diensteinheiten innerhalb der Zollver waltung, die mit der Paket - und Päckchenkontrolle bzw. mit Fahndungs - und Ermittlungstätigkeiten betraut waren. Das Personal dieser MfS - Abteilungen bestand zu Beginn in weiten Teilen aus ehemaligen Zollangehörigen. 1 2

Vgl. Gauck / Neubert, Aufarbeitung des Sozialismus, S. 868. Vgl. Kreck, Abteilung Zollfahndung, S. 49 ( BStU, MfS JHS MF / VVS /303/82).

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Die große Bedeutung der Zollver waltung für die „politisch - operative Arbeit“ der Staatssicherheit wird zudem an dem Umstand deutlich, dass sich das MfS nicht mit der Übernahme einzelner Aufgabenbereiche begnügte, sondern den gesamten Zoll nahezu vollständig kontrollierte.3 Spätestens ab Ende der 1970er Jahre waren fast alle wichtigen Führungspositionen in der Hauptver waltung, den Bezirksver waltungen und den Zollämtern durch OibE bzw. IM besetzt. Das Prinzip der Einzelleitung garantierte, dass den Anweisungen der MfS - Mitarbeiter in Zolluniform Folge geleistet wurde. Neben operativen Fragen bestimmte das MfS auch die Personalpolitik der Zollver waltung. Die Auswahl wie auch die Aus - und Weiterbildung erfolgte ebenso im Sinne des MfS wie das gesamte Disziplinargeschehen. Grundlegende Orientierungen zu all den genannten Aspekten waren in den Befehlen, Ordnungen und Dienstanweisungen des Leiters der Zollverwaltung festgeschrieben, die allesamt mit dem MfS abgestimmt und gegebenenfalls durch das MfS vorgegeben wurden. Die enge Verflechtung zwischen dem Zoll und dem „Schild und Schwert der Partei“ erforderte ein hohes Maß an „Konspiration“. Weder die Zollmitarbeiter selbst, noch außenstehende Personen sollten davon Kenntnis erlangen. Die hohen Anforderungen an die innere Sicherheit im Personalbestand des Zolls erklären sich dadurch, dass gerade die Funktion des Zolls als Deckmantel von herausragender Bedeutung für die „politisch - operative Arbeit“ der Staatssicherheit war. Nur wenn gewährleistet werden konnte, dass der Zoll im Sinne des MfS agierte, ohne dabei seine Verflechtung mit dem Geheimdienst preiszugeben, konnten die Potenziale der Zollver waltung voll ausgeschöpft werden. Eine weitere Erklärung für die umfassende Kontrolle und Über wachung des Personalbestands ist darin zu sehen, dass die Staatssicherheit stets ein Eindringen „feindlicher Kräfte“ in die eigenen Reihen über Mitarbeiter der Zollver waltung befürchtete. Die Zöllner waren mehr als alle anderen „bewaffneten Kräfte“ den Einflüssen des Westens unmittelbar ausgesetzt. Tag für Tag kamen sie mit Reisenden in Kontakt, kontrollierten westliche Druckerzeugnisse, Bild - und Tonträger und sonstige Produkte des „Klassengegners“. Über den Zoll konnte die Staatssicherheit diesen Umstand für die eigene Arbeit nutzen und zugleich die Geheimhaltung der eigenen Strukturen gewährleisten. Sollte ein Kontrolleur trotz aller Vorsichtsmaßnahmen den Einflüssen der westlichen „politisch - ideologischen Diversion“ erliegen oder in anderer Form die innere Sicherheit gefährden, so wurde dieser in der Regel entlassen. Die Sicherung des Personalbestandes der Zollver waltung durch das MfS hatte einen nicht zu unterschätzenden negativen Effekt, der sich erst in einem latenten, dann in einem akuten Personalmangel der Zollver waltung ausdrückte. Gerade der akute Personalmangel war jedoch der entscheidende Faktor, der eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Zollver waltung zur Folge hatte und 3

Vgl. HA VI des MfS vom 15. 11. 1977 : Konzeption zur weiteren Nutzung der Möglichkeiten der Zollver waltung der DDR für das Erkennen von gegnerischer Kontakt - und Stützpunktaktivität, von politischer Untergrundtätigkeit und konterrevolutionären Aktivitäten in der DDR ( BStU, MfS, HA VI 14808, Bl. 11–20).

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eine verstärkte Sicherung des Personalbestands bedingte. Diese Situation lässt sich als Dilemma bezeichnen, denn in der Tat hatte die Staatssicherheit letztlich nur die Wahl zwischen zwei Übeln. Abstriche bei den Kriterien zur Auswahl und Überprüfung des Mitarbeiterbestandes der Zollver waltung bargen die Gefahr, dass geheime Informationen des MfS bekannt werden konnten und die Zollver waltung ihre Aufgaben nicht im Sinne des MfS erfüllte. Eine verstärkte Sicherung des Personalbestands und der daraus her vorgehende Personalmangel erzielten letzten Endes jedoch den selben Effekt. Trotz der Tatsache, dass sich die Arbeits - und Lebensbedingungen für Zollkontrolleure stetig verschlechterten, kam es bis in die Zeit der Friedlichen Revolution hinein zu keinen offen ausgetragenen Formen des Protests im Mitarbeiterbestand. Der DDR - Zoll blieb auch in der letzten Phase seiner Entwicklung Deckmantel, Handlanger und Erfüllungsgehilfe der Staatssicherheit. Allerdings ist zu beobachten, dass die Leitung der Zollver waltung zunehmend den Bezug zur Realtität verlor. Wie führende Kreise der Staatssicherheit und SED hielt auch die Zollnomenklatur bis zuletzt an der kommunistischen Ideologie fest. Die Lagebeurteilungen im Zoll basierten auch während der krisenhaften und revolutionären Prozesse Ende der 1980er Jahre auf den Prämissen, das eigene System sei dem der westlichen Staaten grundsätzlich überlegen und jede Form des Protests innerhalb der Gesellschaft sei als konterrevolutionär einzustufen. Viele Zollmitarbeiter der unteren und mittleren Ebene schätzten die Situation wesentlich realistischer ein. System - und selbstkritische Äußerungen kamen aus diesem Kreis dennoch erst auf, als sich das gesamte diktatorische Regime, allen voran die SED und das MfS, bereits in Auf lösung befand. Damit bestätigt sich erneut, wie eng die Zollver waltung als herrschaftssicherndes und herrschaftsausübendes Instrument mit der Partei und ihrem Geheimdienst verbunden war. Mit der Beantwortung der zentralen Fragestellung und der Untersuchung des Verhältnisses zwischen der Zollver waltung und dem Ministerium für Staatssicherheit wurden beide Einrichtungen von einer bisher weitgehend unbekannten Seite beleuchtet. Zwar gilt die Erkenntnis als allgemein gesichert, dass das MfS über OibE und IM in zentrale staatliche Stellen – insbesondere in sicherheitsrelevante Bereiche und Einrichtungen – eindrang. Am Beispiel des DDR Zolls konnte jedoch erstmals umfassend aufgezeigt werden, wie die systematische Infiltration konkret erfolgte. Entsprechend dürfte der Grad der Unter wanderung durch die Staatssicherheit im Falle der Zollver waltung ungleich größer gewesen sein als bei den anderen „bewaffneten Organen“. Die Existenz von Diensteinheiten wie der Postzollfahndung und der Zollermittlung, die sowohl in der Struktur des Zolls als auch des MfS auftauchten, sowie die nahezu vollständige Besetzung der Kadernomenklatur des Zolls durch Mitarbeiter der Staatssicherheit verdeutlichen, dass die Grenzen zwischen beiden Einrichtungen verwischten. Der Zoll hatte seine personelle und operative Eigenständigkeit verloren und sämtliche Entscheidungsgewalt an das MfS abgetreten. Bei einer umfassenden Beschreibung der „politisch-operativen Arbeit“ der Staatssicherheit muss daher die Zollverwaltung der DDR gebührende Beachtung finden.

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VIII. Anhang 1.

Wer war wer im DDR - Zoll ? – Kurzbiographien von Spitzenfunktionären

Anhand von Arbeits - und Personalakten des MfS lassen sich die Eckpfeiler der Lebensläufe wichtiger Führungskräften der Zollver waltung rekonstruieren, die im Folgenden kurz vorgestellt werden.

Gerhard Stauch – Leiter der Zollverwaltung Gerhard Stauch wurde am 21. Mai 1924 als Sohn eines Schlossers in Halle an der Saale geboren. Von 1931 bis 1939 besuchte er die Volksschule. Von 1938 bis 1942 war Stauch als Oberkameradschaftsführer bei der Hitlerjugend aktiv.1 Nach Abschluss der 8. Klasse absolvierte der spätere Leiter der Zollver waltung bei der örtlichen Firma Weise und Söhne eine Berufsausbildung zum Dreher, die er im April des Kriegsjahres 1942 abschloss. Er war etwa sechs Monaten in seinem Beruf tätig, dann erfolgte die Einberufung zur Deutschen Wehrmacht. Stauch war zunächst in Frankreich stationiert, später kämpfte er an der Ostfront gegen die Rote Armee. Ohne in Gefangenschaft geraten zu sein, kehrte Stauch nach Kriegsende wieder zurück nach Halle. Es folgten Monate ohne feste Arbeit. Nach seinem Eintritt in die KPD am 1. August 1945 änderte sich die Situation.2 Stauch wurde zunächst als Hilfsarbeiter der Allgemeinen Krankenkasse eingesetzt, wenig später Jugendreferent des Magistrats der Stadt Halle, anschließend Jugendsekretär des FDJ - Kreisvorstands Halle. Die Grundlagen für seine politische Karriere waren gelegt. Von Oktober 1946 bis Februar 1949 betätigte er sich als Sekretär des SED - Kreisvorstands Halle, im Anschluss daran studierte er an der SED - Parteihochschule „Karl - Marx“ in Klein - Machnow.3 Zum 1. Januar 1951 erfolgte die Einstellung beim Ministerium für Staatssicherheit als „Abteilungsleiter Agitation und Propaganda“ der HA Politkultur des MfS in Berlin. Drei Jahre darauf wurde Stauch als OibE und Leiter der Politischen Abteilung der Transportpolizei eingesetzt. 1957 erfolgte seine Versetzung in das Ministerium des Inneren, wo er als Instrukteur für Politische Kultur arbeitete. 1959 wurde er erneut als Offizier im besonderen Einsatz geführt, zunächst als erster Stellvertreter des Leiters, ab 1963 schließlich als Leiter der Zollver waltung.4 Stauch übte sein Amt unangefochten aus, bis er sich schließlich Ende des Jahres 1989 in den Ruhestand begab. In den Beurteilungen zu seiner geleisteten Arbeit wurden Gerhard Stauch große Verdienste für das MfS zugesprochen. So heißt es etwa am 2. Dezember 1970 in einem Bericht des Leiters der HA VI des MfS, Heinz Fiedler :

1 2 3 4

Vgl. MfS - Personalakte Gerhard Stauch, Kurzbiographie vom 13. 10. 1969 ( BStU, MfS, KS 9500/90, Bl. 41). Vgl. MfS - Personalakte Gerhard Stauch, Vorschlag zur Auszeichnung mit der Verdienstmedaille der NVA in Silber, o. D. ( ebd., Bl. 29). Vgl. MfS - Personalakte Gerhard Stauch, Aktenvermerk vom 3. 6. 1959 ( ebd., Bl. 17). Vgl. Wer war wer, S. 968.

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„Genosse Gerhard Stauch ist ein langjähriger Offizier im besonderen Einsatz in den Reihen der Zollverwaltung der Deutschen Demokratischen Republik und seit September 1961 als Leiter der Zollver waltung tätig. Das Ministerium für Staatssicherheit hat viele, äußerst enge Berührungspunkte mit der Leitung sowie den Angehörigen der Zollverwaltung der DDR und eine Vielzahl operativer Maßnahmen, vor allen Dingen bei der Lösung von Sicherheitsaufgaben im grenzüberschreitenden Reise - und Güter verkehr, sind nur gemeinsam zu lösen. Vor allem seit Beginn des Jahres 1970 konnte mit der Leitung der ZV [ Zollverwaltung ] und seinem Leiter, Genossen Stauch, ein enges, prinzipielles auf die Lösung von Sicherheitsaufgaben gerichtetes Zusammenwirken erreicht werden. Diese Übereinstimmung der Interessen und Aufgaben führte zu sichtbaren Erfolgen im Kampf gegen den Feind, wobei Genosse Stauch rückhaltlos seine Unterstützung für die Belange des MfS in den Diensteinheiten der Zollverwaltung durchsetzte. Er trägt daran maßgeblichen Anteil und diese Haltung, Einstellung und das Handeln des Genossen Stauch sind Voraussetzung für weitere gemeinsame Erfolge im Kampf gegen den Feind.“5

Unter der Leitung von Stauch wurde ein neues Schulungs - und Ausbildungssystem in der Zollver waltung eingeführt. „Die Mitarbeiter der Zollver waltung wurden dadurch erzogen und befähigt, die oft komplizierten Aufgaben in den verschiedenen politischen Situationen mit guter Qualität und in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Organen des MfS zu lösen.“6 In seinen 38 Dienstjahren beim MfS wurden Stauch 39 Orden, Auszeichnungen und Prämien zugesprochen. Dazu gehörten die Verdienstmedaillen in Gold der Zollver waltung, der NVA, des Ministeriums des Innern sowie der Deutschen Post, der Kampforden in Gold und der Vaterländische Verdienstorden in Gold.7

Hans Bonow – Leiter der Abteilung Zollermittlung Hans Bonow wurde am 8. Juli 1937 in Stettin geboren. Von 1944 bis 1952 besuchte er die Volksschule, im Anschluss folgte die Lehre als Sattler und Polsterer in Pasewalk, die er 1955 abschloss. Aufgrund familiärer Probleme wollte Bonow das Elternhaus verlassen und ging freiwillig zur Volksmarine.8 Dort ließ er sich bis 1958 zum Funker ausbilden. Am 1. Februar 1959, im Alter von 21 Jahren, kam er zum Zoll. Von 1959 bis 1967 war er als Sachbearbeiter in der Hauptver waltung des Zollfahndungsdienstes eingesetzt und an der „Bekämpfung von Organisationssendungen“ im Postverkehr beteiligt. In dieser Zeit folgten zwei Semester Abendstudium an der Humboldt Universität in der Fachrichtung Kriminalistik und Strafrecht, anschließend weitere Qualifizierungslehrgänge in dieser Fachrichtung an der Mittleren Polizeischule Aschersleben. Von 1967 bis 1971 absolvierte er an der Humboldt Universität ein Fernstudium im Bereich Kriminalistik. Währenddessen wurde Bonow aus dem Zoll herausgelöst und unter anderem als Leiter des Referates Analytik in der 5 6 7 8

MfS - Personalakte Gerhard Stauch, Vorschlag zur Auszeichnung mit der Medaille für Waffenbrüderschaft in Gold vom 2. 12. 1970 ( BStU, MfS, KS 9500/90, Bl. 34). MfS - Personalakte Gerhard Stauch, Vorschlag zur Auszeichnung mit dem Kampforden für Verdienste an Volk und Vaterland vom 24. 8. 1973 ( ebd., Bl. 48). Vgl. MfS - Personalakte Gerhard Stauch, Zusammengefasste Auskunft vom 27. 8. 1981 (ebd., Bl. 7 f.). Vgl. MfS - Personalakte Hans Bonow, Abschlussbericht zum Kader vorschlag vom 12. 12. 1967 ( BStU, MfS, KS 8976/90, Bl. 30).

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Wer war wer im DDR-Zoll?

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Abteilung Auswertung und Information direkt in der Hauptabteilung VI eingesetzt. Seit dem Jahr 1975 leitete Bonow die Abteilung Zollermittlung. Bereits zwei Jahre darauf wurde er in die Kaderreser ve für die Dienststellung „Stellvertreter des Leiters der Zollver waltung“ aufgenommen – ein Indiz dafür, dass er zu den bedeutsamsten Akteuren der Zollver waltung gezählt werden kann.9 In einer Beurteilung vom 14. August 1987 kommt der Leiter der HA VI / Abteilung Zoll - Abwehr, Oberstleutnant Tauschke zu folgender Einschätzung : „Genosse Bonow ist stets bemüht die Interessen im Einsatzobjekt zu erfüllen, die relevanten Informationen und Materialien zu erarbeiten bzw. zu bestimmen und aktuell übertragene Aufgaben zu lösen. Er bemüht sich um einen ständigen Kontakt mit den für das Zusammenwirken verantwortlichen Angehörigen des MfS. Genosse Bonow ist der Partei und dem MfS treu ergeben. Er hat zur Tätigkeit im Einsatzobjekt die erforderliche konstruktive Einstellung. Er verfügt über ein gefestigtes politisch - ideologisches Bewusstsein und über gute marxistisch - leninistische Kenntnisse. Er ist langjährig gewähltes Mitglied der Leitung der Grundorganisation bzw. jetzt Mitglied der Zentralen Parteileitung der Parteiorganisation im Einsatzobjekt.“10

Bonow war seit Juli 1960 Mitglied der SED. Er war unter anderem Gruppenorganisator sowie APO - Sekretär.11 Seit November 1966 war Bonow inoffizieller Mitarbeiter.12 Seit dem 1. Februar 1968 wurde er als OibE der HA VII, seit dem 1. Januar 1970 als OibE der HA VI des MfS tätig.13 Zu seinen Auszeichnungen zählen die Verdienstmedaille der DDR und die Verdienstmedaille der NVA in Gold.14

Hans - Ulrich Vüllmow – Leiter der Abteilung Transitüberwachung im Zollfahndungsdienst Hans - Ulrich Vüllmow wurde am 7. Juli 1937 in Patzig auf Rügen geboren. Er entstammt einer Kaufmannsfamilie. In den Jahren 1943 bis 1951 ging er in seinem Heimatort zur Grundschule. Nach Abschluss der 8. Klasse arbeitete er für ein Jahr auf der elterlichen Neubauernstelle und begann eine Ausbildung zum Landwirt, die er dann aber abbrach. Von 1952 bis 1955 erlernte er in Bergen auf Rügen schließlich den Beruf des Betriebs - und Verkehrseisenbahners. Von 1955 bis 1957 verpflichtete er sich freiwillig für den Dienst bei der Kasernierten Volkspolizei in Rostock. Anschließend kam er zum Zoll und arbeitete zunächst als Kontrolleur am GZA Saßnitz. 1960 und 1962 besuchte er Lehrgänge im Bereich Kriminalistik an der Mittleren Polizeischule Aschersleben. Anschließend arbeitete Völlmow als Sachgebietsleiter der Abteilung Zollfahndung in der BV Rostock. Zwischen 1966 und 1969 erlangte er an der Volkshochschule Rostock die Hochschulreife und wechselte anschließend als Sachgebietsleiter in die Abteilung Zollfahndung der Hauptver wal9 Vgl. MfS - Personalakte Hans Bonow, Kadergespräch ( Protokoll ) der Zollver waltung der DDR, Abteilung Kader, vom 22. 9. 1977 ( ebd., Bl. 87). 10 MfS - Personalakte Hans Bonow, Beurteilung vom 14. 8. 1987 ( ebd., Bl. 96). 11 Vgl. MfS - Personalakte Hans Bonow, Zusammengefasste Auskunft vom 1. 1. 1970 ( ebd., Bl. 10). 12 Vgl. Kaderkarteikarte Hans Bonow ( BStU, MfS ). 13 Vgl. MfS - Personalakte Hans Bonow, Zusammengefasste Auskunft vom 1. 1. 1970 ( BStU, MfS, KS 8976/90, Bl. 6). 14 Vgl. Kaderkarteikarte Hans Bonow ( BStU, MfS ).

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tung. Er absolvierte schließlich ab 1970 an der Humboldt Universität ein Fernstudium an der Sektion Kriminalistik, das er 1974 als Diplomkriminalist abschloss.15 Seit 1974 wurde Vüllmow als Leiter der Abteilung Transitüberwachung im Zollfahndungsdienst eingesetzt.16 Der Leiter der HA VIII / Abt. 4 kommt am 5. Oktober 1984 zu folgender Beurteilung des OibE : „Genosse Major Vüllmow ist seit 1955 in der Zollverwaltung der DDR tätig und wurde mit dem Einsatz als Leiter der Abteilung Transitüberwachung der Hauptverwaltung der Zollverwaltung 1974 Mitarbeiter des MfS ( OibE ). Er leistet in dieser Funktion eine sehr erfolgreiche Arbeit, zeichnet sich durch Fleiss, Verantwortungsbewusstsein, vorbildliche Einsatzbereitschaft und eine wirksame Arbeit mit den ihm unterstellten Mitarbeitern seiner Abteilung und den Leitern der Abteilungen Transitüberwachung der Bezirksverwaltungen aus. Gen. Vüllmow hat durch seine mit der HA VIII abgestimmten Tätigkeit, [sic!] wesentlichen Anteil an der Entwicklung und Wirksamkeit der Abt. TÜ [ Transitüberwachung ] bei der Sicherung der Transitwege ( Straße ). Seine umfangreichen Erfahrungen und Kenntnisse nutzt er zielstrebig zur weiteren Befähigung der ihm unterstellten Kollektive und setzt sich kritisch mit Mängeln und Schwächen auseinander. In konsequenter Durchsetzung der Beschlüsse der Partei und dienstlicher Weisungen versteht er es, in seiner Führungs - und Leitungstätigkeit seine Genossen zu hohen Ergebnissen in der politisch - operativen Arbeit zu befähigen.“17

Um als OibE des MfS Leiter der Abteilung Transitüber wachung werden zu können, brach Vüllmow auf Drängen der Staatssicherheit den Kontakt zu einem der engsten Familienangehörigen vollständig ab, da dieser sich weigerte, bestehende Verbindungen nach Westberlin aufzugeben.18 Von 1951 bis 1967 war der spätere Leiter der Abteilung Transitüberwachung Mitglied der FDJ, seit dem 20. April 1959 Parteimitglied der SED. Er engagierte sich in der Partei unter anderem als Gruppenorganisator und APO - Sekretär. Eine Verbindung zum MfS lässt sich seit 1966 nachweisen, als Vüllmow inoffiziell für die HA VI der Staatssicherheit tätig wurde, ab 1971 als FIM. Am 1. Juli 1974 wurde Vüllmow OibE dieser Abteilung, ab 1. Juni 1976 bis zu seinem Ausscheiden OibE der HA VIII.19 Vüllmow wurde unter anderem mit der Verdienstmedaille der DDR und der Medaille für treue Dienste in Gold ausgezeichnet.20

15 Vgl. MfS - Personalakte Hans - Ulrich Vüllmow, Auskunftsbericht, o. D. ( BStU, MfS, KS 17548/90, Bl. 15). 16 Vgl. MfS - Personalakte Hans - Ulrich Vüllmow, Einstellungsvorschlag vom 1. 3. 1974 ( ebd., Bl. 43). 17 MfS - Personalakte Hans - Ulrich Vüllmow, Vorschlag zur Beförderung vom 5. 10. 1984 (ebd., Bl. 80). 18 Vgl. MfS - Personalakte Hans - Ulrich Vüllmow, 2. Aussprachebericht für die Einstellungsbearbeitung in das MfS vom 29. 1. 1974 ( ebd. Bl. 183). 19 Vgl. MfS - Personalakte Hans - Ulrich Vüllmow, Auskunftsbericht, o. D. ( ebd., Bl. 14). 20 Vgl. ebd., Bl. 17.

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Karl Nüchter – Stellvertreter des Leiters des Diplomatenzollamts Berlin ( Zollamt Berlin I ) Karl Nüchter wurde am 13. Januar 1935 in Gräfenroda geboren. Von 1941 bis 1949 besuchte er dort die Volksschule, im Anschluss daran bis 1953 die Oberschule.21 Bereits im Alter von zwölf Jahren trat Nüchter in die Kindervereinigung der FDJ ein, am 20. Juli 1954 wurde er Mitglied der SED. Unmittelbar nach dem Abitur kam Nüchter zum MfS. Er absolvierte zunächst ein Studium an der Juristischen Hochschule in Potsdam.22 Anschließend wurde er in der HA VI des MfS, später in der Operativdienststelle beim 1. Stellvertreter des Ministers und seit 1973 in der HA II beschäftigt. Dort war er unter anderem als Referatsleiter für die „politisch - operative Absicherung wichtiger Bereiche“ zuständig, wie sie laut Befehl 16/74 des Ministers für Staatssicherheit durchgeführt werden sollte.23 Ab dem 1. Juni 1978 war Nüchter selbst als OibE für die Absicherung eines solchen Bereichs zuständig. Seit dem war er als OibE Stellvertreter des Leiters am Diplomatenzollamt Berlin I. Dazu stellt der Leiter der Abteilung II des MfS, Wolfgang Jacob, am 15. Oktober 1983 fest : „Genosse Nüchter ist seit 15. 6.1953 Angehöriger des Ministeriums für Staatssicherheit und war in verschiedenen Diensteinheiten tätig. Seit 1973 gehört er als operativer Mitarbeiter der Hauptabteilung II an [...]. Im Jahre 1978 erfolgte sein Einsatz als Offizier im besonderen Einsatz ( OibE ) der Hauptabteilung II im Diplomatenzollamt. In seinem derzeitigen Aufgabenbereich setzt er konsequent und mit Umsicht sowie Fleiß die sicherheitspolitischen Interessen des MfS durch. Er versteht es, aus den Beschlüssen der Partei und den Befehlen unmittelbare Schlussfolgerungen für seine Tätigkeit zu ziehen. Genosse Nüchter ist ein der Partei treu ergebener Genosse, der in seiner 30 - jährigen Zugehörigkeit zum MfS seine Standhaftigkeit und hohe persönliche Einsatzbereitschaft, auch in Bewährungssituationen, unter Beweis gestellt hat.“24

Gerhard Conrads – Leiter des Sachgebiets II ( Untersuchungsabteilung ) der Abteilung Zollfahndung Gerhard Conrads wurde am 7. April 1942 in Dassow bei Grevesmühlen als Sohn einer Bauernfamilie geboren. Von 1948 bis 1956 besuchte er die Grundschule in Grevesmühlen. Nach Abschluss der sechsten Klasse verließ er aufgrund ungenügender Leistungen und familiärer Probleme die Schule und arbeitete zunächst auf dem elterlichen Betrieb sowie auf einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft in Wersdorf. 1957 war er als Saisonarbeiter in einer Wismarer Zuckerfabrik beschäftigt, 1958 bis 1960 als Betriebshelfer bei der Deutschen Reichsbahn in Bad Kleinen. 1960 verpflichtete sich Conrads freiwillig bei der NVA. Nach Beendigung des Wehrdienstes kam er zur Zollver waltung.25 Zwischen 1962 und 1964 holte Conrads an 21 Vgl. MfS - Personalakte Karl Nüchter, Auskunftsbericht, o. D. ( BStU, MfS, KS 15378/90, Bl. 5). 22 Vgl. MfS - Personalakte Karl Nüchter, Bericht vom 9. 3. 1953 ( ebd., Bl. 21). 23 Vgl. MfS - Personalakte Karl Nüchter, Vorschlag zur Auszeichung mit einem Sachgeschenk vom 11. 11. 1984 ( ebd., Bl. 132). 24 Vgl. MfS - Personalakte Karl Nüchter, Vorschlag zur Auszeichnung mit dem Kampforden für Verdienste um Volk und Vaterland vom 15. 10. 1983 ( ebd., Bl. 130). 25 Vgl. MfS - Personalakte Gerhard Conrads, Einstellungsvorschlag vom 1. 2. 1977 ( BStU, MfS, KS 12391/90, Bl. 29).

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der Volkshochschule Wismar den Volksschulabschluss nach. Zwischen 1965 und 1969 folgte der Abschluss der zehnten Klasse. Anschließend wurde er an der Mittleren Polizeischule Aschersleben in Kriminalistik ausgebildet. Zwischen 1974 und 1979 absolvierte er schließlich an der Humboldt Universität ein Fernstudium im Bereich Kriminalistik.26 Innerhalb der Zollver waltung war Conrads zunächst am Grenzzollamt Wismar eingesetzt. Anschließend wechselte er in die Abteilung Zollfahndung der Bezirksverwaltung Rostock, in die Abteilung Zollfahndung der Hauptver waltung, bis er 1984 schließlich Leiter des Sachgebiets II der Abteilung Zollfahndung der HV wurde. Oberstleutnant Wunderlich der HA VI schätzt Conrads wie folgt ein : „Auf der Grundlage eines festen Klassenstandpunktes, eines fundierten politischen Wissens sowie sehr guter fachlicher Kenntnisse hat Genosse Hauptmann Conrads die mit der Ausübung seiner Dienststellung als stellvertretender Abteilungsleiter verbundenen Aufgaben stets eigenverantwortlich sowie mit außerordentlicher Einsatzbereitschaft erfüllt. Mit großem Engagement hat er sich entsprechend seinen Aufgaben der Organisierung und weiteren Profilierung der Untersuchungstätigkeit gewidmet, dabei die bestehenden Befehle und Weisungen durchgesetzt und eng mit der Hauptabteilung IX und anderen Diensteinheiten des Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet. Im Ergebnis seiner zielstrebigen Arbeit wurden im Einsatzobjekt wertvolle politisch - operative Ergebnisse für das Ministerium für Staatssicherheit erarbeitet. [...] Zusammenfassend ist festzustellen, dass Genosse Hauptmann Conrads ein der Partei treu ergebener und pflichtbewusster Offizier ist, der bestrebt ist, die Interessen des MfS im Einsatzobjekt durchzusetzen.“27

Seit dem 2. Mai 1967 war Conrads Mitglied der SED. Er war lange Zeit als APO Leitungsmitglied tätig. Zum 1. März 1977 wurde Conrads OibE der HA VI in der Zollver waltung. Ab 1982 erfolgte seine Anleitung durch die HA IX.28

Werner Steuding – Leiter der Arbeitsgruppe Einsatzplanung Werner Steuding wurde am 24. Juli 1942 in Saalfeld geboren. Von 1948 bis 1956 besuchte er die Grundschule. 1956 trat Steuding der FDJ bei. Nach dreijähriger Berufsschulzeit absolvierte Steuding im Jahr 1959 die Ausbildung zum Stahlwerker beim VEB Maxhütte Unter wellenborn.29 Dort arbeitete er für zwei Jahre, bevor er nach seinem Eintritt in die SED von 1961 bis 1964 im Wachregiment „F. E. Dzierzynski“ seinen „Ehrendienst“ ableistete und zum Fallschirmspringer ausgebildet wurde. Anschließend kam Steuding zum MfS. Bis 1976 arbeitete er als Passkontrolleur am Bahnhof Friedrichstraße, anschließend bis 1986 bei der Wach - und Sicherungseinheit der HA VI des MfS. Während seiner Zeit bei der Staatssicherheit besuchte Steuding die Kreis - sowie die Bezirksparteischule und absolvierte ein Stu26 Vgl. MfS - Personalakte Gerhard Conrads, Auskunftsbericht, o. D. ( ebd., Bl. 7). 27 MfS - Personalakte Gerhard Conrads, Beurteilung vom 31. 7. 1984 ( ebd., Bl. 87 f.). 28 Die HA IX des MfS arbeitete eng mit der Untersuchungsabteilung des Zolls zusammen und war daher auch für die Besetzung der Planstellen in diesem Bereich zuständig. Somit lässt sich der Wechsel des OibE Conrads von der HA VI zur HA IX erklären. Vgl. MfSPersonalakte Gerhard Conrads, Vermerk zur Umsetzung des OibE von der HA VI zur HA IX vom 2. 3. 1982 ( ebd., Bl. 48). 29 Vgl. MfS - Personalakte Werner Steuding, Auskunftsbericht vom 6. 12. 1971 ( BStU, MfS, KS 8246/90, Bl. 5).

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dium an der Juristischen Hochschule des MfS in Potsdam. Der Leiter der HA VI schätzte Steuding am 12. Januar 1987 folgendermaßen ein : „Genosse Major Steuding zeichnet sich durch eine langerprobte Treue und Verbundenheit zu unserer Partei und zum MfS aus. Er verfügt über umfangreiche Kenntnisse auf dem Gebiet des Marxismus / Leninismus, die er anschaulich und praktisch vermittelt. Seit 1980 bekleidet er in der WSE [ Wach - und Sicherungseinheit ] verschiedene Parteifunktionen. Im Jahre 1984 wurde er in die Revisionskommission der Kreisleitung des MfS gewählt. Aufgrund der Vorbereitung auf seinen Einsatz als OibE wurde er im Oktober 1986 von dieser Funktion entbunden. [...] Genosse Major Steuding besitzt aufgrund seiner politisch - fachlichen Kenntnisse und seiner langjährigen Erfahrungen als stellvertretender Leiter einer Diensteinheit die Voraussetzungen, nach dieser praktischen Einarbeitungs - und Vorbereitungsarbeit im Einsatzobjekt die ihm obliegenden funktionellen Pflichten als ‚Leiter der Arbeitsgruppe Einsatzplanung‘ zu erfüllen.“30

Ab dem 1. März 1987 wurde er als OibE eingesetzt. Er leitete dabei die Arbeitsgruppe Einsatzplanung in der Zollver waltung, in der bereits weitere OibE tätig waren.31

Lothar Römhild – Leiter der Abteilung Kader und Ausbildung Lothar Römhild wurde am 28. Oktober 1929 in Suhl geboren. Nach Abschluss der Volksschule erlernte er den Beruf eines Elektrikers. 1947 folgte sein Eintritt in die FDJ.32 Seit 1950 war er Mitglied der SED.33 Anfang der 1950er Jahre arbeitete er einige Jahre bei der SDAG Wismut. Nach dem Besuch der Bezirksparteischule der SED in Erfurt war er von 1957 bis 1961 als IM der Abteilung IV des MfS in der Bundesrepublik eingesetzt.34 Von dort wurde Römhild aus Sicherheitsgründen zurückgezogen und im Dezember 1961 in die Zollver waltung der DDR versetzt. Dort war er Leiter des neu gegründeten Sachgebiets Disziplinarpraxis.35 Später stieg er zum Leiter der Abteilung Kader und Ausbildung auf.36 In den Jahren 1972/73 besuchte Römhild die Parteihochschule der SED „Karl Marx“ in Berlin. 1978 wurde die inoffizielle Zusammenarbeit mit dem Kaderleiter des Zolls eingestellt, jedoch nicht aus Gründen mangelnder Arbeitsleistungen oder aufgrund von Unsicherheiten, sondern weil Römhild auch auf offiziellem Wege die Interessen des MfS auf dem Gebiet der Kaderpolitik der Zollver waltung zu lösen vermochte. Oberstleutnant Beyer, Leiter der Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI des MfS, vermerkt am 24. Juli 1978 hierzu : 30 MfS - Personalakte Werner Steuding, Vorschlag zum Einsatz als OibE vom 12. 1. 1987 (ebd., Bl. 81 f.). 31 Vgl. MfS - Personalakte Werner Steuding, Einsatzdokument vom 12. 1. 1987 ( ebd., Bl. 79). 32 Vgl. MfS - Personalakte Lothar Römhild, Beurteilung, o. D. ( BStU, MfS, AIM 13697/66, Teil I, Band 3, Bl. 168). 33 Vgl. MfS - Personalakte Lothar Römhild, Vorschlag zur Auszeichung mit der Verdienstmedaille der NVA in Bronze vom 27. 1. 1964 ( ebd., Bl. 37). 34 Vgl. MfS - Personalakte Lothar Römhild, Vermerk vom 31. 8. 1961 ( ebd., Bl. 39). 35 Vgl. MfS - Personalakte Lothar Römhild, Prämierung des IM „Renner“ vom 15. 8. 1962 (ebd., Bl. 34). 36 Vgl. MfS - Personalakte Lothar Römhild, Vorschlag zur Auszeichnung mit der Medaille für Waffenbrüderschaft in Silber vom 8. 2. 1976 ( ebd., Bl. 174).

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„In seiner Funktion als führender Leitungskader war der IM für Sicherheitsfragen im Personalbestand des Zollorgans verantwortlich, wodurch die Zusammenarbeit mit unserem Organ geprägt wurde. Unter Leitung des IM konnte [ sic !] in der Vergangenheit eine Reihe prinzipieller Kaderbestimmungen verändert werden, die den Kaderprinzipien des MfS angepasst sind. Im Wesentlichen war die Einsatzrichtung des IM durch folgende Gesichtspunkte bestimmt : Gewährleistung sicherheitsmäßiger Anforderungen im Kaderbestand der Zollverwaltung [,] Verhinderung des Eindringens labiler Kräfte in das Zollorgan sowie Sicherung und Besetzung neuer Dienststellen im Zollorgan mit erprobten und politisch zuverlässigen Kadern [,] Erhöhung des Sicherheitsgrades bei Delegierungen an Hoch - und Fachschulen [,] Durchsetzung sozialistischer Kaderprinzipien. Es kann eingeschätzt werden, dass der IM in den zurückliegenden Jahren diese Aufgaben im Sinne der Sicherheitsinteressen gelöst hat. [...] Aufgrund dessen, dass die Zusammenarbeit mit dem MfS sich in der Regel auf Probleme der Kaderarbeit bezieht, trägt die inoffz [ sic !] Zusammenarbeit halb offiziellen Charakter, wobei die Zielstellung bzw. das Anliegen der inoffiziellen Arbeit mit dem IM auch durch das offizielle Zusammenwirken erreicht wird.“37

Im Jahr 1979 wurde Römhild als OibE der Abteilung VI des MfS verpflichtet.38 Er blieb dabei der Leiter der Abteilung Kader bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1987, die aufgrund einer völligen Dienstunfähigkeit erfolgte.39

Heinz Wunderlich – Leiter der Abteilung Zollfahndung Heinz Wunderlich wurde am 25. April 1935 in Thalheim im Erzgebirge geboren.40 Von 1941 bis 1947 besuchte er dort die Volksschule. Anschließend besuchte er bis 1949 die Grundschule in Zerbst. Danach besuchte er dort bis 1953 die Oberschule, die er mit dem Abitur abschloss. Direkt im Anschluss kam Wunderlich zum MfS. Zunächst war er operativer Mitarbeiter an verschiedenen Kreisdienststellen im Bezirk Magdeburg. Am 1. Oktober 1955 wechselte Wunderlich zur Hauptver waltung des MfS nach Berlin. Zunächst war er für drei Jahre in der HA V als Sachbearbeiter tätig. Ab dem 1. Oktober 1959 wurde er dann von der HA IX übernommen. Zwischen 1964 und 1970 absolvierte er an der Humboldt Universität sein Studium der Rechtswissenschaft und war fortan Referatsleiter in der HA IX.41 Mit Wirkung vom 4. Januar 1977 wurde Wunderlich als OibE der HA IX in der Zollver waltung zum Einsatz gebracht. Zunächst als stellvertretender Leiter der Abteilung Zollfahndung, ab 1978 als Leiter dieser Abteilung.42 Mit Übernahme der Leitungsfunktion wurde der OibE von der HA VI des MfS angeleitet. Am 18. September 1989 kam ein Mitarbeiter der HA VI, Abteilung Zoll - Abwehr, zu folgender Beurteilung :

37 MfS - Personalakte Lothar Römhild, Abschlussbericht zur Einstellung der inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem IMS „Renner“ vom 24. 7. 1978 ( ebd., Bl. 177 f.). 38 Vgl. MfS - Personalakte Lothar Römhild, Vorschlag zur Entlassung vom 31. 8. 1987 ( BStU, MfS, KS 7511/92, Bl. 269). 39 Vgl. MfS - Personalakte Lothar Römhild, Abschlussbeurteilung vom 10. 7. 1987 ( ebd., Bl. 271 f.). 40 Vgl. Kaderkarteikarte Heinz Wunderlich ( BStU, MfS ). 41 Vgl. ebd. 42 Vgl. MfS - Personalakte Heinz Wunderlich, Beurteilung vom 18. 9. 1989 ( BStU, MfS, KS 7721/92, Bl. 163).

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„Genosse Wunderlich ist mit dem MfS eng verbunden. Sein Denken und Handeln wird vorbehaltlos von den Anforderungen eines Tschekisten geprägt. Seine politisch - operativen Kenntnisse und Erfahrungen befähigen ihn, die politisch - operativen Interessen des MfS im Einsatzobjekt zu erkennen und die dazu erforderlichen Maßnahmen zu realisieren. Er ist stets darauf bedacht, in den von ihm beeinflussten Arbeitsprozessen des Einsatzobjektes die für die verschiedenen Aufgabengebiete des MfS nutzbringenden Informationen und andere Ergebnisse zur Verfügung zu stellen. Mit Initiative und konstruktiven Herangehen gewährleistet er die politisch - operativen Anforderungen in den vielfältigen Maßnahmen der unmittelbaren Zusammenarbeit mit dem MfS.“43

Wunderlich war seit 1955 Mitglied der SED. Er betätigte sich als Leitungsmitglied der APO in seinem Arbeitsbereich in der Zollver waltung.44 Am 31. Oktober 1989 wurde Wunderlich wegen dauernder Dienstunfähigkeit nach 36 Dienstjahren aus dem MfS entlassen.45

Dieter Rutsch – Direktor des Instituts der Zollverwaltung Dieter Rutsch wurde am 15. März 1934 in Neusalz, dem heute polnischen Nowa Sól, geboren. Von 1940 bis 1948 besuchte Rutsch die Grundschule. 1948 trat er in die FDJ ein und absolvierte eine Ausbildung zum Bäcker und Konditor. Er arbeitete in verschiedenen Betrieben, zuletzt in der HO Konditorei Karl - Marx - Stadt.46 In den Jahren 1951 bis 1953 erwarb Rutsch an der Arbeiter - und Bauernfakultät Berlin das Abitur. Zwischenzeitlich trat er der SED bei, in der er als Leitungsmitglied aktiv mitarbeitete. 1956 legte Rutsch an der Deutschen Akademie für Staats - und Rechtswissenschaften „Walter Ulbricht“ in Potsdam das Staatexamen in der Fachrichtung Außenpolitik ab. Dort arbeitete er im Folgejahr als wissenschaftlicher Assistent. Am 2. Januar 1958 kam er zum AZKW. Nach einer Grundausbildung an verschiedenen Grenzzollämtern wurde er Ende 1958 Leiter des Referats Internationale Verbindung im AZKW. In dieser Funktion, die er bis 1963 bekleidete, war Rutsch IM der HA VII, anschließend blieb das MfS bis 1969 in einem losen inoffiziellen Kontakt mit ihm.47 Er war in dieser Zeit wesentlich an der Herausgabe der Zeitschrift „Sozialistische Zollkontrolle“ beteiligt. Anschließend erfolgte sein Einsatz in Bereichen der Hauptverwaltung, bevor er ab 1972 zum Direktor der Fachschule der Zollver waltung ernannt wurde. In diesem Zusammenhang nahm Rutsch seine IM Tätigkeit unter Führung der HA VI bis 1978 wieder auf.48 1977 erwarb er an der Juristischen Hochschule des MfS den Titel eines Dr. jur. In einem Abschlussbericht der Abteilung Zoll - Abwehr der HA VI des MfS vom 9. März 1978 heißt es : „Der IMS entwickelte sich während seiner 18 - jährigen Dienstzeit im Organ in verantwortlichen Dienststellungen zu einem leitenden Offizier der ZV. Als Direktor der Fach43 Ebd., Bl. 164. 44 Vgl. MfS - Personalakte Heinz Wunderlich, Vorschlag zur Entlassung vom 6. 19. 1989 (ebd., Bl. 160). 45 Vgl. ebd., Bl. 161. 46 Vgl. MfS - Personalakte Dieter Rutsch, Vorschlag zur Schaffung einer Schlüsselposition im AZKW vom 30. 3. 1959 ( BStU, MfS, AIM 6886/78, Teil I, Band 1, Bl. 12). 47 Vgl. MfS - Personalakte Dieter Rutsch, Beschluss für das Einstellen eines GI - Vorgangs vom 24. 3. 1963 ( ebd., Bl. 43). 48 Vgl. MfS - Personalakte Dieter Rutsch, Beschluss zum Anlegen eines IMS - Vorgangs vom 26. 5. 1972 ( ebd., Bl. 48).

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schule der ZV mit politischer Zuverlässigkeit und hohem Verantwortungsbewusstsein hat er die ihm übertragenen Pflichten vorbildlich erfüllt. Durch hohen persönlichen Einsatz sicherte er, dass die der Fachschule übertragenen Aufgaben zur Heranbildung politisch und fachlich befähigter Führungskader, die zum sicheren Schutz unseres Staates beitragen, erfüllt werden konnten. Gen. Dr. Rutsch gewährleistete, dass die Forderungen des MfS zur Erhöhung der Sicherheit und Ordnung und bei der Einstellung von Kadern in die ZV durchgesetzt wurden. Mit seiner Dissertation erarbeitete Gen. Dr. Rutsch eine wissenschaftliche Abhandlung mit hohem operativen Wert, auch für die Lösung der Aufgaben des MfS. Dabei wurden die bestehenden Kontakte zur juristischen Hochschule Potsdam gefestigt. Der IMS zeichnete sich in der bisherigen Zusammenarbeit durch eine gute Einstellung zum MfS aus. Neben der inoffiziellen Verbindung besitzt er gleichzeitig gute Kontakte zur Juristischen Hochschule des MfS.“49

Der Abbruch der inoffiziellen Beziehungen zu Rutsch kann einerseits dadurch erklärt werden, dass die offiziellen Wege der Zusammenarbeit ausreichten, um die Interessen des MfS in seinem Arbeitsbereich durchzusetzen. Andererseits verfügte das MfS innerhalb des Instituts über einen weiteren geheimen Mitarbeiter der Staatssicherheit, der abschließend vorgestellt werden soll.

Horst Bischoff – Erster Stellvertreter des Direktors am Institut der Zollverwaltung Horst Bischoff wurde am 25. Juli 1936 in Stettin geboren. Als Sohn einer Bauernfamilie besuchte er von 1943 bis 1950 in Reinkenhagen bei Greifswald die Volksschule. Anschließend trat er in die FDJ ein und engagierte sich dort schließlich als hauptamtlicher Pionierleiter. In den Jahren 1951 bis 1953 erlernte er im VEB Bau Union Stralsund den Beruf eines Maurers.50 Bereits im Alter von 16 Jahren stellte er den Antrag auf Parteimitgliedschaft in der SED, dem 1956 stattgegeben wurde. Aufgrund des Eintritts in die Partei und aufgrund der Tatsache, dass er den bäuerlichen Betrieb nicht weiterführen wollte, kam es zum Bruch mit seiner Familie. Zwischen 1955 und 1957 verpflichtete Bischoff sich als Angehöriger der kasernierten Volkspolizei, anschließend ging er zum Zoll. Mit 23 Jahren erfolgte der Eintritt in die SED, von 1960 bis 1962 die Ausbildung als Kriminalist an der Mittleren Polizeischule Aschersleben. In diesem Zusammenhang war Bischoff am 13. August 1961 auch unmittelbar am Mauerbau beteiligt.51 Im Anschluss daran erlangte er an der Volkshochschule die Hochschulreife. In den Jahren 1964 bis 1968 studierte Bischoff an der Humboldt Universität Kriminalistik, 1974 erlangte er an der Juristischen Hochschule des MfS in diesem Fach die Promotion und führte fortan den Titel eines Doktors der Rechtswissenschaft. Nach seiner Promotion B erfolgte im September 1985 die Berufung zum Professor für Staatsrecht am Institut der Zollver waltung.52 Innerhalb der Zollverwaltung machte Bischoff schnell Karriere. Unmittelbar nach seiner Einstellung wurde er bereits in der Abteilung Untersuchung und Recht, dem

49 MfS - Personalakte Dieter Rutsch, Abschlussbericht IMS „Christian Deger“ vom 9. 3. 1978 ( ebd., Bl. 180). 50 Vgl. Kaderkarteikarte Horst Bischoff ( BStU, MfS ). 51 Vgl. MfS - Personalakte Horst Bischoff, Beurteilung vom 6. 10. 1970 ( BStU, MfS, KS 9316/90, Bl. 111). 52 Vgl. Kaderkarteikarte Horst Bischoff ( BStU, MfS ).

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Quellen und Literatur

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Vorläufer des Zollfahndungsdienstes, eingesetzt.53 Er entwickelte sich zum Sachgebietsleiter II in der Hauptver waltung der Zollfahndung, bevor er ab 1973 als Erster Stellvertreter des Direktors der Zollfachschule bzw. des Instituts der Zollver waltung eingesetzt wurde.54 1988 wurde Bischoff schließlich zum Direktor des Instituts ernannt.55 Während seiner Zeit in der Bildungseinrichtung des Zolls machte er sich große Verdienste beim MfS, wie Beurteilungen aus seiner Personalakte belegen. So schreibt der Leiter der Abteilung Zoll - Abwehr der HV VI am 27. April 1979 : „Seine umfangreichen und fundierten tschekistischen Kenntnisse und Fähigkeiten nutzt Gen. Major Bischoff, um bei Dienstreisen nach Kuba und Äthiopien die Delegation der Zollver waltung gegen feindliche Aktivitäten abzuschirmen und operativ bedeutsame Informationen zu den Kontaktpersonen zu erarbeiten, die für die linienspezifischen Diensteinheiten ausgewertet werden. [...] Gen. Major Bischoff steuert persönlich ein FIM, der ein Netz von 4 IM / GMS führt. Durch den persönlichen Einsatz des Gen. Major Bischoff gelang es, die Treffdisziplin und die Qualität der Auftragserfüllung dieser Gruppe spürbar zu verbessern und mehr Kontinuität in der konspirativen Zusammenarbeit mit positiven Ergebnissen durchzusetzen. Gen. Major Bischoff informiert das MfS über alle ihm bekanntwerdenden politisch - operativ relevanten Sachverhalte und führt entsprechend seiner Funktion Veränderungen im Interesse des MfS herbei. Sein Informationsaufkommen ist sehr hoch.“56

Bischoff wurde ab dem 1. November 1970 als Offizier im besonderen Einsatz der Staatssicherheit geführt. Bereits drei Jahre zuvor begann seine inoffizielle Mitarbeit beim MfS.57 Er kann auf eine Reihe von Auszeichnungen ver weisen, darunter die Medaille für treue Dienste in Gold, die Medaille der Waffenbrüderschaft in Silber und die Verdienstmedaillen der NVA und der Zollver waltung in Gold.58

2.

Quellen und Literatur

2.1

Zeitzeugeninterviews

Aus datenschutzrechtlichen Gründen wurden die Namen aller hier aufgeführten und zitierten Zeitzeugen verändert. Anton Berger (persönliches Gespräch des Verfassers am 16. März 2004) Geboren am 5. 11. 1942 in Breslau, war von 1964 bis 1987 bei der Zollver waltung der DDR angestellt. Ab 1972 war Herr Berger am GZA Marienborn / Autobahn tätig. Dort war er unter anderem in der sogenannten „Werbegruppe“. Zudem war er zehn Jahre lang Zugführer der vierten Diensteinheit des GZA. Herr Berger lernte

53 Vgl. MfS - Personalakte Horst Bischoff, Einstellungsvorschlag vom 1. 10. 1970 ( BStU, MfS, KS 9316/90, Bl. 26). 54 Vgl. MfS - Personalakte Horst Bischoff, Beurteilung vom 27. 4. 1979 ( ebd., Bl. 53). 55 Vgl. MfS - Personalakte Horst Bischoff, Beurteilung vom 7. 1. 1988 ( ebd., S. 61). 56 Vgl. MfS - Personalakte Horst Bischoff, Beurteilung vom 27. 4. 1979 ( ebd., Bl. 53 f.). 57 Vgl. MfS - Personalakte Horst Bischoff, Einstellungvorschlag vom 1. 10. 1970 ( ebd., Bl. 23). 58 Vgl. Kaderkarteikarte Horst Bischoff ( BStU, MfS ).

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den Beruf des Betriebs - und Verkehrseisenbahners, bevor er drei Jahre in der NVA diente, wo er durch die Zollver waltung abgeworben wurde. Heute befindet sich Herr Berger im Ruhestand. Julia Berger (Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 28. September 2004) Geboren am 27. 1. 1947 in Hakenstedt, machte nach Abschluss der 10. Klasse eine Lehre als Buchhalterin. Im Jahr 1965 kam Frau Berger zum Grenzzollamt Marienborn. Auf einem Lehrgang in der Fachschule der Zollver waltung in Plessow lernte sie ihren späteren Mann, Anton Berger, kennen. Frau Berger arbeitete bis 1990 als „Kontrolleurin vom Dienst“ – der rechten Hand des Zugführers – in Marienborn. Ottmar Berghoff ( persönliches Gespräch des Verfassers am 15. Juni 2004) Geboren 1947 und aufgewachsen mit seinen acht Geschwistern in Zwickau. Nach dem Besuch der Oberschule verpflichtete er sich zum Dienst in den Grenztruppen in der Absicht, dort eine Sportoffiziersausbildung zu absolvieren. Als sich herausstellte, dass dies nicht möglich war, quittierte Herr Berghoff vorzeitig den Dienst und wechselte zum VEB Sachsenring nach Zwickau. Dort wurde er schließlich 1968 von Werbern der Zollver waltung angesprochen. Er wurde Zollfahnder und arbeitete ab 1975 in der Hauptver waltung des Zollfahndungsdienstes. Als Einer von Wenigen wurde Herr Berghoff nach der Wieder vereinigung vom Bundeszoll übernommen. Franziska Bittner ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 2. Juni 2004) Geboren am 7. 12. 1947 in Sommerschenburg, absolvierte nach dem Besuch der Polytechnischen Oberschule eine Lehre als Dreherin in Magdeburg. 1967 bewarb sie sich bei der Zollver waltung. Noch im selben Jahr wurde sie beim GZA Marienborn / Eisenbahn eingestellt. Dort arbeitete sie zunächst als Kontrolleurin. Anschließend war sie als „Kontrolleurin vom Dienst“ vor allem mit Schreibarbeiten beschäftigt. Im Jahr 1987 kündigte sie den Dienst – vor allem aufgrund bestehender Westverbindungen ihrer Eltern, von denen sie sich nicht distanzieren wollte. Nach 1990 arbeitete Frau Bittner als Reinigungskraft. Karsten Fink ( persönliches Gespräch des Verfassers am 1. April 2004) Geboren am 14. 7. 1935 in Hornhausen, war von 1957 bis 1990 am GZA Marienborn / Autobahn beschäftigt. Zunächst arbeitete er als Kontrolleur, bevor er später für die Nachrichtentechnik des Grenzzollamts verantwortlich war. Herr Fink erlernte ursprünglich den Beruf des Dachdeckers, bevor er freiwillig zur Kasernierten Volkspolizei ging, wo er von der Zollver waltung angeworben wurde. Heute befindet sich Herr Fink im Ruhestand. Axel Friedmann ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 12. Februar 1997) Geboren am 2. 9. 1958 in Oschersleben, war 15 Jahre lang bei der Passkontrolleinheit, von 1978 bis 1990 an der GÜSt Marienborn / Autobahn, tätig. Herr Friedmann hat dabei umfangreich Einblick in die Kontrollmethoden der PKE bekommen, er war selbst als „Fahnder“ tätig.

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Quellen und Literatur

443

Michael Heinze ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 12. September 2006) Geboren am 25. 9. 1941 in Lunkwitz, war seit 1971 als Passkontrolleur in Marienborn tätig. Bereits 1959 ging er zu den „bewaffneten Kräften“. In den letzten Jahren vor der Wende musste er seinen Dienst bei der PKE aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und betätigte sich als Hausmeister in einem Ferienheim des MfS. Nach 1990 zog Herr Heinze nach Hannover und arbeitete dort bis zu seiner Berentung im Jahr 2006. Peter Kaiser ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 27. Juli 2005 Geboren am 24. 1. 1939 in der Nähe von Haldensleben, stand dem DDR - Regime schnell kritisch gegenüber. Nach seiner Verlobung mit einer Hamburgerin floh er 1959 schließlich über Berlin in den Westen. Er arbeitete schließlich nach seinem Studium als Berufsschullehrer in Hamburg. Der heutige Rentner hat von vielen Erlebnissen an der GÜSt Marienborn zu berichten. Andreas Kurz ( persönliches Gespräch des Verfassers am 1. April 2004) Geboren am 24. 3. 1958 in Wolfsburg, machte als Reisender viele Erfahrungen mit dem Zoll an der GÜSt Marienborn / Autobahn. Herr Kurz reiste im Rahmen des kleinen Grenzverkehrs nahezu wöchentlich in die DDR ein. Heute arbeitet er als Kameramann für eine Filmproduktionsfirma. Egon Linke ( persönliches Gespräch des Verfassers mit Egon und Petra Linke am 11. März 2004) Egon Linke, geboren am 27. 4. 1938 in Jugoslawien, war von 1958 bis 1990 an der GÜSt Marienborn als Zöllner tätig. Er arbeitete dabei in den unterschiedlichsten Bereichen des Grenzzollamts, unter anderem als Kontrolleur und als Ausbilder für Hundeführer. Vor dieser Zeit war Herr Linke bei der Armee beschäftigt. Er wurde dort vom Zoll geworben. Heute befindet sich Herr Linke im Ruhestand. Petra Linke, geboren 1940 in Klötze ( Altmark ), arbeitete ab 1963 als Kontrolleurin am GZA Marienborn. Sie erlernte den Beruf des Unterstufenlehrers und war vor ihrer Beschäftigung bei der Zollver waltung am Kinderhort des GZA Marienborn beschäftigt. Heute befindet sich Frau Linke im Ruhestand. Jochen Maier ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 21. September 2005) Geboren am 21. 9. 1957, verpflichtete sich nach seiner Lehre bei der Deutschen Reichsbahn für drei Jahre als Berufssoldat. Anschließend verpflichtete er sich für 25 Jahre Dienst beim MfS und kam auf eigenen Wunsch an der GÜSt Marienborn als Passkontrolleur zum Einsatz. Er arbeitete dort bis zur Schließung des Grenzübergangs. Horst Malewski ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 13. Juli 2005) Geboren am 5. 8. 1955 in Salzgitter, erlernte den Beruf eines Betriebsschlossers. Auf der Suche nach einer beruf lichen Alternative bekam er 1981 einen Ausbildungsplatz

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444

Anhang

in Westberlin. Er pendelte wöchentlich von seinem Wohnsitz Braunschweig nach Berlin. Damit verbunden waren viele Erlebnisse an der GÜSt Marienborn. Heiner Müller ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 12. Februar 1996) Er war von 1963 bis 1990 an der GÜSt Marienborn / Autobahn als Zollkontrolleur tätig. Unter anderem war er als „K2–Kontrolleur“ für die Tiefenkontrollen bei PKW und die Einweisung von „Neuankömmlingen“ zuständig. Herr Müller ist im Jahr 2004 verstorben. Leonhard Möller ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn, o. D.) Geboren 1936 und seitdem in Hannover lebend, erlernte nach seiner Mittleren Reife den Beruf eines Versicherungskaufmanns. Er ist seit seiner Jugend politisch und religiös interessiert. So kam er auch in Kontakt mit kirchlichen Kreisen aus Leipzig, der damaligen Patengemeinde von Hannover. Herr Möller hatte bei seiner Einreise in die DDR mehrmals Schwierigkeiten bekommen. An der GÜSt Marienborn wurde er zwei Mal verhört, davon einmal über den Zeitraum von sechs Stunden. Oliver Schmid ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 12. Oktober 2004) Geboren am 16. 4. 1941 in Magdeburg. Nach seiner Dreherlehre ging der damals 17- Jährige freiwillig für zwei Jahre zur NVA. Anschließend wurde er von der Zollver waltung geworben. Zunächst arbeitete er zehn Jahre am GZA Marienborn / Eisenbahn, wechselte dann an das GZA Marienborn / Autobahn und wurde nach kurzer Zeit in die Bezirksleitung Magdeburg abkommandiert. Es erfolgte eine Qualifizierung als Zollfahnder. Herr Schmid war anschließend sowohl in der Bezirksver waltung Zoll Magdeburg als auch am GZA Marienborn als Zollfahnder tätig. Nach der Wende folgten mehrere ABM - Maßnahmen und eine Ausbildung zum Betriebswirt. Heute ist Herr Schmid vorzeitig in Rente. Peter Schmid ( persönliches Gespräch des Verfassers am 11. März 2004) Geboren am 26. 1. 1953 in Wernigerode, war von 1974 bis 1990 als Zollkontrolleur an der GÜSt Marienborn tätig. Er arbeitete dort auch als inoffizieller Mitarbeiter für die Staatssicherheit. Vor seiner Tätigkeit als Zöllner absolvierte er eine Malerlehre und diente drei Jahre als Panzerfahrer bei der NVA. Heute arbeitet Herr Schmid im Objektschutz bei der Braunschweiger Firma „Wach und Schließ“. Karl - Wilhelm Schneider ( persönliches Gespräch des Verfassers am 2. März 2004) Geboren am 29. 10. 1934 in Halberstadt, war von 1953 bis 1957 am GZA Marienborn als Kontrolleur beschäftigt. Im Zuge der Einführung von Tauglichkeitsstufen beim AZKW schied er aus dem Zolldienst aus. Vor seiner Tätigkeit beim Zoll lernte Herr Schneider den Beruf des Zerspaners. Heute befindet sich Herr Schneider im Ruhestand. Thorsten Schumann ( persönliches Gespräch des Verfassers am 25. März 2004) Geboren am 4. 10. 1947 in Barby, war von 1971 bis 1973 als Kontrolleur am GZA Marienborn / Autobahn tätig, bevor er im Anschluss daran in die Abteilung Zollfahn-

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Quellen und Literatur

445

dung der BV Magdeburg wechselte. Er lernte ursprünglich den Beruf des Zerspaners. Nach seinem Dienst in der NVA wurde er durch die Zollver waltung geworben. Heute ist Herr Schumann in leitender Funktion beim Zollfahndungsamt Magdeburg tätig. Christian Singer ( persönliches Gespräch des Verfassers am 13. Januar 2006) Geboren am 15. 9. 1947 in Lustrow. Nach dem Abschluss der 10. Klasse absolvierte er eine Lehre als Schiffschlosser in Warnemünde. Von 1966 bis 1969 trat er seinen Dienst bei der Grenzbrigade Küste der NVA an. Anschließend kam er zur Zollver waltung und machte Karriere. Er holte sein Abitur nach, absolvierte ein Studium und arbeitete nach kurzer Zeit in hohen Positionen an verschiedenen Grenzzollämtern. Ab 1984 war Herr Singer in der Arbeitsgruppe des Leiters der Zollver waltung in Berlin beschäftigt. Kurz vor der Wende kam er als Stellvertreter Operativ in die Bezirksver waltung Magdeburg. Nach 1990 wurde Herr Singer von der Bundeszollver waltung übernommen. Dort ist er noch heute tätig. Sandra Steiner ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 5. Oktober 2004) Geboren am 11. 10. 1945 in Harbke. Nach dem Besuch der Erweiterten Oberschule ( Gymnasium ) absolvierte sie in Magdeburg eine Lehre als Industriekauffrau. Sie wurde anschließend von der Zollver waltung geworben. 1966 kam Frau Steiner zunächst als Kontrolleurin an das GZA Marienborn / Eisenbahn. Nach Eröffnung der neuen GÜSt Marienborn wechselte sie zum GZA Marienborn / Autobahn. Dort arbeitete sie bis zur Wende als Offizierin für Versorgung und Finanzen. 1990 erfolgte zunächst eine Übernahme durch die Oberfinanzdirektion Magdeburg. Ab 1995 arbeitete Frau Steiner in verschiedenen kleinen Beschäftigungsverhältnissen, bevor sie 2004 in den Ruhestand ging. Rainer Tischler ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 26. Mai 2004) Geboren am 18. 2. 1965 in Bad Frankenhausen, machte nach seiner Schulzeit eine Ausbildung zum Baufacharbeiter. Anschließend leistete er seinen Wehrdienst bei den Grenztruppen der NVA im Grenzabschnitt Marienborn. 1985 kam Herr Tischler zur Zollver waltung und arbeitete am GZA Marienborn als Diensthundeführer. 1990 nahm er zunächst seinen erlernten Beruf auf, bevor er zwei Jahre darauf in Braunschweig und anschließend in Wolfsburg im Einzelhandel tätig wurde. Dort arbeitet er noch heute. Hartmut Weber ( Zeitzeugengespräch der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 11. Juli 2005) Geboren 1926 in Hannover. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den er als Luftwaffenhelfer der Wehrmacht erlebte, besuchte Herr Weber das Gymnasium, studierte Ökonomie, promovierte und habilitierte schließlich im Jahr 1965. Der Professor für Arbeitswissenschaft hatte als Reisender oftmals die Grenzübergangsstelle Marienborn passiert und dabei viele Erfahrungen gemacht.

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446 2.2

Anhang

Unveröffentlichte Quellen

Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn Bestand E 143–8 ( Katalog technischer Kontrollmittel ) Sammlungsbestand „Dokumente“ der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn

Bildungszentrum der Bundesfinanzverwaltung, Außenstelle Plessow Befehle, Ordnungen, Dienstanweisungen ( DA ), Durchführungsanweisungen (DFA), geordnet nach dem Jahr des Inkrafttretens59 Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

Gemeinsame Anleitung zur Durchsetzung der Strafbestimmungen des Gesetzes über das Zollwesen der Deutschen Demokratischen Republik

Strafbestimmungen des Zollgesetzes

o. D.

DA 11/59

Fahndungsarbeit Grenzpolizei und AZKW

1959

Befehl 27/60

Westberliner Personalausweis als Personaldokument

15. 9.1960

Instruktion zu Herstellung Tarntafeln und Anwendung von Tarntafeln innerhalb des MdI

1961

Arbeitsrichtlinie 6/61

Verhalten gegenüber Personen, die kontrolliert oder festgenommen werden

22. 3.1961

Arbeitsanweisung 10/61

Fahndungsarbeit des AZKW

28. 6.1961

Arbeitsanweisung 1/62

Menschenschmuggel mit Schienenfahrzeugen 25.1.1962

DA 3/62

Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit an 8. 2.1962 den GÜSt

Arbeitsanweisung 2/62

Registrierung von ausländischen Bürgern im 17. 4.1962 Ein-, Aus- und Durchreiseverkehr

DA 10/62

Umbildung der Abteilungen Untersuchung und Fahndung in den Zollfahndungsdienst der DDR

18. 4.1962

Anweisung 23/68 des MdI

Mindestumtausch

1968

DA 4/68

Austausch von Informationen zwischen soz. Zollorganen auf dem Gebiet der Zoll- und Devisenvergehen

26. 2.1968

59 Teilweise fanden sich Befehle, Ordnungen, Dienstanweisungen und Durchführungsanweisungen auch in den Beständen der BStU. Diese werden der besseren Übersicht wegen bereits hier mit aufgeführt. Die für die Arbeit ver wendeten Aktensignaturen der BStU werden weiter unten aufgeführt.

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447

Quellen und Literatur Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

DA 14/68

Konsequenzen aus der 5. Durchführungsbestimmung zum Passgesetz

11. 6.1968

DA 20/68

Vereinnahmung von Gebühren für die Beförderung von Gütern und Personen aus WD und WB

24. 6.1968

4. DFA zur DA 16/68

Differenzierte Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen im Reiseverkehr

13.12.1968

Gemeinsame Anweisung 6/69

Straf- und Ordnungsstrafbestimmungen des Zollgesetzes

1969

DA 24/69

Die Pflichten der Angehörigen der Zollverwaltung zur Gewährung der inneren Sicherheit in der Zollverwaltung

23.12.1969

DA 8/70

Körperliche Durchsuchung

30. 4.1970

DA 21/70

Maßnahmen zur Erkennung und Verhinderung der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Rauschgift über die Staatsgrenzen der Deutschen Demokratischen Republik

9.10.1970

1. DFA zur DA 1/71

Lochbandorientierte Datenerfassung zum organisierten Versand von Paketen und Päckchen

1971

DA 6/72

Überführung von Leichen, Leichenteilen bzw. Resten aus Feuerbestattung in Urnen

11. 2.1972

Befehl 1/72

Maßnahmen zur Durchsetzung des gemeinsa- 9. 3.1972 men Beschlusses des Politbüros und des Ministerrats der DDR vom 22. 2.1972

6. DFA zum Befehl 1/72

Verfahren bei der Aushändigung von Bescheinigungen über die durchgeführten Kontrollen in Fällen des hinreichenden Verdachts

Befehl 4/72

Eröffnung bzw. Erweiterung von Grenz24. 4.1972 übergangsstellen im Straßen-, Eisenbahn und Wasserstraßenverkehr sowie Aufnahme der gemeinsamen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs an der gemeinsamen Staatsgrenze DDR/VR Polen

Befehl 8/72

Maßnahmen zur Durchführung des Transitverkehrs

Ordnung 2/72

Nutzung und Wartung der Schutzausrüstung 28. 6.1972 in der Zollverwaltung

Befehl 15/72

Maßnahmen zur Durchsetzung des Verkehrsvertrags DDR-BRD

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9. 3.1972

29. 5.1972

10.10.1972

448

Anhang

Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

DA 20/72

Kontrolle des pass- und visafreien Reiseverkehrs zwischen der DDR und der VR Polen

21.12.1972

Befehl 2/73 (74 handschriftlich korrigiert )

Bildung von Abteilungen Transitüberwachung und deren Aufgaben

1973

1. DFA zum Befehl /73

Die Befugnisse und Arbeitsweise der Abteilungen Transitüberwachung bei der Überwachung der Transitstraßen

1973

DA 1/73

Materielle und finanzielle Regelungen zum Bau von Eigenheimen für Mitarbeiter der Zollverwaltung

15. 2.1973

Leiterinformation

Die funktionellen Pflichten der Leiter der Sachgebiete V des Zollfahndungsdienstes in den Bezirksverwaltungen

27. 3.1973

DA 3/73

Zollvergünstigungen für Bürger der Deut28. 5.1973 schen Demokratischen Republik und der VR Polen, die auf dem Gebiet des einen Staates wohnen und auf dem Gebiet des anderen Staates arbeiten oder studieren

DA 5/73

Zollabfertigung bei der Aus- und Einfuhr von 8. 6.1973 Umzugs- und Erbschaftsgut

DA 7/73

Maßnahmen zur Durchsetzung der Verordnung über die Tätigkeit von Publikationsorganen anderer Staaten und deren Korrespondenten in der DDR

13. 6.1973

DA 10/73

Übernahme von Studiengebühren durch die Zollverwaltung

13. 7.1973

Befehl 5/73

Bestimmungen zur Anwendung von Schusswaffen durch Mitarbeiter der Zollverwaltung

17. 9.1973

DA 16/73

Maßnahmen zur Erhöhung der Wirksamkeit 20.12.1973 der Aufdeckung und Verhinderung des staatsfeindlichen Menschenhandels

1. DFA zur DA 16/73

Aufgabe der Grenzzollämter bei der Aufdeckung und Verhinderung von Personenschleusungen im grenzüberschreitenden Reise- und Güterverkehr

20.12.1973

2. DFA zur DA 16/73

Aufgaben der Binnenzollämter bei der Aufdeckung und Verhinderung von Personenschleusungen im grenzüberschreitenden Güterverkehr

20.12.1973

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449

Quellen und Literatur Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

3. DFA zur DA 16/73

Aufgaben der Grenzzollämter Flughafen 21.12.1973 zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit im grenzüberschreitenden Luftverkehr

4. DFA zur DA 16/73

Aufgaben der Postzollämter zur Aufdeckung von Handlungen und Hinweisen für die Vorbereitung von Personenschleusungen

5. DFA zur DA 16/73

Erhöhung der Wirksamkeit der Abt. 21.12.1973 Zollfahndung zur Verhinderung des staatsfeindlichen Menschenhandels

DA 17/73

Maßnahmen zur Durchsetzung der Anord- 21.12.1973 nung Nr. 3 des MdI über die Führung von Unterscheidungszeichen für den Verkehr mit Fahrzeugen außerhalb der DDR

DA 2/74

Die Erfassung und Speicherung von Zollrechtsverletzungen und sicherheitsmäßig zu beachtenden Feststellungen im grenzüberschreitenden Reise-. Güter- und Postverkehr und die Auskunftserteilung dazu durch die Abteilung Zollermittlung der Hauptverwaltung ( Zentralkartei )

10.1.1974

DA 7/74

Operative Statistik der Zollverwaltung

22. 2.1974

DA 8/74

Verzollung von Geschenksendungen im Postverkehr bei der Einfuhr in die DDR

22. 2.1974

3. Ergänzung zur Ordnung 1/72

Geheimhaltung bei der Übermittlung dienstlicher Angaben über UKWSprechfunk

7. 3.1974

2. Ergänzung zur DA 19/72

Arbeit mit Literatur- und Tonträgerasservaten

7. 6.1974

DA 15/74

Tätigkeit der operativen Ermittler an den PZÄ zur Bekämpfung des Org.Versandes

26. 6.1974

DA 17/74

Erhöhung der Wirksamkeit bei der rechtlichen Bearbeitung von Feststellungen im Reiseverkehr

9. 7.1974

Befehl 4/74

Vorbereitung und Durchführung der Leipziger Messen

12. 7.1974

Befehl 5/74

Maßnahmen der Zollverwaltung im 24. 7.1974 Zusammenhang mit der Errichtung des Umweltbundesamtes in Berlin ( West ) im Transitverkehr zwischen Berlin ( West ) und der BRD

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Datum

20.12.1973

450

Anhang

Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

2. DFA zum Befehl 4/74

Die Zollkontrolle und der Verfahren im grenzüberschreitenden Güterverkehr zur Leipziger Messe

13. 8.1974

3. DFA zum Befehl 4/74

Verantwortung und Aufgaben der Messeeinsatzleitung

13. 8.1974

4. DFA zum Befehl 4/74

Aufgaben und Arbeitsweise der Abteilung Zollermittlung in Vorbereitung und Durchführung der Leipziger Messen

13. 8.1974

5. DFA zum Befehl 4/74

Aufgabenstellung und Arbeitsweise des Zollfahndungsdienstes in Vorbereitung und Durchführung der Leipziger Messen

13. 8.1974

DA 20/74

Maßnahmen zur Erkennung und Verhinderung ungenehmigter Ein-, Aus- und Durchfuhren von Suchtmitteln über die Staatsgrenzen der Deutschen Demokratischen Republik

14. 8.1974

DA 27/74

Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit 29.11.1974 bei der Verwertung bzw. Vernichtung von dienstlichem Schriftgut

1. DFA zur DA 27/74

Verwertung bzw. Vernichtung von dienstlichem Schriftgut in der Hauptverwaltung

29.11.1974

Befehl 11/74

Aufgaben und Arbeitsweise der Abteilung Zollermittlung

23.12.1974

DA 3/75

Zollmäßige Behandlung der Vertreter der 14. 3.1975 Mitgliedsländer des RGW, der Mitarbeiter des Stabes der Vereinten Streitkräfte der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages sowie des Vermögens und der Dokumente dieser Organe im grenzüberschreitenden Verkehr

DA 5/75

Die Zollabfertigung von Postsendungen im grenzüberschreitenden Postverkehr, deren Inhalt für den dienstlichen Gebrauch der Vertretungen anderer Staaten in der DDR sowie für den persönlichen Gebrauch des Personals dieser Vertretungen bestimmt ist, durch die Postzollämter

5. 6.1975

4. DFA zum Befehl 11/74

Die Ermittlungstätigkeit der Abteilung Zollermittlung im Seeschiffs- und Fährverkehr

25. 8.1975

DA 11/75

Einsatzprämie für mehr als zwei Wochenend- 10.10.1975 oder Feiertagsdienste im Monat an den GZÄ

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451

Quellen und Literatur Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

1. DFA zum Befehl 2/74 (Entwurf + Schriftverkehr )

Aufgaben der Überwachung und Kontrolle der Transitwege ( Straße ) zwischen der BRD und Westberlin durch die Abteilungen Transitüberwachung

17.11.1975

1. Ergänzung zur DA 2/74

Maßnahmen zur Erhöhung der Wirksamkeit 17.11.1975 der Zentralkartei

Befehl 2/76

Bearbeitung von Beschwerden, Eingaben, Anfragen und Zuschriften von Bürgern

17. 2.1976

1. DFA zum Befehl 2/76

Grundsätze für die Bearbeitung und Analysierung von Beschwerden, Eingaben, Anfragen und Zuschriften

17. 2.1976

2. DFA zum Befehl 2/76

Die Bearbeitung der Beschwerden von 17. 2.1976 Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik, des Auslandes sowie Berlin ( West ) zu Entscheidungen der Dienststellen der Zollverwaltung

3. DFA zum Befehl 2/76

Die Bearbeitung von Eingaben und 17. 2.1976 Anfragen, die durch Bürger, staatliche Organe, gesellschaftliche Organisationen und andere Institutionen der Deutschen Demokratischen Republik an die Zollverwaltung gerichtet werden

4. DFA zum Befehl 2/76

Die Bearbeitung von Dienstaufsichtsbeschwerden

6. DFA zum Befehl 2/76

Die Durchführung von Sprechstunden in der 17. 2.1976 Zollverwaltung

7. DFA zum Befehl 2/76

Die Registrierung und statistische Erfassung der Beschwerden, Eingaben, Anfragen und Zuschriften sowie der Erlasse, Stundungen oder Freigaben

Befehl 4/76

Die Zollabfertigung des Personals der 22. 4.1976 Vertretungen anderer Staaten in der DDR und der Gegenstände für den dienstlichen Gebrauch dieser Vertretungen sowie für den persönlichen Gebrauch des Personals dieser Vertretungen

2. DFA zum Befehl 4/76

Die Zollabfertigung der Gegenstände für den 22. 4.1976 dienstlichen Gebrauch der Vertretungen anderer Staaten in der DDR und der Gegenstände für den persönlichen Gebrauch des Personals dieser Vertretungen durch das Zollamt Berlin I

3. DFA zum Befehl 4/76

Die Informations- und Auswertungsarbeit des 22. 4.1976 Zollamtes Berlin I

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17. 2.1976

17. 2.1976

452

Anhang

Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

4. DFA zum Befehl 4/76

Die Zollabfertigung der Gegenstände für den 22. 4.1976 dienstlichen Gebrauch der Vertretungen anderer Staaten in der DDR, die ihren Sitz außerhalb der Hauptstadt der DDR haben und der Gegenstände für den persönlichen Gebrauch des Personals dieser Vertretungen durch die Grenzzollämter und Binnenzollämter

9. DFA zum Befehl 2/76

Die Bearbeitung von Zuschriften und 3. 6.1976 Eingaben bei Maßnahmen der Postzollämter zu Einfuhrsendungen aus dem Ausland und Berlin ( West )

Ordnung 3/76

Umgang mit Waffen, Munition, Sprengstoffen und Giften in der ZV

10. 8.1976

2. DFA zur Ordnung 1/72

Einsatz von Verschleierungsmitteln

1.10.1976

3. DFA zur Ordnung 1/72

Nutzung von Chiffriermitteln zu Verschleierungsverfahren

1.10.1976

DA 1/77

Bekämpfung von organisierten Einfuhren im 28. 2.1977 grenzüberschreitenden Postverkehr

DA 4/77

Einführung eines Sirenensignals zur Warnung der Bevölkerung

Befehl 2/77

Die Aufgaben des Zollfahndungsdienstes der 26. 4.1977 Zollverwaltung der DDR

DA 7/77

Behandlung von Fundgut

DA 9/77

Die Arbeit mit operativen Vorlaufmaterialien 31. 8.1977 in den Operativ- und Arbeitsgruppen Zollermittlung

DA 10/77

Die Zollkontrolle von Lang- und Grobbriefsendungen im grenzüberschreitenden Postverkehr

1. 9.1977

Ordnung 6/77

Bildung von Prämienfonds

7. 9.1977

DA 11/77

Aufgaben zur Vorbereitung und Durchführung der Zollkontrolle im grenzüberschreitenden Postverkehr während des Jahresendverkehrs und anderer Verkehrsspitzen

19. 9.1977

10. DFA zum Befehl 2/76

Bearbeitung von Beschwerden von Bürgern

19.10.1977

DA 15/77

Maßnahmen zur Bekämpfung des Schmuggels und der Spekulation im Reiseverkehr

29.11.1977

1. DFA zum Befehl 8/72

Kontrollverfahren Transitverkehr Warenbegleitscheine

5. 7.1978

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Datum

18. 3.1977

6. 5.1977

453

Quellen und Literatur Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

1. DFA zur DA 1/77

Entscheidungsgrundsätze zu organisierten 31. 7.1978 Einfuhren aus der BRD und Berlin ( West ) im Postverkehr

Disziplinarordnung der Zoll- Disziplinarordnung verwaltung der Deutschen Demokratischen Republik

1979

2. Ergänzung zur DA 2/74

Maßnahmen zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit im SG III der Abteilung Zollermittlung der HV (Zentralkartei )

28. 2.1979

DA 3/79

Einsatz von Diensthunden in der Zollverwaltung der DDR

23. 4.1979

2. DFA zum Befehl 2/74

Auswertungs- und Informationstätigkeit der Abteilung Transitüberwachung

21. 5.1979

5. DFA zum Befehl 2/77

Bildung des SG V des Zollfahndungsdienstes 29. 5.1979 der HV und seine Arbeitsweise zur Bekämpfung des Schmuggels mit Suchtmitteln

Ordnung 3/79

Anwendung der Schusswaffe in besonderen Fällen

14. 6.1979

1. Ergänzung zur Ordnung 3/79

Gewährleistung der Sicherheit von Waffen und Munition im Rahmen der militärischen Ausbildung

14. 6.1979

6. DFA zum Befehl 4/76

Die Zollabfertigung des Personals der 11.1.1980 Vertretungen anderer Staaten in der DDR und der Gegenstände für den dienstlichen Gebrauch dieser Vertretungen sowie für den persönlichen Gebrauch des Personals dieser Vertretungen durch die Grenzzollämter

7. DFA zum Befehl 4/76

Die Zollabfertigung des Personals der 11.1.1980 Vertretungen anderer Staaten in der DDR und der Gegenstände für den dienstlichen Gebrauch dieser Vertretungen sowie für den persönlichen Gebrauch des Personals dieser Vertretungen durch die Grenzzollämter Friedrich-Zimmer-Straße, Bahnhof Friedrichstraße, Heinrich-Heine-Straße, Bornholmer Straße und Invalidenstraße

1. Ergänzung zur 3. DFA zur Gebrauchsanweisung zur Anwendung von Ordnung 1/72 Sprechtafeln

5. 5.1980

5. Ergänzung zur DA 7/74

Operative Statistik zum Güter- und Reise8. 5.1980 verkehr im spezifischen Transit zwischen der BRD und Berlin/West und umgekehrt

1. DFA zum Befehl 4/74

Zollabfertigung des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs zur Leipziger Messe

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11. 8.1980

454

Anhang

Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

DA 6/80

Kennzeichnung der Sendungen im grenzüberschreitenden Postverkehr nach der Zollkontrolle

29. 9.1980

Befehl 6/80

Maßnahmen im Zusammenhang mit der zeit- 28.10.1980 weiligen Änderung der Modalitäten im passund visafreien Reiseverkehr zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Volksrepublik Polen

Befehl 7/80

Gewährleistung einer hohen Sicherheit bei terroristischen Angriffen

31.10.1980

DA 7/80

Ausstattung im Umgang mit Zollverschlusszangen und Kontrollstempeln

5.12.1980

Ordnung 2/80

Strahlenschutzordnung bei der Röntgenkontrolle

19.12.1980

DA 8/80

Genehmigung von Privatreisen der Mitarbei- 22.12.1980 ter der ZV in und durch die VR Polen sowie des Besuchsempfangs aus der VR Polen

Ordnung 2/81

Gewährung von Urlaub und Freistellung vom 9.1.1981 Dienst für Mitarbeiter der Zollverwaltung

Ordnung Nr. VI/1/81

Ordnung zur Technologie der Kontrolle und 1. 7.1981 Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen ( OTA )

DA 5/81

Die Arbeit mit Vergleichsreihen an den GZÄ 6.10.1981

DA 6/81

Grundsätze für die Anwendung von Gassprays an den GZÄ

6.10.1981

6. Ergänzung zur DA 7/74

Operative Statistik zum grenzüberschreitenden Reiseverkehr

6.11.1981

Befehl 8/81

Grundsätze für die Anwendung der verschie- 11.11.1981 denen Formen der Sachverhaltsfeststellung bei der Verfolgung von Zoll- und Devisenverstößen und die Anwendung der entsprechenden Vordrucke für Sachverhaltsfeststellungen und Einziehungen

Befehl 11/81

Gewährleistung einer hohen Sicherheit im Zusammenhang mit der Verkündung des Ausnahmezustandes in der VR Polen

15.12.1981

7. Ergänzung zur DA 7/74

Operative Statistik zum kommerziellen Warenverkehr

25.1.1982

10. DFA zur Ordnung 1/72

Einsatz von Verschleierungsmitteln in den Abteilungen Transitüberwachung

21. 5.1982

11. DFA zur Ordnung 1/72

Einsatz von Verschleierungsmitteln an den GZÄ

21. 5.1982

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455

Quellen und Literatur Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

Befehl 4/82

Aufnahme der gemeinsamen Kontrolle an der Grenzübergangsstelle Zinnwald

30. 6.1982

Ordnung 4/82

Ordnung über die Kontrolle und Anleitung in der Zollverwaltung

17.12.1982

Gesetz über das Zollwesen der Deutschen Demokratischen Republik – Zollgesetz ( Teil 1 und 2)

Zollgesetz der DDR

1984

Ordnung 2/84

Versorgung der Angehörigen der Zollverwaltung mit Wohnraum

7. 5.1984

9. Ergänzung zur DA 7/74

Statistik „Anfragen von Bürgern“

12. 9.1984

10. Ergänzung zur DA 7/74

Operative Statistik im grenzüberschreitenden 14.12.1984 Postverkehr

Befehl 1/85

Die Aufgabe der Bereiche Fahndungswesen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltungen

7. 5.1985

1. DFA zur DA 10/77

Einsatz von Durchleuchtungsgeräten an den Postzollämtern

22. 5.1985

Befehl 3/85

Die Zollabfertigung von Handelswaren und Gütertransportmitteln in der Aus-, Ein- und Durchfuhr

3. 7.1985

1. DFA zum Befehl 3/85

Die Zollabfertigung von Handelswaren und Gütertransportmitteln in der Aus- und Einfuhr durch die Binnen- und Grenzzollämter

3. 7.1985

2. DFA zum Befehl 3/85

Die Zollabfertigung von Gütertransporten in 3. 7.1985 der Durchfuhr an den Grenzzollämtern

DA 9/85

Die Durchführung der Röntgenkontrolle an den Grenzzollämtern

26. 9.1985

11. DFA zum Befehl 2/76

Verantwortlichkeit und Verfahren für die Bearbeitung von Ausnahmeersuchen

25.11.1985

Ordnung 6/85

Erfassung, Verarbeitung und Bereitstellung von Informationen - Informationsordnung

5.12.1985

1. DFA zum Befehl 1/85

Die operative Vorgangsbearbeitung der 20.12.1985 Abteilungen I der Bereiche Fahndungswesen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltungen zur Bekämpfung des Schmuggels und der Spekulation sowie von Straftaten und anderen Rechtsverletzungen im Außenhandel

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456

Anhang

Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

2. DFA zum Befehl 1/85

Die Ermittlungstätigkeit der Abteilungen I 20.12.1985 der Bereiche Fahndungswesen der Hauptverwaltung und der Bezirksver waltungen zur Bekämpfung der unter Missbrauch des grenzüberschreitenden Postverkehrs betriebenen politisch-ideologischen Diversion und gegnerischen Kontakttätigkeit

3. DFA zum Befehl 1/85

Die Aufgaben und Arbeitsweisen der 20.12.1985 Operativgruppen Zollfahndung und des Sachgebietes 4 der Abteilung I des Bereiches Fahndungswesen der Hauptverwaltung

DA 1/86

Entscheidungsbefugnisse zum Ausspruch von 17. 2.1986 Strafverfügungen und zum Erlass von Arrestbefehlen

4. DFA zum Befehl 1/85

Aufgaben und Arbeitsweise des Sachgebietes 18. 2.1986 Koordinierung und Technik

5. DFA zum Befehl 1/85

Die Untersuchungstätigkeit der Abteilungen II der Bereiche Fahndungswesen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltungen

18. 2.1986

Befehl 2/86

Verantwortung und Aufgabenstellung der Abteilungen III der Bereiche Fahndungswesen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltungen

14. 4.1986

1. DFA zum Befehl 2/86

Arbeitsweisen der Abteilungen III der Bereiche Fahndungswesen bei der Kontrolle und Überwachung der Transitwege ( Straße ) zwischen der BRD und Berlin ( West )

14.4. 1986

4. DFA zum Befehl 2/86

Aufgaben und Arbeitsweisen der Dienststelle 14. 4.1986 Beobachtung der Abteilung III des Bereiches Fahndungswesen der Hauptverwaltung

6. DFA zum Befehl 1/85

Die Auswertungs- und Informationstätigkeit der Abteilung IV des Bereichs Fahndungswesen der Hauptverwaltung und der Sachgebiete Auswertung und Information der Bereiche Fahndungswesen der Bezirksverwaltungen

5. 5.1986

4. DFA zum Befehl 3/85

Die Zollabfertigung von Containern

18. 8.1986

5. DFA zum Befehl 3/85

Die Zulassung von Gütertransportmitteln und Containern der DDR zum internationalen Warentransport unter Zollverschluss

18. 8.1986

DA 11/86

Durchführung einer wirksamen Röntgenkontrolle an den Postzollämtern

25. 8.1986

DA 12/86

Avisierungen von Ausnahmeentscheidungen im grenzüberschreitenden Verkehr

9. 9.1986

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Datum

457

Quellen und Literatur Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

DA 15/86

Behandlung von Computern bei der Einfuhr

24.10.1986

DA 16/86

Ein- und Ausfuhr von visuell nicht lesbaren Datenträgern durch berechtigte Organe, Betriebe, Institutionen

4.11.1986

DA 3/87

Erfassung und Verarbeitung von Daten des Kader- und Personalbestandes der ZV für das EDV-Kaderprojekt

1. 6.1987

1. DFA zur DA 9/85

Maßnahmen zur weiteren Befähigung und Qualifizierung der Röntgenkontrolleure an den Grenzzollämtern

16. 6.1987

Ordnung 2/87

Ordnung über das Bekleidungswesen der Zollverwaltung der DDR

29. 7.1987

DA 7/87

Behandlung von Schusswaffen und Munition 17. 8.1987 im allgemeinen Transitverkehr

Ordnung 3/87

Arbeitsweise bei der Nutzung des Kleincomputers KC 85/3 und Nachfolgetypen

22. 9.1987

DA 11/87

Rechtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der Ein- und Ausfuhr von Gegenständen im grenzüberschreitenden Reiseverkehr

5.10.1987

DA 15/87

Kontrolle von Bild- und Tonträgern im grenz- 5.10.1987 überschreitenden Reise- und Postverkehr

11. Ergänzung zur DA 7/74

Operative Statistik zum kommerziellen Warenverkehr

12.11.1987

2. Ergänzung zur Ordnung 2/87

Bildliche Darstellung der Trageweise von Kopfbedeckungen, Dienstgrad- und Dienstlaufbahnabzeichen sowie Orden, Medaillen und Interimsspangen

17.11.1987

DA 25/87

Gewährleistung der Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Angehörigen der Zollverwaltung

1.12.1987

1. Ergänzung zur Ordnung 2/81

Erhöhung des Erholungsurlaubes für ältere Angehörige der Zollverwaltung

5.12.1987

7. DFA zum Befehl 1/85

Die zentrale Schriftenfahndung des Zollfahn- 17.12.1987 dungsdienstes und sich daraus ergebende Veränderungen der Aufgaben und Arbeitsweisen der Sachgebiete 2 der Abteilungen I der Bereiche Fahndungswesen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltungen

Ordnung 1/88

Ordnung über den Einsatz Elektronischer 22. 3.1988 Sicherungsanlagen in der Zollverwaltung der DDR

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458

Anhang

Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

DA 4/88

Zollabfertigung von Staatsgeheimnissen und Dienstsachen im grenzüberschreitenden Verkehr zur Ausfuhr

30. 5.1988

6. DFA zum Befehl 3/85

Die Zollabfertigung von Sendungen des kom- 31. 5.1988 merziellen Warenverkehrs im grenzüberschreitenden Postverkehr und die Bearbeitung getroffener Feststellungen durch die Binnenzollämter

Ordnung 4/88

Durchführung von Schießübungen mit Schützenwaffen in der ZV

16. 8.1988

Befehl 6/88

Werbung von Bürgern für den Dienst in der Zollverwaltung der DDR

17. 8.1988

1. DFA zum Befehl 6/88

Arbeits- und Verfahrensweise bei der Werbung von Bürgern für den Dienst in der Zollverwaltung der DDR

17. 8.1988

3. Ergänzung zur Ordnung 2/87

Normen für Bekleidung und Ausrüstung

28.10.1988

DA 11/88

Die Zollabfertigung des grenzüberschreitenden Seeschiffsverkehrs

31.10.1988

1. Ergänzung zur Ordnung 2/84

Finanzielle Stimulierung des Umzuges von einer größeren in eine kleinere Wohnung

13.1.1989

Ordnung 4/89

Verfahrensweise im Umgang mit Schriftgut und Archivgut in der ZV

21. 3.1989

1. DFA zur Ordnung 2/87

Bewirtschaftung der Bekleidung und Ausrüstung in der Zollverwaltung der DDR

10. 4.1989

Ordnungen, Befehle, Dienstanweisungen des Ministeriums für Staatssicherheit Befehl 210/56

Maßnahmen der Grenzpolizei und des AZKW zur Erleichterung des Verkehrs zwischen der DDR und der BRD

Befehl 48/57

Maßnahmen zur Festigung und Stärkung der 14. 8.1957 Deutschen Grenzpolizei

Arbeitsanweisung 4/59

Organisierung der Fahndungsarbeit auf der 2. 4.1958 Grundlage der DA 11/59 des Kommandeurs der Deutschen Grenzpolizei

Befehl 513/63

Steigerung der Qualität der Postzollfahndung 15. 8.1963

Befehl 40/64

Einsetzung der Passkontrolleinheiten an den GÜSt

16.1.1964

DA X/64

Vereinheitlichung der Arbeit der Abteilung Postzollfahndung

4. 4.1964

Direktive

Direktive zur Postzollfahndung

15. 4.1964

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25. 6.1956

459

Quellen und Literatur Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

DA 4/66

Politisch-operative Bekämpfung der PID und 15. 5.1966 Untergrundtätigkeit unter Jugendlichen der DDR

DA 1/68

Einführung neuer Passkontrolltechnik

13. 2.1968

Beschluss des Ministerrats

Beschluss zur Einrichtung neuer Postzollämter

19. 2.1969

Befehl 5/70

Einsetzung von OibE an den Postzollämtern

23.1.1970

Bestimmungsordnung

Ordnung zur politisch-operativen Arbeit

25. 2.1970

Richtlinie 1/71

Richtlinie zur operativen Personenkontrolle

1971

Anweisung 1/72

Grundsätze für die Gestaltung und Durchführung der gemeinsamen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs und der Zusammenarbeit mit den Pass- und Zollorganen der VR Polen an der GÜSt Frankfurt/Oder – Stadtbrücke

24. 2.1972

DA 2/72

Avisierung und Durchsetzung von Ausnahmeentscheidungen bei der Kontrolle von Personen, Gütern und Transportmitteln im grenzüberschreitenden Verkehr

12. 6.1972

2. Durchführungsbestimmung zur DA 2/72

Arbeitsordnung zur Regelung der Aufgaben, der Befugnisse und der Arbeitsweisen der Operativen Leitzentren bei der Einleitung, Durchsetzung und Überwachung von Ausnahmeentscheidungen in der Kontrolle von Personen, Gütern und Transportmitteln im grenzüberschreitenden Verkehr

12. 6.1972

Dienstordnung

Grundsätze für den Dienst im MfS

13. 7.1972

Dienstanweisung 6/75

Einleitung und Realisierung von Fahndungen 6. 8.1975 im Reiseverkehr über die Staatsgrenze der DDR

Befehl 5/76

Aufgaben der Diensteinheiten der Linie IV bei der politisch-operativen Sicherung von Vertretungen anderer Staaten, internationaler zwischenstaatlicher Organisationen und bevorrechteter Personen sowie von in der DDR akkreditierten Publikationsorganen anderer Staaten, deren ständige Korrespondenten in der DDR und von Reisekorrespondenten aus anderen Staaten

Ordnung

Ordnung zur Verfahrensweise beim 23. 3.1976 Einhalten von Postsendungen durch das MfS

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Datum

29.1.1976

460

Anhang

Dienstanweisung, Ordnung, etc.

Inhalt

Datum

Befehl 10/76

Erweiterung der Zulassung der Grenzübergangsstelle Rostock/Warnemünde für den Verkehr mit Seepassagierschiffen anderer Staaten und Westberlins

7. 4.1976

DA 4/76

Abfertigung von Seepassagierschiffen mit Touristen aus WD/WB in Warnemünde

14. 5.1976

DA 3/85

Zur politisch-operativen Kontrolle und Auswertung von Postsendungen durch die Abteilungen M

1. 6.1985

Ordnung 11/86

Zusammenarbeit zwischen der Abteilung M und anderen DE des MfS

5. 5.1986

Fachschulabschlussarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen der Zollverwaltung, geordnet nach Autoren Bleihauer, Hans - Jürgen : Zur Anwendung und Entwicklung des Zollüberwachungs - und - verfahrensrechts als Instrument zur Gewährleistung des staatlichen Außenhandelsmonopols unter Berücksichtigung spezifischer Probleme der Kompetenz bei der Aufdeckung von Zollrechtsverletzungen im kommerziellen Warenverkehr, unveröffentlichte Dissertationsschrift, Berlin 1985. Boettcher, Wolfgang : Traditionen des klassenbewussten Kampfes der Angehörigen des Grenzzollamtes Marienborn / Autobahn zum Schutz der Arbeiter - und - Bauern - Macht, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Marienborn 1987. Druf, Günter : Die Erfordernisse und Möglichkeiten der Erarbeitung von Hinweisen und politisch - operativen Informationen aus den Unterlagen der Zentralkartei der Zollverwaltung der DDR für den Schutz und die Sicherheit der DDR und für die Erkennung, Aufdeckung und Verhütung von Schmuggel und Spekulation im grenzüberschreitenden Verkehr, unveröffentlichte Diplomarbeit, Berlin 1975. Feldmann, Dietrich / Scherll, Werner : Die sich aus der organischen Einordnung der Außenwirtschaft in das ökonomische System des Sozialismus für den Zollfahndungsdienst der DDR ergebenden Aufgaben, Plessow 1972. Helmholdt, Rainer : Die Gewährleistung einer hohen Beweis - und Aussagekraft bei der Fertigung von Fotodokumentationen im Eingang durch die eingesetzten Kontrolleure im Transitgüterverkehr / Schiene am Grenzzollamt Marienborn / Eisenbahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Marienborn 1988. Hoffmann, Edda : Die Durchsetzung der rechtlichen Regelung für die Einfuhr von Geschenken im grenzüberschreitenden Postverkehr, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Saalfeld 1987. Krummel, Gerhard : Die operative Nutzung der Leipziger Messen bei der Aufklärung der Wirkungsweise, des Wirkungsgrades und der Wirkungsschwerpunkte feindlicher Organisationen, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Leipzig 1970. Künzel, Thomas : Die Zollabfertigung des spezifischen Transitgüterverkehrs, speziell des Containerzuges, BRD–Berlin ( West ) am Grenzzollamt Marienborn / Eisenbahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Marienborn 1987.

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Quellen und Literatur

461

Lützenkirchen, Horst : Versteckmöglichkeiten am Fahrzeugtyp Mercedes - Daimler - Benz der Serie „200“ und deren Kontrolle unter zweckmäßiger Anwendung technischer Kontrollmittel, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Hirschberg 1987. Milrag, Joachim : Die Organisation eines engeren Zusammenwirkens zwischen den Diensteinheiten der Zollverwaltung und der PKE an einem Grenzübergang der Staatsgrenze West mit Eisenbahnverkehr zur wirksameren Aufdeckung der Feindtätigkeit, Plessow 1968. Mohr, Klaus : Anforderungen an die Führungskader zur Sicherung eines durchgängigen und wirksamen Einsatzes der Röntgentechnik bei der Zollkontrolle des Reiseverkehrs am Grenzzollamt Marienborn / Eisenbahn, unveröffentlichte Diplomarbeit, Plessow 1989. Muhl, Frank : Die Durchsetzung der Einheit von manueller und visueller Kontrolle zur Erkennung aller Verletzungen der Verschlusssicherheit bei Straßentransportmitteln nach Artikel 6 des Transitabkommens am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn im Bereich der Ausreise, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Marienborn 1989. Mundt, Kurt : Zur Entwicklung der Zollverwaltung der Deutschen Demokratischen Republik im Zeitraum von 1961 bis 1970, unveröffentlichte Dissertationsschrift, Berlin 1984. Oelze, Hans - Jürgen : Anforderungen an die Führungskader zur Sicherung eines durchgängigen und wirksamen Einsatzes der Röntgentechnik bei der Zollkontrolle des Reiseverkehrs am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Diplomarbeit, Plessow 1988. Offelmann, Wolfgang : Erfahrungen und Erkenntnisse bei der Gewährleistung einer realen Leistungsbewertung und ihre Nutzung in der politisch - ideologischen Arbeit am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Diplomarbeit, Plessow 1988. Pöhlmann, Ulrich : Die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Tages der militärischen Ausbildung an einer Dienststelle der Zollverwaltung, unveröffentlichte Diplomarbeit, Plessow 1987. Pötter, Jürgen : Zur Entwicklung der Zollverwaltung der DDR im Zeitraum von 1952 bis 1961, unveröffentlichte Dissertationsschrift, Plessow 1988. Raschig, Bernd : Die Durchsetzung wirksamer Transportmittelkontrollen, insbesondere zur Kontrolle konstruktionsbedingter schwerzugänglicher Hohlräume und Verwahrorte im Reiseverkehr mit Personenkraftwagen, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Plessow 1986. Reinert, Hannelore : Erkenntnisse bei der Erhebung und Vereinnahmung von Gebühren für die Erteilung von Genehmigungen zur Einfuhr von Gegenständen im grenzüberschreitenden Reiseverkehr nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Marienborn 1988. Richter, Detlef : Die Herausarbeitung von Anhaltspunkten bei der Prüfung der Fracht und Zolldokumente für die Durchführung von zielgerichteten Kontrollen im Kommerziellen Warenverkehr bei der Einfuhr am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Magdeburg 1988. Rieche, Erhard : Die Erkennung von Verletzungen der Verschlusssicherheit bei Tank- und Silofahrzeugen nach Artikel 6 des Transitabkommens, bei strikter Einhaltung der Zeitnormative am GZA Marienborn / Autobahn in der Einreise, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Plessow 1988. Scheer, Hans - Joachim : Die wirksame politisch - ideologische und politisch - moralische Erziehung der Mitarbeiter durch die Leiter – eine wesentliche Voraussetzung für die

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462

Anhang

weitere Zurückdrängung der Fluktuation und der Herstellung fester Bindungen zum Organ, unveröffentlichte Diplomarbeit, Berlin 1975. Schmoll, Karsten : Zur Wertung des Verhaltens der Reisenden in der Zollabfertigung des Wechselreiseverkehrs – dargestellt am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Diplomarbeit, Plessow 1987. Schneider, Manfred : Aufgaben der Führungskader bei der Erziehung der Angehörigen zu einem anforderungsgerechten Auftreten und Verhalten in der Zollkontrolle im Ergebnis der Auswertung von Dienstaufsichtsbeschwerden, unveröffentlichte Diplomarbeit, Plessow 1987. Schulz, Egon : Untersuchungen der Durchsetzung der rechtlichen Regelungen der 12. Durchführungsbestimmung zum Zollgesetz am Grenzzollamt Marienborn / Autobahn und Marienborn / Eisenbahn, unveröffentlichte Diplomarbeit, Plessow 1989. Tippner, Frank : Die Zollabfertigung und das Kontrollverfahren im spezifischen Transitgüterverkehr mit Containern im Eingang am Grenzzollamt Marienborn / Eisenbahn zur Aufdeckung aller Verletzungen des Transitabkommens, die unter Beteiligung staatlicher Organe, Institutionen und Firmen der BRD begangen werden, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Marienborn 1986.

Vierteljahreszeitschrift „Sozialistische Zollkontrolle“ 1975/1, 1980/2, 1982/2, 1983/3, 1983/4, 1984/4, 1985/4, 1986/1, 1986/2, 1986/3, 1986/4, 1987/2, 1988/1, 1989/1, 1989/2, 1989/3

Mitteilungsblatt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zollver waltung der DDR Ausgaben 01/90 – 11/90 ( Januar bis Mai 1990)

Lese - und Studienmaterial des Instituts der Zollver waltung ( interne Fachliteratur, „vor unbefugter Einsicht und Verlust zu sichern“). Hinweise für die Durchführung der aufgabenbezogenen Weiterbildung der Angehörigen der Binnenzollämter mit dem Thema : Die Gewährleistung einer hohen Ordnung und Sicherheit auf ständigen und zeitweiligen Kontrollplätzen sowie die wirksame Gestaltung der Überprüfungshandlungen zur verschlusssicheren Ein - und Herrichtung der Transportmittel durch die Binnenzollämter (1983). Material für die Weiterbildung zum Thema : Die Anforderungen an ein höf liches, korrektes und kultur volles Auftreten und Verhalten der Angehörigen der Zollver waltung (1984). Lesematerial zum Thema : Die Anforderungen an die Durchführung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs an der Staatsgrenze Süd und Ost (1984). Lesematerial zum Thema : Die Zollkontrolle von Transportmitteln im Reise - und Güter verkehr. Die zielgerichtete Kontrolle konstruktionsbedingter Hohlräume und der zweckmäßige Einsatz der technischen Kontrollmittel (1985). Lesematerial zum Thema : Die Grundsätze, die Organisation und die Durchführung der Zollabfertigung des Transitverkehrs zwischen der BRD und Berlin ( West ) (1985). Lesematerial zum Thema : Zum Gegenstand und zur Zielstellung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs (1985).

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Quellen und Literatur

463

Lesematerial zum Thema : Die Anforderungen an die Durchführung der Zollkontrolle des grenzüberschreitenden Wechselreiseverkehrs an den Staatsgrenzen West, Nord und zu Berlin ( West ) (1985). Lesematerial zum Thema : Die zielgerichtete, differenzierte und stichprobenweise Zollkontrolle. Die Auswahl von Personen, Transportmitteln und Gepäckstücken zur Zollkontrolle unter Nutzung der Beobachtungsergebnisse sowie der Erkennung aus der Einsicht in Zoll - und Grenzübertrittsdokumente (1985). Lesematerial zur Röntgenkontrolle an den Postzollämtern unter den Bedingungen des Einsatzes von rechnergestützter Roboter - und Handhabetechnik sowie der Fernbedienung der Röntgenanlagen (1986). Lesematerial zum Thema : Die Zollabfertigung des Transitgüter verkehrs auf dem Straßenwege zwischen der BRD und Berlin ( West ) (1986). Studienmaterial mit dem Thema : Die zum Einsatz in der Zollver waltung der DDR kommenden technischen Kontrollmittel und ihr effektiver Einsatz (1986). Lesematerial zum Thema : Die Anforderungen an die Durchführung der Zollkontrolle bei der Ein - und Ausfuhr von Handelswaren an den Grenz- und Postzollämtern (1987). Lesematerial zum Thema : Die Anforderungen an die Durchführung der Zollkontrolle von Ein - und Ausfuhrsendungen an den Binnenzollämtern (1987). Faktensammlung zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1987 (1987). Lesematerial zum Thema : Die Anforderungen an die Durchführung einer wirksamen Röntgen - und Inhaltskontrolle (1988). Lesematerial zum Thema : Die Anforderungen an die Durchführung der Zollkontrolle bei der Ein- und Ausfuhr von Handelswaren an den Grenz- und Postzollämtern (1988). Lesematerial zum Thema : Zur Entwicklung der Zollver waltung der DDR in den siebziger Jahren ( Heft I und II ) (1988). Lesematerial zum Thema : Zur Gestaltung der Zusammenarbeit mit an der Abfertigung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs beteiligten Betrieben und Institutionen (1988).

Dokumente Erläuterungen zu den Aufgaben des Instituts anlässlich des Besuchs des Leiters der Zollver waltung der VRB am 13. 10. 1981. Aus der Aufzeichnung des Parteiveteranen Werner Friedrich aus Potsdam, Jahrgang 1925 [ zu Anton Ruh ] ( unveröffentlichtes Manuskript ). Anton Ruh : Lebenslauf. Verfasst am 30. September 1962. Institut der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik „Heinrich Rau“ : Lesematerial zur Entwicklung der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik 1952–1982 ( nur für den Dienstgebrauch ). 40 Jahre Zollschule, 3. 11. 1951 bis 3. 11. 1991 ( unveröffentlichte Broschüre ). „Neue Plessower Illustrierte“ – Abschlusszeitung Plessower Zollstudenten vom 6. August 1976 ( unveröffentlichtes Heft ). Lehrprogramm für das dreijährige Fachschuldirektstudium, Plessow, Oktober 1968. Maßnahmeplan zur kadermäßigen Sicherstellung der Aufgaben des zu bildenden Instituts der Zollver waltung „Heinrich Rau“. Struktur und Kaderübersicht vom 23. 10. 1980. Beschluss über die Umwandlung der Fachschule der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik „Heinrich Rau“ in ein Institut der Zollverwaltung der Deutschen Demokratischen Republik „Heinrich Rau“. Entwurf über die Neuregelung der Grenzkontrolle in der SBZ vom 4. Januar 1949.

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464

Anhang

Abkommen und Vereinbarungen der DDR für die internationale Zusammenarbeit mit sozialistischen Ländern auf dem Gebiet des Zollwesens vom 30. September 1977, Teil I – Multilaterale Dokumente.

Archiv der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ( BStU ) BSTU Zentralstelle ( Berlin ) Bestand : MfS – Archivierte Feindobjekt - Akte ( AFO ) 170/86 Bestand : MfS – Arbeitsgruppe des Ministers ( AGM ) 1660, 2067 Bestand : MfS – Arbeitsgruppe XVII – Besucherbüros Westberlin ( AG XVII ) 402, 2471, 3288, 3606 Bestand : MfS – IM - Vorgang ( A / AIM ) 161/89, Teil II, Band 1 ( Niehoff, Kurt ), 2581/74, Teil I, Band 1 ( Grehn, Klaus ), 2581/74, Teil II, Band 1 ( Grehn, Klaus ), 6886/78, Teil I, Band 1 ( Rutsch, Dieter ), 6886/78, Teil II, Band 1 ( Rutsch, Dieter ), 13697, Teil I, Band 3 ( Römhild, Lothar ), 13697, Teil II, Band 4 ( Römhild, Lothar ), 15487/78, Teil I, Band 1 ( Hille, Friedrich ) Bestand : MfS – Allgemeine Sicherheit ( Allg. S.) 149/66 Bestand : MfS – Operativer Vorgang ( AOP ) 558/84 ( Band 1–24 des ZOV „Schlange“) Bestand : MfS – Allgemeiner Schriftverkehr – ( AS ) 13/74, 16/55, Band 1, 36/78, Band 1, 100/61, Band 1, 155/74, Band 32 Bestand : MfS – Büro der Leitung ( BdL / Dok.) 000185, 000300, 000357, 000474, 000582, 000715, 000821, 000822, 000823, 000825, 000826, 000852, 000947, 000986, 001145, 001175, 001383, 001389, 001390, 001486, 001487, 001626, 001685, 001686, 001836, 001837, 001838, 001900, 001901, 001914, 001915, 001918, 001991, 001992, 001995, 002359, 002361, 002481, 004185, 004622, 004918, 005091, 005364, 005473, 005538, 005549, 005550, 005681, 006043, 006097, 006189, 006269, 006278, 006293, 006504, 007205, 007739, 009887, 010773, 010775, 010998, 011421, 014463, 015182, 050058, 051203, 051204, 051205, 051206, 051208, 051209, 051212, 051213, 051216, 051218 Bestand : MfS – Juristische Hochschule ( JHS ) – Studienmaterial und Abschlussarbeiten JHS MF /262, Beyer, Kurt : Ursachen und Bedingungen von Desertionen durch Angehörige der Zollver waltung, die an den Grenzzollämtern an den Staatsgrenzen West und Berlin ihren Dienst versehen haben, und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für die Organisierung der politisch - operativen Arbeit der Linie VII /3 an diesen Zolldienststellen, unveröffentlichte Diplomarbeit, Berlin 1966. JHS MF /289, Wiese, Karl - Heinz : Das Zusammenwirken der Linien und Diensteinheiten des Ministeriums für Staatssicherheit mit anderen Sicherheits - und Rechtspflegeorganen auf der Grundlage von Vereinbarungen zur Sicherung optimaler und effek-

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Quellen und Literatur

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tiver Aufgaben. Dargestellt am Zusammenwirken zwischen den Diensteinheiten Passkontrolle und Fahndung und der Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik bei der Kontrolle und Abfertigung des grenzüberschreitenden Verkehrs und der Bekämpfung staatsfeindlicher und krimineller Handlungen an den Grenzübergangsstellen, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1967. JHS MF VVS /47/67, Pösel, Willi / Naundorf, Manfred : Zu den Grundlagen von Sicherheitssystemen und ihren Leitungsprozessen ( dargestellt am Beispiel der Sicherung des Reise - und Touristenverkehrs gegen die subversive Tätigkeit des Feindes ), unveröffentlichte Habilitationsschrift, Potsdam 1967. JHS MF VVS /153/69, Pilz, Rudolf : Die operative Einbeziehung der Mittel und Methoden der Zollver waltung zur zielgerichteten Erarbeitung von Informationen über operativ interessante Personen, die durch das Ministerium für Staatssicherheit operativ bearbeitet, genutzt oder unter Kontrolle gehalten werden müssen, unveröffentlichte Diplomarbeit, Leipzig 1969. JHS MF GVS /129/69,Jaeger, Fritz : Die Aufgaben zur Qualifizierung der Leitung und Organisierung der Abwehrarbeit der selbstständigen Arbeitsgruppe Messe der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig, zur Gewährleistung des koordinierten Zusammenwirkens der operativen Kräfte und der anderen an der Sicherung der Messen beteiligten Diensteinheiten und Institutionen, am Beispiel der Phase der Vorbereitung der Messen, unveröffentlichte Diplomarbeit, Leipzig 1969. JHS MF VVS /7/70, Neiber, Gerhard / Treffehn, Heinz : Die Planung der poltisch - operativen Arbeit im Ministerium für Staatssicherheit, unveröffentlichte Dissertationsschrift, Potsdam 1970. JHS MF VVS /142/71, Hadamschek, Wolfgang : Zur Arbeit mit kriminalistischen Legenden in der Zollkontrolle, unveröffentlichte Diplomarbeit, Berlin 1971. JHS MF VVS /251/71, Rosse, Wolfgang : Die Gestaltung der inneren Abwehrarbeit des Ministeriums für Staatssicherheit, dargestellt an der Bezirksver waltung Leipzig, Linie VI, zur Leipziger Messe, unveröffentlichte Diplomarbeit, Leipzig 1971. JHS MF VVS /160–21/73, Sektion Rechtswissenschaft der JHS des MfS ( Hg.) : Die Erfordernisse und Möglichkeiten des Zusammenwirkens des MfS mit den Organen der Zollver waltung der DDR, der Arbeiter - und - Bauern - Inspektion und den örtlichen Organen der Staatsmacht, besonders mit dem Stellvertreter für Inneres bei der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung, Potsdam 1973. JHS MF VVS /240/73, Krenzlin, Rudolf : Anforderungen, Aufgaben und Probleme, die sich für einen Passkontrolleur unter den neuen Bedingungen des Transitabkommens zur Gewährleistung einer exakten Personenidentifizierung ergeben – dargestellt am Beispiel der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1973. JHS MF VVS /160–764/74, Pohl, Klaus : Die Organisierung des Zusammenwirkens der Organe des Ministeriums für Staatssicherheit mit dem Organ der Zollver waltung bei der Abfertigung von LKW an der Grenzübergangsstelle Drewitz, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1974. JHS MF VVS /160–1206/74, Kröppelien, Robert : Das Zusammenwirken der Abteilung VI des MfS mit den Organen der Zollver waltung – ein objektives Erfordernis für die erfolgreiche Lösung der dem MfS übertragenen Aufgaben zur Absicherung des grenzüberschreitenden Personen - und Güter verkehrs – dargestellt am Zusammenwirken im Bereich der Grenzübergangsstellen der Seehäfen des Bezirks Rostock, unveröffentlichte Hausarbeit, Potsdam 1974. JHS MF VVS /240/75, Jacobs, Ernst - Otto : Die Nutzung der Zollkontrolle der Grenzzollämter und die rechtliche und operative Bearbeitung von Feststellungen aus der

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Zollkontrolle für die Gewinnung von Hinweisen zu Personen, Sachen und Sachverhalten mit politisch - operativ bedeutsamen Maßnahmen, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1975. JHS MF VVS /289/75, Mausch, Bernd : Die politisch - operative Filtrierung und Abschöpfung des grenzüberschreitenden Verkehrs bei der Grenzpassage sowie Möglichkeiten zur konspirativen Erarbeitung von Informationen im Rahmen der Paß - und Zollkontrolle an den Grenzübergangsstellen der Staatsgrenze Süd, unveröffentlichte Diplomarbeit, Dresden 1977. JHS MF VVS /391/75, Schweinoch, Hubertus : Aufgaben, Verantwortung und Arbeitsgrundsätze der Zollver waltung der DDR und ihre Möglichkeiten zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der DDR und des staatsfeindlichen Menschenhandels, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1975. JHS MF VVS /650/75, Scholz, Horst : Die Aufgaben des Stellvertreters für Stabsfragen des Leiters der Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn gegenüber den Zugführern und den ihm unterstellten Funktionsoffizieren für eine wirksame Anleitungs - und Kontrolltätigkeit und die sich daraus ableitenden Schlussfolgerungen für die Organisierung der eigenen Arbeit, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1975. JHS MF VVS /644/75, Güldner, Heinz : Erfahrungen über die wirksame Kontrolltätigkeit des Zugführers der Passkontrolleinheit Marienborn / Eisenbahn und daraus abzuleitende Prinzipien für dieses Element der Leistungstätigkeit, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1976. JHS MF VVS /737/75, Findeisen, Claus : Die zielgerichtete Nutzung der Möglichkeiten des Antrags - und Genehmigungsverfahrens, für Einreise von Westberliner und DDRBürger, für die Durchsetzung der politisch - operativen Interessen des MfS im Verantwortungsbereich der BV Dresden, Dresden 1976. JHS MF VVS /379/76, Paul, Horst : Die politische und politisch - operative Bedeutung der Identitätsbescheinigung und ihre Anwendung in der Praxis bei der Sicherung, Kontrolle und Abfertigung des grenzüberschreitenden Reise - , Besucher - und Transitverkehrs an den Grenzübergangsstellen der Deutschen Demokratischen Republik, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1976. JHS MF VVS /793/76, Kahle : Rolle und Bedeutung der exakten und einheitlichen Anwendung der Bestimmungen zur Abfertigung des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs unter besonderer Beachtung des Transitverkehrs zwischen der BRD und Berlin ( West ) – Passkontrollregime – an der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn zur Aufdeckung und Verhinderung des staatsfeindlichen Menschenhandels und ungesetzlicher Grenzübertritte, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1976 ( Anmerkung : Der Vorname des Verfassers ist aus der vorliegenden Quelle nicht ersichtlich ). JHS MF VVS /794/76, Krüger, Klaus : Die Aufgaben des Zugführers der Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn gegenüber seinem Stellvertreter, den Gruppenführern und den Operativ - Offizieren der Diensteinheit in enger Zusammenarbeit mit den Stellvertretern für operative Aufgaben der Passkontrolleinheit für eine wirksame Anleitungs - und Kontrolltätigkeit zur Aufdeckung, Verhinderung und Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels und ungesetzlicher Grenzübertritte, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1976. JHS MF VVS /796/76, Rieger, Heinz : Die Aufgaben und Anforderungen eines Zugführers der Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn für das gemeinsam abgestimmte Handeln mit dem Zugführer des Grenzzollamtes bei der Aufdeckung und Verhinderung von staatsfeindlichem Menschenhandel ( § 105 StGB ), ungesetzlichem Grenz-

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Quellen und Literatur

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übertritt ( § 21 StGB ) und der Verhinderung von Sachschleusungen an der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn, wie sie sich aus der Dienstanweisung 3/75 des Genossen Minister für uns ergeben, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1976. JHS MF GVS /83/77, Möller, Gerd : Die Aufgaben und Arbeitsweise der Abteilungen Transitüber wachung der Zollver waltung der DDR und die politisch - operative Nutzung ihrer Möglichkeiten bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlich - negativer Handlungen auf den Transitwegen Straße durch die Abteilungen VIII der Bezirksver waltungen des Ministeriums für Staatssicherheit, unveröffentlichte Diplomarbeit, Erfurt 1977. JHS MF VVS /317/77, Makowski, Georg : Die Aufgabe der PKE bei der Organisierung und Durchführung einer zielgerichteten Filtrierung des grenzüberschreitenden Reise- und Touristenverkehrs in die VR Polen während der Grenzpassage unter den besonderen Bedingungen der gemeinsamen Kontrolle und Abfertigung – dargestellt am Beispiel der GÜSt Frankfurt ( Oder ) – Autobahn, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1977. JHS MF VVS /324/77, Dowidat, Lothar : Das Zusammenwirken mit dem Zollfahndungsdienst zur Erlangung von Ersthinweisen für die Bekämpfung nachrichtendienstlicher Tätigkeit zur Unterstützung der politisch - operativen Arbeit des MfS – dargestellt am Beispiel der Abteilung VI der Bezirksver waltung, einer Kreisdienststelle und der Abteilung Zollfahndung der Bezirksver waltung Zoll Frankfurt (Oder), unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1977. JHS MF VVS /607/77, Fritzek, Georg : Anforderungen an das politisch - operative Zusammenwirken mit den Grenzzollämtern an der Staatsgrenze Ost im Bezirk Cottbus zur Gewährleistung der inneren Sicherheit vor internationalen Bandentum, Schmuggel und Spekulationshandlungen unter dem Aspekt der vorbeugenden Aufdeckung und Verhinderung staatsfeindlicher Tätigkeit, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1978. JHS MF VVS /656/77, Gaßel, Horst : Die Rechte und Pflichten des Zugführers bei der Durchsetzung der Kaderdokumente und seine Aufgaben bei der Bildung und Erziehung der Mitarbeiter im Prozess der Arbeit an der Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1978. JHS MF VVS /200/79, Forschungsarbeit : Die Qualifizierung der politisch - operativen Arbeit des MfS zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung der gegen die Staats - und Gesellschaftsordnung der DDR gerichteten politischen Untergrundtätigkeit, Potsdam 1979. JHS MF VVS /563/79, Geißler, Manfred : Die Notwendigkeit der Qualifizierung der Anleitung und Kontrolle zur weiteren Ver vollkommnung der wissenschaftlichen Planungs - und Leitungstätigkeit durch den Leiter einer Passkontrolleinheit ( Dargestellt am Beispiel der Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn ), unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1979. JHS MF VVS /698/79, Hartmann, Norbert : Die Gestaltung eines umfassenden Systems der Sicherung des Rast - und Tankkomplexes Michendorf im Zusammenwirken der Kräfte der Abteilung VIII, der Transitüber wachung der BV Zoll und der Verkehrskommandos Transit der DVP zur Feststellung und Verhinderung von Missbrauchshandlungen entsprechend des Abkommens zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der BRD über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Berlin ( West ), unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1979.

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JHS MF VVS /774/79, Grigull, Siegfried : Die weitere Qualifizierung des politisch - operativen Zusammenwirkens mit dem Grenzzollamt Hirschberg zur Sicherung der DDR im Zusammenhang mit Einreisen von Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1979. JHS MF VVS /947/79, Bruneleit, Berthold : Die Befähigung der IM zum rechtzeitigen Erkennen operativ bedeutsamer Kontakte im Dienst - und Freizeitbereich von Angehörigen der Zollver waltung unter Berücksichtigung der Bedingungen der Hauptstadt, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1980. JHS MF VVS /1137/79, Reichel, Horst : Die Gestaltung des operativen Zusammenwirkens mit den Zollorganen beim Auffinden sprengstoffverdächtiger Gegenstände unter den spezifischen Bedingungen einer Straßengrenzübergangsstelle, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1980. JHS MF VVS /323/80, Schoene, Wolfgang : Erfordernisse und operativ - taktische Maßnahmen bei der Androhung von Sprengstoffanschlägen gegen das Territorium der Grenzübergangsstelle – dargestellt am Beispiel der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1980. JHS MF VVS /373/80, Hausdorf, Peter : Erfordernisse der Weiterentwicklung der Speicherung politisch - operativ bedeutsamer Daten aus dem grenzüberschreitenden Personen - , Güter - und Postverkehr in der Zollver waltung der DDR sowie deren Auswertung zur Herausarbeitung und Bekämpfung feindlicher Angriffe gegen die DDR, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1980. JHS MF VVS /646/80, Hirschberg, Heinz - Günter : Die Aufgaben und die Wirksamkeit des Gruppenführers bei der Erziehung und Befähigung der Mitarbeiter zur qualifizierten und konkreten Einhaltung und Durchsetzung des Passkontrollregimes an der Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1980. JHS MF VVS /917/80, Demuth, Rolf : Die operativ - taktische Nutzung der sich aus dem Kontroll - und Abfertigungsprozess der Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn ergebenen Möglichkeiten zur Filtrierung und Erarbeitung von Ersthinweisen zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der DDR und zur Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels im Bereich PKW Einreise des vertragsgebundenen Transitverkehrs, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1980. JHS MF VVS /270/81, Kurze, Jürgen : Die Nutzung der Möglichkeiten der Abteilung Transitüber wachung der Zollver waltung im Rahmen der Bearbeitung von Zollrechtsverletzungen für die Unterstützung der politisch - operativen Arbeit der Diensteinheiten des MfS, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1981. JHS MF VVS /306/81, Weding, Peter : Die Möglichkeiten der Abteilung Zollrecht, der Zollver waltung der DDR, Bezirksver waltung Berlin, zur Gewinnung bedeutsamer Informationen für die politisch - operative Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit, unveröffentlichte Diplomarbeit, Berlin 1981. JHS MF VVS 314/81, Fahl, Hans - Peter : Verantwortung, Aufgaben und rechtliche Möglichkeiten der Dienststellen Postzollfahndung zur Gewinnung politisch - operativ bedeutsamer Informationen und zum Nachweis ihrer objektiven Wahrheit einschließlich der Möglichkeiten zur Sicherung strafprozessual zulässiger Beweismittel, unveröffentlichte Diplomarbeit, Rostock 1981. JHS MF VVS /326/81, Sternkopf, Siegfried : Politisch - operative Aufgaben der Arbeitsgruppe Messe der Bezirksver waltung Leipzig in der Vorbereitungsphase des Einsatzes von zeitweiligen Sicherungsgruppen zur politisch - operativen Absicherung der

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Quellen und Literatur

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Aktion „Treffpunkt“ in den Objekten des Leipziger Messeamtes, unveröffentlichte Diplomarbeit, Leipzig 1981. JHS MF VVS /349/81, Steudl, Bernd : Vorbereitung der operativen Kräfte durch Training der Varianten der Handlung zur vorbeugenden Verhinderung von terroristischen und anderer Gewaltverbrechen an der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1981. JHS MF VVS /873/81, Wilke, Ernst : Die ständige politisch - operativ wirksame und effektive Gewährleistung von Sicherheitsüberprüfungen zu Personen, die bedeutende Aufgaben im Geheimnisschutz der Zollver waltung der DDR / Hauptver waltung zu lösen haben, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1982. JHS MF VVS /303/82, Krech, Jürgen : Die Nutzung von Möglichkeiten der Abteilung Zollfahndung bei der Aufdeckung und Untersuchung von Zoll - und Devisenstraftaten, die unter Missbrauch des grenzüberschreitenden Reise - und Transitverkehrs begangen werden, für die Unterstützung der politisch - operativen Arbeit von Diensteinheiten des Ministeriums für Staatssicherheit, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1982. JHS MF VVS /330/82, Fendt, Lothar : Perspektivische Probleme der Auswahl von künftigen operativen Mitarbeitern aus dem Gesamtbestand der Berufsunteroffiziersbewerber und ihr zeitlich begrenzter Einsatz als Passkontrolleur in der Abteilung VI, Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn der Bezirksver waltung der Staatssicherheit Magdeburg zur Vorbereitung auf den weiteren Dienst in operativen Diensteinheiten des Ministeriums für Staatssicherheit, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1982. JHS MF VVS /654/82, Brinke, Hans / Rodewald, Friedrich : Die effektive und wirkungsvolle Gestaltung der Leitung der politisch - operativen Prozesse zur unmittelbaren Erarbeitung von operativ - bedeutsamen Ersthinweisen an der Schwerpunkt - GÜSt Marienborn / Autobahn unter besonderer Beachtung der politisch - operativen Aufgaben der Operativ - Offiziere, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1982. JHS MF VVS /126/83, Sektion Politisch - operative Spezialdisziplin, Lehrstuhl VIII der JHS des MfS ( Hg.) : Zu den Aufgaben und der Arbeitsweise der Passkontrolleinheiten der Linie VI an den Grenzübergangsstellen der DDR und ihr Zusammenwirken mit den Grenzzollämtern sowie anderen Organen und Einrichtungen bei der Kontrolle, Abfertigung und Sicherung des grenzüberschreitenden Verkehrs, Potsdam 1983. JHS MF VVS /666/83, Barth, Sigmund : Das Zusammenwirken zwischen den Organen der Passkontrolle und des Zolls der DDR und ČSSR bei der Kontrolle, Sicherung und Abfertigung des grenzüberschreitenden Verkehrs an den Grenzübergangsstellen der Staatsgrenze Süd, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1982. JHS MF VVS /783/83, Schuch, Franz : Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Durchsetzung der Aufgaben des Zugführers bei der Organisierung und Durchführung von Maßnahmen zur Klärung von Zweifeln an der Identität von Personen – dargestellt an den erreichten Arbeitsergebnissen aus den Jahren 1981 und 1982 an der Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1983. JHS MF VVS /797/83, Schmidt, H. - Joachim : Zu ausgewählten Problemen der zielgerichteten und differenzierten Einbeziehung von Angehörigen der Zollver waltung der DDR in das System der Terrorabwehr an den GÜSt, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1983. JHS MF VVS /307/84, Neumann, Manfred : Die Aufgaben zur Unterstützung der Zollver waltung der DDR bei der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen und bandenmäßig organisierten Schmuggels und der Spekulation mit Hilfe der spezifischen Mittel und Möglichkeiten der Hauptabteilung VI des MfS, Potsdam 1984.

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Anhang

JHS MF VVS /673/84, Hielscher, Rolf : Die Aufgaben des Gruppenführers bei der Qualifizierung des Prozesses der Echtheitsprüfung von Grenzübertrittsdokumenten im Rahmen der Abfertigung, Kontrolle und Sicherung des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs unter den Bedingungen der Fernsehfahndung an der Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1984. JHS MF VVS /1073/84, Nielsen, Uwe : Die Gewährleistung einer maximalen Informationsgewinnung zu ausgewählten Fahndungsobjekten, Sachfahndungen und Reisesperren unter Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung an der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1985. JHS MF VVS /1080/84, Hammerl, Peter : Die effektive und langfristige politisch - operative Sicherung von politisch - operativen Schwerpunktbereichen am praktischen Beispiel des politisch - operativen Schwerpunktbereich Grenzzollamt Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1985. JHS MF GVS /149/85, Müller, Ottmar : Der Hinterhalt als eine taktische Methode zur Bekämpfung terroristischer und anderer Gewaltakte für den zielgerichteten Einsatz von Spezialisten zur weiteren Erhöhung der Ordnung und Sicherheit an den Grenzübergangsstellen, dargelegt am Beispiel der Grenzübergangsstelle Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Marienborn 1986. JHS MF VVS /779/85, Werner, Gerald : Möglichkeiten des Zugführers für eine den Erfordernissen entsprechenden Erziehung und Befähigung der Angehörigen im Prozess der Kontrolle, Sicherung und Abfertigung des grenzüberschreitenden Verkehrs am Beispiel der Passkontrolleinheit Marienborn / Autobahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1986. JHS MF VVS /780/85, Reich, Peter : Die konsequente Anwendung der Richtwerte und ihre ständige Präzisierung als Grundlage für den effektiven Einsatz der Kräfte und der rationellen Gestaltung der Kontrolle und Abfertigung in den durchgehenden Transitzügen am Beispiel der Passkontrolleinheit Marienborn / Eisenbahn, unveröffentlichte Fachschulabschlussarbeit, Potsdam 1986. JHS MF VVS /720/86, Sturm, Rudolf : Die Notwendigkeit und Gestaltung des Prozesses der Sicherheitsüberprüfungen gemäß der Richtlinie Nr. 1/82 des Genossen Minister im Rahmen des Überprüfungs - und Bestätigungsverfahrens von Zollbewerbern zur zweifelsfreien operativen Beantwortung der Frage „Wer ist wer ?“, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1986. JHS MF VVS /329/87, Willhagen, Wolfhard : Nutzung der Möglichkeiten des operativen Fahndungs - und Filtrierungsprozesses zur Bekämpfung der Kriminalität, insbesondere des bandenmäßig organisierten Schmuggels und der Spekulation, an den Grenzübergangsstellen der Staatsgrenze der DDR zur VR Polen im engen Zusammenwirken mit der Zollver waltung der DDR, den Organen des MdI und den Sicherheitsorganen der VR Polen, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1987. JHS MF VVS /282/88, Gürtler, Lutz : Die Nutzung der Potenzen und Möglichkeiten des Stellvertreterbereiches für Fahndungswesen der Bezirksver waltung Leipzig der Zollver waltung der DDR für die politisch - operative Arbeit durch die Bezirksver waltung für Staatssicherheit Leipzig, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1988. JHS MF VVS /379/88, Zscherper, Lothar / Ludwig, Benno : Aufgaben und Maßnahmen im POZW zur Erhöhung der Wirksamkeit der DVP, insbesondere der AR I und K, der Zollver waltung und der Steuerfahndung bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung zur Bekämpfung von Schmuggel und Spekulation, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1988. JHS MF VVS /438/89, Nücklich, Sven : Der Einsatz der operativen Kräfte und Mittel des Referates Zollabwehr der Abteilung VI der BV Dresden zur Erarbeitung opera-

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Quellen und Literatur

471

tiv - bedeutsamer Informationen zur vorbeugenden Sicherung des Kaderbestandes der Zollver waltung der DDR unter besonderer Berücksichtigung sich entwickelnder Kontakte und Verbindungen durch Ver wandte und Bekannte von Zollangehörigen mit Personen des nichtsozialistischen Auslandes, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 1989. Bestand : MfS – Juristische Hochschule ( JHS ) – Forschungsarbeiten und weitere Unterlagen 20019, 20078, 21777 ( Band 1–2), 21797, 21807 ( Band 1–2), 21845, 21847 ( Band 2), 21943, 21952 ( Band 1–2), 21954, 21973, 22027, 22070 Bestand : MfS – Kaderkarteikarten folgender OibE Fank Bartelmann, Horst Bischoff, Hans Bonow, Gerhard Conrads, Willi Degenhardt, Michael Diederich, Wolfgang Feske, Günter Greulich, Klaus Hänsel, Felix Henschel, Klaus Hensel, Monika Herold, Fritz Hille, Dieter Hofmann, Doris Mazak, Kurt Nareike, Hans - Günter Noack, Karl Nüchter, Joachim Pfeiffer, Lothar Römhild, Klaus Schilling, Heinz Schröter, Hans Seibt, Gerhard Stauch, Werner Steuding, Hans - Ulrich Vüllmow, Wolfgang Werner, Heinz Wunderlich Bestand : MfS – Kader und Schulung – Arbeits - und Personalakten ( KS / KuSch ) 161/89 ( Kurt Niehoff ), 1042/87 ( Werner Steuding 1), 2581/74 ( Klaus Grehn ), 6886/78 ( Dieter Rutsch ), 8246/90 ( Werner Steuding 2), 8878/90 ( Joachim Pfeiffer ), 8884/90 ( Frank Bartelmann ), 8900/90 ( Klaus Hänsel ), 8945/90 ( Felix Henschel ), 8976/90 ( Hans Bonow ), 9261/90 ( Lutz Becker ), 9316/90 ( Horst Bischoff ), 9317/90 (Hans - Günter Noack ), 9500/90 ( Gerhard Stauch ), 12190/89 ( Willi Degenhardt ), 12391/90 ( Gerhard Conrads ), 13697/66 ( Lothar Römhild ), 15378/90 ( Karl Nüchter), 15487/78 ( Friedrich Hille ), 17548/90 ( Hans - Ulrich Vüllmow ), 26737/90 ( Wolfgang Feske ), Diszi 7511/92 ( Entlassung Lothar Römhild ), Diszi 7721/92 ( Entlassung Heinz Wunderlich ) Bestand : MfS – Kader und Schulung II – Arbeits - und Personalakten ( KS II ) 68/89 Bestand : MfS – Abteilung M – Über wachung von Brief - und Paketverkehr ( Abt. M ) 42, 540, 543, 546, 547, 750, 1228 Bestand : MfS – Hauptabteilung PS – Personenschutz ( HA PS ) 6357 Bestand : MfS – Rechtsstelle ( RS ) 289, 1026, 1033 Bestand : MfS – Sekretariat des Ministers ( SDM ) 1556 Bestand : MfS – SED Kreisleitung ( SED - KL ) 3690 Bestand : MfS – Sekretariat des Stellvertreters Neiber ( Sekr. Neiber ) 144, 270, 282, 283/1, 442, 460, 552, Gruppe 1 / Nr. 37 Bestand : MfS – Teilvorgang ( TV ) 1 ( Band 1–2), 2 ( Band 1–2), 4 ( Band 1–7), 5 ( Band 1–3)

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472

Anhang

Bestand : MfS – Zentrale Auswertungs - und Informationsgruppe ( ZAIG ) 913, 1154, 1190, 1219, 2157, 2482, 2940, 3328, 4893, 4995, 9443, 9443/1, 9444, 9444/1, 10678, 10679, 10681, 10683, 10688, 10689, 10690, 10691, 10692, 10694, 15905, 22821, 22836, 23068, 25388, 25449, 25474, 26236, 26409 Bestand : MfS – Zentrale Koordinierungsgruppe Flucht, Übersiedlung ( ZKG ) 8868 Bestand : MfS – Hauptabteilung II – Spionageabwehr ( HA II ) 23577, 29900, 30933 Bestand : MfS – Hauptabteilung VI – Passkontrolle, Tourismus, Interhotel ( HA VI ) 16, 22, 29, 44, 66, 80, 118, 130, 151, 161, 209, 265, 338, 431, 484, 1299, 1300, 1345, 1380, 1431, 1462, 1468, 1472, 1510, 1531, 1532, 1533, 1535, 1710, 1750, 1797, 1799, 1810, 1814, 1818, 2599, 3583, 3584, 3585, 3586, 3588, 3589, 3590, 3591, 3593, 3598, 3599, 3596, 3600, 3608, 3646, 4262, 4306, 4378, 4391, 4392, 4393, 4459, 4536, 4537, 4679, 4680, 4681, 4988, 4989, 5251, 5451, 5998, 6057, 6391, 8857, 8858, 9036, 9651, 9655, 10103, 10489, 10656, 11424, 11580, 11598, 11627, 11628, 11735, 12152, 12760, 12761, 13332, 13420, 13421, 13905, 13910, 13911, 14435, 14588, 14598, 14599, 14600, 14808, 14841, 14842, 15664, 15745, 15832, 15893, 15894, 16435, 16815 Bestand : MfS – Hauptabteilung VII – Abwehrarbeit MdI / DVP ( HA VII ) 2154, 3610 Bestand : MfS – Hauptabteilung VIII – Beobachtung, Ermittlung ( HA VIII ) 4412 Bestand : MfS – Hauptabteilung IX – Untersuchungsorgan ( HA IX ) 535, 558, 590, 663, 2219, 2297, 2319, 3237, 3300, 3509, 3591, 4707, 5362, 5368, 5374, 5380, 12582, 12777, 13077, 13549, 17278 Bestand : MfS – Abteilung XI – Chiffrier wesen ( Abt. XI ) 450, 656 Bestand : MfS – Hauptabteilung XVIII – Sicherung der Volkswirtschaft ( HA XVIII ) 957, 3336 Bestand : MfS – Hauptabteilung XIX – Verkehr, Post, Nachrichtenwesen ( HA XIX ) 627, 942, 1356, 5089, 5148 Bestand : MfS – Hauptabteilung XX – Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund (HA XX ) 9/34, 2271, 4/292, 4.965, 4.2166, 4.2648, AKG 3520, 11005

BSTU Außenstelle Chemnitz Bestand : MfS – Auswertungs - und Kontrollgruppe ( AKG ) 3322 Bestand : MfS – Abteilung M – Über wachung von Brief - und Paketverkehr ( Abt. M ) 11 Bestand : MfS – Stellvertreter operativ ( StOp ) 103 ( Band 1–3)

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Quellen und Literatur

473

BSTU Außenstelle Cottbus Bestand : MfS – Auswertungs - und Kontrollgruppe ( AKG ) 3539

BSTU Außenstelle Dresden Bestand : MfS – OibE der Auslandsaufklärung ( AOibE ) 12190/89 Bestand : MfS – Abteilung VI – Passkontrolle, Tourismus, Interhotel ( Abt. VI ) 2617, 2634 Bestand : MfS – Abteilung IX– Untersuchung ( Abt. IX ) 30129 Bestand : MfS – Abteilung XX – Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund ( Abt. XX ) 11669, 11682

BSTU Außenstelle Frankfurt / Oder Bestand : MfS – Büro der Leitung ( BdL / Dok.) 1385, 1637, 2969, 3362, 3373, 3374, 3702 Bestand : MfS – Kreisdienststelle Finster walde 201 Bestand : MfS – Kreisdienststelle Guben 151

BSTU Außenstelle Gera Bestand : MfS – Abteilung VI – Passkontrolle, Tourismus, Interhotel ( Abt. VI ) 6313, 6322

BSTU Außenstelle Halle Bestand : MfS – Abteilung VIII – Beobachtung, Ermittlung ( HA VIII ) 505, 1582

BSTU Außenstelle Leipzig Bestand : MfS – Abteilung XV – HVA - Dependance in den Bezirken ( Abt. XV ) 00172, 00691 Bestand : MfS – Abteilung XX – Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund ( Abt. XX ) 01966/14, 02103/03, 02527 Bestand : MfS – Leitung 00118, 00140, 00244, 00245, 00692, 00701, 00827/02, 00827/03, 00827/04, 00861, 00891/02, 00985/06 Bestand : MfS – Abteilung operative Technik ( Abt. OT ) 00046/3, 00150, 00231

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474

Anhang

BSTU Außenstelle Magdeburg Bestand : MfS – Arbeitsgruppe des Leiters ( AG des Leiters ) 5 Bestand : MfS – Auswertungs - und Kontrollgruppe ( AKG ) 42, 60, 66, 98, 159, 160, 182, 198, 204, 235 Bestand : MfS – Büro des Leiters ( BdL / Dok.) 445, 911 Bestand : MfS – Kreisdienststelle Oschersleben ( KD Oschersleben ) 2, 23 Bestand : MfS – Abteilung VI – Passkontrolle, Tourismus, Interhotel ( Abt. VI ) 536 Bestand : MfS – Abteilung VII – Abwehrarbeit in MdI und DVP ( Abt. VII ) 528, 602 Bestand : MfS – Abteilung IX – Untersuchungsorgan ( Abt. IX ) 1234, 1247 Bestand : MfS – Abteilung XX – Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund ( Abt. XX ) 2150, 2152, 2625

BSTU Außenstelle Neubrandenburg Bestand : MfS – Büro der Leitung ( BdL / Dok.) 438 Bestand : MfS – Kreisdienststelle Anklam 486 Bestand : MfS – Kreisdienststelle Röbel 54

BSTU Außenstelle Rostock Bestand : MfS – Abteilung VI – Passkontrolle, Tourismus, Interhotel ( Abt. VI ) 1018, 1170, 1384 Bestand : Objektdienststelle Kernkraftwerk Greifswald ( OD KKW Greifswald ) 16

BSTU Außenstelle Schwerin Bestand : MfS – Allgemeine Personenablage ( AP ) 777/87 Bestand : Operativer Vorgang ( AOP ) AOP 804/89 ( Band 1)

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Quellen und Literatur

475

Bundesarchiv ( BArch ) Bestand : Zollver waltung der DDR – Hauptver waltung ( DL 203) 00–01–00, 00–01–03, 00–02–01, 00–02–02, 00–04–01, 00–07–01, 00–07–03, 00– 08–03, 00–11–03, 00–13–04, 00–18–00, 00–19–00, 00–20–00, 00–22–02, 00–24– 00, 00–30–00, 01–01–06, 01–04–01, 01–04–04, 01–05–00, 01–14–01, 01–15–01, 02–01–02, 02–07–00, 02–08–02, 02–11–01, 02–11–07, 03–01–02, 03–02–04, 03– 12–01, 03–12–02, 04–00–02, 04–07–05, 05–01–01, 05–01–03, 05–02–00, 05–02– 05, 06–01–06, 07–15–04, 10–01–01, 25–00–01, 31–01–01, 31–01–03, 33–00–01, 33–03–00, 37–00–01, 37–01–00

Bundesarchiv – Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR ( SAPMO - BArch ) Bestand : Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ( DY 30) darin : Bestand Politbüro des Zentralkomitees J IV 2/2/583, J IV 2/2/2J /4461 darin : Bestand Sekretariat des Zentralkomitees J IV 2/3/603, J IV 2/3/821, J IV 2/3/822, J IV 2/3/880, J IV 2/3/884, J IV 2/3/966, J IV 2/3/995, J IV 2/3/1012, J IV 2/3/1049, J IV 2/3/1085, J IV 2/3/1288, J IV 2/3/1690, J IV 2/3/1726, J IV 2/3/1830, J IV 2/3/2418, J IV 2/3/2596, J IV 2/3/2616, J IV 2/3/2840, J IV 2/3/3136, J IV 2/3/3155, J IV 2/3/3162, J IV 2/3/4046, J IV 2/3/4094, J IV 2/3/4116, J IV 2/3/4461 darin : Bestand Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel IV 2/6.10/46, IV 2/6.10/58, IV 2/6.10/151, IV 2/6.10/156, IV 2/6.10/157, IV 2/6.10/158, IV 2/6.10/159, vorl. SED 36827 darin : Bestand Abteilung für Sicherheitsfragen 881, 1300–1331, IV B 2/12/25, IV B 2/12/26, IV B 2/12/138, IV B 2/12/141, IV B 2/12/142, IV B 2/12/143, IV B 2/12/144, IV B 2/12/145, IV B 2/12/146, IV B 2/12/147, IV B 2/12/149 darin : Bestand Büro Felfe 881 darin : Bestand Büro Honecker 2392, 2509, 2536 darin : Bestand Büro Krenz IV 2/2.039/28, IV 2/2.039/73, IV 2/2.039/182, IV 2/2.039/204, IV 2/2.039/307 darin : Bestand Büro Mittag 608, 2966, 3119 darin : Bestand Büro Ulbricht 3291, 3292, 3314, 3674, 3675, 3685, 3702 Bestand : Freie Deutsche Jugend ( DY 24) 1568/1, 6182/1, 8436, 9489 Bestand : Kulturbund ( DY 27) 5752 Bestand : Nachlass Erich Honecker ( NY 4167) 175 ( Band 40) Bestand : Nachlass Walter Ulbricht ( NY 4182)

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Anhang

1099 Bestand : Nachlass Gerhard Scharschmidt ( NY 4526) 3 Bestand : Erinnerungen ( SgY 30) 2050

Bundesarchiv – Abteilung Militärarchiv, Freiburg i. Br. ( BArch, Militärarchiv ) Bestand : Kommando der Grenztruppen ( DVH 32 bzw. GT ) Hinweis : Die Akten des Kommandos der Grenztruppen wurden im Verwaltungsarchiv erfasst und registriert und von dort in mehreren Tranchen bis 1988 an das Militärarchiv Potsdam übergeben. Die Bestände wurden dort nach der Organisation gegliedert und verzeichnet. Folgende Nummern wurden noch unter der alten Potsdamer Signatur GT bestellt und gesichtet : 1457, 1461, 1466, 1468, 1472, 1474, 1905, 2172, 2173, 2174, 2175, 2176, 2181, 3008, 3300, 5937, 5947, 6474, 6604, 6611, 6615, 6627, 6947, 7088, 7090, 7098, 7106 Folgende Nummern wurden unter der neuen Freiburger Signatur DVH 32 bestellt und zitiert : 114177, 114717, 114719

Landeshauptarchiv Sachsen - Anhalt, Magdeburg ( LSHASA, MD ) Bestand : SED - Bezirksleitung ( REP P 13 SED - Bezirksleitung Magdeburg ) Vorl. Nr. 21024, IV / A - 2/12/915

Landeshauptarchiv Schwerin ( LHAS ) Bestand : SED - Bezirksleitung 610, 1556

Politisches Archiv des Auswärtigen Amts – Hauptarchiv Berlin Bestand : Akten des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Deutschen Demokratischen Republik ( MfAA ) C 1060/71

2.3

Veröffentlichte Quellen

Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode (20. 12. 1990 – 10. 11. 1994), Drucksachen 12/1176 und 12/1080. Hg. vom Deutschen Bundestag. Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ber-

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Quellen und Literatur

477

lin ( West ) ( Transitabkommen ) vom 17. 9. 1971. In : Dokumente zur Deutschlandpolitik. Hg. vom Bundesministerium des Innern und Bundesarchiv, Reihe 6, München 2005. Die Zollver waltung der Deutschen Demokratischen Republik. Hg. von der Zollver waltung der DDR, Leipzig 1982. Gesetz über das Zollwesen der Deutschen Demokratischen Republik – Zollgesetz – 4. überarbeitete Auf lage, Hefte 1 und 2, Plessow 1984. Gesetzblatt der DDR, Teil I 1949–1989. Handbuch für den Zolldienst. Hg. vom Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs, Berlin ( Ost ) 1960. Informationen für Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, die ins Ausland reisen. Hg. von der Zollver waltung der DDR, Berlin ( Ost ) 1966. Niehoff, Kurt / Stiehle, Joachim : In Sachen Zoll - und Devisenrecht, Berlin ( Ost ) 1987. Rau, Heinrich : Ansprache zum 5. Jahrestag des AZKW. In : Der Zolldienst, Heft 9, 1957. Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ( Grundlagenvertrag) vom 21. 12. 1972. In : Dokumente zur Deutschlandpolitik. Hg. vom Bundesministerium des Innern und Bundesarchiv, Reihe 6, München 2005.

2.4

Literatur

Ammer, Thomas : Die SED und ihr Geheimdienst [ Sammelrezension ]. In : Deutschland Archiv, 31 (1998) 4, S. 653–658. Anatomie der Staatssicherheit. Geschichte, Struktur, Methoden. MfS - Handbuch. Hg. von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Berlin. Arnold, Heinz Ludwig : Literatur und Staatssicherheit. In : Kögel, Jörg - Dieter ( Hg.): Schriftsteller vor Gericht. Verfolgte Literatur in vier Jahrhunderten, Frankfurt a. M. 1996, S. 293–308. Barck, Simone / Lokatis, Siegfried ( Hg.) : Fenster zur Welt. Eine Geschichte des DDR- Verlages Volk & Welt, Berlin 2003. Baumgarten, Klaus - Dieter / Freitag, Peter : Die Grenzen der DDR. Geschichte, Fakten, Hintergründe, Berlin 2004. Beidokat, Heidemarie : Westpakete als ideologische Bedrohung der DDR. In : Das Archiv, Post - und Telekommunikationsgeschichte. Hg von der Deutschen Gesellschaft für Post - und Telekommunikationsgeschichte, Heft 3/2003, S. 40–42. Der Beitrag des Arbeitsgebietes I der DDR - Kriminalpolizei zur politischen Über wachung und Repression. Hg. von der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR Berlin und Sachsen, Berlin 1996. Bischoff, Horst / Freitag, Peter / Paulsen, Werner : Grundlagen des Grenzregimes. In: Baumgarten / Freitag ( Hg.) : Die Grenzen der DDR, S. 70–103. Broschüre zur Dauerausstellung. Hg. von der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn, Marienborn 2000.

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478

Anhang

Buthmann, Reinhard : Die Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung. Anatomie der Staatssicherheit, Berlin 2003. Dietrich, Torsten / Ehlert, Hans / Wenzke, Rüdiger ( Hg.) : Im Dienste der Partei. Handbuch der bewaffneten Organe der DDR, Berlin 1998. Dietrich, Torsten / Wenzke, Rüdiger : Die getarnte Armee. Geschichte der Kasernierten Volkspolizei der DDR 1952 bis 1956, Berlin 2001. Dokumentation zu den innerdeutschen Beziehungen. Abmachungen und Erklärungen. Hg. vom Presse - und Informationsrat der Bundesregierung, Bonn 1989. Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung. Drittes Reich und DDR – ein historischpolitikwissenschaftlicher Vergleich. Hg. von Ludger Kühnhardt, Gerd Leutenecker, Martin Rupps und Frank Waltmann, Frankfurt a. M. 1994. Dossmann, Axel : Transit. Die Autobahn im Blick von Polizei und Staatssicherheit. In : Hartewig, Karin / Lüdtke, Alf ( Hg.) : Die DDR im Bild. Zum Gebrauch der Fotographie im anderen deutschen Staat, Göttingen 2004, S. 107–124. Eisenfeld, Bernd : Fluchtbewegung. In : Lexikon des DDR - Sozialismus, S. 200–201. Engelmann, Roger / Joestel, Frank : Die Zentrale Auswertungs - und Informationsgruppe. Anatomie der Staatssicherheit, Berlin 2009. Engelmann, Roger / Joestel, Frank : Grundsatzdokumente des MfS. Anatomie der Staatssicherheit, Berlin 2004. Engelmann, Roger / Schumann, Silke : Kurs auf die entwickelte Diktatur. Walter Ulbricht, die Entmachtung Ernst Wollwebers und die Neuausrichtung des Staatssicherheitsdienstes 1956/57, Berlin 1996. Engelmann, Roger / Vollnhals, Clemens ( Hg.) : Justiz im Dienste der Parteiherrschaft. Rechtspraxis und Staatssicherheit in der DDR, Berlin 1999. Engler, Wolfgang : Chronik des Leipziger Zolls von 1165–1995, Leipzig 1994. Förster, Günter : Die Juristische Hochschule des MfS. Anatomie der Staatssicherheit, Berlin 1996. Fricke, Karl Wilhelm : Fluchthilfe als Widerstand im Kalten Krieg. Anmerkungen zu einem ungeschriebenen Kapitel DDR - Geschichte. In : Aus Politik und Zeitgeschichte, (1999) 38, S. 3–10. Fricke, Karl - Wilhelm : MfS intern. Macht, Strukturen, Auf lösung der DDR - Staatssicherheit, Köln 1991. Gauck, Joachim / Neubert, Erhard : Die Aufarbeitung des Sozialismus in der DDR. In : Das Schwarzbuch des Kommunismus, S. 829–894. Getrennte Vergangenheit, gemeinsame Zukunft. Ausgewählte Dokumente und Diskussionen der Enquete - Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED - Diktatur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages 1992–1994, Band 1. Hg. von Ingrun Drechsler, Bernd Faulenbach, Martin Gutzeit und Hermann Weber, München 1997. Ghouas, Nessim : The basic guarantors to the effectiveness of the MfS’ Departments M and 26. In : Timmermann, Heiner ( Hg.) : Das war die DDR. DDR - Forschung im Fadenkreuz von Herrschaft, Außenbeziehungen, Kultur und Souveränität, Münster 2004, S. 31–42. Gieseke, Jens ( Hg.) : Staatssicherheit und Gesellschaft. Studien zum Herrschaftsalltag in der DDR, Göttingen 2007. Gieseke, Jens : Das Ministerium für Staatssicherheit 1950–1990. In : Dietrich / Ehlert / Wenzke ( Hg.) : Im Dienste der Partei, S. 371–421.

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Quellen und Literatur

479

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480

Anhang

Das Jahr 1953, Ereignisse und Auswirkungen. Hg. von Jan Foitzik, Werner Künzel, Annette Leo und Martina Weyrach, Potsdam 2004. Jarausch, Konrad H./ Sabrow, Martin ( Hg.) : Weg in den Untergang. Der innere Zerfall der DDR, Göttingen 1999. Jessen, Ralph : Partei, Staat und „Bündnispartner“. Die Herrschaftsmechanismen der SED - Diktatur. In : Judt ( Hg.) : DDR - Geschichte in Dokumenten, S. 27–43. Judt, Matthias ( Hg.) : DDR - Geschichte in Dokumenten, Bonn 1998. Kallinich, Joachim / Pasquale, Sylvia de ( Hg.) : Ein offenes Geheimnis. Post - und Telefonkontrolle in der DDR, Heidelberg 2002. Knabe, Hubertus : „Weiche“ Formen der Verfolgung in der DDR. Zum Wandel repressiver Strategien in der Ära Honecker. In : Deutschland Archiv, 30 (1997) 5, S. 707–719. Knabe, Hubertus : Die MfS - Rechtsstelle. Anatomie der Staatssicherheit, Berlin 1999. Knabe, Hubertus : Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED - Diktatur, Berlin 2008. Knabe, Hubertus : Die unter wanderte Republik. Stasi im Westen, München 2001. Kowalczuk, Ilko - Sascha : Das bewegte Jahrzehnt. Geschichte der DDR von 1949 bis 1961, Bonn 2003. Kring, Anton / Bornebusch, Karl - Erich : Inhaltskontrollen bei Zollsendungen durch den Staatssicherheitsdienst ( Stasi ) der DDR 1949–1990, unveröffentl. Broschüre der Stiftung zur Förderung der Philatelie und Postgeschichte, Bonn 2007. Kroh, Ferdinand : Wendemanöver. Die geheimen Wege zur Wieder vereinigung, München 2005. Krone, Tina : Wenn wir unsere Akten lesen. Handbuch zum Umgang mit den StasiAkten, Berlin 1997. Labrenz - Weiß, Hanna : Abteilung M. Anatomie der Staatssicherheit, Berlin 2005. Labrenz - Weiß, Hanna : Die Hauptabteilung II. Spionageabwehr. Anatomie der Staatssicherheit, Berlin 2001. Landwehr, Archim : Geschichte des Sagbaren. Einführung in die historische Diskursanalyse, Tübingen 2004. Lange, Carsten - Dennis : Stasi&Co. Analyse eines Machtinstruments, Marburg 2009. Lexikon des DDR - Sozialismus. Das Staats - und Gesellschaftssystem der Deutschen Demokratischen Republik. Hg. von Rainer Eppelmann, Horst Möller, Günter Nooke und Dorothee Wilms, Paderborn 1996. Lindenberger, Thomas : Volkspolizei. Herrschaftspraxis und öffentliche Ordnung im SED - Staat 1952–1968, Köln 2005. Lindner, Bernd : Die demokratische Revolution in der DDR 1989/90, Bonn 2001. Lochen, Hans - Hermann / Meier - Seitz, Christian ( Hg.) : Die geheimen Anweisungen zur Diskriminierung Ausreisewilliger. Dokumente der Stasi und des Ministeriums des Innern, Köln 1992. Lokatis, Siegfried / Sonntag, Ingrid ( Hg.) : Heimliche Leser in der DDR. Kontrolle und Verbreitung unerlaubter Literatur, Berlin 2008. Lüdtke, Alf : Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen, Frankfurt a. M. 1989. Lüdtke, Alf / Becker, Peter ( Hg.) : Akten, Eingaben, Schaufenster. Die DDR und ihre Texte. Erkundungen zu Herrschaft und Alltag, Berlin 1997. Mählert, Ulrich : Geschichte der DDR, Erfurt 1997. Mählert, Ulrich : Kleine Geschichte der DDR, München 1998.

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Anhang

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484

3.

Anhang

Tabellen und Abbildungen

Tabellen 1 2 3 4 5 6

S.

Planstellen und Zollämter der Bezirksver waltungen ( Stand 1983) Übersicht zur Informations - und Übergabepraxis GZÄ–PKE gemäß geltenden Weisungen Ansprechpartner auf mittlerer leitender Ebene ( PZF und PZÄ ) Periodische Informationen des Leiters der Zollver waltung für Empfänger außerhalb der Zollver waltung ( Stand 1988) Verteilung der Ausbildungsstunden im Grundlehrgang Vorrangig zur Ausfuhr gebrachte Waren im Jahr 1989

53 141 176 292 306 408

Abbildungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

Struktur der Hauptverwaltung der Zollverwaltung 1983 Struktur eines Grenzzollamts Struktur der Postzollämter Feststellung westlicher Druckerzeugnisse Passkontrolleinheiten als „Black Box“ Übersicht der Grenzübergangsstellen der DDR Kontrollverfahren an Straßen - GÜST Zollkontrolle des Reiseverkehrs Feststellungen der GZÄ in der Einreise Feststellungen der GZÄ in der Ausreise Feststellungen aufgrund von Kontroll - und Fahndungsersuchen Paketkontrollen in einem Postzollamt Verteilung von Auftrags - und Merkmalfahndungen Feststellungen der Abteilungen Transitüberwachung Bestechungsversuche bei Mitarbeitern der Zollverwaltung Informationen der Zollermittlung zur Leipziger Messe Mit OIBE bzw. IM in Schlüsselpositionen besetzte Bereiche Gerhard Stauch und Erich Mielke im Plessower Zoll - Institut Schema der verdeckten Kontrolle von Zollkontrolleuren Kontaktversuche und Teste der Zollkontrolle Soll - Ist - Vergleich der Personalstärke in der Zollverwaltung Entwicklung des Verkehrsaufkommens an der GÜST Marienborn Kontrolle des Transitverkehrs an der GÜST Marienborn Inoffizielle Mitarbeiter am GZA Marienborn

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47 54 56 99 101 111 116 122 127 128 128 169 171 206 266 269 297 320 337 351 359 375 390 400

Abkürzungen

4.

485

Abkürzungen

AfNS AG AKW APO AZKW BV BZA BZÄ CDU DAV DDR EDV ESER FBA FDJ GI GMS GO GPU GÜSt GVO GZA GZÄ HO HPF KGB KPD KPdSU KPP KVP LDP LDPD MAI MfAA MfS NSW OibE OPK OTS OV PKE PZA PZÄ PZF RAF

Amt für Nationale Sicherheit Arbeitsgruppe Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs Abteilungsparteiorganisation( en ) Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs Bezirksverwaltung( en ) Binnenzollamt Binnenzollämter Christlich Demokratische Union Dienstleistungsamt für Ausländische Vertretungen Deutsche Demokratische Republik Elektronische Datenverarbeitung Einheitliches System Elektronischer Rechentechnik Fernbeobachtungsanlage( n ) Freie Deutsche Jugend Geheimer Informator Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit Grundorganisation( en ) Glawnoje Polititscheskoje Uprawlenije Grenzübergangsstelle( n ) Verordnung über den Geschenkpaket - und - päckchenverkehr auf dem Postwege mit Westdeutschland, Westberlin und dem Ausland Grenzzollamt Grenzzollämter Handelsorganisation Hauptabteilung Passkontrolle und Fahndung Komitet Gossudarstwennoy Besopasnosti Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion Kontrollpassierpunkt Kasernierte Volkspolizei Liberal - Demokratische Partei Liberal - Demokratische Partei Deutschlands Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Ministerium für Staatssicherheit Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet Offizier( e ) im besonderen Einsatz Operative Personenkontrolle( n ) Operativ - technischer Sektor Operativer Vorgang ( Operative Vorgänge ) Passkontrolleinheit( en ) Postzollamt Postzollämter Postzollfahndung Rote Armee Fraktion

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486 RGW SBZ SED SED - PDS SfS SMAD SOUD SU Trapo UdSSR VO VR ZAIG ZFD ZK ZOV ZPL

Anhang Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe Sowjetische Besatzungszone Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus Staatssekretariat für Staatssicherheit Sowjetische Militäradministration System der vereinigten Erfassung von Daten über den Gegner Sowjetunion Transportpolizei Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Verbindungsoffizier( e ) Volksrepublik Zentrale Auswertungs - und Informationsgruppe Zollfahndungsdienst Zentralkomitee Zentraler operativer Vorgang ( Zentrale operative Vorgänge ) Zentrale Parteileitung

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Sachwortregister

5.

487

Sachwortregister

Seitenangaben mit Asteriskus beziehen sich auf Fußnoten. Seitenangaben in runden Klammern beziehen sich auf Dienstanweisungen und Quellen im Anhang.

Abschöpfung ( Abschöpfungstätigkeit / abschöpfen ) 68, 71, 92, 130, 187 f., 194 f., 215, 274, 277, 280 Alliierte 17, 62, 74, 115, 362, 366, 416 Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs ( AZKW ) 23–38, 60, 266, 270, 283*, 313 f., 320, 321*, 378 f., 428 f., 444, (446, 458) Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs ( AKW ) 17–25, 60, 313 Asservate / Asservatenlager 51, 90, 98*, 137, 140 f., 167, 291, 353, (449) Ausbildung / Aus - und Weiterbildung 32 f., 40, 45*, 46, 49–51, 77 f., 89, 108, 129*, 131*, 148*, 149–151, 209, 223*, 254*, 271*, 288, 290 f., 294 f., 299, 301*, 303–328, 358, 370*, 401, 404–408, 412*, 422, 429, 432, 437–440, (453, 461 f.) Außenhandel / Außenhandels- und Valutamonopol 19–26, 30, 32 f., 38 f., 57, 60, 99, 173, 188, 191, 254, 278, 280, 282 f., 285, 289*, 313, 405, (455, 460) Befragung( en ) 84, 92, 103*, 112 f., 118, 122 f., 130, 135–138, 178 f., 196 f., 204, 211, 240–248, 253, 271 f., 276, 281*, 339, 380, 389 f., 404, 427 f. Berliner Mauer / Mauerbau 11, 23, 34–39, 43, 95, 163, 181, 314, 362, 411, 417 f., 428, 440 Bestechung / Bestechungsversuche (Kontakttätigkeit )/ Korruption 166, 175, 177, 188, 190, 193, 259, 264–266, 269, 286, 392 f., 413, (456)

Binnenzollamt / - ämter 24, 45, 48, 57, 86 f., 89 f., 201, 209, 295, 329 f., 336, 421, 424, (448, 452, 458, 462 f.) Briefkontrolle 72–74, 120*, 138, 141, 162 f., 177, 243, 257, 342 Bundesnachrichtendienst ( BND ) 232, 329 Demarkationslinie 21, 23, 32, 362 f. Desertion( en ) 345, 356, (464) Deutsche Post 162, 164, 172 f., 179–183, 245, 359, 432 Deutsche Volkspolizei 10 f., 21, 25, 29 f., 33, 43 f., 60, 75 f., 85, 88, 142, 147 f., 153*, 178, 191 f., 196 f., 199, 202, 209, 228, 233, 265*, 275, 279, 300, 362, 366 f., 409, 427 Diensthunde / Hundeführer 49, 90, 107–109, 117*, 119 f., 132, 139*, 156*, 271, 308 f., 341, 352, 370, 393, 400, 403 f., (443, 445, 453) Disziplinarverstöße / - maßnahmen / -verfahren 327, 335, 343–357, 402 Disziplinarverstöße, Alkohol 264, 326, 333, 345, 355 Druckerzeugnisse / Literaturkontrolle 37, 40 f., 55, 74, 89, 99*, 115, 123 f., 141, 145, 152, 164, 168, 172, 176 f., 183–185, 203*, 222 f., 229, 329, 337, 346, 350*, 351, 352 f., 383, 392, 396, 429 Einzelleitung, Prinzip der 34, 45*, 46, 288, 312, 320, 429 Fachschule der Zollverwaltung / Institut der Zollverwaltung 15, 33*, 313–327, (463) Fahndung / Filtrierung 70, 85, 102 f., 125, 131, 138, 143–145, 152, 156, 263, 273, (466–468, 470)

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Anhang

Flucht / Fluchtversuche ( Republikflucht )/ Fluchthilfe ( Menschenhandel, Personenschleusung )/ Grenzdurchbrüche 10, 27, 34 f., 39, 41 f., 70 f., 76 f., 85, 89 f., 93–97, 107–109, 115–120, 124*, 129, 131 f., 134, 140, 143, 147 f., 150– 152, 155, 160, 170, 175, 188, 197, 201, 207, 212, 226, 263 f., 272 f., 306, 345, 350*, 356, 362 f., 366, 395 f.*, 403–405, 407, (448 f., 466, 468, 472) Freie Deutsche Jugend ( FDJ ) 21, 25, 29, 33, 64, 292*, 309, 431, 434– 437, 439 f. Friedliche Revolution 59, 72, 92, 182, 404–430 Führungskader 16, 40, 42 f., 48*, 67, 267, 289, 300, 308, 309*, 314– 318, 321, 328, 335 f., 342, 345 f.*, 348*, 355*, 357*, 421, 423, 425, (440, 461f.) Geheime( r ) Informator( en ) ( GI ) 29 f., 257 Geheime( r ) Mitarbeiter Sicherheit (GMS ) 69, 208, 257, 294–296, 338–341, 353, 365, 400 f.*, (441) Geheimnisschutz / Geheime Verschlusssache ( GVS ) 52, 293, 298, 322 f.*, 342*, (469) Geheimnisträger 337, 341 f., 402 Geschenksendung( en ) 24, 55, 162– 164, 177, 179, 181, 227, 238, (449) Grenzpolizei / Grenzpolizisten 20 f., 32, 34, 362 f., 428, (446, 458) Grenztruppen 14, 32, 37, 70, 94, 106*, 148 f., 152, 299, 363, 365*, 367*, 368, 383, 418, 442, 445 Grenzzollamt / - ämter 26, 39, 41– 45, 52–54, 57, 90, 93–161, 175, 179, 187, 194, 200 f., 204, 206, 211, 214, 238, 254*, 267, 270–273, 281*, 295, 296*, 329, 337, 339, 342, 343*, 346, 349–352, 356*, 357, 359, 364, 374, 377–381, 383, 385, 392–397, 399, 401, 403 f., 407, 411–414, 424, 436, 439,

(442 f., 445, 448 f., 452 f., 455, 457, 460–462, 464, 466–470) Grobbriefe / Grobbriefsendungen 74, 173–175, (452) Hetze / Hetzmaterial( ien ) 28, 41, 43, 73, 76 f., 100, 141, 147, 221–223, 234, 383, 412 Hilfsorganisation / Hilfsgemeinschaft 225 f., 228, 229*, 230, 252 f. Hilfswerk der Helfenden Hände (HWHH ) 225–253 Inoffizielle( r ) Mitarbeiter ( IM ) 63, 67, 69, 75 f., 78, 82, 83*, 85, 92, 112, 188, 208, 221, 228, 230*, 231–235, 242, 247–250, 253, 256–261, 285*, 287, 293–298, 307, 321–323, 326–328, 336–343, 347–349, 350 f.*, 352 f., 365, 399–404, 429 f., 437–439, 441, (464, 468) Interzonenhandel 19, 254 Juristische Hochschule des MfS (JHS) 14, 68, 77 f., 83, 84*, 193, 198, 321–325, 328, 340, 437, 439 f., (464–471) Kalter Krieg 27, 254, 380 Kasernierte Volkspolizei 10, 11*, 60, 378, 433, 440, 442 Kommunistische Partei der Sowjetunion ( KPdSU ) 22, 28*, 311 Kommunistische Partei Deutschlands ( KPD ) 22, 431 Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ( KSZE ) 94, 182, 255 Kontrollgeräte 49, 89 f., 104–110, 157, 172, 174, 274, 364, (455) Kontrollpassierpunkt ( KPP ) 32, 362, 365–367 Kontrollverfahren 95–158, 171–174, 305, (452, 462) Körperliche Durchsuchung ( KD ) 38, 87, 105, 132–135, 139, (447)

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Sachwortregister Leipziger Buchmesse 277–279, 286 Leipziger Messe 195, 213, 225, 253–286, (449 f., 453, 460, 465, 469) Marienborn, Grenzübergangsstelle 12–16, 54, 89*, 104*, 106*, 109 f., 116, 118, 132, 153*, 157, 213*, 271, 273, 351*, 352, 361–404, 406, 414, (441–446, 460–462, 465– 470) Marxismus - Leninismus 61, 78, 80, 305 f., 314, 316, 322 f., 422, 433, 437 Nationale Volksarmee ( NVA ) 11, 32, 37, 60, 88, 94, 97, 106*, 299 f., 307, 319*, 358, 363, 365, 367 f., 378, 427, 431*, 432 f., 435, 437*, 441 f., 444 f. Nationaler Verteidigungsrat ( NVR ) 37, 64–66, 363 Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet ( NSW ) 103, 138, 168, 218, 222, 354 Offizier( e ) im besonderen Einsatz (OibE ) 33, 46, 74, 85, 89, 188, 199, 212, 219, 267, 283, 289–291, 293, 296 f., 307, 320 f., 323–325, 328, 331, 336, 338, 342, 370, 420, 428–431, 433–438, (459) Operative Personenkontrolle ( OPK ) 68 f., 76, 78, 83, 91, 208, 327, 341, 344, 348, 352, 393, 401, 403, (459) Operativer Vorgang ( OV ) 68 f., 76, 83, 344, 403, (464) Opposition / Oppositionelle 10, 43, 75, 77, 83, 412 Paket - und Päckchenverkehr 11, 55, 162 f., 164, 166, 182, 193, 218, 227, 427 f. Parteiorganisation ( PO ) 39 f., 46, 67, 309–313, 316, 325, 394, 411, 422, 433

489

Passkontrolleinheit ( PKE ) 37, 44, 94 f., 98–103, 108, 110–118, 120,122, 124–126, 129–133, 136, 138–158, 160, 175, 194 f., 213 f., 263, 271–273, 276, 295, 308, 339 f., 345, 353, 363, 367 f., 374, 381, 383, 393–398, 404, 407, 428, (442 f., 458, 461, 466–468, 470) Personalmangel 25, 329, 357–361, 374–379, 399, 429 Planwirtschaft, sozialistische 19, 24, 183, 407–411 Politbüro 14, 27*, 63–66, 81, 171*, 186, 292*, 365, 427, (447) Politisch - ideologische Diversion (PID) 50, 73, 75, 94, 99*, 115, 118, 126, 164, 166, 173, 177 f., 182, 188, 190, 193, 212, 220, 227, 252, 255, 268, 279, 401, 412, 427, 429, (456) Politische Untergrundtätigkeit ( PUT ) 62, 72, 76, 97, 194, 252, 255, 276, 427, (459) Post - und Fernmeldegeheimnis 72– 74, 161 f. Postzollamt / - ämter 10, 12, 15, 37, 40 f., 44, 55–57, 72, 89, 93, 105 f., 161–187, 194, 202, 217, 235–240, 242, 267, 274, 295, 329, 337, 343, 353 f., 358 f., 402, 424, (449 f., 452, 455 f., 459, 463) Postzollfahndung 37, 49, 55, 74, 85, 89, 91*, 164–178, 179*, 182, 193, 212, 216, 219*, 287, 339, 342, 420, 428, 430, (458, 468) Prämien / Prämienfonds 52, 186, 237, 331–335, 370, 381 f., 432, (452) Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW ) 145, 254, (450) Rechenzentrum ( der Zollverwaltung ) 91, 209, 216 f., 220–224, 294 Reisende 10, 13, 15, 41, 44, 71, 93, 102*, 103, 106, 108, 110–139, 144, 147, 152*, 153–157, 159, 195, 201–208, 214, 257, 262, 265*, 270–272, 274–276, 281*, 282,

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490

Anhang

329, 337, 346, 349–352, 361, 363 f., 366, 379–392, 409–411, 413, 416, (443, 445, 462) Ring um Berlin 21, 23, 32, 35 Rote Armee Fraktion ( RAF ) 147 Sanktionen / Bestrafungen ( von Zollmitarbeitern ) 51, 291, 332, 342– 357, 392, 415 Schlüsselposition( en ) 33*, 287–298, 307, 336, 341 f., 401–403 Schmuggel und Spekulation 20, 24, 55, 85, 90, 108, 173, 178, 188, 190 f., 194, 208 f., 215, 220, 222 f., 405–411, 420, (452, 455, 460, 467, 469 f.) Sicherheitsfragen, Abteilung für 33, 40, 64 f., 292 f., 311, 406 Solidarność 93, 118 Sowjetische Besatzungszone ( SBZ ) 17 f., 27, 29, 181, (463, 479, 481) Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ( SED ) 9–11, 13, 18–26, 28, 33 f., 36, 39 f., 42, 48, 59 f., 62– 68, 75*, 80 f., 126, 147, 171*, 253, 267, 288 f., 292 f., 309–311, 313, 316, 320, 325, 328, 344, 353, 357, 362, 378, 380, 394, 405 f., 411– 413, 415, 419, 422, 427, 430, 433– 440 Spionagetätigkeit / Spionageabwehr 18, 22*, 60, 74 f., 166, 194, 228, 393 Staatssekretariat für Staatssicherheit ( SfS ) 27–30, 64 Straßenhandel 407–411 Suchtmittel / Rauschgift 38, 86, 88, 90, 100, 105–106, 108, 139, 189, 190*, 194, 196, 199 f., 208 f., 215, 223, 290, 423, 425 (447, 450, 453) Terrorbekämpfung ( Terrorabwehr ) 27, 44, 49, 51, 71, 85, 90, 147– 152, 166, 194, 212, 308, (454, 469 f.) Tonträger ( Kassetten Schallplatten )/ Tonträgerkontrolle 89, 90*, 91,

105, 139, 141, 175, 184, 186, 201, 252 f., 393, 407 f., (449) Transitüber wachung, Abteilung 44, 189, 200–208, 217, 281 f., 291, 385*, 402, 407, 433 f., (448, 451, 453 f., 467 f.) Transportpolizei ( Trapo ) 33*, 46, 153–155, 431 Tschekist( en )/ tschekistisch 60–62, 69*, 148, 288 f., 405, 439, 441 Verkehr, Eisenbahnverkehr 53, 94, 97, 102, 104, 107, 152–158, 214, 290, 362, 381, (461 f., 466, 470) Verkehr, Flugverkehr 53, 94, 97, 102, 105, 106*, 107, 139*, 141, 158–161, 195, 200, 214, 257, 273 f., 290, 294 f., 308, 354, (449) Verkehr, Güter verkehr 90, 95, 107– 109, 119, 153*, 156*, 290, 375, 384, 392, 400, 403, 406, 432, (448, 450, 460, 462 f., 465) Verkehr, pass - und visafreier Reiseverkehr 93, 117, 142–147, 217, 292 f., (448, 454) Verkehr, Reise - und Touristenverkehr 70 f., 97, 138, 142–145, 228, (465) Verkehr, Transitverkehr 44, 71–73, 85, 96 f., 108, 110 f., 113, 115– 120, 129, 131, 145, 153, 155–157, 188, 199–202, 212, 218, 281 f., 306, 366, 377, 381, 389 f., 400, 406, 416, 427, (447, 449, 452 f., 457, 460, 462 f., 466–469) Verkehr, Wechselreiseverkehr 116 f., 120, 152, (462 f.) Vernehmung 84, 88, 132, 135–138, 197, 203 f., 313, 382, 385, 392, 404, 428 Verträge, deutsch - deutsche 17, 43– 45, 200, 255, 363 Verträge, Grundlagenvertrag 68*, 81, 163 Verträge, Transitabkommen 11, 44, 79, 94, 96, 113, 116, 119, 156*, 201 f., 204, 207, 212, 363, 381, (461 f., 465)

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Sachwortregister Volksaufstand, 17. Juni 1953 11, 26 f., 30, 60, 64, 428 Volksaufstand, Prager Frühling 41 f. Volksaufstand, Ungarn 32, 278 Waren, Ausfuhr 23 f., 30, 38, 44, 55, 57, 94, 105, 120, 137, 139*, 145, 163, 174, 177, 186, 193 f., 363, 385, 406–411, (457 f., 463) Waren, Einfuhr 24, 29, 38, 41, 55, 57, 94, 98 f., 115, 136, 139*, 163 f., 171*, 174, 180, 185 f., 191, 218, 222, 238, 271, 279, 284, 292, 392, 409, (452, 455, 457, 460 f.) Warschauer Pakt 31, 41, 70 Westfernsehen 299, 345, 398 Westkontakt( e ) 75, 219, 345, 347– 349 Westpaket( e ) 9 f., 162, 179, 343 Zentraler operativer Vorgang ( ZOV ) 69, 228–232, 236–237, 241, 246 f., 250–252, (464) Zentralkartei ( der Zollverwaltung ) 91, 208, 213, 216–221, 300, (449, 451, 453, 460)

491

Zentralkomitee ( ZK ) 22, 25, 33, 39 f., 46, 64 f., 171* Zersetzung 83 f., 92, 241, 246*, 247, 249*, 259*, 413 Zeugen Jehovas 286, 396 Zollermittler / Zollermittlung 41, 50, 86, 108, 122, 129–131, 136, 160 f., 165, 189, 200, 210–215, 219, 220, 265 f.*, 267–287, 290, 296, 427 f., 432 f., (449 f., 452 f.) Zollfahndung / Zollfahndungsdienst 12, 31, 39, 43, 50, 85, 88, 93, 122, 126, 136, 139, 178 f., 187–216, 219*, 220, 226, 229, 235–246, 267, 276, 280 f., 290 f., 294 f., 342, 385, 416 f., 420 f., 424, 433– 441, (442, 445 f., 448–450, 452 f., 456, 460, 467, 469) Zollgesetz der DDR 17–19, 37 f., 43, 86–88, 132, 137, 192, 203, 206, 238*, 280, 309, 314, 423, (446 f., 455, 462)

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Personenregister

6.

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Personenregister

Seitenangaben mit Asteriskus beziehen sich auf Fußnoten.

Arndt, Günther 34*, 48, 184, 210, 415, 421 Bahro, Rudolf 234 Balkow, Julius 38 Beater, Bruno 37*, 91, 168*, 210, 211*, 212, 218*, 219*, 282* Behrend 51 Beil, Gerhard 292, 415* Beyer 437 Biermann, Wolf 63, 234 Bischoff, Horst 212*, 321–325, 440 f. Boenisch, Peter 183 Bonow, Hans 211*, 214*, 432 f., (471) Burkert, Rudolf 382 f. Conrads, Gerhard 211, 435 f. de Maizière, Clement 227* Dzierzynski, Felix Edmundowitsch 60, 436 Eck, Helmut 321 Eggerath, Werner 18

Herfurth, Günter 321 Herger, Wolfgang 292 Hofmann, Artur 65 Höfner, Ernst 292 Honecker, Erich 14, 36, 64 f., 83, 163, 360*, 378, 415 Hummitzsch, Manfred 258 Jacob, Wolfgang 435 Jarowinski, Werner 292 Kleiber, Günther 292 Knabe, Hubertus 83, 84* Köhler, Heinz 311 Krenz, Egon 14, 174*, 186, 415 Krolikowski, Herbert 145, 292 Kuckhoff, Greta 321* Lüdtke, Alf 361* Maron, Karl 21 Matern, Hermann 66 Mielke, Erich 61*, 62 f., 65, 73, 90, 146, 183, 224*, 320, 380, 415 Moog, Leonhard 18 Niehoff, Kurt 48*, 92, 145* Nüchter, Karl 435

Feldmann, Dietrich 52 Fiedler, Heinz 93, 146*, 321, 431 Fritzen, Dora 225, 230, 233, 249 Fruck, Hans 258

Ott, Harry 283 Otto, Henry 421

Gartenschläger, Michael 226 Gauck, Joachim 405* Gaus, Günter 184 Gieseke, Jens 10 Götz, Hans Herbert 410 Greifenhagen, Carmen von 230 Grotewohl, Otto 66 Grünberg, Gerhard 210

Rau, Heinrich 314 Reibholz ( Oberrat ) 52 Röbelen, Gustav 66 Rohner, Gerhard 18 Römhild, Lothar 437 f. Rudolph 52 Ruh, Anton 21, 22*, 25, 27, 33, (463) Rutsch, Dieter 46, 287 f., 316*, 319*, 320–323, 326 f.*, 335, 439 f.

Havemann, Robert 82 Heinrich 51

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-36920-3 — ISBN E-Book: 978-3-647-36920-4

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Anhang

Schalck - Golodkowski, Alexander 183, 283 Schirdewan, Karl 66 Schlögel, Karl 380* Schmidt, Helmut 184 Schröter, Heinz 50, 188 f.*, 267, (471) Schwanitz, Wolfgang 72*, 115*, 415, 420*, (479, 482) Siewert ( Oberrat ) 52 Sölle, Horst 36*, 292 Springer, Axel Cäsar 226, 230 Springer, Rosemarie 226 Stauch, Gerhard 33, 35 f., 37*, 46, 165*, 210 f., 224*, 267, 291, 320, 331, 376, 414 f., 428, 431 f. Steuding, Werner 370*, 436 f.

Stoph, Willi 66, 292, 411 Strauß, Franz Josef 183 Sturm, Fritz 46, 311 Tauschke 433 Ulbricht, Walter 14, 63, 66, 181* Vogel, Horst 85 Vüllmow, Hans - Ulrich 433 f. Wachsmuth, Alex 410 Wehner, Herbert 184 Wollweber, Ernst 65–67 Wunderlich, Heinz 200, 436, 438 f. Zaisser, Wilhelm 64*, 65

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-36920-3 — ISBN E-Book: 978-3-647-36920-4

Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung Band 42: Wolfgang Bialas Politischer Humanismus und »Verspätete Nation«

Band 39: Henrik Steglich Rechtsaußenparteien in Deutschland

Helmuth Plessners Auseinandersetzung mit Deutschland und dem Nationalsozialismus 2010. 295 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36918-0

Bedingungen ihres Erfolges und Scheiterns 2010. 457 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36915-9

Helmuth Plessners Auseinandersetzung mit Deutschland und dem Nationalsozialismus und die Relevanz seiner politischen Anthropologie.

Band 41: Gerald Hacke Die Zeugen Jehovas im Dritten Reich und in der DDR Feindbild und Verfolgungspraxis 2011. 457 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36917-3

Die extreme Rechte in Deutschland hat bislang keine dauerhaft erfolgreiche Partei hervorgebracht. Liegen hinter dem Auf und Ab klar identifizierbare Gesetzmäßigkeiten?

Band 38: Michael Richter Die Friedliche Revolution Aufbruch zur Demokratie in Sachsen 1989/90 2., durchgesehene Auflage 2010. xvi, 1612 Seiten mit 71 Abb., 4 Karten und zahlr. Tab. und Diagrammen, gebunden ISBN 978-3-525-36914-2

Im repressiven Vorgehen und den zugrunde liegenden Feindbildern gibt es Kontinuitäten, Parallelen, aber auch Unterschiede.

»... ein unverzichtbares Buch für Laien und Historiker, die wissen wollen, wie sich der Umbruch ereignete.« Jochen Thermann, www.friedlicherevolution.de

Band 40: Das Präsidium der Landesverwaltung Sachsen

Band 37: Uwe Backes / Tytus Jaskulowski / Abel Polese (Hg.) Totalitarismus und Transformation

Die Protokolle der Sitzungen vom 9. Juli 1945 bis 10. Dezember 1946 Bearbeitet und eingeführt von Andreas Thüsing unter Mitarbeit von Agatha Kobuch. 2010. 584 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36916-6 »Diese herausragende Arbeit ... ist unverzichtbar für alle, die sich mit der kommunistischen Herrschaft in Sachsen nach 1945 beschäftigen.« Stefan Donth, H|SOZ|U|KULT

Defizite der Demokratiekonsolidierung in Mittelund Osteuropa 2009. 380 Seiten mit 12 Abb. und 59 Tab., gebunden. ISBN 978-3-525-36911-1 Im Mittelpunkt des Bandes stehen die aus autokratischen Vorläuferregimen mit totalitären Zügen resultierenden Belastungsfaktoren für die Etablierung und Konsolidierung demokratischer Verfassungsstaaten.

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-36920-3 — ISBN E-Book: 978-3-647-36920-4

Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung Band 36: Uwe Backes / Patrick Moreau (Hg.) Communist and Post-Communist Parties in Europe 2008. 660 Seiten mit 15 Abb., 128 Tab. und 3 Karten, gebunden. ISBN 978-3-525-36912-8 »Der Sammelband bietet einen präzisen Überblick über die Thematik und einen unverzichtbaren Ausgangspunkt für jeden, der sich intensiver und auf dem neuesten Forschungsstand mit der Entwicklung der kommunistischen und postkommunistischen Parteien in Europa beschäftigen möchte.« Tobias Hof, www.sehepunkte.de

Band 35: Lothar Fritze (Hg.) Hannah Arendt weitergedacht Ein Symposium 2008. 233 Seiten mit 3 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-36913-5 Arendt gilt als eine anregende Denkerin, die in ihren Überlegungen und Problemstellungen in der Zukunft weiterwirken wird.

Band 34: Mike Schmeitzner (Hg.) Totalitarismuskritik von links Deutsche Diskurse im 20. Jahrhundert 2007. 405 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36910-4 »Mit diesem Werk liegt neben Söllners Sammelband von 1997 das wichtigste deutschsprachige Handbuch zur Geschichte der linken Totalitarismustheorie vor.« Tim B. Müller, Süddeutsche Zeitung

Band 33: Hans Jörg Schmidt / Petra Tallafuss (Hg.) Totalitarismus und Literatur Deutsche Literatur im 20. Jahrhundert – Literarische Öffentlichkeit im Spannungsfeld totalitärer Meinungsbildung 2007. 208 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36909-8 Genese und Auswirkungen totalitären Denkens in der deutschen Literatur der Zeit.

32: Andreas Hilger / Mike Schmeitzner / Clemens Vollnhals (Hg.) Sowjetisierung oder Neutralität? Optionen sowjetischer Besatzungspolitik in Deutschland und Österreich 1945–1955 2006. 574 Seiten mit 18 Tab., 6 Abb. und 2 Karten, gebunden. ISBN 978-3-525-36906-7 »Ein Schlüssel zum Verständnis der unterschiedlichen Ergebnisse sowjetischer Besatzungspolitik« FAZ

Band 31: Uwe Backes Politische Extreme

Eine Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart 2006. 310 Seiten mit 12 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-36908-1 »Backes hat ein faszinierendes und ungemein materialreiches Buch vorgelegt, das jeder an der Entwicklung politischer Sprache Interessierte mit großem Gewinn studieren wird.« Martin Moll, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte

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