Ökonomien des Begehrens, Ökonomien des Erzählens: Zur poetologischen Dimension des Tauschens in Mären 9783666367120, 9783525367124

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Ökonomien des Begehrens, Ökonomien des Erzählens: Zur poetologischen Dimension des Tauschens in Mären
 9783666367120, 9783525367124

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Historische Semantik

Herausgegeben von Bernhard Jussen Christian Kiening, Klaus Krger und Willibald Steinmetz Band 12

Vandenhoeck & Ruprecht

Susanne Reichlin

konomien des Begehrens, konomien des Erzhlens Zur poetologischen Dimension des Tauschens in Mren

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-36712-4 Umschlagabbildung: Universittsbibliothek Heidelberg / Cod. Pal. Germ. 344 / fol. 37r Publiziert mit Untersttzung des Schweizerischen Nationalfonds zur Fçrderung der wissenschaftlichen Forschung.

 2009 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile drfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages çffentlich zugnglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung fr Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: a Hubert & Co, Gçttingen Gedruckt auf alterungsbestndigem Papier.

Inhalt I.

Hinfhrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen . 1.1 Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Selbstreferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Begehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Dreieckskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Motiv und Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8 Weltreferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konfigurationen des Tauschens . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Gabentausch (Marcel Mauss) . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Mauss und die metonymische Besetzung von Objekten in Mren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Schenken als kollektive Selbstlge (Pierre Bourdieu) . . 2.4 Bourdieu und die differenzierende und entdifferenzierende Wirkung des Tauschens in Mren . 2.5 Die unmçgliche Gabe (Jacques Derrida) . . . . . . . . 2.6 Derrida und die Zeitlichkeit und Performativitt des Tauschens in Mren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Der Tausch als Drittes (Georg Simmel) . . . . . . . . . 2.8 Simmel und die Abstraktions- und Konkretisierungsprozesse beim Tauschen in Mren . . 2.9 Die Medialitt von Geld (Niklas Luhmann) . . . . . . . 2.10 Luhmann und die semantische Armut sowie die Potentialitt des Geldes in Mren . . . . . . . . . . . . 2.11 Erweiterte Perspektive auf das Tauschen in den Mren 3. Mittelalterliche Diskurse des Gebens und Tauschens . . . . . 3.1 Der ›gerechte Preis‹ (pretium iustum) bei Thomas von Aquin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Der Kaufmann als literarische Figur : Der guote GÞrhart Rudolfs von Ems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 milte – eine gegenseitige, aber asymmetrische Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

II. Lektren zu Geld- und Tauschkritik . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Klage ber die Kuflichkeit der Frauen . . . . . . . . . 4.1 Minne und Pfennig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Performative Dimension von monetren Werten: Der Hellerwertwitz von Hermann Fressant . . . . . . . . 5. Scheiternde Differenzierung? Von den zwei Kaufleuten von Ruprecht von Wrzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Materielles Verfhren und materiell Verfhrte . . . . 5.2 Durch das Tauschen bewirkte Kontrastierung und Affizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Die nichtreziproke Logik der Wette . . . . . . . . . . 5.4 Enthllen und Verhllen . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 115 . . 115 . . 117 . . 122 . . 127 . . 129 . . 133 . . 138 . . 142

III. Lektren zum Tauschen in Dreieckskonstellationen . . . . . . . . 6. Tausch und Tuschung im Bildschnitzer von Wrzburg . . . . 6.1 Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Ausgesparte Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Fingieren und Tuschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zirkulierende Gaben zwischen den Generationen: Der zurckgegebene Minnelohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Intergenerationelle Kooperation . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Verhandlungen ber das Geschehene . . . . . . . . . . . 7.3 Monetre Konfliktlçsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn . . 8.1 Herkunft des Besitzenden und des Besitzes . . . . . . . . 8.2 Performativitt des Erzhlens . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Monetre Konfliktlçsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Asymmetrie der Tauschpartner : Gast und Gastgeber . . 8.5 bertragungen zwischen Allgemeinem und Besonderem 8.6 Asymmetrisierung des Tauschens, Potentialisierung des Erzhlens bei Kaufringer . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. konomien des Begehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Gold und Zers: Drei Erzhlmuster – drei Figurationen von Begehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Rhetorik der Manipulation . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Tauschen und Begehren . . . . . . . . . . . . . . . . 10. konomien des Erzhlens: Resmee . . . . . . . . . . . .

149 149 151 156 159 163 166 171 178 187 189 193 196 199 205 208

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Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

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Inhalt

Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Kleinepische Texte . . . 2. Kleinepik-Ausgaben . . 3. Weitere Primrliteratur . 4. Forschungsliteratur . . .

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Autoren- und Titelregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

I. Hinfhrungen 1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen Balzacs Roman Splendeurs et misres des courtisanes erzhlt von der Kurtisane Esther Gobseck, die ihren Beruf fr ihren Geliebten, den Aufsteiger Lucien de Rubempr, aufgibt. Nach wenigen Jahren des geheimen, aber glcklichen Zusammenlebens braucht Lucien Geld fr eine Heirat mit einem adeligen Mdchen. Deshalb zwingen Lucien und sein diabolischer Beschtzer Jacques Collin Esther, ihren alten Beruf wieder aufzunehmen. Sie wird gegen eine entsprechende Summe an den Bankier Nucingen ›verkauft‹ und hat die Aufgabe, dem Bankier weiteres Kapital zu entlocken. Esther versteht die Rckkehr zu ihrem ehemaligen Beruf als Verlust ihrer Reinheit. Es gelingt ihr deshalb erstaunlich lange, den Beischlaf mit dem Baron aufzuschieben. Am Ende fordert der verzweifelte Bankier die Liebesnacht schriftlich im Gegenzug fr ein Haus, das Esther bereits bewohnt und das ihr nun berschrieben werden soll. Esther antwortet ihm ebenfalls schriftlich: Vous avez pay, je me dois. Il n’y a rien de plus sacr que les dettes de dshonneur. Je n’ai pas le droit de liquider en me jetant dans la Seine. On peut toujours payer une dette en cette affreuse monnaie, qui n’est bonne que d’un ct: vous me trouverez donc vos ordres. Je veux payer dans une seule nuit toutes les sommes qui sont hypothques sur ce fatal moment, et j’ai la certitude qu’une heure de moi vaut des millions, avec d’autant plus de raison que ce sera la seule, la derni re. Apr s, je serai quitte, et pourrai sortir de la vie.1

In dieser Briefpassage werden materielle und sexuelle, çkonomische und ançkonomische Werte ineinander verschrnkt. Der Tausch ›Sexualitt gegen materiellen Reichtum‹, so schreibt Esther, ist im Unterschied zu ›gewçhnlichen‹ Tauschgeschften irreversibel (»monnaie, qui n’est bonne que d’un ct«): Die verlorene ›Reinheit‹ kann nicht zurckgetauscht werden. Dennoch geht Esther auf den Handel mit Nucingen ein, weil sie damit ihre bedingungslose Hingabe an Lucien beweisen kann. Sie ›schenkt‹ ihm den Verkauf der eigenen Person an einen Dritten und wird den Verlust ihrer Ehre, wie angekndigt, mit dem Leben ›bezahlen‹. Ihre Verausgabung, die einseitig, nicht reziprok und einmalig ist, steht somit im Kontrast zu den Tauschgeschften mit dem Bankier Nucingen, bei dem alles Erhaltene durch ein quivalent vergolten werden muss. Dadurch erscheint Esthers Verausgabung als das radikal ›Andere‹ der Tauschçkonomie und wird durch diesen Kontrast 1 Balzac, Splendeurs et mis res, S. 499.

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1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen

auratisiert. Zugleich basiert die Wirkung von Esthers Liebesgabe aber auch auf der Tauschçkonomie: Ihre Liebe zu Lucien verteuert die Liebesnacht, wodurch der Gewinn Luciens erst so hoch wird, dass Esthers Hingabe an den Baron als Verausgabung lesbar wird. Zudem fhrt die Verabsolutierung der verausgabenden Liebe zu einer Sakralisierung von Vertrags- und Schuldrecht. Esther bezeichnet die Verpflichtung, die sie mit der Annahme der Geschenke des Bankiers eingegangen ist, als ›heilige Schuld‹, die nicht einmal durch den Tod gelçst werden kçnne. Deshalb tilgt sie zuerst die Schuld und bringt sich erst danach um. Genauso bindend wie die Liebe zu Lucien ist somit die Verpflichtung durch das Vertrags- und Schuldrecht. Eine solche Parallelisierung der çkonomischen Schuld mit einer ethischen Verpflichtung dient dem çkonomischen Tausch- und Schuldsystem, weil so der Druck auf sumige Schuldner verstrkt wird. Die Szene macht – so kann man zusammenfassen – die Liebeskonzeption der Verausgabung2 auf ihre çkonomisch-institutionellen Bedingungen hin transparent. Die bedingungslose Verausgabung stellt vordergrndig das ›Andere‹ des Tauschsystems dar, wird aber erst auf dessen Hintergrund ›sichtbar‹ und sttzt dieses durch die ethische Aufladung der Schuldverpflichtung. Neben den institutionellen, werden aber auch die diskursiven Voraussetzungen des Liebesideals thematisiert: Esthers Reinheitsideal ist ihr nicht ›angeboren‹, sondern wird ihr am Beginn des Romans in einem Kloster (auf Geheiß von Jacques Collin) qualvoll anerzogen. Zugleich handelt es sich bei den zitierten Aussagen um einen Brief, der in mehreren Varianten vorliegt. Esther verfasst insgesamt drei Antworten an den Bankier, die alle in einer unterschiedlichen Stillage verfasst sind: Der erste Brief ist herablassend, der zitierte zweite pathetisch, der dritte nchtern. Das romantische Pathos des zitierten Briefes wird so als Effekt einer spezifischen Rhetorik kenntlich gemacht. Das Medium Brief weist zudem darauf hin, dass der Austausch zwischen Esther und Nucingen erst durch dessen Benennung als ›Tausch‹ oder ›Kauf‹ zu einem solchen wird. Denn es hngt von der Wortwahl ab, ob Esthers Verpflichtung gegenber dem Bankier als Verkauf, als Hingabe oder Verausgabung verstanden wird, und diese prgt den ›Austausch‹, bevor er stattgefunden hat. Deshalb kann nicht von einem primren Austausch von materiellen Leistungen ausgegangen werden, der sekundr sprachlich gedeutet wird. Vielmehr prgt das diskursive Gefge die Wertgenerierung und die Wahrnehmung von Reziprozitt von Beginn an, handle es sich nun um monetre oder um symbolische Werte.

2 Vgl. Wetzel (1993b), der diese Liebeskonzeption zwar genau beschreibt, deren Historizitt und Diskursivitt aber zu wenig reflektiert; mçgliche Historisierung bieten Luhmann (1994), S. 119 – 182; Matzat (1990), S. 185 – 242.

Fragestellung

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1.1 Fragestellung Die vorliegende Arbeit mçchte den in den kurzen Verserzhlungen des Sptmittelalters oft erzhlten Tausch von minne bzw. Sexualitt gegen eine materielle Leistung untersuchen3 und davon ausgehend die spezifischen Sinnstiftungsverfahren der schwankhaften Mren4 analysieren. Es geht also um Tauschgeschfte, die denjenigen zwischen Nucingen, Esther und Lucien strukturell hnlich sind und die doch einer ganz anderen Erzhltradition entstammen. Denn im Unterschied zu Balzacs Roman erzhlen die sptmittelalterlichen kleinepischen Texte, von Hanns Fischer Mren genannt, nicht von Verausgabung und Verlust der Reinheit, sondern vom Versuch der Figuren, andere zu manipulieren und das Tauschverhltnis zu den eigenen Gunsten zu gestalten. Es wird keine ›Innerlichkeit‹ thematisiert, vielmehr werden schematische Figurentypen, die von sexuellem oder materiellem Begehren getrieben sind, dargestellt. Die Handlungsmuster sind einfach: Ein Kleriker oder ein Student wirbt mit Geschenken oder Geldversprechen um eine Ehefrau. Sie nimmt an und versucht, die Entdeckung des Ehebruchs zu vertuschen oder den Freier zu tuschen und sich die Bezahlung ohne Gegenleistung zu ›erschleichen‹. Das Erzhlmuster wird dadurch variiert, dass sich die Allianzen verschieben, Intermedire (Kupplerinnen, Boten) auftreten oder anstelle der Ehefrau eine naive Figur verfhrt wird. Dass dem Tauschen in den Mren eine so zentrale Rolle zukommt, liegt nicht zuletzt an dem, worin es den Tauschgeschften in Balzacs Roman trotz allen Unterschieden strukturell hnlich ist: Es handelt sich fast immer um den Tausch von Ungleichem. Die zwei getauschten Leistungen (z. B. Sexualitt und Geld) entstammen unterschiedlichen Wertordnungen, die vordergrndig nicht kommensurabel sind, d. h. nicht auf ein gemeinsames Maß reduziert werden kçnnen. Deshalb muss die Bewertung je neu ausgehandelt werden; damit werden jedoch zugleich auch soziale Hierarchien, Geschlechterverhltnisse, symbolische Bewertungen oder ganze Wertordnungen verhandelt. In literarhistorischer Perspektive steht der Tausch ›minne gegen eine materielle Leistung‹5 in engem Bezug zum hçfischen Liebesdiskurs. Motive, Semantik und Metaphorik des hçfischen Liebesdiskurses werden in den schwankhaften Mren aufgerufen, aber meist nur, um sie auf komische Art zu parodieren oder sexuell zu konkretisieren. Erzhlt wird nicht von der minne als einem kçrperlichen ›Zustand‹ oder einer Form der Kommunikation, sondern von zielgerichtetem sexuellen und materiellen Begehren und den 3 Hoven (1978), S. 322, schtzt, dass das Motiv in ca. zwanzig Prozent der von ihm untersuchten erotischen Mren (ca. 110) vorkommt. 4 Vgl. dazu unten Kap. 1.2, insbesondere Anm. 19. 5 Die Formulierung geschieht in Anlehnung an Ziegeler (1985), S. 298 – 312, der von einer »Werbung mit Sachleistung« spricht. Die ›Sachleistung‹ kann sowohl Geschenke als auch Geld beinhalten.

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1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen

daraus hervorgehenden Formen von List und Betrug.6 In der Mrenforschung wurde deshalb wiederholt postuliert, minne und Sexualitt seien zum Tauschmittel geworden: »Die Stadt als Raum abstrakter Tauschvorgnge usurpiert das Minneverhltnis«7, oder : »Minne wird zum market versachlicht, w s nimet unde er gt«.8 Mir scheint jedoch, dass damit die textuelle Dynamik des Motivs der kuflichen Liebe nicht ausreichend beschrieben ist. Denn fokussiert man nicht die sogenannte ›Abwertung‹ der minne, sondern die Komplexitt der Tauschgeschfte, zeigt sich ein anderes Bild: minne bzw. Sexualitt werden zwar getauscht, doch sind sie keineswegs den materiellen Tauschgegenstnden gleichgestellt. Narrativ ausgeleuchtet werden nicht quivalenz und Gleichrangigkeit, sondern die berschsse und Transaktionskosten dieser Tauschgeschfte. Meist stimmen die Bewertungen der Tauschpartner whrend oder nach dem Tausch nicht berein oder ein Tausch erzeugt unerwartete, von den Tauschpartnern nicht antizipierte Effekte. Diese Tausch- und Bewertungsprozesse spielen sich aber nicht nur auf der Handlungs-, sondern auch auf der Sprach- und Erzhlebene ab. Das Getauschte ist mehrdeutig und kann durch das Tauschen seine Symbolik ndern. Es changiert zwischen Wort und Gegenstand, zwischen konkreter und bertragener oder zwischen intertextueller und handlungsweltlicher Bedeutung. Die kufliche Liebe wird somit vielschichtig, sobald man sie nicht nur als Parodie hçfischer Minnekonzepte, sondern auch als ›Tausch von Heterogenem‹ begreift; d. h. als einen Prozess des Vergleichens, Abstrahierens und Aushandelns, der nicht allein auf der Handlungsebene statthat, sondern immer mehrere Erzhlebenen betrifft. Ich mçchte in dieser Arbeit deshalb die semantische, narrative und intertextuelle Dynamik dieser Tauschgeschfte analysieren, um daran spezifische Sinnstiftungsformen der schwankhaften Mren aufzeigen zu kçnnen. Im Folgenden wird diese Fragestellung anhand einer Diskussion der bisherigen Mrenforschung plausibilisiert.

6 Vgl. dazu unten Kap. 1.5. 7 Friedrich (2006), S. 66, zu Claus Spauns Fnfzig Gulden Minnelohn. 8 Rçcke (1988), S. 312, zu den Drei Mçnchen zu Kolmar (Zitat aus Mauricius von Cran, V. 376). Vgl. auch Schausten (2006), S. 185; von Bloh (2001), S. 80 (zu Kaiser Lucius’ Tochter): »Diese Art von Minne ist damit in die Nhe der Prostitution gerckt, denn sie basiert auf einem Geschft, was auch die Sprache transportiert, wenn um die Liebesnacht gedingt wird.« Ob die Texte die Kuflichkeit der minne moralisch abwerten, wird v. a. in der lteren Forschung kontrovers diskutiert, vgl: Barth (1910), S. 100: »Das Gefhl sittlicher Entrstung, das uns bei solcher Zumutung ergreift, das uns ein bezahltes Liebesverhltnis viel gemeiner erscheinen lsst als ein aus freier gegenseitiger Zuneigung entstandenes, dieses Gefhl scheint in den Kreisen, in denen unsere Fablels und Schwanknovellen spielen, noch nicht vorhanden gewesen zu sein.« Dagegen Schirmer (1969), S. 205, der argumentiert, dass »der Erzhler der Schwnke die ablehnende Einstellung gegenber der kuflichen Liebe als unhçfischem Verhalten mit der ernsten Dichtung teilt«. So auch wenig reflektiert Beine (1999), S. 146.

Gattung

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1.2 Gattung Da zur Zeit zwei aktuelle Forschungsberichte zur Mrenforschung vorliegen,9 soll dem kein dritter hinzugefgt werden.10 Stattdessen mçchte ich anhand einiger methodischer Probleme zentrale Forschungsfragen diskutieren und daraus das beabsichtigte Vorgehen entwickeln. Nach einigen kurzen Anmerkungen zur lange dominanten Diskussion der Gattungsfrage soll in Auseinandersetzung mit Klaus Grubmllers ›Gattungsgeschichte‹ der Begriff der ›Ordnung‹ problematisiert werden. Daran anschließend mçchte ich Howard Blochs Interpretation der Fabliaux diskutieren, die man als radikalen Versuch einer auf Sprach- und Bedeutungsprozesse ausgerichteten Lektre begreifen kann. Blochs Buch wirft zudem die Frage auf, wie der Begriff ›Begehren‹, der in der Forschung ganz unterschiedlich verwendet wird, genauer zu fassen ist. Es werden deshalb unterschiedliche Anstze vorgestellt und die in dieser Arbeit gewhlte Verwendungsweise spezifiziert. Das Begehren manifestiert sich in den Mren meist im Rahmen von Dreieckskonstellationen, die deshalb als Strukturierungsmatrix der Mren diskutiert werden. Abschließend werden der Motivbegriff und die unterschiedlichen Referenzen der Texte (intertextuelle vs. lebensweltliche oder pragmatische Referenzen) besprochen. Hanns Fischers Ansatz, eine Gruppe von 219 mittelhochdeutschen kurzen Reimpaardichtungen als ›Mren‹ zu bezeichnen und als Textgruppe mit einer »hinreichend ausgeprgte[n] morphologische[n] Individualitt« zu bestimmen, prgt die Forschung zweifelsohne bis heute.11 Nicht so sehr aufgrund der 9 Reuvekamp-Felber (2006); Grubmller (2006), S. 31 – 39. Dies erscheint als Folge einer sich zur Zeit intensivierenden wissenschaftlichen Beschftigung mit den Mren. Neben den beiden erwhnten Bnden vgl. zudem Gonzlez/Millet (2006) sowie die darin enthaltene Bibliographie zu Strickers Kleindichtungen Holznagel/Schallenberg u.a (2006). Grubmller und Reuvekamp-Felber skizzieren die forschungsgeschichtliche Entwicklung hnlich: Nach den quellen- und stoffgeschichtlichen Fragestellungen habe man sich im Anschluss an Hanns Fischers Studien zur deutschen Mrendichtung von 1968 (allzu) lange mit der Gattungsfrage auseinandergesetzt. Daneben htten sich in den siebziger und achtziger Jahren vor allem sozialhistorisch-mentalittsgeschichtliche und psychoanalytische Anstze herausgebildet. Die Forschung der jngsten Zeit (u. a. Gender-, Kçrper- oder diskursgeschichtliche Forschungen) fassen sie unter dem Stichwort ›kulturwissenschaftlich‹ zusammen. Grubmller und Reuvekamp-Felber bestimmen im Anschluss an ihre Forschungsberichte das Forschungsdesiderat (ausgerichtet an der jeweiligen Fragestellung ihres Bandes) jeweils leicht anders. Grubmller (2006), S. 39, fordert eine strkere Beachtung der historischen Perspektive im Hinblick auf die Ausbildung und Entwicklung von Gattungsgewohnheiten. Reuvekamp-Felber (2006), S. XXXII, verlangt dagegen eine komparatistische und kulturwissenschaftliche Ausrichtung, die die »gesellschaftsrelevanten Funktionen« der Texte mitbercksichtige. 10 Ich fhre in diesem Kapitel nur die fr die hier diskutierten Themen relevanten Beitrge auf. Neben den bereits erwhnten Forschungsberblicken sei fr die ltere Forschung auf Fischer (1983) oder Kçpf (1978), S. 21 – 32, verwiesen. Kçpf bietet jedoch mehr eine Aufstellung als einen kritischen Bericht. 11 Fischer (1983), S. 29. Er geht davon aus, dass sich Mren gattungsspezifisch deutlich von der modernen Novelle unterscheiden und whlt deshalb auch eine Gattungsbezeichnung (›Mre‹),

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1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen

Bezeichnung ›Mre‹, von der man sich in der aktuellen Forschung eher distanziert,12 sondern vor allem deshalb, weil das Fischer’sche Corpus den Kontext darstellt, vor dem die Texte gemeinhin wahrgenommen werden. Einzelne Mren werden in der Forschung meist auf andere, inhaltlich verwandte Mren (oder auf die romanische mittelalterliche Novellistik) bezogen und nur selten im Kontext der jeweiligen Sammelhandschriften bzw. des in den Sammelhandschriften vorherrschenden Sammelsuriums von verschiedenen kleinepischen Textformen betrachtet.13 Die langjhrige Debatte um die Gattung Mre wird hier nicht im Detail besprochen.14 In Bezug auf den Gattungsbegriff sind jedoch zwei Positionen erkennbar :15 Auf der einen Seite wird ›Gattung‹ dominant synchron bzw. klassifikatorisch,16 auf der anderen dominant diachron bzw. genealogisch17

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die keinen Bezug zum Begriff ›Novelle‹ hat. Er bestimmt die Gattung induktiv und klassifikatorisch (S. 30 – 33). Er geht von den kleineren Reimpaardichtungen aus und will die Mren von anderen ›Formen‹ der Reimpaardichtung abgrenzen, also von Reden, geistlichen Erzhlungen, Fabeln, Bispeln oder Romanen (S. 35 – 62). Er definiert das Mre als weltliche, »paarweise gereimt[e] […] selbstndige […] Erzhlung […] mit […] menschlichem Personal« (S. 62 f.). Er weist selbst darauf hin, dass sich ein bergreifendes ›Gattungsbewusstsein‹ weder in der berlieferung noch terminologisch (bei der Verwendung des Wortes mære) abzeichne, doch glaubt er jenes in Einzelfllen erkennen zu kçnnen (S. 77 – 91). Obwohl Fischer die zur Gattung gehçrenden Texte und Grenzflle exakt bestimmt, geht er methodisch von fließenden Gattungsgrenzen aus (S. 63). Es fllt auf, dass in aktuellen Publikationen meist auf den Begriff »mittelalterliche Kurzerzhlung«, so Friedrich (2005), oder »mittelalterliche Novellistik«, so Reuvekamp-Felber (2006) und hnlich Grubmller (1996c), zurckgegriffen wird. Dies fordert u. a. pointiert Westphal (1993), S. 9 f., die dies auch gleich mit ihrer Untersuchung zur berlieferung der Mren einlçst; hnliche Anstze und Forderungen finden sich auch bei Waltenberger (2005), S. 294 f.; Holznagel (2002), S. 140; Ziegeler (1988a); Ziegeler (1985), S. 95 – 230; auch die Texte einzelner Autoren wurden seit lngerem im berlieferungsverbund gattungsbergreifend untersucht: Mihm (1967); Ragotzky (1981); Steinmetz (1999); Glier (1988). Dieses Vorgehen fußt aber in den lteren Arbeiten z. T. auf problematischen Autor-Konzeptionen; vgl. die Kritik in Bezug auf Stricker von Holznagel (2002); Ziegeler (1988a); in Bezug auf Kaufringer Sander (2001). Eine prgnante Zusammenfassung der Debatten findet sich bei Ziegeler (1988b), S. 9 – 13. Vgl. zur Theorie der Gattungen Kuhn (1969) sowie den einschlgigen und immer noch berzeugenden Aufsatz von Jauß (1972), der darauf zielt, einen synchronen und einen diachronen Ansatz zu verbinden, und versucht, literarhistorische, soziohistorische, rezeptionssthetische und wissenschaftsgeschichtliche Dimensionen des Gattungsbegriffs zu bercksichtigen; vgl. die Diskussion beider Anstze bei Gumbrecht (1979), S. 37 – 47. Vgl. auch allg. den berblick von Voßkamp (2004) sowie Derrida (1994), der fordert, Gattungen strker differenztheoretisch zu verstehen. Dem klassifikatorischen Gattungsbegriff ist insbesondere die Arbeit von Fischer (1983) verpflichtet. Heinzle (1983), S. 105 f., kritisiert daran, dass Fischer eine ußerst heterogene Gruppe von Texten zusammenfasse, deren Zusammengehçrigkeit implizit von einem modernen Novellenverstndnis geprgt sei, und dass das Mrencorpus und die Definition nicht bereinstimmen wrden. Er schlgt deshalb vor, die Gattungsbezeichnung ›Mre‹ aufzugeben; vgl. Heinzle (1988). Ziegeler (1985), S. 3 – 28, kritisiert zwar Fischers heterogene Klassifikationskriterien, versucht aber die Gattung ›Mre‹ mit Hilfe von narratologischen Bestimmungen (auktoriales Erzhlen gegenber Ich-Erzhlung, Identifikationsangebot gegenber der Distanz

Gattung

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verstanden. Im ersten Fall bestimmt man die Gattung aufgrund von gemeinsamen Merkmalen, die einer Gruppe von Texten zukommen. Dieses Vorgehen hat jedoch den Nachteil, dass es diachrone Vernderungen und Entwicklungen von Textgruppen nur schlecht beschreiben kann, da die spteren Texte aus der gemeinsamen Merkmalsgruppe herausfallen. Im zweiten Fall bildet dagegen die historisch sich verndernde Reihe den Ausgangspunkt. Hier stellt sich das Problem, dass solche Reihen zu einer teleologischen Darstellung ›verfhren‹ und hnliche zeitgleiche Texte, die der teleologischen Entwicklung widersprechen, unbeachtet bleiben. Neben diesen beiden Anstzen herrscht Uneinigkeit auch darber, ob die Gattungsmerkmale ber ihre gattungskonstituierende Funktion hinaus als »poetische Prinzipien« fungieren, die in verschiedenen Gattungen anzutreffen sind (z. B. schwankhaftes oder exemplarisches Erzhlen).18 In Anbetracht dieser schwer zu fassenden unterschiedlichen ›Gattungsbegriffe‹ wird hier darauf verzichtet, die Mren als Gattung im einen oder anderen Sinne zu verstehen. Da sich Fischers Bezeichnung ›Mre‹ forschungsgeschichtlich etabliert hat, wird sie hier verwendet, ohne damit aber auch die Implikationen eines Gattungsbegriffs zu bernehmen. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet ohnehin nur ein Teil der Texte aus Fischers Mrencorpus, nmlich diejenigen, die man als ›schwankhafte Mren‹19 bezeichnen kçnnte, und Darstellung eines Falls gegenber einer Geschichte) zu plausibilisieren. Haug (1993) schlgt dagegen vor, dass der »Gruppencharakter« der »mittelalterlichen Kurzerzhlungen« darin bestehe, dass ohne »Sinnvorgabe« erzhlt wrde (S. 3, 6 f.). Zur Kritik an Haug vgl. unten Anm. 25. 17 Ein diachroner Ansatz findet sich u. a. bei Neuschfer (1969) sowie Neuschfer (1977). Dieser beschreibt etwa zur gleichen Zeit wie Fischer die Entwicklung der mittelalterlichen Kurzerzhlungen hin zu Boccaccio als eine vom allgemeinen Fall zum einmaligen, von den Figurentypen zu Charakteren, von der Einfachheit zur Komplexitt etc.; so auch noch Rath (2000). Kritik an dieser Position hat u. a. Heinzle (1979) gebt, der die telelogische Darstellung von Neuschfer beanstandet. Er pldiert stattdessen dafr, die Entwicklung einzelner Stoffe genauer zu untersuchen; vgl. auch Heinzle (1992); Heinzle (1988). Mller (1984), S. 291 f., argumentiert gegen Heinzle, dass sich bei Boccaccio zwar dieselben Erzhlmuster (wie in den Mren) finden wrden, diese aber umbesetzt seien. Er zeigt, dass diese Umbesetzungen nicht nur bei Boccaccio zu beobachten sind, sondern ein generelles Phnomen »sptmittelalterlicher Erzhlliteratur« darstellen. Der Ansatz von Grubmller (1993) ist ebenfalls ein dezidiert diachroner (s. u.). Waltenberger (2005), S. 289, knpft jngst wieder an die Gattungsdiskussion zu den Mren an und fordert, die pragmatische und die intertextuelle Dimension von Gattungen strker miteinander zu verbinden. Bei den Mren entspricht dies der »didaktischen Funktionalitt« und der »(inter-)textuellen Ausdifferenzierung«. 18 Jauß (1972), S. 112, unterscheidet »zwischen einer gattungshaften Struktur in selbstndiger oder konstitutiver und unselbstndiger oder begleitender Funktion«; Ziegeler (1985), S. 17, unterscheidet zwischen Gattung und einem »poetischen Prinzip«; hnlich auch Westphal (1993), S. 11 f. 19 Fischer (1983), S. 101, bestimmt das schwankhafte Mre im Anschluss an Bdier (1964) als »conte rire«. Entgegen seiner Aufteilung der Mren in schwankhafte, hçfisch-galante und moralisch-exemplarische Mren (S. 101 – 115) betont Fischer, dass das schwankhafte Erzhlen als »Mçglichkeit jeder Gattung« (S. 101, Anm. 16), d. h. als ›poetisches Prinzip‹ zu verstehen sei.

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oder genauer die Texte, in denen die Motive des Tauschens und sexuellen Begehrens eine tragende Rolle spielen. Eine solch isolierende Betrachtung kann sich nur heuristisch legitimieren. Es wird daher durch die Lektren zu zeigen sein, dass die Texte nicht nur inhaltliche Gemeinsamkeiten aufweisen, sondern auch strukturell und semantisch eng miteinander verknpft sind. Mit Hilfe eines anspruchsvollen Motivbegriffs, der nicht von einer morphologischen Identitt, sondern von der Wiederholung ausgeht, wird dieser Ansatz spter methodisch noch genauer expliziert.

1.3 Ordnung Klaus Grubmller hat den diachronen Gattungsbegriff fr die Mren in mehreren Aufstzen entworfen und jngst in einer Monographie entfaltet. Gattung, so sein Ausgangspunkt, sei nicht als System, das sich mit klassifikatorischen Mitteln beschreiben lsst, sondern als literarische Reihe mit verfransten Rndern zu verstehen.20 Reihenbildend fr die Mren ist seiner Ansicht nach der »Typus des Stricker-Mres«, den er in Anlehnung an Ragotzky21 als Erzhlung vom Verstoß gegen eine Ordnung und von deren Wiederherstellung begreift. Die Handlungspointe, die idealerweise mit der Vgl. dazu Ziegeler (1985), S. 13 – 17. Wenn hier von ›schwankhaften‹ Mren gesprochen wird, so in Fischers zweitem Sinne, d. h. in Bezug auf schwankhafte Elemente in kleinepischen Texten, die keine Gattung bzw. Untergattung konstituieren, aber als charakteristisches poetisches Prinzip erkennbar sind. ›Schwankhaft‹ soll dabei vor allem dafr stehen, dass eine Erzhlsequenz auf eine komische Pointe ausgerichtet ist; vgl. dazu Ziegeler (2003); Bausinger (1967); Bausinger (2006). Erzhlerische Formen der Pointen-Erzeugung arbeitet Ralph Mller (2003), S. 101 – 126, heraus, insbesondere die unterschiedliche Informationsvergabe, den Kohrenzbruch, die ›uneigentliche‹ Verwendung von Zeichen und die Kondensation (i. e. die Verschrnkung von ›eigentlicher‹ und ›uneigentlicher‹ Zeichenverwendung). Mllers hier gleichfalls eingefhrte Unterscheidung von Wort- und Sachpointe scheint mir dagegen wenig hilfreich (ebd., S. 127 – 148). 20 Grubmller (2006), S. 11 – 17; vgl. auch Grubmller (1999), S. 203: »Nicht auf die Art der Kriterien kommt es an, sondern auf ihre reihenbildende Kraft, ihre Markiertheit […]«; vgl. auch Grubmller (1993) sowie die Rezension zu Grubmllers Monographie von Kurss (2008). 21 Ragotzky (1981) stellt die These auf, dass die Texte Strickers von der Verletzung der Ordnung erzhlen und zeigen, wie diese mit Hilfe der Fhigkeit der gevegiu kndikeit wiederhergestellt werden kçnne (S. 127 – 133). Mren, die einem solchen Schema nicht entsprchen, wrden durch den wn oder die tumpheit der Figuen die gevegiu kndikeit ex negativo lehren (S. 112). Die Pointe von Ragotzkys Position, auf die sie in Abgrenzung von Grubmller krzlich nochmals hingewiesen hat, Ragotzky (2001), S. 63, liegt darin, dass die Stricker-Mren nicht Maximen vorfhren, sondern die richtige Interpretation von Situationen und dadurch die situationsgerechte Aktualisierung von »ordo-gemße[m]« Verhalten lehren wrden. Diese Position vertritt Ragotzky nicht nur fr Texte des Strickers (vgl. neben den bereits erwhnten Ragotzky [1980b], S. 502 f.), sondern auch fr weitere Mren (z. B. fr den Brgermeister und den Zurckgegebenen Minnelohn von Kaufringer oder fr den Borten), wo die an Stricker entwickelten Thesen m. E. nicht mehr die gleiche Plausibilitt haben; vgl. Ragotzky (1985); Ortmann/ Ragotzky (1999).

Ordnung

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exemplarischen Restitution der Ordnung zusammenfllt, versteht er als »erkenntnisstiftend«.22 Im Anschluss an Stricker werde dieser Typus variiert: Einerseits bilde sich das »exemplarische Mre« aus,23 andererseits werde aufgrund der Rezeption der Fabliaux die »Lust am Witz« und die erotische Thematik kultiviert.24 Im spten 14. und 15. Jahrhundert werde hingegen das »exemplarische Erzhlen« an seine Grenzen gefhrt,25 indem die Ordnungsvorgaben der erzhlten Welt subvertiert wrden. Grubmllers Gattungsgeschichte kulminiert somit zeitlich im 15. Jahrhundert, personell in Kaufringer und Rosenplt und inhaltlich im ›absurden‹ oder ›grotesken‹ Erzhlen von Begehren, Sexualitt und Gewalt.26 Grubmller gelingt in Die Ordnung, der Witz und das Chaos eine eindrucksvolle Gesamtschau der deutschsprachigen Mrenproduktion, die er zudem auf italienische, franzçsische und angelschsische Kleinepik hin çffnet.27 Er weiß um die methodischen Probleme einer linearen und kontinuierlichen Literaturgeschichtsschreibung und nimmt die tendenziell teleologische Ausrichtung zugunsten der besseren Orientierung bewusst in Kauf.28 Fragen wirft deshalb weniger die Entscheidung fr eine Gattungsgeschichte als deren Ausgangspunkt auf. Denn bei dem von Grubmller verfolgten Ansatz ist die Wahl des reihenbildenden Typus entscheidend, da alle spteren Texte als Auseinandersetzung mit diesem ersten Typus gelesen werden. Das Modell ›Verstoß und Wiederherstellung einer Ordnung‹ stellt somit die Vergleichsfolie dar, auf der die Mren interpretiert werden. Dies ist nicht unproblematisch. Denn zum einen versteht Grubmller ›Ordnung‹ inhaltlich-statisch: Die binre Frage nach Geltungssicherung oder Transgression der Ordnung steht im Zentrum, ohne dass die sprachliche und die narrative Dynamik ausreichend bercksichtigt werden. Nicht der Prozess der Ordnungsstiftung wird 22 Vgl. Grubmller (2006), S. 82 – 91. Die Reduktion des Geschehens auf einfache Handlungsstrukturen diene der »didaktischen Intention«, d. h. sie verdeutliche, dass es sich beim Einzelfall um einen Modell- und nicht um einen Sonderfall handle. 23 Ebd., S. 113 – 126. 24 Ebd., S. 127 – 152. 25 Ebd., S. 176, vgl. auch Ders. (1993). Obwohl sich Grubmller und Haug (1993) in ihren Gattungsvorstellungen widersprechen, unterscheiden meiner Ansicht nach beide zu wenig zwischen der Erzhlordnung und der erzhlten Ordnung. Haug argumentiert, dass Mren-Erzhlen »Erzhlen im gattungsfreien Raum« sei, weil es auf keinen Regeln beruhe und die Regeln der Sinnkonstitution (die Haug allzu stark als diejenigen des hçfischen Romans versteht) ad absurdum fhre (S. 6 f., 33). Grubmller (1993), S. 37 f., kritisiert diese Position, indem er zu Recht darauf hinweist, dass jedes Erzhlen sinnkonstituierend sei; vgl. dazu auch Schnell (2004), S. 367 – 372. 26 Grubmller (2006), S. 175 – 246; Ders. (1993), S. 52 f. 27 Grubmllers Ansatz hat den Nachteil, dass die Entwicklung der Gattung tendenziell allzu ›sytemimmanent‹ konzipiert wird. Er vernachlssigt es, seine Gattungsgeschichte auch auf andere literarhistorische oder diskursgeschichtliche Entwicklungen zu beziehen bzw. die Gattung als ›gesellschaftliche Institution‹ zu verstehen; vgl. dazu Jauß (1972), S. 134 – 137; Voßkamp (2004), S. 258 f., Waltenberger (2005), S. 288 f. 28 Grubmller (2006), S. 1 – 10.

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analysiert, sondern nur gefragt, ob ›die Ordnung‹ am Ende wiederhergestellt ist.29 Zum anderen verwendet Grubmller einen unscharfen Ordnungsbegriff. Er spricht von einer »nach Gottes Willen eingerichteten Welt« oder von »ordnungsgemßen […] Verhaltenserwartungen«30 und subsumiert darunter ganz unterschiedliche Formen von Ordnung (Geschlechterbeziehung, Stndeverhltnis, das Ehe-Verstndnis oder die Erzhlordnung).31 Ein solch homogenisierender Ordnungsbegriff ist aber gerade fr Texte wie die Mren, die vor allem von Desintegration und Destabilisierung erzhlen, problematisch.32 Denn er verunmçglicht es, zwischen unterschiedlichen Formen der erzhlerischen Ordnungsstiftung zu unterscheiden und deren gegenseitige Destabilisierung zu beobachten.33 Anstatt davon auszugehen, dass die Texte von einer Ordnung (die zerstçrt oder wiederhergestellt wird) erzhlten, ginge es somit vielmehr darum, die verschiedenen (gesellschaftlichen, diskursiven und intertextuellen) Ordnungen in einem Text und deren komplexe Verschrnkung aufzuzeigen. Die Fokussierung auf die Ordnung hat zudem zur Folge, dass die frhen Texte allzu sehr gesellschaftlich-funktional, die spten allzu dominant als sthetische Transgression gelesen werden.34 Diese im Modell angelegte Entwicklung von der gesellschaftlich relevanten Ordnungsstiftung zum sthetischen Spiel, von der Exemplaritt zur Literarizitt berzeugt jedoch nicht, da sich beispielsweise Exemplaritt und Literarizitt keineswegs ausschließen35 und es vielmehr darum ginge, bei den frhen und bei den spten Texten die gesellschaftlich-pragmatische Dimension und die (inter)textuellen Strategien zu beschreiben.36 Ebenso wenig wird man den spten Texten mit den unspe29 Diese Kritik findet sich auch bei Schausten (2006), S. 174. 30 Grubmller (2006), S. 82 f., benutzt »Ordnung« und »Ordo« ohne deutlich erkennbare Differenz. Ragotzky (1981) hat dagegen einen klarer konturierten Ordnungsbegriff. Ordnung in den Mren sei das »ordo-gemße Zusammenspiel der Rollen« (S. 133), weil diese »Beziehungen des Rechts« seien (S. 89). In ihren Interpretationen versteht Ragotzky unter Ordnung vor allem die Stnde- und die Geschlechterhierarchien. 31 Grubmllers Ordnungskonzept grndet implizit auf einem von Jussen (2006) berzeugend kritisierten Verstndnis des mittelalterlichen ordo-Gedankens, demzufolge Gesellschaftslehre (Stnde), Erkenntnistheorie und Ethik in einem bergreifenden Gefge aufgehen; vgl. Oexle (1993). Doch auch wenn man ein solches ordo-Verstndnis voraussetzen kçnnte, bedeutete dies noch nicht, dass auch das Textgefge als homogene Ordnung zu verstehen wre. 32 Nicht in allen Texten ergeben die verschiedenen ›Ordnungen‹ (Geschlechterhierarchie, stndische Rollen, Ehe) ein homogenes Ganzes; dies postuliert auch Schnell (2004), S. 377. 33 Vgl. zu den verschiedenen Mçglichkeiten der Ordnungsentstehung oder -stiftung Waldenfels (1987), S. 51 – 86. 34 Vgl. etwa die abschließende Aussage zur Rache des Ehemannes: »Exemplarisches Erzhlen lçst sich hier auf in der Freiheit einer artistischen Selbstinszenierung«; Grubmller (2006), S. 187, vgl. auch ebd. S. 191. 35 Vgl. Suchomski (1975); Ziegeler (2003), S. 409; Friedrich (2005), S. 229; vgl. auch unten Kap. 1.8. 36 Grubmller (2006) reduziert einzelne Texte, insbesondere solche, die ins 13. Jahrhundert datiert werden (z. B. Der begrabene Ehemann, Der Borte), unverhltnismßig stark auf ihre exemplarische Dimension; vgl. S. 85 f., 170 – 172.

Selbstreferenz

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zifischen und tendenziell ahistorischen Beschreibungskategorien wie Willkr, Kontingenz, Absurditt37 gerecht, da sie damit allzu schnell auf universale Erfahrungen reduziert werden.

1.4 Selbstreferenz Howard Blochs Monographie The Scandal of the Fabliaux von 1986 kann man als den Wendepunkt verstehen, an dem die sozialhistorische Interpretation der Fabliaux (und in der Folge auch die der Mren) in eine strker postmodern-rhetorische Deutung umschlgt.38 Bloch versucht zu zeigen, dass man der erzhlten Welt (z. B. Kleider, Kçrperteile, sexuelles Begehren) nicht gerecht wird, wenn man sie nur im Hinblick auf ihre weltreferentielle Bedeutung liest.39 Dagegen prsentiert er eine radikal selbstreferentielle Lektre: »[…] the scandal of the comic tale is […] that they [the fabliaux] expose so insistently the scandal of their own production.«40 Seine durchaus anregenden Interpretationen von einzelnen Motiven (Kastration, Kleidung), Sprachspielen und formalen Merkmalen (Bilingualitt) kommen jedoch immer zu hnlichen Ergebnissen: Die Texte wrden ihre eigenen Konstitutionsbedingungen ausstellen und dabei werde sichtbar, dass Bedeutung nie als vollstndige zu haben sei.41 Problematisch an diesen Interpretationen ist insbesondere, dass Bloch die Selbstreferentialitt als methodisch ungenaue Analogie zwischen inhaltlichen und strukturellen Erzhlelementen konzipiert.42 An Blochs Deutung des Fabliau Les trois dames qui troverent l’anel wird dieses Problem gut sichtbar. Das materielle Begehren der Frauen nach dem Ring stellt Bloch zufolge ihr sexuelles Begehren parabelartig dar. Das sexuelle Begehren wie37 Grubmller (2006), S. 193 – 201. 38 Blochs Position ist jedoch keineswegs ber die Jahre hinweg dieselbe. In einem »Postface« zu einer Ausgabe von Fabliaux rotiques ist die Interpretation von Bloch (1992) deutlich sozialhistorisch geprgt (»miroir social«; S. 534), wenn er auch auf die voyeuristische Komponente der Texte und auf die sprachlichen Dimensionen des Erzhlten hinweist (S. 538). In einem spteren Text versucht Bloch (1998) dagegen strker als in der hier zu besprechenden Monographie diskurstheoretisch zu argumentieren. 39 Bloch (1986), S. 3 – 34. 40 Ebd., S. 35. 41 Ebd., S. 101 f.: »The ubiquitous theme of bodily dismemberment thus stands as the most manifest sign of a constant questioning of the sufficiency of poetic representation […]«; zur Bilingualitt ebd., S. 81 f. 42 Es bleibt unklar, worin das ›selbst‹ des selbstreferentiellen Verweises besteht. Wird auf die Verweisfunktion einzelner Signifikanten, die Fiktionalitt der erzhlten Welt, das semiotische Gefge der Erzhlung oder den Prozess der Bedeutungskonstitution verwiesen? Geschieht der Verweis ikonisch, indexikalisch (d. h. aufgrund von Indices) oder symbolisch? Vgl. dazu u. a. Bal (1978); Hutcheon (1980); Dllenbach (1977). Die genannten Untersuchungen beziehen sich auf Texte der Moderne und v. a. der Postmoderne; dies weist darauf hin, dass die historische Dimension literarischer Selbstreferentialitt (sowohl in Bezug auf das Konzept als auch auf den Gegenstand) noch genauer zu klren wre.

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derum entspricht dem semiotischen Prozess der Bedeutungskonstitution und der Textgenese: The ring, in turn, represents merely an empty center from which the fabliau, as a parable of desire demonstrating the desire for fable, is generated. […] the fabliaux are narratives of absence which stage their own genesis more explicitly than any other medieval form.43

Bloch argumentiert also, dass zwischen den intradiegetischen Darstellungen von materiellem und sexuellem Begehren (histoire) und den textuell-semiotischen Prozessen (discours) eine Analogie bestehe, weil alle durch das Streben nach der Behebung eines ›Mangels‹ strukturiert seien. Was fr den Beginn der erzhlten Handlung einleuchtet (die drei Frauen wollen alle den einen Ring), kann beim sexuellen Begehren nur dank der Deutung des Rings als Phallus plausibel gemacht werden.44 Auf der Ebene des discours wiederum berzeugt die Argumentation gar nicht, weil Bloch weder eine strukturelle noch eine semantische Analyse bietet, sondern eine weitere Analogie (bzw. mise en abyme) zwischen Inhalt und Textgenese behauptet: Da die drei Frauen Erzhlungen erfinden, um ihre Mnner zu tuschen, zeige die Erzhlung ihre eigene Entstehung. Das Begehren nach dem Ring kçnne deshalb als Begehren nach einer Erzhlung verstanden werden, die wiederum dank diesem Begehren erzeugt wird. Statt die Dynamiken der semiotisch-textuellen Prozesse genauer zu bestimmen, wechselt Bloch suggestiv zwischen den Erzhlebenen hin und her, ohne dadurch argumentativ viel zu erreichen. Er nutzt vielmehr eine abstrakte und ahistorische Bestimmung des Begehrens als Streben nach der Behebung eines letztlich nicht behebbaren Mangels,45 um Ereignisse auf verschiedenen Erzhlebenen miteinander zu identifizieren.46 Howard Blochs wegweisende Studie hat zweifelsohne entscheidend dazu beigetragen, dass Sexualitt und Begehren in den Fabliaux und den Mren nicht als weltreferentieller Verweis auf einen anthropologisch gedachten Trieb, 43 Bloch (1986), S. 93. 44 Vgl. ebd., S. 92 f.: »[…] the found ring of ›Des .III. Dames qui trouverent l’anel‹ represents a fixation linked to the desire for the phallus, or in this case, for a story.« 45 Bloch (1986) geht in seinem letzten Kapitel »Conclusion. The Fabliaux, Fetishism, and the Joke« auf das Verhltnis zur Psychoanalyse ein. Er sagt, »the fabliaux seem ›to speak‹ and ›to make speak‹ questions central to Freudian and post-Freudian analysis« (S. 110; Herv. H. B.). Er betont auch, dass es ihm nicht um anthropologische Konstanten gehe (ebd.). Die oben beschriebene Bestimmung von Begehren als Streben nach der Behebung eines Mangels fhrt er auf Freuds dipuskomplex und dessen Fetisch-Theorie zurck (S. 117 – 120). Lacan zitiert er nur in einer Fußnote (S. 149, Anm. 34), obwohl mir scheint, dass er mit der Fokussierung auf den Mangel und mit der Strukturanalogie zwischen Begehren und Bedeutung enger an Lacan als an Freud anschließt. 46 Vgl. auch die Kritik bei Friedrich (1996), S. 3, der auf die »fundamentalen Prmissen« von Blochs Sprachbegriff hinweist; sowie Waltenberger (2005), S. 307, der Blochs Gegenberstellung von Prsenz und Absenz kritisiert. Mit der Fokussierung auf die Absenz kçnne Bloch die pragmatische Dimension der Texte zu wenig bercksichtigen.

Begehren

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sondern als komplexe Erzeugnisse eines textuellen Prozesses verstanden werden. Doch gerade weil Blochs diffuse Analogie von intradiegetischen Motiven und der Ebene des discours nicht unplausibel ist, wre es gefhrlich, mit Analogien zu operieren. Stattdessen sind methodische Verfahren zu entwickeln, mit denen intradiegetische Prozesse, textuelle Verfahren sowie intertextuelle und diskursive Verweiszusammenhnge konziser aufeinander bezogen werden kçnnen.

1.5 Begehren Howard Bloch liest, wie gerade ausgefhrt, das in den Mren dargestellte Begehren und die Sexualakte nicht als Reprsentation von lebensweltlicher Sexualitt und Begehren, sondern als (selbstreflexive) Darstellung von Sprachprozessen. Er verschrnkt die handlungsweltliche Ebene ber den Begriff des Begehrens mit der Erzhlebene. Dabei fasst er Begehren nicht primr als sexuelles Begehren, sondern als abstrakte Struktur, nmlich als Streben nach der Behebung eines Mangels. Damit werden sowohl die Chancen als auch die Gefahren eines derart abstrakten Begehrensbegriffs sichtbar. Vielversprechend erscheint die Mçglichkeit, unterschiedliche Formen von Begehren (also z. B. materielles, sexuelles, hermeneutisches) miteinander zu vergleichen und auf Erzhlstrukturen zu beziehen.47 Die Gefahr liegt jedoch zum einen in der Nivellierung der unterschiedlichen Begehrensformen, weil diese alle auf eine Begehrensstruktur (bei Bloch eine des Mangels) zurckgefhrt werden. Zum anderen verfhrt der abstrakte Begehrensbegriff zu einem ahistorischen Arbeiten, weil weder die Semantik noch die ›Struktur‹ des Begehrens aus den Texten oder anderen zeitgençssischen Quellen abgeleitet, sondern – so zumindest von Bloch – vorausgesetzt werden.48 Es ist deshalb zu bercksichtigen, dass der Begriff ›Begehren‹ auch als literaturwissenschaftlicher Terminus durch die Psychoanalyse geprgt ist und tendenziell universalisierende und ahistorische Konnotationen mit sich fhrt.49 Dennoch mçchte ich in der folgenden Arbeit – auch aufgrund mangelnder Alternativen – an ihm festhalten. Begehren soll jedoch immer als ein diskursiv und medial geprgtes Phnomen verstanden werden, das historisch 47 Meiner Ansicht nach birgt der Begriff des ›Textbegehrens‹, i. e. eines Begehrens, das nicht ›im‹ Erzhler oder Autor, sondern auf der Erzhlebene angesiedelt ist, fast mehr Gefahren als Chancen. Vgl. die Diskussion dieses Begriffs d. Vf. Reichlin (2008b), insbesondere S. 240 f. 48 Vgl. auch die kritischen Einwnde gegen eine ›Anwendbarkeit‹ Lacans auf die Mren von von Bloh (1999), S. 227, Anm. 37, und Schlechtweg-Jahn (1999), S. 103, Anm. 35. 49 Vgl. zur Begriffsgeschichte Schçnpflug (1971); eine ausfhrliche Einfhrung in die philosophische Begriffsgeschichte ausgehend von den psychoanalytisch-strukturalistischen Begehrenstheorien des 20. Jahrhunderts bietet Rabouin (1997). Er unterscheidet grundstzlich zwischen Anstzen, die das Begehren als Mangel, und solchen, die es als Produktivitt denken (S. 23, 36 f.); zur psychoanalytischen Begriffsgeschichte vgl. Laplanche/Pontalis (1999), S. 634 – 636.

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vernderlich ist. Deshalb wird hier, im Unterschied zu Blochs The Scandal of the Fabliaux, keine vorab bestimmte Begehrensstruktur vorausgesetzt, sondern gefragt, wie die Texte vom Streben nach sexueller Erfllung erzhlen und welche semantischen, narrativen und intertextuellen Dimensionen dabei zum Tragen kommen. Dies soll im Folgenden genauer ausgefhrt werden, indem einzelne Thesen der Mrenforschung diskutiert und daraus die fr die Arbeit relevanten Fragerichtungen abgeleitet werden. In der lteren Mrenforschung wird das sexuelle und materielle Begehren vielfach im direkten Verweis auf die Psychoanalyse als Ausdruck universeller psychischer Vorgnge gelesen.50 Dabei werden nicht selten die ›Psyche‹ der Figuren, die des Autors und die eines gesellschaftlichen Kollektivs kurzgeschlossen.51 Ein Gegenstck zur universalisierenden Tendenz der psychoanalytischen Lektren bildet der diskursgeschichtliche Ansatz, der Begriff und Verstndnis von minne, Begehren, Trieb oder Sexualitt aus theologischen, medizinischen u. a. Texten abzuleiten sucht.52 Es stellt sich aber die Frage, auf welchen der keineswegs homogenen Diskurse ber Sexualitt53 man sich bezieht. berdies ist zu bedenken, dass die jeweiligen Begehrenskon50 Vgl. u. a. Zapperi (1994), S. 139 – 170; Schrçter (1985); White (1982); Blamires (1976); Hildenbrock (1983) benutzt die Psychoanalyse vor allem fr die Deutung der Symbolik; Margetts (1985) liest das Lachen ber die sexuelle Unersttlichkeit der Frau als Bewltigung der Versagensangst des Mannes; Beutin (1985), S. 279, stellt die These auf, dass die verdrngte Lust durch die literarische Technik aufgehoben werde. Strohschneider (1987) liest das Nonnenturnier als Angstphantasie (vor Kontrollverlust) bzw. den zweiten Teil als Wunschphantasie. Bachorski (1998) betont zwar, dass die Literarizitt gegenber der Anthropologie hervorgehoben werden msse (S. 264), doch kann er das in seinen eigenen Interpretationen kaum einlçsen. Er rekurriert immer wieder auf Psychologismen (z. B. Versagensangst des Mannes); vgl. auch Bachorski (1996). 51 Eine neuere und viel strker historisch ausgerichtete psychoanalytische Lektre von Mren und Fabliaux (im Rckgriff auf Lacan) bietet Gsell (2001). Trotz eines anregenden und anspruchsvollen Ansatzes vernachlssigt sie aber in ihren Interpretationen der Mren allzu sehr die narrative Dynamik, die aus und durch die geschlechtliche Differenz und das damit einhergehende Begehren erzeugt wird; vgl. dazu im vorliegenden Buch Kap. 9.2. 52 Vgl. Schnell (1989); Bloch (1998); Beine (1999), S. 114 – 123; Gsell (2001), S. 105 – 219; Bildhauer (2006), vgl. auch allg. Schnell (2002), S. 228 – 239, 427 – 470. Die Thesen von Laqueur (1992) werden meist kritisch rezipiert und es wird hçchstens punktuell darauf Bezug genommen; vgl. Feistner (1997); Peters (1999). 53 »[W]hen medieval authors did write about such topics, they often did not adhere to a single theory or model. On subjects such as reproductive roles or sexual pleasure they drew from a rich array of material belonging to many sciences […] and to many traditions«; Cadden (1996), S. 51; vgl. auch Cadden (1993) oder Bynum (1996), S. 6 f., sowie Schultz (2006), S. 122 – 128, der betont, dass sich die unterschiedlichen Diskurse (er unterscheidet theologisch, medizinisch, hçfisch-literarisch) radikal voneinander unterscheiden wrden und nicht bertragbar seien. Auch wenn dem tendenziell zuzustimmen ist, so berzeugt doch Schultz’ eigene Analyse des Begehrens in den Mren nicht (ebd., S. 133 – 144). Er setzt Begehren mit der Frage nach dem »origin of love« gleich und beschreibt dann drei Formen der Liebesentstehung (1. unmotiviert; 2. zufllige Gelegenheit; 3. hçfische Erzhlmuster). Dabei bleibt er aber der Textoberflche verhaftet und unterscheidet z. B. nicht einmal zwischen den Motiven der Figuren und der erzhlerischen Motivation.

Begehren

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zeptionen immer auch durch ihre Darstellungsform geprgt sind; d. h. je nach Textart (z. B. Schwank, Epos oder Traktat) verndert sich auch die Konzeption des dargestellten Begehrens.54 Deshalb scheint ein diskursgeschichtlicher Ansatz eher ungeeignet, um die hier besonders interessierende narrative Funktion von Begehren zu analysieren. In der jngeren Mrenforschung zeichnen sich in Bezug auf ›Begehren‹, ›Sexualitt‹ und ›Trieb‹ drei dominante Positionen ab. Zum einen wird beobachtet, dass sexuelles Begehren typischer Bestandteil bestimmter Rollen, beispielsweise derjenigen des belen wps oder des Klerikers ist. Sexuelles Begehren werde, so wird gefolgert, von den Texten als ›naturgegebener‹ Trieb vorausgesetzt.55 Die Texte zeigten, dass sich die »Triebhaftigkeit« nicht verleugnen lasse.56 Doch obwohl Lsternheit in den Mren zweifelsohne ein Charakteristikum von Ehefrauen und Klerikern ist, wird damit nicht erklrt, weshalb und in welcher Weise die Texte immer wieder davon erzhlen, wie sexuelles Begehren erzeugt und manipuliert wird und welche Semantiken dazu verwendet werden. Aber auch wenn Begehren in der Handlungswelt restlos auf Triebe zurckgefhrt wird, stellt dies nur eine Ebene eines Textes dar und macht die Frage nach der narrativen, semantischen und intertextuellen Dimension von Begehren nicht berflssig. Zum Zweiten wird die Transgressivitt des sexuellen Begehrens betont: Begehren stçre, verkehre oder berschreite die Ordnung.57 Hier zeigt sich erneut die bereits erwhnte Problematik des Ordnungsbegriffes, da oft unklar bleibt, ob ein hçfischer Minnediskurs, eine handlungsweltliche Geschlechterordnung oder eine diskursive Eheordnung berschritten wird.58 Dagegen 54 Dies wird in Kap. 9.1 des vorliegenden Buches genauer ausgefhrt. 55 Mller (1984/1985), S. 293, 303 f. Friedrich (2006), S. 59, geht davon aus, dass sich in den Mren ein »Diskurs ber Sexualitt [konstituiert], der von der natrlichen Regung ber den vagabundierenden Trieb bis hin zur verzehrenden Gier sich erstreckt«. Er unterscheidet punktuell zwischen (sexuellem) Trieb und Sexualitt als Tauschmedium (S. 66). Dennoch bleibt der Begriff des ›Triebes‹ insbesondere durch die Verschrnkung mit anderen Begriffen (etwa »Lust«, S. 66) eher unbestimmt und dessen narrative Dimension bleibt unbercksichtigt. 56 Dicke (2002), S. 294; Wenzel (1981), S. 287; von Bloh (1999), S. 222, 228; von Bloh (2001), S. 81, spricht in Bezug auf Kaiser Lucius’ Tochter davon, dass das »sexuelle Begehren […] zwar kanalisiert, [nicht aber] besiegt« sei. 57 Vgl. Grubmller (2006), S. 193 – 201; Friedrich (2006), S. 59 f.; Grubmller (1993); Haug (1993), S. 33; Bachorski (1996); Strohschneider (1987). 58 Im Unterschied zu den oben genannten Autoren stellen andere die These auf, dass die Darstellung der nicht unterdrckbaren Triebhaftigkeit dazu diene, die ›Ordnung‹ zu stabilisieren: Wenzel (1981), von Bloh (2001) und Dicke (2002). Von Bloh (1999) argumentiert diesbezglich wohl am elaboriertesten. Sie postuliert, im Rekurs auf Zˇizˇek (1996), dass das weibliche sexuelle Begehren in den Mren als »nicht rationalisierbarer berschuß« dargestellt werde. Dies bedeute jedoch keine einfache Subvertierung der »Ordnung«, sondern sei vielmehr als Transgression zu verstehen, die durch die Verneinung gerade »das ungestçrte Funktionieren der Ordnung« sttzt (S. 237 f.). Mir scheint jedoch, dass auch ein solch dialektisches Ordnungskonzept die in Kap. 1.3 genannten Probleme nicht lçst. Denn auch hier luft die Analyse auf die binre Alternative von ›Subversion vs. Geltungssicherung der Ordnung‹ hinaus.

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1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen

lsst sich am Tausch ›minne gegen materielle Leistung‹ zeigen, dass die Texte sexuelles Begehren nicht als ein ›Außen‹ darstellen, sondern dessen hnlichkeit mit anderen Formen des Begehrens (nach Geld, Subsistenzgtern etc.) hervorheben. Deshalb wird hier nicht von einer Ordnung, die durch Sexualitt verkehrt wird, ausgegangen, sondern gefragt, wie sexuelles Begehren in den Mren als eine Wertordnung von anderen (z. B. der materiellen, der sozialen oder ehelichen Wertordnung) abgegrenzt wird. Die Grenzen solcher (Wert)Ordnungen sind aber, so die Vermutung, nicht unverrckbar gegeben, sondern werden in den Texten (und insbesondere anhand der Tauschgeschfte) verhandelt. Zum Dritten werden Sexualitt und Begehren in den Mren vielfach als Parodierung oder Pervertierung eines hçfischen Minnediskurses gelesen. Dieses lsst sich zweifelsohne auf mehreren Ebenen beobachten. Bereits erwhnt wurde der Verweis auf den Minnedienst: Statt einer ideellen Vervollkommnung ist der Lohn des Mannes die sexuelle Erfllung. Sein Dienst besteht weder im Singen noch im Kmpfen, sondern in einer Bezahlung.59 Auch dominante Motive des Minnediskurses der hçfischen Romane werden in den Mren aufgegriffen und parodierend sexualisiert: die ventiure, der Turnierkampf, der zur Eroberung der Frau fhrt, oder das vollendete hçfische Benehmen des Minneritters.60 Dabei werden vielfach auch die Geschlechterrollen verkehrt: Frauen kmpfen, werben um einen Mann oder reiten in die Fremde.61 All diese Formen der ›Verschiebung‹ hçfischer Minnetopoi basieren darauf, dass der Intertext mittels knapper Anspielungen aufgerufen und umbesetzt wird. Dies fhrt immer wieder zur These, die hçfische Minnemetaphorik werde in den Mren ›konkretisiert‹, d. h. sexualisiert.62 Doch wird die Sexualitt keineswegs detaillierter oder gar ›realistischer‹ dargestellt,63 sondern der Sprachprozess, d. h. die komische Umdeutung und Neukontextualisierung von hçfischen Topoi, in Szene gesetzt. Dieses rhetorische Verfahren ist jedoch nicht auf das Verhltnis der Mren zu hçfischen Minnediskursen beschrnkt, sondern prgt die intra- und intertextuellen Beziehungen der Mren generell.64 Die Darstellung des sexuellen Begehrens grndet also auf der Abgrenzung von und der gleichzeitigen Partizipation an den hçfischen Liebesdiskursen. Dennoch ist eher selten eine intensive Auseinandersetzung mit hçfischen Normen bzw. Texten zu beobachten. Vielmehr werden ohne große Variation 59 Von Bloh (1999), S. 220 f.; vgl. fr diesen Ansatz zudem Schausten (2006). 60 Friedrich (1996), S. 19; von Bloh (2001), S. 79; von Bloh (1999), S. 230 f.; Schnyder (2000); Mller (1985), S. 303; vgl. dazu auch Kap. 7 des vorliegenden Buches. 61 Wenzel (1981), S. 284; von Bloh (1999), S. 232 f.; von Bloh (2001), S. 79. 62 Friedrich (2005), S. 238 – 242; Hoven (1978), S. 327; Von Bloh (1999), S. 220; vgl. dazu allg. Ruberg (1976). 63 So bereits Hoven (1978), S. 339. 64 So kçnnen z. B. bereits in anderen Mren konkretisierte Metaphern anzitiert werden, indem sie wieder neu metaphorisiert werden; vgl. dazu Reichlin (2008b), S. 229 f.

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immer hnliche semantische Felder der hçfischen Literatur aufgegriffen. Es entsteht der Eindruck, dass ›Zitiertes zitiert‹ wird bzw. dass es sich um Anspielungen zweiter oder dritter Ordnung handelt.65 Es sind deshalb nicht nur je neu die komischen ›Verkehrungen‹ des hçfischen Minnediskurses zu analysieren, sondern die intertextuellen Bezugnahmen genauer zu beschreiben: Welche semantischen Felder werden anzitiert und wie verndern sich die Bezugnahmen oder Umbesetzungen der Mren historisch? Zudem ist nach dem unterschiedlichen narrativen Stellenwert des sexuellen Begehrens in den Mren im Unterschied zur hçfischen Epik zu fragen. Denn in den Mren werden beispielsweise weder die Kçrperlichkeit der minne noch damit verbundene Emotionen geschildert und es wird auch kaum je ber minne geredet.66 Stattdessen manifestiert sich das Begehren im unzweideutig zielgerichteten Handeln der Figuren. minne und Begehren sind deshalb – wie es zu zeigen gilt – auf eine andere Weise als im hçfischen Roman in die Erzhlstruktur, die Erwartungslenkung und die Zeitlichkeit des Erzhlens eingebunden.67 1.6 Dreieckskonstellationen Sexuelles Begehren spielt sich in den schwankhaften Mren außerordentlich hufig im Rahmen von Dreieckskonstellationen ab. Vielfach buhlt ein Freier um eine verheiratete Frau, doch wird das Muster, dass zwei rivalisierende Personen um eine dritte freien, auch in anderen Geschlechterbesetzungen durchgespielt.68 Auch hier wird man den Texten nicht gerecht, wenn man das Dreieck bzw. die damit einhergehenden Machtverhltnisse als statische Ordnung beschreibt.69 Stattdessen ist zu fragen, welche Dynamik eine triadische Figurenkonstellation erzeugt, d. h. wie und mit welchen Effekten sich die Machtverhltnisse und Begehrensrelationen verschieben. 65 Diese berlegungen gelten nicht fr die sogenannt hçfisch-galanten Mren (Fischer [1983], S. 109 – 111), die den hçfischen Liebesdiskurs affirmativ aufgreifen; vgl. dazu Grubmller (2006), S. 153 – 174; Ortmann/Ragotzky (1988). 66 Mit Ausnahme der Texte, die von den falschen Benennungen der Genitalien oder des Geschlechtsaktes erzhlen; so z. B. Der Sperber; Das Hslein; Dulceflorie; Des tiuvels hte; Ehren und Hçhnen; Rache fr die Helchensçhne. Vgl. zu minne und Begehren als Kommunikation und (kçrperliche) Emotion in der hçfischen Epik u. a. Haferland (1988), S. 179 – 191; Schnyder (2003); Oswald (2004), S. 145 – 175; Schnyder (2008); Egidi (2008b), S. 44 – 156. 67 Vgl. dazu das Kap. 9 des vorliegenden Bandes. 68 Vgl. zu den unterschiedlichen Dreieckskonstellationen und den damit einhergehenden Machtverhltnissen Jonas (1987), S. 39 – 87. Schirmer (1969), S. 141 – 144, liest die »Dreieckssituation« als letztlich von der hçfischen Dichtung inspirierte Spannung zwischen Liebe und Ehe. 69 Jonas (1987), S. 39 – 87, gruppiert die verschiedenen Mren danach, wie sie das Dreiecksverhltnis besetzen und welche Machtverhltnisse darin herrschen. Dies erscheint mir jedoch ein allzu statisches Verstndnis des Dreiecksverhltnisses. Die Mren unterscheiden sich m. E. nicht aufgrund der Anfangs- oder Endbesetzung des Dreiecks voneinander, sondern dadurch, wie sie die Positionen umbesetzen und transformieren.

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1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen

Ren Girard hat ausgehend von der Beobachtung, dass sich Liebesgeschichten in der Weltliteratur meist in triadischen Strukturen abspielen, ein ganzes kulturanthropologisches Begehrensmodell entwickelt. Er fhrt Begehren nicht wie Bloch (mit Lacan) auf einen Mangel, sondern auf Konkurrenz und Mimesis zurck. Der Liebende wird Girard zufolge nicht vom Objekt, das er begehrt, angezogen, sondern er ahmt das Begehren seines Rivalen nach. Erst das Hindernis (der Rivale) erzeugt das Begehren.70 hnlich wie Blochs Begehrenskonzeption ist auch diejenige Girards problematisch, weil sie ahistorisch und monokausal konzipiert ist. Girard deckt beispielsweise in zeitlich und kulturell ganz unterschiedlichen literarischen Texten immer dieselbe von ihm als »Wahrheit des Begehrens« apostrophierte Struktur auf.71 Die Anglistin Eve Sedgwick kritisiert die Ahistorizitt von Girards Modell, indem sie darauf hinweist, dass Girard von einem symmetrischen Dreieck spricht, aber selbst fast ausschließlich Erzhlungen analysiert, die von zwei Mnnern und einer Frau handeln.72 Deshalb untersucht sie die historischgesellschaftlichen Bedingungen, die die scheinbar heterosexuelle Dreiecksgeschichte zwischen zwei Mnnern und einer Frau in der englischen Literatur des 19. Jahrhunderts ermçglichen. Das heterosexuelle Begehren basiert Sedgwick zufolge auf den homosexuellen Neigungen zwischen den beiden Rivalen, die jedoch die Dreiecksbeziehung und die damit einhergehende patriarchale Gesellschaftsstruktur gefhrden. Deshalb wird, so Sedgwick, die Homosexualitt stigmatisiert, die homosoziale Beziehung favorisiert und dadurch die Dreiecksbeziehung zwischen zwei Mnnern und einer Frau stabilisiert.73 Der Medivist Andreas Kraß greift auf Girards Modell und Sedgwicks literaturwissenschaftliche Adaptation desselben zurck, um eine komplexe Dreiecksgeschichte im Mre Der Borte von Dietrich von der Glezze zu analysieren. Er fhrt damit berzeugend vor, wie ergiebig Girards Modell fr die 70 Girard (1961), S. 19 – 25: »La rivalit ne peut donc qu’exasprer la mdiation; elle accro t le prestige du mdiateur [Rivale] et elle renforce le lien qui unit l’objet [Objekt des Begehrens] ce mdiateur, en contraignant ce dernier affirmer hautement son droit, ou son dsir, de possession. Le sujet [Liebender] est donc moins capable que jamais de se dtourner de l’objet inaccessible« (S. 22; Anm. S. R.). Vgl. die hnliche These, aber noch strker anthropologisch universalisiert in La violence et le sacr, Girard (1990), S. 213 – 248, hier S. 217. Vgl. zum mimetischen Begehren auch Koschorke (2002); Gebauer/Wulf (1992), S. 327 – 335, die Girards Interpretationen historisch zu plausibilisieren versuchen. Vgl. zum Verhltnis des mimetischen Begehrens zu Freuds çdipaler Struktur Juranville (1990), S. 135 – 138. 71 Girard (1961) S. 24: »[…] un Cervant s, un Flaubert et un Stendhal dvoilent la vrit du dsir dans leurs grandes œuvres romanesques. Mais cette vrit reste cache au sein mÞme de son dvoilement.« Indem Girard postuliert, dass das mimetische Begehren sich nur verdeckt zeigt und weder von den Figuren noch vom Autor noch von den Rezipienten wahrgenommen wird, tendiert seine literaturwissenschaftliche Argumentation dazu, nicht mehr falsifizierbar zu sein. 72 Sedgwick (1985), S. 21 – 26. 73 Sedgwick (1985), S. 25. Garber (2000), S. 531 – 547, betont im Anschluss an Sedgwick, dass die Bisexualitt fr das Dreieck konstitutiv sei. Sie weist zudem auf die Verkettung mehrerer Dreiecke hin: Jede Figur ist in unterschiedliche Dreiecksbeziehungen eingebunden.

Dreieckskonstellationen

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Analyse der Ehebruchsmren sein kann, wenn es angemessen historisiert wird. Kraß geht von historisch unterschiedlichen Besetzungen des Dreiecks in der Stoffgeschichte des Borten aus und bezieht den Text zudem auf zeitgençssische Sodomie- und Freundschaftsdiskurse.74 Er verwendet das Modell berdies flexibel, indem er nicht – wie Girard in seinen Analysen – die eine mimetische Begehrensstruktur besttigt sieht, sondern das Modell der Erzhlung ›anpasst‹. Denn im Borten geschieht nicht nur ein Ehebruch, sondern im zweiten Teil verkleidet sich die Ehefrau als Ritter und verfhrt in dieser Rolle ihren Ehemann zu einem homosexuellen Stelldichein. Kraß liest dies als »Kollabier[en]« des Dreiecks: Die Ehefrau und der Ehebrecher wrden zu einer Person verschmelzen und dadurch werde aus dem Dreieck eine Zweierbeziehung.75 Das Mre erzhlt deshalb gemß Kraß eine homosexuelle »Schattengeschichte« von der Liebesbeziehung zweier Mnner.76 Mit dieser Lektre wird aber zumindest eine Pointe von Girards Modell verspielt. Denn das Cross-Dressing und die damit einhergehende Positionsverschiebung im Dreieck erzeugen bei Kraß eine stabile mnnliche Figur. Auf diese Weise bleiben jedoch die Umbesetzungen der Dreiecksposition im Verlauf der Erzhlung und die damit einhergehende Ambiguisierung der Figurenidentitt unbercksichtigt. hnliches lsst sich auch auf der Ebene der Tauschhandlungen beobachten. Kraß liest die handlungsweltlichen Tauschgeschfte, bei denen nicht nur sexuelle Handlungen und materielle Objekte, sondern auch auratische Gegenstnde und moralische Schulden getauscht werden, als quivalenzen.77 Es geht vergessen, dass hier Heterogenes getauscht wird und bei einem solchen Tausch berschsse entstehen kçnnen.78 Deshalb ist bei den folgenden Textanalysen weniger von quivalenzen auszugehen als zu fragen, welche Wert- und Machtverschiebungen durch den Tausch von Heterogenem ausgelçst werden und welche Funktion die im Dreieck zirkulierenden Gegenstnde haben. Was sich am Borten intratextuell beobachten lsst – dass nmlich durch die Umbesetzung einer Position im Dreieck Handlung generiert wird –, gilt auch intertextuell: Die intertextuelle Dynamik und Kombinatorik der Mren basieren nicht selten auf Dreieckskonstellationen. Die Positionen eines Erzhlmusters werden umbesetzt und dadurch wird ein neues Handlungsmuster

74 Kraß (2003), S. 285 – 292. 75 Ebd., S. 293. 76 Kraß sttzt diese These zudem auf die Beobachtung, dass man die Erzhlteile anders anordnen kann und dann die typischen Stationen einer Liebesgeschichte erzhlt werden. Mit dem Begriff »Schattengeschichte« (ebd., S. 297) rekurriert Kraß jedoch meiner Ansicht nach auf ein allzu einfaches hermeneutisch-psychoanalytisches Modell von Oberflche und Subtext. 77 Kraß (2003), S. 280. 78 Vgl. die Analyse des Borten d. Vf., in der versucht wird, solche Aspekte strker zu bercksichtigen, Reichlin (2008a).

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1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen

generiert.79 Die methodisch-literaturwissenschaftliche Pointe einer solchen Strukturmatrix liegt, so ist zu vermuten, in der Annahme einer vollkommenen Interdependenz: Jede Vernderung einer bestimmten Position bewirkt die Verschiebung aller anderen.80 Mittels solcher Interdependenzen erzeugen viele Mren ihre Pointen.81 Sie liegen jedoch nicht nur auf der Figurenebene, sondern kçnnen auch auf der Sprach- und Erzhlebene beobachtet werden. Denn die Vernderung der Figurenkonstellation oder die bergabe von Objekten haben in den Mren immer auch semantische und metonymische Konsequenzen. Wenn diese mitbercksichtigt werden, kçnnen neben der intra- und intertextuellen Kombinatorik auch textuelle Strategien erfasst werden. Girards Modell ist somit als heuristischer Ausgangspunkt der Mrenanalyse auf mehreren Ebenen produktiv, solange die anthropologischen und psychoanalytischen Prmissen angemessen historisiert werden.

1.7 Motiv und Wiederholung Seit Goethe und verstrkt durch den russischen Formalismus ist der Begriff ›Motiv‹ morphologisch geprgt: Das Motiv wird als »inhaltsbezogenes Schema« bestimmt, »das nicht an einen konkreten historischen Kontext gebunden und deshalb fr die Gestaltung von Ort, Zeit und Figuren frei verfgbar ist«.82 Es dient der formalen und »semantischen Organisation« und kann ganze Handlungen konstituieren.83 In der aktuellen Forschung wird der Begriff 79 Friedrich (2006), S. 60, beschreibt das Dreiecksverhltnis als eine der zentralen kombinatorischen Grundkonstellationen; vgl. auch Jonas (1987), S. 39 – 87. Vgl. zum Begriff ›Erzhlmuster‹ Anm. 95 dieses Kapitels. 80 Hermann Bausinger (1967), S. 126 – 136, bestimmt als ›Grundform‹ des Schwanks eine »zweiphasige« Handlung, in der sich zwei Parteien agonal aneinander messen. Im ersten Teil werde jemand betrogen, whrend im zweiten Teil der Betrogene oder ein Dritter den Betrger tuscht (S. 134). Obwohl die zweiphasige Handlungsstruktur und die Agonalitt zweier Parteien sich in vielen Mren beobachten lassen, scheint mir die Dreieckskonstellation als struktureller Ausgangspunkt der Interpretation attraktiver. Denn das Dreieck impliziert neben der erwhnten Interdependenz eine asymmetrische und instabile Parteienbildung, die sich jederzeit verndern kann. 81 So z. B., wenn im Studentenabenteuer der Bettenwechsel des einen Liebhabers zur Folge hat, dass der zurckkehrende zweite Liebhaber neben dem Ehemann zu liegen kommt und diesem von seinem Stelldichein mit der Tochter berichtet. 82 Drux (2000), S. 638; zu Goethes Motivbegriff vgl. insbes. Mçlk (1991). Wrzbach (1999), Sp. 948 f., unterscheidet zwischen der »paradigmatischen Dimension« des Motivs, die in dessen »Rekurrenz in einer grçßeren Anzahl von Texten« besteht, und der »syntagmatischen Dimension«, bei der es um die »Integration eines Motivs in einen Textverlauf« geht; vgl. zudem Lubkoll (2001a) und (2001b). 83 Vgl. Lubkoll (2001a), S. 455. Die traditionelle Motivforschung hat methodisch problematische, aber gleichwohl hilfreiche Motivkataloge erstellt. Zu erwhnen ist der jngst erschienene MotivIndex of German Secular Narratives from the Beginning to 1400, Birkhan/Lichtblau u. a. (2005/2006), wo auch die hier behandelten Texte Aufnahme gefunden haben (Bd. 4). Der Katalog bernimmt das umstrittene Klassifizierungssystem von Stith Thompson (1989); das hier zu

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›Motiv‹ jedoch nur noch selten verwendet und meist nur, um eine bestimmte Untersuchung abschtzig als ›Motivgeschichte‹ zu bezeichnen. Denn sptestens seit den fnfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wird an der Motivforschung die isolierte Behandlung von Einzelelementen kritisiert, weil dadurch die spezifische kulturhistorische ›Besetzung‹ eines Motivs nicht ausreichend einbezogen werde.84 berdies entsteht der Eindruck, dass die Motivforschung zirkulr verfahre: »Der Typus wird als Schnittmenge herausprpariert aus eben jenem Corpus, dem auch der Text angehçrt, den man im Blick auf den Typus zu verstehen hofft.«85 Eva Geulen kehrt 1992 in einer Monographie zu Stifter dieses traditionelle Motivverstndnis berzeugend um. Statt von einer isolierbaren Einheit auszugehen, fragt sie, wie ein Motiv berhaupt als Moment, das »eine gewisse Eigenstndigkeit beanspruchen« kann, erkennbar wird. Erst die intra- und intertextuelle Wiederholung, so ihre Antwort, verleiht dem Motiv Bedeutsamkeit. Dies hat jedoch zur Folge, dass »ein Motiv nicht ist, sondern qua Wiederholung wird«:86 Weder gerinnt es zur stabilen Einheit noch geht es vollstndig in der Erzhlung auf: »Das Motiv widersetzt sich der Vermittlung formaler und inhaltlicher, struktureller und thematischer Aspekte, die das Ideal der Hermeneutik bildet.« Da das Motiv nur durch den Bezug zu vergangenen und zuknftigen, also immer unterschiedlichen Realisierungen entsteht, sperrt es sich sowohl gegen eine vollstndige inhaltliche Einbindung in die Handlungswelt als auch gegen eine funktionale in die Erzhlstruktur. Vielmehr zeichnet es sich durch eine »resistente Partikularitt« aus, die durch die Wiederholung entsteht und die nicht mit einer morphologischen Entitt zu verwechseln ist.87 Insbesondere die ›Dingmotive‹ Stifters verschließen sich Geulen zufolge einer semiotisch-symbolischen Lesart. Denn durch die (intratextuelle) Wiederholung wird zwar die »Bedeutsamkeit« eines Motivs hervorgehoben, doch verflchtigt sich dessen referentielle Bedeutung: Der »Gegenstandscharakter« der Worte tritt in den Vordergrund.88

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analysierende Motiv ist unter T 450 (»Prostitution and concubinage«), insbes. T. 455 (»Woman sells favors for particular purpose«) zu finden. Vgl. zur Kritik am Motivbegriff Lubkoll (2001b), S. 608; Geulen (1992), S. 37 – 39; eine pointierte Kritik an der morphologischen Analyse findet sich zudem bei Ricœur (2004), S. 341. Kiening (2007), S. 78, der die Problematik der Stoffgeschichte beschreibt, doch hat diese dasselbe methodische Problem wie die Motivgeschichte. Geulen (1992), S. 36 – 42, hier S. 38, 40; Herv. E. G. Ebd., S. 38. Geulen verweist nicht auf Derrida, doch scheint es offensichtlich, dass sie auf dessen Konzeption der Wiederholung zurckgreift; vgl. z. B. Derrida (1988). Von dessen Sprachverstndnis ausgehend stellt sich jedoch die Frage, was das Motiv von anderen Zeichentypen unterscheidet, da sich Derrida zufolge alle Zeichen durch Wiederholungen konstituieren. Eine mçgliche Antwort wre, dass das Motiv, das ber die Wort- und Satzebene hinausgeht, eine dominant narrative ›Zeicheneinheit‹ ist, an der sich die Nicht-Integration der Erzhlebenen besser beobachten lsst als an Wort- oder Satzzeichen. Vgl. zur Partikularitt auch Anm. 108. Geulen (1992), S. 40.

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Am Motiv der kuflichen Liebe, dem nicht die Konkretheit der Dingmotive eigen ist, lsst sich zwar nicht wie bei Stifter beobachten, dass »die Dialektik von Darstellung und Gegenstand […] exemplarisch scheitert«, aber vielleicht, wie diese komisch ›zum Scheitern‹ gebracht wird.89 Denn bei den Tauschgeschften in den Mren werden auch die ›Worte‹ umgewertet, die plçtzlich nicht mehr zu den ›Dingen‹ passen, oder die getauschten Signifikanten (wie minne oder Genitalien) werden selbst gegenstndlich. berdies kann beim Tauschen die Diskrepanz zwischen dem konstatierten und dem performativ erzeugten Wert sichtbar werden.90 Das Motiv lçst sich in solchen Szenen vom Geschehen der Handlungswelt; die reibungslose Integration der verschiedenen Erzhlebenen wird gestçrt und deren Verschrnkung sichtbar. Nicht so sehr der ›Gegenstandscharakter der Worte‹, aber die Prozessualitt des Erzhlens tritt hervor. In der vorliegenden Arbeit sollen, wie bereits mehrfach erwhnt wurde, die textuellen Bewegungen untersucht werden, die von handlungsweltlichen Tauschgeschften ausgehen. Dabei gilt es selbstverstndlich, Verschiebungen auf der Figurenebene analytisch von solchen semantischer, metonymischer oder metaphorischer Art zu unterscheiden bzw. histoire und discours-Ebene voneinander zu trennen. Gleichwohl gilt das Interesse vor allem den Momenten, in denen solche Unterscheidungen zusammenfallen, sich also z. B. Metaphern handlungsweltlich konkretisieren oder intradiegetische Verschiebungen als metonymisch (oder symbolisch) intrikate Besetzungen lesbar werden. Um nicht wie die traditionelle Narratologie zwei relativ unabhngige und hierarchisierte Ebenen oder wie Howard Bloch ungenaue Analogien zu postulieren, mçchte ich auf Geulens Motivbegriff zurckgreifen, um die Verdichtung solcher Bewegungen zu beschreiben. Nimmt man nmlich mit ihr an, dass Motive das Ineinander-Aufgehen unterschiedlicher Erzhlebenen ins Stocken bringen, so folgt daraus, dass sich an ihnen die bertragungsprozesse zwischen den Erzhlebenen besonders gut beobachten lassen. Wie auch die traditionellen Motivdefinitionen betonen, dient das Motiv sowohl der textimmanenten als auch der intertextuellen Organisation und Formation. Geulens Motivbegriff macht deutlich, dass diese beiden Organisationsformen nicht je einzeln betrachtet werden kçnnen, sondern notwendig zusammenhngen, da die intratextuelle Wirkung des Motivs von dessen intertextuellen Bezgen abhngt und vice versa. Dieses Motivverstndnis passt gut zur Beobachtung, dass das Mrenerzhlen ein Wiedererzhlen ist, d. h. ein Variieren, Rekombinieren und berbieten berlieferter Erzhlmuster.91 89 Ebd., S. 38. 90 Es kann beispielsweise beim Tauschen eine quivalenz konstatiert und zugleich durch das Tauschen oder Erzhlen ein berschuss generiert werden; vgl. z. B. die Analyse des Sperbers in Kap. 3.1 des vorliegenden Buches. 91 Vgl. etwa die einleitenden Worte von Fischer zu seiner Edition der Mren des 15. Jahrhunderts: »Mrentexte werden nicht als totes Fossil von Hand zu Hand gereicht, sondern sie leben im berlieferungsvorgang weiter, das will sagen: sie werden fortwhrend wiedererzhlt, umerzhlt,

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Whrend dieses ›Wieder- und Umerzhlen‹ in der frhen Mrenforschung mit Mndlichkeit erklrt wurde,92 wird es heute mit »mittelalterlichen Kulturtechniken der Wiederholung« sowie der mouvance und variance mittelalterlicher Texte in Verbindung gebracht.93 Doch der Vergleich mit anderen Textgattungen zeigt, dass sich die intertextuelle Variation von Erzhlmustern und Motiven nicht ohne Weiteres mit dem epischen ›Wiedererzhlen‹ oder den berlieferungsvarianzen anderer kleinepischer Formen vergleichen lsst.94 Denn die ausgefeilte Kombinatorik lsst sich auf unterschiedlichen Ebenen (Erzhlmuster,95 Motive, Semantik) beobachten: Sie prgt die Pro- und Epimythien, die Detailbeschreibungen und die Komik der Texte.96 Die Frage nach dem Motiv des Tauschens von Heterogenem zielt deshalb nicht auf eine Motivgeschichte, die die unterschiedliche Besetzung des Motivs zu unterschiedlichen Zeiten oder in verschiedenen Textgattungen aufzeigt, sondern betrifft die Dynamik, die das Motiv intra- und intertextuell erzeugt. Indem das Motiv zwischen Einzeltext und Textgruppe sowie zwischen Handlungs- und Erzhlebene vermittelt, werden daran, so eine leitende Hypothese, textkonstitutive Verfahren sichtbar : Verschiebungen zwischen Erzhlebenen, intra- und intertextuelle Rekontextualisierungen von Erzhlele-

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neuerzhlt« (Fischer, Mrendichtung, S. XII). Vgl. auch Grubmller (2006), S. 28; Von Bloh (2001), S. 81; Friedrich (2005), S. 230 f. Mihm (1967), S. 86 – 90; Mundschau (1972), insbes. S. 87 – 102; Fischer (1983), S. 275, sowie fr den Pfaffen Amis Fischer (1957/58), S. 295; vgl. aber auch die relativ differenzierte Position von Schrçder (1972b), insbes. S. 202. Friedrich (2006), S. 55 – 61; Grubmller (2003). Vgl. fr die Epik Worstbrock (1999), der zeigt, dass die epischen Erzhler ihr Tun als Formgebung einer festen materia verstanden haben. Er betont jedoch explizit, dass dies nur fr die »erzhlerischen Großformen« und gerade nicht fr die Mren gelte (S. 135, 128). Die Rekombination der Erzhlmuster und Motive in den Mren decken sich auch nicht mit denjenigen in den Minnereden, die z. B. strker ritualisiert sind und auf die »Herstellung von Gegenwrtigkeit« zielen; vgl. dazu u. a. Lieb (2001), hier S. 512; Lieb (2005). Es sind auch die Vernderungen, die das mrenspezifische ›Wiedererzhlen‹ durch den Buchdruck erfhrt, zu bercksichtigen; vgl. dazu Rautenberg (1999); Schulz-Grobert (2006). Vgl. generell zu Erzhlen und Wiederholung Lobsien (1995). Den Begriff ›Erzhlmuster‹ verwende ich hier im Anschluss an die Bestimmung des »narrativen Musters« durch Kiening (2007), S. 80 f. Er versteht darunter »formale Anordnungen, die verschiedene Sinnpotentiale transportieren«. Das Erzhlmuster bzw. narrative Muster organisiert die verschiedenen »kleinen, klar fassbaren Erzhleinheiten (Motive)«. Kiening betont jedoch, dass historisch unterschiedliche »kulturelle Konfigurationen« dazu fhren, dass die Sinnpotentiale eines narrativen Musters ganz unterschiedlich aktualisiert werden (ebd., S. 81). Vgl. zum Verhltnis von Motiv und Erzhlmuster auch Schulz (2003), S. 521. Die spezifische Konstituiertheit der Mren durch Wiederholung wre erst noch zu untersuchen. Hier kçnnen nur einige Hinweise gegeben werden: Friedrich (2005), S. 230 f., unterscheidet zwischen der Variation, die Situationskontexte neu gestaltet, und derjenigen, die das Geschehen bzw. die Moral ›anders‹ motiviert; Lieb (2005), S. 147, arbeitet fr die Minnereden vier Verfahren der »Textproduktion als Textreproduktion« heraus: Umschreiben, Kompilation, Erneuern, Weiterschreiben. Zudem wre die Variation in den Pro- und Epimythien von der Variation der Erzhlmuster zu unterscheiden; zu Ersterem Grubmller (2003).

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menten oder die Vernderung von Referenzen. Wenn diese ›Bewegungen‹ als ›poetologisch‹ bezeichnet werden, dann meint dies nicht ein implizites Set von Regeln, die die Textgruppe konstituieren.97 Viel eher handelt es sich um Sinnstiftungsverfahren, die nicht vorausgesetzt, sondern nur in ihrer Genese bzw. im Prozess der Lektre beobachtet werden kçnnen.

1.8 Weltreferenz Die das Motiv konstituierende Wiederholung verndert – so kann man im Anschluss an Geulen behaupten – auch dessen Referenzrichtung: Es verliert an »Weltreferenz« und seine Textualitt und Intertextualitt tritt in den Vordergrund.98 Dem entsprechen die Beobachtungen Udo Friedrichs, der argumentiert, dass durch das intra- oder intertextuelle Nebeneinander mehrerer hnlicher Flle in den Mren »Themen, Motive und Formen« verhandelt werden: »[…] dort entsteht Raum fr Kasuistik, wo einander widersprechende Handlungsmuster inszeniert werden, schließlich, wo innerhalb des Textes selbst kontroverse Sachverhalte zur Diskussion gestellt werden.«99 Das hat zur Folge, dass auch das Motiv der kuflichen Liebe nicht (direkt) weltreferenziell, d. h. als Ausdruck soziohistorischer Begebenheiten, gelesen werden kann, auch wenn z. B. im Hinblick auf den sich intensivierenden Geldhandel,100 die Prostitution101 oder den Ehediskurs Bezge erkennbar sind.102 konomische Motive in den Mren haben Udo Friedrich zufolge »nur bedingt etwas mit der Realitt sptmittelalterlichen Stadtlebens zu tun«. Sie 97 Im gegenwrtigen Gebrauch impliziert der Begriff ›Poetik‹ oder ›poetologisch‹ vielfach das methodisch problematische Versprechen, einen ›Kern‹ von immanenten Regeln eines Textes oder einer Textgruppe herauszuarbeiten; vgl. z. B. Fricke (2003b), S. 100. Wenn in dieser Arbeit nach den poetischen Dimensionen gefragt wird, so mçchte ich jedoch nicht dem Text vorgngige Regeln, sondern deren Konstituierung analysieren. Das Adjektiv ›poetologisch‹ soll zugleich die Distanz zum Begriff der »Kulturpoetik« markieren, wie er von Greenblatt (1990), S. 11, entworfen wurde. Denn dessen Anspruch, die Zirkulation von Diskursen zu beschreiben, kann diese Arbeit nicht einlçsen. Sie beschrnkt sich grçßtenteils auf das Feld der literarischen Texte. Doch kçnnen die hier vorgelegten Analysen vielleicht Vorarbeiten fr eine breitere diskursgeschichtliche Untersuchung bieten. 98 Der Begriff der »Weltreferenz« im Anschluss an Kiening (2008), S. 325. Er beschreibt als charakteristisches Merkmal der Mren, dass »Weltreferenz und Selbstreferenz« ineinander umschlagen, d. h. die Weltreferenz wird auf die Textualitt hin und die Textualitt auf die Weltreferenz hin berschritten. Vgl. zum »Wirklichkeitsbezug« der Mren auch Grubmller (1996a), insbes. S. 341. 99 Friedrich (2005), S. 231. 100 So z. B. Frey (1976); Krohn (1991); Rçcke (1988); Masse (1996); Classen (2001), S. 582 – 590; vgl. dazu die ausfhrlichere Diskussion in Kap. 3 und 4 des vorliegenden Buches. 101 Vgl. z. B. die sozial- und mentalittsgeschichtlichen Studien zur Prostitution: Rossiaud (1988); Karras (1996); Lçmker-Schlçgell (2001). 102 Vgl. u. a. Londner (1973); Schnell (2004); Schnell (2002); zum Rechtsdiskurs vgl. Grubmller (1996b); zu gendertheoretischen Anstzen vgl. unten Anm. 112.

Weltreferenz

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sind »allenfalls kultureller Hintergrund, der konnotativ genutzt wird.«103 Es gilt deshalb, so kann man aus dieser Argumentation folgern, erst den narrativen und poetologischen Status des Motivs der kuflichen Liebe innerhalb der Textgruppe zu verstehen, bevor dieses als Teil eines kulturellen Imaginren bzw. als Bestandteil diskursgeschichtlicher Zusammenhnge gedeutet werden kann. Doch eine ›indirektere‹ Weltreferenz bedeutet nicht zugleich eine Autonomisierung der Literatur im Sinne einer interesselosen sthetischen Rede. Udo Friedrich hat berzeugend darauf hingewiesen, dass die Entgegensetzung von »Funktionalitt [und] Literarizitt« den mittelalterlichen Kurzerzhlungen nicht gerecht wird, weil »Exempelfunktion und literarische[r] Anspruch« nicht als zwei sich ausschließende Tendenzen verstanden werden drfen. Stattdessen sei die spezifische Literarizitt der Mren immer Teil von »sozial[en] Normierung[en]«.104 Friedrich fordert deshalb, die »Kontextbezge« der Texte strker herauszuarbeiten.105 Doch berzeugt seine Kontextualisierung der Verflechtung von ›konomie‹ und Sexualitt nicht vollstndig, weil er sie als Wertekonflikt fasst.106 Dagegen soll in den folgenden Kapiteln gezeigt werden, dass der Eindruck der universalisierten Kuflichkeit (d. h. mit Geld kann ›alles‹, auch Liebe, Macht etc., gekauft werden) nur entsteht, weil Geld nicht ein ›Wert‹ neben anderen ist, sondern weil es als Tauschmedium die Wahrnehmung und Funktion der anderen Werte verndert. Es wird deshalb nicht nur gefragt, in welchem Verhltnis konomisches und Sexuelles zueinander stehen, sondern auch, welche Tauschformen und -medien welche Wahrnehmungsweisen erzeugen. Michael Waltenberger geht ebenfalls von einer Spannung zwischen didaktischer ›Funktionalitt‹ und (inter-)textueller Variabilitt der Mren aus: Einerseits »suggerieren viele dieser Texte […] einen hohen Geltungsanspruch als Reprsentation basaler kultureller Werte«, andererseits wird dieser durch die »Kombinatorik und Variabilitt der Textmuster« untergraben.107 Waltenberger versucht deshalb zu zeigen, dass sogenannt pragmatische Prozesse wie 103 Friedrich (2006), S. 66. 104 Friedrich (2005), S. 229; Friedrich (2006), S. 51; ebenso Schausten (2006), S. 173. Sie geht zudem davon aus, dass die intertextuelle Referentialisierung der Mren »im Fahrwasser emanzipatorischer sptmittelalterlicher Erzhltendenzen« zu sehen sei, wo vermehrt auf »bereits etablierte Gattungen« verwiesen wird. 105 Friedrich (2006), S. 51, versteht unter Kontext sowohl intertextuelle Verfahren (»Rhetorik, Poetik«) und Formen (»Gattungsmuster«) als auch diskursgeschichtliche Zusammenhnge (»historische Semantik, Mentalitten, […] soziale Ordnungen«). Die »historische Leistung [der mittelalterlichen Kurzerzhlung] besteht vor allem in der Anlagerung von Kontexten an exemplarische Erzhlformen« (ebd., S. 56). 106 Ebd., S. 73. 107 Waltenberger (2007), S. 148; er weist zudem auf die methodische Problematik hin, dass aufgrund der ›Situationsabstraktheit‹ des Mrenerzhlens und der kaum zu rekonstruierenden »sozialen und kommunikativen Praxisbezge« der Texte, gegenteilige kulturwissenschaftliche Interpretationen gleich plausibel sein kçnnen (147 f.).

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1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen

»Erfahrung« oder »Involviertheit« in den Mren nicht unabhngig von den »textuell-semantischen Strukturen« statthaben. Die »Normvermittlung« geschehe durch das Mit- und Gegeneinander von »narrativer Erfahrung und abstrakt-argumentativer Logik«, d. h. von Erzhlung und Pro- und Epimythion.108 Dies habe zur Folge, dass die Mren nicht abstrakte Normen, sondern die »situative[n] Bedingungen fr die Geltung von Normen erfahrbar« machen.109 Dabei ist aber, so kann man im Anschluss an Jan-Dirk Mller anfgen, zwischen dem Blick des »zeitgençssischen […] Rezipienten« und dem des »nachgeborenen Kulturhistorikers« zu unterscheiden: Ein Mre, das bestimmte »Alltagsnormen« als selbstverstndlich darstellt, befçrdert primr deren »Instituierung«. Erst der Nachgeborene kann auch die Voraussetzungen dieser Normen erkennen. Mller betont somit, dass im fiktionalen Sinnstiftungsverfahren der Mren ein »berschuß« sichtbar wird, der die »Reflexion […] der auf der Oberflche hergestellten narrativen Ordnung« ermçglicht. Zugleich ist dies aber Mller zufolge eine Form der Weltreferenz, die dem ›zeitgençssischen‹ Rezipienten mehrheitlich verschlossen bleibt.110 In diesem Sinne soll in dieser Arbeit zum einen gefragt werden, wie die Texte die çkonomischen, sexuellen oder gesellschaftlichen Ordnungen reproduzieren, und zum anderen, welches die Bedingungen und Voraussetzungen dieser Ordnungen sind. Eine leitende Annahme dabei ist, dass gerade beim Tausch von Heterogenem die Grenzen und Bedingungen solcher Ordnungen verhandelt werden und sie sich deshalb an diesem Motiv besonders gut beobachten lassen.

108 Waltenberger (2005), S. 292 f. Es ist auffllig, dass der Begriff der ›Partikularitt‹, mit dem Geulen (vgl. oben Kap. 1.7) das Motiv genauer charakterisiert, auch in der Mrenforschung immer wichtiger wird; vgl. Strohschneider (2007), S. 166 f., 170 – 173, und Waltenberger (2006), S. 268 – 271. ›Partikularitt‹ meint hier, dass dem Mren- und Schwankerzhlen weder die Universalitt des exemplarischen Erzhlens noch die Singularitt einer Einzelerzhlung (etwa eines hçfischen Romans) eigen ist. Strohschneider und Waltenberger beziehen sich hier vor allem auf die Schwanksammlungen, wo der ›Weltausschnitt‹ der einzelnen Erzhlung in einem z. T. ›widersprchlichen‹ Bezug zu den anderen ›Weltausschnitten‹ derselben Sammlung steht. Wie jedoch Waltenberger (2007), S. 148, selbst oder auch Friedrich (2005), S. 231, betonen, gilt dies in einem allenfalls verminderten Maße auch fr die Mren, da deren intertextuelle Bezge dicht sind und in der Mrenberlieferung auch solche ›kasuistischen‹ Bezge zu beobachten sind; vgl. dazu Westphal (1993), S. 60 – 104. 109 Waltenberger (2005), S. 303. 110 Mller (2000), S. 480 f. Diese Unterscheidung macht auch erneut deutlich, weshalb die Frage, ob ein Text eine Ordnung in Frage stellt oder legitimiert, zu kurz greift; vgl. Kap. 1.3.

Ausblick

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1.9 Ausblick Das Motiv des Tausches von ›minne gegen eine materielle Leistung‹ wurde in der Mrenforschung bisher selten in dieser zugespitzten Form behandelt.111 Meist wird das Motiv weniger vom Tauschen als vom Ehe-, Gender- und Sexualittsdiskurs her untersucht.112 Werden wirtschaftliche Aspekte in den Mren oder generell in mittelalterlichen Texten erforscht, so geschah dies whrend lngerer Zeit entweder in der traditionellen Form der Motivgeschichte113 oder mittels sozial- und mentalittsgeschichtlicher Zugangsweisen.114 Das Motiv des Tauschens wird dabei dominant weltreferentiell als Reprsentation von gesellschaftlichen Verhltnissen gelesen, ohne dass die Heterogenitt des Getauschten und die damit einhergehende semantisch-textuelle Dynamik gengend bercksichtigt werden. In der jngeren kulturwissenschaftlichen Literaturwissenschaft findet zwar nicht das Tauschen, aber die Gabe große Aufmerksamkeit. Unter diesem Stichwort werden Phnomene wie die Freigebigkeit von Herrschenden, der diplomatische Geschenkaustausch oder die Verausgabungen in der Liebe untersucht.115 Dabei wird an zwei ge111 Eine Ausnahme stellen folgende, jngst erschienene Aufstze dar : Friedrich (2006); Schallenberg (2006). Bereits etwas lter ist der kurze berblick von Hoven (1978), S. 321 – 323, sowie das Kapitel von Ziegeler (1985), S. 298 – 312, zu ›Werbung mit Sachleistung‹, der jedoch weniger das Motiv als vielmehr die Unterschiede zwischen Mre und Roman untersucht. 112 Neben den bereits diskutierten psychoanalytischen und diskursgeschichtlichen Anstzen sind in jngster Zeit viele Mren mit Bezug auf Gendertheorien untersucht worden: Chinca (1994); Ortmann/Ragotzky (1999); Schlechtweg-Jahn (1999); Schallenberg (2006); Mller (2008). Einige heben vor allem die Verkehrung der Geschlechter-Ordnung hervor : Von Bloh (2001); von Bloh (1999); Brinker-von der Heyde (1999); Wenzel (1981). Andere fokussieren die narrative Dynamik der Geschlechterproblematik: Mller (1984/85); Schnyder (2000b); Schnyder (2000a); Schnyder (2006a). Diese zweifellos anregenden Untersuchungen blenden den hier interessierenden Aspekt des Tauschens jedoch weitgehend aus. Es kann aber gut an diese Arbeiten angeschlossen werden, wenn man davon ausgeht, dass beim Tauschen nicht nur çkonomische, sondern auch gesellschaftliche und genderspezifische ›Werte‹ ausgehandelt werden. 113 Mersmann (1971); Gephart (1994). 114 Die sozialhistorische Forschung interessierte sich vor allem fr das Motiv des Kaufmanns, den Wucher, den Stndekonflikt zwischen Adel und Brgertum und fr den Status des ›fahrenden‹ Sngers, der fr seinen Gesang eine materielle Gabe erbittet. Vgl. z. B. jngst Classen (2001), der das Geld in der Literatur vom 12. bis ins 15. Jahrhundert untersucht und dabei alle diese Themen nochmals aufgreift und eine große sozialhistorische Entwicklung hin zu einer gesteigerten Thematisierung von Geld aufgrund einer intensivierten Geldwirtschaft zu erkennen glaubt (vgl. dagegen unten Kap. 3.4). Einzelne sozialgeschichtliche Anstze und die entsprechenden Forschungen werden ausfhrlicher in Kap. 3 des vorliegenden Buches behandelt. Vgl. auch die frhe differenzierte Auseinandersetzung mit einer mçglichen sozialhistorischen Interpretation der Texte Strickers bei Ragotzky (1977); Ragotzky (1980b). 115 Vgl. die ausfhrliche Diskussion dieser Forschungen in Kap. 3.3, sowie Kap. 2, Anm. 56. Hier seien nur die anregenden Arbeiten von Harald Haferland (1988) und Marion Oswald (2004) sowie die knftig erscheinende von Margreth Egidi (2008b) erwhnt. Letztere konnte leider erst nachtrglich und nur noch punktuell eingearbeitet werden. Egidi argumentiert in Bezug auf das

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1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen

wichtige kulturtheoretische Thesen angeschlossen: Die eine grenzt die vormoderne, nicht vertraglich gesicherte ›Reziprozittswirtschaft‹ von der modernen, anonymen Tauschçkonomie ab. In der Folge kann die Alteritt mittelalterlichen Wirtschaftens auf die Alteritt mittelalterlichen Erzhlens bezogen werden. Diese Unterscheidung zwischen vormoderner und moderner konomie wird in der jngsten Forschung zudem mit der durch die Postmoderne geprgten Opposition von çkonomischem Tausch und ançkonomischer Gabe verbunden. Whrend der Tausch auf quivalenz und Reziprozitt ausgerichtet sei, sprenge die Gabe – so die im Anschluss an Derrida vertretene These – den ›Kreislauf‹ des Tausches: Sie sei einmalig, maßlos und ohne Erwartung einer Gegengabe. Ich mçchte in dieser Arbeit an diese Diskussionen zu Gabe und Tausch in der mittelalterlichen Literatur anschließen. In einem ersten Schritt werde ich die kulturphilosophischen Thesen zu Gabe und Tausch im zwanzigsten Jahrhundert anhand von fnf Theoretikern (Mauss, Bourdieu, Derrida, Simmel und Luhmann) erçrtern (Kap. 2). Diese kulturphilosophische Diskussion wird jedoch nicht losgelçst von den mittelalterlichen Texten gefhrt, vielmehr wird immer auch gefragt, welche Lektreanstze die einzelnen Thesen implizieren. Dabei werde ich gegen eine Gegenberstellung von Gabe und Tausch, Ançkonomie und konomie auf der Ebene der Phnomene argumentieren. Denn damit wird der Tausch allzu einseitig statisch und strukturell gefasst und seine Prozessualitt und Performativitt zu wenig bercksichtigt. In einem zweiten Schritt werde ich diese theoretischen Anstze zu Gabe und Tausch auf historische Diskurse und die entsprechenden Forschungen beziehen (Kap. 3). Es werden zum einen einzelne Forschungsanstze besprochen, zum anderen soll die Frage nach dem Tausch von Heterogenem diskursgeschichtlich konturiert werden. Dabei kann selbstredend keine Diskursgeschichte geboten werden, aber es werden drei diskursive Eckpunkte diskutiert: zunchst die scholastische Diskussion des pretium iustum, zum Zweiten die Kaufmannsgestalt in der mittelalterlichen Literatur und zum Dritten die Rolle von Freigebigkeit und milte in verschiedenen literarischen Gattungen. Wie zu zeigen sein wird, ist auch hier die Unterscheidung von Gabe und Tausch nur bedingt hilfreich. Denn es wird zwar sehr wohl zwischen unterschiedlichen Tausch- und Gabeformen unterschieden, doch wird keineswegs ein zweckrationales Tauschen bzw. eine do ut des-Logik verurteilt und eine einseitige Verausgabung favorisiert. Vielmehr zeigt sich ein breites Spektrum von unterschiedlichen Formen des Gebens und Tauschens, die zwischen Agonalitt und Kooperation sowie Kommensurabilitt und Inkommensurabilitt vermitteln. Wie bereits anhand des hier verwendeten Motivverstndnisses betont wurde, untersucht diese Arbeit nicht das unterschiedliche Vorkommen des Verhltnis von Tausch und Gabe ganz hnlich wie die hier vorliegende Untersuchung. Ich danke Margreth Egidi, dass sie mir das Manuskript freundlicherweise zur Verfgung gestellt hat.

Ausblick

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Motivs des Minnetausches, sondern dessen inter- und intratextuelle Dynamik. Diese kann nur in einem close reading analysiert werden, in dem die Auswirkungen, die einzelne handlungsweltliche Tauschgeschfte auf andere Erzhlebenen haben, nachvollzogen werden.116 Der erste Lektreteil der Studie steht unter dem Stichwort ›Geldkritik‹ und untersucht Texte, die Geld und Tausch im Kontext der Liebe und insbesondere die ›Kuflichkeit der Frau‹ verurteilen. Damit wird zunchst nochmals an das diskursgeschichtliche dritte Kapitel angeknpft, indem nun eine Diskursform im Vordergrund steht, in der Tausch und Geld vehement kritisiert werden. Anhand eines Vergleichs einer Minnerede (Minne und Pfennig) und eines Mres (Der Hellerwertwitz von Hermann Fressant) sollen die spezifische Logik der Verurteilung der ›Kuflichkeit der Frau‹, aber auch deren verschiedenen literarischen Formen herausgearbeitet werden (Kap. 4). Diese Analysen werden im nchsten Kapitel auf das Mre Von den zwei Kaufleuten von Ruprecht von Wrzburg bezogen. Bei Ruprecht sind die bereits beobachteten Topoi der Geldkritik mit den typischen Erzhlmustern des Ehebruchsschwankes vermengt (Kap. 5). Im zweiten Lektreteil werden Tauschgeschfte interpretiert, die im Dreieck von Ehemann, Ehebrecher und Ehefrau stattfinden. Das Mre Der Bildschnitzer von Wrzburg stellt aufgrund der knappen Erzhlweise eine Art Minimalnarrativ dar, an dem sich die erzhlerischen Mçglichkeiten der Dreieckskonstellation gut aufzeigen lassen. Der Tausch fungiert als narrative Gelenkstelle, an der unterschiedliche Erzhlvarianten gegeneinander ausgespielt werden (Kap. 6). Auf diesem Hintergrund werden anschließend zwei Kaufringer-Mren untersucht, bei denen der Tausch ›minne gegen materielle Leistung‹ wie bereits bei Ruprecht von Wrzburg in komplexere Erzhlgefge mit Rahmen- und Binnenerzhlungen eingebettet ist. Bei der Analyse des Zurckgegebenen Minnelohns wird nach der narrativen Funktion von mehrfach getauschten Objekten (Kap. 7), bei der von Brgermeister und Kçnigssohn nach der Verknpfung von Tauschen und Erzhlen gefragt. Die Untersuchung der beiden Texte mndet zudem in eine generelle Analyse der ›Erzhlçkonomie‹ Kaufringers (Kap. 8). Im Anschluss an die Einzelanalysen wird versucht, die intertextuelle Dynamik des Motivs des Tauschens von ›minne gegen eine materielle Leistung‹ in zwei berblicks- und Rckblickskapiteln aufzuzeigen. Der Fokus liegt einerseits auf den ›konomien des Begehrens‹. Es wird gefragt, wie und mit 116 Die Wahl der analysierten Einzeltexte grndet neben pragmatischen Kriterien auf der ›Intensitt‹ des Motivs, d. h. darauf, ob sich anhand eines Textes die intra- und intertextuelle Produktivitt desselben aufzeigen lsst. Die Auswahl ist deshalb nicht exemplarisch, wenn man unter exemplarisch eine reprsentative Mischung aus einfachen und komplexen Texten oder einen Querschnitt aus den in den Quellen nachweisbaren inhaltlichen Verwendungsmçglichkeiten des Motivs versteht. Sie ist jedoch sehr wohl reprsentativ, wenn man davon ausgeht, dass die hier gewhlten Texte ihre Komplexitt gerade durch die Auseinandersetzung mit ›anderen‹ Ausprgungen des Motivs gewonnen haben.

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1. Methodische und forschungsgeschichtliche berlegungen

welchen literarischen Effekten die Texte sexuelles und çkonomisches Begehren aufeinander beziehen, ineinander transformieren und gegeneinander ausspielen (Kap. 9). Andererseits wird nach den ›konomien des Erzhlens‹ gefragt. Zusammenfassend soll gezeigt werden, welche Aspekte des Motivs des Tauschens von Heterogenem in den Texten hervorgehoben oder narrativ genutzt werden und was dies wiederum ber die implizite Poetologie bzw. die Sinnstiftungsverfahren des Mrenerzhlens aussagt (Kap. 10).

Konfigurationen des Tauschens

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2. Konfigurationen des Tauschens Die vorliegende Arbeit fragt nach den poetologischen Dimensionen des Tauschens in den Mren. Im Zentrum steht ein spezifischer und in den schwankhaften Mren hufiger Tausch, nmlich derjenige von minne gegen eine materielle Leistung. Dieser ›Tausch‹ weicht in Vielem vom klassischen Modell des Tausches ab, bei dem zwei Tauschpartner aufgrund komplementrer und zweckrationaler Interessen zwei Gegenstnde tauschen.1 Es handelt sich um einen Tausch, der nicht institutionalisiert ist, ungleichzeitig geschieht und bei dem zwei ›Leistungen‹ getauscht werden, die sich sehr stark voneinander unterscheiden. Meist besteht die Grundkonstellation auch nicht aus zwei, sondern aus drei Figuren, da der (betrogene) Ehemann implizit oder explizit in den Tausch involviert ist. Im Folgenden soll zum einen die systematische Fragestellung, die mit der Fokussierung auf das Tauschen von Heterogenem verfolgt wird, umrissen, zum anderen ein begrifflich-konzeptionelles Instrumentarium fr die Analyse erarbeitet werden. Ich werde dazu fnf Tauschkonzeptionen vorstellen, die fr die Analyse der Mren hilfreich sind. Diese Darstellung hat einen heuristischen und instrumentellen Charakter. D. h. es wird nicht mçglich sein, die einzelnen Positionen angemessen zu historisieren, die entsprechende Forschungsdiskussion aufzuarbeiten oder gar eine Begriffsgeschichte des Tauschens zu bieten.2 Stattdessen versuche ich, anhand von isolierten und nicht chronologisch geordneten Theorie-Ausschnitten einen systematischen und begrifflichen Ausgangspunkt fr die Lektre zu entwickeln. In dem Sinne kann auch die Auswahl der hier vorgestellten Theoretiker letztendlich nur durch die Produktivitt ihrer berlegungen fr die Interpretation gerechtfertigt werden.3 Wird das Instrumentarium zur Analyse sptmittelalterlicher Texte aus Theorien des zwanzigsten Jahrhunderts gewonnen, birgt dies die Gefahr eines ahistorischen Vorgehens. Diese Gefahr besteht jedoch hauptschlich dann, wenn einzelne Konzepte mechanisch ›angewendet‹ werden. Dies ist hier aber

1 Vgl. etwa die Beschreibung von Adam Smith (1978), S. 17: »Gib mir, was ich wnsche, und du bekommst, was du bençtigst« oder Max Weber (1976), S. 22: »[…] der streng zweckrationale, frei paktierte Tausch auf dem Markt: ein aktuelles Kompromiß entgegengesetzt, aber komplementr Interessierter«; vgl. dazu Kap. 7, Anm. 3. 2 Fr einen berblick ber Tauschtheorien, vgl. Rçttgers (1998); Koch (1992); Stentzler (1975); Starbatty (1989); fr eine diskursgeschichtliche Historisierung einzelner Tauschkonzeptionen vgl. Vogl (2002); Foucault (1999), S. 211 – 269. 3 Einige berhmte theoretische Anstze werden hier nicht diskutiert, weil sie m. E. die ançkonomische Verausgabung zu sehr favorisieren, als dass es fr die Mren produktiv wre; vgl. Lyotard (1974); Baudrillard (1991); Bataille (1985). Diese werden jedoch in den meisten kulturwissenschaftlichen Sammelbnden zu Tausch und Gabe prominent behandelt; vgl. u. a. Mein/Schlçssler (2005); Adloff/Mau (2005).

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2. Konfigurationen des Tauschens

keineswegs beabsichtigt. Stattdessen sollen die vorgestellten Tauschkonzeptionen den Blick fr die Komplexitt des Tauschbegriffs sowie fr die methodischen Probleme, die sich bei einer unreflektierten Benutzung desselben ergeben kçnnten, schrfen. In diesem Sinne kann eine Auseinandersetzung mit zeitgençssischen Tauschkonzeptionen auch dazu beitragen, ein ahistorisches Vorgehen zu verhindern, weil sie erst sichtbar macht, welche Implikationen ein scheinbar unvoreingenommener Tauschbegriff in sich trgt. berdies befassen sich zwei der fnf Theoretiker mit sogenannt ›vormodernen‹ Tauschpraktiken, so dass an ihrem Vorgehen auch analysiert werden kann, wie mit der ›Alteritt‹ von Tauschpraktiken methodisch umzugehen ist. Im Anschluss an dieses theoretische Kapitel werde ich die hier erarbeiteten Begriffe und Konzepte durch die Diskussion von ausgewhlten mittelalterlichen Diskurspositionen schrfen und erweitern (Kap. 3). Als Erstes wird nun Marcel Mauss’ Essai sur le don vorgestellt, in dem Mauss Tauschpraktiken in sogenannt »archaischen Kulturen« untersucht. Er geht von der idealtypischen Unterscheidung von zweckrationalem Tausch und freiwilliger Gabe aus, favorisiert dabei aber die eine Seite der Unterscheidung, nmlich die freiwillige Gabe. Pierre Bourdieu, den ich daran anschließend diskutieren mçchte, kritisiert diese Favorisierung der Gabe, indem er aufzeigt, dass das scheinbar ançkonomische Geben immer auch Teil von çkonomischgesellschaftlichen Tauschprozessen ist. Gerade durch das Verschleiern von reziproken Strukturen wrden die Verpflichtung zur Rckgabe und damit einhergehende Abhngigkeiten etabliert. Bourdieu und Mauss machen durch die Analyse von Grenzformen des Tauschens (reziproke Gabe) auf dessen vieldimensionale Funktionen aufmerksam. Beide weisen berzeugend nach, dass bei Tausch- und Gabepraktiken ganz unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche (politische und soziale Macht, Religion, Geschlechterverhltnisse etc.) betroffen sind. Whrend Mauss die integrative Funktion von Tauschpraktiken hervorhebt, zeigt Bourdieu die damit einhergehenden Macht- und Abhngigkeitsverhltnisse auf. Jacques Derrida befasst sich in seinem Buch Donner le temps ebenfalls mit Gaben- und Tauschpraktiken, doch verschiebt er die Blickrichtung, indem er nach den Bedingungen und der Genese von reziproken Strukturen fragt. Er stellt die These auf, dass reziproke Strukturen nur dadurch mçglich werden, dass sogenannt ›berschssiges‹ ausgeblendet wird. Dabei handelt es sich zum einen um Effekte, die aufgrund der Performativitt und Prozessualitt des Tauschaktes entstehen, zum anderen um die quasi-transzendentalen Bedingungen des konkreten Tauschaktes (Zeit und Schrift im Derrida’schen Sinne). Aufgrund der berlegungen von Derrida und Bourdieu kann die Fragestellung der vorliegenden Arbeit genauer konturiert werden. Es soll nicht vom Gegensatz von konomischem und Ançkonomischem ausgegangen werden, sondern nach der ›Gabenhaftigkeit des Tauschens‹ gefragt werden, d. h. nach den Effekten, die Reziprozitt unterlaufen oder berschreiten, ohne dass sie dessen ançkonomischen Gegensatz darstellen. In Bezug auf die Mren

Gabentausch

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scheinen dazu insbesondere die Aspekte der Performativitt, Zeitlichkeit und Ambiguitt des Tauschens untersuchenswert. Anhand von Derrida kann also der Blick fr die Komplexitt des Tauschens geschrft werden, doch bedarf es weiterer begrifflicher Unterscheidungskriterien, um dieses auch genau zu analysieren. Dazu werde ich auf zwei Theoretiker zurckgreifen, die vom Tausch und dessen Verhltnis zum Geld ausgehen. Georg Simmel untersucht minutiçs, wie sich Werte ausbilden und welche Rolle dabei dem Tausch zukommt. Dazu analysiert er nicht nur das Verhltnis von sogenannt subjektiven und sogenannt objektiven Wertvorstellungen, sondern auch die Rolle des Begehrens, das seiner Ansicht nach mit dem Tauschen konstitutiv verbunden ist. An Simmels Analyse des Geldes ist vor allem interessant, dass er Werte nicht abstrakt denkt, sondern die Materialisierungs- und Abstrahierungsprozesse, die mit der Wertbildung einhergehen, bercksichtigt. Ansonsten sind seine berlegungen zum Geld jedoch tendenziell sehr kulturkritisch, so dass sie hier durch die Geldtheorie von Niklas Luhmann ergnzt werden. Obwohl Luhmann ein modernes Wirtschaftssystem beschreibt, sind seine berlegungen hilfreich, weil er Geld konsequent als (Kommunikations-)Medium fasst. Ich werde im Folgenden jeweils eine Tauschkonzeption vorstellen und zugleich diskutieren, inwiefern diese Position der Mrenanalyse dienlich sein kçnnte. Dabei soll immer auch gefragt werden, in welcher Hinsicht die Tauschbegriffe modifiziert werden mssen, wenn der Untersuchungsgegenstand nicht eine Gesellschaft, sondern ein narrativer Text ist.4

2.1 Gabentausch (Marcel Mauss) Ces concepts de droit et d’conomie que nous nous plaisons opposer : libert et obligation; libralit, gnrosit, luxe, et pargne, intrÞt, utilit, il serait bon de les remettre au creuset. […] C’est encore une notion complexe qui inspire tous les actes conomiques que nous avons dcrits; et cette notion n’est ni celle de la prestation purement libre et purement gratuite, ni celle de la production et de l’change purement intresss de l’utile. C’est une sorte d’hybride qui a fleuri l -bas [chez les Trobriand].5

Wie Beate Wagner-Hasel nachweist, entsteht Marcel Mauss’ Essai sur le don. Forme et raison de l’change dans les socits archa ques im Kontext der Auseinandersetzung zweier wirtschaftshistorischer Strçmungen am Ende des

4 In den einzelnen Abschnitten wird jeweils von den Begriffen der einzelnen Theoretiker ausgegangen, die sich jedoch nicht problemlos ineinander ›bersetzen‹ lassen. Am Ende werden deshalb die fr diese Arbeit zentralen Begriffe genauer definiert (vgl. Kap. 2.11). 5 Mauss (1950), S. 267; Anm. S. R.; dt.: Mauss (1997), S. 131.

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2. Konfigurationen des Tauschens

19. Jahrhunderts.6 Die neoklassischen Wirtschaftstheorien gehen davon aus, dass der zweckrationale Tausch (zwei Personen tauschen zwei Objekte) die systematische Grundform fr die Analyse des wirtschaftlichen Handelns ist. Zugleich verstehen sie diese Form des Tausches als universale Operation, aus der sich das moderne Wirtschaftssystem evolutionr entwickelt hat. Die neoromantische Wirtschaftstheorie (»Historische Schule«) richtet sich gegen diesen evolutionren Erklrungsansatz und gegen ein ausschließlich zweckrationales Verstndnis des Tausches.7 Dementsprechend interessieren sie sich fr Tauschpraktiken, die diesem Modell nicht entsprechen. Sie untersuchen etwa im rechtshistorischen Kontext die Schenkung8 oder – im Rahmen der sich institutionalisierenden Ethnologie – die Gteraustauschpraktiken sogenannt »archaischer Kulturen«.9 Marcel Mauss’ Essai ist im Kontext der neoromantischen, modernittskritischen Wirtschaftstheorie zu sehen.10 Seine berlegungen sind von der Gegenberstellung der vormodernen Tauschpraktiken, die er u. a. als »syst me des dons changs«11 bezeichnet, und des ›modernen‹ zweckrationalen 6 Der Essay erscheint im ersten Band der von Mauss mitbegrndeten Zeitschrift L’Anne sociologique (1923/24). Vgl. auch den kurzen Text Gift, gift, in dem Mauss (1924) den Essay ankndigt; dt.: Mauss (2006). 7 Die folgende historische Situierung der ethnologischen Tausch-Theorien um 1900 nach Wagner-Hasel (2000), S. 27 – 58, hier S. 28. Wichtigster Vertreter der »Historischen Schule« ist Gustav von Schmoller. Vgl. dazu auch Wagner-Hasel (2003). 8 Wagner-Hasel (2000), S. 32. 9 Der Wirtschaftshistoriker Richard C. Thurnwald untersuchte Handelspraktiken im BalkanGebiet; Bronislaw Malinowski die Gabenzirkulation in Neuguinea; vgl. ebd., S. 31 f. 10 Vgl. Geary (2003) und Wagner-Hasel (2000), S. 27 – 58. Geary schtzt deshalb den Gewinn von Mauss’ Untersuchungen fr die medivistische Forschung als gering ein. Eine solche Kritik geht jedoch von einer einfachen, unreflektierten Bezugnahme auf Mauss aus. Daneben ist jedoch auch ein anderer Bezug denkbar, der bercksichtigt, dass Mauss’ berlegungen den Diskursen seiner Zeit verhaftet sind, und dennoch versucht, einzelne berlegungen fr die Analyse historischer Phnomene fruchtbar zu machen. Dabei gilt es jedoch, die Begriffe vom Material her neu zu konturieren und ihren Gebrauch methodisch zu reflektieren (vgl. dazu die berlegungen in Kap. 2.2). 11 Mauss spricht von »conomie de l’change-don« (Mauss [1950], S. 266), von »le syst me des dons« (ebd., S. 174) oder von »rgime du don« (ebd., S. 194) und vom »syst me des dons changs« (ebd., S. 188). Die bersetzer der deutschen Ausgabe von 1997 bersetzen dies u. a. als »Gabenaustausch« (Mauss [1997], S. 130, 40) oder als »System des Gabentauschs« (ebd., S. 54). Im Deutschen wird vor allem der Begriff des ›Gabentausches‹ mit Mauss in Zusammenhang gebracht. Wagner-Hasel (2000), S. 32, zeigt, dass der Begriff im Deutschen von den Rechtshistorikern eingefhrt wurde, die die Schenkung als einseitige Zuwendung definierten und deshalb einen Begriff fr die Sachleistung brauchten, die auf Erlangung einer Gegengabe ausgerichtet ist. Ich werde im Folgenden in Bezug auf die von Mauss beschriebenen Formen des Austausches meist von Gabe- oder Tauschpraktiken sprechen, um den Singular, der impliziert, dass es sich um ein einheitliches Phnomen handelt, zu vermeiden. Vgl. zur Problematik der Wortwahl Mauss (1950), S. 267: »Les termes que nous avons employs: prsent, cadeau, don, ne sont pas eux-mÞmes tout fait exacts. Nous n’en trouvons pas d’autres, voil tout« (dt.: Mauss [1997], S. 131). Vgl. zur Abgrenzung von Gabe und Geschenk in der medivistischen Forschung: Oswald (2004), S. 15, die das Geschenk als Spezialfall der Gabe definiert, das »weit-

Gabentausch

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Tauschens geprgt.12 Er interessiert sich fr ganz unterschiedliche Formen des Leistungs-Austauschs, wie z. B. Geschenke, die es zu erwidern gilt und die Prestige einbringen, die Zirkulation von Luxusgtern innerhalb einer Gemeinschaft, aber auch die Mitgift, Gastgeschenke und Opfergaben. Er sttzt sich dazu auf sehr heterogenes Material: ethnographische Berichte ber Nordamerika und Neuguinea, rçmische Rechtsordnungen, linguistische Studien sowie germanische und indische Sagen.

Der Tausch als ›totale soziale Tatsache‹ Mauss interessiert an den vormodernen Gabe- und Tauschpraktiken einerseits, weshalb und in welcher Weise die Gaben – scheinbar freiwillig – erwidert werden: Wie entsteht die Verpflichtung, ein Geschenk zu erwidern, ohne dass Vertrge und explizite Abmachungen bestehen? Inwiefern ist eine Erwiderung reziprok? Andererseits fragt er nach den gesellschaftlichen Dimensionen des Gabentauschs. Welche Formen von gesellschaftlicher Kohsion werden durch den Austausch von Gaben gestiftet, welche Strukturen sind dabei erkennbar und welche Rolle spielt die Materialitt bzw. die Immaterialitt des Getauschten? Seine Antworten auf diese Fragen mnden in die These, dass der Gabentausch als ›totale soziale Tatsache‹13 zu verstehen sei: Il y a l tout un norme ensemble de faits. Et ils sont eux-mÞmes tr s complexes. Tout s’y mÞle, tout ce qui constitute la vie properment sociale des socits qui ont prcd les ntres […]. Dans ces phnom nes sociaux ›totaux‹, comme nous proposons de les appeler, s’expriment la fois et d’un coup toutes sortes d’institutions: religieuses, juridiques et morales – et celles-ci politiques et familiales en mÞme temps; conomiques – et celles-ci supposent des formes particuli res de la production et de la

gehend unabhngig von […] çkonomischen und statussichernden Zwngen« berreicht werde; sowie Groebner (2000), S. 13; vgl. dagegen die berzeugende, weil offene und widersprchliche Definition von ›gift‹ von Algazi (2003), S. 13. 12 Mauss (1950) unterscheidet zwischen ›archaischen‹ Gesellschaften und deren »conomie de l’change-don« (ebd., S. 266), die er als »relativement amorphe et dsintresse« (ebd., S. 271) beschreibt, und der modernen »conomie […] de l’utilitarisme« (ebd.), die er als »individuelle et du pur intrÞt« bezeichnet (ebd., S. 271; dt.: Mauss (1997), S. 130 – 135). 13 Mauss (1950) verwendet zwei unterschiedliche Begriffe, einerseits »prestation totale« (S. 154), andererseits »faits sociaux totaux« (ebd., S. 274; Herv. M. M.), den letzteren im Anschluss an Durkheims Begriff des »fait social«, vgl. dazu Schmithausen (1998). In der deutschen Ausgabe werden die beiden Ausdrcke als »totale Leistung« (Mauss [1997], S. 20) oder »totale gesellschaftliche Tatsachen« (S. 137) bersetzt. Vgl. zur ›totalen sozialen Tatsache‹ Moebius (2006), S. 95 – 107, der betont, dass Mauss um die Schwierigkeit, etwas in seiner Totalitt zu erfassen, weiß und die ›totale soziale Tatsache‹ deshalb auch als »Anspruch an die Forschung« zu verstehen sei (S. 102 f.).

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consommation, ou plutt de la prestation et de la distribution; sans compter les phnom nes esthtiques auxquels aboutissent ces faits […].14

Mauss unterstreicht mit dem Begriff der »faits sociaux totaux«, dass beim Tauschen nicht bloß Subsistenzgter umverteilt, sondern auch weitere gesellschaftliche Handlungen vollzogen werden. So kçnnen z. B. durch gegenseitiges Beschenken der soziale Status von Geber und Empfnger, die Beziehungen einzelner Gruppen zueinander oder Verpflichtungen und Abhngigkeiten ausgehandelt werden. Gabepraktiken kçnnen aber auch religiçse Handlungen darstellen, einen Bezug zu den Vorfahren stiften oder an bestimmte zentrale gesellschaftliche Ereignisse erinnern (z. B. im Zusammenhang mit Grndungsmythen).15 Dies deutet gemß Mauss darauf hin, dass die ›modernen‹ Unterscheidungen zwischen materiellen und immateriellen Gaben, zwischen Individuum und Kollektiv sowie zwischen Tauschobjekt und Tauschsubjekt nicht greifen.16 Es wrden nicht bloß Naturalien, sondern auch Ehre, Frauen oder sakrale Objekte getauscht.17 Und es sei nicht ein Einzelner, der tauscht, sondern dieser stehe immer auch fr eine Gruppe oder einen Clan.18 Mauss’ Konzept der ›totalen sozialen Tatsache‹ zielt auf die Beschreibung einer nicht ausdifferenzierten Gesellschaft. Es gibt keinen fr sich abgetrennten Bereich des Handels mit Subsistenzgtern. Vielmehr ist jede scheinbar çkonomische Handlung auch eine juristische, sthetische, religiçse etc.19 Dieses ›Nichtexistieren‹ von abgegrenzten Bereichen hat zum einen zur Folge, dass Verpflichtungen bergreifender und bindender sind. Wenn eine monetre Schuld auch eine moralische oder soziale ist, wird sie eher zurckbezahlt. Zum anderen haben die Tauschpraktiken in nicht ausdifferenzierten Gesellschaften eine viel strkere gesellschaftskonstituierende Wirkung. Sie regeln die Beziehungen der Mitglieder zueinander und stiften Zu14 15 16 17

Mauss (1950), S. 147; dt.: Mauss (1997), S. 12. Mauss (1950), S. 204 f., 274 f.; dt.: Mauss (1997), S. 69 f., 138. Vgl. Mauss (1950), S. 163 f., 173; dt.: Mauss (1997), S. 29, 39. Mauss (1950), S. 173: »Au fond, ce sont des mlanges. On mÞle les mes dans les choses; on mÞle les choses dans les mes. On mÞle les vies et voil comment les personnes et les choses mÞles sortent chacune de sa sph re et se mÞlent: ce qui est prcisment le contrat et l’change«; dt.: Mauss (1997), S. 39. 18 Mauss (1950), S. 150 f.; dt.: Mauss (1997), S. 15 f. 19 Mauss (1950), S. 147, 274, spricht von verschiedenen »institutions«, die im Gabentausch ›zum Ausdruck kommen‹ (»s’exprimer«); vgl. dt.: Mauss (1997), S. 12, 137. Auch hier zeigt sich Mauss’ Problem, Begriffe zu finden, um den ›anderen‹ Austausch zu beschreiben. So spricht er von çkonomischen, juristischen oder sthetischen Handlungen und setzt damit genau die Ausdifferenzierung voraus, die er als nicht vorhanden zu beschreiben versucht. Ich werde dagegen in Bezug auf die Mren vorschlagen, dass sehr wohl Abgrenzungen zwischen verschiedenen Bereichen erkennbar sind, dass diese aber nicht den modernen ausdifferenzierten Bereichen entsprechen (vgl. dazu unten Kap. 2.4). Im Anschluss an Strohschneider (2006a), S. 381, Anm. 10, bzw. Strohschneider (2006b), S. 44, Anm. 24, kann man diese Bereiche als »anders-differenziert[]« bezeichnen, d. h. sie sind weder ›nicht ausdifferenziert‹ noch ausdifferenziert im modernen Sinne.

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sammenhalt, indem sie z. B. die ideelle Fundierung der Gruppe rituell prsent halten.20 Mauss’ Essai schwankt zwischen einem stellenweise reflektierten Versuch, spezifische Andersartigkeiten zu beschreiben, und der Rckfhrung dieser Andersartigkeit auf ein universales Prinzip. So analysiert Mauss bestimmte Gabentauschpraktiken detailliert, betont deren Komplexitt21 und sucht nach Begriffen, um diese ›anderen‹ Formen des Tauschens zu fassen.22 Zugleich subsumiert er diese so unterschiedlichen Tausch- und Gabepraktiken unter dem Begriff »conomie de l’change-don«.23 Er versteht darunter ein kollektives, freiwillig-obligatorisches Geben, Nehmen und Erwidern, das als universales »principe de notre vie« allen Formen des ›vormodernen‹ und des ›modernen‹ Leistungsaustausches zu Grunde liege.24

2.2 Mauss und die metonymische Besetzung von Objekten in Mren Es soll hier keineswegs behauptet werden, bei den Tauschgeschften in den Mren handle es sich um Gabentauschpraktiken im Sinne Mauss’. Denn in den Mren wird meist von personalen (und nicht kollektiven) Formen des Austauschs erzhlt, und vielfach verhandeln die Figuren explizit ber Preise oder anderweitige Verpflichtungen. Whrend Mauss sich fr die gesellschaftskonstituierende Dimension des Tauschens interessiert, heben die Mren dessen destabilisierende Dimension hervor. Zwar stiftet der Tausch auch in 20 So etwa Godelier (1996), S. 58, der die These vertritt, dass »totale« hier nicht nur als Kombination vielfltiger gesellschaftlicher Aspekte zu verstehen ist, sondern dass es auch darum geht, dass die Gesellschaft sich in solchen Phnomenen reprsentiert und reproduziert »comme un tout«. 21 Mauss (1950), S. 150: »[…] on verra combien ils [die Polynesier] sont loigns, en mati re de droit et d’conomie, de l’tat de nature« (Anm. S. R.); dt.: Mauss (1997), S. 15. 22 Vgl. Mauss (1950), S. 267, 271 oder 198, Anm. 2; dt.: Mauss (1997), S. 131, 135 oder 64, Anm. 122. 23 Mauss (1950), S. 266; dt.: Mauss (1997), S. 130. Insbesondere im Schlusskapitel (Mauss [1950], S. 258 – 279; dt.: Mauss [1997], S. 123 – 142) versucht Mauss den ›Gabentausch‹ als hilfreiche Ergnzung des modernen Wirtschaftssystems zu prsentieren; vgl. Mauss (1950), S. 262, 272 f.; dt.: Mauss (1997), S. 127 f., 136. Geary (2003), S. 137, liest dies als Suche nach einer Alternative zwischen Bolschewismus und Kapitalismus. 24 »Ainsi, d’un bout l’autre de l’volution humaine, il n’y a pas deux sagesses. Qu’on adopte donc comme principe de notre vie ce qui a toujours t un principe et le sera toujours: sortir de soi, donner, librement et obligatoirement;« Mauss (1950), S. 265; dt.: Mauss (1997), S. 129. Vgl. auch: »Cependant, ils [die bisher angefhrten Tatsachen aus dem Bereich der Ethnographie] ont une valeur sociologique gnrale, puisqu’ils nous permettent de comprendre un moment de l’volution sociale. […] Nous croyons pouvoir dmontrer, en fait, que nos droits et nos conomies se sont dgags d’institutions similaires aux prcdentes.« Mauss (1950), S. 228; dt.: Mauss (1997), S. 94. Dabei gilt es jedoch zu betonen, dass Mauss die von ihm beschriebenen vormodernen Tauschpraktiken nicht als Urzustand, sondern als spezifische Ausprgung eines Prinzips versteht; vgl. Mauss (1950), S. 150, 263 f.; dt.: Mauss (1997), S. 15, 128.

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den Mren Kooperationen, doch liegt der Fokus fast immer auf deren Fragilitt. Gleichwohl gibt es Aspekte, die mit den von Mauss eingefhrten berlegungen und Begriffen genauer gefasst werden kçnnen; drei davon sollen im Folgenden auf die Mren bezogen werden: (1) Wenn in den Mren Ehre gegen Geld und Sexualitt fr Prestige getauscht wird, so kçnnte man versucht sein, dies als ›totale soziale Tatsache‹ zu deuten, weil unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche ineinander aufzugehen scheinen. Doch ein solches Modell eines ganzheitlichen Tauschsystems ist nicht unproblematisch. Es unterstellt eine Homogenitt, ja Differenzlosigkeit von unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, die zumindest fr die in den Mren entworfenen Gemeinschaften nicht zutrifft.25 Stattdessen scheint es vielversprechender, Mauss’ Detailanalysen zu folgen. Denn da postuliert Mauss keine Differenzlosigkeit, sondern zeigt auf, dass einzelne Tauschsysteme von ganz spezifischen Unterscheidungen geprgt sind:26 z. B. von der Differenz zwischen tauschbaren und nichttauschbaren Gtern, von bestimmten Zeitpunkten des Tauschens oder von der Unterscheidung von Klassen von Gtern, die beispielsweise nur untereinander, aber nicht mit anderen getauscht werden drfen.27 Dementsprechend ist auch bei den Mren zu untersuchen, welche Unterscheidungen die Tauschpraktiken prgen. Anders als in Mauss’ soziologischen Analysen ist jedoch zu bercksichtigen, dass in den Mren anhand des Tauschens nicht nur gesellschaftliche, sondern auch semantische Grenzziehungen verhandelt werden. Mauss vertritt in Bezug auf die Maori die These, dass sich beim Tauschen Subjekt und Objekt vermischen, d. h. dass der Gebende mit dem Objekt immer einen Teil von sich selbst weggibt.28 Er beschreibt eine solche ›Vermischung‹

25 Zur Problematik der Annahme von ›totalen sozialen Tatsachen‹ in mittelalterlichen Gesellschaften, vgl. Kiening (1996), S. 23 – 25, insbes. S. 25, Anm. 46. Analytisch ist es zudem wichtig, zwischen der ›Totalitt‹ eines Phnomens (Tauschaktes) und einer methodischen Totalitt, die versucht mçglichst viele Interdependenzen in den Blick zu bekommen, zu unterscheiden; vgl. dazu Wagner-Hasel (2000), S. 59. 26 Hier gilt es zu fragen, inwiefern sich diese Unterscheidungen nicht mit den Differenzen decken, die der Ausdifferenzierung der modernen Funktionssysteme zu Grunde liegen (vgl. oben Anm. 19). 27 Vgl. etwa Mauss (1950), S. 176; dt.: Mauss (1997), S. 42, zum kula als Handel, der den Huptlingen vorbehalten ist, im Unterschied zum Austausch ›ntzlicher Dinge‹; vgl. Mauss (1950), S. 189 f.; dt.: Mauss (1997), S. 54 f., zum Unterschied zwischen dem Handel zwischen den ›Stmmen‹ und innerhalb der einzelnen Gruppe; zur Frage von Tauschbarkeit/Nichttauschbarkeit vgl. Godelier (1996), S. 53, 222 – 236. 28 Mauss (1950), S. 173, 157 – 161; dt.: Mauss (1997), S. 39, 23 – 27. Gemß der Selbstbeschreibung eines Maori-Informanten gibt es im Objekt »un hau, un pouvoir spirituel«, der bewirkt, dass das Objekt zum Geber zurckkehrt (Mauss [1950], S. 159). Bereits Lvi-Strauss (1950), S. XLVIII, kritisiert die Interpretation von Mauss, weil dieser sich zu sehr auf die Selbstbeschreibung des Informanten verlassen habe; dt.: Lvi-Strauss (1999), S. 39 f. (vgl. dazu auch unten Anm. 36). Sahlins (1974), S. 150 – 161, lsst die Aussage des Maori-Informanten neu bersetzen und weist

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mit ganz unterschiedlichen Begrifflichkeiten: etwa als Vermischung von Personen- und Sachenrecht, als Anthropomorphisierung der Objekte, als Symbolisierung gesellschaftlicher Beziehungen und vor allem, der Selbstbeschreibung der Maori entsprechend, als »pouvoir spirituel« im Objekt selbst.29 Gerade die Heterogenitt von Mauss’ Erklrungsanstzen zeigt, dass sich metonymische Besetzungen zwischen Tauschobjekt und Tauschsubjekt – insbesondere bei der Analyse erzhlter Tauschhandlungen – auf ganz unterschiedlichen Ebenen deuten lassen. Die Mren thematisieren nicht selten solche metonymischen Besetzungen. Sie erzhlen von Affizierungen, Verkçrperungen oder Substitutionen des Tauschsubjekts durch das Tauschobjekt. Bei der Interpretation wird es darum gehen, sowohl die handlungsweltliche als auch die semantisch-semiotische Dimension solcher Metonymien zu bercksichtigen. (2) Mauss bezeichnet auch Gaben, die erst nach lngerer Zeit erwidert werden, als Gabentausch (»l’change-don«) und lenkt so den Blick auf die Zeitlichkeit des Tauschens.30 Zwischen Gabe und Rckgabe çffnet sich ein Zeitraum, in dem das Objekt, die Tauschenden und der Charakter der Verpflichtung sich verndern kçnnen. Auch die Mren erzhlen prominent von zeitlich gedehnten Formen des Austauschs und nutzen dies fr die paradigmatische Verdichtung der Erzhlung. So kann eine angekndigte Gegengabe der Spannungssteigerung dienen, indem sie einen Zielpunkt markiert, der im weiteren Verlauf ber- oder unterboten werden kann.31 (3) Mauss widmet ein berhmtes Kapitel dem nordamerikanischen Tauschritual potlatch, bei dem sich die Schenkenden so lange gegenseitig berbieten, bis sie sich in den Ruin getrieben haben.32 An dieser Tauschform zeigt sich zum einen, wie sich im Tausch agonale und kooperative Tendenzen

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nach, dass Mauss’ bersetzung (von Best 1909) ungenau ist und es darum geht, dass eine Person und nicht die Sache selbst agiert; vgl. dazu auch Godelier (1996), S. 69 – 78. Mauss (1950), S. 147, 218 f., 194, 157 – 161; dt.: Mauss (1997), S. 12, 84, 59, 23 – 27. Mauss (1950), S. 199; dt.: Mauss (1997), S. 63: »Mais il est, dans toute socit possible, de la nature du don d’obliger terme. Par dfinition mÞme, un repas en commun, une distribution de kava […] ne peuvent Þtre rendus immdiatement. Le ›temps‹ est ncessaire pour excuter toute contre-prestation.« Vgl. zur Zeitlichkeit des Tauschens unten Kap. 2.5 – 2.6. Mauss beschreibt den potlatch im Verweis auf die Studien von Boas u. a. als ein Beschenken, bei dem sich die Teilnehmenden gegenseitig berbieten, bis am Ende alles zerstçrt wird; Mauss (1950), S. 194 – 205, insbes. S. 198, Anm. 2; dt.: Mauss (1997), S. 59 – 70, insbes. S. 63, Anm. 122. Es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass die konkurrenzhafte Form des potlatch weniger hufig als postuliert vorgekommen ist und die Geschenke nur selten ›real‹ vernichtet wurden. Der potlatch ist zudem nicht ein ›archaisches‹ Tauschritual, sondern ein Phnomen der Akkulturation, weil sich die ausgiebige Geschenkzeremonie erst durch den Pelzhandel zwischen den nordamerikanischen Stmmen und den Europern ausgebreitet und die konkurrenzhafte Form des potlatch erst in dessen Folge entstandenen ist; Wolf (1986), S. 260 – 277, hier S. 272. Somit wre die Tauschform, die wie keine andere fr die Alteritt vormoderner Tauschpraktiken steht, eine Folge des Kontakts mit einer ›kapitalistischen‹ Wirtschaftsordnung; vgl. auch Wagner-Hasel (2000), S. 341, Anm. 131; Godelier (1996), S. 88.

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verbinden. Zum anderen wird deutlich, dass eine Gegengabe den Tauschprozess nicht notwendig abschließt, sondern damit auch Anschließbarkeit erzeugt wird. Beides ist fr die Mren zentral: Viele Tauschgeschfte finden zwischen zwei Personen statt, die sich zu bervorteilen versuchen. Es handelt sich also um eine prinzipiell agonale Kooperation, die jederzeit in offene Feindschaft oder Gewalt umschlagen kann. Damit wird die Leseerwartung darauf gerichtet, wann das Geschehen kippt bzw. wie einer der beiden Tauschpartner den anderen bervorteilt. Diese Spannung wird dadurch gesteigert, dass unklar bleibt, ob ein Tauschprozess durch eine scheinbar quivalente Gegengabe (oder einen Racheakt) abgeschlossen ist oder ob die ›Gegengabe‹ erneut berboten wird. In der auf Mauss aufbauenden Forschung wird bezweifelt, dass der potlatch in der von Mauss beschriebenen Weise stattgefunden hat.33 Dies kçnnte nicht zuletzt darauf hinweisen, dass es sich dabei eher um ein poetisches bzw. kulturell-imaginres Schema als um eine historisch bezeugte Tauschform handelt.

2.3 Schenken als kollektive Selbstlge (Pierre Bourdieu) Wie aber jedermann weiß, haben auch scheinbar unverkufliche Dinge ihren Preis. Sie lassen sich nur deshalb so schwer in Geld umsetzen, weil sie mit der Absicht einer ausdrcklichen Verneinung des konomischen hergestellt werden.34

Pierre Bourdieu schließt sowohl in seinen frhen ethnologischen als auch in seinen spteren soziologischen Schriften an Mauss an, wendet sich aber zugleich gegen eine strukturalistische Interpretation desselben. Die strukturalistische ›Lesart‹ von Mauss wurde durch Lvi-Strauss geprgt, der der Ausgabe von 1950 eine Introduction l’œuvre de Marcel Mauss voranstellte.35 Gemß Lvi-Strauss besteht die Leistung Mauss’ darin, dass er eine »observation empirique« auf »ralits plus profondes« hin transzendiert hat. Das Soziale sei nicht mehr bloß empirisches Phnomen, sondern werde als System erkannt und behandelt. »Comme le langage, le social est une ralit autonome […]; les symboles sont plus rels que ce qu’ils symbolisent […].«36 Dem-

33 Vgl. oben Anm. 32. 34 Bourdieu (1983), S. 184; Herv. P. B. (Originalbeitrag dt.). 35 Die Ausgabe von 1950 enthlt vor allem Texte, die im Zusammenhang mit dem Essai sur le don stehen, und fast keine frhen Texte von Mauss. 36 Lvi-Strauss (1950), S. XXXIIf.; Herv. C. L.-S.; dt.: Lvi-Strauss (1999), S. 26. Lvi-Strauss’ Argumentation erscheint hier im Vergleich mit seinen anderen Schriften etwas verkrzt. In Les structures lmentaires de la parent von 1949 sind die Tauschstrukturen Effekt des Inzestverbots und davon ausgehend wird auch das Primat des Symbolischen verstndlicher; vgl. LviStrauss (1967), S. 43 – 79, u. a. S. 71. Eine differenzierte Betrachtung des Verhltnisses von verwandtschaftlichen, sprachlichen und symbolischen Strukturen findet sich auch in der Anthropologie structurale von 1958; vgl. Lvi-Strauss (1974), S. 43 – 118. Es ist deshalb nicht

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entsprechend kritisiert er auch Mauss’ Deutung des hau als magische Kraft, die eine Rckgabe erzwingt: Die Gaben werden gemß Lvi-Strauss nicht erwidert, weil im Objekt eine quasimagische Kraft steckt, sondern weil die symbolischen Strukturen dies vorgeben.37 Bourdieu kritisiert diese Position als eine Reduktion des ›Empirischen‹ auf ›Universales‹.38 Die Selbstbeschreibungen der Handelnden wrden damit vollstndig ausgeblendet. Eine Gabe, von der sich der Geber eine Gegenleistung verspricht, kann nicht mehr von einer Kreditgewhrung unterschieden werden.39 Um dem strukturalistischen Reduktionismus zu entgehen, entwickelt Bourdieu zwei zentrale Konzepte, die zwischen objektiver Struktur und subjektiver Sichtweise vermitteln sollen: einerseits das Konzept des Habitus, mit dem er zu beschreiben versucht, wie gesellschaftliche Praktiken die Handlungen des Einzelnen vorbewusst prgen,40 andererseits das Modell des symbolischen Kapitals. Letzteres dient dazu, Tauschpraktiken zu beschreiben, bei denen Heterogenes (z. B. Materielles gegen Immaterielles) getauscht wird. Bourdieu will das Getauschte weder auf seinen monetren noch auf seinen symbolischen Wert reduzieren.41 Er schließt damit an Mauss an, doch interessieren ihn viel strker als Mauss die Abhngigkeits- und Herrschaftsverhltnisse, die durch den Tausch von Heterogenem entstehen. Bourdieu geht davon aus, dass man in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen (i. e. »Feldern«) auf unterschiedliche Weise Anerkennung und Macht erwirbt und in diesen Bereichen unterschiedliche Kapitalarten42 wirksam sind. Die zeitgençssische Gesellschaft ist durch das kulturelle Kapital

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sinnvoll, Lvi-Strauss ausschließlich anhand der Einleitung zu Sociologie et Anthropologie (von 1950) zu kritisieren, wie dies etwa Godelier (1996), S. 27 – 44, tut. Vgl. dazu Anm. 28. Bourdieu (1983), S. 196: »Er [der Strukturalismus] reduziert die sozialen Austauschbeziehungen auf Kommunikationsphnomene und ignoriert die brutale Tatsache der universellen Reduzierbarkeit auf die konomie.« Bourdieu (1994), S. 180; dt.: Bourdieu (1998), S. 164; vgl. auch Bourdieu (1980), S. 192; dt.: Bourdieu (1993), S. 206. Bourdieu (1980), S. 87 – 110; dt.: Bourdieu (1993), S. 97 – 121. Bourdieu versteht unter Habitus »dispositions«, die einerseits durch das Handeln (»la pratique«) kçrperlich erworben werden und die andererseits dieses Handeln auch wiederum prgen. Das Handeln ist jedoch nicht konditioniert, da zwischen Einprgung und Realisierung ein unkalkulierbarer Spielraum liegt; vgl. Bourdieu (1980), S. 92; dt.: Bourdieu (1993), S. 103; vgl. dazu auch Haselstein (1997), S. 279. Bourdieu (1983), S. 196. »Kapital« bestimmt Bourdieu (1983), S. 183 f., als »Kraft«, die sowohl subjektiv als auch objektiv wirksam sei. Es funktioniere aufgrund bestimmter Regelmßigkeiten, sei aber grundstzlich persistent. D. h. es braucht Zeit, um es zu akkumulieren oder zu verlieren. Unter ›symbolischem Kapital‹ (»capitale symbolique«) versteht Bourdieu die Kapitalform, in die die anderen Kapitalformen (z. B. physisches oder soziales Kapital) transformiert werden, wenn sie Anerkennung einbringen. Ein Beispiel dafr wre die Ehre, die man dank einer Spende erhlt; vgl. Bourdieu (1994), S. 116; dt.: Bourdieu (1998), S. 108; Bourdieu (1980), S. 210; dt.: Bourdieu (1993), S. 223. Vgl. zu Bourdieus Entwicklung der Theorie des symbolischen Kapitals Schwingel (1995), S. 81 – 87.

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2. Konfigurationen des Tauschens

(Bildung, Diplome) und das soziale Kapital (soziale Beziehungen) geprgt.43 Die unterschiedlichen Kapitalformen sind aber nicht aufeinander reduzierbar, wie dies u. a. der (utilitaristische) konomismus vorschlgt. Dieser beschreibt alle Formen des Austauschs als Tausch von monetren Werten. Dadurch kommt es zu einer Gegenberstellung von eigenntzigen und uneigenntzigen Interessen und dabei wird die herrschaftserhaltende Funktion von uneigenntzigen Interessen vernachlssigt.44 Bourdieu wendet sich also gegen eine Reduktion der verschiedenen Kapitalformen auf symbolische Strukturen oder auf monetre Werte. Stattdessen fhrt er den Begriff der ›Transformationskosten‹ ein.45 Unterschiedliche Kapitalformen kçnnen zwar ineinander konvertiert werden, doch entstehen dadurch berschsse. Beispielsweise kann monetre Großzgigkeit gegen Anerkennung (i. e. soziales Kapital) getauscht werden, doch verschafft dies dem Großzgigen zugleich sehr viel Macht ber den Beschenkten, so dass es sich keineswegs um einen quivalenten Tausch handelt.46 Bourdieus Modell hat den Vorteil, dass es fr kulturelle und historische Unterschiede offen ist. So zeigt er beispielsweise auf, dass bestimmte Kapitalformen erst unter bestimmten historischen Konstellationen entstehen47 oder dass sich Kredite in sogenannten »vorkapitalistischen« und »modernen« Gesellschaften grundstzlich, d. h. in Bezug auf das Verhltnis von Individuum und Gruppe sowie hinsichtlich der unterstellten Zeitlichkeit, unterscheiden.48 Charakteristisch fr »vorkapitalistische« Tauschpraktiken sei, dass die mit Geschenken einhergehenden Pflichten verschleiert wrden.49 Die Tauschenden wissen zwar, dass sie mit der Annahme einer Gabe zu einer Erwiderung verpflichtet sind, doch wird dies nicht ausgesprochen. Sie haben, so Bourdieu, das »tabou de l’explicitation« inkorporiert und handeln danach, ohne es als Verbot wahrzunehmen.50 Dabei verschafft die nicht thematisierte Schuld dem Gebenden Macht ber den Beschenkten.51

43 Bourdieu (1983). In anderen Studien unterscheidet Bourdieu noch ganz andere Formen von Kapital, die aber diesen drei ersten Formen entsprechend konzipiert sind; vgl. etwa Bourdieu (1994), S. 99 – 146; dt.: Bourdieu (1998), S. 96 – 139. 44 Bourdieu (1980), S. 192 f.; dt.: Bourdieu (1993), S. 206 f.; vgl. auch die Kritik am Utilitarismus in Bourdieu (1994), S. 153 – 160; dt.: Bourdieu (1998), S. 143 – 151. 45 Bourdieu (1983), S. 195 – 198. 46 Bourdieu (1980), S. 210 f.; dt.: Bourdieu (1993), S. 223 f. 47 Vgl. etwa zur Entstehung des Staates als »une banque de capital symbolique« Bourdieu (1994), S. 99 – 146, hier S. 122; dt.: Bourdieu (1998), S. 96 – 139, hier S. 114. 48 Bourdieu (1972), S. 221 – 227; dt: Bourdieu (1979), S. 378 – 388. 49 Wenn Bourdieu sogenannt vorkapitalistische Tauschpraktiken beschreibt, bezieht er sich meist auf seine frhen Studien zur Kabiley (Algerien), Bourdieu (1972), S. 9 – 152; dt. Bourdieu (1979), S. 9 – 136. 50 Vgl. dazu Bourdieu (1994), S. 181; dt.: Bourdieu (1998), S. 165. 51 Bourdieu (1994), S. 177 – 198; dt.: Bourdieu (1998), S. 163 – 182; vgl. auch Bourdieu (1980), S. 209 – 232; dt.: Bourdieu (1993), S. 222 – 245.

Bourdieu und die Wirkung des Tauschens

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Bourdieu verallgemeinert diese Beobachtungen, die er an vormodernen Tauschpraktiken macht, um die ›konomisierung des Ançkonomischen‹ zu beschreiben. Durch materielle Verausgabung wird zwar der Anschein des Ançkonomischen erweckt, doch handelt es sich dabei immer um einen zweckrationalen Tausch, der auf die Sicherung von Herrschaft ausgerichtet ist.52 Bourdieu unterscheidet deshalb zwischen zwei Ebenen des Tauschsystems: Auf der einen Ebene, der »ralit objective«, siedelt er den Warenfluss und die Machtstrukturen an. Hier kann ein reziproker Leistungsaustausch stattfinden oder es werden Abhngigkeitsstrukturen erzeugt. Auf der anderen Ebene, der »vrit subjective«, setzt er die Selbstbeschreibung der Tauschenden, also z. B. die Bezeichnung einer verpflichtenden Gabe als Geschenk an.53 Diese zweite, vorwiegend sprachliche Ebene des Tauschens beschreibt Bourdieu als institutionalisierte Verschleierung der ersten.54 Die Annahme, dass die ›objektive Realitt‹ durch die sprachlichen Handlungen verschleiert wird, scheint mir jedoch methodisch ußerst problematisch. Denn dadurch wird die sprachlich-diskursive Ebene zu etwas Sekundrem, das auf eine dahinter liegende ›eigentliche‹ (i. e. politisch-gesellschaftliche) Ebene verweist. Die Komplexitt von Tauschpraktiken, bei denen unterschiedliche – und letztlich irreduzible – Wert- und Diskurssysteme aufeinander treffen, kann m. E. nicht mehr angemessen analysiert werden, wenn einer Ebene das Primat zugeschrieben wird.

2.4 Bourdieu und die differenzierende und entdifferenzierende Wirkung des Tauschens in Mren (1) Bourdieus Kritik an konomismus und Strukturalismus macht darauf aufmerksam, dass die Gefahr beider Modelle darin besteht, dass sie – etwas salopp formuliert – ›alles‹ erklren kçnnen, weil sie mit Hilfe eines Konversionsmechanismus ›alles‹ als reziproken Austausch fassen. Der konomismus homogenisiert ganz unterschiedliche Handlungen, indem er sie monetr bewertet, und interpretiert sie dann als Leistungen eines Tauschsystems. Auch der Strukturalismus gleicht mit Hilfe eines symbolisch differentiellen Systems 52 Bourdieu (1983), S. 196; Herv. P. B.: »Man muß somit von der doppelten Annahme ausgehen, daß das çkonomische Kapital einerseits allen anderen Kapitalarten zugrundeliegt, daß aber andererseits die transformierten […] Erscheinungsformen des çkonomischen Kapitals niemals ganz auf dieses zurckzufhren sind, weil sie ihre spezifischsten Wirkungen berhaupt nur in dem Maße hervorbringen kçnnen, wie sie verbergen […], daß das çkonomische Kapital ihnen zugrundeliegt.« 53 Bourdieu (1994), S. 181; dt.: Bourdieu (1998), S. 164. hnlich unterscheidet auch Godelier (1996), S. 186, 245, zwischen einem Bereich des Symbolischen und einem des Imaginren. Doch bleiben die beiden Begriffe sowie das Verhltnis zwischen den beiden unscharf. 54 Bourdieu (1994), S. 180. Er spricht hier auch von »masquer« oder »refouler«; dt.: Bourdieu (1998), S. 164; vgl. auch Bourdieu (1980), S. 191; dt.: Bourdieu (1993), S. 205.

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2. Konfigurationen des Tauschens

unterschiedliche Handlungen einander an, ohne die sich aus der Differenz des Getauschten ergebenden çkonomischen und machtpolitischen Konsequenzen ausreichend zu bercksichtigen.55 Diese Kritik an den beiden Tauschmodellen ist auch fr die Lektre der Mren entscheidend, weil damit auf ein methodisches Problem aufmerksam gemacht wird: Wenn Interpreten Gabe und Gegengabe oder andere Formen des Austauschs von Heterogenem als reziprok deuten, so konvertieren sie unterschiedliche ›Leistungen‹ ineinander, ohne die ›Kosten‹ oder Effekte dieser Konversionen zu bercksichtigen. Dies wre gerade bei den Mren verhngnisvoll, da sie vielfach die berschssigen Folgen von Konversionen oder der ›Herstellung‹ von Reziprozitt ins Zentrum rcken. Es stellt sich deshalb methodisch die Frage, wie heterogene Leistungen als reziprok interpretiert werden kçnnen, ohne dass deren Inkommensurabilitt vergessen geht. Anhand des Tauschbegriffs Derridas wird diese Frage nochmals thematisiert werden. Vorausgreifend kann jedoch gesagt werden, dass Reziprozitt in dieser Arbeit nur auf der deskribtiven Ebene benutzt wird. D. h. es wird analysiert, wann und wie die Figuren oder die Texte etwas als reziprok oder quivalent darstellen, doch wird nicht gefragt, ob Tauschhandlungen auch reziprok sind.56 55 Vgl. zur Kritik am Strukturalismus auch die unten stehenden Ausfhrungen zu Derrida (Kap. 2.5) 56 Es fehlen meiner Ansicht nach schlssige Konzeptionen von Reziprozitt. Vielfach wird der Begriff sehr offen als »Gegenseitigkeit, wechselseitige Bezglichkeit oder Dialogizitt« definiert (Oswald [2004], S. 44, Anm. 132). Eine solch weite Definition birgt jedoch das Problem, dass nicht zwischen Anschlussfhigkeit von kommunikativen Handlungen und Reziprozitt unterschieden werden kann. Deutlich sichtbar ist das bei Haferland (1988), der Reziprozitt im Anschluss an Luhmann als das versteht, was das Problem der doppelten Kontingenz berwindet, indem durch »Figuren der Gegenseitigkeit« (S. 37) Interaktion und soziale Realitt generiert wird: »Reziprozitt ist zunchst nichts anderes als die Realisierung oder Wahrung eines Maßes, das dem Einander [i. e. der Beziehung zweier Personen] eine fr beide Seiten voraussehbare Form gibt. Jeder tut etwas, das es dem anderen ermçglicht, seinerseits etwas zu tun« (S. 38; Anm. S. R.). Haferland setzt hier Anschlussfhigkeit und Reziprozitt gleich, um sie zur Grundform sozialer Interaktion zu machen. Damit wird soziales Handeln auf problematische Art und Weise ausgehend von einer dualen und erst noch symmetrischen Situation gedacht. Oft wird zur Bestimmung der Reziprozitt auch auf Sahlins (1974), S. 186 – 196, rekurriert, der zwischen Reziprozitt und Distribution (Verteilung) unterscheidet und ein Schema von drei Typen der Reziprozitt entwickelt (»generalized«, »balanced« und »negative«). Er versteht Reziprozitt als Gruppe von »vice-versa-movements« (S. 192), die entweder quantitativ abgemessen (»balanced«) oder nicht quantifiziert und erst ber lngere Zeit hinweg ausgleichend (»generalized«) sein kçnnen. Unter »negative reciprocity« versteht er die gewaltsame Verhinderung einer einseitigen Bereicherung (Diebstahl). Problematisch an Sahlins Konzept der Reziprozitt ist, dass er genau das von Bourdieu problematisierte Verhltnis von materiellen und nichtmateriellen Tauschleistungen sowie deren ›Konversionskosten‹ nicht thematisiert. Vielmehr bestimmt er dieses Verhltnis zirkulr als ebenfalls reziprok: »[…] the connection between material flow and social relation is reciprocal.« Die Unterscheidung zwischen distributivem und reziprokem Austausch scheint mir hingegen weiterfhrend. Eine weitere mit dem Reziprozittsbegriff verbundene Frage ist diejenige nach der allflligen Unterscheidung von Reziprozitt und Tausch. Haferland (1988), S. 41, geht (hnlich wie Simmel in seinem Exkurs ber Treue und Dankbarkeit, vgl. dazu unten Anm. 123) davon aus,

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(2) Bourdieus Analysen scheinen mir des Weitern dort anschlussfhig, wo sie die idealtypische Opposition von uneigenntzigem und eigenntzigem Tauschen, von konomie und Ançkonomie in Frage stellen. Das scheinbar uneigenntzige Handeln erhlt Bourdieu zufolge seinen ›Wert‹ gerade dadurch, dass es dem scheinbar zweckrationalen Handeln entgegengesetzt ist. D. h. das scheinbar Ançkonomische gibt sich als ›Anderes‹, um von daher seine ›andere konomie‹ zu entfalten. Doch trotz diesen wichtigen berlegungen scheint mir Bourdieus Konzeption des symbolischen Kapitals kein geeignetes Hilfsmittel zur Interpretation literarischer Texte, weil es allzu sehr auf Fragen der Macht- und Herrschaftssicherung ausgerichtet ist. Bourdieu kritisiert zwar, dass çkonomische Theorien von materieller Gewinnmaximierung ausgehen, unterstellt aber trotzdem, dass die Praktiken in einer ›vorkapitalistischen‹ Gesellschaft einer »logique conomique« gehorchen. Er reduziert damit – genau so wie er es dem konomismus unterstellt – komplexe Bedingungsgefge auf ein Handlungsmotiv, nmlich auf eine symbolische Profitmaximierung.57 Die methodisch entscheidende Frage, wie und mit welchen Nebeneffekten symbolische in materielle Interessen konvertiert werden, behandelt er nicht systematisch, sondern hçchstens anhand von suggestiven Beispielen. Man kann die berlegungen Bourdieus aber gleichwohl fr die Analyse der Mren produktiv wenden, wenn man von mehreren unterschiedlichen Wertund Diskursbereichen ausgeht, die im Tausch zusammentreffen, ineinander bergehen oder voneinander differenziert werden, ohne dass einem Bereich dass in »archaischen konomien« Reziprozitt und Tausch ununterscheidbar seien. Nachdem sie sich gegeneinander ausdifferenziert htten, wrde Reziprozitt soziale Beziehungen stiften, beim Tausch hingegen blieben die Tauschpartner »aneinander uninteressiert« (S. 41 f.). Eine solche Unterscheidung ist meiner Ansicht nach wenig hilfreich, da sie den normativen Charakter von Reziprozitt verkennt und stattdessen die Idealisierung reproduziert (vgl. dazu unten Kap. 2.5 sowie 3.4). Stattdessen msste man beobachten, welche unterschiedlichen Formen von Beziehungsstiftung durch welche Formen des Austausches von Heterogenem entstehen. Polanyi (1979), S. 181, unterscheidet wiederum zwischen einem reziproken Handel in »archaischen Gesellschaften«, der auf festgesetzten und ›gerechten‹ Preisen beruht, und einem marktfçrmigen Handel, der durch Angebot und Nachfrage bestimmt ist. Zur Kritik an dieser Position von wirtschaftshistorischer Seite vgl. Humphreys (1979), S. 29 f., der dagegen behautet, dass die Preise im vormodernen Handel sich nicht wie im modernen an den Produktionskosten orientieren. Beide Positionen sind fr literaturwissenschaftliches Arbeiten nicht weiterfhrend, da sie deutlich historisch-çkonomisch ausgereichtet sind. Wagner-Hasel (2000), S. 57 f., schlgt als Ausweg aus der Reziprozittsproblematik vor, dass sich Reziprozitt nicht in einzelnen isolierten Akten, sondern erst bei einer ›globalen‹ Betrachtung einer Gesellschaft ber lngere Zeit hinweg zeige. Damit wird jedoch die von Bourdieu probelmatisierte petitio principii nur auf eine andere Ebene verschoben und zudem ist diese gesellschaftliche Perspektive fr die Mren, die von einmaligem und kurzem Geschehen erzhlen, wenig hilfreich. Letzteres begrndet zugleich, weshalb die von Lvi-Strauss (1967), S. 34 – 169, 270 – 357, vorgenommenen Unterscheidungen zwischen ›eingeschrnktem‹ und ›verallgemeinertem Tausch‹ sowie die damit einhergehenden Reziprozittsformen in dieser Arbeit keine Verwendung finden. 57 Bourdieu (1980), S. 209, 213; dt.: Bourdieu (1993), S. 222, 226.

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2. Konfigurationen des Tauschens

das Primat zukme. Wenn beispielsweise in den Mren Sexuelles gegen Monetres getauscht wird, so wird nicht nur das Transaktionsverhltnis, sondern auch die Stellung der Sexualitt in Bezug auf eine Ehe- und Geschlechterordnung ausgehandelt. Beim Tausch von Heterogenem kommen somit Ordnungen zusammen, die nach unterschiedlichen Wertungsprozessen organisiert sind und sich deshalb weder aufeinander reduzieren noch in eine hçhere Ordnung berfhren lassen. Dabei stehen nicht nur Wertprinzipien, sondern auch Grenzziehungen zur Disposition. Durch Tauschgeschfte zwischen solchen ›Ordnungen‹ kçnnen einerseits klare Abgrenzungen unterlaufen, andererseits aber auch Grenzen stabilisiert werden. Beim Tausch von Heterogenem kommt es deshalb sowohl zu Differenzierungen als auch zu Entdifferenzierungen.58 Whrend Bourdieu hauptschlich die Konversion von materiellen Sachleistungen in immaterielle Machtstrukturen (und umgekehrt) im Blick hat, geht es in den Mren nicht nur um Konversionen in der dargestellten Welt, sondern auch um solche auf der Ebene der Darstellung und zwischen den einzelnen Erzhlebenen. Die Bereiche, die die erzhlte Welt strukturieren (Sexuelles, Monetres, Subsistenzgter, symbolische Werte, Machtstrukturen, Ehe- und Geschlechterdiskurs), mssen in ihrer Beziehung zu den Bereichen des Erzhlens (metaphorische und semantische Felder, Erzhlmuster, Topoi) gesehen werden. In den von den Mren erzhlten Tauschgeschften treffen beide Ebenen aufeinander und es kommt neben den Konversionen auf den jeweiligen Ebenen auch zu bertragungen zwischen denselben (etwa Metonymien, Konkretisierungs- oder Abstraktionsprozesse). Es gilt deren Ineinandergreifen zu beschreiben, ohne der einen oder anderen Ebene das Primat zuzuschreiben. 2.5 Die unmçgliche Gabe (Jacques Derrida) Le symbolique ouvre et constitue l’ordre de l’change et de la dette, la loi ou l’ordre de la circulation o s’annule le don.59

Auch Jacques Derrida schließt 1991 in seinem Buch Donner le temps. 1. La fausse monnaie an Mauss an. Er nimmt Mauss’ Ausdruck Gabentausch (»le syst me des dons changs«) zum Anlass, ber das Verhltnis von Gabe (don) und Tausch (change) nachzudenken.60 Dass er die beiden Begriffe im Singular benutzt, weist bereits darauf hin, dass er ein systematisches und nicht ein phnomenologisch-deskriptives Interesse verfolgt. Es geht ihm nicht darum, einzelne Handlungen als Gabe oder Tausch zu klassifizieren, sondern er fragt nach den mit solchen Klassifikationen einhergehenden Implikationen. Konsequenterweise ist deshalb sein Untersuchungsgegenstand auch nicht 58 Vgl. dazu Anm. 19 dieses Kapitels. 59 Derrida (1991), S. 26. Alle Hervorhebungen in den folgenden Zitaten sind von J. D. 60 Derrida (1991), S. 55; dt: Derrida (1993), S. 54.

Die unmçgliche Gabe

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sozialwissenschaftlicher Natur; er untersucht keine gesellschaftlichen Tauschpraktiken, sondern Darstellungen und Analysen des Gebens und Tauschens, nmlich zum einen Mauss’ Essai, andererseits Baudelaires Kurzgeschichte La fausse monnaie.61

Tausch und Gabe Derridas Ausgangspunkt ist Mauss’ Gegenberstellung von konomischem und Ançkonomischem, d. h. von zweckrationalem, reziprokem Tauschen und einseitiger, nichtreziproker Verausgabung. Konsequenterweise hat diese Gegenberstellung jedoch zur Folge, dass Gabe und Tausch sich ausschließen: Jede Gegenleistung und jede Erwartung einer Gegenleistung, sei es auch bloß Dankbarkeit, ist, so Derrida, eine Rckgabe und deshalb ein Tausch, der die Gabe annulliert.62 Derrida geht sogar so weit, dass bereits die Wahrnehmung einer Gabe als Gabe deren Gabenhaftigkeit zerstçrt: […] le paradoxe dans lequel nous nous dbattons, savoir l’impossibilit ou le double bind du don: pour qu’il y ait don, il faut que le don n’apparaisse mÞme pas, qu’il ne soit pas perÅu comme don.63

Derrida spitzt somit den Gegensatz von konomischem und Ançkonomischem zu, bis die Gabe paradox wird: Sie ist unmçglich und muss dennoch gedacht werden. Derrida kritisiert mit diesem paradoxen Konzept der Gabe zum einen klassisch-çkonomische Theorien, zum anderen aber, und hauptschlich, den Strukturalismus.64 In der klassischen konomie entspricht jedem Haben (Eigentum) ein Soll (Schulden). Damit wird vorausgesetzt, dass es zu jeder Leistung eine quivalente Gegenleistung gibt. Das Modell impliziert nicht nur die Mçglichkeit, berall und zwischen ganz Unterschiedlichem quivalenzbeziehungen herzustellen, sondern es wird auch durch eine totale Reziprozitt organisiert: Es gibt nichts, das nicht entweder als ›Haben‹ oder als ›Soll‹ erscheint, weshalb Derrida das çkonomische Modell auch mit einem geschlossenen Kreis vergleicht.65 61 Baudelaire, La fausse monnaie, Erstpublikation 1864. Vgl. die deutsche bersetzung im Anhang der deutschen Ausgabe, Derrida (1993). 62 Derrida (1991), S. 26: »Pour qu’il y ait don, il faut que le donataire ne rende pas, n’amortisse pas, ne rembourse pas, ne s’acquitte pas, n’entre pas dans le contrat, n’ait jamais contract de dette«; dt.: Derrida (1993), S. 24. 63 Derrida (1991), S. 29; vgl. auch S. 18 f., 24, 39; dt.: Derrida (1993), S. 28, vgl. auch S. 17, 23, 28. 64 ›Tausch‹ steht bei Derrida deshalb nicht fr einzelne Phnomene, sondern fr die von der klassischen konomie und dem Strukturalismus postulierten Modelle des Tauschens. 65 Derrida (1991), S. 54: »[…] le calcul [du cercle conomique] se reconstitue sans cesse, logiquement, rationnellement, annulant l’exc s qui lui-mÞme […] entra ne le cercle, le fait tourner sans fin […]«; dt.: Derrida (1993), S. 53.

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2. Konfigurationen des Tauschens

Derridas Kritik am Strukturalismus zielt in eine hnliche Richtung. Wie Bourdieu geht er von Lvi-Strauss’ Mauss-Interpretation aus:66 A une logique de la chose [diejenige von Mauss], en tant qu’elle comporterait le pouvoir substantiel, la vertu intrins que du don et l’appel du contre-don, LviStrauss substitue une logique de la relation et de l’change qui fait s’vanouir toute difficult et jusque’ la valeur mÞme de don.67

Lvi-Strauss privilegiert gemß Derrida die »logique de relation« allzu sehr und dadurch wird die Frage nach der Inkommensurabilitt und Singularitt des Getauschten (»la question de la chose«) unmçglich.68 Abstrakter formuliert zielt seine Kritik darauf, dass bei Lvi-Strauss alles ›Gegebene‹ als Aktualisierung der durch das System vorgegebenen Mçglichkeiten erscheint, ohne dass die Singularitt und Materialitt der Tauschobjekte oder die Zeitlichkeit des Tauschens bercksichtigt werden. Derrida beschreibt den Strukturalismus deshalb als ein System der vollkommenen quivalenz, in dem nichts Unkalkulierbares geschieht: Alles geht am Ende in der differentiellen Logik, die auch eine Logik der quivalenzen ist, auf. Dagegen fordert Derrida, quivalenz als Setzung zu verstehen: L’quivalence du pris et du donn est pose, c’est une th se et un th me. Elle se trouve pose comme la r gle de la morale […]: la r gle de ce qu’il y a mais encore de ce qu’il faut, de ce qu’il doit y avoir. […] en posant cette quivalence comme ›bonne‹, on affirme l’exc s du don; […] Dire qu’il faut atteindre l’quivalence et que l’quivalence est bonne, c’est rappeler qu’elle n’est pas simplement donne, et que donner ce n’est pas prendre. Il n’y a au dpart ni quivalence relle ni quivalence smantique.69

quivalenz ist also gemß Derrida nicht gegeben, sondern »pose«, d. h. sie ist kulturell vorgegeben, wird aber nur selten als Vorgabe ausreichend begrndet. quivalenz ist deshalb auch nicht per se ausgleichend oder gar gerecht.70 66 Die Position von Lvi-Strauss wird im folgenden Zitat gut zusammengefasst: »L’change n’est pas un difice complexe, construit partir des obligations de donner, de recevoir et de rendre, l’aide d’un ciment affectif et mystique. C’est uns synth se immdiatement donne , et par, la pense symbolique […]«; Lvi-Strauss (1950), S. XLVI; dt.: Lvi-Strauss (1999), S. 37; vgl. dazu oben Anm. 36 dieses Kapitels. 67 Derrida (1991), S. 98 f.; Anm. S. R.; dt.: Derrida (1993), S. 101. 68 Derrida (1991), 100 f., allg.: S. 95 – 103; dt: Derrida (1993), S. 103, allg.: S. 99 – 105. Derrida kritisiert an Lvi-Strauss’ Interpretation von Mauss insbesondere, dass er bestimmte von Mauss als religiçs verstandene Konzepte einzelner Stmme (z. B. mana) als ein (soziologisches) NullPhonem versteht; Lvi-Strauss (1950), S. XLIII-L.; dt.: Lvi-Strauss (1999), S. 34 – 40. Dadurch wird gemß Derrida das symbolische System als geschlossene und von ußeren Gegebenheiten unabhngige Einheit gedacht, d. h. als ein System der ›Komplementaritt ohne Supplementaritt‹; Derrida (1991), S. 102; dt.: Derrida (1993), S. 104. 69 Derrida (1991), S. 91 f.; dt. Derrida (1993), S. 91 f. 70 Vgl. dazu auch die Tauschkonzeption Simmels, der ebenfalls postuliert, dass quivalenz aufgrund von Differenz hergestellt wird, dazu aber von der Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Wertgenerierung ausgeht.

Die unmçgliche Gabe

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Vielmehr entsteht dadurch, dass quivalenz immer auch affirmiert werden muss, ein ›berschuss‹ (»exc s«). Man kann dies als ›Grndungsparadoxie der quivalenz‹71 bezeichnen. Es gibt eine Diskrepanz zwischen der ›Vorgabe‹ der quivalenz und ihrer Aktualisierung. Jeder Tauschakt, der postuliert, ein quivalenter zu sein, reaktualisiert die Norm der quivalenz und stellt zugleich, indem er sie affirmiert, einen berschuss dar, der selbst nicht quivalent ist. Derridas Kritik am Strukturalismus und am Konzept der quivalenz muss meiner Ansicht nach bekannt sein, um seinen Begriff der Gabe zu verstehen. Denn Derrida fasst unter ›Gabe‹ all das, was den vom symbolischen System vorgegebenen Mçglichkeiten nicht entspricht.72 D. h. er versucht mit der ›Gabe‹ das zu denken, was ein symbolisches System bersteigt oder ihm vorangeht: »[…] il n’y a de don, s’il y en a, que dans ce qui interrompt le syst me ou aussi bien le symbole, dans une partition sans retour […].«73 Zwei Dimensionen der Gabe spielen hierbei eine besondere Rolle: zum einen die Ereignishaftigkeit des Gebens, zum anderen die Gabenhaftigkeit des Ereignisses. Unter der Ereignishaftigkeit des Gebens ist zu verstehen, dass zwar kein Geben außerhalb von sozialen und diskursiven (und damit symbolischen) Systemen statthat, dass sich aber innerhalb solcher Strukturen unkontrollierbare Effekte ereignen. So verweist Derrida z. B. auf die Zeit zwischen Gabe und Rckgabe als einen Raum des Unvorhersehbaren: Es ist niemals mit Sicherheit vorgegeben, dass eine Gabe – auch wenn vertragliche Verpflichtungen bestehen – erwidert wird. Vielmehr kçnnen Zuflle, Ambivalenzen und die Nicht-Souvernitt der Gebenden die Rckgabe verhindern.74 Wenn man hingegen Geben und Zurckgeben als Teil einer reziproken synchronen Struktur versteht, werden der dazwischen liegende Zeitraum und die damit einhergehenden Unkalkulierbarkeiten eliminiert. Insofern ist der Blick auf die Zeitlichkeit des Gebens oder Tauschens eine Mçglichkeit, dessen Gabenhaftigkeit zu erkennen. Daneben hebt Derrida die strukturellen Ambivalenzen von Tausch- und Geschenkpraktiken hervor. Die Intentionen des Gebers und die Folgen des Geschenks sind keineswegs nur positiv : Ein Geschenk kann immer ›gut und bçse, Geschenk und Gift‹ sein.75 Auch wer Nehmender und wer Gebender ist, wird unklar, sobald man bedenkt, dass der Tausch darauf zielt, im Geben zu nehmen oder im Nehmen zu geben. Solche Ambivalenzen sind keine Ex71 Im Anschluss an Teubner (1999); siehe dazu unten Kap. 2.6. 72 Die Unmçglichkeit der Gabe besteht dementsprechend nicht darin, dass sie undenkbar ist, sondern dass sie im Rahmen des symbolischen Systems unmçglich ist; Derrida (1991), S. 22; dt.: Derrida (1993), S. 20. 73 Derrida (1991), S. 25 f.; dt.: Derrida (1993), S. 24. 74 Derrida (1991), S. 24 f.; dt.: Derrida (1993), S. 23. 75 Derrida (1991), S. 25: »[…] en tant que bon, il peut aussi Þtre mauvais, empoisonnant (Gift, gift)«; dt.: Derrida (1993), S. 23. Die etymologischen Ambivalenzen entwickelt Derrida im Anschluss an Benveniste (1966).

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2. Konfigurationen des Tauschens

tremformen von Geschenk- oder Tauschpraktiken, sondern konstitutiver Bestandteil derselben. Denn nur weil das Tauschen und Geben grundstzlich vieldeutig ist, ist es fr beide Tauschpartner attraktiv. Zeitlichkeit, Performativitt und Ambivalenz der konkreten Tauschvorgnge produzieren somit – so kçnnte man die bisherige Darstellung zusammenfassen – gabenhafte Effekte. Da sie sich der intentionalen Kontrolle und Planbarkeit entziehen, stellen solche Effekte auch ›Ereignisse‹ in einem poststrukturalistisch-emphatischen Sinne dar.76 Eine strukturalistische Analyse, die von quivalenz und Reziprozitt ausgeht, kann jedoch genau diese ›Ereignishaftigkeit des Gebens‹ nicht fassen, weil sie sie durch die Fokussierung der quivalenz ›eliminiert‹. Neben der ›Ereignishaftigkeit des Gebens‹ geht es bei der Gabe jedoch zugleich auch um die Gabenhaftigkeit des Ereignisses. Hiermit bezieht sich Derrida auf die emphatischen Konnotationen von Gabe (z. B. Begabung77) und damit auf das, was gegeben ist, ohne dass der Mensch darber verfgen kann. Abstrakter ausgedrckt geht es um die dem System vorgngigen, quasitranszendentalen Bedingungen desselben. Bei einer solchen ›Vorgabe‹ – wie etwa Zeit oder Schrift (im Derrida’schen Sinne) – handelt es sich jedoch nicht um eine Matrix, die das Geschehen determiniert, sondern um eine »bedingte Bedingung«, i. e. eine Bedingung, die durch die aus ihr hervorgegangenen Ereignisse geprgt und verndert wird.78 Die Gabe verweist somit auch auf die historische, aber unkalkulierbare Interdependenz von Bedingung und Bedingtem. Hier spitzt sich die Unmçglichkeit der Gabe oder ihre Paradoxie nochmals entscheidend zu. Denn mit der ›Gabenhaftigkeit des Ereignisses‹ rcken auch die quasi-transzendentalen Voraussetzungen der Derrida’schen Philosophie in den Blick. Derrida kann mit der Paradoxie der Gabe auf sie verweisen und zugleich betonen, dass sie der philosophisch-sprachlichen Reflexion grundstzlich entzogen sind.79 Whrend Bourdieu betont, dass jedes scheinbar selbstlose Geschenk Teil des ›konomischen‹, d. h. eines sozialen Systems ist, in dem es auch um Macht und Prestige geht, weist Derrida nach, dass ein solches System nie geschlossen ist. Denn es produziert einerseits Effekte, die in ihm nicht aufgehen, und es ist andererseits von Gegebenheiten abhngig, die es nicht selbst hervorbringen 76 Derrida bindet Gabe und Ereignis eng aneinander: »[…] pas de don sans la venue d’un vnement, pas d’vnement sans la surprise d’un don«; Derrida (1991), S. 152; dt.: Derrida (1993), S. 155. Dennoch sind Gabe und Ereignis nicht identisch, da das Ereignis vor allem die unkalkulierbaren Effekte eines Systems beschreibt, die Gabe jedoch sowohl solche Effekte als auch die quasi-transzendentale Begrndung des Systems. 77 Im Franzçsischen ist die Bedeutung von ›don‹ auch ›aptitude‹, ›gnie‹, ›talent‹. 78 Derrida (1991), S. 46, spricht von »une sorte d’illusion transcendantale du don«; dt. Derrida (1993), S. 44. Vgl. Schubbach (2007), der die Schrift bei Derrida als eine »bedingte Bedingung« beschreibt, d. h. etwas Generierendes, das durch jede Realisierung ihrerseits verndert wird; S. 56 – 59, 147, 152 – 154. 79 Derrida (1991), S. 47 f.; dt.: Derrida (1993), S. 46.

Derrida und die Zeitlichkeit und Performativitt

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kann. Dementsprechend beschreibt Derrida mit der Gegenberstellung von ›Gabe‹ und ›Tausch‹ nicht zwei unterschiedliche Vorgnge oder Handlungen in der Welt, etwa einen çkonomischen und einen ançkonomischen Austausch, sondern zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen von ein und demselben. Diese beiden Betrachtungsweisen liegen jedoch nicht auf einer Ebene. Sie stellen nicht zwei (symmetrische) Alternativen, sondern zwei asymmetrische, aber interdependente Formationen dar. Deshalb kçnnte man die Gabe als das Ein-Ausgeschlossene des reziproken Tausches (d. h. eines symbolischen Systems) bezeichnen, das diesen einerseits ermçglicht, ihn andererseits aber immer auch unterbricht und bersteigt.

2.6 Derrida und die Zeitlichkeit und Performativitt des Tauschens in Mren Derrida bringt die Gaben- und Tauschdiskussion meiner Ansicht nach dadurch weiter, dass er weder strukturalistisch nach erkennbaren Reziprozitten noch politisch-soziologisch nach im Tausch hergestellten Abhngigkeiten fragt, sondern die Voraussetzungen analysiert, die solchen Interpretationen zu Grunde liegen. Fr die Lektre der Mren kann damit das zurckgewonnen werden, was durch die Fokussierung auf Reziprozitt verloren geht: Zeitlichkeit, Performativitt, Ambivalenz und Paradoxien des Tauschens und Gebens. Ich werde im Folgenden genauer ausfhren, inwiefern diese vier Aspekte die Lektre des Tauschens in den Mren bereichern kçnnen. Den dritten Aspekt (Ambivalenz) nutze ich zu einem kleinen Exkurs, in dem ich Derridas Umgang mit Baudelaires Kurzgeschichte und den dabei benutzten Vergleich von sprachlicher und monetrer Bedeutungsstiftung kritisch diskutiere. (1) Auf das narrative Potential, das in der Zeitlichkeit von Gaben- und Tauschpraktiken liegt, wurde bereits anhand von Mauss hingewiesen. Mit Hilfe von Derrida kann die damit einhergehende methodische Problematik prziser formuliert werden: Man kann an einer Erzhlung nicht zugleich ihre Struktur und ihren zeitlich-sukzessiven Verlauf betrachten.80 Deshalb darf bei der Analyse von Tauschgeschften nicht nur die am Ende ›hergestellte‹ quivalenz, sondern es muss auch der Zeitraum zwischen Gabe und Rckgabe analysiert werden. Nur so kann man die Performativitt und Ereignishaftigkeit des Tauschens sowie die Sukzessivitt des Erzhlens ausreichend bercksichtigen. 80 Vgl. Kremer (2004), S. 528: »Damit ist der Lektre nichts weniger zur Aufgabe gestellt, als diese prozessuale Ordnung eines literarischen Textes zu entfalten. […] Eine praktische Hermeneutik, die die prozessuale Ordnung eines Textes respektiert, muß sich dem paradoxen Umstand stellen, daß (Sinn-)Ereignisse nur strukturell feststellbar sind, damit aber ihren Ereignischarakter verloren haben.«

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2. Konfigurationen des Tauschens

(2) Mit der Zeitlichkeit des erzhlten Tauschens kommt auch die Vollzugsdimension des Erzhlens, d. h. dessen performative Dimension, in den Blick. Die Gabenhaftigkeit des Tauschens verbindet sich hier geradezu mit der im letzten Kapitel geforderten poetologischen Lektreperspektive. Denn der Blick auf die Vollzugsdimension des erzhlten Tauschens ist auch ein Blick auf die Genese von Bedeutung. Der erzhlte Tausch entsteht durch und ermçglicht semiotische Beziehungen, die gleichfalls als Vollzug und nicht als ›Gesetz‹ begriffen werden mssen. (3) Derrida weist auf die strukturellen Ambivalenzen hin, die mit Tauschund Gabentauschpraktiken verbunden sind. Damit meint er nicht nur die Ambivalenz eines getauschten Objekts oder eines bergabeaktes, sondern auch die Ambivalenzen, die bei der Wert- (oder Bedeutungs-)Stiftung selbst entstehen. In seiner Interpretation der Erzhlung Baudelaires und des darin vorkommenden Falschgeldes81 vertritt er deshalb die These, dass sprachliche, narrative und monetre Wert- und Bedeutungsstiftungen von hnlichen Paradoxien, wie z. B. der Ambivalenz der sozialen Zuschreibung, heimgesucht werden. Dies bedarf nun eines ausfhrlicheren Kommentars. Derrida ist der einzige der hier vorgestellten Theoretiker, der einen literarischen Text analysiert und der damit auch eine Mçglichkeit vorfhrt, wie politisch-soziologische Tauschtheorien fr literarische Texte produktiv gemacht werden kçnnen. Doch so sehr die gerade vorgestellten Analysekriterien (Zeitlichkeit, Performativitt, Ambivalenz und Paradoxien des Tauschens) wichtig scheinen, so wenig berzeugt Derridas Interpretation, die auf der Analogie von Falschgeld und literarischer Bedeutungsproduktion beruht.82 Denn Derridas Interpretation ist keineswegs originell, sondern steht unreflektiert in der Tradition des seit dem 18. Jahrhundert beliebten Vergleichs von Geld und Sprache (bzw. Bedeutung, Reprsentation etc.).83 Dieser Vergleich bildet den Ausgangspunkt von sehr vielen literaturwissenschaftlichen Analysen, die anhand ganz unterschiedlicher Texte nachweisen, dass sprachliche und monetre Wert- oder Bedeutungskonstitution differentiell geschehen.84 Bei beiden sei eine essen-

81 Die Erzhlung Baudelaires La fausse monnaie handelt davon, wie der Ich-Erzhler von seinem Freund doppelt berrascht wird: zuerst, weil dieser einem Bettler einen hohen Betrag spendet, und anschließend, weil er ihm bekennt, es habe sich bei der Spende um Falschgeld gehandelt. Derrida weist u. a. darauf hin, dass auch die Behauptung, dass es sich um Falschgeld handelt, selbst vorgetuscht sein kann; Derrida (1991), S. 124, 193 f.; dt.: Derrida (1993), S. 127, 195 f. 82 »Ce texte est donc aussi la pi ce, peut-Þtre une pi ce de fausse monnaie, savoir une machine provoquer des vnements«; Derrida (1991), S. 125; dt.: Derrida (1993), S. 128. Derrida steigert und transformiert diese Analogie unter anderem bis hin zur Identifizierung von Gabe und Erzhlung. 83 Vgl. zum 18. Jahrhundert: Achermann (1997). 84 Um nur einige zu nennen: Shell (1978); Shell (1982); Michaels (1987); Hçrisch (1993); Lauer (1994); Schefold (1992); Blaschke (2004). Hçrisch vertritt zudem die These, dass das Geld die Eucharistie als ontosemiologisches Leitmedium ablçse. Die Literatur verstehe das

Derrida und die Zeitlichkeit und Performativitt

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tialistische Bedeutungs- oder Wertzuschreibung unmçglich, weil Wert und Bedeutung aufgrund von sozialen Prozessen entstehen wrden. Sowohl die sichere Deckung eines Geldwerts als auch die eindeutige Bedeutung des Signifikanten erwiesen sich als Illusion. Vielfach argumentieren solche Interpretationen auch diskurs- oder sozialgeschichtlich, indem sie eine Konvergenz von historisch-volkswirtschaftlichen und literarisch-sprachphilosophischen Entwicklungen feststellen. Dabei werden ganz unterschiedliche çkonomische Entwicklungen herangezogen, der dazu korrespondierende sprachphilosophische Wendepunkt ist dagegen immer ein hnlicher, nmlich die ›Erkenntnis‹ der Unsicherheit und Relativitt von Bedeutung.85 Dies weist meiner Ansicht nach nicht nur auf einen oft ungenauen diskursgeschichtlichen Ansatz hin,86 sondern auch auf die methodische Problematik des Vergleichs von Sprache/Bedeutung und Geld. Nur selten wird gefragt, was mit diesem Vergleich gewonnen werden kann.87 Stattdessen erwecken viele Analysen den Verdacht, dass die Analogie vor allem einen nivellierenden Effekt hat: Weder die narratologischen Ebenen (intra- und extradiegetisch) noch die zu vergleichenden Gegenstnde (narrative, symbolische, semantische Bedeutung sowie monetrer Wert, Tauschwert, Gebrauchswert) werden analytisch klar voneinander unterschieden. Auch bei Derrida ist dieses Interpretationsverfahren, das sich von einer Analogie zur nchsten hangelt und so seinen Untersuchungsgegenstand stndig transformiert, nicht zu bersehen. Er stellt eine Analogie zwischen Geld, Falschgeld, Erzhlverlauf, Fiktionalitt und Bedeutungsstiftung (diffrance) her, die immer auf dem doch sehr einfachen Gedanken beruht, dass Wert und Bedeutung nicht letztbegrndbar sind.88

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Medium Geld als Konkurrenz und wrde deshalb auf dessen ungedeckte Begrndung hinweisen (S. 26 f.). So etwa die Verbreitung des Mnzgeldes in der Antike, vgl. Shell (1978), die Ausweitung des Geldhandels um 1500, vgl. Hçrisch (1996), S. 32, die Aufhebung der Deckung von Banknoten durch Mnzgeld, vgl. Vogl (2005). Josef Vogl (2002) geht dagegen in seiner Monographie viel strker diskursgeschichtlich vor. Vgl. auch Vogl (1997); Vogl (1990). Eine Ausnahme stellt Achermann (1997) dar, der den Vergleich berzeugend kritisiert (S. 41 – 52) und anschließend auch keinen diskursgeschichtlichen, sondern einen ›topischen‹ Ansatz whlt, indem er nach der Funktion des Vergleichs bei bestimmten Autoren fragt. »Cette histoire (ce contenu narr) raconte donc, du mÞme coup, […] en tant qu’histoire de fausse monnaie, de fiction ou de simulacre, et le rcit (narrant) et la narration (narre)«; Derrida (1991), S. 123.; dt.: Derrida (1993), S. 127. Ebenso postuliert er, dass die Lesenden nie vollstndig ber die Intentionen der Figuren Bescheid wissen und dass dies das Charakteristikum von Fiktionalitt sei; Derrida (1991), S. 193; dt.: Derrida (1993), S. 195. Des Weitern suggeriert er sogar die Mçglichkeit einer sozialhistorischen Interpretation: »Ce texte de Baudelaire traite en somme des rapports entre la fiction en gnral, la fiction littraire et le capitalisme […]«; Derrida (1991), S. 159; dt.: Derrida (1993), S. 162. Auch das Verhltnis von Titel und Erzhlung versteht er als Falschgeld; Derrida (1991), S. 121; dt.: Derrida (1993), S. 123.

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2. Konfigurationen des Tauschens

Auch wenn einzelne von Derridas Analogien plausibel sein mçgen, so macht gerade ihre Hufung sichtbar, wie problematisch ein interpretatorisches Verfahren ist, das in der Analogie sein systematisches Zentrum findet. Damit soll nicht behauptet werden, dass bestimmte Texte nicht mit Analogien von Geld und Sprache spielen wrden. Doch htte dies fr die Interpretation zur Folge, dass andere Analysekategorien entwickelt werden mssten als die, die der Text selbst favorisiert. Bei den Mren, die nicht so sehr die Analogie zwischen sprachlicher und monetrer Bedeutungsstiftung, sondern eher diejenige zwischen Tausch und Kommunikation in den Vordergrund rcken, scheint es deshalb vielversprechender, nicht von Analogien, sondern von diskursiven ›Ordnungen‹ auszugehen, die Wert und Bedeutung auf unterschiedliche Art und Weise konstituieren. Um solche Wertordnungen beschreiben zu kçnnen, ist jedoch ein prziserer Geld- und Wertbegriff als der von Derrida nçtig. Deshalb werden im Folgenden zwei Geldtheoretiker (Simmel und Luhmann) vorgestellt, die die mediale, materielle und semantische Dimension von Geld genauer herausarbeiten. In den Lektren soll dann gefragt werden, wie sich unterschiedliche Formen der Bedeutungs- und Wertkonstitution auf unterschiedlichen Ebenen der Erzhlung berlagern und welche Effekte damit verbunden sind. (4) Die ›Unmçglichkeit der Gabe‹ steht auch fr die ›Grndungsparadoxien‹ von quivalenz und Reziprozitt. Es sind Setzungen, die ihrerseits nichtreziproke bzw. nichtquivalente Effekte erzeugen. Die Mren spielen teilweise mit solchen paradoxen Momenten von quivalenz oder Reziprozitt: Sie machen z. B. sichtbar, dass quivalenz auf nicht thematisierten Vorgaben beruht, oder rcken quasi berschssige Effekte der quivalenzerzeugung (z. B. Materialitt und Heterogenitt des Getauschten, Prozessualitt) in den Vordergrund.89 Gunther Teubner beschreibt Derridas Philosophieren als Aufdecken von Grndungsparadoxien. Derrida betone, dass Institutionen oder theoretische Modelle derselben ihren eigenen Ursprung nicht begrnden kçnnten, doch kçnne er damit nicht erklren, mit welchen Strategien Gesellschaften auf solche Paradoxa reagierten, d. h. wie sie sie ›deparadoxieren‹ oder invisibilisieren.90 Ebenso wenig kçnne Derrida erklren, weshalb Gesellschaften auf dieselben Paradoxien historisch unterschiedlich reagieren. Fr die literaturwissenschaftliche Analyse der Mren ist dies ein bedenkenswerter Kritikpunkt. Denn es kann bei einer literaturwissenschaftlichen Analyse nicht 89 Vgl. z. B. die Mren Das Almosen, Kaiser Lucius’ Tochter oder Edelmann und Pferdehndler von Stricker. 90 Teubner (1999), S. 202 – 207. Solche Strategien der Deparadoxierung kçnnen beispielsweise darin bestehen, Unterscheidungen zwischen Ebenen oder institutionalisierte Differenzierungen einzufhren (vgl. dazu unten Kap. 2.9). Man kçnnte aber auch auf Mauss und Bourdieu verweisen, die solche Strategien der Invisibilisierung als gesellschaftskonstituierend bzw. machterhaltend verstehen.

Der Tausch als Drittes

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darum gehen, bestimmte mit dem Tausch verknpfte Paradoxien zu ›entdecken‹, sondern es gilt zu zeigen, wie die Texte solche Paradoxien nutzen. Sie kçnnen z. B. Erzhlhandlungen initiieren oder paradigmatisch miteinander verknpfen. Sie kçnnen aber auch im Verlauf der Erzhlung ›deparadoxiert‹ werden, indem z. B. Abgrenzungen eingefhrt werden.

2.7 Der Tausch als Drittes (Georg Simmel) Das Spezifische der Wirtschaft als einer besonderen Verkehrs- und Verhaltungsform, besteht – wenn man einen paradoxen Ausdruck nicht scheut – nicht sowohl darin, daß sie Werte austauscht, als daß sie Werte austauscht.91

Simmel verfolgt in der im Jahr 1900 erstmals erschienenen Philosophie des Geldes das Projekt, die ›moderne Kultur‹ zu ergrnden, indem er das Geld analysiert. Grundlegendes Merkmal der Moderne ist seiner Ansicht nach der ›Relativismus‹, den er sowohl als erkenntnistheoretisches als auch als ontologisches Prinzip versteht: Einerseits entstehe Erkenntnis erst durch das Wahrnehmen von Beziehungen; andererseits gebe es auch ontologisch keine substantiellen Einheiten, sondern diese wrden erst dank Relationierungen entstehen.92 Diese relativistische Prmisse prgt Simmels Buch zweifach: Er whlt zum einen das Geld als Untersuchungsgegenstand, weil er es als Ausdruck und Verkçrperung der Relativitt versteht.93 Zum anderen geht er selbst von relativistischen Prmissen aus, d. h. er denkt Tausch und Wert nicht von Substanzen, sondern von Beziehungen her.94 Die in Simmels methodischer Herangehensweise vorausgesetzten Interdependenz- und Zirkelfiguren (von Besonderem und Allgemeinem, von kultureller Matrix und deren Effekten) weisen bereits darauf hin, dass Simmel kein in sich konsistentes Theoriegebilde entwirft. Viel eher verfolgt er verschiedene Argumentationsstrnge, die leicht miteinander assoziiert, aber nicht immer auch logisch zusammengebracht werden kçnnen. So argumentiert er etwa abwechselnd historisch und ahistorisch-universalisierend, zugleich phnomenologisch und teleologisch.95 Dabei sind Simmels Beobach91 Simmel (1989), S. 57. Die zitierte Ausgabe folgt der zweiten Auflage von 1907. 92 Ebd., S. 93 – 121. Simmel mçchte den erkenntnistheoretischen Relativismus aber nicht als Beliebigkeit verstehen, sondern fragt nach einem absoluten Prinzip, das die vollstndige »Auflçsung« verhindert (95 f.). Vgl. zu einem diskursgeschichtlichen Verstndnis des »Relativismus« Kçhnke (1996), S. 473 – 488. 93 In Abgrenzung vom historischen Materialismus mçchte er nicht nur die kulturelle Entwicklung mit Hilfe der çkonomischen, sondern auch die çkonomische mit Hilfe der kulturellen erklren; vgl. Simmel (1989), S. 13, 208. 94 Simmel schließt in Bezug auf das Verhltnis von Konkretem und Allgemeinem u. a. an Goethes Symbolbegriff an, vgl. dazu Lichtblau (1996), S. 203 – 231. 95 Insbesondere im zweiten Teil argumentiert Simmel oft mit historischen Beispielen und Annahmen von Frh- und Urzustnden von Gesellschaften, die er sowohl auf anthropologische

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2. Konfigurationen des Tauschens

tungen deutlich diskursgeschichtlich markiert: Lebensphilosophie, Neukantianismus, Evolutionstheorie und Frhformen der Psychoanalyse scheinen viele Thesen zu prgen.96 In Anbetracht dessen soll hier keineswegs versucht werden, die Hauptthesen der Philosophie des Geldes zu rekonstruieren. Stattdessen mçchte ich ausschließlich Simmels Wert- und Tauschtheorie vorstellen, die mir trotz ihrer historischen Verankerung fr die Lektre der Mren anregend scheint. Denn Simmel beschreibt zum einen die Wertgenerierung als komplexen Relationierungsprozess und leitet zum anderen den Wert vom Begehren ab.97

Der sogenannt subjektive Wert oder Begehren als Wertgenerator Der Tausch ist nicht die Addition zweier Prozesse des Gebens und Empfangens, sondern ein neues Drittes, das entsteht, indem jeder von beiden Prozessen in absolutem Zugleich Ursache und Wirkung des andern ist. Dadurch wird aus dem Wert, den die Notwendigkeit des Verzichtes dem Objekt verleiht, der wirtschaftliche Wert. Erwchst der Wert im allgemeinen in dem Intervall, das Hemmnisse, Verzichte, Opfer, zwischen den Willen und seine Befriedigung schieben, so braucht […] kein Wertungsprozeß vorangegangen zu sein, der dieses Objekt allein fr dieses Subjekt allein zu einem Wert machte. Sondern das hierzu Erforderliche vollzieht sich eo ipso in dem Tauschakt.98

Simmel geht, seinen relativistischen Prmissen entsprechend, davon aus, dass Werte den Gegenstnden nicht inhrent sind,99 sondern durch die Beziehungen zwischen dem Bewerteten entstehen: Wenn zwei Gegenstnde gegeneinander ausgetauscht werden, ergibt sich der Wert des einen Gegenstandes aufgrund von dessen Relation zum anderen.100 Diese ›relative‹ Wertgenerierung geschieht einerseits auf einer sogenannt »subjektiven«, andererseits auf einer sogenannt »objektiven« Ebene. Die subjektive Wertgenerierung entsteht durch den Vergleich unterschiedlicher Begehrensintensitten.101 Die Intensitt des Begehrens grndet

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Prinzipien zurckfhrt als auch in ihrer Alteritt als Gegenstck der Moderne prsentiert; vgl. z. B. Simmel (1989), S. 504. Vgl. zum diskursgeschichtlichen Kontext der Philosophie des Geldes Frisby (2002), 21 – 44; Kçhnke (1996). Da mir Luhmanns Geldtheorie um einiges ergiebiger erscheint als diejenige von Simmel, wird nur ein Aspekt der Letzteren, nmlich die Verkçrperung von Werten vorgestellt. Simmel (1989), S. 73 f. Am Beginn seiner berlegungen setzt Simmel als eine Art Prmisse, die radikale Differenz von Wirklichkeit und Wert. Man kann dies am ehesten als eine Differenz zweier unterschiedlicher Betrachtungsweisen verstehen; ebd., S. 24 f. Ebd., S. 56. Die subjektive Wertgenerierung und das Begehren sind bei Simmel an die Ausbildung der Subjekt-Objekt-Differenz geknpft. Subjekt und Objekt seien ›ursprnglich‹ sowohl phylo- als

Der Tausch als Drittes

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wiederum im Opfer und im Hindernis:102 Wenn der Tauschende etwas fr das begehrte Objekt hergeben muss, so verleiht der Verzicht sowohl dem ›geopferten‹ als auch dem erhaltenen Gegenstand einen Wert.103 Die Konkurrenz der beiden Tauschpartner steigert, so Simmel, den Wert des Objekts. Dass das Objekt auch fr den Verkufer einen Wert hat, der an dem von ihm geforderten Preis sichtbar wird, erhçht den Wert, den es fr den Kufer hat.104 Die Pointe von Simmels ›subjektiver‹ Wertgenerierung liegt somit darin, dass sie nicht einfach einem ›subjektiven Gefhl‹ entspricht, sondern relational entsteht: Indem das eigene Begehren nach einem Gegenstand mit dem nach anderen Gegenstnden und mit dem anderer nach demselben Gegenstand (Konkurrenz) verglichen wird, entsteht der sogenannt subjektive Wert, den es fr den Einzelnen hat.105

Der sogenannt objektive Wert oder das Scheitern der Abstraktion Beim aktuell sich vollziehenden Tausch geschieht aber neben der sogenannt subjektiven auch eine objektive Wertgenerierung: »[…] im Tausch wird der Wert bersubjektiv, berindividuell, ohne doch eine sachliche Qualitt und

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auch ontogenetisch eine Einheit. Sie differenzieren sich erst dann gegeneinander aus, wenn durch Entfernung, Verbot oder Hindernis der aktuelle Genuss unmçglich ist (Simmel (1989), S. 30, 34). Der Prozess einer solchen Objektivierung der ›Außenwelt‹ gegenber dem Subjekt vollendet sich im Tausch, weil dann ein quasi-abstrakter Wert geschaffen wird; s. u. sowie ebd., S. 53. Ebd., S. 507: »[…] man liebt das, wofr man Opfer gebracht hat.« Ebd., S. 63: »Alle Wertgefhle also, die durch beschaffbare Objekte ausgelçst werden, sind im allgemeinen nur durch den Verzicht auf andere Werte zu erreichen […].« Ebd., S. 56. In der klassischen konomie ergibt sich der Wert eines Objekts einerseits durch den Grenznutzen des Nachfragers, andererseits durch die Kosten des Produzenten. Simmel behlt diese beiden Seiten bei, fasst sie jedoch strker relativ: Den Grenznutzen fasst er als das Objekt, auf das ich verzichten muss; die Kosten reformuliert er dahingehend, dass der andere das von mir gewnschte Objekt auch begehrt (und ich deshalb dafr etwas hergeben muss). Vgl. zu Simmels Umdeutung der klassischen çkonomischen Theorien Flotow (1995), S. 41 – 65. Simmel bezeichnet das Vergleichen unterschiedlicher Begehrensintensitten bzw. das Abwgen von Verzicht gegen Gewinn auch als »Tausch«. Dies fhrt zur These, dass das gesamte soziale Leben von der »Wechselwirkung«, d. h. dem Austausch von Energien geprgt sei. Dementsprechend versteht er auch das Gesprch, den Blickkontakt, die Erziehung, ja sogar Hypnose und Politik als erweiterten Tausch, d. h. als Prozess von Geben und Nehmen, bei dem durch das Miteinander-in-Beziehung-Setzen ein Mehrwert generiert wird; Simmel (1989), S. 58 – 61. Dieser Tausch (in einem sehr weiten Sinne) erzeugt Vergesellschaftung bzw. stellt Gesellschaft dar (ebd., S. 210; vgl. dazu unten Anm. 115). Der wirtschaftliche Tausch ist somit bloß die gesteigerte und pointierteste Form eines allgemeinen gesellschaftsstiftenden Prinzips. Den Unterschied zwischen dem Tausch im weiten Sinne (also soziale Interaktionen) und dem im engen Sinn (wirtschaftlicher Tausch) sieht Simmel darin, dass im wirtschaftlichen Tausch bewusst Dinge gegeneinander ausgetauscht werden, whrend dies in der sozialen Interaktion unbewusst geschieht (ebd., S. 60, 91); vgl. zur Weiterentwicklung der »Wechselwirkung« in Simmels spteren Schriften Haesler (2000).

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2. Konfigurationen des Tauschens

Wirklichkeit an dem Dinge selbst zu werden«.106 Durch den Abgleich der subjektiven Werte der beiden Tauschpartner gegeneinander entsteht ein neuer »wirtschaftlicher Wert«, der im und durch den Tausch ›objektiviert‹ wird. Simmel bernimmt in einem ersten Schritt die gngige Unterscheidung zwischen einem subjektiven und einem objektiven Wert und spielt das Modell auf der Grundlage seiner relativistischen Prmissen durch. In einem zweiten Schritt kritisiert er dann diese Unterscheidung, indem er fragt, wie die ›Objektivierung‹ des Wertes zu Stande kommt. Er unterluft, ganz hnlich wie beim ›subjektiven Wert‹, die mit dem Begriffspaar subjektiv/objektiv verbundenen Vorstellungen, behlt aber die Begriffe bei. Im ersten Schritt schließt Simmel von der ›Objektivitt‹ des wirtschaftlichen (oder objektiven) Wertes auf die Identitt von Wert und Preis: Es gibt keinen Wert, der dem Tausch vorangeht, sondern erst im Tausch konstituieren sich Werte, insbesondere auch der sogenannt ›objektive Wert‹. Damit eliminiert Simmel die in der klassischen konomie zentrale Unterscheidung zwischen Gebrauchs- und Tauschwert. D. h. er unterscheidet nicht zwischen einem (Gebrauchs-)Wert, der sich aus dem Nutzen eines Gegenstandes oder aus dessen Substanz ergibt, und einem (Tausch-)Wert, der im Tausch – und damit durch den Vergleich verschiedener Gegenstnde – generiert wird.107 Stattdessen entsteht jeder ›objektive‹ Wert erst in und durch den Tausch und auch der subjektive Wert basiert auf Vergleichen (also Tausch in einem weiten Sinne) und nicht auf Substanzen. Die Konsequenzen dieses Gedankens sind kontraintuitiv, wie Simmel selbst zugibt:108 Wenn jemand einem Verdurstenden in der Wste Wasser zu einem scheinbar berrissenen Tauschwert verkauft, dann ist dies nicht unfair. Denn es liegt gemß Simmel keine Differenz zwischen dem Wert des Wassers und dessen Preis vor, sondern die kontextuellen Bedingungen haben einfach den Wert des Wassers erhçht. Das sub106 Simmel (1989), S. 53. 107 Die Unterscheidung zwischen einem Gebrauchswert (use-value) und einem Tauschwert (exchange-value) hat vor allem Adam Smith prominent geprgt. Vgl. Smith (1978), S. 27; Herv. A. S.: »Man sollte zunchst bedenken, daß das Wort Wert zwei voneinander abweichende Bedeutungen hat. Es drckt manchmal die Ntzlichkeit einer Sache aus, manchmal die Fhigkeit, mit Hilfe eines solchen Gegenstandes andere Gter im Tausch zu erwerben, eine Fhigkeit, die sein Besitz verleiht. Den einen kann man ›Gebrauchswert‹, den anderen ›Tauschwert‹ nennen.« Smith exemplifiziert dies anhand des Wassers, das fr einen Verdurstenden einen hohen Gebrauchswert und dennoch auf dem Markt einen tiefen Tauschwert hat. Die Frage, die sich an diese Unterscheidung anschließt, ist die, wie der vom Tausch losgelçste Nutzen (Gebrauchswert) zu bestimmen sei. Marx (1972), S. 49 – 56, der die deutschen Begriffe (via Ricardo) geprgt hat, verallgemeinert und radikalisiert die Unterscheidung dahingehend, dass es um die Unterscheidung zwischen Singularitt und Austauschbarkeit geht, d. h. zwischen der Betrachtung der ›Tugend‹ eines Gegenstandes und dessen Austauschbarkeit, d. h. dessen Bewertung als Ware. Vgl. zur begriffsgeschichtlichen Entwicklung der Unterscheidung Baruzzi (1998); Koch (1992). 108 Simmel (1989), S. 132 f. Es gibt gemß Simmel somit keinen »gerechten Preis«, d. h. ein vom Kontext unabhngiges Tauschverhltnis zwischen einzelnen Gtern (vgl. zum scholastischen Prinzip des pretium iustum Kap. 3.1).

Der Tausch als Drittes

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jektive Begehren des Verdurstenden sei so groß, dass der Preis, den er dafr bezahlt, in diesem Augenblick dem Wert des Wassers entspreche. Der substantialistische »Irrtum«, es gebe einen unvernderlichen Wert (i. e. Gebrauchswert) neben dem Tauschwert, sei nur deshalb entstanden, weil bestimmte Tauschwerte gesellschaftlich relativ stabil sind.109 Simmel geht also in seinem ersten Schritt von der Relativitt des Wertes aus – der je nach Situation und Tauschpartner anders ist – und kommt dadurch zum Schluss, dass Wert und Preis (i. e. Tauschwert) identisch sind. Damit konzipiert er Werte nicht nur unabhngig von Substanz und Arbeitsaufwand, sondern auch losgelçst von gesellschaftlichen Konventionen und Gerechtigkeitsvorstellungen. In einem zweiten Schritt diskutiert Simmel die These, dass im Tausch ein Wert abstrahiert wird, der weder der Wertzuschreibung des einen noch des anderen Tauschpartners entspricht und deshalb als ›objektiver‹ Wert bezeichnet werden kann. Dem hlt Simmel entgegen, dass dieser Wert nur in Bezug auf einen unbeteiligten Beobachter gilt.110 Die beiden Tauschpartner mssen stattdessen dem getauschten Objekt notwendig einen unterschiedlichen Wert zuschreiben, sonst kme der Tausch nicht zu Stande.111 D. h. die Bedingung des sogenannt objektiven Wertes ist die Divergenz der subjektiven Wertzuschreibungen. Deshalb folgert Simmel, dass es keinen scheinbar objektiven, abstrahierten Wert geben kann, »da dieser ausschließlich in dem Wechselverhltnis besteht, das sich […] zwischen mehreren Gegenstnden herstellt, jedes das andere bedingend […].«112 Der Wert hngt von je spezifischen Perspektiven ab und kann deshalb niemals von der Situation abstrahiert werden, in der er entsteht. Vor diesem Hintergrund wird nun auch verstndlich, weshalb Simmel den Tausch als ein Drittes bezeichnet.113 Denn der Tausch lsst sich weder aus der ›subjektiven‹ Perspektive der Tauschpartner noch aus der scheinbar objektiven Wertgenerierung im Tauschgeschft, sondern nur als deren konstitutive Verschrnkung erklren. Das ›Dritte‹ benennt zugleich den ›Mehrwert‹, der im Tausch erzeugt wird: »[…] die Wertsumme des Nachher [ist] grçßer als die des Vorher«.114 Diese ›Produktivitt‹ des Tauschens entsteht aus den darin implizierten Differenzen: Dadurch, dass subjektive Wertzuschreibungen und objektivierter Wert differieren, erzeugen sie sich gegenseitig. Simmel folgert daraus in einem weiteren Schritt, dass der Tausch als Relationierung von

109 Ebd., S. 133; vgl. auch S. 83 f., wo Simmel zeigt, dass auch Arbeitszeit oder Seltenheit allein keine Werte schaffen, sondern diese erst durch den Tausch entstehen wrden. 110 »Allein diese Wertgleichheit besteht nicht fr den Kontrahenten, der mehr empfngt, als er fortgibt« (ebd., S. 79; Herv. G. S.). 111 Ebd., S. 79 112 Ebd., S. 92; Herv. G. S. 113 Zum Tausch als »Tertium« vgl. auch Weber-Berg (2002), S. 108. 114 Simmel (1989), S. 60.

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2. Konfigurationen des Tauschens

Inkommensurablem Gesellschaft stiftet bzw. Gesellschaft in diesen Beziehungen besteht.115 Geld als Verkçrperung von Wert Im ersten Kapitel der Philosophie des Geldes argumentiert Simmel, dass das Geld – weil es selbst keine Ware ist – Werte vollstndig symbolisieren kann, ohne sie seinerseits zu beeinflussen.116 Das Geld scheint ihm die ›reinste‹ Verkçrperung der Relativitt und damit zugleich das einzige Quasi-Absolute, d. h. der ›ruhende Pol‹ im Feld der Relativitt.117 Simmel muss jedoch im Verlauf des Textes eingestehen, dass eine solche Konzeption des Geldes mit vielen Beobachtungen des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens nicht bereinstimmt: Weder Inflation und Geldillusion noch die Kapitaleigenschaften von Geld (Zinsnahme) kçnnen durch eine solche Substitutionstheorie erklrt werden.118 Sobald der abstrahierte Tauschwert im Geld vergegenstndlicht wird – so folgert er nun –, wird es selbst zu einem Gegenstand, der sich tauschen und dessen Wert sich messen lsst. Deshalb geht Simmel im zweiten Kapitel des Buches von einer »Doppelrolle des Geldes« aus:119 Einerseits misst es die Wertverhltnisse der ausgetauschten Gegenstnde, andererseits wird es selbst von den im Tausch sich vollziehenden Umwertungen affiziert. Es ist nicht nur Zeichen des Wertes, sondern wird selbst bewertet. Deshalb kann es streng genommen den im aktuellen Tausch entstehenden Wert nicht bezeichnen. Preis und Tauschwert differieren also, weil das Geld im Handel selbst zur Ware wird.120 Diese ›Doppelnatur des Geldes‹ hat – so Simmel – eine ber die wirtschaftliche Dimension weit hinausgehende gesellschaftliche Bedeutung: Das Geld ist eine »substanzgeworden[e] Sozialfunktion[]«,121 d. h. es verkçrpert den Tausch, prgt aber zugleich auch die Tauschbeziehungen. Geld ist also keineswegs neutral, sondern bestimmt den einzelnen Tauschakt und im weiteren Sinne die Gesellschaft, die wie erwhnt im und durch das Tauschen entsteht. Dies ist die Grundlage fr die kulturkritischen berlegungen Simmels in den weiteren Kapiteln des Buches: Er beobachtet, dass das Geld Un115 Vgl. ebd, S. 52 f., 91 f. sowie S. 210; Herv. G. S.: »Fast ist es deshalb noch ein zweideutiger Ausdruck, daß der Tausch Vergesellschaftung bewirke: er ist vielmehr eine Vergesellschaftung, eine jener Beziehungen, deren Bestehen eine Summe von Individuen zu einer sozialen Gruppe macht, weil ›Gesellschaft‹ mit der Summe dieser Beziehungen identisch ist.« Vgl. zur Kritik an diesem weiten, universellen Tauschbegriff unten Anm. 125. 116 Simmel (1989), S. 124. 117 Ebd., S. 306 f.; vgl. auch S. 124: »Indem es [das Geld] so das Sublimat der Relativitt der Dinge ist, scheint es selbst dieser entzogen zu sein […].« Ebenso nennt Simmel das Geld den »reinsten Ausdruck und Gipfel« der Wechselwirkung (ebd., S. 121). 118 Ebd., S. 125, 232, 234, 239. 119 Ebd., S. 126; vgl. zur ›Doppelrolle des Geldes‹ auch Flotow (1995), S. 86 – 115. 120 Simmel (1989), S. 91 f. 121 Simmel (1989), S. 209; er spricht auch von der »Fleischwerdung« des Geldes (ebd., S. 212).

Simmel und die Abstraktions- und Konkretisierungsprozesse

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terschiede neutralisiert,122 Beziehungen versachlicht123 und das Verhltnis von Mittel und Zweck umkehrt.124

2.8 Simmel und die Abstraktions- und Konkretisierungsprozesse beim Tauschen in Mren Im Unterschied zu Mauss, der gegen eine Begrndung der modernen Wirtschaft (und Gesellschaft) aus dem Modell des zweckrationalen Tausches argumentiert, geht Simmel vom Tausch als anthropologischem und gesellschaftskonstituierendem Prinzip (»Wechselwirkung«) aus.125 Dennoch thematisiert er nicht die Reziprozitt oder quivalenz des Tauschs, sondern die durch die Objektivierung des Tauschwertes erzeugten berschsse. Dabei deutet er das Geld als Verkçrperung von Relativitt und abstrahierter Objektivitt und macht es dementsprechend fr Phnomene der Distanzierung, Versachlichung oder Neutralisierung des Konkreten verantwortlich. Die Stoßrichtung seiner berlegungen ist somit der von Mauss hnlich,126 nmlich eine Kritik an den negativen ›Auswchsen‹ der Moderne. Im Unterschied zu Mauss sieht Simmel den Ursprung des bels jedoch nicht im Tausch, sondern in der Vergegenstndlichung und Autonomisierung des Geldes. Dadurch entsteht ein anderer Blick auf den Tausch, als ihn Mauss und die an ihn anschließenden Theoretiker entwickelt haben. Dieser ›Blick‹ auf den Tausch ist in folgenden Punkten fr die Lektre der Mren gewinnbringend: (1) Simmel weist wie Derrida darauf hin, dass quivalenz nichts Vorgegebenes ist, sondern im Tausch erst hergestellt wird. Im Unterschied zu Derrida denkt er die quivalenzerzeugung jedoch nicht als performative Setzung, sondern als Objektivierung von subjektiven Divergenzen (von unterschiedlichen Wertzuschreibungen der beiden Tauschpartner). Der Tausch macht so einerseits Differenzen (zwischen den Gegenstnden, zwischen un122 Ebd., S. 591 – 616, hier S. 593. 123 Vgl. hierzu auch den Exkurs ber Treue und Dankbarkeit von 1908, wo Simmel die Dankbarkeit und das Geldgeschft miteinander vergleicht. Er betont, dass bei beiden inkommensurable Gter (eine Sachleistung gegen Geld oder gegen Dankbarkeit) ausgetauscht wrden. Bei der Dankbarkeit werde die Beziehungsstiftung jedoch intensiviert, weil die Heterogenitt auf personaler Ebene wettgemacht werden msse. Beim Geldgeschft dagegen werde die Beziehung »versachlicht« und minimiert, weil das Geld die Singularitt des Gegenstandes deklassiert; Simmel (1958), S. 445. 124 Simmel (1989), S. 307; allg. S. 254 – 374. 125 Dass die Annahme eines solchen universalisierten Tauschprinzips problematisch ist, hat in systematisch-methodischer Hinsicht Derrida gezeigt, in çkonomiehistorischer Hinsicht wird es auch Luhmann deutlich machen. Simmels weiter und universeller Tauschbegriff wird deshalb in dieser Arbeit nicht bernommen (vgl. Kap. 2.11 des vorliegenden Bandes). 126 Biographische und punktuelle thematische Bezge kçnnen zwischen Simmel und Mauss (via Durkheim) festgestellt werden, vgl. Papilloud (2002).

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2. Konfigurationen des Tauschens

terschiedlichen Prferenzen127) sichtbar, andererseits schafft er etwas, das von diesem Konkreten losgelçst ist und dieses wiederum prgt. Verallgemeinernd kçnnte man den Tausch deshalb als einen Vorgang bezeichnen, der »trennt, um zu vereinen und vereint, um zu trennen«.128 Man kann dieses Spannungsfeld von Trennen und Vereinen, Differenzieren und Entdifferenzieren im Anschluss an Simmel nicht nur im Verhltnis der Tauschenden zueinander, sondern auch im Verhltnis von Konkretem und Abstrahiertem erkennen. Auch die Mren erzhlen nicht von sich perfekt ergnzenden Interessen oder von einem idealen Tauschgleichgewicht, sondern von Differenzen, die den Tausch motivieren, berdauern und durch ihn doch auch modifiziert werden. Hierzu bietet Simmels Konzeption des Tauschens wertvolle Denkanstçße. Daneben spielen die Mren auch mit den Paradoxien, die durch die Verkçrperung und Autonomisierung quasiabstrahierter Werte entstehen kçnnen – man denke z. B. an die sich verselbstndigenden Genitalien. Bei deren Analyse gilt es an Simmel anzuknpfen, aber die sprachliche Dimension der Wertgenerierung und die damit allenfalls einhergehenden Abstraktionsund Konkretisierungsprozesse strker zu bercksichtigen. (2) Simmel kombiniert seine relativistische Werttheorie mit einer Begehrenstheorie, die vom Hindernis ausgeht. Sowohl die Entfernung und der Aufschub als auch die Tatsache, dass ein anderer das Gewnschte ebenfalls begehrt, erzeugen das Begehren. Erst der Verzicht oder das Opfer, so kçnnte man zuspitzen, ermçglichen also den im Tausch entstehenden Mehrwert. Damit argumentiert Simmel hnlich wie Girard, dessen Modell des mimetischen Begehrens bereits im letzten Kapitel (1.6) diskutiert wurde. Simmel zeigt aber im Unterschied zu Girard auf, dass der Tausch Begehren perpetuiert. D. h. er ist nicht nur ein Mittel, um Begehren zu erfllen, sondern produziert immer auch weiteres Begehren. Denn das, was fr das gewnschte Objekt weggegeben werden muss, gewinnt durch die Weggabe an Wert und erzeugt so neues Begehren.129 Auch Mren erzhlen außerordentlich hufig davon, wie Begehren Wert erzeugt oder wie Hindernisse und Aufschbe von Tauschgeschften Begehren steigern. Eine der zentralen Herausforderungen des Themas ›Tauschen und Begehren‹ besteht im Anschluss an Simmel und Girard darin, diesen Zusammenhang nicht anthropologisch oder psychologisch zu konzipieren, sondern ihn an den Mren zu historisieren.

127 Vgl. Simmel (1989), S. 127. 128 So Haesler (2000), S. 11, im Verweis auf Theunissen (1965). 129 Auch Luhmann diskutiert, wenn auch nur am Rand, Girards Begehrenstheorie und versucht diese von ihren anthropologischen Prmissen zu lçsen; vgl. dazu unten Anm. 137.

Die Medialitt von Geld

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2.9 Die Medialitt von Geld (Niklas Luhmann) [Das Medium Geld] ist mithin nicht wiederum eine Sachleistung und auch kein Zeichen fr Sachleistungen […], sondern ein komplex gebildetes Symbol, das Reflexivitt der Kommunikation […], Iterierbarkeit und Neutralisierungsleistungen in einem faßbar und mit Hilfe einer eigenen Unterscheidung, die in der Sachwelt kein Gegenstck hat, nmlich rein quantitativ disponierbar macht.130

Als Abschluss der Reihe unterschiedlicher Tauschkonzeptionen soll ein Theoretiker vorgestellt werden, der den Tausch, anders als die vorangehenden Theoretiker, marginalisiert. Luhmann erklrt den Tausch zu einem »Nebeneffekt der Institutionalisierung von Eigentum«131 und kritisiert damit den fundamentalen Status, den die klassischen çkonomischen Theorien dem Tausch zuschreiben. Seine Analyse des Wirtschaftssystems stellt deshalb nicht den Tausch ins Zentrum, sondern Eigentum und Geld, die er als Kommunikationsmedien fasst. Damit erçffnet Luhmann eine von den klassischen çkonomischen Theorien deutlich unterschiedene Perspektive auf wirtschaftliche Handlungen: Er konzipiert sie nicht primr als effiziente Verteilung vorhandener Ressourcen, sondern als Kommunikation.132 Im Folgenden werde ich einerseits Luhmanns Geldtheorie und deren Konsequenzen fr den Tausch, andererseits seine Erklrung der auch in den Mren verbreiteten Geldkritik vorstellen.133

Die universalisierende und die spezifizierende Wirkung von Geld Luhmann versteht Geld als ein Medium, dem nicht bloß eine Substitutionsoder Zeichenfunktion in Bezug auf reale Werte zukommt, sondern das das wirtschaftliche Handeln entscheidend prgt. Deshalb fragt er, wie die Einfhrung von Geld den Handel prinzipiell verndert hat. Es geht ihm dabei aber 130 Luhmann (1988), S. 256 f. 131 Ebd., S. 190. 132 Luhmann kritisiert mehrere zentrale Annahmen der klassischen çkonomischen Theorie, auf die hier nicht eingegangen werden kann: so z. B. das Marktgleichgewicht als Ausgangspunkt der Theorie (ebd., S. 17, 54), das Verstndnis der Arbeit als Produktivkraft (ebd., S. 151 – 176), die Wichtigkeit der Konkurrenz (ebd., S. 101 – 108) oder die Konzeption der Wirtschaft als Bedrfnisbefriedigung (ebd., S. 63 – 68). 133 Luhmanns Theoriegebude ist bekanntlich ußerst homogen, deshalb aber auch von zentralen Prmissen (und den damit einhergehenden Begrifflichkeiten) abhngig. Es stellt sich daher die Frage, wie einzelne Ausschnitte vorgestellt und als Anregung benutzt werden kçnnen, ohne alle Grundbausteine der Theorie vorzustellen und zu bernehmen. Der folgende Versuch basiert darauf, dass die zentralen Begriffe z. T. bersetzt, z. T. erklrt werden. Ebenso werden nur die wichtigsten methodischen Vorannahmen in den Fußnoten eingefhrt. Zu den problematischen Voraussetzungen der Luhmann’schen Systemtheorie Koschorke/Vismann (1999).

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2. Konfigurationen des Tauschens

weniger um die ›realen‹ historischen Vernderungen, sondern um eine systematische Analyse des Mediums Geld. Luhmann zufolge ist Geld deshalb so weit verbreitet, weil es zugleich universalisierend und spezifizierend wirkt.134 Die universalisierende Wirkung von Geld besteht darin, dass sich prinzipiell alles monetr bewerten lsst: »Alles erscheint als kuflich, selbst Seelenheil, selbst Staaten, selbst politische mter […].«135 Diese universalisierende Wirkung erzeugt das Geld durch seine hohe Anschließbarkeit. Geld muss ausgegeben werden, damit man einen konkreten Nutzen davon hat, und dadurch motiviert das Geld seine eigene Zirkulation.136 Dies verndert auch das Begehren, das durch Geld erzeugt wird. Denn whrend der Tausch von Sachleistungen auf einer Gterknappheit beruht, die ontologisch vorgegeben ist, erzeugt das Geld eine Knappheit (Geldknappheit), die unendlich ausdehnbar ist. D. h. das Streben nach Geld ist auch dann noch mçglich, wenn alle erdenklichen Wnsche nach Gtern bereits erfllt sind.137 Deshalb verweist das Geld Luhmann zufolge auch nicht zeichenhaft auf die Gterknappheit, sondern verdoppelt vielmehr dessen Knappheit.138 Es erzeugt den Eindruck der Knappheit und dies hat zur Folge, dass nicht nur Sachgter, sondern z. B. auch Liebe, Ehre und Ruhm monetr bewertet und erwirkt werden kçnnen. Neben dieser universalisierenden hat das Geld jedoch auch eine spezifizierende Wirkung: Es bietet z. B. nur ganz wenige Informationen, nmlich 134 Gemß Luhmann ist Geld ein »symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium«. Darunter versteht er Medien, die dazu dienen, Kommunikation effizienter zu machen; Bevorzugte Beispiele fr symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien sind Eigentum/Geld, Macht/ Recht, Wahrheit und Liebe. Sie haben die Aufgabe, die Mçglichkeiten, was kommuniziert wird, einzuschrnken (»Selektion«) und zugleich die Wahrscheinlichkeit einer Annahme zu erhçhen (»Motiviation«). Sie erreichen dies durch eine binre Codierung; d. h. sie richten ein System auf nur zwei Optionen aus; das Wirtschaftssystem auf »Zahlung/Nichtzahlung«; das Wissenschaftssystem auf »wahr/falsch« etc. Man kçnnte die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien als Metamedien bezeichnen, weil sie Kommunikation ber Kommunikation sind; d. h. sie kommunizieren Kommunikationsmçglichkeiten; zu deren Theorie, vgl. Luhmann (1997), S. 316 – 393, hier S. 332, 336, 321, 359 f. 135 Luhmann (1988), S. 195. 136 Ebd., S. 253: »[Geld] hat keinen verwendungsunabhngigen Eigenwert. Daher ist Geld der systeminternen Dauerstimulation ausgesetzt, ausgegeben zu werden. Es zirkuliert und verteilt dadurch die Knappheit im System […].« Das nennt Luhmann auch »Iterierbarkeit« (ebd., S. 65). 137 Luhmann diskutiert in dem Kontext auch Girards mimetisches Begehren. Dessen Problematik liege »in der Einseitigkeit, mit der der Mensch auf dsir und rivalit mimtique hin interpretiert« werde (ebd., S. 182 f.). Luhmann versucht Girards mimetisches Begehren zu verallgemeinern (und von den anthropologischen Prmissen zu lçsen), indem er von einem »Knappheitsparadox« spricht: Jeder individuelle Versuch, Knappheit zu beseitigen, erzeugt eine neue Knappheit, weil dadurch einem anderen etwas weggenommen wird; ebd., S. 159; Luhmann (1997), S. 348. Innerhalb der Luhmann’schen Theorie hat dieses Paradox, so scheint mir, aber dennoch eine hnlich begrndende Funktion wie anthropologische Konstanten in anderen Theorien. 138 Gemß Luhmann gibt es zwei parallele wirtschaftliche Zirkulationskreislufe, einer des Geldes und einer der Gter; Luhmann (1988), S. 194 – 201, 131 – 150.

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einen quantifizierten (nominalen) Wert.139 Dieser Wert zeigt nicht an, woher das Geld stammt, welche Motivationen mit einer Zahlung verbunden sind oder welcher soziale Rang den Tauschenden zukommt. Geld wird deshalb auch als ›semantisch arm‹ bezeichnet. Seine universelle Anwendbarkeit verdankt es seiner Spezifikation: Indem es nur wenig, aber relativ eindeutige Informationen (nominaler Wert) liefert und vom aktuellen Kontext kaum affiziert wird, lsst es sich ›berall‹ einsetzen.140 Aber die Spezifikation des Geldcodes fhrt auch zu dessen ›Immunisierung‹. Der mit dem Geld verbundene Code (monetrer Wert) kann nicht – oder nur mit großen Schwierigkeiten – in andere Codierungen wie ›Liebe/Nicht-Liebe‹ oder ›wahr/falsch‹ bersetzt werden.141

Der bergang vom Tausch- zum Geldhandel Die Luhmann’sche Systemtheorie geht davon aus, dass die moderne Gesellschaft eine »funktional ausdifferenzierte« sei: einzelne Bereiche (i. e »Systeme«), z. B. Recht, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, sind nicht hierarchisch, sondern funktional voneinander geschieden, weil sie ihren Zugang zur Welt (»Umwelt«) mit Hilfe von je eigenen Operationen (z. B. Zahlungen) gestalten.142 Die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien – und dazu gehçrt auch das Geld – bringen gemß Luhmann diese Ausdifferenzierung in Gang.143 D. h. das Geld fungiert als »Katalysator« der Ausdifferenzierung, weil es durch die spezifische Codierung Anschließbarkeit produziert und so 139 Ebd., S. 239 f. 140 Ebd., S. 20, 247, 305 – 307; Luhmann (1997), S. 389, 362. 141 Ebd., S. 361. Vgl. weitere nicht primr systemtheoretische Anstze zur Medialitt von Geld, die jedoch in Vielem an Luhmanns Thesen anschließen: Krmer (2008), S. 159 – 175; Winkler (2004), S. 36 – 49. 142 Das Nebeneinander unterschiedlicher Systeme darf also in keinem Fall rumlich gedacht werden: Ereignisse geschehen immer sowohl im System als auch ›außerhalb‹ des Systems (»Umwelt«). Das System bildet sich durch die Abgrenzung gegenber einem ›Außen‹ aus (»System/ Umwelt-Differenz«), indem innerhalb des Systems Bedingungen herrschen (z. B. monetrer Code), die keine Entsprechungen in der »Umwelt« haben. Dabei wird das ›Außen‹ (»Umwelt«) nur in systeminternen Begrifflichkeiten wahrgenommen, die die Komplexitt des ›Außens‹ (»Umwelt«) reduzieren. Die Systembildung geschieht u. a. dadurch, dass die das System konstituierenden Operationen systemintern reproduziert werden (z. B. die Zahlungen). Zugleich ist ein System immer von externen Faktoren (»Umwelt«) abhngig und bezieht sich auf sie. Zumindest der spte Luhmann geht davon aus, dass geschlossene Systeme nur als offene mçglich sind, d. h. dass sie sich sowohl auf sich selbst beziehen mssen als auch auf die Umwelt (i. e. Koppelung von Selbst- und Fremdreferenz). Vgl. zum Systembegriff im Allgemeinen Luhmann (1999), S. 30 – 92; Baraldi/Corsi u. a. (1997), S. 195 – 199, sowie in Bezug auf das Wirtschaftssystem Luhmann (1988), S. 14 – 16, 43 – 90, 131 – 134. 143 Luhmann (1997), S. 392: »Die fr die Systembildung nçtige Codierung, deren Programmtypik und deren Sondersemantik kann auf provisorischer Basis vorbereitet werden.«

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2. Konfigurationen des Tauschens

letztendlich ein System erzeugt.144 Doch darf eine solche Abgrenzung (operative Geschlossenheit) gegenber anderen Systemen nicht rumlich verstanden werden. Vielmehr sind alle noch so unterschiedlichen Dinge nur als monetre Werte Teil des Wirtschaftssystems. Werden dieselben Dinge in ihrer Materialitt oder gemß ihrem persçnlichen Wert betrachtet, gehçren sie zum ›Außen‹ (Umwelt) des Wirtschaftssystems. Die Ausdifferenzierung des Wirtschaftsystems lsst sich gemß Luhmann nicht eindeutig fixieren, er datiert sie zwischen dem Beginn des 17. und dem Ende des 18. Jahrhunderts.145 Fr sein Verstndnis des Tausches spielt diese Grenze jedoch eine nicht unbedeutende Rolle. Denn Luhmann unterscheidet wiederholt zwischen dem Tausch vor der Ausdifferenzierung der Geldwirtschaft und in derselben sowie zwischen Gteraustausch und Geldtausch (i. e. Kauf). In Bezug auf diese Unterscheidung argumentiert Luhmann interessanterweise ganz hnlich wie Mauss und Bourdieu. Den vormodernen Gteraustausch beschreibt er als einen Vorgang, der sich – im Unterschied zum Geldhandel – nicht vom sozialen Kontext lçst. Beim Tausch wrden dementsprechend neben den wirtschaftlichen immer auch soziale Beziehungen ausgehandelt. Es herrsche ein »Regime der moralisch generalisierten Reziprozitt«, also die Verpflichtung, sogenannte Geschenke zu erwidern. Tausch und Gabe wrden deshalb die gesellschaftlichen Asymmetrien (z. B. ein unterschiedlicher Stand) perpetuieren, ohne dass die Beteiligten dies erkennen kçnnten.146 Bei der Ausdifferenzierung des Wirtschaftssystems verliert der Tausch gemß Luhmann seine ›Multifunktionalitt‹. Er hat nun außerhalb des Wirtschaftssystems keine Geltung und Funktion mehr, da das Geld »den Tausch auf den Umgang mit Knappheit […] spezialisier[t]«.147 Eine weitere Vernderung sieht Luhmann darin, dass im Tauschhandel das Eigentum den Tausch ›dominiert‹. D. h. in einem statischen System ermçglicht der Tausch einzelne Vernderungen. Durch das Geld entsteht hingegen ein dynamisches System. Dessen Stabilitt wird nicht mehr statisch durch das Eigentum, sondern durch die Tauschhandlungen, d. h. durch die Zirkulation von Geld garantiert.148 Luhmann beschreibt den modernen Geldtausch als »Kommunikation, die die Asymmetrie der Leistungen resymmetrisiert«.149 Das bedeutet jedoch nicht, dass beim Tauschen keine Asymmetrien entstehen wrden. Denn beim Tauschen werden nur die Leistungen resymmetrisiert, nicht aber die unterschiedlichen Interessen der beiden Tauschpartner oder die Heterogenitt von 144 Ebd., S. 387 – 392; zur Ausdifferenzierung allg. vgl ebd., S. 707 – 775. 145 Luhmann (1988), S. 194 f., 77. 146 Ebd., S. 190; vgl. auch ebd., S. 57, 198 – 201, 307. Kritik an dieser Konzeption des vormodernen Tauschens wurde bereits im Anschluss an Mauss und Bourdieu gebt; in Bezug auf Luhmann s. u. 147 Ebd., S. 199. 148 Ebd., S. 190 – 197. 149 Ebd., S. 256.

Die Medialitt von Geld

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Geld und Sachleistung. Zudem erzeugt der Tausch, so Luhmann, eine weitere wichtige Asymmetrie, nmlich diejenige zwischen den am Tausch Partizipierenden und den davon ausgeschlossenen ›Dritten‹. Wer nicht am Tausch beteiligt ist – und ohne Geld kann man sich nicht beteiligen –, kann auch nicht ber die Verteilung von Gtern entscheiden.150

Geldkritik oder diabolische Universalisierung Luhmann versucht im Rahmen seiner Geldtheorie zu erklren, weshalb Geld so außerordentlich hufig moralisierend verurteilt wird. Die Argumente sind dabei ber die Jahrhunderte hinweg hnliche: ›Das Geld regiert die Welt‹ oder das Geld entwertet andere, wahre Werte wie Nchstenliebe oder Wahrheit.151 Dieser Vorwurf betrifft die bereits erwhnte universalisierende Dimension von Geld, die bewirkt, dass theoretisch ›alles‹ monetr bewertet werden kann. Historisch ist dies aber gemß Luhmann nur in unzureichend ausdifferenzierten Gesellschaften der Fall. Nur in solch »berpekuniarisierte[n] Verhltnisse[n]« werde Geld nicht als ein spezifischer Code unter anderen wahrgenommen, sondern als hçchster ›Wert‹, der hierarchisch alle anderen Werte dominiere. Nach der (vollstndigen) Ausdifferenzierung hat das Geld Luhmann zufolge aber nur innerhalb seines Systems Geltungskraft. Es bildet sich eine »Zusatzsemantik« aus, die verhindert, dass Wahrheit oder Liebe mit Geld gekauft werden kçnnen.152 Luhmanns historische Erklrung der Geldkritik als ein bergangsphnomen scheint mir allerdings nicht sehr berzeugend. Denn zum einen findet sich Geldkritik, wie Luhmann selbst betont,153 zu ganz unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlich organisierten Gesellschaften. Zum anderen kçnnen damit Grenzphnomene in ausdifferenzierten Gesellschaften wie z. B. die Prostitution, die von dieser Kritik tangiert sind, nicht erklrt werden. Neben der historischen bietet Luhmann aber auch noch eine systematische Erklrung der Geldkritik. Diese geht von der Kehrseite der Universalisierung 150 Damit kritisiert Luhmann den Liberalismus, der seiner Ansicht nach davon ausgeht, dass das, was zweien ntzt, allen ntzt (ebd., S. 254 f.). 151 Vgl. zu den systematisch unterschiedlichen Formen der Geldkritik: Hçrisch (1997), S. 683 – 685; zu den historischen Formen des Geldkritik vgl. u. a. Kap. 4 des vorliegenden Buches. 152 Luhmann (1988), S. 239; Luhmann (1997), S. 362; vgl. auch Luhmann (1988), S. 239: »Diese Universalisierung des Geldes erfordert ihrerseits im Kontext funktionaler Differenzierung die Ausklammerung von externfunktionalen, nicht çkonomisierbaren Relevanzen – sehr im Unterschied zu Gesellschaften mit nicht voll ausdifferenzierter konomie, wo man fr Geld so gut wie alles kaufen kann«. Luhmann erwhnt diesbezglich explizit das Sptmittelalter (ebd., S. 194). 153 Luhmann (1988), S. 140. Tendenziell unterstellt Luhmann teleologisch eine sich strker ausdifferenzierende Gesellschaft. Wie bereits erwhnt wrde ich dafr pldieren, von einer diskontinuierlichen Ausdifferenzierung auszugehen, die Ent- und Andersdifferenzierung miteinschließt.

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2. Konfigurationen des Tauschens

des Geldes aus:154 Whrend die universalisierende Dimension dazu fhre, dass alles noch so Unterschiedliche monetr bewertet werden kçnne, habe die entgegengesetzte ›diabolische Dimension‹ zur Folge, dass alle nichtçkonomischen Motive (caritas, Altruismus etc.) verleumdet werden: »[Das Geld] ist diabolisches Medium insofern, als es alle anderen Werte auf der Ebene des Codes neutralisiert und in den inferioren Status der Grnde fr Zahlungen bzw. Nichtzahlungen abschiebt.«155 Die binre Codierung des Geldes legt eine Interpretationslogik nahe, der zufolge jede Handlung auf einen çkonomischen Zweck (Gewinnmaximierung) ausgerichtet ist.156 Alle anderen Motive (wie Nchstenliebe etc.) erscheinen als sekundre, die letztlich doch der Gewinnmaximierung oder allenfalls ihrem Gegenteil (Verausgabung) dienen.157 Luhmanns systematische Erklrung der Geldkritik scheint mir anregender als seine historische, weil sie auf eine interpretatorische Gefahr hinweist. Viele Texte, die eine Universalisierung monetrer Werte kritisieren, leisten nmlich unwillkrlich einer dezidiert monetren Logik Vorschub. Sie richten die Aufmerksamkeit darauf, ob sich bestimmte Handlungen fr die Figuren trotz anderslautender Motive çkonomisch lohnen.158 Dies fhrt dazu, dass auch die Interpretierenden beginnen, ganz unterschiedliche Motive und Handlungen der Figuren unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung zu betrachteten – insbesondere, wenn sie sich fr die Figur auszahlen. Dadurch wird jedoch genau die von den Texten kritisierte Universalisierung der Geldlogik von den Erzhlern oder den Interpreten reproduziert, indem alle nichtgewinnmaximierenden Motive negiert bzw. als bloß sekundre behandelt werden.

2.10 Luhmann und die semantische Armut sowie die Potentialitt des Geldes in Mren An Luhmanns berlegungen zur Geldkritik wird sichtbar, dass seine systematischen Analysen ergiebiger sind als seine historischen. Dementsprechend bieten auch seine sporadischen und m. E. problematischen Bemerkungen zum Tauschen vor der Ausdifferenzierung der Geldwirtschaft wenig Anknpfungspunkte. Seine Geldtheorie scheint mir jedoch fr die Frage, weshalb bestimmte Tauschgeschfte mit Geld und andere mit Objekten abgewickelt 154 Vgl. dazu Luhmann (1997), S. 321. 155 Luhmann (1988), S. 245. 156 Ebd., S. 242: »Bei genauerem Zusehen liegt die Diabolik zunchst darin, daß das Geld andere Symbole, etwa die der nachbarlichen Reziprozitt oder die der heilsdienlichen Frçmmigkeit, ersetzt und eintrocknen lßt.« 157 Ebd., S. 245, vgl. auch S. 241. 158 Berking (1996), S. 215, beschreibt dies als historisch charakteristisches Moment der brgerlichen Schenkkultur. Diese sei »eine Kultur des Verdachts in dem Sinne, daß alle traditionalen Handlungsmotive des Gebens und Nehmens der antizipierenden Kalkulation individueller Vorund Nachteile supponiert werden.«

Luhmann und die semantische Armut

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werden, hilfreich. Damit soll keineswegs unterstellt werden, in den Mren seien bereits Anzeichen einer sich ausdifferenzierenden Geldwirtschaft wahrnehmbar. Es sind zwar Anstze zur Abgrenzung einzelner Bereiche beobachtbar, doch sind zur Beschreibung solcher Abgrenzungen (z. B. sexuelle vs. monetre Werte) Luhmanns Begriffe ›funktionale Ausdifferenzierung‹ und ›System‹ zu voraussetzungsreich.159 (1) Eine zentrale Rolle spielt in den Mren die sogenannte ›semantische Armut‹ von Geld. Objekte dienen in den Texten oft der Identittserkennung, whrend beim Geld genau solche Informationen fehlen. Die Erzhlungen nutzen diesen scheinbaren ›Informationsverlust‹ vielfach fr die Wissensdifferenzierung. D. h. der Lesende weiß mehr als die Figur, z. B. woher das Geld stammt, das sie ausgibt. Dadurch kçnnen nicht nur Spannungen erzeugt und paradigmatische Beziehungen sichtbar gemacht werden, sondern es lassen sich auch unterschiedliche Formen der Beziehungsstiftung gegeneinander abgrenzen. (2) Gemß Luhmann unterscheidet sich Geld von Sachleistungen u. a. durch seine Mçglichkeitsdimension (»Optionswert«): »[…] das Behalten des Geldes reprsentiert die Gesamtheit der anderen Verwendungsmçglichkeiten.«160 D. h. Geld muss zwar ausgegeben werden, damit man einen konkreten Nutzen davon hat, es bietet aber auch etwas, das jede konkrete ›Erfllung‹ nicht bieten kann, nmlich die Vielzahl der Mçglichkeiten. Die Texte nutzen diese ›Mçglichkeitsdimension‹ des Geldes zum einen dazu, Erzhlalternativen einzublenden, indem sichtbar wird, wofr das Geld sonst noch htte ausgegeben werden kçnnen. Zum anderen wird Geld mit dem Verhltnis von Potentialitt und Aktualisierung verknpft. Es steht in einzelnen Texten fr eine Potenz, von der unsicher ist, ob und in welcher Form sie sich aktualisiert. Damit kann die zeitliche Dimension von Geld bzw. (monetren) Werten hervorgehoben werden: Sie verdanken ihre Deckung Mçglichkeiten, die immer zuknftige sind. (3) Wie Simmel betont auch Luhmann, dass im Tausch Symmetrie und Asymmetrie verknpft werden. Doch im Unterschied zu Simmel sieht Luhmann die entscheidende Asymmetrie nicht zwischen den beiden Tauschpartnern (oder deren Prferenzen), sondern zwischen den Tauschenden und den davon Ausgeschlossenen. Da in den Mren vielfach drei Personen beteiligt sind, ist dies ein wichtiger Hinweis. Die Tauschhandlungen sind immer auf dem Hintergrund des Umstands zu sehen, dass Dritte zwar betroffen, aber trotzdem ausgeschlossen sind. Die Mren entwickeln komplexe Formen von Ein- und Ausschluss (z. B. durch Stellvertretung oder durch partielle Beteili159 Vgl. dagegen Hirschbiegel (1997), der im Rahmen seiner historischen Analysen den Hof als soziales System und den Gabentausch als Subsystem desselben fasst. Problematisch scheint mir daran u. a., dass er System und Subsystem tendenziell stabilisierend denkt: Sie seien darauf ausgerichtet, Erwartungssicherheit zu bieten (S. 122). 160 Luhmann (1988), S. 224, 198.

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2. Konfigurationen des Tauschens

gung einer Figur am Tausch) und entwickeln ihren Spannungsbogen anhand der Verschiebung dieses Verhltnisses. Dementsprechend soll nicht primr festgestellt werden, wer in Texten ein- und wer ausgeschlossen ist, sondern welche narrative Dynamik durch Inklusion und Exklusion erzeugt wird.

2.11 Erweiterte Perspektive auf das Tauschen in den Mren Die Vorstellung der verschiedenen Tauschkonzeptionen hatte zum Ziel, Aspekte und Dimensionen des Tauschens aufzuzeigen und dabei Begriffe fr die Analyse von Tauschgeschften zu entwickeln. Abschließend mçchte ich die durch die theoretische Diskussion geschrfte und erweiterte Fragestellung explizieren und den dabei verwendeten Tauschbegriff in Abgrenzung von den vorgestellten Tauschkonzeptionen genauer konturieren. Es fllt auf, dass die meisten hier behandelten Theoretiker den Tauschbegriff in Auseinandersetzung mit dessen sogenannten ›Anderen‹ entwickeln: Sie grenzen ihn von der Gabe, im Sinne von Verausgabung und Nichtreziprozitt, aber auch vom Geldtausch oder von der ›Wechselwirkung‹, also einem symbolischen, nicht intentionalen Austausch, ab. Gegen diese Methodik der Begriffsbestimmung wenden sich Bourdieu und Derrida, wenn sie die Unterscheidung zwischen Zentrum und Peripherie des Tauschbegriffs, also zwischen konomischem und Ançkonomischem, problematisieren. Die çkonomische Logik, so argumentieren sie, prgt auch noch ihren Gegenbegriff und ist deshalb in ihrem scheinbaren ›Außen‹, dem Ançkonomischen, genauso prsent wie im Tausch. Dabei impliziert die Unterscheidung zwischen Tausch und Gabe bzw. zwischen konomischem und dem Ançkonomischem eine Wertung zugunsten des Ançkonomischen, ohne dass diese systematisch oder historisch reflektiert wird. Zudem wird im Tausch, wie Simmel hervorhebt, nicht nur Inkommensurables kommensurabel gemacht, vielmehr werden auch die berschsse, die bei der Herstellung von Kommensurabilitt entstehen, sichtbar. Aus all diesen Grnden wird in dieser Arbeit nicht von einer Opposition zwischen Tausch und Gabe, zwischen konomischem und Ançkonomischem ausgegangen, sondern von einem diese Phnomene umfassenden, prozessualen Tauschbegriff. Dieser soll einander entgegengesetzte Momente (wie Kommensurabilitt und Inkommensurabilit, Differenzierung und Entdifferenzierung, Kooperation und Agonalitt, Gesellschaftsstiftung und -destabilisierung) beinhalten.161 Anhand der Diskussion der verschiedenen Tauschkonzeptionen wurde jedoch nicht nur die Problematik der Opposition von Gabe und Tausch, 161 Margreth Egidi (2008b), S. 16, weist anhand der Mauss- und Simmel-Rezeption berzeugend nach, dass mittels der Unterscheidung von Tausch und Gabe die Ambivalenzen, die fr das Tauschen und Geben gleichermaßen konstitutiv sind, eliminiert werden, indem sie auf zwei separate Begriffsfelder aufgeteilt werden.

Erweiterte Perspektive auf das Tauschen

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sondern auch die des Reziprozittsbegriffs deutlich: Die Frage nach Reziprozitt (oder quivalenz) setzt die Mçglichkeit derselben voraus, so dass gerade die fr die Mren entscheidenden berschssigen Effekte des Tauschs von Heterogenem sowie die Zeitlichkeit der ›Herstellung‹ von Reziprozitt nicht gefasst werden kçnnen. Reziprozitt wird deshalb in der vorliegenden Arbeit nicht als analytischer, sondern nur als deskriptiver Begriff benutzt. D. h. es wird gefragt, wie die Texte Reziprozitt thematisieren bzw. wie die Figuren mit Reziprozittsnormen argumentieren, aber nicht, ob zwei Geschenke (oder Handlungen) reziprok sind. Stattdessen wird der Prozess der Reziprozittsherstellung analysiert sowie das, was mit der Feststellung von Reziprozitt nicht gefasst werden kann: die Prozesshaftigkeit und Ereignishaftigkeit des Tauschens. Diese berlegungen begrnden auch, weshalb das substantivierte Verb ›Tauschen‹ und nicht das Nomen ›Tausch‹ als Titelbegriff gewhlt wurde. Es impliziert einen offenen Prozess und nicht wie das Substantiv einen (durch Reziprozitt oder quivalenz) abgeschlossenen Vorgang. Das ›Tauschen‹ wird somit in dieser Arbeit als Oberbegriff fr ganz unterschiedliche Formen von bergaben verwendet: fr den ausgehandelten zweckrationalen Tausch zweier Gegenstnde, fr Zins- und Pfandgeschfte, aber auch fr Geschenke, von denen man nicht weiß, ob und wie sie erwidert werden, und selbstredend fr den Handel minne gegen Geld oder Geschenk. Diese Handlungen mssen aus bereits dargelegten Grnden weder reziprok noch zweckrational sein; sie sollen aber auch nicht als Ausprgungen eines universellen Prinzips verstanden werden, das (im Sinne Mauss’ oder Simmels) das gesamte gesellschaftliche Leben prgt. Um den Begriff des Tauschens von einem solch allgemeinen Prinzip der ›Wechselwirkung‹ abzugrenzen, mçchte ich vorschlagen, dass zumindest ein materieller Gegenstand (wenn auch nur als versprochener) beteiligt sein sollte.162 Dies ist eine Entscheidung, die ich vor allem durch das Material begrnden mçchte. Die schwankhaften Mren thematisieren – neben der Sexualitt – nur selten immaterielle Leistungen wie Verzicht oder Gesang, sondern erzhlen von materiellen Gewinnen, seien es Geld, Gegenstnde oder schriftlich verbrgte Privilegien. Eine solche Fokussierung auf immer auch materielle Tauschhndel kommt zugleich der im ersten Kapitel beschriebenen Frage nach textuellen Bewegungen entgegen. Da gerade die materiellen Tauschobjekte in einer Erzhlung auf mehreren Ebenen benannt werden (vom Erzhler, von den Figuren) und dabei unterschiedliche Wertzuschreibungen (monetre, symbolische Werte) erfahren, sind daran hufig ebenenbergreifende Verschiebungen zu beobachten. 162 Wagner-Hasel (2000), S. 59, stellt im Rekurs auf Weiner (1992) die Materialitt des Getauschten ins Zentrum ihrer Analyse von Tauschvorgngen in der Antike. Dabei ist sie jedoch als Historikerin weniger an den narrativen und semiotischen Dimensionen von Materialitt interessiert, sondern fragt nach der damit verbundenen Reproduktion von gesellschaftlichen Werten.

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2. Konfigurationen des Tauschens

Man kçnnte nun versucht sein, den Tauschbegriff auf semantische Bewegungen, den Austausch von Diskursen163 oder das ›Vertauschen‹ von Figuren auszuweiten. Dies sind zweifelsohne Phnomene, die mich in dieser Arbeit interessieren. Doch haben meiner Ansicht nach die vorangehenden berlegungen der einzelnen Theoretiker gezeigt, dass eine solche Ausweitung des Tauschbegriffs mit einem Verlust an analytischer Schrfe und methodisch problematischen Prmissen ›erkauft‹ wrde. Den Gegenstandsbereich, der mit dem Begriff ›Tauschen‹ gefasst wird, mçchte ich deshalb auf die intradiegetischen Handlungen beschrnken, die textuellen Austauschprozesse werden dagegen mit einer – ebenfalls nicht unproblematischen Metaphorik – als narrative konomie164 bezeichnet. Diese Bezeichnung soll einerseits den Bezug zum intradiegetischen Tauschen hçrbar machen, andererseits aber auch die Ebenendifferenz prsent halten. Abschließend mçchte ich die anhand der theoretischen Diskussion erweiterte Fragestellung der Arbeit in fnf Punkten zusammenfassen: Erstens soll – im Anschluss an Bourdieu und Simmel – nach den Konversionen gefragt werden, die beim Tauschen stattfinden: Was passiert mit Gegenstnden oder Leistungen, wenn sie durch einen Tausch gleichgesetzt werden? Dabei sollen insbesondere die ›Konversionskosten‹ ins Auge gefasst 163 Hierbei ist insbesondere an Greenblatt (1990), S. 12 f., zu denken, der Literatur – und Literaturwissenschaft – als »kollektiven Tauschprozess« versteht; vgl. dazu Haselstein (1997). 164 »Erst seit der Aufklrung ist der Begriff der konomie zu einer Bezeichnung fr wirtschaftliche Sachverhalte im engeren Sinn geworden«; Vogl (2002), S. 11. Ausgehend von Aristoteles steht oikonomia in der griechischen Antike fr die Verwaltung (eines Hauses) in Abgrenzung zum Handel (Chrematistik); vgl. dazu Kap. 3.1 des vorliegenden Buches. Agamben (2005) hebt hervor, dass Paulus und die an ihn anschließenden christlischen Theologen in der Sptantike »oikonomische Termini« verwenden, um innertrinitarische Beziehungen, aber auch das Verhltnis der Glieder der christlichen Gemeinschaft zueinander zu beschreiben (S. 29). Das Verblassen dieser çkonomischen Begrifflichkeit in der Theologie htte, so Agamben, deren Skularisierung im wirtschaftlichen Bereich ermçglicht. Agamben nutzt dies, um die gegenwrtige »immanent-çkonomische Ordnung […] als Paradigma der Humanwissenschaften« zu kritisieren (S. 30); vgl. dazu auch Agamben (2007). Mir scheint diese Rekonstruktion einer historischen Semantik von konomie und deren Wandel ußerst problematisch. Agamben macht jedoch deutlich, dass es ertragreich sein kçnnte, die vormoderne, insbesondere die mittelalterliche historische Semantik von oeconomia aufzuarbeiten. Vgl. die ersten Anstze bei Rabe/ Dierse (1984), Burkhardt/Priddat (2000). konomie bzw. oeconomia steht, so ist zu vermuten, weniger fr ein Tauschsystem oder die Zirkulation von Gtern als vielmehr fr Distribution und Verwaltung. Rabe/Dierse (1984), Sp. 1153 – 1157, weisen fr den theologischen Bereich zudem dominant die Bedeutung von konomie als ›Heilsplan‹ oder ›Ratschluss Gottes‹ nach. Diese komplexe Begriffsgeschichte kann hier nicht aufgearbeitet werden. Der Begriff der ›narrativen konomie‹ wird in dieser Arbeit deshalb im Anschluss an die moderne Begrifflichkeit verwendet, weil ›konomie‹ anders als ›Tausch‹ auch die Zirkulation impliziert. ›Narrative konomie‹ soll somit die Verschiebungen und Zirkulationen von Erzhlelementen ber die Erzhlebenen hinweg beschreiben. Im Titel soll der Begriff der ›konomie‹ berdies andeuten, dass es bei den analysierten Tauschgeschften nicht nur um den Gtertausch geht, sondern auch um das Medium Geld, das insbesondere in narrativer Hinsicht an Bedeutung gewinnt.

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werden: Welche berschssigen Effekte entstehen dadurch, dass im Tausch Unterschiedliches gleichgesetzt wird? Solche Effekte mçchte ich nicht nur in der Handlungswelt, sondern in ihrer Verstrickung mit der Darstellung (Konkretisierungen von Metaphern, metonymische bertragungen etc.) analysieren. Tauschprozesse und textuelle Prozesse sind sich nmlich in dem Sinne hnlich, dass sie konkretisierend und abstrahierend zugleich verfahren. Das scheinbar Abstrakte (Werte und Bedeutungen) ist immer auch konkret (Tauschgegenstnde, Signifikanten) und diese gegenseitige Bedingtheit erzeugt Effekte, die zu neuen Verschiebungen fhren. Zweitens mçchte ich – mit Rckgriff auf Bourdieu und Luhmann – die mit den Tauschgeschften verbundenen Differenzierungen und Entdifferenzierungen untersuchen: Wie werden durch das Erzhlen vom Tauschbaren und Nichttauschbaren semantische oder diskursive Grenzen gesetzt und welche Grenzen werden durch das Tauschen aufgelçst oder unterwandert? Drittens soll – im Rekurs auf Mauss und Derrida – die Zeitlichkeit des Tauschens untersucht werden. Was geschieht narratologisch, wenn Gabe und Rckgabe zeitlich auseinanderliegen, wenn Objekte mehrmals auftauchen oder wenn Geld von Figur zu Figur ›wandert‹? Ich mçchte fragen, wie die Texte solche Phnomene nutzen, um Zeitebenen zu vervielfachen, den Text paradigmatisch zu verdichten oder intertextuelle Bezge zu stiften. Dabei soll mit Hilfe von Luhmann insbesondere die zeichentheoretische bzw. narrative Funktion von Geld untersucht werden. Viertens mçchte ich fragen, wie der Tausch Figuren- und Begehrenskonstellationen dynamisiert. Im Anschluss an Luhmann gilt es bei einem Tausch nicht nur das Verhltnis der beiden Tauschpartner zueinander, sondern auch dasjenige der Tauschenden zu den ausgeschlossenen Dritten zu beachten: Wie fhren die Tauschgeschfte zu In- oder Exklusionen und wie verschieben sich diese im Verlauf der Erzhlung? Fast alle Tauschgeschfte in den Mren spielen sich in einem (allenfalls erweiterten) erotischen Dreieck ab. Wie mit Simmel gezeigt werde konnte, kann man Tauschen und Begehren als sich gegenseitig bedingend denken. Es ist daher zu fragen, wie deren perpetuierendes Zusammenspiel – jeder Tausch erzeugt neues Begehren und so auch wiederum neue Tauschgeschfte – die syntagmatische Ebene der Texte prgt. Daneben treffen in den Tauschgeschften in den Mren unterschiedliche Formen von Begehren (etwa nach Materiellem und Sexuellem) zusammen, und es ist zu fragen, wie diese konzipiert und gegeneinander abgegrenzt werden. Fnftens kann das Verhltnis der Tauschpartner in den Mren als eines von Agonalitt und Kooperation beschrieben werden. Die Tauschpartner wollen sowohl kooperieren als auch den grçßtmçglichen Vorteil erreichen. Im Rekurs auf Mauss und Bourdieu erscheint das Tauschen dadurch als Prozess, der zugleich integrativ und destabilisierend wirkt. Die Texte nutzen dies, um Spannung aufzubauen und diese auch ber lngere Zeit zu halten. Denn meist lçst ein abgeschlossener Tausch die Spannung nicht auf (die Hierarchie der

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2. Konfigurationen des Tauschens

Figuren wird nicht endgltig geklrt), sondern es werden nur die Ausgangsbedingungen verschoben, so dass – zumindest theoretisch – von Neuem begonnen werden kçnnte.

Der ›gerechte Preis‹ bei Thomas von Aquin

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3. Mittelalterliche Diskurse des Gebens und Tauschens Nachdem im letzten Kapitel von kulturtheoretisch-philosophischen Diskussionen des 20. Jahrhunderts ausgegangen wurde, sollen in diesem Kapitel mittelalterliche Diskurse des Tauschens behandelt werden. Dieses Thema ist selbstredend zu umfangreich, als dass hier eine Diskursgeschichte des Tauschens auch nur skizziert werden kçnnte. Stattdessen sollen anhand ausgewhlter Texte einzelne Diskurspositionen zum Tauschen und Geben herausgearbeitet und zugleich medivistische Forschungen zu Gabe und Tausch diskutiert werden. Es wird einerseits zu zeigen sein, dass das Tauschen je nach Textsorte und Diskurs verschieden konzipiert und in unterschiedliche ›literarische‹ Strategien eingebunden wird. Andererseits lassen sich ber die Diskurse hinweg hnliche Problemkonstellationen beobachten: Worin besteht der Wert des Getauschten? Wie lassen sich symbolische und materielle Werte gegeneinander aufrechnen? Wann ist ein Austausch reziprok? Die drei ausgewhlten Diskurspositionen wurden nicht aufgrund ihrer Nhe zu den Mren ausgewhlt, sondern um ein breites Spektrum an narrativen und nichtnarrativen Tauschkonzepten aufzeigen zu kçnnen. Am Beginn wird die scholastische Diskussion um den ›gerechten Preis‹ (pretium iustum) vorgestellt. Im zweiten Teil wird auf die Kaufmannsgestalt in der mittelalterlichen Literatur und hier insbesondere auf den Guoten GÞrhart des Rudolf von Ems eingegangen. Zum Schluss wird die hçfische Tugend der milte in drei unterschiedlichen Textgattungen (Epik, Sangspruch, Exemplum) behandelt.1

3.1 Der ›gerechte Preis‹ (pretium iustum) bei Thomas von Aquin Im Mre Der Sperber2 schlgt ein Ritter einem Mdchen vor, seinen Vogel gegen ihre minne zu tauschen. Obwohl das Mdchen glaubt, nicht im Besitz der minne zu sein, lsst sie den Ritter danach suchen. Nach dem zweimaligen Geschlechtsakt fordert das Mdchen den Ritter auf, noch mehr minne zu nehmen. 1 Die pauschale Kritik an Tausch, Kauf und Geld wird in diesem Kapitel nur am Rande thematisiert, obwohl sie sich auch immer wieder in literarischen Texten findet; vgl. dazu Kap. 4 und 5 des vorliegenden Buches. Ein weiteres zentrales Thema, das in diesem Kapitel nicht zur Sprache kommt, ist das Verhltnis des hçfischen Liebesdiskurses zu Reziprozitt und Verausgabung. Dazu gibt es knftig die umfassende und berzeugende Arbeit von Egidi (2008b); vgl. zudem Classen (2001), S. 592 – 599; Fischer (2006), insbes. S. 64 – 71; Schallenberg (2006), 87 – 97; Egidi (2008a) sowie die Ausfhrungen im Kap. 4.1 des vorliegenden Buches. 2 Zitiert wird nach Schmid, Cod. Karlsruhe 408, S. 189 – 197, da Grubmller, Novellistik, S. 568 – 689, die nicht unproblematische Edition von Niewçhner, Sperber, S. 15 – 44, bernimmt. Zur berlieferung vgl. ebd., S. 6 – 14; Grubmller (1996c), S. 1210 – 1212; die bersetzung folgt Grubmller, Novellistik, S. 568 – 589.

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3. Mittelalterliche Diskurse des Gebens und Tauschens Jr nempt hyn euwer mynne gar, Daa ich euch recht mit gevar, Vnd daa ich mich nicht versfflnd. Jr mercket, waa ich euch kfflnd: Wer ein gfflt also gewynnet, Vnd er sich dar vmb versynnet, Daa ers nicht gar vergolten hat, Daa ist ein grß missetat. (V. 177 – 184) Nehmt eure Minne ganz, damit ich euch recht behandle und mich nicht versndige. Gebt Acht, was ich euch sage: Wer etwas erwirbt und es darauf anlegt, es nicht vollstndig zu bezahlen, das ist eine schlimme Untat.

Das Mdchen beruft sich hier auf das moralphilosophische Postulat des ›gerechten Preises‹ (pretium iustum): Wer weniger fr ein Gut bezahlt, als es wert ist, bereichert sich unverhltnismßig und begeht damit eine Snde. Der ›gerechte Preis‹ ist ein Konzept, das wirtschaftstheoretische berlegungen von der Antike bis ins Sptmittelalter prgt. Es findet sich im rçmischen und kanonischen Recht, in der Scholastik, aber auch in Stadtrechten, Bußbchern und Akten von Kirchenkonzilen.3 Ohne hier einen direkten Bezug zwischen dem Sperber und scholastischen Diskussionen postulieren zu wollen, mçchte ich im Folgenden einen Ausschnitt dieser Diskussion, nmlich Thomas von Aquins Auseinandersetzung mit Aristoteles, genauer vorstellen. Denn in den scholastischen berlegungen zum ›gerechten Preis‹ werden Tauschdynamiken erkennbar, die, so die These, in ganz anderer Form auch die Mren prgen.4 Aristoteles unterscheidet bekanntlich in der Politik zwischen dem Tauschhandel im Rahmen der oikonomia (Hausverwaltung)5 und demjenigen im Rahmen der chrematistik (Erwerbskunst). Der Unterschied besteht nicht in 3 Zur Diskussion um das pretium iustum in der Antike vgl. Herrmann (1982); bei den Kirchenvtern Schreiber (1913), S. 9 – 14; Baldwin (1959), S. 12 – 16; im rçmischen und kanonischen Recht Baldwin (1959), S. 16 – 57; im Frhmittelalter Welti (1996); in den Bußbchern Langholm (2003), S. 235; im Sptmittelalter Goetz (1982). 4 Damit wird nur ein ganz punktueller Ausschnitt prsentiert – sowohl aus dem Feld der scholastisch-çkonomischen Diskussion (in der etwa auch die Fragen des Zinsnehmens, der Lohnarbeit und des Eigentums wichtig sind) als auch aus dem Feld der sogenannten scholastischen konomen, wo Thomas’ Thesen Teil einer breiten Tradition sind, die von ihm keineswegs (weder reprsentativ noch additiv) abgedeckt wird; vgl. Langholm (1992), S. 12 f. Thomas wurde ausgewhlt, weil er das pretium iustum relativ ausfhrlich und prgnant diskutiert und weil sich sein Einfluss auf sptmittelalterliche Diskurse relativ gut nachweisen lsst; vgl. dazu Ruh (1980), S. 318 – 321. 5 Das Haus (Oikos) ist der Menschenverbund, der unter der Leitung eines Hausverwalters zusammenarbeitet. Diese Einheit ist zwar Teil der Natur, geht dem Staat aber nicht voran, sondern ist ohne Polis nicht denkbar; vgl. Koslowski (1979), S. 46.

Der ›gerechte Preis‹ bei Thomas von Aquin

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der Form, sondern im Zweck des Handelns. Der Handel im Rahmen der oikonomia ist ausschließlich auf Bedrfnisbefriedigung ausgerichtet. Dementsprechend ist er maßvoll, steht im Einklang mit der Natur und dient letzten Endes dem ›glcklichen Leben‹. Dagegen wird in der chrematistik das Mittel (Geld) zum Zweck und ist deshalb nicht mehr auf das ›glckliche Leben‹ ausgerichtet.6 Zum Selbstzweck geworden kennt das Gewinnstreben keine Grenzen.7 Aristoteles knpft diese negativen Seiten der chrematistik eng an die Geldwirtschaft: Verliert das Geld seine rein instrumentelle Funktion, wird es ›unnatrlich‹ produktiv (z. B. beim Zinsgeschft) und schafft ein ›maßloses Begehren‹.8 Whrend also aus dem Handel im Rahmen der oikonomia ein ›natrliches‹ Gleichgewicht resultiert, hat die chrematistik gemß Aristoteles Mangel und berschuss zur Folge. Aristoteles widmet dieser Unterscheidung zwischen oikonomia und chrematistik wohl deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil ihm zufolge der Zusammenhalt der Gesellschaft auf dem Prinzip der (proportionalen) Reziprozitt basiert.9 Er kann die Reziprozitt jedoch so lange nicht als gesellschaftskonstituierendes Prinzip verallgemeinern, als er den sich verselbstndigenden Handel (chrematistik) nicht davon ausgenommen hat. Deshalb muss die Reziprozitt durch Zwecke (z. B. Selbstversorgung), die außerhalb derselben liegen, begrenzt werden.10 In der Nikomachischen Ethik behandelt Aristoteles das Tauschen im Rahmen der Frage nach Gerechtigkeit und kommt dabei genauer auf Werte und Wertberechnungen zu sprechen. Das Tauschen grndet gemß Aristoteles darauf, dass ein gemeinsames Maß das Getauschte vergleichbar macht. Dieses Maß sei die Intensitt des Bedrfnisses (chreia), das per Konvention im Geld ausgedrckt werde.11 Er begrndet dies nicht dadurch, dass er das Bedrfnis von anderen mçglichen Werten (z. B. Arbeitskosten) abgrenzt, sondern er argumentiert genealogisch: Nur weil die Menschen Bedrfnisse htten, gebe es Handel und in der Folge Gesellschaft.12 Aristoteles wechselt damit zwischen verschiedenen Perspektiven hin und her : zwischen der Frage, wie Heterogenes 6 7 8 9

Vgl. dazu Pellegrin (2001), S. 47. Aristoteles, Pol., 1257a-1258b; vgl. dazu auch Aristoteles, EN, 1133a5 – 1133b28. Aristoteles, Pol., 1258b1 – 10. Aristoteles, EN 1132b30: »Denn proportionale Vergeltung ist es, die Zusammenhalt des Gemeinwesens gewhrleistet.« Vgl. auch Aristoteles, EN, 1133a5 – 20. Aristoteles weist hier eine einfache pythagorische Reziprozitt (antipeponthos), die ›Gleiches mit Gleichem vergilt‹, zurck und fordert eine proportionale Reziprozitt; vgl. Aristoteles, EN, 1132b30 – 1133b5. Wie diese proportionale Reziprozitt genau zu verstehen ist, ist umstritten; vgl. dazu Wolf (2002), S. 109 – 112; Haacke (1994), S. 43 – 45; Baldwin (1959), S. 12; vgl. auch Thomas’ Kommentar, Sent. Eth., Buch V,8 (Abs. 975 – 977), der die Passage so interpretiert, dass der Preis dem Aufwand und der Qualitt der Arbeit entsprechen muss. Vgl. zur Diskussion um den Status der Reziprozitt in vormodernen Kulturen Kap. 2.3 – 2.4; insbes. Anm. 56. 10 Thomas von Aquin wird dieselbe Denkfigur anwenden, aber damit die von Aristoteles eingefhrte Unterscheidung zwischen oikonomia und chrematistik zugunsten des professionellen Tauschhandels entschrfen. 11 Aristoteles, EN, 1133a25 – 30; 1133b10 – 17. 12 Aristoteles, EN, 1133b5 – 10.

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3. Mittelalterliche Diskurse des Gebens und Tauschens

beim Tauschen vergleichbar wird, und der genealogischen Frage, wie Handel berhaupt entstehen konnte.13 Dem fgt er sogleich eine dritte Perspektive hinzu, wenn er in seiner weiteren Argumentation die Kommensurabilitt des Getauschten generell in Frage stellt: Die getauschten Dinge seien so verschieden, dass sie »in Wahrheit« nicht kommensurabel seien.14 Aristoteles vermengt somit in seiner Argumentation unterschiedliche Wertdimensionen, die in der Moderne klar voneinander getrennt werden (Tauschwert, Gebrauchswert etc.). Thomas wird hier interpretierend eingreifen und von Aristoteles ausgehend unterschiedliche Werte voneinander abgrenzen. Die erstaunlich detaillierte und ber Aristoteles und die Kirchenvter weit hinausgehende scholastische Beschftigung mit Eigentum, Zins, Tauschhandel sowie Sach- und Geldwertberechnungen kann makrohistorisch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des 13. Jahrhunderts in Zusammenhang gebracht werden. Der rapid zunehmende stdtische Handel einerseits, die minoritische Ablehnung des Eigentums andererseits fhren dazu, dass das Verhltnis von sogenannt çkonomischen Zielen (Gewinn- und Effizienzsteigerung) zur christlich-moralphilosophischen Bewertung von Handel und Reichtum genauer geklrt werden muss.15 Die ›scholastischen konomen‹ bieten deshalb keine çkonomischen berlegungen in einem modernen Sinne: Der Tauschhandel wird nicht unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung, sondern im moralphilosophischen bzw. juridischen Kontext der Frage nach Gerechtigkeit betrachtet. Die Forderung nach einem pretium iustum, d. h. nach einem Tauschverhltnis, das keine der beiden Parteien benachteiligt, kann gemß Odd Langholm geradezu als ›Synthese‹ der scholastischen çkonomischen Theorie bezeichnet werden.16 Entscheidend ist jedoch – wie sich sogleich zeigen wird –, ob und wie ein solch ›gerechtes‹ Tauschverhltnis genauer bestimmt wird und welche Wertfaktoren (Arbeitskosten, Nachfrage, Stellung des Tauschenden) dabei Bercksichtigung finden.

13 Moderne Aristoteles-Interpreten lesen die Passage vielfach als subjektive Werttheorie, d. h. der getauschte Wert hngt nicht vom Tauschobjekt ab, sondern vom Verhltnis des Tauschenden zu diesem Objekt; vgl. dazu Haacke (1994), S. 39 – 48. Es gibt in Bezug auf Aristoteles’ wirtschaftliche berlegungen eine lang andauernde Debatte darber, ob Aristotels ›modern‹, d. h. in Bezug auf Wirtschaftstheorien der Moderne, oder ›archaisierend‹, d. h. die Alteritt hervorhebend, zu lesen sei. Vgl. Polanyi (1979), S. 149 – 186; Koslowski (1979), S. 46 f.; Haacke (1994), S. 45. 14 Aristoteles, EN, 1133b19: »Daß so sehr verschiedene Dinge in Wahrheit durch ein gleiches Maß meßbar werden, ist allerdings unmçglich, doch im Hinblick auf die Bedarfsfrage lßt es sich ausreichend verwirklichen.« Vgl. dazu Wolf (2002), S. 112; sie paraphrasiert die Passage folgendermaßen (Herv. U. W.): »[…] dass es nicht das richtige Kriterium des Warenvergleichs gibt, dass wir vielmehr entsprechende Konventionen haben, die fr praktische Zwecke ausreichen.« 15 Vgl. Langholm (1992), S. 16 – 22. Die scholastischen Philosophen, die sich ausgiebig mit wirtschaftlichen Fragen beschftigten, sind zu fnfzig Prozent Minoriten (ebd., S. 21). 16 Vgl. Langholm (1992), S. 23. Die folgenden Ausfhrungen folgen in Vielem der beeindruckenden Studie von Langholm.

Der ›gerechte Preis‹ bei Thomas von Aquin

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Thomas’ Diskussion des ›gerechten Preises‹ findet sich hauptschlich in den Kommentaren zur Nikomachischen Ethik und zur Politik sowie in der Summa theologiae.17 Thomas schließt in der diesbezglich einschlgigen Qu. 77, in der es um die moralische Legitimitt von Handelsgewinnen geht, in einem ersten Schritt an Aristoteles an und spricht von zwei Arten des Tauschens (commutatio duplex).18 Die erste Art ist natrlich (naturaliter), weil sie den ›Notwendigkeiten des Lebens‹ dient. Die zweite geschieht hingegen um des Gewinnes willen (deservit cupiditati lucri) und wird deshalb verurteilt.19 In einem zweiten Schritt leitet er jedoch daraus eine Rechtfertigung von Gewinnen aus dem Zwischenhandel ab, indem er die aristotelische Unterscheidung radikalisiert: Nicht nur der Tausch (commutatio), sondern auch der Gewinn (lucrum) ist per se weder lasterhaft noch lobenswert.20 Ob ein Gewinn moraltheologisch erlaubt ist oder nicht, hngt allein vom damit verfolgten Zweck ab: Wenn der Gewinn dem Erhalt des Hauses, den Bedrftigen oder der Gemeinschaft dient oder Lohn fr eine Arbeit (stipendium laboris) darstellt, ist er keine Snde. Die Differenz zu Aristoteles ist gering und doch entscheidend. Whrend Aristoteles den Tausch an sich als neutral darstellt und dessen Legitimitt vom Zweck (Geldgewinn vs. glckliches Leben) abhngig macht, neutralisiert Thomas den Gewinn. Er nimmt damit insbesondere vom Zwischenhandel den Verdacht der ethischen Illegitimitt und richtet das moralphilosophische Augenmerk ganz auf die Ausgangs- und Rahmenbedingungen des Tauschens sowie die damit verfolgten Ziele.21 Gewinn wird dementsprechend erst illegitim, wenn ber einem gerechten Preis (plus justo pretio) verkauft oder beim Handeln betrogen wird.22 Gewinne sind also nur dann theologisch gerechtfertigt, wenn weder der Kufer noch der Verkufer auf Kosten des anderen einen Vorteil herausschlgt. Dabei grenzt sich Thomas dezidierter als seine Vorgnger vom zivilen Recht ab.23 Whrend gemß dem menschlichen Recht (lex humana) bei der Preisgestaltung ein gewisser Spielraum besteht und deshalb ungestraft auch ber einem ›ge17 Baldwin (1959), S. 78 f., postuliert eine Entwicklung von Thomas’ Bestimmung des pretium iustum im Kommentar zu Aristoteles’ Ethik (1261 – 64) zu den ca. sechs Jahre spter geschriebenen Diskussionen desselben in der Summa. Vgl. dazu unten Anm. 27. 18 Aristoteles’ Nikomachische Ethik wird 1246 – 47 und ca. 1260 vollstndig ins Latein bersetzt; vgl. Langholm (1992), S. 8, 229; vgl. Baldwin (1959), S. 61 f. 19 Thomas von Aquin, S. theol. II, qu. 77,4 co. 20 Vgl. Thomas von Aquin, S. theol. II, qu. 77,4 co.: Lucrum tamen, quod est negotiationis finis, etsi in sui ratione non importet aliquid honestum vel necessarium, nihil tamen importat in sui ratione vitiosum vel virtuti contrarium. (»Der Gewinn jedoch, der Ziel des Handels ist, schließt in seinem Begriff, wenn er auch nichts enthlt, was ehrenhaft oder notwendig wre, so doch auch nichts ein, was lasterhaft oder der Tugend entgegen wre.«) 21 Thomas fordert z. B. ausreichende Informationen, keine Tuschung und keine Wertschwankungen; vgl. Thomas von Aquin, S. theol. II, qu. 77,2 und qu. 77,3; vgl. Langholm (1992), S. 223. 22 Thomas von Aquin, S. theol. II, qu. 77,1 co. 23 Vgl. Langholm (1992), S. 224 f.

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3. Mittelalterliche Diskurse des Gebens und Tauschens

rechten Preis‹ verkauft werden darf, lasse dies das gçttliche Gesetz (lex divina) nicht zu.24 Zwar kçnne der ›gerechte Preis‹ nicht immer genau bestimmt werden (non punctualiter determinare), dennoch ist er von Kufer und Verkufer einzuhalten. Darber, wie sich Thomas’ Verstndnis des ›gerechten Preises‹ genauer bestimmen lsst, ob er dem Nutzwert, dem intrinsischen Wert des Gutes oder den dafr aufgewendeten Arbeitskosten entspricht, ist sich die Forschung uneinig.25 Denn Thomas definiert den ›gerechten Preis‹ nicht,26 sondern diskutiert in der Summa unterschiedliche Flle darauf hin, ob es sich jeweils um ein gerechtes oder ungerechtes Tauschverhltnis handelt.27 Im Kommentar zur Nikomachischen Ethik gibt Thomas ebenfalls keine Definition des ›gerechten Preises‹, differenziert aber – im Unterschied zu Aristoteles explizit – zwischen unterschiedlichen Wertbestimmungen. Er interpretiert Aristoteles’ Bedrfnis (chreia) als Nutzen (usus/necessitas) und grenzt diese Wertbestimmung (sec. quod homines indigent eis ad suum usum) von der augustinischen Bewertung der Dinge nach ihrer Wrde (sec. dignitatem naturae) ab.28 Eine Perle habe im Tauschhandel mehr Wert als eine Maus, 24 Thomas von Aquin, S. theol. II, qu. 77,1 ad 1: Unde secundum divinam legem illicitum reputatur si in emptione et venditione non sit aequalitas justitiae observata. (»Deshalb wird es nach dem gçttlichen Gesetz fr unerlaubt gehalten, wenn bei Kauf und Verkauf nicht das Gleichmaß der Gerechtigkeit eingehalten wird.«) Im rçmischen Recht gilt Vertragsfreiheit, d. h. jeder ausgehandelte Preis ist erlaubt, und nur eklatante Preisungerechtigkeiten sind verboten. Dabei dient das pretium iustum als »benchmark«, um das Maß fr die laesio enormis (also strafbare Preisungerechtigkeit) zu bestimmen; vgl. Langholm (2003), S. 234. Erst ein Preis, der doppelt so hoch ist wie der ›normale‹ oder ›gerechte‹ Preis, ist verboten; vgl. S. theol. II, qu. 77,1 ad 1: quia tunc etiam lex humana cogit ad restituendum, puta si aliquis sit deceptus ultra dimidiam justi pretii quantitatem. (»Denn dann zwingt auch das menschliche Gesetz zur Wiedererstattung, zum Beispiel, wenn einer um ber die Hlfte des gerechten Preises betrogen wurde.«) Vgl. dazu Schreiber (1913), S. 14; Herrmann (1982), S. 19; Langholm (1992), S. 224 f. 25 Hagenauer (1931), S. 36 – 40, bestimmt das pretium iustum als die Produktionskosten, d. h. als Kombination von Arbeit, Kosten (fr das Material) und die Qualitt der Arbeit (ebd., S. 36). Sie beschreibt es als »quantitativ angemessenen« und nicht als »gerechten« Preis. Schreyvogel (1923), S. 353 – 441, postuliert eine Kombination von subjektiver und objektiver Werttheorie (Nutzen und Arbeitskosten), die schon bei Aristoteles angelegt sei. Thomas lege den Schwerpunkt jedoch auf den subjektiven Nutzen (ebd., S. 379 f., 395). Schreiber (1913), S. 45, 62 – 64, vertritt ganz hnlich die These, dass Thomas die subjektive Werttheorie von Aristoteles um objektive Werte (Arbeitskosten) erweitere; er kçnne aber die subjektive und die objektive Werttheorie nicht miteinander verknpfen; Baldwin (1959), S. 78 f., wiederum vertritt die Ansicht, dass Thomas in der Summa den Marktpreis als den gerechten Preis ansehe. 26 Vgl. Langholm (2003), S. 236, der von der »fiction« einer »exact formula« spricht. 27 Es stellt sich zudem die Frage, ob sich Thomas’ Position vom Kommentar zur Nikomachischen Ethik zur Summa verndert. Baldwin (1959), S. 78 f., geht von folgender Entwicklung aus: Whrend Thomas im Kommentar zwei mçgliche Bestimmungen des ›gerechten Preises‹ entwerfe, einmal den Marktpreis und einmal die Produktionskosten (labores et expensae), verstehe er in der Summa den ›gerechten Preis‹ als den Marktpreis. 28 Thomas von Aquin, Sent. Eth., Buch V,10 (Abs. 981, 985); vgl. Langholm (1992), S. 229 f., der darauf hinweist, dass sich Thomas hier auf Augustinus’ Unterscheidung zwischen einer ›Rangordnung der Natur‹ und einer nach dem Nutzen bezieht (Augustinus, De civitate Dei, Buch XI, Kap. 16). Langholm (1992), S. 229, betont auch, dass Thomas, der bei dieser Diskussion

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obwohl der Letzteren gemß ihrem ›natrlichen Wert‹ der Vorrang gebhrt.29 Daneben unterscheidet Thomas aber auch zwischen dem gemeinsamen Maß ›Bedrfnis‹ (indigentia30) und dem Geld, das dieses symbolisiert: Ersteres sei ein ›realer‹ (sec. rei veritatem), Letzteres ein konventioneller Maßstab (sec. legis positionem).31 Thomas lçst somit Aristoteles’ widersprchliche Aussage, dass die Dinge zugleich kommensurabel und inkommensurabel sind, dadurch auf, dass er zwischen drei Wertmaßstben unterscheidet: (1) Bewertung nach dem Nutzen, (2) Bewertung nach der natrlichen Wrde und (3) Bewertung nach dem konventionellen Geldwert. In Bezug auf ihren ›eigentlichen Wert‹ (sec. proprietatem ipsarum rerum) sind die Dinge unvergleichbar, doch kçnnen sie verglichen und getauscht werden, wenn man das Bedrfnis, das per Konvention im Geld ausgedrckt wird, zum Maßstab nimmt.32 Thomas identifiziert somit Bedrfnis und Nutzen miteinander und bestimmt sie als das dem Tausch zu Grunde liegende (›reale‹) Maß. Zugleich grenzt er sie von anderen (›realen‹) Wertmaßstben (›natrliche Wrde‹) ab. Damit macht er aus Aristoteles’ Bedrfnis, in dem ganz unterschiedliche Wertdimensionen vermengt werden, einen klar abgegrenzten Wert, den man im modernen çkonomischen Vokabular als Nachfrage bezeichnen wrde. Da Thomas in der Summa betont, die Gter wrden im Tausch nach ihrem Nutzen (usus) bewertet,33 wird in der Forschung vielfach die These vertreten, Thomas gehe in seiner Legitimation des Handels so weit, dass er den Marktpreis als den ›gerechten Preis‹ ansehe.34 Dies wrde bedeuten, dass jeder Preis auch ein ›gerechter Preis‹ ist, solange die Rahmenbedingungen eingehalten werden. Doch wie Odd Langholm berzeugend nachweist, wird man damit Thomas, nicht nur wegen der teleologischen Ausrichtung auf die modernen Wirtschaftswissenschaften, nicht gerecht. Denn Thomas unterscheidet anders als Aristoteles sehr genau zwischen dem – gemß moderner Terminologie – Marktwert und dem subjektiven Wert. In Qu. 77,1 geht er beispielsweise von zwei unterschiedlichen Formen des Preisanstiegs aus: Wenn der Marktpreis aus vom Kufer und Verkufer unbeeinflussten Grnden steigt, so darf der Verkufer sein Gut zum neuen hçheren Preis verkaufen, da er selbst auch ein Gut von entsprechendem Wert verliert. Wenn jedoch die spezifischen Um-

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meist Albertus Magnus folgt, sich an diesem Punkt von ihm unterscheidet: Albertus Magnus geht von der Inkommensurabilitt der Dinge aus, die sich nur in Einheiten ihrer selbst messen lassen. Thomas von Aquin, Sent. Eth., Buch V,10 (Abs. 981). Das griechische chreia wird in der von Thomas benutzten Ausgabe mehrheitlich als indigentia (mlat. ›Bedrfnis‹, ›Mangel‹), manchmal auch als opus (im Sinne von mlat. ›Nutzen‹) bersetzt; vgl. Langholm (1992), S. 229. Thomas von Aquin, Sent. Eth., Buch V,10 (Abs. 985). Thomas von Aquin, Sent. Eth., Buch V,10 (Abs. 989). Thomas von Aquin, S. theol. II, qu. 77,2 ad 3. Baldwin (1959), S. 78 f. Damit wrde sich Thomas’ Interpretation des pretium iustum mit derjenigen von Albertus Magnus und Alexander von Hales decken; vgl. Langholm (1992), S. 231.

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stnde des Kufers (conditiones ementis) dazu fhren, dass dieser bereit ist, fr das Gut weit mehr als blich zu bezahlen, darf der Verkufer keinen hohen Preis verlangen, weil er sonst ber seinen Nutzen fr das Gut entschdigt wrde.35 Langholm interpretiert den ›gerechten Preis‹ deshalb als »right to indemnity«, d. h. als Recht auf eine angemessene Entschdigung.36 Es bleibt aber zu betonen, dass auch damit bloß ein Teil der von Thomas diskutierten Flle abgedeckt wird. In anderen beeinflusst der Status bzw. die Wrde der Tauschpartner den gerechten Preis, und auch die Arbeitskosten finden manchmal Bercksichtigung.37 Zwei Punkte dieser scholastischen Diskussion um den ›gerechten Preis‹ scheinen mir fr die vorliegende Arbeit besonders bemerkenswert: (1) Dass mittelalterliche Wert- und Tauschtheorien im Rahmen der Moralphilosophie entwickelt werden, wird vielfach als Zeichen der Nicht-Ausdifferenziertheit des çkonomischen Systems verstanden.38 Dem ist sicherlich zuzustimmen in dem Sinne, dass der wirtschaftliche Handel kein funktional geschlossenes System darstellt. Es bedeutet jedoch nicht, dass nicht zwischen verschiedenen Bereichen des Tauschens und zwischen verschiedenen Werten unterschieden wrde. Denn wie deutlich geworden sein drfte, unterscheidet Thomas sehr genau zwischen verschiedenen Arten getauschter Gter (Sachwerte, Geld, Arbeit oder die Verletzung von Eigentums- und Persçnlichkeitsrechten) und zwischen unterschiedlichen Bedingungen eines reziproken Austauschs (Tausch zwischen gleichrangigen und ungleichrangigen Privatpersonen sowie die staatliche Distribution von Gtern39). Er entwickelt verschiedene Wertbestimmungen, die von einem geschrften Sensorium fr die Komplexitt von Tausch und Wert zeugen. (2) Simmel wirft – wie in Kap. 2.7 kurz dargestellt wurde – ›dem Mittelalter‹ eine substantialistische Werttheorie vor und kritisiert dementsprechend die Idee eines ›gerechten Preises‹.40 Er missachtet damit jedoch, dass Thomas nicht von einem substantiellen Wert des getauschten Gutes ausgeht, sondern unterschiedliche Wertbestimmungen und unterschiedliche kontextuelle Bedingungen zur Bestimmung des ›gerechten Preises‹ heranzieht. Dies ist mit ein Grund, weshalb sich die Forschung nicht auf eine Definition des pretium iustum einigen kann. Denn Thomas geht nicht von einer allgemein gltigen 35 Thomas von Aquin, S. theol. II, qu. 77,1 co. Vgl. auch Simmels Diskussion dieses Problems, die in Kap. 2.7 des vorliegenden Buches besprochen wird. 36 Langholm (1992), S. 232 – 234, hier S. 233. 37 Vgl. Thomas von Aquin, S. theol. II, qu. 61,4 co.; Ders., Sent. Eth., Buch V,9 (Abs. 976). 38 Vgl. Koslowski (1991), S. 43 – 45; Beutter (1989), S. 64 f. 39 In Qu. 61 bestimmt Thomas die Reziprozitt oder Wiedervergeltung (contrapassus) als das entscheidende Prinzip der kommutativen Gerechtigkeit (i. e. eine Gerechtigkeit zwischen Privatpersonen, die er von der distributiven Gerechtigkeit des Staates abgrenzt). Es betreffe sowohl die Wiedergutmachung von Diebstahl und Gewalt als auch alle Tausch- und Leihverhltnisse; vgl. Thomas von Aquin, S. theol. II, qu. 61,4 co. 40 Simmel (1989), S. 132 f.

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Regel, sondern von personell und zeitlich bestimmten Situationen aus, die den Wert des Getauschten mitbestimmen. quivalenz (aequalitas), Reziprozitt (contrapassus) oder Gerechtigkeit sind deshalb nicht das Resultat von çkonomisch-moralphilosophischen berlegungen, sondern deren Ausgangspunkt. In diesem Sinne macht die Forderung nach einem ›gerechten Preis‹ unterschiedliche Wertbestimmungen und Wertordnungen erkennbar und wirft die Frage auf, wie diese kommensurabel gemacht werden kçnnen. In den folgenden Lektren mçchte ich zeigen, dass der durch den Tausch bewirkte ›Vergleich des Ungleichen‹ nicht nur die moralphilosophische Diskussion nicht zum Stillstand kommen lsst, sondern auch narrativ produktiv sein kann. Dies lsst sich – in einem kleinen Vorausblick – bereits an dem am Beginn erwhnten Mre Der Sperber zeigen. Der Schwank erzhlt von einem Mdchen, das einen Vogel im Austausch gegen seine minne ›kauft‹. Als es darob von der Oberin beschimpft wird, will es den Tausch rckgngig machen. Es wiederholt also den Beischlaf mit dem Ritter, um dadurch seine Jungfrulichkeit zurckzuerhalten. Der Schwank erzeugt seine Pointe aus dem Kontrast, dass zwar von einem ›gerechten Preis‹ die Rede ist, aber der Tausch hauptschlich Ungleichheit erzeugt: Zum einen ist das Mdchen – aus Sicht der zeitgençssischen Lesenden – die Verliererin, da sie ihre Jungfrulichkeit zu einem viel zu geringen Preis hergibt. Zum anderen erzeugt der Tausch einen berschuss, nmlich die Erweckung der sexuellen Lust des Mdchens. Denn wie der Erzhler und die ausfhrlich wiederholten Forderungen des Mdchens nach ›Gerechtigkeit‹ zu verstehen geben, fordert das Mdchen den ›gerechten Tausch‹, um den Beischlaf mçglichst oft wiederholen zu kçnnen.41 Das Mre stellt somit anhand der Diskrepanz zwischen der Forderung nach dem ›gerechten Preis‹ und dem, was damit erreicht werden soll, sexuelle Lust dar.42 Dabei rckt auch die Prozessualitt des Erzhlens ins Blickfeld. Denn einerseits strukturiert der Text sich entlang des reziproken Tauschgeschftes und erzeugt seine Pointen mittels des vordergrndigen Rckgngigmachens des irreversiblen Tauschaktes. Andererseits verdankt sich die den Text strukturierende Reziprozitt divergierender Perspektiven, die darauf hinweisen, dass die ›Herstellung‹ der Reziprozitt nicht in der ›hergestellten‹ 41 Vgl. fr die wiederholten Forderungen des Mdchens, in denen insbesondere das Wort gelten in allen Varianten durchdekliniert wird: Nempt der mynne, wie v l ir wlt. / Jch han v l hart wol ge zelt, / Daa ich euch nicht gar han gewert / Seit ich mit der mynne gelten sol, / So trafflwe ich vergelten wol, / Dea geltes byn ich euch bereit (V. 185 – 191) sowie am Ende die Forderung, den Minnetausch auch wieder dreifach rckgngig zu machen (V. 283 – 295, 302 – 314). 42 Seidel (2002), S. 700 f., Anm. 21, verneint, dass in dieser Szene von sexueller Lust erzhlt werde: »[…] die dreifache Minne wird nicht mit Unersttlichkeit, sondern mit der Angemessenheit des Kaufpreises fr den Sperber begrndet«. Neben den oben erwhnten Grnden deuten vor allem die vielfachen Wiederholungen der Forderung nach einem ›gerechten Preis‹ an, dass damit auch sexuelle Lust dargestellt werden soll. Vgl. dagegen Schirmer (1969), S. 53, fr den die Wiederholungen die Unfhigkeit des Dichters bezeugen. Vgl. zum Sperber allg: Ragotzky (1998); Schausten (2006).

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aufgeht, und so ein erzhlerischer berschuss entsteht.43 Dass Wertbestimmungen je nach Perspektive und Wertverstndnis erheblich differieren kçnnen, hat Thomas theoretisch dargelegt. Der literarische Text nutzt solch divergierende Werteinschtzungen, um handlungsweltliche und strukturelle Pointen zu erzeugen.

3.2 Der Kaufmann als literarische Figur : Der guote GÞrhart Rudolfs von Ems Obwohl der Tauschende als moralisches Subjekt den Fluchtpunkt der scholastischen Diskussionen bildet, ist von ihm bei Thomas selten ausfhrlich die Rede. Ganz anders in literarischen Texten, die sowohl in der hçfischen Epik44 als auch in Mren und Exempla von Kaufleuten erzhlen.45 Die Analyse der Kaufmannsgestalt war jedoch lange von der sozialgeschichtlich ausgerichteten Literaturwissenschaft dominiert. Diese hat den Kaufmann entweder als Vertreter des aufkommenden Brgertums im Konflikt mit dem verarmenden Adel gelesen oder die Unvereinbarkeit von materiellem Gewinn und Seelenheil fokussiert.46 Im Folgenden mçchte ich auf eine der berhmtesten Kaufmannserzhlungen, den Guoten GÞrhart des Rudolf von Ems, eingehen, die formal einige hnlichkeiten mit den Mren aufweist.47 Im Anschluss an die 43 Vgl. dazu Kap. 2.5 des vorliegenden Buches. 44 In der hçfischen Literatur gibt es nicht wenige Kaufleute, doch treten sie oft nur am Rande auf (vgl. u. a. Parzival, 183,16 – 18, 335,10 – 16), manchmal haben sie eine helfende Funktion (vgl. u. a.: Willehalm, 130,17 – 138,19; Parzival 200,10 – 201,3), oder die Kaufmannsrolle wird als Verkleidung gewhlt (vgl. u. a. Tristan, V. 3096 – 3120; Flore und Blanscheflur, V. 3280 – 3285, 3382 – 3396). Vgl. dazu Nolte (1909); Mersmann (1971), S. 72 – 76; Walliczek (1973), S. 147 – 161; Buschinger (1985); Egidi (2008b), S. 69 – 73; Brennig (1993). 45 In Bispel und Mren ist der Kaufmann hingegen çfters die Hauptperson; vgl. Edelmann und Pferdehndler vom Stricker ; Das Schneekind; Die Frau des Seekaufmanns; Die bestrafte Kaufmannsfrau von Hans Meißner; Der dankbare Wiedergnger; Die uneinigen Kaufleute von Kaufringer ; vgl. auch die im vorliegenden Band untersuchten Mren Der Hellerwertwitz; Von den zwei Kaufleuten; Brgermeister und Kçnigssohn. Insbesondere den Mren wurde – aufgrund ihrer oft parodistischen Abgrenzung von der hçfischen Handlungswelt – zugeschrieben, sie wrden im Rahmen der Darstellung einer ›stdtischen Wirklichkeit‹ den wirtschaftlichen Handel thematisieren: Cramer (1990), S. 280 – 285; Kugler (2004), S. 395 f.; Schulz-Grobert (2002), S. 246; differenziert in Bezug auf eine soziohistorische Deutung Rasch (1941), S. 203 f.; Ragotzky (1977), S. 183 – 187, 197 – 203; Ragotzky (1985); Fischer (1983), S. 123 – 137; Janota (2004), S. 259. 46 Vgl. fr den Stndekonflikt Maschke (1964); Gutknecht (1966), S. 153 – 163; Meier-Branecke (1969), S. 131 – 138. Frey (1976); vgl. auch unten Anm. 49 und 50; sowie fr die Unvereinbarkeit von Gewinn und Seelenheil Le Goff (2005), S. 75 – 107; Le Goff (1988), S. 7 – 68; Kartschoke (1989), S. 60 – 68; Classen (2001), S. 582 – 590; Wailes (1981), S. 175 f., 236 f.; Zçller (1993), S. 94 – 102. 47 Vgl. dazu Ziegeler (1985), S. 450 – 452, der den Guoten GÞrhart in Bezug auf die Abgrenzung von Mre und Roman diskutiert. Er hebt vor allem die bispelartige Erzhlstruktur hervor; vgl. dazu auch Haug (1985).

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Diskussion sozialhistorischer Forschungsanstze wird untersucht, wie anhand der Kaufmannsfigur Tausch- und Heilsçkonomie aufeinander bezogen werden. Der Guote GÞrhart des Rudolf von Ems stammt aus dem beginnenden 13. Jahrhundert und verbindet Erzhlmuster des Exemplums mit solchen des Minne- und Aventiureromans.48 Die Geschichte berichtet von Kaiser Otto, der nach einer Klosterstiftung Gott bittet, Bescheid ber seinen himmlischen Lohn zu erhalten. Er wird von einer gçttlichen Stimme belehrt, der Kaufmann GÞrhart bertrumpfe ihn an himmlischem Ruhm bei Weitem. Vom Kaiser dazu gezwungen, erzhlt GÞrhart in einer Binnenerzhlung selbst sein Leben: Auf einer Handelsreise strandet er in Marokko und erhlt das Angebot, hçfische Gefangene, darunter die norwegische Kçnigstochter rene, gegen sein gesamtes Handelsgut freizukaufen. Er geht auf Rat eines Engels, der ihm im Traum erscheint, auf den Handel ein, verpflichtet aber gleichzeitig die Gefangenen, ihn spter fr seinen Verlust zu entschdigen. In Europa angekommen lsst er jedoch die englischen und norwegischen Gefangenen bedingungslos nach Hause zurckkehren. Nur die Kçnigstochter behlt er bei sich und nimmt sie in sein Haus auf. Da sich ihre Verwandten nicht melden, will er sie mit seinem Sohn verheiraten, doch am Hochzeitstag taucht ihr verschollener Verlobter auf, Kçnig Willehalm aus England. GÞrhart und sein Sohn verzichten auf die Hochzeit, und GÞrhart stellt sich ganz in den Dienst des Paares. Er organisiert und finanziert nicht nur die Hochzeit, sondern fhrt auch mit ihnen nach England, um Willehalm zu seiner rechtmßigen, aber in ›Unordnung‹ geratenen Herrschaft zu verhelfen. In England lehnt er es ab, selbst Kçnig zu werden oder auch nur eine Grafschaft als Lehen zu erhalten. Stattdessen kehrt er nach der Inthronisation von Willehalm nach Kçln zurck. Der Guote GÞrhart wird sowohl als »Patrizierdichtung«, d. h. als Ausdruck des Selbstbewusstseins einer stdtischen Oberschicht, als auch als feudaladelige Dichtung gelesen. Im Rahmen der ersten Position wird auf GÞrharts moralische und finanzielle berlegenheit ber den Adel verwiesen,49 die zweite betont die Demut des Kaufmanns, die letztlich die Stndehierarchie sichere.50 Ursula Peters hat darauf hingewiesen, dass beide Positionen, so 48 Der Text wird aufgrund des Verweises auf den Gçnner Rudolf von Steinach (V. 6826 f.) auf den Anfang des 13. Jahrhunderts (1215 – 1225) datiert, so Walliczek (1992), Sp. 323 f.; vgl. zur Datierung auch Ertzdorff (1967), S. 79 und Zçller (1993), S. 201 – 220, die eine Datierung zwischen 1208 – 1212 vorschlgt. 49 Sengle (1950) geht davon aus, dass Rudolfs von Ems Vorlage eine »welfische Geistlichendichtung« war, die verfasst wurde, um den Kçlner Kaufmann Gerhard Unm ze in ein besseres Licht zu rcken (S. 57 f., 60). Zçller (1993), S. 266, bezweifelt zwar, dass es sich beim Guoten GÞrhart um eine »Patrizierdichtung« handelt, pldiert aber ebenfalls vehement fr Gerhard Unm ze als »historisches Vorbild«; vgl. auch S. 316 – 339 sowie Zçller (1996). 50 So v. a. Herzog (1974); Wunderlich (1975), S. 230 – 238; Huby (1977). In eine hnliche Richtung argumentierte bereits Brackert (1968), S. 37 – 51. Neben der Frage nach dem Verhltnis der Stnde spielt bei den soziohistorischen Interpretationen auch das Verhltnis zwischen dem stdtischen und dem bischçflichen Rat eine Rolle; vgl. Ertzdorff (1967), S. 71 – 80;

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gegenstzlich sie sein mçgen, mit der Stadt als »Erfahrungsraum« ein »Gegeneinander von Adel und stdtischer Oberschicht, von adelig-ministerialischen und ›brgerlich‹-patrizischen Interessen« voraussetzen wrden. Damit werde missachtet, dass sich ein solcher Gegensatz in den historischen Quellen des 13. Jahrhunderts nicht nachweisen lasse. Peters vertritt deshalb die These, dass diese Opposition ein von den literarischen Texten entworfenes und von den Rezipienten geteiltes »Denkschema« sei.51 So habe der Rangstreit zwischen Kaiser und Kaufmann, in dem der Letztere exemplarisch berzeugt, nur eine Wirkung, wenn eine Opposition zwischen einer kaufmnnischen und einer adeligen Lebensfhrung vorausgesetzt wird. Mit der Rolle des Kaufmanns sind somit Erzhlmuster verbunden, die gemß Peters weniger in direkten sozialgeschichtlichen und mehr in ihren intertextuellen Bezgen zu lesen sind. Doch scheint mir, dass die narrative Dynamik der Kaufmannsrolle mit dem literaturspezifischen Kontrast zwischen einer kaufmnnischen und einer adeligen Lebensfhrung noch nicht ausgeschçpft ist. Denn in der Binnenhandlung finden sehr viele Tauschgeschfte statt, die mit der didaktischen Gegenberstellung von Kaiser und GÞrhart nicht gefasst werden kçnnen: GÞrhart ist zum einen in verschiedene Tausch- und Gabegeschfte (materieller Handel, Loskauf von Gefangenen, Bestechung, Pfand, miltegaben, Schenkungen) verstrickt, die fr unterschiedliche ›Tauschlogiken‹ stehen. Zum anderen werden anhand der Kaufmannsfigur unterschiedliche Tauschordnungen (materielle, symbolisch-soziale und Heilsçkonomie) aufeinander bezogen und deren Kommensurabilitt verhandelt. Am Beginn wird mit GÞrharts Beruf eine dezidiert çkonomisch-materielle Sichtweise eingefhrt: GÞrhart will sein guot […] mit gewinne mÞr[en] (V. 1146 – 1148) und fllt seine Entscheidungen nach materiellen Kriterien.52 Nachdem er erfolgreich gewirtschaftet hat, wird diese in einem engen Sinne çkonomische Tauschordnung durch einen Seesturm erweitert: In der Fremde wird ihm angeboten, er kçnne europische Adelige im Austausch gegen seine gesamte Handelsware freikaufen.53 Es geht bei diesem Tauschangebot – wie Peters (1983), S. 42 – 44. Neben den soziohistorischen Interpretationen gibt es die Tendenz, den Text auf den Doppelweg des hçfischen Romans zu beziehen, vgl. Haug (1985); Cormeau (1969); oder das Rangstreitmotiv als organisierendes Zentrum zu betrachten, vgl. Kartschoke (1995); Ruh (1980), S. 324 – 326. 51 Peters (1983), S. 44, 36, 48. Vgl. auch Zçller (1993), S. 87 – 108, die nachzuweisen versucht, dass vor dem 15. Jahrhundert nicht von zwei getrennten oder gar konkurrierenden »Mentalitten« (einer brgerlich-kaufmnnischen und einer adeligen) gesprochen werden kann. 52 GÞrhart will seinen Gewinn verdoppeln (V. 1204 – 1207), und dies gelingt ihm auch, wie er den Gefangenen stolz berichtet (V. 2017 – 2032). 53 Zçller (1993), S. 304, und Schulz (1999b), S. 4 – 11, lesen die Szene als rechtlich verbindlichen Loskauf und folgern deshalb, dass rene persçnlich fr den Erstattungsanspruch hafte. Der Text stellt den Loskauf aber nicht als gewçhnliches ›Kaufmannsgeschft‹, sondern als ungewçhnlichen ›Tausch‹ dar: GÞrhart zweifelt, ob er auf den Tausch eingehen soll (V. 1793 – 1821), und das Angebot von Stranmr erscheint ihm als ein Tausch von grz guot gegen einen blzen wn

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anhand der langen Entscheidungsfindung GÞrharts deutlich wird – nicht nur um die Frage der monetren Gewinnmaximierung, sondern auch um Fragen des Standes, des Rechts und um das Gebot der Nchstenliebe. Denn es handelt sich um den Tausch von Heterogenem, von Menschen und Handelsgut, die sich nicht problemlos gegeneinander aufwiegen lassen. Der ›Verkufer‹ Stranmr versucht, diese Heterogenitt durch die Projektion zuknftiger Tauschgeschfte aufzuheben: Die ›getauschten‹ Menschen kçnnen ihm zufolge in Europa in materiellen Besitz ›zurckgetauscht‹ werden.54 Die Adeligen verkçrpern also gemß dieser Sichtweise das Versprechen, den Kufer spter fr den materiellen Verlust großzgig zu entschdigen. Fr GÞrhart handelt es sich jedoch nicht nur um ein risikoreiches ›horizontales‹ Tauschgeschft, bei dem das Potential des ›Getauschten‹ bercksichtigt wird, sondern auch um ein ›vertikales‹. Der Engel verspricht GÞrhart, dass ihm Gott ze lne / die immer wernden krne gibt, wenn er die Gefangenen durch gotes gebot lçse (V. 1863 – 1866).55 Mit dem Entscheid, die Gefangenen freizukaufen, erçffnet sich GÞrhart also nicht nur die Mçglichkeit eines zuknftigen irdischen, sondern auch die eines himmlischen Gewinns. Der Text erzhlt im weiteren Verlauf von den Folgen einer solchen Verknpfung von ›vertikalen‹ und ›horizontalen‹ Tauschgeschften.56 Als GÞrhart sich ganz auf den ›himmlischen‹ Lohn zu konzentrieren scheint,57 kommen die ›horizontalen‹ Tauschgeschfte ins Ungleichgewicht: Die Gefangenen, die er ohne sichere Entschdigung freilsst, sind erstaunt, dass GÞrhart der materiellen Tauschlogik zuwiderhandelt. Sie antworten ihm: l z uns immer b dir s n biz wir d n guot vergelten dir. d n beste phant daz s n wir. (V. 2710 – 2712) Lass uns weiterhin bei dir bleiben, bis wir dich fr deine Ausgaben entschdigt haben. Wir sind dein bestes Pfand.

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(V. 1796 f.). Er fragt die Adeligen, ob sie mit dem Loskauf durch einen stndisch ›Unterlegenen‹ einverstanden seien (V. 2046 – 2078), und sein Tauschgeschft stçßt in Kçln auf vçlliges Unverstndnis (V. 2830 f., 2843). V. 1721 – 1730, 1761 – 1792. Auch rene verweist auf beide Tauschordnungen: Ihr Vater werde sie großzgig lA s[en] (V. 2270), falls er jedoch tot sei, s lebt doch got, der lnet dir / swaz d begst gende an mir (V. 2279 f.). Vgl. zur ›Heilsçkonomie‹ von Seiten der Frçmmigkeitsgeschichte u. a. Angenendt (2000), S. 374 – 378, 577 – 599; Davis (2002), S. 146 – 180; Jussen (2003); Magnani (2003); Fricke (2007), S. 249 – 310; in literarischen Texten Quast (2005), S. 141 – 154. Obwohl er beim Freikauf den Gefangenen das Versprechen abgenommen hatte, dass sie ihm seinen schaden geltent (V. 2072), fordert er nun keinen materiellen, sondern einen ›himmlischen‹ Lohn: ich wil burgschaft und phant / an sn selbes gete ln / durch den ich ez hn getn (V. 2720 – 2722).

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Die Orientierung am himmlischen Lohn macht die weltlich-materielle Tauschordnung unberechenbar.58 Umgekehrt kann aber auch die ›vertikale Tauschordnung‹ dazu benutzt werden, irdische Tauschungleichgewichte auszugleichen. Als GÞrhart ohne jegliches Handelsgut nach Kçln zurckkehrt, lsst er den Verwandten ankndigen, daz ich Þ nie s rche / k# me wider (V. 2806 f.; »dass ich [GÞrhart] bisher nie so reich zurckgekehrt bin«) und meint damit – wie er erst spter ausfhrt – seinen spirituellen Reichtum.59 Die vriunde GÞrharts, die die Kçnigstochter und das leere Schiff sehen, beurteilen dies anders: der koufschatz in niht wol geviel (V. 2828; »Der Handelsgewinn gefiel ihnen [den Verwandten GÞrharts] gar nicht«). In der Ambivalenz des Wortes rch kommen zwar die horizontale und die vertikale Tauschachse zusammen, doch die Reaktion von GÞrharts Umfeld zeigt, dass sich die spirituelle und die çkonomische Whrung nicht problemlos ineinander konvertieren lassen. Vielmehr scheinen die vriunde GÞrharts den materiellen Reichtum als verloren abzuschreiben. Die Erzhlung handelt jedoch nicht nur von zwei, sondern von drei Tauschordnungen.60 GÞrhart ist – trotz oder wegen der materiellen Verluste – auch im weltlichen Bereich ußerst erfolgreich. Bereits bei der geplanten Heirat von GÞrharts Sohn mit rene scheint sich der materielle Verzicht als sozialer Aufstieg auszuzahlen. Als der Verlobte von rene auftaucht, mssen Vater und Sohn zwar auf die Heirat verzichten, doch auch dieser zweite Verzicht zahlt sich aus: GÞrhart erwirkt sich damit nicht nur das Ansehen des Bischofs, sondern auch die Freundschaft des angehenden Kçnigs von England.61 GÞrharts soziale oder heilsçkonomische Tauschgeschfte zu betonen, darf im Anschluss an die Diskussion um Luhmanns ›diabolische Universalisierung‹62 nicht bedeuten, dem Protagonisten ein Gewinnstreben zu unterstellen oder gar anzunehmen, der Text stelle dessen Gewinnstreben dar, um es zu kritisieren. Vielmehr ist zu fragen, ob Unterscheidungskriterien eingefhrt werden, die eine solche Kritik zulassen wrden: Wird – etwa im Anschluss an Thomas von Aquin – zwischen legitimen und illegitimen Zielen des çkono58 GÞrhart stellt das Gleichgewicht ansatzweise wieder her, indem er ankndigt, vielleicht spter noch Boten zu schicken (V. 2737 – 2740). 59 Es ist auch mçglich, dass das rch sich im ersten Schritt auf die Kçnigstochter rene und erst im zweiten auf den ›spirituellen Lohn‹ bezieht (vgl. V. 2832 f., 2841 – 2843). 60 Diese drei Tauschordnungen werden vom Engel, der GÞrhart beim Loskauf bert, prgnant unterschieden. Der Engel nennt nmlich drei Motive fr den Loskauf und den jeweiligen ln: tuost duz durch gelt, s geltent dir ; / tuost aber duz durch Þre, / man lobt dich immer mÞre; / tuost duz durch gotes gebot, / s wizzest reht daz dir got / gt umb s ze lne / die immer wernden krne (V. 1860 – 1866). 61 Dabei spielt der Text mit der stndischen Verkehrung der hçfischen Großzgigkeit: Der Kaufmann GÞrhart feiert ein Fest, das mit hçfischen Topoi beschrieben wird (V. 3425 – 3534, 4885 – 4894). Er ist somit in traditioneller Manier großzgig, doch nicht primr gegenber ihm stndisch Untergeordneten, sondern gegenber dem hilflosen hçfischen Prinzen. 62 Vgl. Kap. 2.9 des vorliegenden Buches.

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mischen Handels differenziert? Oder wird im Sinne einer modernen Moralvorstellung zwischen einem nutzenorientierten und einem selbstlosen Handeln unterschieden?63 Erst diese moderne Unterscheidung wrde es ermçglichen, GÞrharts Handeln als Kalkl eines sozialen Aufsteigers oder als spirituelle Profitmaximierung zu lesen. Aufflligerweise gibt die Erzhlung jedoch keine Ausknfte ber GÞrharts Motive und Absichten, und es bleibt offen, ob der Verzicht, der GÞrhart Ehre einbringt, kalkuliert oder unkalkuliert stattfindet.64 Ebenso wenig wird in Bezug auf andere Figuren zwischen einem nutzenorientierten und einem selbstlosen Handeln unterschieden oder das Ideal eines freiwilligen, selbstlosen Gebens propagiert. Die einzige, dezidiert vertretene moralische Norm ist die Kritik am Selbstlob, die auf eine Tugend der Demut zielt:65 Der Mensch verfgt ber das von Gott Gegebene nicht wie ber Eigentum und kann sich deshalb des himmlischen Lohnes nie sicher sein.66 Innerhalb der Binnenerzhlung liegt der Schwerpunkt jedoch nicht auf dem Verhltnis des Einzelnen zu seinen Taten, sondern auf der Verknpfung verschiedener Tauschordnungen. Ganz im Sinne Bourdieus berichtet der Text von den Bedingungen, unter denen unterschiedliche Kapitalformen ineinander transformiert werden kçnnen, und von den ›berschssen‹ oder ›Transaktionskosten‹, die dabei entstehen. Den Ausgangspunkt bildet die materiellçkonomische Tauschordnung, die am Beginn eingefhrt wird. Nach dem Seesturm wird deutlich, dass die çkonomisch-materielle bloß eine unter mehreren Tauschordnungen ist; daneben werden eine symbolisch-soziale und eine heilsçkonomische erkennbar, die mit der ersten konkurrieren, aber auch interagieren. Doch anders als man aufgrund der lehrhaften Tendenz des Textes erwarten kçnnte, wird die heilsçkonomische Tauschordnung nicht der ma-

63 Vgl. dazu Berking (1996), S. 207 – 230, hier S. 215, der zu zeigen versucht, dass ab dem 18. Jahrhundert die »brgerliche Schenkkultur eine Kultur des Verdachts [etabliert]«. D. h. es wird bei allen scheinbar ançkonomischen Gaben gefragt, welchen Nutzen dies dem Geber einbringt. 64 Dass die Motive des Protagonisten nicht dargestellt sind, ist umso aufflliger, als die Binnenhandlung in der ersten Person erzhlt wird. Doch GÞrharts Erzhlung tendiert zumindest streckenweise zu einer auktorialen Erzhlperspektive (bzw. Null-Fokalisierung); vgl. zur Erzhlsituation Schulz (1999a); Lechtermann (2005), S. 78 – 107. Im Mre Der Hellerwertwitz von Hermann Fressant werden ganz anders als im Guoten GÞrhart die Handlungsmotive der Frau fokussiert: Liebt die Frau den Mann aufgrund von Geschenken oder aus Treue? Vgl. dazu im vorliegenden Buch Kap. 4.2. 65 Im Prolog und in der Rahmenhandlung wird das Sich-selber-remen (V. 13 u. ç.) kritisiert. Mit der Gegenberstellung von Kaufmann und Kaiser stehen somit nicht zwei unterschiedliche Tausch- oder Gabeformen einander gegenber, sondern das Verhltnis der Figuren zu ihren (Gabe-)Handlungen. Fokussiert wird die Tugend der Demut, aber nicht die Unterscheidung von selbstlosem und zweckrationalem Handeln. 66 Vgl. dazu unten Kap. 3.3.

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teriellen und der sozialen bergeordnet.67 Es wird zwar in einzelnen Aussagen topisch der heilsçkonomischen Ordnung das Primat zugesprochen,68 doch kommt es gerade nicht zu einer konsequenten Hierarchisierung der verschiedenen Tauschordnungen. Vielmehr werden diese gewinnbringend ineinander verzahnt. GÞrharts soziale und materielle Verzichtsleistungen zugunsten des himmlischen Lohnes (V. 2722; 4393 u. ç.) annullieren seine weltliche Ehre nicht, sondern haben zur Folge, dass er in allen drei Bereichen erfolgreich ist. Seine Vorrangstellung gegenber dem Kaiser kann deshalb weder in der Ablehnung des do ut des-Prinzips noch im Verzicht auf materielle Gter grnden. Sie kçnnte sich aber – neben seinem Verzicht auf Selbstlob und seinen erzhlerischen Fhigkeiten – auch seinem Geschick verdanken, verschiedene Tausch- und Wertordnungen miteinander zu verknpfen, ohne ber zu hohe Transaktionskosten zu stolpern. Beim Guoten GÞrhart handelt es sich um eine Erzhlung, die insbesondere den exemplarischen Mren verwandt ist. Es ist deshalb nicht unwichtig, dass bereits in dieser – in Bezug auf die Mren – ›frhen‹ Erzhlung unterschiedliche Tauschordnungen vorausgesetzt und erst sekundr wieder miteinander verknpft werden. Weder der heilsçkonomische Tausch noch der soziale oder çkonomische Tausch werden per se negativ gewertet oder einem ançkonomischen Verausgabungsprinzip entgegengesetzt. Vielmehr fokussiert der Text die Interdependenzen, die durch den Tausch von Ungleichartigem entstehen: Die Tauschgeschfte zwischen verschiedenen Tauschordnungen verlaufen nicht reibungslos; sie erzeugen Ungleichgewichte in den einzelnen Tauschordnungen und provozieren dadurch weitere (Ausgleichs-)Handlungen. Der Tausch von Ungleichartigem erscheint deshalb nicht nur als handlungsweltliches Motiv, sondern auch als syntagmatisches Prinzip, das die Erzhlung organisiert. Er erzeugt neue Ungleichgewichte oder verschiebt alte und erçffnet dadurch neue Handlungsmçglichkeiten. Diese ›erzhlerische konomie‹ wird sich auch an den Mren beobachten lassen.

3.3 milte – eine gegenseitige, aber asymmetrische Verpflichtung milte ist in der hçfischen Literatur eine Herrschertugend, die dem Gebenden fr materielle oder allenfalls soziale Großzgigkeit Þre eintrgt – wenn der ›Austausch‹ denn gelingt. Sie ist deshalb weder eine bedingungslose Gabe noch eine konventionalisierte Tauschhandlung mit einer »festen Preisrelation«, sondern eine Reprsentationshandlung, die die ethischen und materiel67 Vgl. Schnell (1969), S. 77, der von einer »Durchdringung« des gçttlichen und des irdischen Bereichs spricht. Dagegen Ruh (1980), S. 325, der postuliert, dass die Exemplaritt GÞrharts darin besteht, dass er als Kaufmann nicht kaufmnnisch handelt; hnlich Peters (1983), S. 47. 68 Vgl. V. 6260 – 6278, 6491, 6706 – 6713.

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len Herrscherqualitten des Gebenden demonstriert bzw. konstituiert.69 Es handelt sich somit bei der Freigebigkeit nicht um eine einseitige Verausgabung, sondern um eine Relation wechselseitiger Verpflichtung.70 Sie hnelt den Tauschhandlungen GÞrharts, die als Teil einer sozial-gesellschaftlichen Tauschordnung beschrieben wurden. Doch whrend GÞrhart gegenber hçherrangigen Personen freigebig ist, wird milte in der hçfischen Literatur gewçhnlich gegen ›unten‹ gebt. Das Beispiel GÞrharts verdeutlicht gleichwohl, dass durch den Akt der milte performativ Status erworben werden kann. Seine milte-Handlungen verndern seine gesellschaftliche Stellung, auch wenn oder weil er die angebotenen Gegengaben ablehnt. Um die soziale und literarische Logik der hçfischen Freigebigkeit genauer zu verstehen, werden im Folgenden drei gattungsspezifische Formen der milte diskutiert.

Bedingungen und Grenzen der milte in der hçfischen Epik anhand des rash boon-Motivs Die milte des Herrschers wird in den hçfischen Romanen u. a. anhand des rash boon-Motivs thematisiert: Der Herrscher (meist Artus) gibt einem Fremden das Versprechen, ihm alles, was er fordert, zu gewhren. Der Fremde fordert die Kçnigin. Der Hof ist entrstet, doch muss der Kçnig sein Versprechen halten. Die Verfolgung des Entfhrers kommt mehr schlecht als recht in Gang und erst nach einiger Zeit gelingt es einem vortrefflichen Ritter des Hofes, die Kçnigin zurckzuerobern.71 Gerd Dicke und Marion Oswald haben dieses 69 Mller (1998), S. 348 – 362, unterscheidet zwischen miete/ln, die »auf einen bestimmten Zweck […] oder eine bestimmte Leistung […] zielen«, und milte, bei der man ohne »feste Preisrelation« gibt und erhlt (S. 348); Haferland (1988), S. 88 – 100, beschreibt die Freigebigkeit als »Verausgabung«, betont aber zugleich, dass diese »nicht so ganz uninteressiert« sei, da sie dem sich Verausgabenden Ehre einbringt (S. 93 f.); vgl. dazu auch Oswald (2001), S. 144; Oswald (2004), S. 235 – 250; Fischer (2006), S. 258 – 265. 70 Der im letzten Kapitel entwickelte weite Tauschbegriff hat zur Folge, dass nicht kategorial zwischen Freigebigkeit und zweckrationalem Tausch unterschieden wird, sondern diese als allenfalls unterschiedliche Positionen eines Spektrums angesehen werden. Dies soll anhand der folgenden Ausfhrungen auch nochmals plausibel gemacht werden. Besonders prgnant ist dies von Margreth Egidi (2008b), S. 51, formuliert worden: »[…] die milte-Handlung ist also eingebunden in eine Struktur wechselseitiger Vergeltung und gegenseitigen Nutzens. Generositt und berschuss des Gegebenen schließen Reziprozitt und Gabe-Gegengabe-Relationen nicht aus […].« Vgl. auch ebd., S. 227: »Tausch und hçfische Reziprozitt sind […] nicht kategorial voneinander abtrennbar, und zwar nicht deshalb, weil es Grenzphnomene gbe, die die Regel besttigten, sondern weil sie grundstzlich voneinander affiziert sind.« Vgl. zudem Oswald (2004), S. 241 f.; anders hingegen Gephart (1994), S. 15; Haferland (1988), S. 41; Fischer (2006), S. 65 f. 71 Dicke (1998) unterscheidet zwischen zwei Traditionen des rash boon-Motivs: Im Anschluss an einen »dem Ursprung nach keltischen Erzhltyp« kommt der Herausforderer in den frhen Artusromanen aus der ›Anderswelt‹. Die Ritter, die Ginover zurckerobern, sind keine Rivalen Artus’, sondern dessen Komplement. Im Tristan dagegen fehlen die andersweltlichen Zge des

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Motiv jngst insbesondere im Tristan Gottfrieds von Straßburg untersucht.72 Oswald liest Markes Blankoversprechen als hçfische Freigebigkeit bzw. »asymmetrische[n] Gnadenakt«, der scheitert, weil er zu sehr zum Tausch wird.73 Dicke dagegen versteht das Versprechen als »do ut des-Prinzip«, d. h. als »Tausch und Gegenseitigkeitsprinzip […], das nicht anders als in archaischen Gesellschaften […] die hçfische soziale Interaktion reguliert«.74 Die gegenstzlichen Charakterisierungen des rash boon – einmal als Verausgabung und einmal als Tausch – sind in hnliche Interpretationen eingebettet, was darauf hinweist, dass sich dieser Austausch weder mit dem Modell des archaischen reziproken Tausches noch mit der dem Tausch entgegengesetzten Verausgabung fassen lsst. Stattdessen liegt es nahe, den rash boon als Reflexion auf die Bedingungen und Grenzen der milte zu lesen. Der Ausgangspunkt des rash boon bildet die Demonstration einer scheinbar absoluten Freigebigkeit, wenn der Herrscher Gaben in unbekannter Hçhe verspricht. Die Großzgigkeit des Gebenden verpflichtet jedoch den Nehmenden, nur zu fordern, was der Situation angemessen ist.75 Wenn hingegen – wie in der Situation des scheiternden rash boons – der Nehmende außerhalb dieses Normhorizontes steht und eine ›unmßige‹ Gabe, nmlich die Kçnigin, fordert, werden die Grenzen und Gefahren der herrschaftlichen milte-Demonstration sichtbar : (1) Die milte stiftet zwar soziale Bindungen, doch bedarf es dazu eines gemeinsamen Normhorizonts. Dieser verpflichtet die Beteiligten, sich an implizite Regeln zu halten, also trotz gegenteiliger Aussagen nur maßvoll zu geben und zu fordern.76 hnlich wie bei Aristoteles (Kap. 3.1) zeigt sich, dass Reziprozitt nicht von sich aus gesellschaftstiftend wirkt, sondern dass es dazu zustzlicher Bedingungen bedarf. (2) Die milte hat eine agonale Dimension, weil sie dem Nehmenden die Asymmetrie der gegenseitigen Verpflichtung demonstriert. Der Gebende setzt eine absolute Differenz zwischen sich (als Gebendem) und den Empfngern, insbesondere wenn er unterschiedslos gibt, d. h. den Reichen und den Armen, den Tchtigen und den Untchtigen.77 Beim gelingenden rash boon demonstriert der Gebende

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Entfhrers. Dementsprechend erscheint Markes Preisgabe von Isolde als Schwche und Tristan, der sie zurckerobert, als ihr ›rechtmßiger‹ Besitzer (S. 139 – 141, 145). Im Tristan fordert Gand n von Marke fr seinen Gesang eine Blankogabe (V. 13127 – 13250). Oswald (2001), S. 144 f. Vgl. auch die hnliche Argumentation von Schopf (1996), S. 102 – 104. Der rash boon scheitert jedoch auch dann, wenn der Bittende selbst keine Gabe anbietet, vgl. z. B. im Iwein (V. 4528 – 4726), wo der Herausforderer explizit die milte von Artus prfen will. Dicke (1998), S. 124. Ebd. Vgl. Oswald (2001), S. 133, die als Voraussetzung fr Gand ns Erfolg die »Unausgesprochenheit der unterschiedlichen Erwartungshaltungen in Bezug auf den Lohn, d. h. die nicht aufgelçste Mehrdeutigkeit der Tauschbedingungen« nennt. Vgl. auch Ragotzky (1980a), S. 80. Vgl. Oswald (2001), S. 144: »Der asymmetrische Gnadenakt erzeugt die Differenz zwischen erhabenem Spender und unterwrfigem Empfnger.« Strohschneider (2002), S. 99 f.: »Die Verausgabung von Reichtmern zielt vor allem auch darauf, dem Beschenkten zu verdeutlichen, daß der Rang des Schenkenden inkommensurabel sei«.

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zudem, dass seine Macht auch dann nicht angetastet wird, wenn formal die Erlaubnis dazu gegeben wird. Diese unterschwellige Agonalitt wird bei gelingender milte durch den gemeinsamen Normhorizont unwirksam gemacht. Wenn dieser jedoch fehlt und beispielsweise der Nehmende, wie beim scheiternden rash boon blich, von ›außen‹ kommt, kann milte Gewalt hervorrufen.78 (3) Der scheiternde rash boon macht jedoch auch deutlich, dass die scheinbar absolute Freigebigkeit des Herrschers nur eine bedingte ist: Wrde der Herrscher ›alles‹ verschenken, wren auch die Bedingungen seiner Herrschaft und damit die seiner milte nicht mehr gesichert. Hierauf zielen die Analysen von Bourdieu: Die sozial bindende Kraft der Freigebigkeit basiert darauf, dass durch vorgngige Asymmetrie und die Rhetorik der Verausgabung das Gegenber verpflichtet wird, aber die Asymmetrie erhalten bleibt. D. h. der Gebende gibt nie so viel, dass er die Grundlagen der Herrschaft, seine berlegenheit und damit die Mçglichkeit der Freigebigkeit zunichte macht.79 Dass beim scheiternden rash boon genau eine solche die Herrschaft gefhrdende ›Gabe‹ gegeben wird, lese ich als dezidiert literarisches Experiment, mit dem die Bedingungen und Grenzen der milte thematisiert werden kçnnen. In Bezug auf den im Theoriekapitel diskutierten Begriff der Reziprozitt lsst sich aus den obigen berlegungen folgern, dass – deutlicher als das in der Forschung der Fall ist – zwischen der Gegenseitigkeit der Verpflichtung und der Symmetrie bzw. Asymmetrie des Austauschverhltnisses unterschieden werden muss.80 Eine gegenseitige Verpflichtung bedeutet weder, dass damit alle Beteiligten bessergestellt werden, noch, dass die Tausch- oder Gabehandlung nicht agonal ist.81 78 Vgl. zur Agonalitt als konstitutiver Dimension hçfischer Kultur Haferland (1988), S. 28 – 35, 73 – 121. Oswald (2004) untersucht den Zusammenhang von milte und Agonalitt in frhhçfischer Erzhlliteratur detailliert. Sie erhellt weitere Formen agonaler Großzgigkeit, so z. B. wenn die erhaltenen Gaben durch Gegengaben berboten werden (S. 69 – 78, 246 – 249). 79 Vgl. zu Bourdieu Kap. 2.3 des vorliegenden Buches; vgl. Mller (1998), S. 349, in Bezug auf Prnhilts milte bei ihrem Abschied von Isenstein: »Vçllige Verausgabung bedeutet Tod durch Auslçschung der sozialen Existenz. Aber milte, die çkonomisch verfahren muß, ist keine milte mehr«. Vgl. auch Strohschneider (2007), S. 186, der postuliert, dass im Pfaffen Amis die »Aporie feudaler milte« sichtbar werde, nmlich, dass »auch Freigebigkeitsressourcen […] der Knappheit unterliegen«. Die vollstndige Verausgabung verunmçglicht die milte, da der Gebende dadurch arm wird. Im Pfaffen Amis habe dies zur Folge, dass der Pfaffe mittels List- und Tauschhandlungen das Geld wieder eintreibt; hnlich Strohschneider (2004), S. 115. Vgl. Derrida (1997), der ein strukturell hnliches Dilemma als Paradox der Gastfreundschaft beschreibt; dazu Kap. 8.4. 80 Bei der milte wird traditionellerweise ihr sozial-konstruktiver Charakter betont, der durch die gegenseitige Verpflichtung entsteht: Ortmann (1989), S. 28, spricht bei der Interpretation der Sangsprche Walthers von der »prinzipiellen Gleichwertigkeit« der Gebenden und Nehmenden; hnlich Ragotzky (1980a), S. 81; Gephart (1994), S. 12, 16 u. ç. Haferland (1988) grenzt die sozial bindende Kraft der Freigebigkeit von der ›kalten‹ Beziehungslosigkeit des Tauschens ab (S. 41 f.), betont aber zugleich die enge Verknpfung von Reziprozitt und Agonalitt in der hçfischen Gesellschaft. 81 Die enge Verbindung von Reziprozitt und Agonalitt begrndet Haferland (1988) u. a. damit, dass die hçfische Gesellschaft keinem Ideal der Gleichheit folgt (S. 153). Es handle sich sowohl

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Diese strukturelle Dimension der milte, die in den rash boon-Episoden verdichtet sichtbar wird, ist jedoch eine vorwiegend handlungsweltliche. milte-Handlungen in hçfischen Erzhlungen werden jedoch auch – wie neuere Arbeiten zeigen – narrativ vielfltig genutzt: Beim herrschaftlichen Verteilen von Gaben am Rande des hçfischen Festes werden z. B. einzelne Objekte so ausfhrlich beschrieben, dass weniger der Reichtum des Gebenden als derjenige der descriptio im Vordergrund steht.82 Die verteilten Gaben sind meist mehrfach codiert und kçnnen ber ihre handlungsweltliche Bedeutung hinaus Geschehenes kommentieren oder kommende Ereignisse ankndigen.83 Des Weitern kçnnen verschenkte Gegenstnde innerhalb der Erzhlung mehrfach handlungstragend werden und so einerseits aussagekrftige paradigmatische Beziehungen stiften84 und andererseits – indem sie zwischen Konkretem und Metaphorischem oszillieren – die Textebenen verflechten.85 Die Tauschhndel in den Mren fallen gewçhnlich nicht unter den Begriff der hçfischen Freigebigkeit, weil das Tauschverhltnis fast immer explizit ausgehandelt wird und keine Reprsentationshandlungen in einer (hçfischen) ffentlichkeit beschrieben werden. Dennoch sind die Tausch- und Gabehandlungen vielfach von asymmetrischen Vorbedingungen geprgt, und es werden neben materiellen Gtern implizit auch Status und Macht ausgetauscht. Dabei spielt die milte auf der Ebene der Rhetorik und der intertextuellen Verweise eine wichtige Rolle. Im Rahmen der Tauschverhandlungen wird an die milte des Tauschpartners oder auch die gnade der Dame appelliert und damit die hçfische Freigebigkeit als intertextuelles Muster aufgerufen. Diese Erzhlmuster werden selbstredend umbesetzt, parodiert oder transformiert; die narrativen Strategien, die dabei zum Zuge kommen, hneln jedoch nicht selten denen, die in den hçfischen Romanen zu beobachten sind: also z. B. sich verselbstndigende descriptiones, Mehrfachcodierungen von Objekten oder deren paradigmatische Funktionalisierung. Es gilt deshalb nicht nur die inhaltlichen, sondern auch die narrativen und formalen Bezge zur hçfischen milte-Thematik zu beobachten.

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bei der Freigebigkeit als auch bei der Agonalitt um vormoderne Praktiken der Verausgabung (einmal materiell, einmal kçrperlich im Kampf), die ineinander umschlagen kçnnten (S. 157). Oswald (2001), S. 145, parallelisiert die Freigebigkeit und die agonale Gabe des Herausforderers im Tristan ebenfalls dadurch, dass beide ançkonomisch seien. Ich wrde dagegen mit Egidi davon ausgehen, dass sowohl dem Tausch im engen Sinne als auch den anderen reziproken Austauschverhltnissen eine kooperative und eine agonale Dimension eigen ist; vgl. Egidi (2008b), 168 f.: »Im Zentrum der hçfischen Welt gilt nicht eine Form hçfischer Reziprozitt als Ideal, die rckhaltlos gibt, den eigenen Vorteil vergessend, sondern eine Struktur, in der Machtbedingtheit und hçvescheit gerade keinen Gegensatz bilden, sondern zwei Dimensionen einer Einheit.« Vgl. zudem Egidi (2008a), S. 155 – 158. Schopf (1996), S. 64 – 86; Egidi (2008b), S. 61 – 69; Wandhoff (2003), S. 244 – 250. Mller (1998), S. 352 f.; Oswald (2004), S. 78 – 90; Egidi (2008b), S. 61 – 69. Oswald (2004), S. 147 – 155, 216 – 225; Egidi (2008b), S. 50 – 52, 190 – 206; Schmid (1997), S. 45 – 47. Egidi (2008b), S. 204 – 206.

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Reflexivitt des Austauschverhltnisses Die milte-Thematik in der hçfischen Epik unterscheidet sich von derjenigen im Sangspruch vor allem durch die Sprecherposition. Whrend in der Epik in der dritten Person von Gabe und Gegengabe erzhlt wird, ist im Sangspruch das Sprechen ber die milte selbst Teil des Tauschverhltnisses. Es steht weniger die Schilderung der Ereignisse und Objekte, sondern die Bewertung der milte durch ein ›betroffenes‹ Snger-Ich im Vordergrund.86 Die milte-Thematik hat im Sangspruch deshalb, wie insbesondere die Arbeiten von Peter Strohschneider gezeigt haben, eine viel strker poetologische Dimension als in den hçfischen Romanen: Verhandelt wird der Status und der Wert des Frstenlobs und vielleicht sogar der von ›Kunst‹.87 Bekanntlich wird der Austausch zwischen Snger und Herrscher als guot umbe Þre nemen bezeichnet und damit der ›ungleiche Tausch‹ bereits formelhaft auf den Punkt gebracht. Diese Formulierung wird, wie Franz H. Buml herausgearbeitet hat, durch und durch ambivalent gebraucht: Sie ist sowohl Eigen- als auch Fremdbeschreibung und sowohl deskriptiv-neutral als auch polemisch-pejorativ. Deskriptiv dient sie der Bezeichnung derjenigen, die fr ihr ›kunstvolles‹ Frstenlob materiellen Lohn erhalten. Polemisch meint sie hingegen, dass jemand seine Þre schndlich fr eine materielle Entschdigung aufgibt.88 Die unterschiedlichen ›Bedeutungen‹ der Formel resultieren einerseits aus der Inkommensurabilitt des Getauschten (Gesang und materielle Gter), das nicht in ein stabiles Tauschverhltnis gebracht werden kann.89 Andererseits lsst sich beobachten, dass die Semantik von guot und Þre durch 86 Es gibt selbstredend auch Sangsprche, in denen in der dritten Person ber milte gesprochen wird; vgl. Krause (2005), S. 119, die zwischen Sangsprchen, in denen der Snger in der ersten Person um milte wirbt, und solchen, in denen er als »Lehrer« ber milte spricht, unterscheidet. Sie betont jedoch, dass auch in der zweiten Gruppe die Betroffenheit des Sprechers durchschimmert. Egidi (2008b), S. 23, Anm. 89, argumentiert plausibel gegen eine Unterscheidung der milte-Nehmenden in ›Fahrende‹ und solche, die dem Hof angehçren. 87 Kellner/Strohschneider (1998), insbes. S. 149 – 151, 153 – 156, 165 f.; vgl. auch Strohschneider (2002), S. 88 f., 90 f., 101; vgl. auch zur Kunst als Gabe Quast (2005), S. 141 – 154. 88 Buml (1960), S. 176, 179 – 182; in Rechtstexten steht gemß Buml statt umbe vielfach vr oder durch, was die Abwertung verstrke; vgl. zur vielfltigen Verwendung der Formel auch Bumke (1986), S. 697 – 700; Obermaier (1995), S. 182 – 185; Tervooren (1995), S. 26 – 29, 40, 49 f.; Dobozy (1992), S. 353 – 359; Krause (2005), S. 87 – 92. Vgl. fr die Verwendung der Formel in epischen Texten Haferland (1988) S. 151, Anm. 82; Oswald (2004), S. 243 – 250. 89 Vgl. dagegen Ortmann (1989), S. 28, und Obermaier (1995), S. 159, die bei Walther den quasiinstitutionellen Charakter der milte betonen; Obermaier versteht das Lob als »Dienst fr den Herrn […], fr den Lohn eingeklagt werden kann« (ebd.); so auch Krause (2005), S. 12. Zugleich heben Ortmann (1989), S. 29, und Obermaier (1995), S. 161, aber auch hervor, dass Walther die Freiwilligkeit des milte-Gebens fordert. Haferland (1988), S. 157, beschreibt hnliches fr die hçfische Interaktion, hebt jedoch strker hervor, dass dies in ein Paradox mndet: »Je weniger beabsichtigt ist, den Empfnger […] zu verpflichten, desto grçßer ist die Verpflichtung.«

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jeweils andere Kontextualisierungen umbesetzt wird und so immer wieder neue Interpretationen des Tausches von guot und Þre mçglich werden. Die Texte thematisieren somit – so kann man folgern – je neu die divergenten Bewertungen und asymmetrischen Voraussetzungen der milte. Doch auch wenn weder Herrscher noch Snger vollstndig bestimmen kçnnen, was sie jeweils erhalten – und so Unzufriedenheit ein wiederkehrendes Motiv ist –, steht die milte auch im Sangspruch nicht fr eine ançkonomische Verausgabung, sondern vielmehr fr die Ambivalenzen eines Tauschs von Heterogenem, wie z. B. Agonalitt und Kooperation, Kommensurabilitt und Inkommensurabilitt.90 Die entscheidende Differenz zu den epischen Texten liegt deshalb nicht in der Logik der milte, sondern in der Reflexivitt der Tauschdarstellung. Der Gesang ist nicht Darstellung eines abgeschlossenen Tauschverhltnisses, sondern einerseits Reaktion auf vollzogene milte, andererseits versuchte Beeinflussung kommender Freigebigkeit. Es fehlt also nicht nur ein gemeinsames Maß, um das Heterogene kommensurabel zu machen, sondern, und das befçrdert die poetische Produktivitt des Themas ungemein, die Leistungen sind schon ineinander verstrickt, bevor sie unabhngig voneinander bewertet werden kçnnten. Der Nehmende ist zugleich Beobachter und Schiedsrichter und seine Gabe ist zugleich Bitte und Wertung.91 Im Rahmen der urteilenden Deutungen des Sngers werden die einzelnen Freigebigkeitshandlungen zudem metonymisch totalisiert: Der einzelne Gesang ist nicht nur Gabe, in Erwartung einer Gegengabe, sondern Bewertung eines lnger whrenden Austauschverhltnisses, whrend die milte des Herrschenden fr sein politisches Geschick insgesamt steht.92 90 Strohschneider (2002), S. 97 – 100, geht bei seiner Analyse von Sangsprchen mit milteThematik von zwei systematisch verschiedenen Formen der milte aus: Die eine reziproke oder selektive Form der milte unterscheidet zwischen ›guten‹ und ›schlechten‹ Nehmenden. Gemß Strohschneider tendiert diese Form zum Lohn, da die Qualifikationen der Nehmenden fr die Hçhe der Gabe ausschlaggebend sind. Wenn aber die Gabe zum Lohn wird, »verliert sie die Fhigkeit, den Rang des Gebers prsent zu machen« (S. 99). Er nennt dies auch eine »sekundre […] Ethisierung der Gabe« (S. 98). Die andere Form der milte, die Strohschneider anhand von Walther L. 20,4 entwickelt, sei dagegen ançkonomisch. Sie sei »wahllos, maßlos« und schaffe »soziale Synthesis« (S. 99). Whrend die milte des Herrschers fr die Empfangenden unverfgbar sei – es werde ohne Selektion allen gegeben –, kçnne der Herrscher nicht ber die Bewertung seiner Herrscherqualitten durch den Snger verfgen. Vgl. auch die hnliche Argumentation in Kellner/Strohschneider (1998), S. 155 f., wo explizit auch auf Derrida Bezug genommen wird. Doch auch wenn die Unterscheidung zwischen einer selektiven und einer nichtselektiven milte berzeugt, so deckt sie sich meines Erachtens nicht mit der Unterscheidung von konomie und Ançkonomie bzw. Tausch und Gabe. Wenn ein Gebender nicht zwischen den Nehmenden selektiert oder nicht begrndet, weshalb er wem gibt, ist dies nicht zwangslufig eine ançkonomische Verausgabung in dem Sinne, dass der Gebende bedingungslos und ohne Verpflichtung gibt und der Nehmende keine Gewinnerwartungen hat (so wie dies z. B. Derrida fr die Gabe fordert, vgl. Kap. 2.5); vgl. die hnliche Argumentation bei Egidi (2008b), S. 25 f. 91 Vgl. Kellner/Strohschneider (1998), S. 150 f. 92 Ortmann (1989), S. 28, 32, die dies als ›Neuerung‹ Walthers beschreibt; hnlich Obermaier (1995), S. 164 f.

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In den Mren findet sich diese komplexe Form des Tauschverhltnisses, in dem die literarische ußerung selbst zur Gabe wird, nicht oder wenn, dann nur in der vereinfachten Form, dass Binnenerzhlungen Austauschverhltnisse initiieren oder beeinflussen.93 Dennoch ist der Verweis auf die Sangspruchtradition nicht unwichtig, weil er verdeutlicht, dass Erzhlungen einerseits Teil von Austauschverhltnissen sein kçnnen, andererseits diese aber zugleich auch deuten und beurteilen.

Triadische Struktur der milte Abschließend soll anhand eines Bispels des Strickers eine dritte Variation der literarischen milte-Dynamik vorgestellt werden, nmlich die Transformation des dualen Verhltnisses von Gebendem und Nehmendem in ein triadisches, in dem Gott die dritte Position besetzt.94 Hedda Ragotzky hat in einem differenzierten und aufschlussreichen Aufsatz Strickers Exemplum Falsche und rechte Milte analysiert. Stricker erzhlt kurz von einer erfolglosen und einer erfolgreichen Jagd und legt diese auf das milte-Geben hin aus. Im ersten Teil wird gefordert, dass der milte-Gebende nicht willkrlich allen geben darf, sondern dass er zwischen den gefugen und den ungefugen unterscheiden soll (V. 110 f.).95 Die milte tendiert so, wie Strohschneider gezeigt hat, zu einem selektiven Leistungs-Lohn-Verhltnis.96 Der zweite Teil der Bispel-Auslegung deutet dagegen den milte-Gebenden als ›weisen Kaufmann‹, der seine Ehre bei Gott kauft (V. 228).97 Gott ist der ›ursprngliche‹ Eigentmer von gut und ere, der Mensch ist bloß chamerære von Gottes Gut (V. 307) und deshalb verpflichtet, es weiterzugeben:

93 Vgl. dazu im vorliegenden Band Kap. 5 und 7. 94 Diese Argumentation findet sich auch im Sangspruch; vgl. Buml (1960), S. 182; Krause (2005), S. 141 – 146; vgl. zudem Obermaier (1995), S. 180 – 187. 95 Ragotzky (1980a), S. 79 – 81; vgl. zu Strickers Bispel auch Buml (1960), S. 181 – 183; Egidi (2008b), S. 23 – 25; vgl. zur milte-Thematik bei Stricker Wailes (1981), S. 164 – 211; Rocher (1999), S. 104 – 111; vgl. zur Diskussion von Tausch und Besitz bei Stricker auch Ragotzky (1980b). 96 Vgl. Strohschneider (2002), S. 97 – 100, sowie in diesem Kapitel Anm. 90. Auf eine ganz hnliche Argumentation in Bezug auf die milte der Frau Venus im Apollonius des Heinrich von Neustadt weist Egidi (2008a), S. 157, hin. Vgl. zum Almosendiskurs, der hier ebenfalls angesprochen ist, Wailes (1981), S. 173 – 175; vgl. wiederum das Mre Das Almosen, das dieses Thema aufgreift und sexualisiert. 97 Ragotzky (1980a), S. 83 f.

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3. Mittelalterliche Diskurse des Gebens und Tauschens das erz [gut98] vor got chunde sparn, des eigen iz doch ist gewesen, des ist sin sele ungenesen. (V. 304 – 306) Dass er es [das Gut] vor Gott zurckbehalten hat, dessen Eigentum es doch war, davon wird seine Seele keinen Vorteil haben.

Ragotzky zufolge sind der erste und der zweite Auslegungsteil dadurch verbunden, dass sich in der ›richtigen‹ weltlichen milte die »Struktur des von Gott gesetzten Ordnungsentwurfs [spiegelt]«.99 Meiner Ansicht nach liegt der Akzent jedoch nicht auf der Spiegelung, sondern auf der Transformation des dualen milte-Verhltnisses in ein triadisches. Denn sobald Gott als dritter Tauschpartner dazu kommt, wird eine andere milte-Dynamik generiert. Das Verhltnis von Geber und Nehmer wird invertiert: got, der hat ere veile. im wirt ere vil zeteile, der si daze im choufen wil. (V. 233 – 235) Gott verkauft die Ehre. Derjenige, der sie bei ihm kaufen wird, der erhlt viel Ehre.

Der milte-Gebende ist zugleich Nehmender, weil er von Gott ere und hulde nimmt bzw. kauft (V. 178; 231). Der vordergrndig Nehmende ist dagegen auch Gebender, weil er Gottes Ehre verschenkt (V. 230). Das gewçhnlich asymmetrische Verhltnis von milte-Gebendem und Nehmendem wird also mittels einer dritten Position (Gott) resymmetrisiert: Beide Beteiligte sind zugleich Gebende und Nehmende, Kufer und Verkufer. Der vordergrndig Gebende ist vom Nehmenden ebenso abhngig wie dieser von ihm, weil der Nehmende sein ›Mittel‹ zu Gott ist. Auch die bereits erwhnte milte-Formel wird dabei prgnant umgedeutet: er mus wesen gotes bot, swer gut umbe ere nemen sol. swer dem git, der choufet wol. (V. 230 – 232). Wer Gut im Austausch fr Ehre annehmen muss, muss Gottes Bote sein. Wer diesem gibt, der kauft richtig. 98 Das ez verweist auf gut (V. 302). Stricker spielt hier mit der Doppeldeutigkeit von mhd. guot, das sowohl ›das Gute‹ bzw. ›Gutes‹ bedeuten kann als auch materielles Gut und Vermçgen; vgl. BMZ Bd. 1, Sp. 589. 99 Ragotzky (1980a), S. 84.

milte – eine gegenseitige, aber asymmetrische Verpflichtung

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Grundlage dieser Umdeutung ist die Erweiterung der materiell-weltlichen Tauschordnung um die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Im Unterschied zum Guoten GÞrhart, wo bereits von einer solchen ›vertikalen Tauschachse‹ die Rede war, geht es hier nicht um einen Tausch mit Gott (im Sinne einer do ut des-Struktur), sondern um die Betonung der dem Menschen unverfgbaren Bedingungen des Tauschens: Sowohl Ehre als auch materielles Gut sind dem Menschen primr von Gott gegeben und so nur Eigentum in einem vermittelten Sinne.100 Alles, was der Mensch scheinbar besitzt, hat er von Gott ›gekauft‹.101 Diese Denkfigur hat – im Unterschied zu den anderen Formen der weltlichen milte-Gaben – hnlichkeiten mit Derridas Gabenbegriff. Denn auch Derrida geht es um die quasi-transzendentalen Bedingungen des Gebens (Zeit, Sprache etc.), ber die der Mensch nicht verfgt. Dennoch bleiben die Differenzen zwischen vormoderner und postmoderner Gabenreflexion deutlich erkennbar. Derrida besetzt nmlich die Position, von der aus das Nichtverfgbare gegeben wird (bei Stricker ist dies Gott), nicht durch eine Transzendenzfigur, sondern versucht sie radikal zu historisieren. Unverfgbar sind dem Einzelnen die geschichtlich-kulturellen Bedingungen, die sein Handeln prgen und die sich durch seinen Bezug darauf auch wieder verndern.102 Die unterschiedliche Konzeption eines emphatischen Gabenbegriffs bei Stricker und Derrida zeigt sich auch am Verstndnis des Falschgeldes, auf das beide genauer eingehen. Gegen Ende des Bispels fhrt Stricker das Phnomen der ›falschen Ehre‹ ein. Er versteht darunter eine weltliche (Schein-)Ehre, die durch ›falsches‹ Geben erworben wird (V. 255 – 261). Stricker bezeichnet diese ›falsche Ehre‹ auch als Falschgeld (valsch phenninge), das vom munzære (Gott) nicht anerkannt wird (V. 269 f.). Gott garantiert somit, dass eindeutig zwischen ›scheinbarer‹ und ›echter‹, angemessener (gefuger) und unangemessener (ungefuger) milte unterschieden werden kann. Er brgt geradezu dafr, dass weltliche Tauschverhltnisse letztendlich transzendent ausgeglichen werden.103 Stricker reagiert damit implizit auf das bereits mehrfach thematisierte Problem, dass je nach Bewertungsperspektive ein Tausch oder ein milte-Verhltnis als ›gerecht‹ oder ›ungerecht‹, gefuge oder ungefuge beurteilt werden kann. Indem Gott die eine, ›wahre‹ Bewertungsinstanz darstellt, 100 Vgl. zur Kontextualisierung dieser ›Eigentumslehre‹ in Bezug auf die Scholastik und weitere Texte Strickers Wailes (1981), S. 146 – 164. 101 Vgl. zum Topos von Christus-mercator Mersmann (1971), S. 76 f., 260; Wailes (1981), S. 176, Anm. 50; Angenendt (2000), S. 374 f.; vgl. zur ›milte Gottes‹ im Sangspruch Krause (2005), S. 157 – 161. 102 Vgl. Kap. 2.5 des vorliegenden Bandes. 103 Hierin liegt auch der Unterschied zum Guoten GÞrhart. Denn im Guoten GÞrhart kommt der ›vertikalen Tauschachse‹ anders als bei Stricker nicht das Primat zu. Es fehlt der eine (transzendente) Standpunkt, von dem aus die unterschiedlichen Tauschordnungen hierarchisiert und deren Konvertierungsbedingungen festgelegt werden kçnnen. Doch scheint genau dieses Fehlen die literarische Produktivitt des Guoten GÞrharts zu befçrdern.

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3. Mittelalterliche Diskurse des Gebens und Tauschens

bildet er das gemeinsame Maß und ermçglicht so die Kommensurabilitt des Heterogenen.104 Bei Stricker steht das Falschgeld somit fr die Notwendigkeit einer letztbegrndenden Instanz (Gott), die die Differenz zwischen richtigem und falschem Geben garantiert. Bei Derrida dagegen wird das Falschgeld zum emphatischen ›Bild‹ fr eine ançkonomische Gabe: Da aufgrund der Ambivalenz des Falschgeldes105 keine quivalente Gegengabe berechnet werden kann, wird durch das Falschgeld Reziprozitt systematisch verunmçglicht. Der transzendente Geber stabilisiert gemß Stricker als dritter Tauschpartner das duale weltliche Austauschverhltnis. Auf der sprachlichen Ebene hat diese dritte Instanz jedoch einen anderen Effekt als auf der ›inhaltlichen‹. Denn indem Gott ›mittauscht‹, werden nicht nur milte-Geber und Nehmer einander ebenbrtig(er) gemacht, sondern auch die Semantiken von Geben und Nehmen einander angeglichen: Geben ist zugleich Nehmen, Nehmen zugleich Geben. Stricker spielt im Bispel die Verkehrung der blichen Bedeutung von choufen und geben in immer neuen Varianten durch und bewirkt dadurch eine Ambiguisierung und Paradoxierung des Phnomens der milte. Es ist oft erst nach mehrmaligem Lesen mçglich zu entscheiden, wer was gibt und was nimmt. Der Text treibt die semantische Identifizierung von Geben und Nehmen, Kaufen und Verkaufen so weit, dass die milte-Struktur – zumindest punktuell – in paradoxen Sprachfiguren aufgehoben wird. Dadurch werden zum einen die semantischen Bedingungen der milte sichtbar, zum anderen wird der Unverfgbarkeit des scheinbar Gegebenen auf einer sprachlich-rhetorischen Ebene nochmals anders Ausdruck verliehen.

3.4 Fazit Der Vergleich unterschiedlicher literarischer und scholastischer Texte, in denen Tausch im oben definierten weiten Sinne Thema ist, hat gezeigt, dass bestimmte strukturelle Momente des Tauschens immer wieder zur Sprache kommen, dass sie aber ganz unterschiedlich kontextualisiert, semantisiert und literarisch genutzt werden. (1) Eine immer wiederkehrende Konstellation bildet der Tausch von Heterogenem: Inwiefern materielle, symbolisch-gesellschaftliche oder heilsçkonomische Werte gegeneinander eingetauscht werden kçnnen, wird in fast allen Texten reflektiert. Damit ist zugleich die grundlegende Frage verknpft, 104 Hier zeigt sich auch nochmals die spezifische Leistung von Thomas’ Diskussion des ›gerechten Preises‹. Obwohl der Tauschende letztendlich vor Gott zu rechtfertigen hat, ob ein Tausch ›gerecht‹ war, geht Thomas nicht davon aus, dass es eine allgemeingltige Bewertungsform gibt, sondern unterscheidet zwischen verschiedenen Bewertungsperspektiven und -kontexten. 105 Die Ambivalenzen des Falschgeldes liegen gemß Derrida auf mehreren Ebenen, die hier nur mit einigen Fragen angedeutet werden: Ist es Falschgeld? Weiß der Gebende, dass es sich um Falschgeld handelt? Welche Konsequenzen hat das Falschgeld fr den Nehmenden, der es weiterverwendet? (Vgl. dazu im vorliegenden Buch Kap. 2.6.)

Fazit

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ob in Bezug auf literarische Texte von verschiedenen Tauschordnungen ausgegangen werden kann oder ob im Sinne einer ›totalen sozialen Tatsache‹ bei jedem Tauschgeschft ›alle‹ Gesellschaftsbereiche betroffen sind.106 Diesbezglich ergeben die untersuchten Texte kein einheitliches Bild. Whrend bei der milte-Thematik in der hçfischen Literatur materielle und sozial-symbolische Ordnungen ungeschieden ineinander verschrnkt werden, ist im Guoten GÞrhart die materielle Tauschordnung deutlich von der symbolisch-gesellschaftlichen und der heilsçkonomischen abgegrenzt und wird erst sekundr wieder auf sie bezogen. Thomas von Aquin behandelt zwar den Gtertausch und die Reziprozitt bei der Bestrafung von Verbrechen nebeneinander, doch gibt es kein Austauschverhltnis zwischen den beiden Bereichen, sondern sie werden nur im Hinblick auf die Frage nach einer ›gerechten‹ Reziprozitt miteinander verglichen. Es besttigt sich somit – was bereits im zweiten Kapitel hypothetisch formuliert wurde –, dass die Texte von unterschiedlich stark differenzierten Tauschordnungen ausgehen, die sich zwar nicht mit den Tauschordnungen der Moderne decken, die aber auch nicht differenzlos in einer ›totalen sozialen Tatsache‹ aufgehen.107 Das Erzhlen von heterogenen Tauschgeschften kann daher eine Mçglichkeit sein, solche Ordnungen und deren Grenzen zu thematisieren und sie dadurch entweder zu festigen oder zu problematisieren. (2) Mehrfach aufgegriffen wird zudem die Frage nach einem gemeinsamen Maß, das Vergleiche bzw. Tauschgeschfte ermçglicht. Thomas’ Diskussion des ›gerechten Preises‹ entwirft genauso wie der Guote GÞrhart und die Sangspruch-Texte verschiedene Perspektiven, die ›den‹ Wert jeweils nach unterschiedlichen Kriterien bestimmen. Gerade diese Pluralitt der Wertbestimmung scheint literarisch produktiv : Denn es werden einerseits oft unterschiedliche Wertbestimmungen gegeneinander ausgespielt oder die Bewertungsperspektiven im Verlauf eines Textes gezielt verndert. Andererseits kann mittels der Markierung einer Bewertungsperspektive die jeweilige Darstellung des Tauschens reflektiert werden. (3) Die literarischen Texte schenken berdies den sozialen Beziehungen, die durch Tausch oder Freigebigkeit gestiftet werden, viel Aufmerksamkeit. Bei keinem der Tauschgeschfte, die in den literarischen Texten ausfhrlich behandelt werden, ist das Tauschverhltnis vorab vertragsartig geregelt, sondern es muss je neu ausgehandelt werden – wobei selbstredend dem Tauschakt vorgngige Konventionen eine wichtige Rolle spielen. Das Tauschen und Geben stiftet fast immer eine wechselseitige, aber meist ungleiche Verpflichtung, die in unterschiedlichem Maße von agonalen und kooperativen 106 Vgl. dazu die theoretischen berlegungen in Kap. 2.1 – 2.4 des vorliegenden Bandes, insbes. Anm. 19. 107 Vgl. auch die komplexen semantischen Begriffsgeschichten von geben, koufen und dem viel jngeren ›Tauschen‹ Olberg (1986) sowie fr das Vokabular des Besitzwechsels Mersmann (1971), S. 17 – 114.

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3. Mittelalterliche Diskurse des Gebens und Tauschens

Elementen geprgt ist. Beim rash boon wird dies besonders prgnant sichtbar, im Guoten GÞrhart ist hingegen die mçgliche Agonalitt von GÞrharts Großzgigkeit kaum Thema. Weder die kooperative, gesellschafts-stiftende noch die agonale Dimension des Tauschens bzw. der hçfischen Freigebigkeit kçnnen somit einseitig verallgemeinert werden. Vielmehr handelt es sich um im Tausch angelegte Mçglichkeiten, die je unterschiedlich aktualisiert werden. (4) Im Anschluss an das zweite Kapitel ist zudem nach der – in der Moderne weit verbreiteten – negativen Bewertung des zweckrationalen Tausches (do ut des-Prinzip) zu fragen: Wird der zweckrationale Tausch in den untersuchten Texten als strategisch und nutzenorientiert von einer interesselosen Freigebigkeit oder der Verausgabung abgegrenzt? Die hier behandelten Texte tun dies nicht. Thomas verurteilt zwar ein Tauschen um des materiellen Gewinnes willen, legitimiert aber im Vergleich mit Aristoteles ›Gewinn‹ und Zwischenhandel. Die Unterscheidung zwischen einem ›nutzenorientierten‹ und einem ›selbstlosen‹ Tauschen spielt bei ihm keine Rolle.108 In den literarischen Texten gibt es zwar immer wieder Gegenberstellungen von gevuegen und ungevuegen Tausch- oder milte-Handlungen, doch stehen dabei andere Kriterien als die Unterscheidung zwischen einem zweckrationalen do ut desPrinzip und einer selbstlosen Verausgabung im Vordergrund109 – nmlich z. B. ob zwischen denjenigen, denen gegeben wird, unterschieden wird oder ob der Gebende um die Unverfgbarkeit des Gegebenen weiß (Demut). Es soll dennoch nicht verneint werden, dass die hier behandelten Texte diesbezglich einseitig sind und sich viele Texte finden, in denen Kaufen und Tauschen verurteilt werden.110 Doch eine solche Verurteilung des Tauschens kann keineswegs verallgemeinert werden, sondern steht im semantischen Feld von choufen, wehsel oder miete als eine Mçglichkeit neben anderen. Sie kann in Interpretationen nicht vorausgesetzt, sondern muss aus den Texten erst hergeleitet werden. (5) Abschließend ist noch die These, mittelalterliche Tausch- und Gabeformen seien Ausdruck einer ›archaischen Reziprozitt‹, zu diskutieren. Unter der ›archaischen Reziprozitt‹ wird ein nichtinstitutionalisierter Austausch 108 Vorwiegend in didaktischen Texten findet sich die Forderung, dass der Gebende freiwillig geben soll. Haferland (1988), S. 158 f., versteht z. B. im Verweis auf Thomasin von Zirclaria die »Echtheit des Ausdrucks« als konstitutiv fr die hçfische Freigebigkeit. Er unterscheidet deshalb zwischen »Freigebigkeit als [nutzenorientierter] Interaktionsstrategie« und der milte (i. e. hçfische Freigebigkeit), die zumindest den Eindruck erzeugt, das Geben geschehe freiwillig; vgl. fr die analoge Forderung im Sangspruch Anm. 89 dieses Kapitels. 109 Gerade in Bezug auf die Differenz ›selbstlos‹ vs. ›nutzenorientiert‹ wre methodisch zu klren, wie diese Unterscheidung bei der Untersuchung literarischer Texte verwendet werden kann, da ›Selbstlosigkeit‹ nur als Forderung und allenfalls als Charakterisierung einer Figur, nicht aber als innere Einstellung beobachtet werden kann. Vgl. dazu Egidi (2008b), S. 52 f. u. ç., die berzeugend gegen diese Unterscheidung als Analysekategorie argumentiert. 110 Vgl. dazu grundstzlich Kap. 4 und 5 im vorliegenden Band sowie Mersmann (1971), S. 75; Ragotzky (1980b), S. 510 – 515; Wailes (1981), S. 175 f., S. 236 f.; Le Goff (1988), S. 15 – 33; Frey (1995); Classen (2001), S. 582, 595 f., 599 f.; Fischer (2006), S. 64 – 71.

Fazit

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reprsentativer Gaben verstanden, der in durchaus kompetitiver Manier um der Ehre oder des Status willen erfolgt. Dieser Austausch erzeugt, so die oft vertretene These, engere Sozialbindungen als der zweckrationale Tausch.111 Dieses Modell scheint jedoch fr die bereits behandelten Texte sowie fr die noch zu analysierenden Mren nur punktuell produktiv. Denn zum einen ist es nicht unproblematisch, die gesellschaftliche Makroperspektive, die mit dem Modell verbunden ist, auf die isolierten und primr sprachlichen Beziehungen in den literarischen Texten zu bertragen. Zum anderen thematisieren die Texte neben der Statusproblematik, die doch sehr stark auf der Ebene der Handlungswelt angesiedelt ist, auch die (In-)Kommensurabilitt des Getauschten, die unterschiedlichen Modi der Wertbestimmung und die performative Dimension des Verhandelns und Tauschens. Gerade diese Momente des erzhlten Gabentauschs werden – zumindest in den hier zu analysierenden Texten – literarisch genutzt. (6) Das Modell der archaischen Reziprozitt wirft zudem die Frage auf, ob und inwiefern sich die Tausch- und Gabeformen vom 12. bis ins 15. Jahrhundert historisch oder literarhistorisch verndern. Vielfach wird idealtypisch dem Frhmittelalter die sogenannte archaische, reziproke Schenkkultur zugeschrieben, dem Hochmittelalter eine hçfische Freigebigkeit und dem Sptmittelalter eine sich ausdifferenzierende Geldçkonomie, mit der zugleich die Kritik an Geld, Tausch und einer universellen Kuflichkeit aufkomme.112 Eine solche makrohistorische Einteilung kann unter Umstnden Orientierung bieten, versperrt jedoch auch den Blick darauf, dass diese Tauschformen wahrscheinlich enger miteinander verknpft sind, als man auf den ersten Blick annimmt. So argumentiert Hermann Kamp, dass die Geldwirtschaft die hçfische Freigebigkeit nicht abgelçst, sondern geradezu befçrdert habe: Im 12. und 13. Jahrhundert seien die Herrschenden auf immer mehr Geld angewiesen gewesen, zugleich htte es aber auch bereits eine wirksame Kritik an Bestechung, Simonie sowie der durch das Geld bewirkten Nivellierung von Werten wie Ehre und Tugend gegeben. Die Herrschenden htten deshalb die zweckrationale Geld- und Tauschwirtschaft durch eine ostentative Freigebigkeit zu legitimieren versucht.113 Ebenso zeigt Natalie Zemon Davis, dass 111 Vgl. Hannig (1988), insbes. S. 13; Haferland (1988), S. 89 – 100, 121 – 206 (vgl. hier jedoch Anm. 81 dieses Kapitels); Berking (1996), S. 185 – 206; Dicke (1998), S. 124; Schallenberg (2006), S. 82. 112 So jngst Schallenberg (2006), S. 83 – 85, die jedoch zugleich betont, dass diese Modelle in den Mren »koexistieren«; vgl. zudem Hannig (1988), insbes. S. 36 f.; Olberg (1986), S. 635; Berking (1996), S. 185 – 206; Davis (2002), S. 125 – 145. 113 Kamp (2005), insbes. S. 102. Er weist auch darauf hin, dass erst aufgrund der Geldwirtschaft gengend Ressourcen zur Verfgung standen, um Freigebigkeit im großen Stil auszuben (ebd., S. 103). Bei der Diskussion um die Korruption gehe es nicht um die Differenz zwischen Geschenk und Geld, sondern um den Zweck, aufgrund dessen etwas verschenkt wird (ebd., S. 95 f.); vgl. auch die ausfhrliche Version des Aufsatzes Kamp (2001); vgl. Hirschbiegel (1997), der den Gabentausch als stabilisierendes Subsystem des sozialen Systems ›Hof‹ fasst. Der Gabentausch steht damit als ein Tauschsystem neben anderen. Vgl. auch die differenzierten

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noch im 16. Jahrhundert in Frankreich Geldçkonomie und Geschenkaustausch eng ineinander verflochten sind.114 Auch wenn die hier ausfhrlich behandelten Mren alle aus Handschriften des spten 14. und 15. Jahrhunderts stammen und die Texte auch nicht vor das zweite Viertel des 14. Jahrhunderts datiert werden, so wre es verfehlt, diese nur im Kontext einer sich ausdifferenzierenden Geldçkonomie zu lesen.115 Denn zum einen sind – wie zu zeigen sein wird – die literarischen Gabe- und Tauschmodelle der hçfischen Literatur (milte, gegenseitiges berbieten beim Geben, ambivalente Gaben) weiterhin wirksam, weil sie als intertextuelle Muster aufgegriffen und neu besetzt werden. Zum anderen spielen die Texte damit, unterschiedliche Tausch- und Gabekonzeptionen (u. a. Gterwirtschaft, Inkommensurabilitt von minne, Almosen) ineinander zu verschrnken und Interdependenzen zwischen ihnen sichtbar zu machen.116 Die vorliegende Untersuchung mçchte deshalb weniger die makrohistorische Großerzhlung von der archaischen Gabe zur Geldwirtschaft besttigen als fragen, wie die Texte unterschiedliche Tauschordnungen voneinander abgrenzen und wie sie die Tauschlogiken narrativ nutzen. Die in diesem Kapitel behandelten Konstellationen, in denen das Tauschen ambivalent, komplex und vielleicht gerade deshalb auch fr literarische Texte interessant wird, werden in den folgenden Analysen der Mren immer wieder zur Sprache kommen. Im Vergleich mit den hier behandelten Texten wird der Bezug zu einer heilsçkonomischen Tauschordnung schwcher, dafr kommt berlegungen von Algazi (2003), insbes. S. 19 – 21, der als ersten Schritt einer Historisierung von Gabenlogiken eine Untersuchung ihrer historischen Semantiken fordert. 114 Davis (2002), insbes. S. 68 – 98; vgl. auch Groebner (2000), der die sogenannte Korruption in der Eidgenossenschaft im 14. und 15. Jahrhundert untersucht, wo (auch semantisch) um die Unterscheidung zwischen Geschenk und ›Bestechung‹ gerungen wird. Literarhistorischer Schlsseltext fr den bergang von der mittelalterlichen zur frhneuzeitlichen Tauschlogik ist der Fortunatus. Die entsprechende Forschung hat Tausch und Geld ausgiebig und ber sozialgeschichtliche Anstze weit hinausgehend untersucht: Knischewski (2002); Haug (1987); Wailes (1986); Haubrichs (1983); Bachorski (1983); Kartschoke (1975). Tendenziell wird die Reflexion auf Geld und Handel – gerade im Vergleich mit den Mren – etwas allzu sehr als singulres Epochenumbruchs-Phnomen verstanden. berzeugend wurden am Fortunatus auch systemtheoretische Anstze erprobt, die gerade in Bezug auf das Geld sehr ergiebig sind: Kremer/Wegmann (1985); Braun (2001), S. 52 – 103; fr die hier verfolgte Fragestellung sind auch die Analysen von Vogl (2002), S. 177 – 182, weiterfhrend, der die These aufstellt, dass das Geld die Erzhlung ermçgliche, weil es Ereignisse verknpfe und zugleich eine Perspektive auf vergangene und zuknftige Ereignisse vorgebe. Dabei geht Vogl jedoch nicht darauf ein, dass der Reichtum des Fortunatus ein ›magischer‹ ist, der sich nicht erschçpft und der sich deshalb signifikant vom ›gewçhnlichen‹ Reichtum bzw. Geldbesitz unterscheidet. 115 Vgl. zur Ausweitung des Geldhandels und Kreditwesens im 13. und 14. Jahrhundert und zur Verminderung des Geldangebots (monetre Kontraktion) im spten 14. und 15. Jahrhundert u. a. Pirenne (1971), S. 117 – 137, 201 – 205; North (1994), S. 17 – 69; Spufford (1988); Spufford (1989); Kamp (2005). 116 Ein weiterer Grund, die sptmittelalterlichen Texte nicht vorschnell als Reflex auf eine sich ausdifferenzierende Geldçkonomie zu lesen, ist, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die literarhistorische und die wirtschaftliche Entwicklung parallel verlaufen.

Fazit

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die Sexualitt als weiteres ›Tauschobjekt‹ oder gar als weitere ›Tauschordnung‹ hinzu. Die Frage nach dem ›Zweck‹ des Tauschens stellt sich in den Mren selten als moraltheologische, sie bleibt aber auf der Figurenebene als Frage nach Betrugsabsichten des Tauschpartners bzw. als Unsicherheit, ob dieser sexuelle oder materielle Interessen verfolgt, prsent. Strker als es in diesem Kapitel mçglich war, soll im Folgenden untersucht werden, wie das Tauschen in narrative und semantische Prozesse einbezogen und fr literarische Effekte genutzt wird.

II. Lektren zu Geld- und Tauschkritik 4. Die Klage ber die Kuflichkeit der Frauen Der Ritter in Ulrichs von Liechtenstein Frauenbuch1 wirft den Frauen vor: ir habt vr w r n ch al einen muot: swen ir minnet, der muoz iu guot um iuwer seze minne geben. daz ist iedoch ein swachez leben, daz beste, daz diu welt h t, daz ir daz von iu koufen l t. ez waz doch w len veile niht. […] sol vrouwen minne veile s n wie st t daz einer knig n, ob sie veile h t ir l p? (V. 559 – 565; 575 – 577) Ihr habt wahrlich nur eines im Sinn: wen Ihr liebt, der muß Euch Besitz fr Eure sße Liebe geben. Es ist aber wirklich ein armseliges Leben, daß Ihr Euch das Beste, was es auf der Welt gibt, abkaufen laßt. Es war doch frher nicht kuflich. Wenn die Liebe der Dame kuflich sein soll, wie paßt das zu einer Kçnigin, wenn sie ihren Kçrper feilbietet?

Der Ritter beklagt, dass Frauen ihre minne oder ihren lp gegen guot hingeben wrden.2 Er kritisiert damit nicht nur die Kuflichkeit einzelner Frauen, sondern propagiert zugleich minne als einen hçchsten ethischen und unverkuflichen Wert.3 Obwohl es sich um ein Streitgesprch handelt, stimmt auch die Kontrahentin des Ritters der Verurteilung der (weiblichen) Kuflichkeit widerspruchslos zu. Sie fordert einzig eine genauere Unterscheidung zwischen 1 Das Frauenbuch wird auf 1257 datiert, vgl. Mller (1995), S. 1280; zitiert werden Text und bersetzung nach der Ausgabe von Young; vgl. dazu die Rez. von Lieb (2006). 2 Kritisiert wird einerseits grundstzlich das mit guote gelten (V. 580) der minne, andererseits werden spezifisch die Frauen verurteilt, die das senden von kleint kosterch verlangen (V. 583 f.). 3 Besonders deutlich wird dies daran, dass der Ritter das, was nicht kuflich sein soll, nicht als minne, sondern schlich als daz beste, daz diu welt ht (V. 563), bezeichnet und das Pronomen ez prominent wiederholt (ez sol veile nimmer werden; V. 569, vgl. auch V. 568, 571, 574). Vgl. zum Minne- bzw. Frauenideal im Frauenbuch Brggen (1989), S. 78 f.; zur Beziehung von Frauenbuch und Minnereden vgl. Glier (1971), S. 41 – 46; Young (2003), S. 11 – 30.

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4. Die Klage ber die Kuflichkeit der Frauen

den Frauen: zwischen dem swache[n] wp, das kuflich ist, und derjenigen, die ihre minne nicht fr aller knige guot hingeben wrde (V. 671 – 689). Die Klage ber die Kuflichkeit der Frauen ist topisch4 und findet sich in vielen didaktischen Texten, Mren und Minnereden.5 Um das Feld etwas zu ordnen, kçnnte man schematisch zwischen drei Kontexten, in denen der Topos auftritt, unterscheiden (wobei es selbstredend zu berschneidungen kommt): Zum Ersten wird die Kuflichkeit der Frau wie im Frauenbuch im Rahmen der Minnedidaxe thematisiert.6 Ideeller Fokus der Kritik ist die Inkommensurabilitt von Liebe und materiellem Reichtum: Liebe darf nicht mittels materieller Gaben erworben werden. Zugleich wird dieses Ideal didaktisch konkretisiert: Materielle Forderungen der Frau werden kritisiert und eine Liebeskommunikation ohne (materiell wertvolle) Liebesgaben gefordert.7 Zum Zweiten ist die Kuflichkeit der minne Bestandteil einer laudatio temporis acti: Der aktuelle, negative Zustand, in dem die minne veile geworden ist, wird ausfhrlich beschrieben, um damit das Ideal einer absoluten, mit nichts zu vergleichenden minne zu evozieren.8 Im Unterschied zum ersten Bereich ist die Kuflichkeit hier weniger ein geschlechtsspezifisch weibliches Laster, sondern steht fr die Relativierung eines hçfischen Liebeskonzepts, das Liebe als etwas Absolutes konzipiert. Zum Dritten ist die Kuflichkeit der Frau ein wichtiges Argument der Geldkritik. Fokussiert werden hier weniger Liebeskommunikation und -ideal, sondern das Medium Geld und dessen universelle 4 ›Topos‹ soll hier weniger im Sinne der antiken Rhetorik als »Suchsystem zum Auffinden von Argumenten« (Hebekus [1995], S. 82), als vielmehr im Sinne der durch Curtius (1954), S. 92, initiierten Umdeutung als konkrete Momente eines zirkulierenden kulturellen Wissens verstanden werden. Dabei gilt es in Abgrenzung von Curtius Topoi nicht als transhistorisches ›Inventar‹ von Diskursen, sondern als Argumentationsfigur, die sich durch die Wiederholungen konstituiert, zu begreifen. Dies hat zur Folge, dass bei deren jeweiligem Auftreten nach der spezifischen historischen Funktion und Modifikation gefragt werden muss. 5 Vielfach wird dazu als einer der frhen Belege, Ovids ars amatoria angefhrt, Buch II, V. 277 f.: aurea sunt vere nunc saecula: plurimus auro / venit honos, auro conciliatur amor. (»Wir haben jetzt wahrhaft goldene Zeiten; fr Gold werden die hçchsten Ehrenstellen verkauft; mit Gold gewinnt man Liebe.«) Vgl. fr die mittelalterlichen Belege: Barth (1910), S. 100 – 104, 219 f; Rosenfeld (1927), S. 37; Glier (1971), S. 265; Schirmer (1969), S. 205 f.; Hoven (1978), S. 321 – 323; Young (2003), S. 198; Kartschoke (2005), S. 190; Fischer (2006), S. 64 – 71. 6 Diesbezglich wird meist Andreas Capellanus De Amore als wichtiger intertextueller Bezugspunkt genannt; 1. Buch, Kap. 6,513 – 515 und Kap. 9; 3. Buch, 110 – 112; vgl. zudem Thomasin von Zirclaria, Der Wlsche Gast, V. 881 – 1588. 7 Vgl. nochmals die Rede des Ritters im Frauenbuch, V. 571 – 574: ez ist s hch und als wert, / wer sn ze koufen immer gert, / der ist gar ein uns# lec man / ob erz iht anders gewinnen kan. 8 Traditionsbildend hat insbesondere die sogenannte ›Minnebußpredigt‹ im Tristan Gottfrieds gewirkt (V. 12187 – 12357); vgl. dazu: Bertau (1990); Haug (2002). In den Mren finden sich solche laudationes temporis acti – wohl in Anspielung auf den Tristan – zum einen im nur in drei Handschriften berlieferten Epimythion des Herzmaeres (V. 533 – 588); vgl. dazu die Einleitung von Schrçder, Konrad von Wrzburg, S. XX; Schulze (1971), S. 473 f.; Fischer (2006), S. 66 – 68; zum anderen im Epimythion des Borten (V. 827 – 888); eine hnliche Argumentation findet sich zudem im Mauricius von Cran, V. 360 – 386, sowie andeutungsweise auch im Frauenbuch, V. 565.

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Gltigkeit. Es wird kritisiert, dass sich mit Geld Ehre, Seelenheil oder eben minne kaufen lsst, d. h. dass monetre Werte auch außerhalb des Tauschs von Subsistenzgtern Geltung haben. Die Kuflichkeit der Frau wird dabei als Effekt des Mediums Geld dargestellt.9 Im Folgenden wird anhand der Minnerede Minne und Pfennig (Brandis 450) genauer analysiert, mit welchen Argumenten und Darstellungsmitteln die Inkommensurabilitt von Geld und Liebe propagiert wird. In der Minnerede des Elenden Knaben trifft die personifizierte Minne auf eine Personifikation des Pfennigs und es ensteht ein Streitgesprch, bei dem die Auswirkungen des Geldes auf die minne ausfhrlich thematisiert werden. Die dabei vorgebrachten Argumente gegen die Kuflichkeit scheinen mir ein ergiebiger intertextueller Bezugspunkt, weil sie sich ›narrativiert‹ auch in den Mren beobachten lassen. Dementsprechend wird im zweiten Teil des Kapitels die Minnerede mit dem Mre Der Hellerwertwitz verglichen. Der Vergleich wirft nicht nur Fragen nach den Unterschieden von Narration und Argumentation, sondern auch solche nach der Darstellbarkeit von abstrakten Werten auf. 4.1 Minne und Pfennig In Minne und Pfennig10 vom Elenden Knaben beobachtet der Erzhler, wie Lieb11 und Pfenning12 sich auf einem Steg begegnen und darber streiten, wer dem anderen weichen soll. Nachdem beide ihre Fhigkeiten angepriesen 9 Im Frauenbuch werden die materiellen Geschenke, die dem Ritter zufolge die Liebe niemals aufwiegen, als kleint kosterch (V. 583) oder als all der knige guot (V. 678) beschrieben. Es werden also keine konkreten materiellen Werte genannt, sondern es geht um eine grundstzliche Inkommensurabilitt von minne und Materiellem. In spteren Texten stehen zwar die Korruption durch Geschenke und die Korruption mittels Geld immer noch nebeneinander, doch werden z. B. in den Mren zugleich die Differenzen zwischen den einzelnen Zahlungsmitteln hervorgehoben (vgl. Kap. 7 und 8 des vorliegenden Buches). 10 Minne und Pfennig (Brandis 450) wird in die Mitte des 15. Jahrhunderts datiert. Die Minnerede ist zusammen mit drei weiteren Minnereden des Elenden Knaben handschriftlich nur im Cpg 344 (34r-47v) von 1459 berliefert. Zudem gibt es drei weitere Drucke des Textes; vgl. Brandis (1968), S. 175; Kasten (1980) und Glier (1971), hier S. 299, allg. S. 298 – 304. Zitiert wird nach der Ausgabe von Matthaei, Minnereden I, S. 34 – 46. Die Handschrift Cpg 344 ist mit Federzeichnungen illustriert; sie sind auf der Heidelberger Bilddatenbank HeidICON zu finden, vgl. < http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg344/ > (13. 4. 2009); vgl. zu diesen Zeichnungen allg. Wegener (1927), S. 58 f. Das Titelbild des vorliegenden Bandes stammt aus dieser Handschrift (f. 37r; vor V. 193 von Minne und Pfennig): Der Pfennig steht auf einer Holzbrcke, Frau Minne liegt im Bach, links steht wohl der Ich-Erzhler. Gemß Matthaei, Minnereden 1, S. 37, hat der Pfennig die Gestalt eines Juden. Diese Assoziation ist aufgrund des schwarzen Bartes durchaus mçglich oder gar beabsichtigt, doch ist sie keineswegs eindeutig, da der Hut nicht der gelufigen Ikonographie des spitzen Judenhutes entspricht; vgl. u. a. Eckert (1970). Diese mçgliche Konnotation der Miniatur weist jedoch darauf hin, dass Geldkritik sich im 15. Jahrhundert gerne mit antijdischer Polemik verknpft; vgl. dazu u. a. Frey (1995). 11 Die Personifikation der Liebe wird sowohl Lieb (V. 6 u. ç.) als auch Minne genannt (V. 154 u. ç.).

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haben, wirft der Pfennig Frow Lieb in den Bach (V. 188 f.). Sie wird vom Erzhler gerettet, doch ist sie kranck (V. 197). Er trgt sie in die wFstin, wohin sie – wie man erst jetzt erfhrt – vom Pfennig zusammen mit anderen Personifikationen (Ehre, Gerechtigkeit, Frçmmigkeit etc.) bereits vertrieben worden ist (V. 242 – 248). Im zweiten Teil des Textes klagen deshalb die anderen Personifikationen dem Erzhler, in welcher Weise der Pfennig sie vertrieben hat (V. 250 – 617). Die Minnerede steht im Kontext der im deutschsprachigen Raum seit dem 13. Jahrhundert sich verbreitenden ›Gedichte auf den Pfennig‹.13 In diesen kurzen Reden werden in erster oder dritter Person Singular ironisch-kritisch relativ abstrakte Charakteristika und Fhigkeiten des Pfennigs aufgezhlt. Der Pfennig neutralisiere andere Werte (untergrabe z. B. die Stndehierarchie), beeinflusse die Mchtigen oder trete gar an die Stelle Gottes.14 Dieter Kartschoke versteht die Personifikation des Pfennigs – obwohl er die Schwierigkeiten der literarischen Historisierung der topischen Geldkritik betont – als Reflex auf die »dmonische Verselbstndigung des Geldes«.15 Im Unterschied zu den meisten ›Gedichten auf den Pfennig‹, die monologisch auf das Geld fokussiert sind, prsentiert die Minnerede eine agonale Konstellation, in der zwei Personifikationen einander im Streitgesprch gegenberstehen. Mit dem Bild des schmalen Stegs, auf dem nur fr einen Platz ist, wird das Modell des Rangordnungsstreits aufgerufen: Welchem der beiden Werte kommt das Primat zu? Dabei preisen beide Personifikationen in Abgrenzung vom anderen ihre jeweilige gewalt (V. 24; 81; 178) an. Doch trotz der agonalen Situation sind sich die Behauptungen beider Personifikationen auf den ersten Blick erstaunlich hnlich. Beide prsentieren sich als ein Mittel zu verschiedenen Zielen, insbesondere auch zu dem vom anderen verkçrperten Wert: Die Minne sagt, sie lehre, er und gGt zu erlangen (V. 48), der Pfennig

12 ›Geld‹ als Begriff fr ein abstraktes Zahlungs- oder Wertaufbewahrungsmittel setzt sich erst langsam im 15. Jahrhundert durch, vgl. Stock (2005). 13 Vgl. die Textsammlung Zehn Gedichte auf den Pfennig, hg. von Johannes Bolte; die Reden sind von Teichner oder in dessen Tradition, vgl. dazu Kartschoke (2005). 14 Der Teichner, Daz der phenning ein gt freunt sey (Nr. 3), V. 46 – 51; Ders., Daz der phenninch aller sterchist ist (Nr. 1), V. 25 – 33; Ders., Daz der phenninch zaihen tt (Nr. 2), V. 5 – 38; Zur Kuflichkeit der Frau allg.: Nr. 1, V. 58 f.; Was der pfenning wunders kan (Nr. 4), V. 108 – 115; Jakob Kçbels Bearbeitung von Von dem pfennig (Nr. 5q), V. 4 f. Vgl. zudem die Minnerede Van minne in van gelde (Brandis 342), in der der Geltungsverlust der minne und die Verkehrung der Welt beklagt werden, ebenso, dass man den penninc me dan got [mint] (St. 6,5); vgl. dazu Rheinheimer (1987), Glier (1971), S. 265 f. 15 Kartschoke (2005), S. 195. Zugleich betont Kartschoke jedoch, dass es sich bei der Geldkritik um eine »zhlebige […] literarische[] Tradition« handelt. »[Es] werden die immer gleichen Gedanken unermdlich wiederholt und endlos variiert. Nur gelegentlich werden sie gezielt auf spezifische Missstnde bezogen, ganz berwiegend aber als Urteile allgemeiner Gltigkeit propagiert« (S. 184). Vgl. dazu auch Hçrisch (1997), S. 383 f. und Kamp (2005), S. 95 – 102, der fr das 12. und 13. Jahrhundert hnliche Argumente nachweist.

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dagegen preist sich als Heiratsstifter an (V. 114).16 Beide prahlen auch mit ihren Wirkungen auf andere Wertordnungen: Die Minne kann die ungestalten […] sch= n, die alten jung, die jungen graw machen (V. 41 – 46). Der Pfennig dagegen kann, auch wenn jemand ungeschaffen, narr oder alt ist, ihn wiß und rich, […] edel und çch sch= n machen (V. 100 – 107). Die beiden Personifikationen stellen sich somit weniger als Werte dar, die in einem hierarchischen Verhltnis stehen, sondern als mediale gewalt[en], die ganze Wertordnungen beeinflussen kçnnen. Im Zentrum der Minnerede stehen aber selbstredend nicht die Gemeinsamkeiten, sondern die Unterschiede zwischen den beiden Personifikationen. Der Pfennig formuliert z. B. prgnant, dass seine gewalt in der Anschließbarkeit besteht: niemen kann mir nain jehen (V. 165; »niemand kann nein zu mir sagen«); er wird von allen akzeptiert. Ebenso thematisiert er die sogenannte ›semantische Armut‹17 des Geldes, d. h. dessen Indifferenz gegenber anderen Werten: man sicht gen mir kain laster an (V. 133; »man sieht mir kein Laster an«); auch wenn der Pfennig durch Wucher oder Diebstahl erworben werde, werde er geehrt (V. 125 – 135). Luhmann zufolge haben die hohe Anschließbarkeit und die ›semantische Armut‹ des Geldes dessen universelle Verwendbarkeit und damit eine universelle Kuflichkeit zur Folge.18 Dementsprechend behauptet der Pfennig, er kçnne die minne kaufen: man git dich [Minne] umb mich [Pfenning], dar umb besser dan du bin ich. wer mich ht, der bekumpt din wçl. […] ich zier dich, Lieb, und mach dich schlecht. billich bistu min kneht, wan du çn mich bist selten genem. (V. 157 – 159; 167 – 169) Man gibt dich fr mich hin, deshalb bin ich besser als du. Wer mich hat, der erhlt dich leicht. Ich schmcke dich, Liebe, und mache dich unbedeutend. Du bist vçllig zu Recht mein Knecht, denn ohne mich bist du selten willkommen.

Wer Geld hat, so der Pfennig, kann sich minne kaufen, ohne Geld hat dagegen auch die Minne keine Macht. Der Pfennig prsentiert sich sowohl als Mittel (V. 159) als auch als Zweck und stellt die Minne dagegen als bloßes Mittel dar 16 Beide behaupten zudem, den anderen substituieren zu kçnnen: Die Minne sagt, dass der Arme ihr um so mehr diene (V. 66 – 68), der Pfennig wiederum betont, er sei der Gast derer, die die minne nicht begehrten (V. 118 – 120). 17 Luhmann (1988), S. 239 f., stellt die These auf, dass das Geld deshalb ein so effizientes Medium ist, weil es nur geringe und spezialisierte Information bietet. Dies kann man auch als ›semantische Armut‹ des Geldes bezeichnen. Vgl. dazu sowie fr das Folgende Kap. 2.9 – 2.10 des vorliegenden Buches. 18 Als ›Universalisierung des Geldes‹ bezeichnet Luhmann die Wahrnehmung, dass sich mit Geld ›alles‹, also auch Ehre, Liebe oder Recht, erwerben lsst.

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(kneht). Er behauptet, dass neben der Minne eine Reihe weiterer personifizierter Werte (Adel, Ehre, Schçnheit, Gerechtigkeit) ihm entwichen mssten (V. 139). Damit wird hervorgehoben, dass durch das Geld andere Unterscheidungen (Ehre/Unehre) oder Werte (wie Liebe, Recht) neutralisiert werden. Sie verlieren ihre gesellschaftliche Distinktionskraft, weil sie im Vergleich mit dem Geld nur relevant sind, wenn sie in einen monetren Wert konvertiert werden.19 Der universalisierenden Macht (gewalt) des Geldes hlt die Minne die Wirksamkeit des Ançkonomischen entgegen. Sie kçnne – im Unterschied zum Geld – den Verzicht auf monetre Werte bewirken.20 Ganz im Sinne Bourdieus wird hier hervorgehoben, dass Macht (im Sinne von symbolischem Kapital) auch durch die Ablehnung monetrer Werte entstehen kann. Dabei beruft sich die Minne zugleich auf ein weiteres Prinzip symbolischer Kapitalbildung, nmlich auf ihr genealogisches Primat: Sie war immer schon da, auch als es den Pfennig noch nicht gab (V. 24 – 26). Der Pfennig gibt sich damit einverstanden, weist aber auf die aktuellen Verfallserscheinungen der Minne hin. Im Vergleich zu ›frher‹ sei die Einheit der Liebenden selten geworden (V. 172 – 179). Damit wird am Ende des Streitgesprchs auch noch der zweite, oben erwhnte Bereich der Verurteilung der Kuflichkeit aufgerufen, die laudatio temporis acti: Die in der Vergangenheit absolute, inkommensurable minne ist in der Gegenwart mit dem Geld affiziert worden und dadurch zu einem relativen Wert bzw. einer Schwundstufe des vergangenen Ideals verkommen. Die Differenz zwischen Vergangenheit und Gegenwart verknpft zugleich das Streitgesprch mit seiner narrativen Rahmung.21 Denn whrend es im Streitgesprch um ein noch nicht entschiedenes Krftemessen zweier Personifikationen geht, ist der Streit in der narrativen Handlung bereits entschieden:22 Die Minne ist mit den anderen Personifikationen in die wFstin vertrieben worden und der Stoß in den Bach ist bloß eine Reinszenierung der schon vollzogenen Neutralisierung der minne durch das Geld. In den Reden der anderen personifizierten Werte wird dies als ›Verkehrung‹ beschrieben: Der Pfennig sei vom kneht zum herr geworden.23 Das Geld habe sich als Mittel

19 Alle nicht monetren Werte stellen gemß Luhmann die Umwelt des Geldsystems dar. Sie werden vom Wirtschaftssystem erst wahrgenommen, wenn sie monetr gefasst werden bzw. wenn sie Einfluss auf wirtschaftliche Handlungen haben; dieser wirtschaftliche Einfluss wird dann aber monetr erfasst. 20 V. 33 f.: manger ht dich gar verschmeht, / der mit begird waß min kneht. 21 Fischer (1983), S. 34 f., unterscheidet zwischen »Redeszenen« und »Erzhlszenen«, um zwischen der »stagnierenden Erçrterung« in logischer Folge und dem Geschehen in »zeitlicher Sukzession« zu unterscheiden; vgl. dazu auch Ziegeler (1985), S. 52 – 56. 22 Vgl. zur Rhetorik der Personifikation unten sowie Kap. 9.1; vgl. zu den Personifikationen sowie zum narrativen Rahmen in Minnereden auch Glier (1971), S. 406 – 410, 413 – 416. 23 Vgl. V. 307 – 309, 420, 450 – 459, 570 f.; zum Topos der ›verkehrten Welt‹ vgl. Curtius (1954), S. 104 – 108. Gegen Ende der Minnerede wird die Rckkehr zu einem Zustand (als by den alten, V. 665) gefordert und als Begrndung dafr wird verstrkt auf transzendente Werte (Seelenheil)

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verselbstndigt, sei zum Ziel geworden und habe die ›eigentlichen‹ Zwecke (Liebe und andere Tugenden) entwertet. Die universelle Kuflichkeit wird somit wie bei Aristoteles (Kap. 3.1) als Verkehrung von Mittel und Zweck dargestellt. Diese Verkehrung, d. h. die Herrschaft des Geldes ber andere Tugenden, sowie die handlungsweltliche und argumentative Niederlage der Minne haben in der Minnerede eine appellative Funktion: Die ›Verkehrung‹ soll vom Rezipienten wiederum verkehrt bzw. rckgngig gemacht werden. Dem Erzhler kommt diesbezglich eine rezeptionssteuernde Funktion zu. Er entscheidet sich nach dem Streitgesprch explizit fr die minne und gegen das Geld (V. 222 – 224).24 Die Darstellung der ›Macht des Pfennigs‹ zielt deshalb, wie viele andere negative Schilderungen einer universellen Kuflichkeit auch, auf die Evokation eines absoluten, inkommensurablen Wertes, hier der der minne.25 Dass die meisten Texte hnlich vorgehen, legt nahe, dass sich die Inkommensurabilitt eines Wertes gerade nur ex negativo, also mittels der dmonisierten Darstellung von dessen Kommensurabilitt und Relativitt darstellen lsst. Diskursgeschichtlich kann man die Minnerede, die die negativen Folgen einer universellen Kuflichkeit kritisiert, als Bestandteil einer »Zusatzsemantik« des Geldes verstehen. Gemß Luhmann hat diese die Funktion, die durch das Geld ermçglichte universelle Kuflichkeit normativ einzuschrnken.26 In dem Sinne wird hier gefordert, dass dem Geld in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen (z. B. Recht, Seelenheil, Liebe) keine Kaufkraft zukommen soll. Sind diese Bereiche einmal abgegrenzt, kann die Verwendung von Geld oder Geschenken als Prostitution, Bestechung oder Simonie gebrandmarkt werden.27 Interessant an der spezifischen Ausgestaltung einer solchen ›Zusatzsemantik‹ in der hier behandelten Minnerede Minne und Pfennig scheint mir dreierlei. Erstens werden nicht nur die augenscheinlich negativen Seiten der universellen Kuflichkeit dargestellt, sondern – wenn auch nur unter der Hand – auch die medialen Qualitten, die diese ermçglichen, aufgefhrt: die hohe Anschließbarkeit des Geldes und dessen semantische Armut bzw. Indifferenz gegenber anderen Werten. Zweitens werden neben der Inkommensurabilitt von minne und Geld auch deren hnlich-

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zurckgegriffen. Interessanterweise wird jedoch auch dazu eine çkonomische Metaphorik verwendet: ir mFst d= rt dar umb rechnung geben (V. 670; vgl. auch V. 682). Zugleich tritt er in der Handlungswelt als Retter der Minne auf (V. 195 – 199) und hlt am Ende eine Pldoyer gegen das Geld (V. 637 – 688). Vgl. zur fr die Minnerede spezifischen Form der Didaxe Lieb (2001), S. 516 – 518, 520 f. Luhmann (1997), S. 362. Vgl. Minne und Pfennig, V. 344 – 348; vgl. Kamp (2005), S. 95 – 101, hier S. 100: »In letzter Konsequenz strkte damit die Simoniedebatte das Bewusstsein, dass bestimmte mter nicht kuflich und bestimmte Dienste nicht durch Geld bevorzugt erlangt werden sollten.« Vgl. auch Groebner (2000), S. 150, 131 f., der betont, dass Bestechung (v. a. als miet bezeichnet), Simonie und Wucher konnotativ eng miteinander verknpft werden.

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keiten hervorgehoben: insbesondere die gewalt, auf andere Wertordnungen Einfluss zu nehmen und so Mittel zu unterschiedlichen Zielen zu sein. Damit scheint die Mçglichkeit auf, nicht nur Geld, sondern auch minne als generalisierendes Medium im Sinne Luhmanns zu begreifen, das zur Systembildung tendiert. Es ginge in diesem Text dann nicht um den Rangstreit zweier Werte, sondern um ein Konkurrenzverhltnis unterschiedlicher Wertsysteme, die sich nicht in eine hierarchische Ordnung bringen lassen, weil sie ihre Umwelt, d. h. auch andere Wertordnungen von ihrem eigenen Standpunkt aus entwerfen. Drittens lassen sich in dieser Minnerede unterschiedliche Modelle des Verhltnisses von minne und Geld beobachten, die nicht kohrent zueinander passen: Das Verhltnis von minne und Geld wird wahlweise als hierarchischer Rangordnungsstreit, als Verkehrung von Mittel und Zweck, als Gegenberstellung von monetrem und symbolischem Kapital und als mediales Konkurrenzverhltnis prsentiert. Es ist zu analysieren, welche dieser Modelle in den Mren narrativ gestaltet werden.

4.2 Performative Dimension von monetren Werten: Der Hellerwertwitz von Hermann Fressant Im Mre Der Hellerwertwitz von Hermann Fressant28 wird wie in der Minnerede kritisiert, dass durch die universelle Geltung von Geld andere Werte wie Liebe und Treue außer Kraft gesetzt werden. Diese Kritik geschieht in der 28 Das Mre wird ins zweite Viertel des 14. Jahrhunderts datiert; vgl. Rosenfeld (1980); Fischer (1983), S. 186 f. Zitiert wird nach Rosenfeld, Novellenstudien, der den Wiener Cod. 2885 (sterreichische Nationalbibliothek, Bl. 4va-10rb) als Leithandschrift whlt (ebd., S. 3). Das Mre ist in zwei weiteren Handschriften, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ms. Fb 32001, Bl. 3vb-7vb und Dresden, Schsische Landesbibliothek, Ms. M 68, Bl. 19ra-24ra, berliefert. In allen drei Handschriften ist das Mre in der Nhe der Halben Decke berliefert, die ebenfalls ›falsche‹ Großzgigkeit und deren Auswirkungen auf Familienbeziehungen thematisiert. Auffllig ist zudem, dass in der Innsbrucker Handschrift, die von der Wiener abhngig ist, das Schneekind von Nr. 37 nach vorne verschoben wird (Nr. 3) und nun auf den Hellerwertwitz (Nr. 2) folgt. Damit werden zwei Texte nebeneinander platziert, in denen der Protagonist jeweils ein Kaufmann ist und dessen Reisen die Ehe gefhrden. Die Rolle der Frau ist aber jeweils eine ganz andere, was einen kasuistischen Effekt erzeugt; vgl. dazu Westphal (1993), S. 80, 84. Der Hellerwertwitz von Hermann Fressant ist der lngste Text von vier Versionen des Stoffes im deutschsprachigen Raum. Der Exkurs, der im Folgenden analysiert wird, findet sich nur im Hellerwertwitz. Im Scklein Witz wird im Epimythion das Thema von der Kuflichkeit der minne auf dasjenige der Kuflichkeit der Freundschaft ausgeweitet (V. 101 – 120). In Jean Galois’ La bourse pleine de sens ist im Epilog weniger die Kuflichkeit als die Falschheit der Frau Thema (V. 400 – 435). Zur Stoffgeschichte vgl. Rosenfeld (1927), S. 27 – 37, 98 – 103, 115 – 117, 122 – 145; Strasser (1989), S. 207 – 214. Zum Hellerwertwitz: Heinzle (1978), S. 101 – 106; Suchomski (1975), S. 181 f.; Ziegeler (1985), S. 217 – 220, die den Text in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Bispel und Mre behandeln; vgl. Grubmller (2006), S. 129 – 131, 149 f., der betont, dass die »artistische Selbstdarstellung« im Vergleich mit dem Fabliau von Jean Galois zunimmt.

Der Hellerwertwitz von Hermann Fressant

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Erzhlung jedoch nicht mittels der Rede von Personifikationen, sondern durch das Motiv der Wahl. Auch in der Minnerede wird dieses Motiv kurz aufgerufen und zwar vom Erzhler, der die Minne nach dem Sturz in den Bach rettet. Er sagt: ich hilff Fch dißen hçhmGt brechen an dem Pfenning, ob ich kan. er mGß mir werden underton, Fch ze dienen nch Fwerm lust und er ; er wirt min her nimer mer (V. 222 – 226) Ich helfe euch, diese Arroganz des Pfennigs zu zerstçren, wenn ich dazu in der Lage bin. Er muss mir untertnig werden, damit er euch nach eurer Lust und Ehre dient. Er wird niemals mehr mein Herr werden.

Der Erzhler geht hier implizit davon aus, dass er nur entweder der Minne oder dem Pfennig dienen kann, und entscheidet sich demonstrativ fr Erstere. Auch das Mre Der Hellerwertwitz nutzt das Wahlmotiv, um Werte und Handlungsmuster zu kontrastieren.29 Es handelt von einem koufman, der neben seiner Ehefrau zwei ihn betrgende Liebhaberinnen hat. Als der Mann auf Handelsreise fhrt, darf jede der Frauen sich ein Geschenk wnschen. Die beiden Liebhaberinnen wnschen sich Kleider, die Ehefrau einen helwertwitz (V. 235). Auf der Reise fragt der Mann berall, wo er einen helwertwitz kaufen kçnne und macht sich dementsprechend lcherlich. Nach langer erfolgloser Suche gibt ihm ein burger den Rat, die drei Frauen bei der Heimkehr auf die Probe zu stellen: Er solle vortuschen, er habe all seinen Besitz verloren und schauen, wie sie reagieren. Der Mann tut, wie ihm geraten: Die zwei Liebhaberinnen jagen ihn davon, die Ehefrau dagegen will ihm mit Nhen und Spinnen helfen, wieder zu Geld zu kommen. Der Text kontrastiert anhand von Mtresse und Ehefrau die kufliche und die treue, die betrgerische und die ehrliche Frau. In einem lngeren Exkurs (V. 580 – 662) fhrt der Erzhler dies genauer aus. Er bedauert, dass manche Frau, sich umbe guot / Erwerben und gewinnen [lt] (V. 584 f.; »fr materielle Gter kaufen und erobern lsst«). Auch die schçnen und tugendhaften hçfischen Helden wrden mit lærer hende / Niemer frouwen gunst bejagen (V. 602 f.; »mit leeren Hnden niemals die Gunst der Frauen erlangen«). Hssliche Mnner hingegen – auch hier wird ein Exemplar detailliert beschrieben – wrden einzig aufgrund ihres Reichtums geliebt.30 Der Kontrast zwischen dem 29 Ziegeler (1985), S. 450 f., beschreibt die »Vergleichserzhlung« als Strukturschema, wo »Bild und Gegenbild richtigen Handelns […] unmittelbar einander gegenbergestellt [sind], und der Leser abstrahiert die ›richtige‹ Lehre«. Dieses Strukturschema scheint im Hellerwertwitz zwar nicht die gesamte Erzhlung zu dominieren, aber doch neben anderen benutzt zu werden. 30 Im Exkurs verselbstndigen sich die von literarischen Topoi geprgten Schilderungen des hsslichen und der schçnen Helden, so dass dem Erzhler das Argument zu entgleiten droht.

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tugendhaften armen und dem reichen hsslichen Mann dient dem Erzhler zur Klassifizierung der Frauen, die solche Mnner lieben: Das reiniu wp nimmt fr materielle Werte keinen hsslichen Mann (V. 648 – 631), das unreine[] wb[] tuscht dagegen ihre Liebe nur vor (V. 657 – 659). Sowohl in der Erzhlung als auch im Exkurs werden die psychischen Motive fokussiert, aufgrund derer eine Frau einen Mann liebt. Die kufliche Frau liebt ihren Mann aufgrund von materiellen Werten (Geschenke, Geld), die treue aufgrund von immateriellen (Tapferkeit, Schçnheit). Das Mre geht somit wie die Minnerede von der Gegenberstellung zweier Werte aus, doch werden diese nicht personifiziert, sondern internalisiert. Die Kuflichkeit der Frau ist nicht primr ein Handlungsmuster, sondern ein Handlungsmotiv. Deshalb wird die Liebeskommunikation mittels Geschenken auch nicht per se als Kuflichkeit verurteilt, sondern erst, wenn sie auf materiellen Motiven und nicht auf ›wahrer Treue‹ grndet. Die ›materielle Liebeskommunikation‹ ist somit vor allem deshalb problematisch, weil sie doppeldeutig ist und so die Frau undurchschaubar macht.31 Mittels einer Probe werden diese unsichtbaren ›inneren‹ Motive in der Erzhlung sichtbar gemacht. Sie werden dadurch sowohl dem Ehemann als auch den Lesenden vor Augen gefhrt.32 Der Hellerwertwitz unterscheidet sich somit deutlich vom Guoten GÞrhart (Kap. 3.2), wo trotz der didaktischen Stoßrichtung die Motive des Gebenden und der Nehmenden weder dargestellt noch moralisch thematisiert werden. Man kann deshalb vermuten, dass die im Hellerwertwitz zu beobachtende Fokussierung der Handlungsmotivation geschlechtsspezifisch ist. Denn die den Mann tuschende Frau ist ein omniprsentes Thema der Mren. Der besitzgierige Mann, der seine Gier verdeckt, kommt dagegen kaum vor.33 In dem Mre geht es dementsprechend nicht nur um das Motiv der Besitzgier, sondern auch um die Bedrohung, die von der Intransparenz der Frau ausgeht. Neben der Internalisierung von materiellen oder immateriellen Werten wird jedoch im Hellerwertwitz auch von einer Externalisierung erzhlt. Der helwertwitz stellt selbst – zugespitzt formuliert – eine performative Externa31 Die Motivation der Handelnden steht auch bei Thomasin von Zirclaria, im Wlschen Gast im Zentrum. Das Sprecher-Ich thematisiert (im Rahmen eines Verweises auf sein buoch von der hf_ cheit, V. 1174) die Frage der Werbung mit Sachleistung. Die Verurteilung der Kuflichkeit der minne wird dadurch begrndet, dass der Werber auf diese Weise nicht ber die Motive (muot) der Frau Bescheid wisse: Ich lÞrte, _ wer guot minn hn wolde, / daz ers mit gb niht werven _ olde. / _ wer umbe minne wirbt mit guot, / der erkennet niht des wbes muot, / ob _ i im _  von herzen holt / od ob _ i neme vr in golt (V. 1221 – 1224). 32 Vgl. auch die andere Mren mit Treue- oder Liebesproben: Die Liebesprobe von Frçschel von Leidnitz; Die Wette; Von den zwei Kaufleuten (vgl. dazu Kap. 5). In einigen Erzhlungen von Liebesproben geht es jedoch weniger darum, die unsichtbaren Motive der Frau aufzudecken, als den Mann, der seine Frau verdchtigt, zu kritisieren; vgl. Der Herr mit den vier Frauen; Bestraftes Misstrauen; vgl. dazu auch Ziegeler (1985), S. 217 f.; zum Motiv der Keuschheitswette Gutknecht (1966), S. 170 – 180. 33 Eine Ausnahme stellt Strickers Mre Edelmann und Pferdehndler dar, wo ein geiziger Mann von seinen Verwandten auf die Probe gestellt wird.

Der Hellerwertwitz von Hermann Fressant

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lisierung eines immateriellen Wertes dar. Als Geschenk wnscht sich die Ehefrau von ihrem untreuen Mann: Nim hin an dirre frist Einen helblinc und niht mÞr Unde kouf mir, als ich ger, Dar umb ein helwertwitze! (V. 232 – 235) Nimm sogleich einen Helbling, aber nicht mehr, und kauf mir dafr, weil ich es wnsche, einen ›Hellerwertwitz‹.

Auf seine Nachfrage hin erklrt die Frau ihrem Mann, er solle so lange nach einem helwertwitz fragen, bis ihm jemand den helblinc gelten kan (V. 254). Diese ›Vergeltung‹ des Geldstcks geschieht am Ende durch den Ratschlag, die drei Frauen auf die Probe zu stellen. Der ratgebende burger sagt, dass seine list, / […] wol eins helblings wert ist (V. 403 f.), und der Ehemann meint gegen Ende Wie rehtiu liebe mir geschach, / Daz man mir den helblinc galt (V. 526 f.; »Mir wurde eine so große Freundlichkeit zuteil, als man mir den Helbling34 vergolten hat«).35 Die mehrfache Betonung der quivalenz von Geldstck und ›Erkenntnis‹ macht deutlich, dass hier zwar Heterogenes getauscht wird, dass es sich dabei aber um einen gelingenden Tausch handelt. Im Unterschied zum Motiv des Weisheitskaufes,36 wo gezeigt wird, dass man Weisheit nicht kaufen kann, ist das Geldstck hier konstitutiver Teil der Erkenntnis. Der monetre Wert hilft dem Ehemann, einen immateriellen Wert zu erlangen. Materielle und immaterielle Werte werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern sind miteinander verbunden. Dadurch wird das Konzept von ideellen, dem Tausch vorgngigen Werten (seien sie materiell oder immateriell) untergraben. Denn der immaterielle witz besteht nicht vorgngig, sondern wird dadurch geschaffen, dass der Ehemann nach dem quivalent zu suchen hat. Aber auch der Geldwert kommt im Mre nicht als materielles Objekt vor, das fr einen konventionell festgelegten Wert steht, vielmehr entsteht er durch sprachliche Zirkulation. Die Ehefrau setzt den Wert sprachlich, ohne dass er jemals handlungsweltlich als Geldstck materialisiert wrde. Nicht die Ma34 Ein helblinc ist keine Mnzeinheit, sondern der halbe Wert des jeweiligen Pfennigs; vgl. Lexer Bd. I, Sp 1228. Ein heller ist dagegen eine Mnze der Stadt Schwbisch Hall, erstmals 1189 urkundlich erwhnt. »Der geringe Wert des Hellers ermçglichte dessen weite Ausbreitung«, die im 14. Jahrhundert bis ins Rheinland und nach Westfalen reichte; vgl. Berghaus (1989), Sp. 2122. 35 Der Ehemann sagt zudem, dass das Geld vil wol vergolten sei (V. 441). 36 Zum Motiv vgl. Rosenfeld (1927), S. 145 – 148; in Minne und Pfennig beklagt die Wißhait (V. 365 f.): witz on pfenning tregt nit fFr, / armer witz stat vor der tFr. Weisheit und Geld werden hier als inkommensurabel postuliert, whrend im Hellerwertwitz eine – wenn auch komplexe – Kommensurabilitt angedeutet wird. Man kçnnte deshalb fast einen Zusammenhang zum Fortunatus (von 1509) postulieren, in dem, wie u. a. Kartschoke (1975) zeigt, der Gegensatz von Weisheit und Reichtum harmonisiert wird.

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4. Die Klage ber die Kuflichkeit der Frauen

terialitt oder der monetre Wert des Hellers sind entscheidend, sondern dass er zur performativen Erkenntnis- und Wertstiftung anregt. Statt der reprsentativen (Wert konstatierenden) Funktion von Geld rckt dessen indexikalische (Wert anzeigende) und performative (Wert generierende) Dimension in den Vordergrund. Diskursgeschichtlich dient das Mre genauso wie die Minnerede der Ausbildung einer ›Zusatzsemantik‹, durch die eine universelle Kuflichkeit eingeschrnkt werden soll. Beide Texte rufen das Modell eines Rangordnungsstreits zwischen zwei Werten auf, untergraben oder transformieren es jedoch bei der argumentativen oder narrativen Ausgestaltung. In der Minnerede gewinnt das Geld seine ›Macht‹ durch eine hohe Anschließbarkeit und die ›semantische Armut‹. Daher steht es, wie mehrfach betont wird, nicht als ein Wert neben anderen, sondern entwirft ein System, in dem alle Werte enthalten sind – jedoch auf einer monetren Basis. Im Mre Der Hellerwertwitz wird der Rangordnungsstreit zwischen Materiellem und Immateriellem internalisiert. Im Zentrum stehen die ›unsichtbaren‹ Motive, deretwegen eine Frau mit einem Mann zusammen ist und von ihm Geschenke annimmt. Zugleich wird aber auch ein scheinbar immaterieller Wert (witz) externalisiert und so die kategoriale Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Werten unterlaufen. Dabei rckt die konstitutive Dimension der Darstellung von immateriellen Werten in den Vordergrund. Die Reprsentation eines Wertes ist keine Form, die nachtrglich dazukommt, sondern prgt diesen. Wenn in literarischen Texten Personifikationen Werte verkçrpern, wird entweder suggeriert, es werde ein vorgngiger Wert bloß nachtrglich dargestellt, oder es wird mit der Interdependenz von einem ideellen Wert und seiner sprachlichen Darstellung experimentiert.37 Das Mre Der Hellerwertwitz ruft die traditionelle Personifikation von Werten (die auch in Minne und Pfennig zu beobachten ist) auf und experimentiert mit ihr : Die sprachliche Benennung des Werts ist kein bloßes Darstellungsmittel, sondern sie ›erschafft‹ ihn performativ. Whrend also in Minne und Pfennig scheinbar zeitlose Werte personifiziert miteinander konfrontiert werden, wird im Hellerwertwitz von der diskursiven Entstehung von Werten erzhlt. Damit soll die exemplarisch-didaktische Dimension des Mres keineswegs verneint werden. Selbstredend geht es in erster Linie um die Formung von ›inneren‹ Werten wie Treue und Tugendhaftigkeit, die nicht von materiellen Motiven affiziert werden sollen. Im Verlauf der Erzhlung wird jedoch deutlich, dass der Darstellung des Wertes ein Eigenwert zukommt, der hilft, die spezifische Wirkung des Geldes anders zu fassen als eine hierarchische Gegenberstellung von Liebe und Geld.

37 Vgl. dazu Kiening (1994) sowie Kap. 9.1 des vorliegenden Bandes.

Scheiternde Differenzierung?

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5. Scheiternde Differenzierung? Von den zwei Kaufleuten von Ruprecht von Wrzburg Im Mre Von den zwei Kaufleuten von Ruprecht von Wrzburg1 finden sich hnliche geldkritische Topoi wie in Minne und Pfennig und im Hellerwertwitz. Der Tausch ›minne gegen eine materielle Leistung‹ hat wie im Hellerwertwitz die Funktion, zwischen kuflichen und nichtkuflichen Figuren zu unterscheiden und der Protagonist ist erneut ein Kaufmann. Im Unterschied zum Hellerwertwitz finden sich jedoch in den Zwei Kaufleuten viele Schwankmotive: Das Werben um eine Frau mit Hilfe von Geld, die Tuschung des Freiers und das Vertauschen von Figuren. In Verdun leben zwei befreundete, aber unterschiedlich reiche Kaufleute. Um ihre Stellung in der Stadt zu strken, verheiraten sie ihre beiden Kinder, Irmengard und Bertram, miteinander. Die Ehe wird als eine vollkommene geschildert: in hete got den wunsch gegeben / und f erden hie ein parads. (V. 233 f.; »Der Herrgott hatte ihnen die Erfllung aller Wnsche und das Paradies auf Erden geschenkt.«) Nach zehnjhriger Ehe fhrt der erfolgreiche Kaufmann Bertram auf den Markt zu Provins. Im Wirtshaus werden am Abend Geschichten von der Schlechtigkeit der Ehefrauen erzhlt, nur Bertram lobt die seine. Der Wirt Hogier zweifelt dieses Lob vehement an und behauptet, dass er Irmengard innerhalb eines halben Jahres verfhren kçnne. Der Ehemann geht auf die Herausforderung ein und sie wetten um ihren gesamten Besitz, ob Irmengard verfhrbar sei. Bertram bleibt seinem Hause fern und stattdessen fhrt Hogier nach Verdun, um Irmengard den Hof zu machen. Nachdem die blichen Werbungsmechanismen (Blicke, Geschenke) keine Wirkung zeigen, besticht Hogier zuerst die Bediensteten und bietet dann Irmengard Geld an. Er steigert sein Angebot sukzessive und, als er ihr fr eine Liebesnacht tausend Mark bietet, drngen die Verwandten Irmengard dazu, das Angebot anzunehmen: Einen solchen Geldgewinn drfe sie sich und ihrem Mann nicht entgehen lassen. Zwischen ehelicher Treue und den Ratschlgen der Verwandten hin- und 1 Das Mre ist bei Fischer (1983) unter dem Titel Die Treueprobe kategorisiert (FB 108). Es ist unikal berliefert. Der Titel Von zwein koufma] ist um ca. 1500 in der in Wrzburg geschriebenen Handschrift hinzugefgt worden (Gotha, Forschungsbibliothek, Cod. Chart. A 216, Bl. 76vb-82va); vgl. dazu Gutknecht (1966), S. 9; Mihm (1967), S. 114. Faszikel III (Bl. 75ra111vb), in dem sich die Zwei Kaufleute finden, wird von Eisermann (2005), S. 199, neu aufgrund der Analyse von Wasserzeichen und Papier auf 1342 – 1345 datiert (entgegen der bisherigen Datierung auf um 1400). Im dritten Faszikel ist neben den Zwei Kaufleuten und einer Reihe von kleinepischen Texten auch eines der im letzten Kapitel erwhnten Gedichte auf den Pfennig Was der Pfennig wunders kann berliefert (Bl. 103rb-104ra; vgl. Zehn Gedichte auf den Pfennig, Nr. 4, S. 21 f.). Dies verdeutlicht, wie eng die im letzten Kapitel analysierte Geldkritik mit den Zwei Kaufleuten verbunden ist. Zitiert wird der kritische Text der Ausgabe von Gutknecht, Zwei Kaufleute, S. 45 – 109; vgl. zudem die Edition von Niewçhner, NGA, S. 255 – 268; die bersetzung folgt ebenfalls Gutknecht, Zwei Kaufleute, S. 112 – 129.

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5. Scheiternde Differenzierung?

hergerissen, bittet sie Gott um Hilfe: got an ir grze triuwe sach / und gap ir einen guoten rt (V. 689 f.; »Gott sah ihre aufrichtige Treue und gab ihr eine hilfreiche Eingebung«). Irmengard geht vordergrndig auf das Angebot ein, doch legt sich an ihrer Stelle die Magd Amelin ins Bett, die dafr hundert Mark Belohnung erhlt. Die Magd und Hogier verbringen eine glckliche Liebesnacht, an deren Ende Hogier der Magd zum Beweis einen Finger abschneidet. Die Wette wird bei einem Fest çffentlich entschieden. Da Irmengard ihre unversehrten Hnde vorweisen kann, verliert Hogier die Wette. Sein Gut wird ihm genommen, doch erhlt er die Magd Amelin zur Frau. Wie im Hellerwertwitz wird der Wertekonflikt zwischen ehelicher Treue und Kuflichkeit als Wahl zwischen zwei Alternativen dargestellt: Irmengard kann entweder treu bleiben oder einen monetren Gewinn machen. Die beiden Handlungsalternativen werden deutlich gewertet: Treue erscheint als der positive Wert, die Vermehrung des Besitzes auf Kosten der ehelichen Treue wird hingegen als Korrumpierbarkeit verurteilt. Wie in der Forschung mehrfach hervorgehoben wurde, umgeht Irmengard jedoch diese dilemmatische Situation mittels einer List.2 Sie erreicht dank der Substitution der Magd beides: Sie kann ihre Treue bewahren und einen momentanen Gewinn erzielen. Winfried Frey liest den doppelten Gewinn von Treue und Besitz am Ende des Mres als Ausdruck einer »brgerlichen Moral«. Im Unterschied zum Adel kçnne das Brgertum sowohl Besitz als auch gotes hulde erwirtschaften.3 Frey argumentiert sozialhistorisch durchaus differenziert, doch vollzieht er in der Interpretation eine hnliche Geldkritik, wie sie im Mre von Figuren und Erzhler gebt wird: Er liest Irmengards List als brgerliches Streben nach Gelderwerb, d. h. als Betrug mit der Absicht, sich zu bereichern.4 Er unterstellt der Figur also materielle Motive, obwohl diese nicht beschrieben werden. Ebenso geht Frey davon aus, dass die beiden Wettpartner die Wette ausschließlich aus monetren Grnden abschließen.5 Auch dafr findet sich im Text kein Beleg. Dies verdeutlicht die anhand von Luhmann6 beschriebene interpretatorische Gefahr, dass aufgrund der durch das Geld vorgegebenen Logik jedes Handeln entweder als Ausdruck einer Gewinnoptimierung oder 2 Vgl. Frey (1976), S. 116; Cramer (1990), S. 283; Grubmller (2006), S. 118 f. 3 Frey (1976), S. 114. Zur ›Brgerlichkeit‹ des Personals vgl. auch Fischer (1983), S. 124: »Die farben- und detailreichste Darstellung des (gehobenen) Brgertums findet sich in der Treueprobe, und dieses Mre hat deswegen immer wieder erhçhte Beachtung gefunden, ist allerdings z. T. von den Interpreten auch ber Gebhr strapaziert worden.« 4 Frey (1976), S. 116. Problematisch ist jedoch, dass Frey die Kaufleute des Sptmittelalters etwas allzu teleologisch als Vorform des Brgertums des 18. Jahrhunderts liest. Vgl. dagegen die genaueren soziohistorischen Bezge bei Wetzel (2004), S. 123 – 130. 5 Frey (1976), S. 115. Dabei wirft die Analyse von Frey auch die Frage auf, inwiefern gattungstypische Motive wie die List des Vertauschens soziohistorisch als Ausdruck der Moral einer spezifischen Schicht gelesen werden kçnnen. 6 Hier und im Folgenden setze ich die in den Kap. 2.9 – 2.10 vorgestellten berlegungen Luhmanns zur Geldkritik voraus.

Materielles Verfhren und materiell Verfhrte

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als selbstlos gedeutet wird, und alle anderen Handlungsmotive unbercksichtigt bleiben.7 Udo Friedrich liest die Zwei Kaufleute als Kombination zweier Erzhlmodelle. Auf der einen Seite werde eine Familiengeschichte, auf der anderen Seite von einer Treueprobe erzhlt. Der »Status der Frau als Garant und hçchstes Risiko sozialer Ordnung« werde kasuistisch verhandelt.8 Es werde versucht, »heterogene Grçßen«, wie Ehre und materielle Werte, »finanzielles Kalkl […] und christliche Ethik« miteinander zu »harmonisieren«, dabei trete aber vermehrt das »Geld an die Stelle des Triebes«.9 Die beiden Mnner seien keine sexuellen, sondern çkonomische Rivalen. An diese Interpretation mçchte ich im Folgenden anschließen, indem ich genauer nach dem Verhltnis von Ehre, Geld und Begehren frage. Im ersten Abschnitt des Kapitels wird die Argumentation Irmengards, als sie die Angebote des Freiers ablehnt und die Kuflichkeit verurteilt, analysiert. Im zweiten wird dann der Handel zwischen Irmengard und ihrer Magd untersucht. Die beiden entgegengesetzten Frauen tauschen nicht nur ihrerseits minne gegen Geld, sondern auch ihre Pltze und werden dadurch einander angeglichen. Das Pendant zum Tauschakt der Frauen stellt die Wette der Mnner dar. Im dritten Abschnitt wird gefragt, wie sich Wette und Handel unterscheiden und welche narrativen Funktionen diesen beiden Formen des Austauschs zukommen. Abschließend wird die Erzhlrunde im Zentrum des Mres analysiert, in der gerade nicht erzhlt, sondern beschrieben wird.

5.1 Materielles Verfhren und materiell Verfhrte Noch strker als im Hellerwertwitz wird in den Zwei Kaufleuten von der ›Universalisierung des Geldes‹ erzhlt, indem einzelne Figuren fr Geld ›alles‹ tun. Insbesondere die Magd Amelin, vom Erzhler als der miete geil (V. 538) bezeichnet, scheint dieses Prinzip zu verkçrpern. Sie ist sofort bereit, gegen Entlçhnung Hogiers Geldangebote an ihre Herrin zu bermitteln (V. 526 – 529). Ebenso versucht sie aufgrund einer von Hogier versprochenen Belohnung (von hundert Mark), Irmengard zur Annahme von Hogiers Geldangeboten zu berreden (V. 559). Ihre Korrumpierbarkeit gipfelt darin, dass sie (als ihr Hogiers Belohnung entgeht) die Seite wechselt, und sich die hundert Mark damit verdient, Hogier zu betrgen (V. 699 f). Aber auch die anderen Bediensteten lassen sich bestechen und die Verwandten raten wegen des er-

7 Damit werde – so die Argumentation Luhmanns – die vom Medium Geld vorgegebene Logik auch noch in der vordergrndigen Kritik derselben reproduziert. 8 Friedrich (2006), S. 70 – 74, hier S. 74. 9 Ebd., S. 73.

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5. Scheiternde Differenzierung?

hofften Gewinns gar zum Treuebruch.10 Der Freier Hogier ist derjenige, der alle diese Figuren monetr verfhrt: Er veranlasst durch sein Angebot die Verwandten zu ›amoralischen‹ Ratschlgen, besticht die Bediensteten und fhrt Irmengard in Versuchung. Seine monetren Werbungsangebote ›verteilen‹ – um mit Luhmann zu sprechen – die ›Knappheit‹ in der Handlungswelt; d. h. sie erzeugen ein Begehren, das auf keinem ontologischen Gtermangel basiert, sondern das einzig durch die Mçglichkeit, Geld zu erwerben, generiert wird.11 Hogier ist aber nicht nur monetrer Verfhrer, sondern auch monetr Verfhrter. Er wirbt um Irmengard nicht aus sexueller Lust, sondern der Beischlaf ist bloßes Mittel, um den Wettgewinn zu erlangen. Das Geld ist fr ihn – anders als bei den meistern Freier-Figuren in anderen Mren – nicht nur Mittel, sondern auch Zweck. All diese ›kuflichen Figuren‹ werden mit der unkorrumpierbaren Irmengard kontrastiert: Sie wird vom Erzhler mit den hçfischen Topoi der Reinheit (vrouwe vr vor schande, V. 600; »Frau, ohne jegliche Schande«) beschrieben und ihr wird vorausdeutend absolute Treue (nie vrouwen lp getriuwer wart, V. 568; »nie war eine Frau so treu«) zugeschrieben. Als ihr von Hogier Geld angeboten wird, argumentiert sie (gegenber der Botin Amelin) explizit mit der Opposition von ere und guot und erscheint dadurch geradezu als eine Art ›Sprachrohr‹ der Geldkritik: ich h n guotes harte vil: m n Þre ich niht verkoufen wil. (V. 546 f.) […] daz verbiete got, daz ich iht ze schanden werde, wan mir f der erde kunde leider niht geschehen, ob man mich solte in laster sehen und in houbethafter sunde, wan mich des swevels unde quelten in der helle grunde. (V. 587 – 594) Ich habe gengend materielle Gter, meine Ehre verkaufe ich nicht. Mçge Gott verhten, dass ich so beschmt werde. Denn nichts Schlimmeres kçnnte mir auf Erden widerfahren, als dass man mich in Laster 10 Das Eigeninteresse der Verwandten wird beispielsweise dadurch hervorgehoben, dass Irmengards Vater davon spricht, dass sie das Geld einholen soll, Þ danne ez [das guot] uns entrnne! (V. 627). 11 Der Gedanke, dass Geld Begehren erzeugt, findet sich aber nicht nur bei Luhmann, sondern auch in Minne und Pfennig (vgl. Kap. 4.1), V. 109 – 112: es st= llet yedermann nch mir [Pfennig], / und kan erfFllen kain begir. / ye mer ich wird, ye lieber ich bin.

Materielles Verfhren und materiell Verfhrte

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und in Todsnde antrfe und mich einst Schwefeldmpfe auf dem Grund der Hçlle qulten.

Irmengard stellt den Tausch der ehelichen Treue gegen materielle Werte als unehrenhaft dar. Sie legitimiert dies mittels transzendenten christlichen Werten: Die Unehre des Ehebruchs und der Kuflichkeit ist Snde und in jedem Fall zu vermeiden. Die Verwandten Irmengards argumentieren dem genau entgegengesetzt: Was ehrenhaft und was unehrenhaft ist, ist bei ihnen nicht transzendent gesichert, sondern verndert sich je nachdem, welchen ›Preis‹ man dafr erhlt.12 D. h. die Differenz zwischen Ehre und Unehre ist keine absolute, sondern von ihren Auswirkungen auf materiellen Gewinn oder Verlust abhngig. Dementsprechend kritisiert das Mre mit der Gegenberstellung der korrumpierbaren und der nichtkorrumpierbaren Figuren nicht (nur), dass Geld an die Stelle anderer Werte tritt, sondern auch, dass die ›Universalisierung des Geldes‹ die Distinktionskraft anderer Unterscheidungen (Ehre/Unehre) neutralisiert. Das Festhalten an ›absoluten‹ Unterscheidungen wird durch die ›Rhetorik des Kçrpers‹ unterstrichen: Irmengard reagiert auf das Drngen ihrer Verwandten, das Angebot anzunehmen, nicht argumentativ, sondern somatisch: daz wazzer ir z den ougen schz: / des twanc s ir kiuschlch scham. (V. 637 f.; »Trnen schossen ihr aus den Augen, ihre Keuschheit ließ sie weinen«.)13 Irmengards Kçrperzeichen erscheinen im Kontrast zur Eloquenz ihrer Verwandten als Ausdruck eines authentischen Rechtsempfindens. Dementsprechend reagieren auch die bestochenen Bediensteten und die ›geldgierigen‹ Verwandten kçrperlich, als ihnen ihre Korrumpierbarkeit vorgeworfen wird: Die Bediensteten senken beschmt den Kopf (V. 503 f.) und die Verwandten werden totenbleich.14 Ambivalenz der Kaufmetaphorik In den Verhandlungen zwischen Irmengard und ihren ›geldgierigen‹ Gegenbern kommt die Kauf- und Tauschmetaphorik vielfltig zum Einsatz. Der Erzhler bezeichnet beispielsweise das gekaufte Lob der Bediensteten (V. 508) und Hogiers Werbung wiederholt als gewerp (V. 480; 512).15 Auch die unkorrumpierbare Irmengard greift die Metaphern des Kaufes mehrfach auf. Als 12 Vgl. die Rede der muome: liezest d als rchen solt, / dir wrde nimmer mÞre holt / min herze noch kein vriunt dn. / ez mçhte ein richiu keisern / wol tuon mit ganzer Þre. / s er n von dir kÞre, / s lz d dne schze nider: / d bist aber danne wider / diu selbe, diu d Þ waere (V. 605 – 613). Vgl. auch V. 610 – 613, 623 – 635, 643 – 650. 13 Vgl. ebenso V. 651 f., 677. 14 Dies geschieht am Ende, als Hogier von der Wette erzhlt: s wurden alle missevar, / daz man s gelch den tten sach (V. 900 f.). 15 Die Semantik von gewerp ist nicht auf das Feld des Handels beschrnkt (vgl. BMZ Bd. 4, Sp. 726 – 732), doch scheinen an den erwhnten Stellen die Konnotation von Handel und Tauschgeschft mitzuschwingen.

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5. Scheiternde Differenzierung?

die Bediensteten ihr den Freier mittels Lob anpreisen, interpretiert sie dies als Bestechungsversuch. Sie stellt sich als eine Kuferin dar, die das Kaufangebot ihrer Bediensteten ablehnt: welt ir verkoufen disen man, s suochet ander koufman! zu koufen in stÞt niht m n muot. (V. 495 – 497) Wenn ihr diesen Mann verkaufen wollt, dann sucht euch einen anderen Kufer. Ich habe nicht die Absicht, ihn zu kaufen.

Als ihr spter das Geldangebot von Hogier berbracht wird, prsentiert sie sich als Kuferin, die sich weigert, den Mann bzw. sein Geld zum Preis ihrer Ehre zu ›kaufen‹: ich hn guotes harte vil: / mn Þre ich niht verkoufen wil (V. 546 f.). Die Kaufmetaphorik wird von Irmengard eindeutig negativ eingesetzt.16 Sie soll die damit in Bezug gesetzten Figuren diskreditieren, indem ihnen ein materielles Gewinnstreben unterstellt wird. Zugleich wird die Opposition von ›korrumpierbar vs. nicht korrumpierbar‹ mit der Opposition ›rein vs. unrein‹ parallelisiert.17 Rein bleibt nur, wer die Kauf- oder Verkaufsangebote ablehnt, alle anderen werden durch Geld und Handel ›verschmutzt‹. Im Unterschied zum Hellerwertwitz wird es jedoch in den Zwei Kaufleuten als um einiges schwieriger dargestellt, ›rein‹ zu bleiben. Dies machen bereits Irmengards Aussagen deutlich. Ihre pejorative Beschimpfung koufman weist nicht nur auf Hogier,18 sondern auch auf Irmengards Mann, Bertram, dessen Kaufmannsleben davor ausfhrlich und positiv beschrieben wurde.19 berdies verschreibt sich Irmengard ganz der Geldlogik, wenn sie mit der diskreditierenden Kaufmetaphorik voraussetzt, dass die Figuren entweder gewinnmaximierend oder selbstlos (›rein‹) handeln und es daneben keine anderen Motive gibt. Auch ihre kontextuell eindeutigen Aussagen erscheinen beim Wort genommen durchaus zweideutig: ich hn guotes harte vil: / mn Þre ich niht verkoufen wil (V. 546 f.), sagt sie zu ihren Bediensteten. Damit lehnt sie den Verkauf der Ehre nicht generell ab, sondern suggeriert unterschwellig, dass in einer anderen Situation oder bei einem hçheren Angebot ein ›Verkauf‹ mçglich sein kçnnte. Die diskreditierende Kaufmetaphorik basiert somit auf einer Opposition von ›korrumpierbar vs. rein‹, doch wird bereits anhand ihrer Verwendung deutlich, dass es kein reines ›Außen‹ des Geldes 16 So verstummen z. B. auch die Hogier lobenden Bediensteten betreten, als Irmengard sie als ›Verkufer‹ charakterisiert (V. 502 f.). Die Metaphorik von koufen ist jedoch keineswegs generell negativ konnotiert (als zweckrationale Gewinnmaximierung), vgl. dazu Kap. 3 des vorliegenden Bandes. 17 Vgl. etwa, wie der Erzhler im gleichen Kontext Irmengard charakterisiert: vrouwe vr vor schande (V. 600). 18 Der Erzhler bezeichnet den Gastwirt Hogier, als dieser um Irmengard zu werben beginnt, nicht mehr als wirt (V. 451), sondern als koufman (V. 492). 19 Vgl. V. 249 – 294.

Durch das Tauschen bewirkte Kontrastierung und Affizierung

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geben kann, weil die Kritiker sich mit dieser Metaphorik bereits auf die Geldlogik eingelassen haben. Es zeigt sich hier auf der semantischen Ebene, was im Folgenden noch auf anderen Ebenen gezeigt werden soll: Der Versuch einer eindeutigen Diskreditierung der Kuflichkeit scheitert, weil die hohe Wirksamkeit des Geldes gerade darin besteht, dass es auch das scheinbare ›Außen‹ prgt und deshalb Geld- und Tauschgeschfte nicht mit einer an transzendenten Werten orientierten Grenzziehung (rein/unrein) verurteilt werden kçnnen. Dies hat zur Folge, dass auch diejenigen, die eine solche Kritik ben oder in kritisierender Absicht als exemplarische Kontrastfiguren dargestellt werden, vom Kritisierten affiziert sind. Im Folgenden wird dies nicht als logische Inkohrenz oder argumentative Schwche interpretiert,20 vielmehr gilt es zu zeigen, inwiefern dieses Verfahren einer ›scheiternden Differenzierung‹ narrativ produktiv ist.

5.2 Durch das Tauschen bewirkte Kontrastierung und Affizierung Irmengards dilemmatische Situation, hin- und hergerissen zwischen der Ehemoral und den Ratschlgen der Verwandten, sich den Geldgewinn nicht entgehen zu lassen, wird ausfhrlich geschildert. Am Ende entzieht sie sich der Entscheidung und whlt die List des Vertauschens.21 Die Substitution der Ehefrau ist eine in Mren hufig erzhlte Begebenheit. An den Platz der Ehefrau rckt eine andere Frau,22 der Ehemann23 oder gar der Ehebrecher.24 In den meisten Texten wird aber nur von einer einseitigen Substitution und nicht von einem gegenseitigen Vertauschen erzhlt.25 Was mit der Ehefrau passiert, whrend z. B. die Magd an ihrer Stelle liegt, wird nicht geschildert. Die Ehefrau wird zwar ersetzt, doch nimmt sie nur selten den Platz der sie ersetzenden 20 Grubmller (2006), S. 119: »Das Bemhen [in Ruprechts von Wrzburg Treueprobe] um eine weniger einsinnige, komplexere Geschichte hat den ›Beweisgang‹ verdunkelt, ohne daß freilich eine komplexere Welt entstanden wre; sie wird nur widersprchlich und unglaubwrdig.« 21 Dies hat insbesondere Frey (1976), S. 116, herausgearbeitet. Doch liest er es zu stark als Ausdruck einer ›brgerlichen Moral‹. 22 Vgl. u. a. Der Pfaffe mit der Schnur ; Fortunatus, S. 128 – 132; vgl. zum Motiv der »unterschobenen Frau« allg. Gutknecht (1966), S. 168 – 170, sowie Grubmller (2006), S. 199; 23 Vgl. u. a. Der blinde Hausfreund; Der Koch (Schweizer Anonymus); Der Knecht im Garten (Rosenplt); Ritter Alexander (hier ersetzt die Frau den Mann). 24 Vgl. u. a. Das Studentenabenteuer. 25 ›Vertauschen‹ kann man als wechselseitige Substituierung zweier Objekte oder Personen beschreiben: Das Objekt A nimmt den Platz des Objekts B ein. In den Mren ist der Platz meist ein literaler Ort, nmlich das Bett. Sobald eine Person in einem anderen Bett liegt, wird sie auch fr die Person gehalten, der das Bett gehçrt. Dies verdeutlicht, dass das Vertauschen eine Vernderung an einem ›Ort‹ relativ zum Kontext darstellt, whrend beim Tauschen die Vernderung relativ zum Besitzer geschieht.

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5. Scheiternde Differenzierung?

Person ein.26 In den Zwei Kaufleuten wird hingegen ausfhrlich geschildert, wie Irmengard in der Rolle der Magd Hogier empfngt (V. 723 – 745). Die Szene ist nicht handlungsrelevant, stellt aber – wie gezeigt werden soll – das Paradox aus, dass Irmengard die Position der treuen Ehefrau zu retten versucht, indem sie zu ihrer eigenen Kontrastperson, d. h. zur kuflichen Frau wird. Als Irmengard als Magd verkleidet den Freier begrßt, bleibt beim ersten Lesen unklar, ob nun von Amelin oder Irmengard die Rede ist. Der Erzhler verwendet ausschließlich weibliche Pronomina und das Wort vrouwe, mit dem er sowohl Herrin als auch Magd bezeichnet (bis V. 733).27 Die Uneindeutigkeit wird durch eine latente Erotik der Begrßungsszene verstrkt. Hogier wird von Irmengard schone empfangen (V. 727), so wie anschließend auch Amelin (im Bett ihrer Herrin) den Freier schone empfienc (V. 746). Nach der Begrßung nimmt Irmengard den Freier bei der Hand (V. 738) und er schuop der vrouwen in ir kleit ald zuo der selben stunt mÞre danne zehen pfunt. des dancte s im sÞre. (V. 732 – 735) Er steckte ihr sofort gute zehn Pfund ins Kleid. Sie bedankte sich sehr dafr.

Hogier steckt Irmengard Geld in ihr Kleid und sie nimmt es, der Rolle der Magd entsprechend, an. Sie macht somit genau das, was sie bisher mehrfach verweigerte: von Hogier Geld anzunehmen. Damit werden nicht nur die Ambivalenzen, die aus dem Rollentausch folgen, sondern auch diejenigen, die ihm zu Grunde liegen, hervorgehoben: Die zehn Pfund, die Irmengard auf ›schlpfrige‹ Art erhlt, verweisen auf die tausend Mark, die sie durch die Substitution verdienen wird. Dadurch erscheint auch der Gewinn der tausend Mark als tendenziell erotisches Geschft, insbesondere weil die Geldbergabe der tausend Mark im Folgenden nicht geschildert wird. Das Vertauschen der beiden Frauen ist nur mçglich, weil die beiden so unterschiedlich sind: Nur weil Amelin kuflich ist, kann sie anstelle Irmengards den Freier empfangen. Zugleich bewirkt das Vertauschen aber auch die Angleichung der beiden, wenn die ›reine‹ Irmengard als kufliche Magd

26 Vgl. z. B. im Blinden Hausfreund. Eine Ausnahme stellen die Mren dar, die von der chiastischen Kreuzung zweier Paare erzhlen (Folz, Wiedervergeltung), und solche, die wie das Studentenabenteuer dadurch Handlung generieren, dass die Person, deren Platz besetzt ist, einen anderen Platz einnimmt, der zu weiteren Verwicklungen fhrt. 27 Irmengard wird vom Erzhler und den Figuren sehr hufig als vrouwe bezeichnet (V. 519, 532 u. ç.). In der Liebesnacht bezeichnet der Erzhler jedoch auch Amelin als vrouwe (V. 750, 752). Davor (und danach) ist auch von vrou Ameln (V. 537, 782) die Rede.

Durch das Tauschen bewirkte Kontrastierung und Affizierung

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prsentiert wird.28 Diese Angleichung findet nicht primr in der Handlungswelt, sondern vor allem auf der Erzhlebene statt. Besonders deutlich wird dies dann, wenn Irmengards Aussagen doppeldeutig werden. Als Irmengard mit Hogier das ›Tauschgeschft‹ verabredet, sagt sie (in der indirekten Darstellung des Erzhlers): hern Hogier s gemante, daz er daz guot ir sante, […] s solte er [Hogier] b dem tre s n; d warte s n vrou Amel n un lieze in zuo ir getlich n. (V. 704 f.; 710 – 712; Herv. S. R.) Sie forderte Herrn Hogier auf, ihr das Geld zuzuschicken. Er [Hogier] solle vor der Haustr sein. Dort warte dann Amelin auf ihn, und lasse ihn zu ihr herein.

Das Pronomen ir verweist in der indirekten Rede auf beide Frauen: Irmengards Aussage kann einerseits bedeuten, dass Amelin den Freier am Tor erwartet und ihn zu sich einlsst. Andererseits kann es genauso heißen, dass Amelin den Freier empfngt und ihn zur Sprecherin (Irmengard) fhrt. Mittels der Doppeldeutigkeit schtzt sich Irmengard vor der Lge und bewahrt somit auch hier noch eine gewisse Reinheit. Zugleich wird die Situation der Tuschung von der Ebene der Figuren auf die der Lesenden bertragen. Sie sind mit einem nominalen Stellvertreter (Pronomen) konfrontiert, der die Unterschiede zwischen den beiden Kontrastfiguren verwischt. Die beiden Frauen sind zugleich ununterscheidbar und unterscheidbar : ununterscheidbar, weil die Pronomina doppeldeutig sind und so ein Moment der Unklarheit erzeugen; unterscheidbar aber, weil kontextuell gesichert ist, um welche der beiden Frauen es sich handelt und wodurch sie sich handlungsweltlich unterscheiden. Als Hogier am nchsten Morgen seiner Bettgefhrtin den Finger abschneidet (V. 794 – 801), reproduziert er die Differenz zwischen den beiden Frauen, die das Vertauschen ermçglicht hat und die zugleich durch das Vertauschen auch verwischt wurde. Indem Hogier diese Differenz neu markiert, 28 Simmel postuliert (vgl. Kap. 2.7), dass es beim Tauschen sowohl zu einer Differenzierung als auch zu einer Angleichung des Getauschten komme. Einerseits mssen die beiden Tauschobjekte sowie die Prferenzen der Tauschpartner verschieden sein, damit ein Anreiz zum Tauschen besteht; der Vollzug des Tauschs affirmiert diese Differenzen. Andererseits wird durch die quivalenz-Setzung eine Relation zwischen (ungleichen) Objekten gestiftet und durch den damit einhergehenden Vergleich werden hnlichkeiten hervorgehoben bzw. ›geschaffen‹ (entweder direkt oder ber den Vergleich mit einem gemeinsamen Wertmaßstab). Wenn hier analysiert wird, wie mit dem Vertauschen der beiden Frauen Differenzierung und Entdifferenzierung einhergehen, dann kann man dies ansatzweise auf die von Simmel beschriebene Dynamik beziehen.

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5. Scheiternde Differenzierung?

bezeugt er die Reinheit29 der Ehefrau und seine eigene Niederlage. Denn Amelins Finger steht nicht fr den Platz (Irmengards Bett), an dem sie gelegen hat, sondern fr ihre Person. Die kçrperliche Markierung macht sichtbar, dass die Ununterscheidbarkeiten nicht in der Handlungswelt statthaben, sondern sprachliche Effekte des Vertauschens sind. Die sprachlichen Substitutionen und Doppeldeutigkeiten konnotieren und kommentieren so die Unterscheidungen der Handlungswelt und heben deren Relativitt hervor.

Konversionen von sexuellem und materiellem Begehren Amelins Tausch ›minne gegen eine materielle Leistung‹ findet sein Pendant in Hogiers Tausch, der vordergrndig fr die minne bezahlt, aber aufgrund der Wette den Beischlaf ebenfalls aus monetren Grnden begehrt. Damit wird der fr Mren typische Tausch, bei dem Geld (oder Gter) das Mittel zum Erreichen der sexuellen Erfllung sind, verkehrt:30 Wrde es Hogier gelingen, Irmengard mittels Geld zum Treuebruch zu verfhren, wrde die ›Universalisierung des Geldes‹ kulminiert exemplifiziert: Das Begehren nach Geld wrde alle Figuren leiten und auch der Beischlaf wrde von beiden Figuren nur aus monetren Motiven erstrebt. Da Irmengard aber nur indirekt auf den Handel eingeht, verschieben sich die Tauschkonstellationen: Der Tausch ›minne gegen eine materielle Leistung‹ findet nicht – wie in vielen Mren31 – innerhalb eines Dreiecks (Ehepaar und Verfhrer), sondern innerhalb zweier Dreiecke statt (das Ehebruchsdreieck sowie die beiden Frauen und Hogier). Diese beiden Dreiecke fgen sich so zusammen, dass das Ehepaar Irmengard und Bertram ihre Kontrastfiguren Amelin und Hogier durch ein monetres Angebot bzw. eine Verabredung zum Beischlaf verfhren. Der Beischlaf von Amelin und Hogier ist somit beiderseits materiell motiviert. Doch pointierterweise verschiebt sich in dem Moment, als die beiden materiellen Interessen zusammentreffen, das monetre Begehren in ein sexuelles. ber vierzig Verse hinweg schildert der Erzhler die Liebesnacht als Liebeskrieg und das Spiel von Enthllen und Verhllen (V. 746 – 785). Es ist von Lust (gamel, V. 783) die Rede und der Erzhler endet mit ich wæn er [Hogier] st nie baz gelac (V. 785; »Ich glaube, er hat spter nie eine schçnere Nacht verbracht«). Dass das sexuelle Begehren als berschuss ber das monetre zu werten ist, kommt insbesondere im Geben und Nehmen der Ksse zum Ausdruck: [er] begunde vil kssen zern. diu vrouwe sich begunde wern, 29 Der Erzhler betont, dass Irmengards Hnde unverhouwen waren (V. 916). 30 So auch Ziegeler (1985), S. 304. 31 Vgl. z. B. Liebesabenteuer in Konstanz; Die drei Mçnche zu Kolmar ; Frau Metze vom Armen Konrad.

Durch das Tauschen bewirkte Kontrastierung und Affizierung

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und s er einen hete get n, s muose er zwÞne d gegen h n. diz triben s vil lange z t (V. 766 – 770) Er raubte ihr immer neue Ksse. Die Frau begann sich zu wehren, und wenn er ihr einen Kuss gegeben hatte, so bekam er zwei dafr zurck. Damit verbrachten sie viel Zeit.

Der Erzhler schildert das Kssen mit der Metaphorik der Reziprozitt (dagegen han). Doch anstelle eines quivalenten Austausches gilt das Prinzip der Steigerung. Das Gegebene des einen wird vom anderen berboten. Ebenso fgen sich in der Handlungswelt die materiellen Interessen der Figuren reziprok ineinander, bis im Moment des monetr motivierten Austauschs – d. h. beim Vollzug der Reziprozitt – ein berschuss generiert wird. Damit wird die bekannte Geldkritik, dass das Geld vom Mittel zum Zweck werde, verkehrt.32 Die Sexualitt wird vom Tauschmittel zum ›Zweck‹, doch wird diese Verselbstndigung ironisch mit den Metaphern der Reziprozitt beschrieben.33 Dadurch werden einerseits die çkonomische und die sexuelle Tauschlogik voneinander abgegrenzt: Die çkonomische wird primr durch Reziprozitt, die sexuelle primr durch Vollzug charakterisiert. Andererseits hngen gerade auf der Darstellungsebene die beiden eng zusammen, weil ihre Spezifika nur dank der Kontrastierung mit der jeweils anderen Tauschlogik sichtbar werden. Aber auch wenn sich in der Liebesnacht das monetre in ein sexuelles Begehren verschiebt, wird dieses doch nicht als Trieb gezeichnet, der allen Handlungen zu Grunde liegt.34 Denn die Verschiebung erscheint bloß als ein Schritt in einer Reihe von Verschiebungen des Begehrensobjekts, auf den sogleich der nchste folgt: Als der morgensterne f dranc (V. 786), verndert sich Hogiers Begehren erneut. Er fordert von seiner Bettgefhrtin ein kleint […], / daz ich […] gedenke an iuwern werden lp (V. 794 – 796; »ein Schmuckstck, damit ich an euch erinnert werde«). Fr den Wettgewinn braucht er einen materiellen Beweis, der den Tausch festhlt. Hogier verlangt nach einer Gabe, die die Qualitten der bisherigen Tauschmittel Sexualitt und Geld ergnzt. Denn weder die Sexualitt noch das getauschte Geld hinterlassen Spuren, die einen geschehenen Tausch bezeugen. Eine Liebesgabe verweist dagegen auf die eine, singulre Person, die die Gabe verschenkt hat. Indem Hogier Amelin einen Finger abschneidet, radikalisiert er dieses Prinzip. Der 32 Vgl. dazu Kap. 4 des vorliegenden Bandes, insbesondere die mehrfache Klage in Minne und Pfennig, dass das Geld vom kneht zum herr geworden sei (V. 420, 555 – 560). 33 Wenn sich in den Mren ›Sexualitt‹ verselbstndigt, so geschieht dies meist als personifiziertes Genital; vgl. u. a. Das Nonnenturnier; Der verklagte Zwetzler; Gold und Zers; vgl. dazu Kap. 9.1 des vorliegenden Bandes. 34 Friedrich (2006), S. 73. Vgl. zu dieser Forschungsmeinung ber Sexualitt im vorliegenden Band Kap. 1.5.

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5. Scheiternde Differenzierung?

Finger steht nicht nur symbolisch-metonymisch fr die Gebende, sondern kçrperlich und bezeugt dadurch Hogiers Niederlage unzweideutig. Beim Vertauschen der beiden Frauen in der Liebesnacht werden die Performativitt und Ereignishaftigkeit des Tauschens sichtbar :35 Das Vertauschen erscheint nicht als Ersetzung, sondern als Prozess, bei dem das, was an den Ort von etwas anderem gelangt, von diesem affiziert wird. Bei der Liebesnacht von Amelin und Hogier wird sichtbar, wie das Mittel des Tauschens (Sexualitt) sich verselbstndigt. Dies kann auch als performative Umgestaltung des Motivs der ›Treueprobe‹ gelesen werden: Nicht nur die Besttigung der Treue, sondern auch der Prozess des Besttigens und dessen Effekte werden ins Blickfeld gerckt; Effekte, die handlungsweltlich wenig Wirkung haben, die aber auf der Erzhlebene die Bedingungen der Besttigung, nmlich die Angleichung an die abgewiesene Korrumpierbarkeit, sichtbar machen.

5.3 Die nichtreziproke Logik der Wette Nur in wenigen Mren wird im Rahmen einer Vorgeschichte von der Vtergeneration erzhlt.36 In den Zwei Kaufleuten geschieht dies erstaunlich ausfhrlich: Die Vter von Irmengard und Bertram sind zwei befreundete Kaufleute, die alles freinander tun wrden (V. 32 – 40). Ihre Freundschaft wird jedoch durch die çkonomische Ungleichheit auf die Probe gestellt: doch was der eine rcher vil / […] gestigen von dem gotes gebot: / […] der ander was im untertn (V. 41 – 45; »Doch Gottes Wille hatte es so gefgt, dass der eine von den beiden viel reicher geworden war, der andere war ihm verpflichtet«). Um den rmeren (Gillam) fester an sich zu binden,37 verheiratet der reichere (Gilot) seine Tochter Irmengard mit dem Sohn seines rmeren Freundes. Dies ist zugleich ein Entscheid gegen eine Heirat mit einem stndisch hçheren Partner (V. 95 – 120). Die Ehe von Irmengard und Bertram hat somit zum Ziel, sowohl stndische Grenzen zu besttigen als auch çkonomische Differenzen 35 Vgl. dazu die Thesen Derridas zur Performativitt des Tauschens, Kap. 2.5 – 2.6 des vorliegenden Bandes. 36 Der Text gehçrt dementsprechend zu den Mren, die das mrentypische lineare Erzhlen durch Vor- und Nebenhandlungen ansatzweise aufbrechen. So bereits Rasch (1941), S. 199; Grubmller (2006), S. 119. Vgl. zu den Expositionen in Mren Schirmer (1969), S. 73 – 78; in den Zwei Kaufleuten Gutknecht (1966), S. 147 – 153. Das Studentenabenteuer A erzhlt wie wenig andere Mren ebenfalls einleitend von der vorangehenden Generation, d. h. von den beiden Vtern der Protagonisten. Anders als in den Zwei Kaufleuten gibt es jedoch keine Differenzen zwischen den beiden Familien. Die Expositionen des Studentenabenteuers und der Zwei Kaufleute werden vielfach als ›realistische Gestaltung‹ interpretiert; vgl. dazu kritisch Rasch (1941), S. 209 – 211; Fischer (1983), S. 132; Ziegeler (1988b), S. 23 – 25. Zu Mren, die von einem Generationenkonflikt erzhlen, vgl. auch Kap. 7 des vorliegenden Bandes. 37 her Gilot hete manegen sin, / wie er umbe gienge, / Gillam an Þren vienge / mit als ganzer vriuntschaft, / daz der stætecheite haft / nimmer mÞre wrde erlst (V. 68 – 73).

Die nichtreziproke Logik der Wette

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zu beheben. In der Folge lobt der Erzhler die Liebe der Eheleute als einmalig (V. 220 – 227) und paradiesisch: sus muosen s mit vrçuden leben. in hete got den wunsch gegeben und f erden hie ein parad s. (V. 233)38 Auf diese Weise konnten sie in Freuden leben. Der Herrgott hatte ihnen die Erfllung aller Wnsche und das Paradies auf Erden geschenkt.

Bercksichtigt man die Vorgeschichte, hat das Mre Von den zwei Kaufleuten eine zirkulre Struktur : Am Anfang steht die Differenz (zwischen den befreundeten Kaufleuten), in der Mitte die paradiesische Ehe als Aufhebung von çkonomischen Differenzen und am Ende gibt es erneut eine Differenz zwischen zwei Paaren.39 Die paradiesische Ehe endet mit Bertrams Handelsfahrt. Er entfernt sich von seiner Frau, um zu einem Markt zu fahren:40 dar an nam er rchen gewin (V. 263; »dadurch [durch den Handel auf dem Markt] verdiente er gut«). Die Handelsreise fhrt zur Wette und damit zur Gefhrdung der ehelichen Treue. Doch gerade weil der Gelderwerb die Gefhrdung der Ehe motiviert, verteidigt der Erzhler ihn entschieden: der herre m n her Bertram mit koufe mÞrte s n guot: wan swer zem dinge niht entuot und alz t d von nemen wil, des muoz wesen harte vil, ezn werde schiere vert n. der herre bereiten sich began f den j rmarkt ze Prov s. (V. 249 – 256) Herr Bertram mehrte seinen Reichtum durch Handel. Denn wer seine Gter nicht vermehrt, sondern nur davon nimmt, der muss sehr viel 38 Die Formulierung in hete got den wunsch gegeben ist topisch; vgl. u. a. Erec V. 6487. Im Parzival, 214,19, wird der junge Parzival von den Rittern im Wald von Solt ne damit beschrieben; ebenso wird der grl vom Erzhler als wunsch von parads bezeichnet (235,21). 39 Dadurch dass die Kontrastfiguren Amelin und Hogier am Ende verheiratet und wieder in den Haushalt integriert werden (Hogier wird Bertrams armman, V. 926), deutet sich eine neue Form von Inklusion an. Die Analogie zwischen Anfang und Ende wird berdies dadurch verstrkt, dass der Gastwirt Hogier als kaufman (V. 496) bezeichnet wird und so am Ende wie am Anfang von zwÞn[] koufman (V. 31) die Rede ist. 40 Provins ist eine der vier großen Messestdte der Champagne, wo zudem bereits frh deutsche Fernkaufleute nachgewiesen werden kçnnen; vgl. Gutknecht (1966), S. 161 – 163; vgl. zu den Champagnemessen historisch u. a. Pirenne (1971), S. 100 – 103; Schçnfelder (1988).

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5. Scheiternde Differenzierung? besitzen, wenn es nicht allzu bald verbraucht sein soll. Herr Betram begann, sich fr die Reise zum Markt in Provins vorzubereiten.

Der Erzhler stellt die Reziprozitt, das gleichmßige Nehmen und Geben, als Rahmenbedingung irdischen Lebens dar : Man kçnne nicht nehmen, ohne zu (er-)schaffen. Einnahmen und Ausgaben mssten in einem ausgeglichenen Verhltnis stehen, außer – und diese Klausel fgt der Erzhler hier fast unbemerkt ein – man ist unermesslich reich: Wer nehmen will, ohne zu geben dez muoz wesen harte vil (V. 254). Ein Zustand jenseits der Reziprozitt wird somit nicht als unmçglich, aber als Ausnahme dargestellt. Diese Diskrepanz zwischen einer reziprok geregelten Welt und der Mçglichkeit, das ›Gesetz der Reziprozitt‹ zu berschreiten, kann man als strukturelle Begrndung fr die Auflçsung der paradiesischen Ehe lesen. Denn die Sehnsucht, die Reziprozittsbedingungen aufzuheben, findet sich nicht nur bei den kuflichen Figuren,41 sondern vor allem auch in der ›Logik der Wette‹, die die eheliche Treue auf die Probe stellt.42 Whrend bei einem (reziproken) Tausch aufgrund von komplementren Interessen ein Mehrwert erzeugt wird, von dem beide Seiten profitieren, wird bei einer Wette eine radikale Agonalitt geregelt ausgetragen: Der Gewinn des einen ist der Verlust des anderen. Die Wette birgt die Chance, einen hohen Gewinn ohne (bzw. mit geringen) Kosten zu erzielen, das Risiko besteht dagegen im radikalen Verlust, der keinen noch so geringen Vorteil mit sich bringt. In den Zwei Kaufleuten setzen die beiden Wettpartner ihr gesamtes Vermçgen43 und Bertram zudem seine familire Ehre aufs Spiel. Es handelt sich somit nicht um wohl kalkuliertes Geschftsgebaren, so wie der Erzhler Bertrams Handel beschrieben hat (mit koufe mÞr[en], V. 250). Vielmehr erscheint die Wette als ›totale soziale Tatsache‹ (im Sinne von Mauss), in der sich Imaginres (der Wunsch nach unermesslichem çkonomischem Reichtum) und konomisches (durch Handel erworbener Besitz), Sexualitt und Ehre, Ehenormen und Eheerzhlungen verschrnken.44 41 Amelin etwa sagt: welt ir verdienen niht daz guot? / mm herren ir vil bele tuot, / wan er vil manec lant ervert, / daz im nimmer wirt beschert, / daz er sulich guot gewinne (V. 559 – 563). 42 Frey (1976), S. 115, liest die Wette als Spekulation, als »kaufmnnische Rechnung […] auf die Treue der Frau« und bezieht dies soziohistorisch auf das »Risiko-Bewußtsein des mittelalterlichen Fernhndlers« (ebd.); vgl. auch Gutknecht (1966), S. 157, der Wette und Kaufvertrag gleichsetzt. Hier wird dagegen zu zeigen versucht, dass der Text zwischen der Logik des kaufmnnischen Handelns und der der Wette unterscheidet. Vgl. auch Friedrich (2006), S. 71, der vor allem das Risiko betont, dass die beiden Wettpartner eingehen. 43 Sie wetten umbe allez daz ich leisten kan (V. 405). 44 Es handelt sich somit nicht um eine konomisierung von Treue (so Frey [1976], S. 115), in dem Sinne, dass Treue monetr ausgedrckt wird, sondern um eine Herstellung von Interdependenz. Ebenso wenig ist »die Rivalitt der Mnner […] rein çkonomisch bedingt«; so Friedrich (2006), S. 71. Denn die Konkurrenz wird nicht vorausgesetzt, sondern erst durch die Wette generiert. Die beiden Mnner sind sich vor der Wette in keiner Hinsicht feind und werden erst durch diese zu Konkurrenten. Aus der Konkurrenz entsteht das Verlangen, die Wette zu gewinnen, und dieses erzeugt wiederum weitere Begehrlichkeiten (die Geldgier der Verwandten

Die nichtreziproke Logik der Wette

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Die Wette wirkt deshalb in den Zwei Kaufleuten als eine Art Erzhlgenerator. Sie verknpft scheinbar getrennte Bereiche (Sexualitt, Besitz, Ehre) miteinander und destabilisiert das, was wohl verbunden scheint (die Wirtschafts- und Ehegemeinschaft). Die Wette ist hier jedoch – im Unterschied zu anderen Wetten in Mren45 – zugleich eine Treueprobe. Dadurch etabliert sie zustzlich auch eine Wissenshierarchie: Die Entscheidungen und Handlungen Irmengards haben Konsequenzen, von denen nur die Lesenden, nicht aber Irmengard und die sie umgebenden Figuren etwas wissen. Was in der Welt Irmengards als çkonomischer Gewinn von tausend Mark erscheint, bedeutet den Verlust des gesamten Besitzes. Die Wette erzeugt somit eine Verkehrung der çkonomischen Evidenz: Gewinn ist Verlust und Verlust ist Gewinn.46 Die beschrnkte Gltigkeit von monetren Regeln und Bedeutungen wird sichtbar. Man kann dies als narrative Form der Geldkritik lesen: Anstatt die Fokussierung auf die Gewinnmaximierung in der Kritik zu reproduzieren – wie dies in Irmengards Aussagen geschieht – wird die monetre Logik dadurch destabilisiert, dass die Evidenz einer zentralen Basisunterscheidung des Geldsystems (Gewinn/Verlust) in Frage gestellt wird. Die Wette stellt somit eine Kontrastfigur zum kaufmnnischen Handeln dar : Sie funktioniert weder reziprok noch bezieht sie sich ausschließlich auf die materiellen Gter. Stattdessen macht sie unterschiedliche Bereiche nach nichtçkonomischen Regeln voneinander abhngig und kann dadurch die çkonomischen Evidenzen untergraben. Dadurch wird die Spannung des Textes auf die Agnorisis ausgerichtet, d. h. auf den Moment, wo der scheinbare Gewinn zu einem Verlust wird.

und der Bediensteten etc.). Der Fokus liegt somit auf der Frage, wie Konkurrenz und Begehren entstehen, und nicht darauf, Konkurrenz und Begehren als anthropologische Konstanten darzustellen (vgl. dazu unten Kap. 9). 45 Das Motiv der Wette wird in unterschiedlichen Texten als eine Art Erzhlgenerator gebraucht. In Rahmenerzhlungen kann die Wette dazu dienen, einzelne Kurzerzhlungen miteinander zu verbinden, so z. B. in den Drei listigen Frauen und in Rosenplts Wettstreit der drei Liebhaber. Bei Rosenplt wird dann auch innerhalb der einzelnen Sequenzen eine Wette erfunden, um den Bauer zu betrgen (V. 106). Im Mre Die Wette werden wie in den Zwei Kaufleuten Wette und Treueprobe verknpft. Dabei werden Sachleistung und Werbung fast noch komplexer aneinandergekoppelt, weil der Knecht vorgibt, der Frau den Wetteinsatz (den Ochsen) wegzunehmen, um sich in der Stadt in den Liebesdienst einfhren zu lassen. Die Frau gibt sich dem Knecht nur deshalb hin, weil sie den einzigen Ochsen nicht entbehren kann. Wie in den Zwei Kaufleuten ist der scheinbare Gewinn der Verlust und umgekehrt; vgl. zu diesem Vergleich Ziegeler (1985), S. 304 f.; vgl. auch Die eingemauerte Frau vom Stricker, V. 92 – 99, wo das Angebot einer Wette vom Protagonisten benutzt wird, um die Verwandten zu prfen. 46 Ebenso erweist sich Hogiers vermeintlich kçrperlicher Beweis als trgerisches wortzeichen (V. 909).

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5. Scheiternde Differenzierung?

5.4 Enthllen und Verhllen Die Wette geschieht zwar im Rahmen von Bertrams Handelsreise, doch wird sie nicht durch Handelsabsichten, sondern durch eine Erzhlrunde motiviert. Im Wirtshaus voller Kaufleute bittet der Wirt (Hogier) die Gste, von snem wbe ein mære (V. 323) zu erzhlen. Drei Gste beginnen je unterschiedlich von der Schlechtigkeit ihrer Frauen zu berichten. Die erste Ehefrau wird als Teufel, die zweite als Ehebrecherin und die dritte als Trinkerin prsentiert (V. 326 – 350). Winfried Frey ist der Ansicht, dass sich »[f]r jede dieser drei Anekdoten […] ein Schwank einsetzen [lßt]«.47 Betrachtet man die drei mære48 genauer, fllt jedoch auf, dass die drei Mnner keine sukzessiven und damit narrativen Ereignisabfolgen schildern, sondern allgemeine Aussagen der Form ›meine Ehefrau ist X‹ ußern: diu mn ist bezzer danne guot; / s ht ouch einen stæten muot; / d b s kan s einen list, / […] vil dicke s getrinket, / daz ir diu zunge hinket (V. 343 – 348; »Meine Frau ist nicht zu bertreffen. Gewiss ist sie auch treu, aber obendrein versteht sie sich darauf, so viel zu trinken, dass ihr die Zunge lahm wird«), sagt etwa der dritte Mann. Seine sogenannte ›Frauenschelte‹49 ist nicht narrativ durch die Differenz von Vorher und Nachher organisiert, sondern beschreibt einen (zeitlosen) Zustand.50 Bertrams Erzhlung kommt als vierte. Sie folgt dem vorgegebenen Muster der zeitlosen descriptio, verkehrt aber die ›Frauenschelte‹ in ein ›Frauenlob‹:51 s ht wplchen sin; / kiusche und reine gemete, / mze und rehtiu gete. (V. 373 – 375; »Sie hat eine weibliche Gesinnung. Sie ist voller Unschuld und reiner Gesinnung, sie ist besonnen und von wahrer Gte.«) Bertram folgt den blichen Mustern der Beschreibung einer tugendhaften Frau und endet mit einem Unsagbarkeitstopos:52 swie vil tugende ich nenne, dannoch ist ir vil mÞr an ir. (V. 394 f.) 47 Frey (1976), S. 106, liest die drei Binnenerzhlungen auch als Verweis auf die im Promythion erwhnten toren (V. 1), die gemß dem Erzhler nicht gengend auswhlen, was sie erzhlen, und die Frey als Rivalen deutet. Wetzel (2004), S. 130, verweist auf den Gegensatz von Mndlichkeit und Schriftlichkeit in dieser Passage. 48 Hier zeigt sich die Diskrepanz zwischen dem Fischer’schen Mrenbegriff, im Sinne eines Gattungsbegriffes, und der mittelhochdeutschen Verwendung, die Fischer (1983), S. 78 – 89, selbst analysiert hat. 49 Vgl. zur ›Frauenschelte‹ in Mren: Schirmer (1969), S. 14 f. Problematisch ist allerdings seine Korrelation von Schelte und Lob mit dem Stand der beschriebenen Personen. 50 Vgl. zur descriptio Henkel (1997); Halsall (1994); zur narratio Stierle (1984) und Ziegeler (1985), S. 51 – 56, der von einer »zeitliche[n] Sukzession im imaginierten Zeitablauf« spricht. 51 Schirmer (1969), S. 4 – 14, 16 – 23. 52 Curtius (1954), S. 168 – 171; fr die Mren Schirmer (1969), S. 16 – 23, der jedoch den Topos allzu wçrtlich nimmt und das rhetorische Spiel mit den Paradoxien der Unsagbarkeit nicht wahrnimmt.

Enthllen und Verhllen

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Wie viele Vorzge ich auch aufzhle, sie besitzt noch weit mehr davon.

Wenn Bertram die descriptio mit einem Unsagbarkeitstopos beendet, so stellt dies nicht nur eine rhetorische Steigerung dar, sondern markiert auch die Grenze der gewhlten Darstellungsform. Die Beschreibung kann weder auf das Referenzobjekt hin berschritten noch durch die Aufzhlung von Details bis in die Unendlichkeit fortgesetzt werden. Die descriptiones der vier Mnner sind voller literarischer Topoi und folgen dem ›Gesetz‹ des bertreibens.53 Im Vordergrund steht nicht die Weltreferenz des Beschriebenen, sondern die rhetorische Flle und die berbietung des bereits Gesagten. Indem Bertram sich nicht an die Gattungsvorgaben der Frauenschelte hlt, ruft er eine Kritik hervor, die ihrerseits mit der Rezeptionsvorgabe des rhetorischen Wettstreits bricht. Der Wirt (Hogier) macht – wohl in ironischer Manier54 – den weltreferentiellen Aspekt zum Maßstab der Beurteilung und fordert einen Beweis fr die behauptete Idealitt Irmengards. Dieser Bruch mit der Rezeptionsvorgabe hat nicht nur die Wette zur Folge, sondern steht auch makrostrukturell fr den Wechsel von der descriptio zur narratio. Denn auch makrostrukturell droht die Beschreibung der idealen Ehe sich in der Handlungsarmut zu verlieren und auch hier greift der Erzhler zum Unsagbarkeitstopos. Die Ehe von Bertram und Irmengard sei so vollkommen, dass nie kein meister wart s w s, der envollen mçhte getihten und ze rehte berihten ir zweier liebe slozzes bant. (V. 234 – 237) Es hat noch keinen Dichter gegeben, der so vollkommen von der Unzertrennlichkeit ihrer Liebe htte dichten und erzhlen kçnnen.

Das vorletzte Attribut der Ehe ist das ›irdische Paradies‹ (V. 232 f.), das letzte der Unsagbarkeitstopos. Damit stellt die paradiesische Ehe zwar eine Art Hçhepunkt des ersten Teils der Erzhlung dar, markiert aber zugleich eine Verflachung der Erzhlspannung. Es folgen zehn Jahre der ungetrbten, aber ereignislosen Ehe, denen zehn Verse gewidmet werden (V. 240 – 250). Der Unsagbarkeitstopos steht somit nicht nur fr das unbeschreibbare Paradies, sondern auch fr einen Moment der Ereignislosigkeit. In der Erzhlrunde – so kçnnte man vermuten – wird diese Handlungsarmut der descriptio reinsze53 Die Reden der drei Mnner sind keineswegs unambitioniert. Alle drei bedienen sich mehrerer rhetorischer Mittel (Allegorie, Ironie, Euphemismus, Metapher). 54 Dass der Text ber die Unterscheidung von Wahrheit und Lge hinaus ein ganzes Spektrum von unterschiedlichen Referenzarten kennt, wird unten gezeigt. In Anbetracht dessen kann die Aussage des Wirtes sowohl ernsthaft als auch ironisch verstanden werden. Bei Letzterem wre der Wirt sich des topischen Charakters der descriptio bewusst, verstnde sie aber um der Komik willen weltreferentiell.

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5. Scheiternde Differenzierung?

niert und zugleich darstellerisch und handlungsweltlich berwunden. Denn aufgrund der vernderten Rezeptionsvorgabe des Wirtes kann die Treue der Ehefrau nicht weiter durch zeitlose Attribute behauptet, sondern muss durch die Probe bewiesen werden. Die deskriptiven Behauptungen werden so in eine Ereignisfolge transformiert. Katalytisches Moment dieser Transformation ist der Ebenenwechsel: Indem nicht die rhetorischen Fertigkeiten, sondern der weltreferentielle Aspekt des Gesagten betrachtet wird, erhlt das Erzhlte eine ›andere Bedeutung‹ und dies wiederum generiert Handlung. Es wird zu zeigen sein, dass solche Ebenenwechsel genauso wie das durch die Wette erfolgte Von-einander-abhngig-Machen verschiedener gesellschaftlicher Bereiche zu den zentralen poetologischen Merkmalen des Mrenerzhlens gehçren.

Liebeskrieg Die narrative Produktivitt des Ebenenwechsels wird auch an der Liebesnacht von Amelin und Hogier sichtbar. Hier treffen nicht nur materielles und sexuelles Begehren zusammen, sondern auch descriptio und narratio, Welt- und Selbstreferenz: ein kleinez hemde s d n und einen mantel herm n diu vrouwe an ir l be truoc s was doch kampfbaere genuoc. ouch truoc diu vrouwe ein senftenier und ouch ein sulhen hurtbucklier, daz s den sic als ervaht. (V. 748 – 754) Sie trug ein feines Seidenhemd und einen Hermelinberwurf. Dennoch war sie fr den Kampf bereit. Sie trug nicht nur eine Beinrstung, sondern auch einen Schutzschild, so dass sie den Sieg erstritt.

Der Erzhler beschreibt die Kleider der Frau, doch verndert sich im Zuge des Beschreibens das Beschriebene: Aus den Kleidern wird eine Rstung.55 Die tropische Sprachbewegung (von der descriptio zur Metapher) nimmt diejenige auf der Handlungsebene vorweg. Denn mit der Rstung wird bereits der Sieg der Frau konstatiert, obwohl der ›Kampf‹ erst konnotativ aufgerufen, aber noch nicht geschildert wurde. In der daran anschließenden Kampfschilderung wird dann die Rstung, die erst gerade durch das Beschreiben entworfen wurde, wieder zerstçrt (diu buckel wart von im zertrant, V. 763; »die Schildmitte wurde von ihm zerbrochen«).56 Die aus den Beschreibungen hervorge55 Zum Liebeskriegmotiv vgl. Kohler (1935); Wenzel (1995), S. 426 – 431. In der Wolfsgrube von Hans Rosenplt wird das Liebeskriegmotiv ebenfalls aufgerufen (V. 6 – 10). 56 Vgl. dazu auch Herberichs (2008), S. 81.

Enthllen und Verhllen

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henden Metaphern lçsen somit Handlungen aus und werden zugleich durch diese wieder aufgehoben. Die beschriebenen Ereignisse und die Ereignisse des Beschreibens gehen ineinander ber. Diese sprachlichen Verschiebungen und Vermischungen korrespondieren mit dem Verhllen und Enthllen in der Handlungswelt. Irmengard legt Amelin ihr eigenes Gewand an (V. 718 f.) und kurz darauf kleidet der Erzhler sie metaphorisch in eine Rstung. Hogier wiederum zieht Amelin das Hemd aus und zerstçrt dabei die Rstung. Hogiers vermeintliche Enthllung der Magd deckt jedoch nichts auf, sondern fhrt hçchstens zu weiteren Verschiebungen. Denn zum einen durchschaut Hogier Amelins ›Verkleidung‹ auch nach der Enthllung nicht – er glaubt weiterhin Irmengard vor sich zu haben –, zum anderen bedeutet das Entkleiden Amelins nicht, dass den Lesenden nun eine ›explizitere‹ oder gar wirklichkeitsnhere Beschreibung der nackten Frau oder des Geschlechtsaktes geboten wrde.57 Vielmehr wird eine allfllige Erotik durch die Erzhlung des Verhllens und Enthllens sowie die damit einhergehenden sprachlichen Verschiebungen und Transformationen evoziert. Dass das Enthllen ebenfalls zu einem Ebenenwechsel genutzt werden kann, macht eine Erzhlerbemerkung am Ende der Liebesnacht deutlich: ein sulich kampf von in geschach, des ich vil gerne pflaege, ob ich b liebe laege. sulh kampf enbrichet arm noch bein, man velt ouch d f keinen stein, […] hern Hogiere was ein nebel gemachet vor den ougen; daz ist gar ne allez lougen: (V. 773 – 781) Sie trugen ihren Liebeskampf so heftig aus, das tte ich auch gerne, wenn ich bei einer Liebsten liegen wrde. Ein solcher Kampf bricht einem weder Arm noch Bein und man fllt auch auf keinen harten Stein. Herrn Hogiers Augen wurden dabei vernebelt. Das ist alles ungelogen.

Der Erzhler ›enthllt‹ zuerst sein eigenes (sexuelles) Begehren (V. 774) und anschließend den metaphorischen Status des Erzhlten (V. 776): Der Kampf sei nicht in einem wçrtlichen, sondern in einem bertragenen Sinne zu verstehen. Der enthllende Gestus des Erzhlers, der sein eigenes sexuelles Begehren thematisiert, stellt ihn als authentische Person dar und suggeriert damit auch eine verstrkte Weltreferenz des Erzhlten. Wenn der Erzhler jedoch gleich darauf auf die ›Uneigentlichkeit‹ des geschilderten Liebeskrieges 57 Vgl. zur poetologischen Dimension der Kleidung in den Fabliaux Bloch (1986), S. 22 – 58.

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5. Scheiternde Differenzierung?

hinweist, stellt er die zuvor suggerierte Weltreferenz sogleich wieder in Frage. Auch diese Sichtweise wird erneut verschoben, als der Erzhler den Blick zurck auf die Handlungswelt lenkt. Hogier sei getuscht worden, daz ist gar ne allez lougen. Diese erneute Wahrheitsbeteuerung ist ambivalent. Denn zum einen kann sich das daz auf die vorangehende Tuschung (V. 779 f.) oder auf die nachfolgend den Figuren zugeschriebene Lust (V. 782 – 784) beziehen. Zum anderen muss ›ohne Lge‹ keineswegs Wahrheit in einem weltreferentiellen Sinne bedeuten, wie der Erzhler gerade in dieser Passage durch das Spiel mit verschiedenen Referenzweisen vorfhrt. Auch in den Aussagen des Erzhlers gehen Enthllen und Verhllen, Weltreferenz und Selbstreferenz ineinander ber. Der Text experimentiert hierbei mit Potenzierungseffekten, indem er die Unterscheidungen, die ihn konstituieren (Fremdreferenz/Weltreferenz; konstativ/performativ), auf sich selbst anwendet.58 Diese verdichtete Beschreibung der Liebesnacht steht im Kontrast zur Hochzeitsnacht von Irmengard und Bertram, die nicht erzhlt, sondern mittels eines brevitas-Topos ausgespart wird (V. 186 – 189).59 Dadurch wird eine Spannung erzeugt, die durch die Liebesnacht von Amelin und Hogier eingelçst zu werden scheint.60 Erneut bleibt somit die Darstellung des idealen, treuen, unbestechlichen Ehepaars auf die Kontrastfiguren bezogen, von denen es einerseits abgegrenzt und denen es andererseits angeglichen wird.

Resmee Wie Minne und Pfennig und der Hellerwertwitz versucht das Mre Von den zwei Kaufleuten eine Zusatzsemantik des Geldes zu etablieren, die dazu fhrt, dass zwischen Handel und Korruption bzw. zwischen monetarisierten und nichtmonetarisierten Lebensbereichen unterschieden wird. Doch anders als im Hellerwertwitz erzeugen die Konstrastierung der Figuren und die ›Probe‹ keine Eindeutigkeit. Denn zum einen hat Irmengards List des Vertauschens den Effekt, dass die beiden Kontrastfiguren nicht nur voneinander abgegrenzt, sondern auch einander angeglichen werden. Zum anderen verknpft die Wette die verschiedenen ›Lebensbereiche‹ miteinander : Was çkonomisch als ›Gewinn‹ erscheint, kann langfristig nicht nur moralisch, sondern auch çkonomisch einen ›Verlust‹ darstellen. Absolute, an transzendenten Werten orientierte Grenzziehungen scheinen weder semantisch noch handlungsweltlich 58 In Anlehnung an Luhmanns Verstndnis der Paradoxie, vgl. Baraldi/Corsi u. a. (1997), S. 131 – 134; zur Potenzierung vgl. Fricke (2003a). 59 Vgl. dazu Frey (1976), S. 116, der die Differenz zwischen den beiden Liebesnchten stndisch interpretiert. Zur Kritik daran Ziegeler (1992), Sp. 421; Friedrich (2006), S. 72, Anm. 71. 60 Verdeutlicht wird der paradigmatische Zusammenhang der beiden Liebesnchte durch die Sterne. Bei der Hochzeitsnacht von Irmengard und Bertram geht der Abendstern auf (V. 180), ohne dass der Morgenstern deren Ende anzeigen wrde. Erst nach der Liebesnacht von Amelin und Hogier geht der Morgenstern auf (V. 786).

Enthllen und Verhllen

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mçglich und damit ›scheitert‹ die vom Mre suggerierte Unterscheidung zwischen ›reinen‹ und ›unreinen‹ Figuren oder Geldgeschften. Der Versuch, Geldkritik und traditionelle Schwankmotive wie List und Tuschung miteinander zu verbinden, gelingt – misst man ihn am didaktisch-exemplarischen Erzhlen – nicht. Zugleich zeichnet sich aber im Mre eine andere, nicht an transzendenten Werten orientierte Form der Geldkritik ab, die die das Medium Geld konstituierende Unterscheidung von Gewinn und Verlust in Frage stellt: Es wird vorgefhrt, wie das, was als monetrer Gewinn erstrebt wird, sich in einen monetren Verlust verkehrt. Dadurch werden zentrale Evidenzen des Geldmediums unterminiert: Es erscheint als Medium, das zwar einerseits Reichtum in seiner Potentialitt verkçrpert, andererseits aber auch nur ›Mittel‹ ist und als Mittel von externen Rahmenbedingungen abhngig ist. Das Geld bleibt an eine sozial-kontextuelle Wertstiftung gebunden, die sich stndig verndert. Auf der formalen Ebene der Erzhlung konnten zudem zwei poetologische Verfahren herausgearbeitet werden, die das Mrenerzhlen – wie noch zu zeigen sein wird – in einem grçßeren Ausmaß prgen. Zum einen werden anhand der Wette verschiedene Bereiche der Handlungswelt voneinander abhngig gemacht. Diese erhçhte Interdependenz generiert nicht nur Erzhlhandlung – da jeder Handlungsschritt sich auf verschiedene Bereiche auswirkt –, sondern verdichtet auch das relativ einfache Handlungsgerst, weil die verschiedenen Themen in Abhngigkeit voneinander verhandelt werden. Zum anderen wird der Wechsel zwischen den verschiedenen Erzhlund Rezeptionsebenen genutzt, um inhaltliche und formale Verschiebungen herbeizufhren, die ihrerseits wiederum weitere Ereignisse auf der Handlungs- und Potenzierungseffekte auf der Erzhlebene erzeugen.

III. Lektren zum Tauschen in Dreieckskonstellationen 6. Tausch und Tuschung1 im Bildschnitzer von Wrzburg Solange ein Tauschgeschft als reziproker Tausch verstanden wird, wird es, auch wenn sich mehr als zwei Personen am Geschft beteiligen, auf eine duale Grundkonstellation zurckgefhrt.2 Die kooperative bzw. gemeinschaftsstiftende Dimension des Tauschens grndet nicht zuletzt darauf, dass von dieser dualen Konstellation Dritte ausgeschlossen sind.3 In den Zwei Kaufleuten sichern beispielsweise die beiden Vter ihre Kooperation dadurch, dass sie sich durch den Tausch von Gtern und Kindern vom Adel, der bei diesen Tauschgeschften nicht mit von Partie ist, abgrenzen. Solche ›Dritten‹ kçnnen jedoch ihrerseits duale Tauschkonstellationen stçren. Insbesondere in den Ehebruchsmren, wo die duale Ehegemeinschaft der dualen Tauschgemeinschaft (meist Freier und Ehefrau) gegenbersteht, gefhrden sich Ehe- und Tauschgemeinschaft gegenseitig. Der Freier kann mit seinen Tauschangeboten die Ehe stçren, aber die beiden Ehepartner kçnnen auch gemeinsam den Freier betrgen. Deshalb werden die Tauschgeschfte nicht primr auf duale Konstellationen zurckgefhrt, sondern die Texte beobachten den Prozess des Ein- und Ausschlusses Dritter in bzw. aus dualen Kooperationen. Die Mren, die bereits analysiert wurden oder noch werden, Von den zwei Kaufleuten, Der Bildschnitzer, Der zurckgegebene Minnelohn sowie Brgermeister und Kçnigssohn, kçnnen alle als unterschiedliche Varianten dieser Erzhlkonstellation verstanden werden.4 In diesen Erzhlungen kommt es 1 Sprachgeschichtlich ist das junge »Verb tauschen eine Nebenform zu sptmhd. tuschen ›unwahrhaftig reden‹, das ursprnglich aus dem Mitteldeutschen kommt und niemals Eingang in die oberdeutschen Dialekte gefunden hat«; Olberg (1986), S. 636. Olberg betont jedoch, dass von dieser Wortentwicklung aus nicht auf eine negative Bewertung von Handel und Tausch geschlossen werden kçnne. Das Wort tsch, das primr Spaß, Tuschung oder Betrug bedeutet (Lexer Bd. II, Sp. 1589; BMZ Bd. 4, Sp. 156 – 158; Grimm Bd. 21, Sp. 208 – 223) findet sich in der Bedeutung von ›Tausch‹ meines Wissens in den Mren nur in der Form des rostschære in Strickers Edelmann und Pferdehndler (V. 47); vgl. zum Wort rostschære auch Olberg (1986), S. 636. 2 Vgl. dazu Kap. 2.4 des vorliegenden Bandes und insbesondere die Unterscheidung von Sahlins (1974), S. 186 – 196, zwischen Reziprozitt, die auf Gegenseitigkeit beruht, und Verteilung. 3 Vgl. Luhmann (1988), S. 254 f. Vgl. dazu Kap. 2.9. des vorliegenden Buches. 4 Damit soll nicht behauptet werden, dass die Dreieckskonstellation die einzig mçgliche strukturelle Matrix der Texte darstellt. Vielmehr dient sie als heuristischer Ausgangspunkt, der sich in der Interpretation zu bewhren hat. Dieser Ausgangspunkt lsst sich jedoch ansatzweise auch mittels der berlieferung sttzen. Denn der Bildschnitzer ist zweimal hinter Rosenplts Der

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6. Tausch und Tuschung im Bildschnitzer von Wrzburg

jeweils zu einer Tauschkooperation zwischen einem Ehepartner und einem Dritten (Freier). Die daraus entstehenden Konflikte werden nicht durch kçrperliche Gewalt, sondern durch eine zweite, vernderte Tauschkooperation gelçst. In diesem Kapitel wird das Mre Der Bildschnitzer von Wrzburg5 aus dem Umfeld der Rosenplt-Mren analysiert.6 An diesem Text werden die Strukturen und Kombinationsmçglichkeiten des erotischen Dreiecks besonders gut sichtbar, weil der Text auf die narrativen Grundzge reduziert ist: Es wird knapp und handlungsorientiert erzhlt; das Personal besteht ausschließlich aus dem Ehepaar und dem Freier ; descriptiones oder Erzhlerbemerkungen fehlen fast vollstndig.7 Die wenigen aufflligen Detailschilderungen rufen weitere Erzhlvarianten auf, die vom Text im Sinne einer ›abgewiesenen Alternative‹ berboten werden.8

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Knecht im Garten und je einmal vor und nach Rosenplts Der fahrende Schler berliefert; vgl. Mihm (1967), S. 32. Er wird somit in den Handschriften auf andere Ehebruchsmren bezogen, in denen Substitutionen innerhalb des erotischen Dreiecks ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Ich zitiere nach Grubmller, Novellistik, S. 928 – 934, der der Fassung II von Fischer, Mrendichtung, S. 134 – 143, folgt. Die bersetzung wird von Grubmller, Novellistik, S. 929 – 935, bernommen. Leithandschrift von Fassung II ist die Dresdner Handschrift (Schsische Landesbibliothek, Ms. M 50, Bl. 119r-121v) von 1460 – 62. Daneben gehçren zur Fassung II auch die Handschriften, Mnchen, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 713, Bl. 124r-127r und Leipzig, Universittsbibliothek, Ms. 1590, Bl. 40r-43r. Ich ziehe Fassung I von Fischer, Mrendichtung, S. 134 – 143, punktuell hinzu. Sie folgt der Leithandschrift Giessen, Universittsbibliothek, Cod. 1264, Bl. 21v-23v ; zur Fassung I gehçren zudem die beiden Nrnberger Handschriften (Germanisches Nationalmuseum, Hs. 5339a, Bl. 28r-31v und Germanisches Nationalmuseum, Hs. Merkel 28 966, Bl. 105r-105v). Die beiden Fassungen unterscheiden sich insbesondere durch verschiedene Epimythien. Fnf der sechs Handschriften (außer Nrnberg, Hs. Merkel 28 966) werden zwischen 1460 – 1480 datiert. Alle fnf enthalten Rosenplt-Sammlungen und zeichnen sich durch die fr die Rosenplt-Handschriften charakteristische Mischung aus Reimpaardichtungen, Spielen und Priameln aus; vgl. Westphal (1993), S. 98 f. Das Mre wird aber nirgendwo Rosenplt zugeschrieben, weshalb er auch nicht wie in der frheren Forschung als Autor anzusehen ist; vgl. dazu Mihm (1967), S. 32 – 35; Grubmller (1996c), S. 1320 f. Man kann den Bildschnitzer jedoch dem Rosenplt-Kontext zuordnen, weil die fr Rosenplt bezeichnende »method[] of text retrieval and reworking« erkennbar ist; so Westphal (1993), S. 95. Sie bezieht sich hier v. a. auf das Verhltnis des Bildschnitzers zu dem nur fragmentarisch berlieferten Herrgottschnitzer, der einen beliebten Fabliaux-Stoff wiedererzhlt und den Grubmller (2006), S. 150 f., ins 13. Jahrhundert datiert. Vgl. zur Stoffgeschichte Bartsch/ Kçhler (1873), S. 44 f.; Frosch-Freiburg (1971), S. 105 – 118. Vgl. zum Bildschnitzer Blamires (1976), S. 104 – 105; Jonas (1987), S. 54 – 81; Langensiepen (1980), S. 171, 174, 182; Grubmller (2006), S. 219 f. Der Bildschnitzer steht nicht nur aufgrund der berlieferung, sondern auch aus formalen Grnden fr eine ›spte‹ Phase des Mrenerzhlens. Die Anspielungen an hçfische Erzhlmuster fehlen fast ganz und die didaktische Dimension wird nur noch als Zitat eingespielt (V. 130). Die Verknappung sowie die derben Passagen weisen auf den Erzhlstil von Hans Folz und die Schwanksammlungen des 16. Jahrhunderts voraus. Vgl. zur ›Poetik der abgewiesenen Alternative‹ Strohschneider (1997), S. 49 f.; Mller (1998), S. 140 – 144; Schulz (2002), S. 391 f.

Transformationen

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Doch zunchst eine kurze Paraphrase: Ein Dompropst stellt der Ehefrau eines maler[s] (V. 74) nach. Er bietet ihr sechzig schock,9 Mantel und Kleider, falls sie ihm zu Diensten sein wolle. Die Ehefrau handelt sich einen Tag Bedenkfrist aus und schlgt in dieser Zeit ihrem Mann vor, den Propst zu betrgen. Ihr Mann verlsst das Haus und der Propst wird zum (bezahlten) Stelldichein ins Haus des Bildschnitzers bestellt. Noch whrend des vermeintlichen Vorspiels – die beiden sind noch am Essen –, klopft der Ehemann an die Tr. Der Freier erschrickt, doch die Frau weiß sogleich ein angeblich sicheres Versteck: Der Propst muss sich ausziehen, sie malt ihn an und er versteckt sich in der Werkstatt des Ehemannes zwischen den Statuen (gçtzen, V. 70).10 Der Ehemann tritt ein und gibt vor, eine Statue fr einen Kufer zu suchen. Vor dem Propst bleibt er stehen, lobt dessen Machart, stçrt sich aber an den Geschlechtsteilen, die ein allzu unschçner Anblick fr eine Frau seien. Er will die Geschlechtsteile sogleich abhacken. Von dieser Drohung erschreckt, flieht der Propst zu sich nach Hause. Der Ehemann verfolgt ihn. Beim Haus des Propstes angekommen, bittet er um Einlass, damit er seine Skulptur, die er fr hundert Pfund zu verkaufen beabsichtige, einfangen kçnne. Notgedrungen bezahlt ihm der Propst die hundert Pfund. Das Mre erzhlt von einem Tauschgeschft zwischen Freier und Ehefrau, bei dem der Freier getuscht wird. Der Kleriker wird beim ersten misslingenden Tausch in eine Statue verwandelt, im zweiten gelingenden Tauschgeschft erobert er sich die Position des Handelspartners zurck. Dabei ›entsteht‹ die Statue als ein vom Propst unabhngiges Objekt. In der folgenden Lektre soll analysiert werden, wie sich Tausch-, Herstellungs- und Abstraktionsprozesse zueinander verhalten und welche performative Rolle dabei die Bezahlung und die verschiedenen Sprechakte spielen. Im ersten Teil werden die beiden Tauschgeschfte und die damit einhergehende Transformation des Propstes, im zweiten die friedliche Einigung von Ehemann und Freier untersucht. Abschließend wird die Tuschung mit anderen intra- und extradiegetischen Formen des Fingierens verglichen.

6.1 Transformationen Die Erzhlung beginnt mit einer Vorstellung des Ehepaars. Zuerst wird die handwerkliche Kunstfertigkeit des Bildschnitzers, anschließend die Schçnheit seiner Frau geschildert. Dabei werden die Protagonisten aber nicht, wie in anderen Mren blich, ausfhrlich beschrieben,11 sondern es wird nur mit 9 Vgl. Grubmller (1996c), S. 1324, der schock (V. 31) als Stck der jeweils aktuellen Mnzeinheit deutet. 10 Die Statue wird sowohl als pild (V. 83) als auch als gçtze (V. 70) bezeichnet. pild ist weiter als das nhd. ›Bild‹ zu fassen, es bezeichnet neben Vorbild, Beispiel auch »Werke der bildenden Kunst« (BMZ Bd. 1, S. 120 – 124). Zu gçtze vgl. Anm. 21. 11 Vgl. z. B. Der Borte, V. 11 – 93; Der Sperber, V. 18 – 26, 50 – 75.

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6. Tausch und Tuschung im Bildschnitzer von Wrzburg

einigen Anspielungen die Erzhltradition der descriptio aufgerufen.12 Der Handlungskern wird in dieser kurzen Prsentation der Figuren bereits freigelegt, indem die Ehefrau dadurch genauer charakterisiert wird, dass der Propst um sie freit (V. 13). Mit dem Beginn der Erzhlhandlung wechselt jedoch auch das Erzhltempo und das Handelsangebot des Freiers an die Frau wird ausfhrlich wiedergegeben: frau, ich wolt euch machen reich, das ich ein nacht solt bei euch ligen, und west ich neur, das es blieb verswigen, ich wolt euch geben sechzig schock und darzu kaufen mantel und rock. (V. 18 – 22) Verehrte, ich wrde euch reich machen, wenn ich eine Nacht bei euch liegen drfte; und wenn ich wsste, dass es verborgen bliebe, dann gbe ich euch sechzig Schock Silber und kaufte euch dazu noch Rock und Mantel.

Das Handelsangebot des Klerikers legt die Bedingungen des Tausches offen: Fr den Beischlaf erhlt die Frau Geld und Kleider. Die Ehefrau gibt keine eindeutige Antwort, sondern vertrçstet den Kleriker auf spter. Das ausfhrliche Handelsangebot und der Aufschub wirken als retardierende Momente, in denen die Spannung darauf gerichtet wird, welche der sich aus der Konstellation ergebenden Erzhlmçglichkeiten aktualisiert werden: Entweder der Freier und die Ehefrau verbnden sich und mssen den Ehebruch vor dem Ehemann verheimlichen oder das Ehepaar versucht den Freier zu betrgen.13 Zudem gibt es auch die Mçglichkeit, dass die beiden Mnner kooperieren und die Frau hinters Licht fhren.14 Im weiteren Verlauf erfahren die Lesenden zwar vom geplanten Betrug des Ehepaares (V. 34), doch wird die Mçglichkeit des Ehebruchs weiterhin prsent gehalten. Besonders deutlich geschieht dies bei der Geldbergabe: do er [Propst] das gelt von im geließ, do stieß sie ein hnlein an ein spieß (V. 55 f.) 12 Vgl. etwa die Formulierung: er [Ehemann] hette das allerschçnste weib, / so es ein man neur sehen solt (V. 10 f.). Der Zusatz (V. 11) kann als Bruch mit der Fiktion verstanden werden, der die Beschreibung mittels Superlativen ironisiert. 13 Die erste Mçglichkeit findet sich u. a. im stoffverwandten Fabliaux Le prestre crucefi (ohne Geldangebot) oder in Claus Spauns Fnfzig Gulden Minnelohn. Die zweite Mçglichkeit realisieren das ebenfalls stoffverwandte Fabliau Le prestre teint und das Mre Der Herrgottschnitzer sowie u. a. Die drei Mçnche zu Kolmar (von Niemand). 14 Vgl. z. B. Die bestrafte Kaufmannsfrau. Die Kleider kçnnten – insbesondere weil sie spter nicht mehr vorkommen – auf dieses Handlungsmuster verweisen, weil sie auf die ›Putzsucht‹ der Frau anspielen und damit Erzhlungen aufrufen, in denen die Frau von zwei Mnnern erzogen wird.

Transformationen

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Als er das Geld aus der Hand gegeben hatte, steckte sie ein Hhnchen auf einen Spieß.

Aufgrund der parallelen Schilderung der beiden Geschehnisse (do […] do) entsteht der Eindruck, das Geld werde fr das Huhn am Spieß ausgegeben. Damit wird der Ehebruch gleich doppelt aufgerufen: Das Essen ist traditionelles ›Vorspiel‹ eines Ehebruchs,15 der Spieß wiederum, der das Huhn durchsticht, symbolisiert als bekanntes Genitalsymbol den Ehebruch.16 Diese Ehebruchssymbolik, die den angekndigten Betrug in Zweifel zieht, erzeugt Spannung: Wann und auf welche Weise kommt es zum Betrug?17 Wie bereits in den Zwei Kaufleuten deutlich wurde, geschieht der Betrug in vielen Ehebruchsmren durch eine Substitution: Soll beispielsweise der Freier getuscht werden, so liegt an Stelle der Frau meist eine Magd oder gar der Ehemann selbst im Bett.18 Wenn hingegen ein Ehemann unerwartet zurckkehrt und die beiden Ehebrecher berrascht, kann er dadurch berlistet werden, dass ein Tier oder eine andere Person den Platz des flchtenden Liebhabers einnimmt.19 Im Bildschnitzer kommt es jedoch nicht nur zu einer Substitution, sondern zu einer Transformation. Als der Ehemann – fr den Propst unerwartet – zurckkehrt, rt die Frau dem Freier, sich als Statue unter den Statuen ihres Mannes zu verstecken. Sie macht ihn also glauben, der geplante Ehebruch kçnne mit Hilfe eines rettenden Platzwechsels verheimlicht werden.20 Doch mit dem Platzwechsel geht eine Transformation des Freiers einher. Bereits der Ratschlag der Frau macht das deutlich: ein gut rat wil ich euch geben. nu zicht ab palde alle euer wot, so wil ich euch verben gel und rot 15 Vgl. Hoven (1978), S. 324; Beine (1999), S. 127. Zentral ist das Motiv etwa in Strickers Der kluge Knecht (V. 84 – 99) oder bei Jacob Appet Der Ritter unter dem Zuber (V. 128 – 132). Im Fabliau Le prestre teint verspeist der Ehemann die Gans, whrend der Kleriker als Kruzifix am Feuer steht. Hier verdeutlicht der Ehemann durch das Essen der Gans seine berlegenheit. 16 Vgl. Hoven (1978), S. 334. 17 Lugowski (1994), S. 40 – 44 unterscheidet zwischen einer »ob-berhaupt-Spannung«, die auf das Ergebnis ausgerichtet ist, und einer »wie-Spannung«, bei der die Rezipienten das Ergebnis bereits kennen und sich fragen, auf welche Weise es erreicht wird. Hier wissen die Lesenden vordergrndig bereits um den Betrug und dennoch wird durch die kontrre Symbolik nochmals eine ›ob-berhaupt-Spannung‹ erzeugt. 18 Vgl. dazu Kap. 5 des vorliegenden Buches, Anm. 22 – 24. Vgl. auch die Mren, wo die Ehefrau getuscht wird, indem sich der Freier statt des Ehemannes zur Ehefrau legt: Kaufringer Die unschuldige Mçrderin; Das Studentenabenteuer; Der vertauschte Mller. 19 Z. B. in den Mren Ritter Alexander; Der Pfaffe mit der Schnur ; Der betrogene Gatte (von Herrand von Wildonie); Das untergeschobene Kalb (von Jçrg Zobel). Vgl. insbesondere die komplexe doppelte Substitution in Hans Rosenplts Mre Der Knecht im Garten, wo der Ehemann getuscht wird. 20 Dies wird etwa in Le prestre crucefi versucht, in dem die Ehefrau ihren Gatten tatschlich zu betrgen versucht und bei der unerwarteten Rckkehr des Ehemannes den Freier aus Not, aber vergeblich, zwischen den Statuen versteckt.

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6. Tausch und Tuschung im Bildschnitzer von Wrzburg und wil euch malen weiß und pla. so stet ir zu den gçtzen da und mischt euch under sie an die want, so seit ir meinem man unbekant. (V. 66 – 72) Ich gebe euch einen guten Rat. Zieht auf der Stelle alle eure Kleider aus, dann will ich euch gelb und rot einfrben und weiß und blau anmalen. Stellt euch so zu den Figuren dort und mischt euch an der Wand unter sie, dann erkennt euch mein Mann nicht.

Der Ratschlag der Frau ist bereits Teil der Verwandlung. Es ist kein Vorschlag, sondern eine Vorwegnahme des Geschehens (so wil ich […]), von dem anschließend nur noch kurz und mit hnlichen Worten berichtet wird (V. 73 – 77). Whrend jedoch in der Rede der Frau der Propst noch als Subjekt fungiert (so stet ir zu den gçtzen da, V. 70), erscheint er in derjenigen des Erzhlers bereits als Objekt: sie […] / stelt in an der gçtzen zeilen (V. 76 f.). Als der Ehemann hereingelassen wird, stellt er sich vor ihn hin und lobt den Knecht, der diese Statue geschnitzt haben soll (V. 89). Der Propst ist damit ein gçtze bzw. pild geworden, d. h. eine sprachlose, unbewegliche Skulptur, wohl geistlichen Typs,21 die mit weiteren hnlichen Figuren in einer Reihe steht. Der Tausch ›Sex gegen Geld‹ ist damit mehrfach misslungen: Statt dass der Kleriker dank der Bezahlung ›Herr‹ ber die Frau wird, verfgt sie ber ihn. Er verliert nicht nur sein Geld, sondern auch seine Standesmerkmale (Kleider) und seine Sprach- und Handlungsfhigkeit. In der Folge droht der Ehemann, ihn auch noch zu kastrieren: do sach er unten hinab baß. […] do sach er dem probst an sein geschir : ›hausfrau, wie hangt es da so jagirr? lang her ein beihel und laß es abhauen […]. (V. 93 – 97) Dann schaute er genauer nach unten. Er schaute auf das Gemcht des Propstes: Frau, warum hngt das da so aufgescheucht herum? Gib ein Beil her und lass es uns abhauen!

Der Kleriker, der sich gemß seinem Stand durch geschlechtliche Indifferenz auszeichnen sollte, wird damit auf seine Geschlechtlichkeit reduziert. Der 21 »Die Bedeutung ›falscher Gott, Abgott‹ scheint das Wort [i. e. gçtze] erst bei und durch Luther zu erhalten. Vorher gibt es neben dem Vorkommen in unserem Text nur einige wenige Belege, die insgesamt eine frhe Bedeutung ›Bildwerk, plastische Figur, Heiligenfigur‹ wahrscheinlich machen«, so Grubmller (1996c), S. 1325; vgl. auch Grimm Bd. 8, Sp. 1430. Grubmller (1996c), S. 1323, hebt zudem hervor, dass das neutralere Wort gçtze (Figur, Heiligenfigur) einerseits gegenber den anderen Versionen, in denen von Kruzifixen die Rede ist, eine »Verminderung des blasphemischen Elementes« darstellt. Andererseits bleibt es als Diminutiv von Gott auf die Rolle des Dompropstes bezogen.

Transformationen

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Propst besttigt diese Reduktion implizit, indem er genau dann, als seine Geschlechtsteile bedroht sind, flieht. Er wird dadurch zur Karikatur seiner beruflichen Rolle: Anstatt vergeistigte Geschlechtslosigkeit stellt er vergegenstndlichtes Begehren dar. Diese parodistische Verkehrung entspricht den intertextuell vorgegebenen Rollenmustern: In den Mren sind fast alle Kleriker lstern und ehebrecherisch.22 In intertextueller Hinsicht ist die Statue deshalb weniger eine Verkehrung der Rolle als vielmehr deren Vergegenstndlichung: Sie verkçrpert das Rollenmuster des ›typischen‹ Klerikers. Es erscheint deshalb fast schon als folgerichtig, dass sich im zweiten Teil die Statue von der Figur des Propstes lçst. Whrend die Ehefrau den Propst zum Objekt macht, indem sie ihn als Objekt behandelt, ›erschafft‹ der Ehemann die Statue erzhlend: Als er in der Werkstatt vor dem Propst steht, berichtet er von einem Kufer, fr den er eine Statue braucht. Nachdem er auf diese Weise die Zukunft entworfen hat, spricht er von der Herstellung der Statue und gibt ihr so auch eine Vergangenheit (V. 88 – 92). Nach der Flucht des Propstes, als die beiden Mnner miteinander verhandeln, hebt der Ehemann vor allem die Eigentumsdimension hervor. Er klagt ber den Besitzverlust und den entgangenen Kaufgewinn: herr, vernempt die mer. ich bin ein armer maler. mir ist ein pild da herein gelaufen. das meint ich morgen zu verkaufen. es hette mir leicht gegolten hundert pfunt. (V. 117 – 121) Herr, hçrt diese Geschichte! Ich bin ein armer Maler. Mir ist eine Statue hier hereingerannt. Die wollte ich morgen verkaufen. Sie htte mir leicht hundert Pfund eingebracht.

In den Reden des Ehemannes bleibt das Signifikat der Rede (die Statue) sich gleich und verndert sich doch. Denn vor der Flucht des Propstes wird ber diesen als Statue gesprochen, nach dessen Flucht verhandelt der Ehemann mit dem Propst ber die Statue. Die Statue ist nun ein vom Propst unabhngiges Gut, ber das die beiden Mnner çffentlich verhandeln. Sie wird dadurch fr den Propst zu einer ›handhabbaren‹ Bedrohung. Er bezahlt hundert Pfund, um ihr Eigentmer zu werden. Durch diesen Besitzerwechsel wird die Statue zugleich materiell bezeugt und vernichtet. Denn einerseits beglaubigt die Bezahlung die Existenz der Statue, andererseits bezahlt der Propst fr die Diskurshoheit ber sie und damit fr ihr knftiges Verschwiegen-Werden.23 22 Beine (1999), S. 123 – 152. 23 Die Aussage des Propstes ist vieldeutig: hab zu deinen munt / und see dirs auch und trags von hinnen, / das sein neur nimands von uns werd innen (V. 122 – 124). Das, was der Ehemann wegtragen soll, kann sowohl das Geld als auch das pild sein. Fassung I ist diesbezglich deutlicher. Hier soll der Ehemann das gelt wegtragen (V. 122 – 124). In beiden Fassungen will der

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6. Tausch und Tuschung im Bildschnitzer von Wrzburg

Geld und Statue werden durch diesen Tausch quivalent gesetzt und aufeinander bezogen. Die Statue entsteht durch die Tauschgeschfte, wird aber am Ende im Austausch gegen Geld eliminiert. Sie zeichnet sich durch mehrere sich berlagernde Bedeutungsschichten aus: Zum Ersten ist sie den tuschenden Reden des Ehepaares zufolge Produkt eines Handwerksprozesses, das sich verkaufen lsst. Eigentmer ist der Ehemann. Zum Zweiten ist sie Ergebnis eines Betrugs: Das entlaufene pild steht fr die sechzig Pfund, um die das Ehepaar den Propst bereits betrogen hat, und ist Druckmittel, um vom Propst weitere hundert Pfund zu erhalten.24 Zum Dritten erscheint sie als der sich verselbstndigende ›berschuss‹ aus dem misslungenen Tausch ›Sex gegen Geld‹. Diesen verschiedenen Bedeutungsschichten der Statue steht das Geld gegenber, das zum Betrug anstiftet, die verschiedenen Tauschgeschfte bersteht und am Ende der Frau in den Schoß geworfen wird (V. 129). Es hat im Vergleich mit der Statue nicht nur einen eindeutigen Wert, sondern verkçrpert auch Potentialitt: Es kann fr ›alles Mçgliche‹ ausgegeben werden. Es ist deshalb sowohl der Ermçglichungsgrund der sich immer wieder verndernden Statue als auch ihr materieller Zeuge, der auch nach ihrer Aufhebung weiterhin auf sie verweist.

6.2 Ausgesparte Gewalt Geld ist der Triumph der Knappheit ber die Gewalt.25

Luhmann vertritt die These, dass die Medien ›Geld‹ und ›Eigentum‹ unter anderem die Funktion haben, Gewalt zu verhindern. Mittels Geld kçnnen, so Luhmann, Konkurrenzsituationen – also wenn z. B. mehrere Personen dasselbe Objekt besitzen wollen – friedlich gelçst werden: Der Konkurrent bezahle genau so viel, dass der Eigentmer bereit ist, auf seinen Besitz zu verzichten und dem Kufer das Objekt gewaltfrei zu berlassen. Auch im Bildschnitzer wird anstelle von Gewalt Geld ausgetauscht. Die Kastration wird bloß angedroht, der Konflikt am Ende monetr gelçst. In anderen stoffverwandten Erzhlungen spielt die Gewalt hingegen eine zentrale Rolle. In der franzçsischen Erzhlung Le prestre crucefi, in der die Ehefrau ihren Gatten tatschlich tuschen will und den Liebhaber ebenfalls zwischen den Statuen versteckt, wird dieser zuerst kastriert, anschließend geschlagen und muss am Ende auch Propst vor allem das Verschweigen der Statue kaufen. Dies verweist auf das Handelsangebot, das der Propst am Beginn der Ehefrau gemacht hat und in dem er bereits Verschwiegenheit gefordert hatte: und west ich neur, das es blieb verswigen, / ich wolt euch geben sechzig schock (V. 20 f.). 24 Vgl. die Beschreibung von Grubmller (1996c), S. 1323, der von einer »lcherliche[n] Erpressung des Domherrn und dessen klgliche[r] Kapitulation« spricht. Eine andere Interpretation schlgt Blamires (1976), S. 105, vor : Das Mre entspringe dem Hass auf den Klerus und der Angst vor der Kastration, die sich im gemeinsamen Lachen aufhebe. 25 Luhmann (1988), S. 253.

Ausgesparte Gewalt

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noch 15 Pfund bezahlen. Die Gewalt entbindet hier nicht einmal von der Bezahlung. Im Mre Der blinde Hausfreund verbndet sich das Ehepaar wie im Bildschnitzer gegen einen blinden Freier : Er wird mit Wasser bergossen, zweimal verprgelt und am Ende werden ihm alle Haare ausgerissen, so dass er ein Leben lang kahl bleibt. Obwohl der Freier kçrperlich und materiell unterlegen ist und die Frau nicht anrhrt, ist die Rache des Ehemannes zugleich entehrend und gewaltsam. Sie kommt, da die Haare sexuelle Potenz konnotieren, einer symbolischen Kastration gleich. In Anbetracht dieser Erzhlalternativen stellt sich die Frage, inwiefern Geld im Bildschnitzer Gewalt verhindert. Die Erzhlung beginnt ganz im Sinne Luhmanns damit, dass die Frau die Kosten fr den Verzicht des Ehemannes auf seine Gattin benennt. Sie antwortet dem Priester auf dessen Angebot: so kumpt dann wider da herzu, so wil ich euch es wißen lan, ob ichs verdienen mge vor meinem man. (V. 24 – 26; Herv. S. R.) Kommt dann wieder hierher, dann will ich euch wissen lassen, ob ich diesen Verdienst meinem Mann zumuten will.26

In Fassung I heißt es an der betreffenden Stelle stattdessen: […] ob ichs mg tun vor meinem man (V. 26). Whrend Fassung I den Ehemann als bloßes Hindernis beschreibt, wird in Fassung II suggeriert, der Verzicht des Ehemannes kçnne vielleicht auch monetr erkauft werden. Der Text weist damit bereits am Beginn auf eine mçgliche monetre Konfliktlçsung hin. Diese Erzhlalternative wird jedoch nicht realisiert, sondern der Freier wird betrogen und seine Kastration angedroht. Die Kastration wird, weil der Propst fliehen kann, verhindert, doch bezahlt er auch dann noch, als er lngst nicht mehr kçrperlich bedroht wird. Um diese monetre Konfliktlçsung genauer zu untersuchen, gilt es, die verschiedenen Tuschungssituationen in die Analyse einzubeziehen. Die Ehefrau gibt – als der Ehemann nach Hause kommt – vor, den Kleriker mit einer List zu retten, und macht ihn dadurch glauben, er kçnne ihren Ehemann tuschen. Die Lesenden kommen so in den Genuss einer doppelten Tuschung: Der Freier glaubt zu betrgen, wird aber selbst betrogen. Im Unterschied zum gelingenden Tausch, wo aus einer symmetrischen Unwissenheit eine agonale Kooperation entsteht, geschieht hier ein Betrug, der eine einseitige Unwissenheit und eine nur vorgetuschten Kooperation zur Folge hat. 26 verdienen hat im Mittelhochdeutschen nicht nur die Bedeutung von »etwas durch einen Dienst erwerben«, sondern auch etwas »mittels eines Dienstes erwidern« (BMZ Bd. I, Sp. 370). In letzterem Sinne lsst sich die betreffende Zeile bersetzen mit ›wenn ich es meinem Mann vergelten kann‹.

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6. Tausch und Tuschung im Bildschnitzer von Wrzburg

Als der Kleriker aufgrund der drohenden Gewalt flieht, durchbricht er seine durchsichtig gewordene Verstellung. Das Sprechen von der fingierten Statue ist aber damit nicht zu Ende.27 Vielmehr folgt der Ehemann dem Propst und klagt ihm, dass er die Statue verloren habe. Die Tuschungssituation wird so von einer asymmetrischen in eine kooperativ-symmetrische verschoben: Die beiden Mnner verhandeln ber eine Skulptur, von der beide wissen, dass sie fingiert ist. Dabei ›entsteht‹ die Statue als Vergegenstndlichung des Konfliktes. Sie ist ›Produkt‹ eines ungerechtfertigten Anspruches von Seiten des Propstes und steht – da sie im Besitz des Ehemannes ist – fr die Macht, die dieser ber den Kleriker hat. Sie ist somit eine Abstraktion ihrer Beziehungen, die sprachlich vergegenstndlicht worden sind.28 Die Fingiermacht der Sprache erreicht somit genau das, was die Gewalt nicht kann: Sie abstrahiert vom Kçrperlichen und verschafft dem Ehepaar Macht ber den Freier. Nachdem aus der Verschrnkung von Agonalitt und Kooperation im Tausch durch den Betrug eine (ausschließlich) agonale Situation wurde, erzeugt das gemeinsame Fingieren wieder eine kooperative Situation. Dies hat jedoch zur Folge, dass der Ehemann vom Propst erneut Geld erhlt. Das Geld regelt somit keine Knappheit an der Frau. Vielmehr ist die symmetrische Tuschung die Bedingung fr eine asymmetrisch monetre Lçsung. Es ist somit die Sprache, die die Verschiebung von der kçrperlichen zur monetren Machtausbung ermçglicht. Auf der Erzhlebene besteht der ›Gewinn‹ der ausgesparten Gewalt in der Verdoppelung des Tauschaktes. Dadurch dass es zu einem zweiten Tauschakt kommt, kann das Geschehen – im Vergleich mit Erzhlungen, die mit einem Gewaltakt enden29 – paradigmatisch und syntagmatisch verdichtet werden. Paradigmatisch hat die Wiederholung des Tauschaktes vor allem gendertheoretische Implikationen: Die Tuschung durch die Ehefrau wird durch die Tuschung des Ehemannes berboten. Whrend die Ehefrau sechzig Pfund erbeutet, verdient der Ehemann hundert Pfund. Dabei werfen beide Mnner der Frau das Geld in den Schoß (gern, V. 53; 129). Die Ehefrau erscheint so als ›Ursprung‹ und Ziel des monetren Begehrens, das auf das sexuelle bezogen wird. Doch deutet die Tauschkooperation der beiden Mnner am Ende auch

27 In anderen stoffverwandten Mren (Der blinde Hausfreund und Le prestre crucefi) hebt die Gewalt am Freier die gegenseitige Tuschung vollstndig auf. 28 Simmel hat beobachtet, dass beim Tauschen ein Abstraktionsprozess geschieht, aus dem ein Tauschwert hervorgeht, der zugleich durch den Vollzug des Tausches objektiviert wird. Diese Objektivation des Werts wirke aber wiederum auf das Getauschte zurck (Kap. 2.7 – 2.8). Dieser Beobachtung entsprechend kann auch die Statue als ein sich verselbstndigender Tauschwert des scheiternden Tausches ›minne gegen Geld‹ gelesen werden. 29 Der Bildschnitzer ist der einzige der von mir untersuchten stoffverwandten Texte (Der Herrgottschnitzer ; Le prestre crucefi; Le prestre teint), in dem es zu einem zweiten Handel kommt, und es ist zugleich der einzige Text, in dem der Freier am Ende die Stadt nicht verlassen muss. Eine weitere Alternative zu einem gewaltvollen Ende, die sich in den Mren beobachten lsst, ist das kollektive Gelchter ber den Verlierer ; vgl. dazu Coxon (2006).

Fingieren und Tuschen

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an, dass der çkonomische Tausch vom sexuellen gelçst werden kann, wenn nur die Frauen davon ausgeschlossen werden. Syntagmatisch hat die Wiederholung des Tauschaktes zur Folge, dass Symbolisches und konomisches aufeinander bezogen werden. Die Statue ist primr Produkt des Symbolischen: Sie wird durch Sprechakte ›erschaffen‹, und zwar so erfolgreich, dass am Ende fr sie bezahlt wird. Der monetren Logik der Reziprozitt, in der jedem ›Haben‹ ein ›Soll‹ entspricht, steht damit die Logik der Performativitt gegenber, wo aus ›Nichts‹ bzw. durch bloßes Reden etwas geschaffen wird. Indem am Ende fr ein solches ›Sprachprodukt‹ bezahlt wird, wird die çkonomische Produktivitt von Sprechen und Erzhlen sichtbar. Zugleich werden diese hundert Pfund aber nur bezahlt, um die Statue wieder zu eliminieren.30 Auf der einen Seite zeigt also der monetre Gewinn die sprachliche Produktivitt an bzw. bezeugt sie. Auf der anderen Seite kann jedoch auch mittels Geld auf diskursive Vorgnge Einfluss genommen und das ›Sprachprodukt‹ zum Verschwinden gebracht werden.

6.3 Fingieren und Tuschen Als der Erzhler am Beginn des Mres den Ehemann vorstellt, charakterisiert er ihn anhand seines Berufstandes: was ie mocht fliegen oder sweimen, das konde er malen oder snitzen. (V. 6 f.) Alles was fliegt und sich bewegt, das verstand er zu malen oder zu schnitzen.

Die Fertigkeit des Ehemannes besteht darin, das Bewegliche festzuhalten.31 Das Eingangslob verweist auf die spteren Gesprche des Ehepaares, in denen sie sich in ironischer Manier ber die Statue und deren handwerkliche Qualitt unterhalten. Der Ehemann vertritt zuerst ein mimetisches Kunstverstndnis: Er hebt am Propst (als Statue) lobend hervor: es ist gestalt, sam es hab leben (V. 91; »Sie [die Statue] sieht aus, als ob sie lebe.«) Bei dieser Bemerkung betrachtet er dessen Kopf und Haar. Als er hingegen bei den Geschlechtsteilen des Propstes anlangt, gibt er das mimetische Kunstverstndnis auf: 30 Dies passt erstaunlich gut zu der etwas allgemeinen Feststellung von Bloch (1986), S. 127, dass man »the humorous tale« als eine »paradoxical dissipation of that which it invents« zu verstehen habe. 31 Plastisches und flchiges Gestalten werden hier zusammen genannt (malen ist ein sehr weiter Begriff, der u. a. auch ›schreiben‹ oder ›geistiges entwerfen‹ bedeuten kann; BMZ Bd. 2, Sp. 24 – 27).

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6. Tausch und Tuschung im Bildschnitzer von Wrzburg hausfrau, wie hangt es da so jagirr? […] es stet gar ungeschaffen vor den frauen. (V. 96 – 98) Frau, warum hngt das da so aufgescheucht herum? Es ist ein allzu hsslicher Anblick fr die Frauen.

Der Ehemann benutzt nun eine rezeptionsorientierte Argumentation: Ziel ist nicht mehr eine wie auch immer definierte Lebendigkeit, sondern das Gefallen der Rezipientinnen. Seine Frau hlt dem den funktionalen Nutzen entgegen, den die Geschlechtsteile der Statue besssen: Frauen kçnnten ihre Kerzen daran befestigen.32 Parodierend werden hier unterschiedliche sthetische Positionen vorgefhrt, die intradiegetisch einem ganz bestimmten Zweck dienen: Dem Propst soll mittels der kunstvollen Zweideutigkeit angezeigt werden, dass nur zum Schein, nur im Modus des ›als-ob‹ gesprochen wird. Das Ehepaar steigert dazu sukzessive sowohl die parodistische Sprechweise ber Kunst als auch die kçrperliche Bedrohung. Am Ende fordert der Mann die Frau auf, ein Messer zu holen, da er die Geschlechtsteile abhauen wolle (V. 97). Der Propst flieht. Die Tuschung des Ehepaares wird also nicht dadurch aufgedeckt, dass eine ›wçrtlichere‹ Form des Sprechens benutzt wrde, sondern indem die Doppeldeutigkeit der Rede gesteigert und zugleich die angedrohte Gewalt konkretisiert wird. Dies zielt zum einen auf eine komische Wirkung: Die Lesenden durchschauen von Beginn an die Tuschung des Ehepaares und kçnnen deren Enthllung sukzessive mitverfolgen. Auch die Diskrepanz zwischen der sthetischen Diskussion des Ehepaars und dem ›niederen‹ Gegenstand (Geschlechtsteile des Propstes) hat einen grotesk-komischen Effekt. Die Komik kippt ins Blasphemische, wenn man bedenkt, dass gçtze bzw. pild fast nur als Heiligenstatuen gedacht werden kçnnen.33 Die Gesprche des Ehepaares haben aber zum anderen auch selbstreferentielle Implikationen, weil ber die Beurteilung von Kunsthandwerk gesprochen wird. Die vom Ehemann und dem Erzhler am Beginn vertretene Norm, dass Kunst Lebendiges imitieren solle, wird in der Erzhlhandlung verkehrt: Es entsteht kein Kunsthandwerk nach dem Vorbild eines Menschen, sondern das ›Lebende‹ (der Propst) wird in ein pild verwandelt. Dass gerade die Ehefrau diese Transformation bewirkt, scheint eine Variation des Motivs darzustellen, dass Ehefrauen mit Hilfe rhetorischer Fhigkeiten ihre Mnner tuschen. Das malen und verben 32 Vgl. Grubmller (1996c), S. 1326, der die Aussage als »Anspielung auf den Brauch, Heiligenbilder und -statuen durch brennende Kerzen zu verehren« liest. 33 Die Blasphemie ist jedoch im Unterschied zum Herrgottschnitzer, wo der Ehebrecher als Heiland an einem Kruzifix hngt, und zu spteren Schwankerzhlungen (vgl. u. a. Waltenberger [2006], S. 277 f.) mit hnlichen Motiven zurckgenommen. Wie mehrfach betont wurde, ist es jedoch signifikant, dass der Herrgottschnitzer im Heidelberger Cpg 341 ausradiert und berschrieben wurde; vgl. dazu Bartsch/Kçhler (1873), S. 41 – 44; Mihm (1967), S.49 f., Grubmller (2006), S. 151.

Fingieren und Tuschen

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(V. 78 f.) wre dementsprechend in Analogie zur ›schmckenden Rede‹ (color dicendi 34) zu lesen, mit denen die Frauen blicherweise ihre Mnner betrgen.35 Im ersten Teil wird die sprachliche Tuschung der Ehefrau als Bemalen des Propstes konkretisiert. Im zweiten Teil lçst sich dann das pild vom Propst. Die fr die Mren typische Sprachbewegung der Konkretisierung von Sprachbildern wird im Bildschnitzer verkehrt bzw. in diejenige der Abstrahierung eines Begriffs von einem Kçrper berfhrt. Im Epimythion von Fassung II findet sich noch ein weiterer Tausch, mit dem eine Tuschung einhergeht. Der Erzhler suggeriert, dass aus der von ihm berichteten Erzhlung ein Gewinn entspringen kçnnte:36 nu hat die abenteuer ein end. wrd mir der wein hie in mein hend, so wolt ich trinken und saufen, das mir die augen msten berlaufen. (V. 133 – 136) Damit ist diese Geschichte zu Ende. Wenn man mir Wein hier in die Hand gbe, dann wrde ich trinken und saufen, und die Augen wrden mir berlaufen.

Der Erzhler benennt das Ende der Erzhlung (V. 133) und markiert durch diesen Metakommentar die Grenze zwischen dem intra- und dem extradiegetischen Erzhlgefge (V. 133).37 Dann fhrt er fort und zwar mit einer weiteren ›Erfindung‹: Im Konjunktiv erwhnt er, dass er vom Publikum mit Wein belohnt werden kçnnte.38 Der Konjunktiv zeigt den fingierten (aber erhofften) Status des Gesagten an. Es handelt sich somit um eine symmetrische Fiktionssituation (Publikum und Erzhler wissen, dass die Aussage fingiert ist), die wie die intradiegetische, symmetrische Tuschung auch einem ganz konkreten Zweck dient: Wie in der erzhlten Welt soll aus dem Fingierten eine ›reale‹ Bezahlung resultieren.

34 Vgl. Knape/Till (2003), Sp. 435, zum mittelalterlichen rhetorischen Begriff des color dicendi, der fr den »Oberflchenschmuck auf Wortebene« steht. 35 Vgl. u. a. die Mren Die drei listigen Frauen; Der begrabene Ehemann vom Stricker; Das Kerbelkraut; Der Ritter mit den Nssen; vgl. dazu auch Mller (1984), S. 298; Mller (2000), S. 471; Schnyder (2000b). 36 Fassung I endet mit dem Erzhlerkommentar, dass die Ehre der Frau erhalten geblieben sei (V. 130). 37 Es ist auffllig, dass moralische Wertungen oder Didaxe im Epimythion, im Unterschied zu den meisten anderen Mren, kein Thema sind. Vgl. z. B. die Schlussbemerkung des Erzhlers die frau peleib pei iren eren (V. 130). Die Frau wird gelobt, weil sie keinen Ehebruch begangen hat; dass sie dabei aber den Freier betrogen hat, wird ironisch ausgespart. 38 Vgl. zu »Lohnforderungen« in den Epimythien von Mren Grubmller (2003), S. 473 f., mit kritischem Bezug auf Mihm (1967), S. 87; vgl. zu poetologischen Reflexionen in Mren generell Coxon (2002).

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6. Tausch und Tuschung im Bildschnitzer von Wrzburg

Aus einer medialen Perspektive wird hier zudem die mndliche Erzhlsituation evoziert, die vom schriftlichen Text nicht eingeholt werden kann. Der Rahmen einer Fiktion (Fiktionssituation) lsst sich somit seinerseits fingieren und an ihn infinit ein weiterer Rahmen anhngen. In dem Mre werden somit unterschiedliche, intra- und extradiegetische Fiktionssituationen geschildert, die jedoch alle immer auch einem bestimmten Zweck dienen. Gerade weil der Text durchaus reflektiert, dass solche Zwecke des Fingierens ihrerseits selbst fingiert sein kçnnen, ist es signifikant, dass auch im extradiegetischen Rahmen das Fingieren mit einem Zweck (Belohnung) verbunden wird. Die Erzhlung experimentiert somit einerseits mit den Steigerungsmçglichkeiten, die sich aus dem Sichtbar-Machen und Einebnen von Ebenendifferenzen ergeben, und stellt anderseits das Fingieren und Erzhlen selbst als Teil eines Tauschgeschftes dar, das die Grenze zwischen der Erzhlung und ihrem pragmatischen Kontext besttigt.39 Im Bildschnitzer von Wrzburg werden die in den Mren sehr hufig vorkommenden Motive des Tauschens und Tuschens miteinander kombiniert. Dies hat zur Folge, dass im Verlauf der Erzhlung das Verhltnis von Agonalitt und Kooperation zwischen den Tauschpartnern sich stndig verndert und deshalb auch neu ausgehandelt werden muss. Auf der Erzhlebene werden dabei ›Verschiebungen‹ von Geld auf ›Verschiebungen‹ von Sinn bezogen, wobei das tertium comparationis die Produktivitt ist. Nicht nur der monetre Gewinn aus der Listhandlung (frumen, V. 45) und die sexuelle Produktivitt (V. 53; 129) sind Thema, sondern diese verweisen auch auf die erzhlerische Produktivitt. Denn im Verlauf des Textes verndert sich der Status der Signifikanten pild und gçtze. Als Gegenbild zum geldkritischen Bild der Verselbstndigung des Pfennigs geschieht im Bildschnitzer eine Verselbstndigung des Fingierten (Propst als gçtze). Dieser gçtze wird aufgrund des Geldes geschaffen, durch das Geld bezeugt und am Ende dank des Geldes wieder aufgehoben.

39 Das Gegenmodell zu den ›Lohnforderungen‹ in den Epimythien ist, wenn der Erzhler die Erzhlung den reinen frauen schenkt; so z. B. in der Wolfsgrube (von Hans Rosenplt), V. 179 – 192, hier V. 179, und im Borte (von Dietrich von der Glezze), V. 886 f. Aber auch wenn die Erzhlung den Frauen ›geschenkt‹ wird, handelt es sich nicht um eine Logik der Verausgabung. Denn an die ›Gabe‹ wird meist die Hoffnung geknpft, die Frauen wrden dadurch belehrt, was geradezu in eine Drohung bergehen kann; vgl. Die Wolfsgrube, V. 180 – 189.

Der zurckgegebene Minnelohn

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7. Zirkulierende Gaben zwischen den Generationen: Der zurckgegebene Minnelohn Eine Pointe der Thesen von Marcel Mauss und Pierre Bourdieu besteht darin, dass durch Gabe- und Tauschpraktiken nicht nur soziale Beziehungen gestiftet werden, sondern auch Agonalitt ausgetragen wird.1 Bourdieu analysiert beispielsweise, wie durch gegenseitige berbietung gesellschaftlicher Rang ausgehandelt und durch Geschenke Abhngigkeiten quasi institutionalisiert werden. Doch nicht nur asymmetrische Geschenke, sondern auch ein scheinbar reziprokes Tauschen basiert auf dem Zusammenspiel von Kooperation und Agonalitt.2 Denn die beiden Tauschpartner sind einerseits aufeinander angewiesen und andererseits stets auf den eigenen Vorteil bedacht.3 Bei nicht institutionalisierten Tauschformen muss zudem – neben dem quantitativen Tauschverhltnis – verstrkt auch dessen symbolische Wertung ausgehandelt werden; d. h. welche Konnotationen gehen mit dem ausgehandelten Tauschverhltnis einher oder wie verndert der Abschluss des Tauschgeschfts eine bestehende Hierarchie zwischen den beiden Tauschpartnern? Im Folgenden soll anhand von zwei Mren Kaufringers, Der zurckgegebene Minnelohn und Brgermeister und Kçnigssohn, aufgezeigt werden, wie mittels verschiedener Tauschgeschfte das Verhltnis zwischen den Figuren je neu ausgehandelt wird. Im Zentrum der beiden Texte steht jeweils ein Ehebruch, der nicht gewaltvoll gercht, sondern durch verschiedene Tauschhndel ausgetragen und am Ende çkonomisch ›gelçst‹ wird. Die beiden erotischen Rivalen sind von Beginn an nicht gleichrangig, sondern stndisch oder bezglich des Alters verschieden. Die Tauschgeschfte zwischen diesen ungleichen Partnern stiften kein dauerhaftes Verhltnis, sondern verschieben die Ungleichheiten und fhren so zu weiteren Tauschhandlungen mit demselben oder einem anderen Tauschpartner. Diese Wiederholung von hnlichen Tauschgeschften stiftet berdies paradigmatische Beziehungen, die auf 1 Vgl. Kap. 2.1 – 2.4 des vorliegenden Buches. 2 Vgl. zur Agonalitt von Gaben Oswald (2004), insbesondere S. 190 – 104, 88 – 216, 258 – 299; sowie Kap. 3.3 des vorliegenden Buches; vgl. zur Agonalitt in der hçfischen Literatur Haferland (1988), S. 28 – 35, 73 – 120. Weiterfhrend fr die Analyse der Mren scheint mir Haferlands These, dass Agonalitt nur mçglich wird, wo annhernd »gleiche Chancen« vorhanden sind (S. 33). 3 Auch Max Weber (1976) hebt in Wirtschaft und Gesellschaft die Gleichzeitigkeit von Agonalitt und Kooperation im Tausch hervor: »[…] der streng zweckrationale, frei paktierte Tausch auf dem Markt: ein aktuelles Kompromiß entgegengesetzt, aber komplementr Interessierter« (S. 22). Dies fhrt bei Weber jedoch dazu, dass er – in der Tendenz Mauss und Simmel nicht unhnlich – den Tausch als reinsten Typus einer zweckrationalen Beziehungsform (»Vergesellschaftung«) von einer auf Gefhlen basierenden »Vergemeinschaftung« abgrenzt. Er betont jedoch, dass diese beiden idealen Typen der Beziehungsstiftung nie rein auftreten, sondern sich vermischen.

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7. Zirkulierende Gaben zwischen den Generationen

zeitlich entfernte Dimensionen der aktuellen Tauschgeschfte hinweisen und so den Text verdichten. Kaufringers Mre Der zurckgegebene Minnelohn4 wird von einem speziellen Tauschgeschft dominiert, das zwischen Leihgabe und Investition, zwischen Hilfe und Verpflichtung angesiedelt ist. Der Protagonist des Mres ist ein junger, besitzloser Ritter, dem ein benachbarter lterer Ritter Geld und Ausstattung leiht, damit der junge die Tradition der ritterschefte (V. 48) fortsetzen kann. Als Erstes begeht der junge Ritter jedoch keine Rittertaten, sondern erschleicht sich den Beischlaf einer Ehefrau, die im Garten auf ihren Liebhaber wartet. Sie bemerkt erst nach dem Beischlaf, dass sie sich dem ›falschen‹ Liebhaber hingegeben hat, und verlangt von diesem als Ausweis seines ritterlichen Standes dessen gesamte Barschaft (sechzig Gulden). Als Gegengabe erhlt er einen Ring von nur geringem Wert. Erneut mittellos lernt er im Wirtshaus den Ehemann der Frau kennen, doch erkennen die beiden sich nicht. Stattdessen schließen sie fraintschaft (V. 352) und der junge Ritter findet im betrogenen Ehemann einen zweiten lteren Ritter, der ihn finanziell untersttzt. Die beiden reisen zusammen an ein Turnier, das der ltere bezahlt und der Jngere gewinnt. Doch bei einer Erzhlrunde im Wirtshaus berichtet der Jngere von seinem Minneabenteuer und so erkennt der ltere, dass und wie er betrogen wurde. Der Konflikt wird auf eine fr Mren unkonventionelle Art und Weise gelçst: Der ltere ldt den Jngeren zu sich nach Hause ein, so dass auch der Jngere erkennt, wer sein Reisegefhrte ist. Der Ehemann vermeidet aber eine Konfrontation. Er geht auf die Jagd und lsst die beiden Ehebrecher einen Tag alleine. Erst nach dem ausgiebigen Mahl des erbeuteten Wildes verlangt der Ehemann von seiner Frau die sechzig Gulden zurck und verteilt sie neu. Dabei vergleicht er das Geschehen mit einem Brettspiel, zu dem alle etwas beigetragen htten: die Ehefrau das Brett, der junge Ritter die Wrfel und der Ehemann das Licht. Alle drei erhalten dementsprechend je zwanzig Gulden. Beim Abschied bittet der junge Ritter, der Ehefrau die Bestrafung zu erlassen. Er zieht weiter, ist erfolgreich und kann am Ende des Mres auch dem lteren Nachbarn das Geliehene zurckzahlen. Das Mre erzhlt offensichtlich von der konomisierung von ventiure und Ritterschaft: In der Rahmenhandlung5 fehlen einem jungen Ritter zunchst die materiellen Grundlagen zur Ritterschaft, die ihm aber bald als eine Art Leihgabe zur Verfgung gestellt werden. Im Binnengeschehen besteht die ventiure des jungen Ritters aus einem erschlichenen Beischlaf und einem Turnier in der Stadt, an dem er nur dank der Großzgigkeit eines weiteren lteren Ritters teilnehmen kann. Das fr die ventiure geliehenen Geld braucht 4 Vgl. zur berlieferung Kap. 8 des vorliegenden Bandes. 5 Ich spreche von Rahmen- und Binnengeschehen (oder -handlung), um die beiden Handlungsstrnge, d. h. die Leihgabe des ersten lteren Ritters (Rahmenhandlung) und den Ehebruch sowie die Bekanntschaft mit dem zweiten lteren Ritter (Binnenhandlung) voneinander abzugrenzen. Terminologisch ist dies nicht ganz korrekt, weil die Rahmenhandlung dem Binnengeschehen kommunikativ nicht bergeordnet ist, vgl. Asmuth (2003).

Der zurckgegebene Minnelohn

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er, um seinen Stand zu bezeugen. Die Forschung zum Minnelohn6 hat diesen Phnomenen breite Aufmerksamkeit geschenkt. Sie deutet sie als Auseinandersetzung mit der Idealitt des Rittertums,7 als komische Unterminierung hçfischer Werte8 oder als berlagerung von »Schwank und Handlungsmuster[n] des hçfischen Romans«.9 Am pointiertesten fasst dies Udo Friedrich, wenn er argumentiert, dass die »ritterliche Aventiure […] auf drei Ebenen zum trivialen Abenteuer depotenziert [werde]: zum drastischen Schwank im Baumgarten, zum stdtischen Turnier, zur burlesken Erzhlung in geselliger Runde.«10 Es stellt sich jedoch die Frage, ob damit die Rolle der vielen Tausch- und Gabenakte schon berzeugend erklrt ist. Denn mit der Gegenberstellung von Hçfischem und Nichthçfischem, von ventiure und Schwank kçnnen gerade die Tausch- und Gabenakte sowie die Zirkulation von Ring und Geld nur ungengend erfasst werden: Weder verweisen Geld und Tausch ausschließlich auf schwankhaftes Geschehen, noch kann der beilufig weggegebene Ring als hçfische Verausgabung verstanden werden. Dass sich die verschiedenen Funktionen von Geld, Tausch und Gaben nicht eindeutig den sich berlagernden Erzhlmustern zuordnen lassen, zeigt sich auch daran, dass Friedrich dem Geld in seiner insgesamt sehr berzeugenden Interpretation ganz unterschiedliche Funktionen zuschreibt: Es ist »Determinant[] der Realsphre« und Teil einer Spiellçsung;11 es kann die materiellen Bedingungen des Rittertums sichtbar machen und Indikator einer subversiv-karnevalistischen Komik sein.12 Ich mçchte deshalb in der folgenden Lektre nicht von der berlagerung unterschiedlicher Erzhlmuster, sondern von der Wiederholung der Gabeund Tauschakte ausgehen. In einem ersten Teil soll die paradigmatische Ebene betrachtet werden, auf der die unterschiedlichen Tauschgeschfte parallelisiert werden, nmlich der Tausch zwischen verschiedenen Generationenvertretern. Das asymmetrische Verhltnis zwischen einem jungen und einem 6 Vgl. neben der diskutierten Forschung auch Ziegeler (1985), S. 301 – 306; Ragotzky (1985), S. 120 – 122; Krohn (1991); Schnyder (1999), S. 117 – 120; Coxon (2002), S. 39 f.; Willers (2002), S. 59 – 80. 7 Grubmller (2002) spricht von der »Diskrepanz […] zwischen ritterlichem Programm und seiner generellen Gltigkeit« (S. 200). Der junge Ritter werde einerseits auf seine Kçrperlichkeit reduziert. Andererseits entwerfe das Mre eine Idealitt des Rittertums, die sich aus der Komplementaritt des alten und des jungen Ritters ergebe (S. 202). 8 Stede (1993), S. 49: Die »Nicht-bereinstimmung von erzhltem Geschehen und hçfischem Ethos verleiht dem Text eine komische Dimension.« Sie liest das »hçfische Ethos« im Anschluss an Bachtin als »dialogisierende[n] Hintergrund des Textes« (ebd.), ohne aber in ihrer Interpretation diese Referenz fruchtbar zu machen. Vgl. auch Schnyder (1997), S. 399, der die Handlungsstruktur auf den doppelten Cursus des hçfischen Romans bezieht. 9 Friedrich (1996), S. 20; vgl. auch S. 17 f.: »Thema ist das Verhltnis von Ehre und Geld, bzw. das Verhltnis von materiellen und ideellen Grundlagen ritterlicher Kultur.« 10 Friedrich (2006), S. 69. 11 Friedrich (1996), S. 27. 12 Ebd., S. 27 und 29.

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lteren Ritter erscheint sowohl als komplementr als auch als agonal. Wie zu zeigen sein wird, werden Komplementaritt und Agonalitt durch das sich im Verlauf der Erzhlung verschiebende Verhltnis von Aktualitt und Potentialitt bestimmt. In einem zweiten Teil mçchte ich die Tausch- und Gabehandlungen als syntagmatische Kette und damit als je neue Umdeutung des Ehebruchs verstehen. Die Figuren verhandeln mittels Tausch- und Sprechakten die ›Bewertung‹ des Ehebruchgeschehens bzw. die Rolle, die sie dabei gespielt haben. Dabei kontrastiert und kombiniert der Text nicht nur unterschiedliche Sinnstiftungsformen, sondern nutzt diese auch, um die Erzhlung syntagmatisch voranzutreiben.

7.1 Intergenerationelle Kooperation Die Rahmenhandlung in Kaufringers Zurckgegebenem Minnelohn erzhlt von Gabe und Rckgabe, die sich ber die Binnenerzhlung hinweg erstrecken. Ausgangspunkt ist ein Mangel: Die Familie des jungen adeligen Ritters ist verarmt; sein ausfhrlich geschildertes Potential (seine kçrperliche Kraft und Tugendhaftigkeit)13 kann nicht genutzt werden. Doch ein benachbarter lterer Ritter ist bereit, dem Jngeren Ausrstung und Geld zu leihen: ich will dir leihen geltz genuog, ist es nur dein will und fuog, das du aubentr suochen wilt. zwen guot maiden, spieß und schilt und wes du bedrfent pist, das kouf ich dir ze diser frist. das gilt mir wider, so du macht, und bis von mir ungeswacht, wann ich sein wol geraten mag. […] ob dir von got ist beschert, das dir gelck widerfert, so wirt mir vergolten wol. get es anders, dann es sol, […] so soltu frbas sicherlich des geltes alles ledig sein 13 der was edel und tugenthaft, / wolgetaun an leibes kraft (V. 15 f.); dass es sich hierbei um ein Potential handelt, wird insbesondere an der Formulierung nun was er aller eren wert (V. 20) deutlich. Grubmller (2002), S. 193 – 202, hat die Komplementaritt der beiden Ritter berzeugend herausgearbeitet. Im Unterschied zu Grubmller (ebd., S. 202), gehe ich aber nicht davon aus, dass der junge Ritter auf seine Kçrperlichkeit reduziert, sondern dass ihm von Seiten des lteren Kçrperkraft zugeschrieben wird: zuht und adel wont dir bei (V. 52). Die kçrperlichen Tugenden des Jngeren werden hervorgehoben, um zu zeigen, in welcher Hinsicht der Jngere dem lteren als Projektionsflche dient.

Intergenerationelle Kooperation

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von mir und den erben mein. (V. 65 – 82) Ich werde dir ausreichend Ausstattung leihen, wenn es deine Absicht und Geschicklichkeit ist, ventiure zu suchen. Zwei gute Pferde, Spieß und Schild, und was du weiter nçtig hast, das kaufe ich dir sogleich. Gib mir das zurck, wenn du dazu im Stande bist; sei aber nicht erniedrigt, denn ich kann dies wohl entbehren. Falls Gott dich mit Erfolg beglckt, dann wird mir reichlich vergolten. Verluft es anders als geplant, dann wirst du ferner immer frei von Schuldforderungen von mir und meinen Erben sein.

Die Leihgabe des lteren hat eine eigenartige Form, fr die sich im modernen wirtschaftlichen Handel kein quivalent finden lsst. Sie ist an eine Bedingung geknpft – der Jngere soll die aubentr suochen – und sie muss nur bei Erfolg zurckbezahlt werden. Die Leihgabe steht somit in der Tradition adeliger Großzgigkeit (milte),14 doch mit signifikanten Unterschieden. Sie ist keine Verausgabung zu Reprsentationszwecken, sondern ein kalkulierbares Risiko (V. 73), das zu einem klar benannten Zweck (die Fortsetzung der Tradition der ritterschefte) eingegangen wird.15 In Claus Spauns Mre Fnfzig Gulden Minnelohn16 findet sich eine hnliche Tauschform: Ein Sohn erhlt von seinem Vater Geld, um sich zu bilden und damit zugleich den Bildungsmangel des Vaters auszugleichen.17 Kaufringer weitet ein solch innerfamilires Tauschverhltnis auf nichtverwandtschaftliche Beziehungen aus. Der benachbarte ltere Ritter ist mit dem Jungen nicht verwandt. Er verfgt aber ber die materiellen Grundlagen zur Ritterschaft, whrend die Tage seiner eigenen ritterlichen Taten vorbei sind.18 Er untersttzt deshalb den Jngeren materiell, damit dieser zuht und adel (V. 52) verwirklichen kann. Die aus der Komplementaritt der beiden Ritter hervorgehende Leihgabe ist ganz am Ende erfolgreich. Der junge Ritter […] nam auf in kurzer zeit an eren und an guot, als noch mnig ritter tuot,

14 Vgl. zum hçfischen Konzept der milte Kap. 3.3 des vorliegenden Buches. 15 Vgl. V. 46 – 49: mir ist laid der kumer dein, / das du dich also verligst / und nit der ritterschefte pfligst, / als dein vordern haund getan. 16 Claus Spauns Mre ist demjenigen Kaufringers von der Handlungsstruktur her hnlich. Zu einem detaillierten Vergleich der beiden Texte vgl. Ziegeler (1985), S. 306 – 311; Stede (1993), S. 120 – 122; Friedrich (2006), S. 63 – 68. 17 Der Vater, der ain wenig […] gelert (V. 5) ist, will, dass der Sohn die schrift solt lernen baß (V. 7). Wie bei Kaufringer scheitert der intergenerationelle Tausch am Beginn, da der Sohn die gesamte (Leih-)Gabe fr ein Liebesabenteuer ausgibt. 18 der hett oft sper und schilt / zerprochen und durchritten / nach ritterlichem sitten / in seinen jungen tagen (V. 28 – 31).

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7. Zirkulierende Gaben zwischen den Generationen der seinen leib wol brauchen kan. (V. 758 – 761) [Der junge Ritter] gewann schnell Ehre und Wohlstand, so wie dies noch manchem Ritter geschieht, der seinen Kçrper richtig einzusetzen weiß.

Der junge Ritter zahlt dementsprechend das Geliehene zurck: auch galt er dem frommen man, der […] in des ersten [het] auspracht; dem galt er wider trewlich. (V. 762 – 765) Er entschdigte auch den braven Mann, der ihn zuerst ausgestattet hatte; dem zahlte er (alles) treu zurck.

Im Binnengeschehen wird diese Form der intergenerationellen Leihgabe einerseits erfolgreich wiederholt, andererseits werden – wie unten zu zeigen sein wird – deren Risiken und Probleme sichtbar. Nachdem der junge Ritter sein Geld beim Ehebruch verloren hat, wird er erneut von einem lteren Ritter materiell untersttzt: Dieser bezahlt ihm die Wirtshauskosten und die Turnierausrstung (V. 340 – 342; 358 – 363). Deutlicher als in der Rahmenhandlung wird hervorgehoben, dass auch der ltere materiell und immateriell von dieser Leihgabe profitiert: Nach dem Turniererfolg des Jngeren werden die beiden gemeinsam geehrt und die Stadtobrigkeit zahlt beiden Kost und Logis (V. 493 – 499). Die Motivation des lteren bleibt unklar : Einerseits bietet er dem Jngeren wortreich eine gesellschaft (V. 337) an, die er mit einer Liebesbzw. Verausgabungsmetaphorik beschwçrt.19 Andererseits wird auch das Eigeninteresse des lteren betont: der jung ritter auserwelt was seines leibes gar ain helt […] der alt ritter fromm und reich im darumb gar gnstig was. (V. 353 – 357; Herv. S. R.) Der junge, ausgezeichnete Ritter beherrschte seinen Kçrper heldenhaft. Der alte, tchtige und reiche Ritter war ihm deshalb wohlwollend gesinnt.

Es geht hier nicht nur darum, die materiellen Motive hinter den hçfischen Idealen von gesellschaft (V. 750) und fraintschaft (V. 352) aufzudecken. Vielmehr werden die Bedingungen einer intergenerationellen Leihgabe thematisiert, von der im Idealfall beide Generationenpartner profitieren kçnnen: Der Jngere kann dank der Hilfe des lteren sein ›ritterliches‹ Potential aktuali19 so will ich ewr geferte wesen, / bei ewch sterben und genesen (V. 333 f.).

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sieren, der ltere ber seine kçrperlichen Mçglichkeiten hinaus metonymisch an der Tradition der ritterschefte partizipieren.20 Voraussetzung eines derart gelingenden Tausches ist zum einen eine asymmetrische, aber komplementre Ausgangslage, d. h. eine ungleiche Verteilung von aktuellem materiellem Besitz und physischem Potential. Zum anderen basiert ein solcher Tausch auf der Konvertibilitt von materiellen und immateriellen Werten. Die materielle Untersttzung des lteren verhilft dem Jngeren zu ritterlichem Ruhm, an dem auch der ltere teilhat.

Destabilisierung der intergenerationellen Kooperation Rahmen und Binnenhandlung werden durch die hnlichkeit der beiden lteren Ritter miteinander verbunden: Beide helfen dem Jngeren, und beide werden mit denselben Bezeichnungen benannt und beschrieben.21 Das Verhltnis zwischen einem lteren und einem jngeren Generationenvertreter wird so in Rahmen- und Binnenhandlung in unterschiedlichen Konstellationen durchgespielt und mittels des Geldes metonymisch miteinander verknpft. Dabei wird sichtbar, dass die beiden nicht nur komplementre, sondern auch rivalisierende Interessen haben. Der jngere Ritter aktualisiert zwar in der Binnenhandlung sein ›Potential‹, doch anstelle der ritterlichen ventiure verfolgt er eine Liebes-ventiure. Er konkurrenziert dabei – auf dem Feld der Sexualitt – einen dem Leihgeber entsprechenden Generationenvertreter.22 Das harmonische Modell eines Tausches zwischen den Generationen 20 Der Gegensatz ›alt/jung‹ prgt die Bezeichnungen der drei Figuren und hlt so das Thema des Generationenkonfliktes auch semantisch stndig prsent, vgl. z. B.: der alt herr den jungen fragt (V. 317). In den sogenannt schwankhaften Mren wird selten von mehreren Generationen erzhlt, Ausnahmen sind die Mren Das Studentenabenteuer A; Von den zwei Kaufleuten; Der dankbare Wiedergnger und Tor Hunor. Der ›Generationentausch‹ ist jedoch auch Thema des weitverbreiteten moralisch-exemplarischen Mres Die halbe Decke, von dem sich auch eine sehr kurze Fassung findet, die Kaufringer zugeschrieben wird (allerdings ist diese nicht in derselben Handschrift wie der Minnelohn berliefert, sondern in Berlin, Staatsbibliothek, Mgf 564); vgl. dazu Kap. 8, Anm. 1, sowie Westphal (1993), S. 60 f.; Fischer (1983), S. 76 f. 21 Beide Ritter werden als alter ritter und herr bezeichnet (z. B. V. 27, 97, 134, 295) und mit hnlichen Attributen charakterisiert (frumm V. 27, 322). Am Ende erneuert der junge Ritter mit beiden die fraintschaft (V. 754, 763). Dennoch handelt es sich bei den beiden lteren Rittern keineswegs, wie Grubmller (2002), S. 196, voraussetzt, um eine Figur. Deutlich wird dies z. B. am Ende, als nach der Abreise von der Burg die Ankunft in der ›Heimat‹ beschrieben wird: auch galt er dem frommen man, / der […] in des ersten [het] auspracht; / dem galt er wider trewlich. (V. 762 – 765; Herv. S. R.). Grubmller (2002), S. 196, muss zudem, um die These halten zu kçnnen, einen nicht erwhnten Boten einfgen, der am Beginn zwischen dem jungen und dem alten Ritter vermittelt. Um die beiden lteren Ritter auseinanderzuhalten, wird im Folgenden vom ›ersten‹ und vom ›zweiten‹ Ritter die Rede sein. 22 Der junge Ritter wird in der Binnenhandlung in dem Moment als herr bezeichnet, als er vom lteren die Ausrstung fr das Turnier erhlt (V. 364). Bis dahin war herr eine Bezeichnung, die nur fr die beiden lteren Ritter benutzt wurde. Die nun angeglichene Bezeichnung deutet an,

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wird somit im Binnengeschehen dadurch destabilisiert,23 dass der Besitz des lteren und das Potential des Jngeren konfliktreich erweitert werden: Dem lteren gehçrt auch die Ehefrau, das Potential des Jngeren besteht auch in dessen ›Manneskraft‹.24 Das Binnengeschehen basiert auf einer fr die Schwankmren typischen Figurenkonstellation: Der alte reiche Ehemann hat eine junge schçne Frau und wird von einem Jngeren betrogen. Im Minnelohn wird dies als doppelte Substitution des Ehemannes erzhlt: Die Ehefrau tuscht Zahnschmerzen vor, um den Ehemann zu betrgen; dabei wird sie ihrerseits vom jungen Ritter betrogen, der sich an den Platz des Liebhabers schleicht. Nicht die Verdoppelung der Substitution, aber die Darstellung des Ehebruchs ist ungewohnt. Dieser wird im ersten Teil ganz aus der Perspektive des jungen Ritters geschildert, der sich einem verschlossenen Garten nhert und nicht weiß, was ihn da erwartet (V. 123 – 150).25 Er wird nicht durch die Schçnheit der Frau,26 sondern durch das Licht des Ehemannes (V. 127 f.) angelockt. Die Position des Ehemannes – er steht under ainem trlin schmal / oben in der veste guot (V. 132 f.; »unter einer schmalen Tr, oben auf der Burg«) – wird mehrfach ausfhrlich beschrieben,27 whrend der Ehebruch in wenigen Zeilen abgehandelt wird. Damit steht das Verhltnis der beiden Mnner (und Generationenvertreter) im Zentrum der Szene. Es wird topographisch komplex dargestellt, indem sich eine hierarchische (oben-unten) und eine InklusionsExklusions-Logik (innen-außen) berlagern. Der ltere steht zu Beginn ›oben‹, bei seiner veste, der Jngere ist ›unten‹ und außerhalb des Zauns

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dass der jngere sein Potential ›aktualisiert‹, die beiden sich hnlicher werden und deshalb auch eine Konfrontation wahrscheinlicher wird. Schnyder (1997), S. 402, verweist bezglich des Generationenkonflikts sozialgeschichtlich auf die Studien von Duby (1986) zum Konflikt von seniores und juvenes. Mir scheint dieser Verweis u. a. deshalb problematisch, weil der junge Ritter nicht durch einen Vater oder Bruder, sondern durch mangelnden materiellen Reichtum am Ausben seiner ›Tatkraft‹ gehindert wird. Kritik an der Adaptation von Duby fr die Interpretation literarischer Texte bt berzeugend Peters (1990). Bei Claus Spaun gibt es nur in der Rahmenhandlung eine Leihgabe und nur in der Binnenhandlung einen Ehebruch. Dadurch werden die intergenerationelle Leihgabe und der Konflikt zwischen Ehemann und Ehebrecher viel weniger stark miteinander verknpft. Das Erzhlen auf der Augenhçhe des Protagonisten wird in der Schlussszene wieder aufgegriffen, wenn die Lesenden genau wie die beiden Ehebrecher nicht wissen, wann und wie die Rache erfolgen wird. Der Protagonist bei Claus Spaun wird z. B. ausschließlich durch die Schçnheit der Frau angezogen (V. 22). Die topographische Situation wird insgesamt sechsmal erwhnt: Bereits bei der direkten Schilderung des Ehebruchs wird sie, immer in Verbindung mit dem Licht, dreimal beschrieben (V. 132 f., 142 f., 221). Dann schildert der Erzhler den Ehebruch samt der topographischen Situation, als die beiden Ritter sich im Wirtshaus treffen (V. 305 f.), und der junge Ritter wiederholt die Beschreibung, als er im Wirtshaus eine Geschichte erzhlen soll (439 f.). Als er auf die Burg des alten Ritters zureitet, zeigt er dem Knecht die Tr : dçrt oben ist das trenlein, / da der herr der frawen sein / mit dem liecht gelchtet hat. / dçrt unden der boumgart stat (V. 539 – 542).

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(V. 128).28 Doch whrend der ltere auf der Schwelle (under ainem trlin) stehen bleibt, findet der junge Ritter sogleich ain trlin (V. 155) und verschafft sich damit Zugang zur Frau. Insbesondere die Rolle des lteren Generationenvertreters wird dadurch allegorisierend verdichtet: Er steht auf der Schwelle von Ein- oder Ausschluss. Er selbst kann die Schwelle nicht berschreiten, verhilft aber dem Jngeren – indem er Anziehungspunkt (Licht) und Hindernis zugleich ist – zum Einlass. Whrend in der Rahmenhandlung vor allem der Mangel des Jngeren dargestellt ist, wird hier, wenn auch nur bildlich, der ›wunde Punkt‹ des lteren sichtbar : nmlich die Gefahr, trotz ausreichenden materiellen Besitzes vom Ehevollzug und, damit paradigmatisch verbunden, von der hçfischen Turnierpraxis ausgeschlossen zu sein. Der Jngere ist derjenige, der ihn einerseits verdrngen, aber andererseits auch seinen Ausschluss verzçgern kann. Mit Blick auf die Rahmenhandlung, in der der ltere Ritter anhand des Tauschens die Tradition der ritterschefte erhalten mçchte, kann man diesen intergenerationellen Tausch auch als Modell fr die Weitergabe von Traditionen lesen. Traditionen stellen dann nichts Substantielles dar, das von einer Generation zur nchsten gereicht wird, sondern sind als ›Aktualisierung eines Potentials‹ zu verstehen. Die ltere Generation stellt ›Material‹ bereit, kann aber dessen Aktualisierung nicht kontrollieren. Dementsprechend wird jede Tradition durch die jeweilige Aktualisierung verndert, so wie sich z. B. die ventiure in ein erschlichenes Liebesabenteuer verwandelt.

7.2 Verhandlungen ber das Geschehene Der zurckgegebene Minnelohn ist ein Mre, das weniger das Ereignis ›Ehebruch‹ als vielmehr das Aushandeln seiner Bedeutung schildert. Bezeichnenderweise endet z. B. die Binnenhandlung nicht mit der Pointe29 der doppelten Substitution des Ehemannes, sondern beginnt damit.30 Dabei werden zentrale Informationen zum Ehebruchsgeschehen erst nachtrglich bekannt gemacht. So erfahren die Lesenden erst nach mehr als zwanzig Versen, dass die 28 Vgl. die Deutungen der Topographie bei Schnyder (1999), S. 118, oder Friedrich (1996), S. 19 f., Anm. 53, die den Weg des jungen Ritters durch das Zauntor als Vorwegnahme des Ehebruchs deuten. 29 Mller (2003), S. 103 f., definiert die Pointe in Bezug auf den Rezipienten, d. h. als den Effekt, den ein Text bewirkt. Der Text selbst weise dispositionale Eigenschaften zu einer Pointe auf. Im Unterschied dazu mçchte ich die Pointe strker von der Produktionsseite her definieren. Ich bezeichne die textuelle Voraussetzung fr die Komik, d. h. den unerwarteten Schluss- oder Hçhepunkt eines Textes, als Pointe (ebd., S. 19). Die Pointe kann jedoch nicht ohne den vorangehenden Spannungsaufbau analysiert werden; vgl. auch Kçhler/Mller (2003). 30 In den meisten Mren wird chronologisch erzhlt, d. h. zuerst das Ehepaar beschrieben, dann von der Planung und Ausfhrung der Tuschung berichtet und die Substitution des Ehemannes stellt schließlich die Pointe dar; vgl. etwa Fnfzig Gulden Minnelohn von Claus Spaun oder das Mre Minnedurst.

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klagende Ehefrau auf ihren puolen (V. 161; »Liebhaber«) wartet und mssen erschließen, dass die Zahnschmerzen nur vorgetuscht sind (V. 160 f.; 224 f.). Durch diese – fr Mren eher ungewohnte – Erzhlperspektive werden die Lesenden einige Verse allein gelassen und mssen aus Bruchstcken eine ›Geschichte‹ machen. Dies lsst sich fast schon programmatisch verstehen. Denn der Versuch der Sinnstiftung prgt auch den weiteren Verlauf des Textes. In den darauf folgenden 600 Versen wird das Ehebruchsgeschehen achtmal erzhlt und zugleich dessen Deutung verhandelt. Dabei kommt neben dem Wiedererzhlen auch dem Tauschen eine zentrale Funktion zu. Im Folgenden werden einige dieser Umdeutungen genauer betrachtet, um die sinnstiftende Dimension von Tausch- und Gabeakten sowie die damit einhergehenden berlagerungen von symbolischen und monetren Werten zu analysieren.

Liebeskauf vs. Liebesgabe Der junge Ritter erschleicht sich den Beischlaf, wird aber anschließend von der Ehefrau zum Zahlen gençtigt. Dass ein Liebhaber die Frau, nachdem er sie erfolgreich getuscht hat, ›freiwillig‹ bezahlt, findet sich meines Wissens in keinem weiteren Mre.31 In Claus Spauns Mre Fnfzig Gulden Minnelohn bezahlt der junge Mann die Frau beispielsweise vor dem Beischlaf. Sie fordert einen exorbitant hohen Betrag und er geht aus jugendlichem ›Liebesdurst‹ darauf ein. Bei Kaufringer verhandeln die beiden Ehebrecher dagegen nachtrglich. Geld und Ring stellen keinen Anreiz zum Ehebruch dar, sondern sind vielmehr Teil eines ›symbolischen Kampfes‹, weil die Bezahlung des Geldes und die bergabe des Rings dem Ehebruch eine je andere Bedeutung geben. Als sich die Ehefrau fr den Ehebruch bezahlen lsst, wertet sie ihre Rolle von der getuschten Ehebrecherin zur listigen Gewinnerin auf. Sie ist nun diejenige, die sich in einer schier ausweglosen Lage einen Gewinn erobert. Der junge Ritter reagiert darauf, indem er statt der Bezahlung die Rede der Frau zum Nennwert nimmt. Er greift ihre Metaphorik (ze letz, V. 201; »als Abschiedsgeschenk«) auf und verlangt eine Gegengabe fr sein Andenken (V. 211 f.). Er erhlt von ihr einen Ring und dadurch wird aus dem einseitigen Minnekauf ein zweiseitiger Austausch von Liebesgaben. Der Erzhler kommentiert den Tausch jedoch nicht auf dieser symbolischen, sondern allein auf der monetren Ebene: doch was der wechsel ungeleich; / es [vingerlein] was bei acht guldin wert. (V. 216 f.; »Aber der Tausch war ungleich, denn der Ring hatte in etwa den Wert von acht Gulden.«) Es handelt sich hier nicht um eine auktoriale Parteinahme des Erzhlers, sondern das Changieren zwischen unterschiedlichen Bewertungsformen wird von der Figuren- auf die Erzhlebene ausgeweitet. Der Erzhler bietet zustzlich zu den Figuren eine weitere 31 Die Bezahlung des jungen Ritters unterstreicht seine Unerfahrenheit und Jugendlichkeit und verweist dadurch auf die Rahmenhandlung bzw. auf den Generationenkonflikt.

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Deutung des Tausches. Zugleich lenkt er mit der Fokussierung des monetren Wertes die Erwartungen der Lesenden in eine ›falsche‹ Richtung. Denn im weiteren Verlauf verlieren die monetren Werte an ›Gewicht‹ und stattdessen gewinnt der Ring aufgrund seiner Unverwechselbarkeit an Stellenwert. Er weist den jungen Ritter nicht nur als Ehebrecher aus, sondern verhilft ihm auch, einen Teil seiner verlorenen sechzig Gulden zurckzuerhalten. Der Text nutzt somit die Inkommensurabilitt der unterschiedlichen Bedeutungs- und Bewertungsformen, die mit den Tauschgeschften einhergehen (Sprache, Symbolik, monetre Werte). Je nachdem, welche Bewertungsform in den Vordergrund gerckt wird, ndern sich die Bedeutung des Ereignisses ›Ehebruch‹ und die Rolle der beteiligten Figuren. Im Verlauf des Mres werden diese Bewertungsformen immer wieder verschoben, nicht um am Ende ein stabiles Konversionsverhltnis zu finden, sondern um die Effekte der Verschiebung in den Vordergrund zu rcken.

Liebes-ventiure vs. Geldverlust Als die Ehefrau nach dem Beischlaf merkt, dass ihr Liebhaber nicht der rechte (V. 171) ist, fragt sie den jungen Ritter nach seiner Adeligkeit. Er stellt sich ihr vor und deutet dabei den Ehebruch als Liebes-ventiure:32 ich haun gesuocht aubentre ie; die haun ich auch gefunden hie. ritterschaft hat mich außbracht; auch haun ich mir des gedacht, verzeren meinen werden leib ze dienst durch alle raine weib. (V. 191 – 196) Ich habe seit jeher ventiure gesucht, die habe ich hier auch gefunden. Die Ritterschaft hat mich hierher gebracht; ich habe auch die Absicht, mein kostbares Leben im Dienst an den vollkommenen Frauen hinzubringen.

Der Ritter will gegenber der Frau seine guote art (V. 183) ausweisen. Mit Hilfe des Verweises auf die ventiure33 und auf einen hçfischen Liebesdiskurs deutet 32 Die Forschung liest die Szene meistens als Um- oder gar Abwertung der ventiure zu einer rein sexuellen Angelegenheit, vgl. Friedrich (1996), S. 22; Schnyder (1997), S. 409. Ich mçchte dagegen die ventiure strker als eine der vom Text thematisierten Sinnstiftungsformen verstehen. 33 Schnyder (2002) zeigt, dass bei Hartmann der ventiure-Begriff poetologisch konnotiert wird, indem ventiure auch fr Erzhlen und Sinnstiftung steht (S. 262); vgl. auch Schnyder (2006b). Auch Kaufringer nutzt aubentr semantisch weit, es steht sowohl fr minne (V. 191), Ritterschaft (V. 67) und Erzhlen (V. 10, 413); vgl. dazu Friedrich (1996). S. 21 f.

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er den Beischlaf als Minnedienst und seinen zuflligen Weg als einen stringenten Vollzug dessen, was der ltere Ritter von ihm gefordert hatte (ventiure).34 Als er aber gleich darauf zu seinem Knecht zurckkehrt, erzhlt er das Geschehene ganz anders: Er berichtet hauptschlich vom Geldverlust, also vom Tausch der sechzig Gulden gegen den Ring (V. 240 – 44). Statt seinen leib […] verzeren (V. 195) zu wollen, sorgt er sich nun um die zerung (V. 273; »Nahrung«). Der Text kontrastiert also eine ançkonomische mit einer çkonomischen Argumentationsweise. Der Knecht antwortet: ir sllt hohes muotes sein. lat ewch die guldin rewen nicht! got hat uns in seiner pflicht; er beratt uns der zerung wol. […] die aubentr ist pesser vil, die also mit der minne spil einem werden ritter zuogat, dann als sein guot und was er hat. (V. 248 – 256) Ihr sollt stolzer Gesinnung sein. Die Gulden sollen euch nicht reuen. Gott hat uns in seiner Obhut; er sorgt sicher fr unsere Nahrung. Eine ventiure, die einem tchtigen Ritter samt einem Minnespiel widerfhrt, ist viel mehr wert als sein Gut und sein Besitz.

Der Knecht ruft einen literarisch-hçfischen Kontext (hohen muot) und eine providentielle Deutungsstruktur auf (V. 250). Er beklagt nicht den Geldverlust, sondern integriert ihn in ein teleologisches ventiure-Narrativ. Der Kontrast zwischen der hçfischen Deutung des Knechts und der çkonomischen des Ritters macht die Funktionsweise einer çkonomischen und einer ançkonomischen Logik sichtbar. Die çkonomische Logik folgt einem materiell-quantitativen Maßstab: Je mehr man besitzt, desto besser. Die ançkonomische Logik basiert dagegen auf dem Kontrast von materiellen und nichtmateriellen Werten. minne und ventiure erhalten ihren ›Wert‹ durch die Abgrenzung von einer materiell-quantitativen Logik. Erst durch den Verlust des Geldes kann der Beischlaf als Verausgabung und damit als Liebesabenteuer gedeutet werden. Die verschiedenen Deutungen des Knechtes machen auf der Erzhlebene die Instrumentalisierbarkeit der ›Verausgabungsrhetorik‹ sichtbar, da sie wahlweise zum Einsatz kommen. Doch zielt das Mre nicht darauf, die hçfische Verausgabungslogik auf eine materielle Logik zu reduzieren. Vielmehr erscheinen die çkonomische und die ançkonomische Logik als zwei von mehreren Sinnstiftungsformen (z. B. Geldverteilen, Großzgigkeit oder Er34 Der Zufall wird somit gerade nicht »als traditioneller Katalysator von aventiure […] besttigt« (Friedrich [1996], S. 19), sondern vom Protagonisten (V. 191 – 193) auf diese Weise gedeutet. Der Text weist dies als eine neben anderen mçglichen Deutungen aus.

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zhlen), die sich im Verlauf des Textes alle als instrumentalisierbar erweisen. Es setzen sich deshalb im Minnelohn die Figuren durch, die die Fhigkeit besitzen, etwas zu einem sozial relevanten ›Wert‹ zu machen. Der Tausch von Geld und Ring dient in der Szene zwischen Ehefrau und Ritter der Umdeutung des Ehebruchs. In der gerade analysierten Szene wird dagegen der Tausch zu einem Ereignis, das selbst gedeutet und in weitere Sinnstiftungen integriert werden kann. Es wird zu zeigen sein, dass der syntagmatische Verlauf des Textes nicht zuletzt dadurch geprgt ist, dass der Ehebruch Deutungen auslçst, die zu einem Ereignis werden, das seinerseits wieder umgedeutet werden kann.

Die Erzhlung des jungen Ritters Whrend einer Erzhlrunde im Wirtshaus berichtet der junge Ritter vom Ehebruchsgeschehen als einem aubentr (V. 413).35 Der Text thematisiert damit zum einen die Rahmenbedingungen des Erzhlens und Deutens, zum anderen das Verhltnis von einem Ereignis und dessen Narrativierung. Da es sich dabei um eine Art mise en abyme-Situation handelt (das Erzhlen eines Teils der Erzhlung wird erzhlt36), wird die Unterscheidung zwischen der Erzhl- und der Handlungsebene sowie zwischen Welt- und Selbstreferenz sowohl thematisiert als auch aufgehoben. Mit der Erzhlrunde werden einerseits die Topoi eines ›geselligen Erzhlens‹37 aufgerufen: Es ist von guote[m] muot[] (V. 411), Wein (V. 410), tagalt (V. 417; »Scherz«) und der wirtin gemait (V. 414; »vergngten Wirtin«) die Rede. Andererseits erscheint das Erzhlen von tagalt auch als kompetitive Situation. Der ltere Ritter fhrt seine Erzhlkunst vor und fordert anschließend den jungen auf, auch eine ›Geschichte‹ zu bieten. Die im Turnier nicht aktualisierte Rivalitt (der ltere untersttzt den Jngeren und kmpft selbst nicht) taucht somit im Bereich des 35 Erzhlungen, insbesondere diejenige des jungen Ritters, werden hier mehrmals als aubentr bezeichnet (V. 413, 423, 432). aubentr ist auch in anderen Erzhlungen Kaufringers ein zentraler Begriff, besonders hufig steht er fr ein erzhlenswertes Ereignis sowie die mit dem Erzhlen einhergehende Sinnstiftung. Vgl. z. B. Die Suche nach dem glcklichen Ehepaar, V. 139, 298, 309, 375. 36 Zur mise en abyme vgl. Fricke (2003a), der unterschiedliche Formen der Selbstreferenz unter dem Begriff der »Potenzierung« zusammenfasst. Zu ›Erzhlungen in Erzhlungen‹ in der Vormoderne vgl. Haferland/Mecklenburg (1996), die insbesondere hervorheben, dass damit eine »Selbstthematisierung des Erzhlens« geschieht (S. 16); vgl. Grubmller (1996d), der die These aufstellt, dass ›Erzhlungen in Erzhlungen‹ in den Mren die Funktion haben, zu tuschen und Tuschungen aufzudecken. Auf der poetologischen Ebene sei deshalb das Erzhlen eine »Verfremdung zum Zwecke des Erkennens« (S. 257). Problematischerweise unterscheidet Grubmller jedoch nicht zwischen Erzhlungen, die von einer Figur direkt erzhlt werden, und solchen, die der Erzhler nur indirekt (und z. T. stark verkrzt) wiedergibt. 37 Vgl. Friedrich (2005), S. 231, der darunter ein Erzhlen versteht, das nicht »pragmatisch« in Gebrauchszusammenhngen wie Lehre, Predigt, Brief verankert ist, das aber auch nicht fr eine »Autonomie des Literarischen« steht.

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Erzhlens wieder auf. Es ist nicht in einem machtfreien Raum, sondern im Spannungsfeld von Agonalitt und kooperativer Geselligkeit angesiedelt. Der junge Ritter reagiert auf die Herausforderung des ltern mit der Erzhlung des erschlichenen Beischlafs. Sein Bericht folgt – im Unterschied zur ersten fokalisierten Schilderung des Ehebruchs 200 Verse frher (V. 110 – 233) – ganz den Gattungskonventionen des Schwanks: Er beginnt mit der Beschreibung der Ehefrau und erwhnt erst danach den Ehemann (V. 435 – 441).38 Er erzhlt stringenter als der Kaufringer’sche Erzhler und informiert von Beginn an auktorial ber die Absichten und Verstellungen der Ehefrau (V. 442 – 444). Er baut gezielt einen Helden auf, der listig tuscht (V. 449 – 451) und am Ende in hochem muot (V. 471) von dannen zieht. Dies widerspricht der Darstellung des Erzhlers, der zufolge der Ritter ber den Geldverlust betrbt ist (V. 264 f.), whrend der Knecht von hohe[m] muot[] spricht (V. 248). Der Kontrast zwischen den verschiedenen Darstellungsformen und Deutungsstrategien des Ehebruchs weist das Schwankerzhlen als Erzhlkonvention mit spezifischem Muster (chronologisches und auktoriales Erzhlen, listiger Held) aus und macht zugleich Kaufringers ›Eigenstndigkeit‹ gegenber dieser Konvention sichtbar. Doch dient die Binnenerzhlung nicht nur dem Hervorheben von Erzhlkonventionen, sondern auch dem Thematisieren der Wirklichkeitsreferenz. Der alte Ritter versteht die Erzhlung des jungen Ritters nicht als Variation von bekannten Schwankmotiven, sondern als Darstellung einer (vergangenen) Wirklichkeit.39 Er fordert den Jungen nach dessen Erzhlung auf: zaigt uns das vingerlein, / so mgen wir gelauben das. (V. 478 f.; »Zeig uns den Ring, dann werden wir es glauben.«) Der Ring bezeugt ihm die Identitt des Erzhlers mit dem Ehebrecher und der weiblichen Schwankfigur mit seiner Ehefrau (V. 478 – 484). Ring und Erzhlung werden so gegenseitig aufgeladen: Die Erzhlung verschafft dem Ring einen Zeugnisstatus und der Ring garantiert wiederum die Wirklichkeitsreferenz des Erzhlten. Die Konventionalitt des Erzhlten und dessen Weltreferenz werden somit gegeneinander ausdifferenziert, ohne dass das eine das andere verunmçglichen wrde.

Zeichen-, Sinnstiftungs- und Erzhlfunktionen von Ring und Geld Der junge Ritter bezeichnet den Ring beim Tausch mit der Frau ironisch als Liebes- und Erinnerungspfand (darbei gedenk ich ewer, V. 212), obwohl er sich in den folgenden Szenen nur fr dessen geringen monetren Wert interessiert. 38 Dies unterscheidet sich von der Darstellung des Ehebruchs am Beginn, bei der zuerst der Ehemann und dessen Licht erwhnt werden (V. 127 – 135). 39 Friedrich (1996), S. 22, betont, dass »zwei entgegengesetzte Rezeptionsweisen miteinander verbunden werden: die çffentlich unterhaltsame der Gruppe und die privat betroffene des alten Ritters«.

Verhandlungen ber das Geschehene

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Im Wirtshaus erhlt der Ring einen Zeugniswert. Aber erst, als der junge Ritter sich ein zweites Mal auf der Burg aufhlt, wird der Ring zum Erinnerungszeichen. Whrend der Jagd des Ehemannes bleibt der junge Ritter mit der ihn noch nicht erkennenden Ehefrau zurck; er steckt sich, ohne etwas zu sagen, den Ring an den Finger (V. 609 f.). Die Frau fragt durch got, den rainen, / […] wannen kompt ewch das vingerlein? (V. 616; »Um Gottes willen, woher habt ihr den Ring?«), der Ritter antwortet das wißt ir wol und eben (V. 617). Ohne eine korrelierende Erzhlung erscheint der Ring nicht als Zeugnis, sondern als Appell zur Erinnerung. Der Ring erhlt somit am Ende doch noch die Memoria-Funktion, die ihm beim Tauschhandel ironisch zugeschrieben wurde. Doch im Unterschied zu einer traditionellen Liebesgabe will der Ritter weniger an das minnespil als an den ›ungleichen Tausch‹ erinnern. Er fhrt fort: selber hapt ir mirs gegeben / umb sechzig berait guldein (V. 618 f.; »Ihr selbst habt ihn [den Ring] mir gegeben, fr sechzig bare Gulden«). Der Ring ermçglicht dem Ritter, das Geschehen indexikalisch anzudeuten, ohne es zu erzhlen.40 Im Verlauf der Erzhlung bt der Ring somit ganz unterschiedliche Zeichenfunktionen aus. Er hat eine metonymische, symbolische, materielle und appellative Dimension, die die paradigmatischen Bezge vervielfachen. In der Erzhlung zirkulieren jedoch parallel zum Ring auch die sechzig guldein (V. 205), die ihn in seiner Funktion als paradigmatischer Beziehungsstifter geradezu konkurrenzieren. Denn die beiden Tauschobjekte gleichen sich in Vielem. Beide verdichten das erzhlte Geschehen, indem sie im Erzhlverlauf immer von Neuem auftauchen und von den Figuren zur (Um-)Deutung des Ehebruchgeschehens genutzt werden. Auch lautlich klingt das rotguldin vingerlein (V. 213; »Ring von rotem Golde«) den guldein sehr hnlich, die spter vom lteren Ritter auch als rote[s] gold (V. 715) bezeichnet werden. Doch wie der Erzhler gleich zu Beginn betont, sind die beiden Tauschobjekte ungeleich (V. 216). Whrend der Ring aufgrund seiner Singularitt indexikalische Funktionen bernehmen kann, steht beim Geld dessen monetrer Wert im Vordergrund; ein Wert, der sich teilen lsst und der strker als der Ring Potentialitt verkçrpert. Denn Geld steht nicht fr Singularitt, sondern gerade fr die unzhlbaren Mçglichkeiten, fr die es verwendet werden kann – also z. B. sowohl fr eine ritterliche ventiure als auch fr den Beweis des eigenen Adels oder fr ein Liebesabenteuer. Udo Friedrich41 vertritt die These, dass in den Mren durch »widersprechende Handlungsmuster« ein »Raum fr Kasuistik« entstehe, in dem »kon40 In Kaufringers Die Suche nach dem glcklichen Ehepaar erscheint eine hnliche Form der Memoria als Bestrafung einer Ehebrecherin. Sie wird von ihrem Mann gezwungen, jeden Abend aus der Hirnschale ihres vom Mann getçteten Liebhabers zu trinken (V. 210 – 258). Dabei wird die Hirnschale (V. 250) wie im Minnelohn der Ring (V. 470) als pfand bezeichnet. 41 Friedrich (2005), S. 231 f., entwickelt den Begriff des Kasus im Verweis auf Jolles (1982), S. 171 – 199. Jolles wiederum versteht darunter ein Erzhlen (auf der Grenze zwischen ›einfacher Form‹ und ›Kunstform‹), das unterschiedliche Normen gegeneinander abwgt, ohne eine Ent-

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troverse Sachverhalte zur Diskussion gestellt« wrden. Im Zurckgegebenen Minnelohn erzeugt neben den wiederholten Deutungen des Geschehenen gerade die parallele, aber ungleiche Referenz von Ring und Geld einen solchen kasuistischen Raum. Denn anstelle eines Objekts zirkulieren Ring und Geld,42 die beide die einzelnen Szenen (paradigmatisch) aufeinander beziehen, doch jeweils mittels anderer Verweisformen. So entstehen plurale Verknpfungsmçglichkeiten des syntagmatischen Geschehens, die sich nicht auf einer Wertebene oder in einem dominanten paradigmatischen Erzhlmodell (wie z. B. einer Generationenerzhlung) fassen lassen.

7.3 Monetre Konfliktlçsung Der Konflikt von Ehemann und Ehebrecher wird in Kaufringers Minnelohn wie im Bildschnitzer (Kap. 6) monetr und ohne kçrperliche Gewalt ›gelçst‹. Der Ehemann verlangt das Geld von der Frau zurck, vergleicht es mit dem, was die drei Beteiligten zum ›Spiel‹ beigetragen haben, und gibt jedem der drei Personen einen Drittel davon (V. 688 – 722). Diese »Konfliktlçsung« wird in der Forschung sowohl als »sozial konstruktive«43 gepriesen als auch als »Besitzstreben« verurteilt. Gemß Rdiger Krohn wird im Minnelohn eine positiv besetzte weißhait durch eine »notdrftig (durch die Spielmetapher) verhllte Profitgier« ersetzt.44 Udo Friedrich kritisiert daran zu Recht, dass auf diese Weise die Konfliktlçsung nur auf der Ebene der Motivation der Figuren gelesen wird. Friedrich geht deshalb von der »Spielmetapher« aus, die sowohl auf die »Formen adeliger Statusreprsentation« als auch (selbstreferentiell) auf den fiktionalen Status des Erzhlens verweise:45 »In den ›Spielraum‹, den der Text mit der eingangs geschilderten Aventiuresituation vorgibt, werden Determinanten der Realsphre (Geld) und einer weiteren Spielwelt (Ehebruchschwank) eingespeist.« Dabei werde der Konflikt in einem ersten Schritt durch eine »fingierte Spiellçsung«46 und in einem zweiten – wenn der junge Ritter

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scheidung zu treffen. Was sich im Kasus »verwirklicht, ist das Wgen, aber nicht das Resultat des Wgens« (S. 191); vgl. zur Problematik von Jolles‘ Begriff des Kasus Stierle (1973), S. 362 f. Vgl. z. B. das Mre Sociabilis, bei dem einzig ein Ring zirkuliert, der auch allein die Funktion hat, als Erkennungszeichen zu dienen. Bei Claus Spaun hingegen zirkuliert nur das Geld, das auch strker als bei Kaufringer auf seinen monetren Wert fixiert wird. Ragotzky (1985), S. 120: »Mit Hilfe eines Brettspiels […] entsteht eine neue Konstellation, in der nun – und zwar noch weit intensiver als zuvor – fraintschaft und gesellschaft als sozial konstruktives Potential wirksam werden kçnnen.« Vgl. auch Haug (1993), S. 24 f., der das Ende abwertend als »versçhnlichen Schluß« und als »sinnstiftende[s] Schlußmotiv[]« bezeichnet, das der Kurzerzhlung fremd sei. Krohn (1986/1987), S. 263. Friedrich (1996), S. 24 f. Ebd., S. 27; vgl. auch S. 24: »Die [Spiel-]Metapher bietet Lçsungsoptionen, die vom zugrunde liegenden moralischen Konflikt gnzlich absehen.«

Monetre Konfliktlçsung

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sich am Ende fr die Ehefrau einsetzt47 – durch »soziale Konfliktlçsungsmodelle« bewltigt.48 Dass mit dem Spielbrettvergleich die »Differenz von Spiel und Realitt, von freiem und instrumentellem Spiel«49 aufgerufen wird, lsst sich jedoch am Text nur schwer nachweisen. Es ist nicht das Spiel, sondern vielmehr die Rhetorik des Vergleichens, die zu einer gewaltlosen Lçsung fhrt.50 Dabei vergleicht der Ehemann den Ehebruch nicht mit einer Spielhandlung, sondern mit den unterschiedlichen Beitrgen einzelner Spieler zu einem Spiel. Die abschließende Geldverteilung wird deshalb als weitere (Um-)Deutung des Ehebruches verstanden. Geldverteilen als auktoriale Ermchtigung Um die Eigenheiten der Kaufringer’schen Geldverteilung genauer zu verstehen, mçchte ich sie kurz mit derjenigen in Claus Spauns Fnfzig Gulden Minnelohn vergleichen. Auch bei Claus Spaun erzhlt der Ehebrecher, ein Student, dem unerkannten Ehemann, dass er fr den Beischlaf mit dessen Frau all sein Geld ausgegeben hat. Der Ehemann merkt, dass es sich um seine Ehefrau handelt, und verlangt im Beisein aller Beteiligten die fnfzig Gulden von seiner Frau zurck. Er gibt dem Studenten mnz fr ain guldin (V. 325), damit dieser allen einen lon auszahlt (V. 332; 335; 345): der Magd zwanzig Pfennige fr die Kuppeldienste, der Ehefrau sechs Pfennige fr den dreimaligen Beischlaf (3x2) und dem Ehemann selbst 24 Pfennige fr das dreimalige Zum-Tanz-Aufspielen (3x8).51 Dann gibt er dem Studenten die restlichen Gulden zurck. Der Ehemann spaltet somit seine eigene Person in zwei Rollen: Zum einen agiert er als vterlicher Regisseur,52 der dem Studenten wie ein deus ex ma47 Der junge Ritter sagt zum lteren: die fraw hat ewer huld verlorn; / ich komm nicht von hinnen zwar, / ir lassent dann die frawen gar / darumb komen ze huld / […] des bitt ich, lieber herre, hie / durch all gesellschaft, die wir ie / gehabt haben baid zesamen (V. 728 – 735). 48 Friedrich (1996), S. 25: »Beide Mren [Der zurckgegebene Minnelohn und Die Rache des Ehemannes] spielen zwar fiktive Lçsungen eines Ehekonflikts durch, doch nicht ohne diese letztlich in sozialen Konfliktlçsungsmodellen aufzufangen.« 49 Ebd., S. 26. Das »freie Spiel« wird beispielsweise im Mre nicht dargestellt. Auch beim Fest (fraudenspil, V. 402) nach dem Turnier wird bloß topisch eine Festsituation entworfen. Friedrich betont jedoch selbst, dass sich das »freie Spiel […] nur partiell von seiner Referenzwelt (instrumentelles Spiel) emanzipiert [hat]« (ebd.). 50 Man kann natrlich argumentieren, dass das explizite Entwerfen einer Vergleichssituation den Status von erzhlten Geschichten (deren ›Fiktionalitt‹, deren ›als ob‹) thematisiere, und dies wiederum auf die Spielmetapher beziehen. Doch sollten dann das Objekt des Vergleichs (spil) und die Struktur, etwas Geschehenes mit einer anderen Situation zu vergleichen, voneinander unterschieden werden. 51 Bei Claus Spaun muss der betrogene Ehemann whrend des Ehebruchs an die Wand klopfen, um die vorgetuschte Angst der Frau zu vertreiben (V. 129 – 131, 163, 181). 52 Friedrich (2006), S. 63 – 68, versteht das Mre als Kombination zweier Erzhlmuster, nmlich des Exemplums vom belen wp und der Replikerzhlung (Schdigung und analoge Rache).

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china das Geld zurckgibt und ihm vorschreibt, was er damit zu tun habe.53 Er zwingt den Studenten, der Ehefrau einen ußerst geringen Betrag zu bezahlen und sie dadurch als ›billige Frau‹ zu erniedrigen.54 Er demonstriert damit die Macht des Regisseurs, der seine Rivalen wie Spielfiguren lenken kann. Zum anderen ist der Ehemann eine beteiligte Figur, nmlich ein Musiker, der hçher als die beiden Frauen bezahlt wird. Durch die Neuverteilung des Geldes und die Reinszenierung der Bezahlung kann der Ehemann somit das Geschehen umdeuten und seine Position rehabilitieren. Er schafft eine klare Hierarchie zwischen sich und dem beschenkten Studenten und klammert so die sexuelle Rivalitt aus. Einen betrogenen Ehemann gibt es weder in der einen noch in der anderen Rolle. Auch in Kaufringers Minnelohn ›rcht‹ sich der Ehemann, indem er als Regisseur agiert. Dies beginnt bereits in dem Moment, als der junge Ritter dem lteren vom Ehebruch erzhlt, und dieser sich nichts anmerken lsst. Der ltere nutzt den Wissensvorsprung und inszeniert eine sorgfltige und schrittweise Enthllung der Ehebrecher : Als der junge Ritter die Burg und damit sein Gegenber erkennt, geschieht zunchst nichts. Er wird großzgig bewirtet (V. 566 – 573)55 und dann mit der Ehefrau alleine gelassen, whrend der Ehemann auf die Jagd geht (V. 605). Der Ehemann hlt die Mçglichkeit der Rache prsent, ohne sie zu vollziehen.56 Er rehabilitiert somit seine Macht in einem ersten Schritt durch einen Aufschub der Konfrontation. Er erzeugt damit gegenber den Ehebrechern eine hnliche Spannung, wie der Text gegenber den Lesenden. Anhand der intratextuellen Verweise wird auch auf der Rezeptionsebene die Erwartung der Rache geweckt57 und die Aufmerksamkeit

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Zudem wrden die Protagonisten »unterschiedliche Formen der Spannung von Vernunft und Affekt« verkçrpern: Die Ehefrau verkçrpere die Geldgier, der Student die ungezhmte Libido und der Ehemann die Rationalitt (S. 67). das brig gelt das hab dir wider / und wird darmit frum und bider. / das mal das selb will ich dir schenken, / das du dest baß mgst dran gedenken. (V. 355 – 358; Herv. S. R.). Anschließend mahnt der Ehemann den Studenten, den Fehler nicht zu wiederholen (V. 359 f.). Die Ehefrau erhlt den geringsten lon und wird dadurch von der listigen (Geld-)Gewinnerin zur kuflichen Frau gemacht. Vgl. dazu Stede (1993), S. 51 f; Friedrich (2006), S. 66. Die großzgige Gastfreundschaft des lteren (der junge Ritter wird seit der Ankunft in der veste nur noch als gast bezeichnet, vgl. V. 562 u. ç.) ruft einerseits die Kooperation der beiden Mnner auf (auch der Wein, V. 573, verweist auf die ›Geselligkeit‹ im Wirtshaus). Andererseits begibt sich der Student als Gast in die Abhngigkeit vom Gastgeber, der hier auch sein Rivale ist. Die Ambivalenz dieser Gastfreundschaft wird vom Knecht explizit thematisiert (V. 550 – 558). Sie wird im nchsten Kapitel im Zusammenhang des Mres Brgermeister und Kçnigssohn (Kap. 8.) Thema sein. Neben der Gastfreundschaft verweist auch die Jagd auf eine mçgliche Rache. Denn in einigen Mren gibt der betrogene Ehemann vor, auf die Jagd zu gehen, um whrenddessen Rache zu ben; vgl. z. B. das Herzmære. Der ltere fragt etwa den Jngeren: ist ew dise weil / nicht lang hie in dem hawse mein? (V. 642 f.). Dies verweist auf die Ehebruchsszene, in der der Ehemann der Frau die weil verkrzt: der herr lchtet ir also / […] ob ir die weil mçcht kurz gesein (V. 142 – 144). Friedrich (1996),

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darauf gelenkt, ob und wie die Vergeltung eintreten wird. Das Erzhlmuster einer Replikerzhlung58 wird aufgerufen, aber dadurch berboten, dass die Replik nur verzçgert und nur symbolisch-monetr statthat. In einem zweiten Schritt spaltet sich der Ehemann wie bei Claus Spaun in eine bergeordnete (erzhlende) und eine beteiligte Figur.59 Er beginnt mit der Beschreibung eines Vergleichsszenarios:60 ›es ist recht ob allem spiel, wer die wrfel legen wil, der hat seinen tail da zwar. wer das pret dann leihet dar, seinen tail der haben sol. wer dann darzuo lchtet wol, dem sol man in das liecht geben.‹ er geleichet die guldin eben in drei tail mit rechter zal. ieglieches haufen beral was zwainzig guldin und nicht mer. (V. 697 – 707) ›Es ist genau wie bei jedem Spiel, wer die Wrfel auslegt, der erhlt seinen Teil. Wer das Brett dann dazu leiht, der soll seinen Teil haben. Wer zudem gut leuchtet, der soll fr das Licht seinen Teil erhalten.‹ Er

S. 23, weist zudem darauf hin, dass der feierliche Empfang auf das heimliche Einschleichen des Ritters am Beginn des Mres hinweist. 58 Vgl. Bausinger (1967) sowie dazu Kap. 1.6 des vorliegenden Bandes. 59 Schnyder (1997), S. 401, spricht von einem »Spielleiter«, der »massvolle Revanche« bt. Dass er sich zugleich auch zum »Mitspieler« macht, versteht er als »indirektes Eingestndnis seiner [des Ehemannes] Torheit«. 60 Kaufringers Mre Der verklagte Bauer ist ebenfalls von einem Vergleich geprgt. Ein Bauer vergleicht sein Pferd mit einem Priester. Er erklrt die Vergleichsbeziehungen ausfhrlicher als der Ehemann im Minnelohn, indem er das Vergleichsszenario erzhlend auf die ›Wirklichkeit‹ bezieht: der priester sollich witz [wie das Pferd] nit hat / […] der pfaff dem richter minnt das weib (V. 633, 639). Die Pointe besteht jedoch auch hier nicht im Vergleich selbst (dass das Pferd intelligenter ist als der Pfarrer und nicht zweimal denselben Fehler macht), sondern in den Details, die der Bauer bei der Explizierung des Vergleichs hinzufgt, nmlich, dass der Fehler des Pfarrers darin besteht, trotz der Bestrafung weitere Ehebrche zu begehen, und es sich beim betrogenen Ehemann um den Richter handelt. Auch Strickers Der Kluge Knecht ist von einer Vergleichserzhlung dominiert. Dort besteht die Pointe jedoch darin, dass der Knecht die aktuelle Situation (der Ehebrecher ist unter der Bank versteckt) durch eine bertragene Erzhlung darstellt (ein Wolf, der es auf die Schafherde des Ehemannes abgesehen hat). Durch indexikalische Vergleiche (daz [swn] was rehte als daz vrheln, / daz dort fe lt gebrten, V. 226) bezieht der Knecht die bertragene Binnenerzhlung auf die aktuelle Situation. Doch im Unterschied zum Minnelohn, in dem der Vergleich die Funktion hat, zu erinnern und dabei umzudeuten, geht es bei Stricker um eine Enthllung. Vgl. zu den Vergleichserzhlungen auch Grubmller (1996d), S. 243 – 246.

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7. Zirkulierende Gaben zwischen den Generationen teilt die Gulden in drei Teile mit gleicher Anzahl. Der Haufen von jedem war insgesamt zwanzig Gulden groß.

Whrend der Ehemann bei Claus Spaun auf die Logik des Leistungslohns rekurriert, inszeniert Kaufringers Ehemann die Geldverteilung als eine Gewinnverteilung, die sich nicht nach Gewinnern oder Verlierern, sondern nach dem jeweiligen Einsatz des Spielers richtet.61 Dadurch wird die asymmetrische Ehebruchskonstellation (zwei Gewinner, ein Verlierer) in eine kooperative Situation verwandelt, in der drei Beteiligte gemeinsam etwas (ein spil) zu Stande gebracht haben und sich nun den Gewinn teilen.62 Die monetre Gleichrangigkeit der drei Beteiligten wird jedoch auf der symbolischen Ebene dadurch konterkariert, dass die drei Einstze (Wrfel, Brett, Licht) unterschiedlich konnotiert sind: Wrfel und Brett tragen eindeutig sexuelle Konnotationen, das Licht hingegen nicht.63 Als der Ehemann die drei Spieleinstze je einer Person zuordnet, tritt die Diskrepanz von monetren und symbolischen Werten besonders hervor. Der Wrfel wird dem jungen Ritter, das Brett der Frau und das Licht dem Ehemann zugeteilt.64 er bot den ainen tail her dem gast. er sprach: ›nu nement hin in die wrfel den gewin, die ir gesprengt habt in das pret.‹ (V. 708 – 711) Er bot den einen Teil dem Gast an. Er sagte: Nehmt nun zu den Wrfeln, die ihr in das Brett geworfen habt, den Gewinn.

Nachdem der Ehebruch bereits mehrfach durch ›Wiedererzhlen‹ reinterpretiert wurde, greift der Ehemann hier auf eine Deutungsstrategie zurck, die nicht auf einer sinnstiftenden Narration beruht. Er schreibt mittels der Geldbergabe den beiden Ehebrechern ein sexuelles Vergehen zu, ohne dass er erklrt, auf wessen Kosten (Ehemann) dies geschehen ist. Er benutzt damit eine Verweisform, die derjenigen des Geldes hnlich ist. Das Medium Geld zeichnet sich wie die Geldverteilung des Ritters durch semantische Unterbe61 Man kçnnte mit Sahlins (1974), S. 189 f. das Erste als ›reziproke‹, das Zweite als ›distributive‹ Logik bezeichnen. 62 So auch Friedrich (1996), S. 24: »[…] doch wird seine [des Ehemannes] Rolle durch eine Verschiebung des Bildfeldes positiv besetzt. Innerhalb der metaphorischen Lçsung wird der alte Ritter nun zum Komplizen eines Gewinnspiels, aus dem er seinen Anteil einfordert.« 63 Die sexuellen Konnotationen von ›Wrfel‹ finden sich z. B. auch in der Rache des Ehemannes; vgl. dazu auch Hildenbrock (1983), S. 287 f. Das Licht ist hingegen vieldeutiger. Grubmller (2002), S. 202, liest es als geistige Qualitt des lteren Ritters, die dem jngeren fehlt. Friedrich (1996), S. 24, versteht das Licht als Anspielung auf die Redewendung »Das Licht zu etwas halten«, die fr »dubiose Hilfsdienste« steht; hnlich Schnyder (1997), S. 404, Anm. 37. Nach Schnyder (1999), S. 120, verdeutlicht das Licht die marginale Funktion des Ehemannes, weil der Beischlaf auch ohne Licht mçglich wre. 64 Der bergebene Betrag wird als gewin (V. 710), als sold (V. 716) und als lon (V. 721) bezeichnet.

Monetre Konfliktlçsung

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stimmtheit aus: Es verweist bloß auf den Wert und nicht darauf, wie und auf wessen Kosten er zu Stande gekommen ist. Zugleich ist das Geld aber auch ›berbestimmt‹, weil es nicht nur fr einen spezifischen Gegenwert, sondern fr ›alles‹ steht, was sich mit dem Betrag kaufen lsst65 – genauso wie die unbestimmte Anschuldigung des Ritters auf ganz viele verschiedene potentielle Rachemçglichkeiten verweist, die bedrohlicher sind als eine konkrete. Der alte Ritter sttzt sich somit nicht mehr – wie bei der Leihgabe – auf vorhandene materielle Werte, sondern – wie der junge Ritter – auf potentielle, deren ›Mchtigkeit‹ darin liegt, dass sie nicht konkretisiert werden. Der Ehemann expliziert bei der Geldverteilung – im Unterschied zum Ehemann Claus Spauns – die Relation zwischen Vergleichsszenario und Lebenswelt sehr detailliert. Interessanterweise implodiert die Unterscheidung dieser beiden Bereiche aber genau im Moment der grçßten Explizitheit. Denn die Rolle des Lichthalters wird nicht in ein Vergleichsszenario bersetzt, sondern der Ehemann ist sowohl auf der Ebene der vergangenen Ereignisse (Lebenswelt) als auch auf derjenigen des Vergleichs (Vergleichsszenario) der Trger einer Lampe. Es wird deutlich, dass diese Rolle bereits in der Handlungswelt aufgrund ihrer Bildhaftigkeit66 und ›Verweiskraft‹ eine ›bertragene‹ oder metaphorische ist. Die sogenannt ›erste‹ Bedeutung wird so als ›zweite‹, d. h. als immer schon bertragene lesbar. Am Ende einer Kette von wiederholten Umdeutungen eines Ereignisses wird somit das Ereignis selbst bzw. dessen originrer Status in Frage gestellt. Es ist nicht mehr ›Faktum‹, das durch Deutungen berlagert wird, sondern ist bertragung und liegt somit auf derselben Ebene wie die Deutungen selbst. Die Kette der Umdeutungen endet also in dem Moment, als die Gleichrangigkeit von Referenzereignis und bertragung sichtbar wird.

Resmee: Syntagma der sich wiederholenden Sinnstiftungen Die Binnenhandlung von Kaufringers Minnelohn erzhlt eine typische Schwankpointe, nmlich die doppelte Substitution des Ehemannes. Doch findet sich diese Pointe nicht am Ende der Binnenhandlung, sondern an ihrem Anfang. Im weiteren Verlauf werden ›Wert‹ und Bedeutung dieses Ereignisses (Ehebruch) sowie die Rollen der Beteiligten verhandelt. Die Erzhlung entwickelt sich dabei syntagmatisch aus den Folgen der einzelnen Sinnstiftungen: Die getuschte Ehefrau erhlt Geld fr den Beischlaf und wird so von der Getuschten zur listigen Geldgewinnerin. Der junge Ritter bezahlt zwar nachtrglich fr das Liebesabenteuer, wertet aber – durch den erhaltenen Ring – die Bezahlung zu einem zweiseitigen Tausch von Liebesgaben um. In der Erzhlrunde im Wirtshaus prsentiert er die Ereignisse dagegen als Ehe65 Vgl. dazu Kap. 2.9 – 10 des vorliegenden Buches. 66 Vgl. die mehrfach geschilderte topographische Situation, die oben analysiert wurde.

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7. Zirkulierende Gaben zwischen den Generationen

bruchsschwank. Da er den Ring als Zeugnis seiner Erzhlung vorweist, wird sein tagalt (V. 417) fr den anwesenden Ehemann zu einer ›wahren‹ Erzhlung der eigenen Erniedrigung. Der Ehemann setzt der Schwankerzhlung deshalb eine eigene ›Umdeutung‹ entgegen: Im Rahmen eines Vergleichs verteilt er das vom jungen Ritter bezahlte Geld neu und stiftet damit sowohl Erinnern als auch Vergessen. Er teilt den Beteiligten Rollen in einem Vergleichsszenario zu, das von drei kooperierenden Partnern handelt und keinen Verlierer kennt. Auf diese Weise kann er das sexuelle Vergehen den Ehebrechern eindeutig zuschreiben, ohne seine eigene Rolle explizieren zu mssen. Das Mre entwickelt sich syntagmatisch entlang der Kette der Umdeutungen. Diese basiert darauf, dass jede Sinnstiftung zwei Seiten hat, nmlich eine konstative und eine performative. Zum einen wird in der Handlungswelt mittels Tauschen und Erzhlen Sinn gestiftet: Einem bereits vergangenen Ereignis wird nachtrglich (konstativ) ein bestimmter Sinn zugeschrieben. Zum anderen stellt jede Sinnstiftung (performativ) selbst ein Ereignis dar, das ebenfalls neu gedeutet oder in bestehende Sinnstiftungen integriert werden kann. Jede der einzelnen Sinnstiftungen lçst deshalb im Minnelohn weitere Sinnstiftungen aus. Man kçnnte sogar behaupten, dass die (theoretische) Unabschließbarkeit des hermeneutischen Prozesses zum syntagmatischen Erzhlprinzip gemacht wird. Dies wird besonders augenfllig, wenn der Text am Ende hervorhebt, dass auch das Ausgangsereignis (der Ehebruch) nur ein erzhltes ist. Im Vergleich mit den anderen hier analysierten Erzhlungen zeichnet sich der Minnelohn dadurch aus, dass Tauschen, Geben und Bezahlen bereits auf der Figurenebene eine sinnstiftende Funktion haben. Es wird deutlich, dass das Tauschen je nach Figurenkonstellation, Art des Tauschobjekts, sprachlicher Kommentierung und Betrachtungszeitpunkt ganz unterschiedliche Bewertungs- und Rollenzuschreibungen vollzieht. Gerahmt werden die tauschenden und erzhlenden Sinnstiftungen durch einen offenen ›Tausch auf Zeit‹: Ein lterer Ritter leiht einem jngeren Geld und Ausstattung, damit er die Tradition der ritterschefte (V. 48) fortsetze; eine Rckzahlung des Geliehenen wird nur bei Erfolg verlangt. Der Tausch ber die Zeit und die Generationen hinweg ist am Ende erfolgreich. Er basiert, wie das Mre im Binnengeschehen zeigt, auf einem sich kontinuierlich verschiebenden Verhltnis von aktuellem und potentiellem Besitz der beiden Mnner. Der ltere kann mit seinem eigenen aktuellen Besitz die Tradition (und seinen Ruhm) nicht erhalten und untersttzt deshalb den Jngeren, der das Potential dazu hat, dem aber die materiellen Voraussetzungen fehlen. Im Binnengeschehen sind deshalb die beiden Generationenvertreter nicht nur Kooperationspartner, sondern auch Rivalen, insbesondere in amourçser Hinsicht. Nach der Aufdeckung des Ehebruchs wird das Verhltnis der beiden Mnner neu verhandelt. Dabei kann der ltere eine kooperative Hierarchie (zu seinen Gunsten) etablieren, indem er sich die Mittel des Jngeren zunutze macht. Durch den Aufschub der Rache und durch die Verteilung des Geldes etabliert er eine Macht, die sich nicht auf aktuellen Besitz, sondern auf eine nicht

Monetre Konfliktlçsung

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konkretisierte Potentialitt sttzt: auf die je neu aufgeschobene Mçglichkeit einer Rachehandlung und auf eine Schuldzuschreibung, die die narrative Explizierung gezielt vermeidet. Selbstreferentiell wird dadurch die Macht eines Erzhlens sichtbar, das mit Aussparung, Aufschub und berdetermination arbeitet. Wenn das Mre sich syntagmatisch ber die sich wiederholenden Sinnstiftungsakte strukturiert, so ist es paradigmatisch durch das asymmetrische Verhltnis der beiden Protagonisten bezglich ihres aktuellen und ihres potentiellen ›Besitzes› geprgt. Dieses Verhltnis verndert sich im Verlauf der erzhlten Zeit notwendig und erzeugt so immer neue Destabilisierungen.

Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn

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8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn Die Kaufringer zugeschriebenen Mren sind bekanntlich nur einmal, im zweiten Faszikel des in Ostschwaben hergestellten und auf 1464 datierten Cgm 270 berliefert.1 Nur in drei der 17 Texte wird ein Verfasser genannt (Nr. 14, 16, 17), doch werden aufgrund der stilistischen und sprachlichen Einheitlichkeit alle 17 Texte Kaufringer zugeschrieben. Auffllig ist zudem das »offen zutage tretende[] Anordnungsprinzip«2 : Zwischen je zwei geistlichen Texten am Anfang und am Schluss finden sich 13 schwankhafte Texte,3 die Fischer dem Mren-Corpus zuordnet.4 Auch innerhalb dieser Gruppe entsteht der Eindruck einer absichtsvollen Anordnung, da motivische Variationen und Rekombinationen zu erkennen sind. Insbesondere einzelne Ehebruchmotive erscheinen geradezu korrespondierend angeordnet.5 Jana Sander zufolge stiftet die stilistische und motivische Einheitlichkeit Kohrenz und verknpft die einzelnen Texte so stark miteinander, dass bei einem zweiten Lektredurchgang die drei Autornennungen fr das ganze Faszikel Geltung erhalten

1 Vgl. Sappler in der Einleitung zu Kaufringer, Werke, S. VII-XI; Sander (2001), S. 236 – 239; Schneider (1970), S. 189 – 208; Mihm (1967), S. 25 f.; Euling (1888), S. I-V. Der erste Teil der Handschrift stammt von einem anderen Schreiber. Er enthlt Minnereden, Priameln, zwei Traumbcher und zehn Mren; vgl. dazu Sander (2001), S. 237. Wann die Faszikel zusammengebunden wurden, ist umstritten; vgl. ebd. sowie Mihm (1967), S. 25 f. Auffllig ist zudem, dass im »16. Jahrhundert […] ein Purgator Redewendungen mit sexuellem Beiklang in der ganzen Handschrift durch ihm weniger verfnglich erscheinende ersetzt [hat]«; so Sappler, in Kaufringer, Werke, S. IX; er verzeichnet die ›Eingriffe‹ im Apparat. Diskutiert wird auch, ob und wann in der sechsten Lage Bltter entfernt wurden; vgl. ebd., S. VI, Anm. 10; Sander (2001), S. 237 f.; Euling (1888), S. II. Neben dem Cgm 270 enthlt die Handschrift Berlin, Staatsbibliothek, Mgf 564, von 1472 zehn bispelartige Erzhlungen und Reden, die alle am Ende mit derselben Formulierung Kaufringer zugeschrieben werden; in der Handschrift Mnchen, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 1119, ist zudem die Erzhlung Der Einsiedler und der Engel ein zweites Mal berliefert, wohl in einer vom Cgm 270 abhngigen Form; vgl. dazu Sappler (1983), Sp. 1078 f. sowie Kaufringer, Werke, S. VIIIf. 2 Sander (2001), S. 236. 3 Sander (2001), S. 234 – 238, weist nach, dass eine ersichtliche Ordnung von Mrentexten, die demselben Autor zugeschrieben werden, auch unter den wenigen Mren-Handschriften, die einen einzigen Autor tradieren, eine Ausnahme darstellt. 4 Fischer (19832), S. 148 – 152; Steinmetz (1999), S. 60, vertritt dagegen die These, dass nur bei den geistlichen Reden und Exempla der Verfasser genannt wird und deshalb Die unschuldige Mçrderin (Nr. 14), an deren Ende Kaufringer genannt wird, kein Mre sei. 5 Krohn (1986/1987) erkennt zwei ußere Dreiergruppen (Nr. 4 – 6 und Nr. 12 – 14), die »unterschiedliche Reaktionsweisen auf Ehebruch« thematisieren, nmlich einmal Versçhnung und einmal Rache. Diese »Reaktionsweisen« wrden wiederum vom Mre Die Suche nach dem glcklichen Ehepaar (Nr. 8) »kommentiert und relativiert« (S. 271). Die mittlere Gruppe (Nr. 9 – 11) erzhle vom vollzogenen Ehebruch mit listiger Rettung. Sander (2001), S. 246, bestimmt das bergreifende Thema der Mren einer Erzhlerbemerkung aus den Drei Nachstellungen des Teufels (V. 106 – 111) zufolge als »illegitime Sexualitt und weibliche Listfhigkeit«.

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8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn

und eine »Autorfiktion« entsteht.6 Ob aufgrund solcher »Kohrenzmerkmale« von einer »Autorfiktion« gesprochen werden kann, scheint mir jedoch fraglich, da durch die kohrenzstiftenden Wiederholungen weniger ein ›Autor‹ geschaffen wird, als vielmehr die Einzeltexte zu einer paradigmatischen Reihe verdichtet werden.7 Sander ist jedoch darin zuzustimmen, dass die Texte des Faszikels nicht als Einzeltexte, sondern als Teil einer Textgruppe zu verstehen sind, in der hnliche Motive und Erzhlstrategien immer wieder neu kombiniert und variiert werden.8 Die gerade erfolgte Interpretation des Zurckgegebenen Minnelohns werde ich deshalb am Ende dieses Kapitels auf weitere Texte und Textstrategien des Kaufringer-Faszikels beziehen.9 Vorher aber mçchte ich ein weiteres Mre des Faszikels, in dem wiederum Tausch- und Gabenakte eine zentrale Rolle spielen, genauer analysieren: Im Promythion des Mres Brgermeister und Kçnigssohn fordert der Erzhler, dass fr das Erlernen von zucht und tuget (V. 1; »Sittsamkeit und Tugend«) ein Aufenthalt in der Fremde nçtig sei. Die Erzhlung handelt im Folgenden vom Sohn des Kçnigs von Frankreich, der unerkannt in Erfurt studiert.10 Als sich in der Stadt Diebsthle hufen, verdchtigen die Ratsherren den als Studenten getarnten Kçnigssohn wegen seines aufwendigen Lebensstils als Dieb. Der Brgermeister wird beauftragt, mit dem Studenten zu sprechen. Er fragt ihn nach seinem geslcht (V. 99) und nach der Herkunft seines guot[s] (V. 141). Der Kçnigssohn will seine Abstammung nicht preisgeben und erfindet deshalb eine Begrndung fr seinen Reichtum: Er erhalte wçchentlich einen sold (V. 155), von jeder Hausfrau der Stadt ein halbes Pfund und von ihrer Magd ein viertel Pfund. Was der Kç6 Sander (2001), S. 242 f. Sie kritisiert damit Mihm (1967), S. 26, und Sappler (1983), Sp. 1079 f., die postulieren, dass die Textanordnung des Faszikels direkt auf Kaufringer zurckgehe. Zu den wenigen ungesicherten Hinweisen zum Autor, vgl. Fischer (1983), S. 149 – 152; Sappler (1983), Sp. 1077 f. 7 Sander (2001), S. 247. Es mssten auch strker historisch-semantische Konzeptionen von Autorschaft einbezogen werden. Vgl. zum Verhltnis von Einzeltext und Sammlung auch Strohschneider (2007), S. 166 f., 170 – 173, und Waltenberger (2006), S. 268 – 271. 8 Sander zeigt etwa, dass Aussagen, die gewçhnlich als fingierte Mndlichkeit gelesen werden (z. B. ich haun vor gesaget vil, V. 1, Der Zehnte von der Minne), auch auf die vorangehenden Texte des Faszikels bezogen werden kçnnen (ebd., S. 243). 9 Krohn (1986/1987), S. 261 f., ordnet den Minnelohn einer Dreigruppe zu, die vom Ehebruch erzhle, der nicht geshnt werde (neben dem Brgermeister gehçrt dazu Der feige Ehemann). Um die Anordnung zu verstehen, scheint es mir jedoch wichtig, auch formale hnlichkeiten einzubeziehen. So experimentieren z. B. einige Texte wie der Minnelohn mit Rahmenhandlungen, insbesondere die Mren Die Suche nach dem glcklichen Ehepaar oder Drei listige Frauen B. Ebenso spielen in mehreren Mren Binnenerzhlungen eine zentrale Rolle (Die Rache des Ehemannes, Der Mçnch als Liebesbote B sowie Die Suche nach dem glcklichen Ehepaar). Ein intertextuelles Spiel mit Erzhlmustern lsst sich auch in Der Mçnch als Liebesbote B und Die Suche nach dem glcklichen Ehepaar nachweisen. 10 Die Universitt Erfurt wird 1392 gegrndet, was oft als Datum post quem fr die Entstehung der Texte Kaufringers genannt wird; vgl. Fischer (1983), S. 149; Sappler (1983), Sp. 1077. Vgl. dazu auch Coxon (2002), S. 34 – 36.

Herkunft des Besitzenden und des Besitzes

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nigssohn fr diesen sold leistet, erwhnt er nicht explizit, doch deuten die Ratsherren die Aussage so, dass sie sie demtigt. Kurz darauf sitzt der Brgermeister mit seiner Frau am Fenster. Er sieht den Studenten und berichtet ihr, dass dieser von jeder Frau der Stadt wçchentlich fr das minne spil (V. 206) bezahlt werde. Die Ehefrau gibt sich vordergrndig entrstet, fragt sich jedoch heimlich, weshalb der Student sie bergehe. Sie entbrennt in Verlangen nach dem unerkannten Kçnigssohn und es gelingt ihr, sein Interesse auf sie zu lenken. Als der Brgermeister vorgibt, fr drei Tage wegzureiten, kommt es zum Stelldichein. Der Hausherr kommt jedoch frher zurck und berrascht die Ehebrecher im Bade. Er nimmt den beiden die Kleider weg, empfiehlt der Frau den Ehebrecher als Gast und schließt sie kurz ein. Kurz darauf bringt er ihnen Essen und Trinken und bietet dem Ehebrecher an, ihn allwçchentlich zu bezahlen, wenn er dem Haus von nun an fernbleibe. Der Kçnigssohn gibt sich zu erkennen und verspricht dem Brgermeister Zollfreiheit in Frankreich. Er bittet seinen Vater schriftlich um Privilegien fr den Brgermeister, wobei er ihm auch die Grnde fr diese Bitte schildert. Der Brgermeister ttigt von da an Handel in Frankreich und erwirtschaftet großen Reichtum (V. 446 f.). Das Epimythion lobt denjenigen als weislich (V. 454), der seinen Zorn bezhmen kann. Das Mre Brgermeister und Kçnigssohn steht im Kaufringer-Faszikel an vierter Stelle, Der zurckgegebene Minnelohn an fnfter. Die beiden aufeinander folgenden Mren weisen einige auffllige Gemeinsamkeiten auf. Beide Texte ergnzen erstens die typische Schwankhandlung durch eine Rahmenhandlung oder eine Vorgeschichte, die den Ehebruch in einen erweiterten (gesellschaftlichen) Kontext stellt: Im Brgermeister werden Einzelhaushalt und Stadtgemeinschaft aufeinander bezogen, im Minnelohn wird mit dem Ehebruch auch das Generationenverhltnis thematisiert. Zweitens spielen in beiden Mren Binnengeschichten eine zentrale Rolle: Im Brgermeister bewirkt die (erfundene) Erzhlung den Ehebruch, im Minnelohn wird durch die Erzhlung im Wirtshaus der Ehebruch aufgedeckt. Drittens prsentieren beide Erzhlungen nach der Aufdeckung des Ehebruchs eine gewaltfreie Beilegung des Konflikts, die auf dem Austausch von Geld oder Privilegien und einer Semantik der Gastfreundschaft beruht. Ich behandle die beiden Mren hier gegenber dem Kaufringer-Faszikel in umgekehrter Reihenfolge, um zu zeigen, dass einige im Minnelohn (Nr. 5) angelegte Erzhlstrategien im Brgermeister (Nr. 4) noch weiter zugespitzt werden.

8.1 Herkunft des Besitzenden und des Besitzes Ausgangspunkt der Mrenhandlung ist wie im Minnelohn ein Mangel: Die Stadt wird von bçsen tieben (V. 39) heimgesucht, die ihr monetres Gleichgewicht destabilisieren (V. 38 – 46). Doch im Unterschied zum Minnelohn liegt der Mangel nicht auf einer personal-familiren, sondern auf einer gesell-

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8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn

schaftlichen bzw. stadtçkonomischen Ebene. Der Ratsherr, der den vermeintlichen Studenten als Dieb beschuldigt,11 geht von der Stadt als einem ausgewogenen und geschlossenen monetren System aus: Zu jedem Haben gehçrt eine Soll; jeder Mangel erscheint anderswo als Gewinn.12 Dieser Logik zufolge muss der unerklrtermaßen reiche und fremde Student als Dieb erscheinen. Zugleich zielt die Beschuldigung darauf, das çkonomische Ungleichgewicht zu erklren, indem man es dem Fremden anlastet. Doch die Stabilisierung misslingt, weil der Kçnigssohn den Ratsherren stndisch und çkonomisch berlegen ist, ohne dass sie dies wissen.13 Der Kçnigssohn projiziert den Verdacht der Ratsherren, er verhalte sich unehrenhaft, souvern auf diese zurck. Er begrndet die çkonomische Instabilitt nmlich andeutungsweise mit einer sexuellen: […] mein sold is gar gewis, / […] mir geit die fraw aus iedlem haus / […] all wochen hie ain halbes pfunt. (V. 155 – 163; »Mein Lohn ist mir sicher. Mir gibt die Frau jedes Hauses jede Woche ein halbes Pfund.«) Der Kçnigssohn nennt die Gegenleistung fr den sold nicht und diese Lckenhaftigkeit erscheint geradezu als Bedingung fr die große Wirkung der Erzhlung. Denn die ›Lcke‹ wird mit ›Imaginrem‹ gefllt, das seinerseits durch (Schwank-)Erzhlungen geprgt ist. Die Ratsherren glauben sogleich, ihre Frauen seien ihnen untreu und wrden den Studenten fr den Liebesdienst bezahlen.14 Bekannte Schwankmotive (sexuelle Unersttlichkeit der Frau – armer, aber sexuell potenter Student15) haben nicht als erzhlte Wirklichkeit statt, sondern erscheinen als Imaginationen der Figuren. Dennoch sind sie handlungsrelevant, da die Unterstellungen der Ratsherren die erzhlte Wirklichkeit beeinflussen.

11 ain student ist hie in der stat, / der vor uns auf und nider gat / mit vil knechten kostlich gar, / […] wannen kompt im nur das guot, / das er hie verzert gar stt? / […] auf unsern schaden setzt er sich (V. 57 – 70). 12 Der Ratsherr argumentiert damit ganz im Sinne des ›konomismus‹, so wie ihn Bourdieu und Derrida kritisch dargestellt haben (vgl. Kap. 2.3 – 2.6 des vorliegenden Bandes). 13 niemant in da recht erkant, / das er von art ain knig was (V. 30 f.). 14 Die Reaktion der Ratsherren beschreibt der Erzhler folgendermaßen: ir weißhait was damit zerstçrt; / gestillet ward ir aller pracht (V. 176 f.). Das Verstndnis der erfundenen Geschichte wird konkretisiert, als der Brgermeister sie seiner Frau erzhlt: also treibt er [der Student] der minne spil (V. 206). 15 Dass die Frau fr das minne spil bezahlt, ist jedoch eher selten. Es findet sich aber in dem bereits von Barth (1910), S. 103, und Euling (1977), S. 64, angefhrten Fabliau Le fotor. Zum Vergleich von Le fotor und dem Brgermeister vgl. Frosch-Freiburg (1971), S. 219; Stede (1993), S. 41 – 48; Willers (2002), 56 – 58. Dass der Ehemann den Liebhaber fr den Ehebruch bezahlt, gibt es hingegen çfters. So etwa in Tor Hunor, Die Buhlschaft auf dem Baume und Des Weingrtners Frau und der Pfaffe.

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Intransparente Herkunft des Geldes Der erste Teil des Brgermeisters (V. 26 – 178) erzhlt wie derjenige des Minnelohns von der fehlenden bereinstimmung von Reichtum und Adel. Der als Student getarnte Kçnigssohn fllt in der Stadt durch seine unstandesgemß hohen Ausgaben auf. Ein Ratsherr schildert das Verhalten des Studenten folgendermaßen: er lebt hoch ze aller frist mit seiner zerung, die er tuot. wannen kompt im nur das guot, das er hier verzert gar stt? ain frst damit ze schaffen hett. (V. 62 – 66; Herv. S. R.) Er lebt jederzeit vornehm dank der Ausgaben, die er macht. Woher kommt nur das Gut, das er hier stetig verbraucht? Ein Frst kçnnte damit haushalten.

Der Ratsherr versteht die Ausgaben des sogenannten Studenten nicht als adelige milte,16 sondern als Zeichen fr eine illegitime Bereicherung. Zwar verknpft er Adel und Reichtum miteinander (V. 66), doch hat dies bloß eine rhetorische Funktion: Er hebt damit hervor, wie unstandesgemß und dementsprechend problematisch die Ausgaben des Studenten seien. Mann kann dies fast als Umkehrung der Ausgangssituation im Minnelohn lesen. In Letzterem gibt es einen adeligen Protagonisten, dem die materiellen Grundlagen fr die seine stndische Herkunft reprsentierenden Praktiken (ritterschefte) fehlen. Im Brgermeister hingegen ist der Adelige der Reiche, doch wird seine verschwenderische Praktik von den Brgern nicht als Zeichen einer adeligen Herkunft, sondern als Indiz fr Diebstahl interpretiert. In beiden Texten werden somit stndische Herkunft und materieller Reichtum gegeneinander ausdifferenziert, indem der Reichtum nicht notwendige Konsequenz des Adels ist (Minnelohn) oder nicht als untrgliches Zeichen fr Adel gelesen wird (Brgermeister).17 Ebenso fragt der Brgermeister den Kçnigssohn zuerst nach seiner genealogischen Herkunft (wer ir von geslcht seit, V. 99) und, 16 Der Kçnigssohn beschreibt sein çkonomisches Verhalten nicht als unstandesgemße Verschwendung, sondern als Freigebigkeit: aber das guot und den gewin, / der ich geleb und hie pin niessen, / das sol ewch doch nit verdriessen, / ob ich kostlich darmit sei (V. 150 – 153). Zur hçfischen Freigebigkeit (milte) vgl. Kap. 3.3 des vorliegenden Buches. 17 Gemß Luhmann (1997), S. 362, geht mit der Ausbildung der Geldwirtschaft das »Aufsprengen einer Prmisse« einher, »die fr alle hierarchisch stratifizierten Gesellschaften wichtig ist, nmlich [die] Annahme, daß an der Spitze (im Adel, beim Herrscher, bei Gott) alle positiven Werte zusammenfallen«. Es soll hier nicht mit Luhmann eine kontinuierliche Ausdifferenzierung unterstellt werden, doch thematisieren die beiden Mren (Brgermeister und Minnelohn) das Phnomen, dass die positiven Werte (Adel/Reichtum) nicht (mehr) zusammenfallen.

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8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn

als dieser die Antwort verweigert, fragt er ihn nach der Herkunft des Besitzes: wannen kompt euch ewer guot, / das ir hie verzern tuot (V. 141 f.). Wenn Reichtum nicht mehr automatisch mit Adeligkeit gleichgesetzt wird, muss auch die ›gesellschaftliche Identitt‹ zweifach, nmlich sowohl genealogisch als auch çkonomisch begrndet werden.18 Der Kçnigssohn fllt nicht durch stndisch markierten Reichtum wie Grundbesitz oder teure hçfische Praktiken (Fest oder Turnier), sondern durch hohe monetre Ausgaben auf. Ebenso erfindet er in seiner Erklrung monetre Einknfte und nicht etwa Liebesgaben.19 Dies scheint keineswegs zufllig, da sich Geld – wie bereits mehrfach betont – von Tauschobjekten dadurch unterscheidet, dass es keine Informationen ber seine Herkunft enthlt. Derjenige, der Geld besitzt, weiß nicht, wer es vor ihm besessen hat, und derjenige, der Geld erhlt, weiß nicht, auf welche Art und Weise es vom Zahlenden erwirtschaftet wurde. Doch eine solche Charakterisierung des Geldes basiert blicherweise auf der Annahme eines ausdifferenzierten Wirtschaftssystems, d. h. Kufer und Verkufer kennen sich nicht. Das Mre erzhlt aber gerade nicht von einem anonymen Geldhandel. Vielmehr zeigen die Beschuldigungen der Ratsherren, dass Geld in der Stadt nicht ungefragt und ohne Begrndung von dessen Herkunft ausgegeben werden kann. Gleichwohl besitzt das Geld auch hier eine die eigene Herkunft betreffende Intransparenz. Die Lgengeschichte des Kçnigssohns erzeugt ihre Wirkung nur, weil dem Geld seine adlige Herkunft nicht angesehen wird und deshalb die Begrndung des Kçnigssohnes geglaubt wird. Whrend das Tauschobjekt (Ring) im Minnelohn Identitt aufdeckt und bezeugt, verfhrt das Geld im Brgermeister zum ›Erfinden‹ einer mçglichen Herkunft desselben. Denn ganz unterschiedliche Erzhlungen kçnnen das Vorhandensein von Geld erklren. Dementsprechend ruft die Antwort des Kçnigssohnes konnotativ das Feld des Erzhlens auf: er gedacht: ›was sind die mr?‹ und sprach zuo dem burger : ›das sind wunderlich geschicht. habt ir in ewrn rten nicht anders ze schaffen, dann das ir wçlt hçren und wissen von mir, wer ich von geslcht sei? (V. 117 – 123; Herv. S. R.) 18 Bereits der Ratsherr unterschied zwischen den beiden Fragen: man sol in fraugen, wer er sei, / dem sçlich hoffart wonet bei, / und wer im geb das guot sein. / ich frcht, es gang aus unserm schrein (V. 71 – 74). Und der Kçnigssohn gibt der Unterscheidung in seiner Antwort fast schon einen programmatischen Charakter: ich sag ewch nicht, wer ich pin. / aber das guot und den gewin, / […] das sol ewch doch nit verdriessen, / […] wann mein sold ist gar gewis (V. 149 – 155). 19 Er gibt dem Brgermeister das wçchentliche Einkommen relativ przise an: es trifft doch all wochen eben / wol hundert pfund oder mer (V. 168 f.).

Performativitt des Erzhlens

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Er denkt, was sind das fr Geschichten?, und sagt zu dem Brger : Das sind seltsame Begebenheiten. Habt ihr in euren Rten nichts anderes zu tun, als von mir zu hçren und zu erfahren, aus welcher Familie ich stamme?

Auf der Erzhlebene erscheint deshalb die Frage nach der Herkunft des Geldes geradezu als ein Erzhlgenerator. Der Diebstahl bzw. die Herkunft des Geldes werden nicht wie spter im Kriminalroman Schritt fr Schritt aufgedeckt, sondern die Frage nach der Herkunft des Geldes erçffnet einen Imaginationsund Erzhlraum, aus dem die weiteren Geschehnisse hervorgehen.

8.2 Performativitt des Erzhlens Der erste Teil des Mres (V. 26 – 178) erzhlt – fr Mren eher ungewçhnlich – von der Stadt als gesellschaftlichem Kollektiv. Außer dem Kçnigssohn werden keine Einzelfiguren eingefhrt und auch dieser wird aus der Perspektive eines unspezifizierten Ratsvertreters geschildert. Im zweiten Teil des Mres (V. 179 – 451) scheint das gesellschaftliche Kollektiv vergessen. Es wird ein fr die Mren typisches Ehebruchsgeschehen erzhlt, in das nur drei Personen (Ehepaar plus Ehebrecher) involviert sind. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die im ersten Teil eingefhrte gesellschaftliche Perspektive vollstndig aufgegeben wrde. Denn im ersten Teil wird der Brgermeister stellvertretend fr den Rat zum Kçnigssohn geschickt20 und diese Stellvertreterfunktion scheint ihm auch in der narrativen Anlage des Mres zuzufallen. An ihm zeigen sich im zweiten Teil die Folgen des Ratsbeschlusses und auf ihn kommt am Ende die Frage nach der Herkunft des Geldes zurck. Der Brgermeister erzhlt die Erklrung des Kçnigssohnes seiner Frau und entfacht dadurch ihr Begehren. Dies fhrt dazu, dass sich die erfundene Geschichte ansatzweise bewahrheitet: Die Brgermeisterin und der Kçnigssohn treffen sich zum Stelldichein, der Ehemann findet die Liebenden und will den Ehebrecher wçchentlich bezahlen, damit er seinem Haus fernbleibt. Das Mre erzhlt also fast schon programmatisch, wie das (Wieder-)Erzhlen einer ›erfundenen‹ Geschichte die ›Wirklichkeit‹ prgt. Doch bevor hier allzu schnell das Attribut ›performativ‹ verwendet wird,21 mçchte ich die spezifischen Bedingungen der Wirkmchtigkeit des Erzhlens untersuchen. 20 Vgl. die Vorstellung des Brgermeisters gegenber dem Kçnigssohn: mich haund mein herren von der stat, / […] ietzo gesant zuo ewch her (V. 93 – 95). Es scheint bezeichnend, dass dem Brgermeister in den Diskussionen des Rates keine sprechende Rolle zukommt. Es ist ein anderer Ratsherr, der den fremden Studenten als Erster verdchtigt. Das Verhltnis der beiden Mnner beginnt nicht als persçnliche Begegnung, sondern als anonymes Auftragsverhltnis. 21 Performativitt wird hier im Sinne derjenigen Theorien verwendet, die sich auf Derridas Konzept der Iterabilitt sttzen, wie z. B. Judith Butler; vgl. u. a. Butler (1997), 1 – 69; Derrida (1988). Genauer beschrieben wird der Ansatz in Reichlin (2008a), insbes. S. 182 – 184.

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8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn

Die Entfachung des Begehrens Der zweite Teil des Brgermeisters beginnt, wie viele Mren, mit der Schilderung des scheinbar idealen Ehepaars. Das sich liebende Ehepaare wird mit Anspielungen an einen hçfischen Liebesdiskurs (V. 182) beschrieben, doch da tritt bereits der ›Dritte‹ (Kçnigssohn), der die ideale Eheminne stçrt, ins Bild.22 Die Exposition des zweiten Teils ruft somit – nach dem ›mrenuntypischen‹ Beginn – typische Erzhlanfnge von Ehebruchsschwnken auf.23 Das ehebrecherische Begehren der Ehefrau wird aber nicht, wie in anderen Mren, vorausgesetzt, sondern ausfhrlich motiviert. Dies geschieht so schematisch, dass der Eindruck entsteht, der Text ziele geradezu auf eine Analyse von ›Begehrensmechanismen‹. Nicht der Anblick des Studenten, sondern die zweifache Aussparung in den Erzhlungen des Brgermeisters entfacht das Begehren der Ehefrau. Zunchst weigert sich der Brgermeister, sein Lachen beim Anblick des Kçnigssohnes zu erklren,24 und erweckt dadurch die Neugierde seiner Frau:25 das weib wolt diser geschicht / zestund komen an ain end. (V. 190 f.; »Die Frau wollte dieser Begebenheit sogleich auf den Grund gehen.«) Sie reagiert mit einer erotisch aufgeladenen Geste: si nam mit ir schneweissen hend des mannes kinback da zestund und weiset den an iren mund. sie sprach ›dein schmielen tuo mir schein! des begert das herze mein.‹ (V. 192 – 196) Sie nahm sein Kinn in ihre schneeweißen Hnde und drehte es zu ihrem Mund. Sie sagte: Offenbare mir dein Lachen. Mein Herz verlangt das.

Die Verschiebung vom Verlangen nach Wissen hin zum sexuellen Begehren wird somit konnotativ angedeutet, bevor sie in der erzhlten Welt stattge22 Darnach sich kurzlich fuogte das, / das der burgermaister sas / dahaim bei seinem schçnen weib; / die was seins herzen laidvertreib. / da sach er ber den platz gaun / den jungen knig wolgetaun (V. 179 – 184). 23 So beginnen beispielsweise Der Borte (V. 11 – 92) und Kaufringers Der feige Ehemann (V. 27 – 44) mit der descriptio des idealen Ehepaars und der anschließenden Einfhrung des Ehebrechers. Im Brgermeister ist diese Exposition jedoch in den zweiten Teil ›verschoben‹ und auf das Minmalschema reduziert. 24 der burger da schmielen wart. / das nam war sein weib vil zart. / si sprach: ›lieber herre mein, / was bettt das lachen dein?‹ (V. 185 – 188). 25 Im Hslein gibt es eine hnliche Szene, in der das Lachen des Mannes und seine Verweigerung einer Begrndung den vrwiz der Frau provoziert (V. 394 – 425, hier V. 417). Dabei wird die neugierige Frau jedoch eindeutig negativ dargestellt und zwar in Abgrenzung vom naiven, unwissenden Mdchen.

Performativitt des Erzhlens

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funden hat. Gleich darauf erklrt der Ehemann sein Lachen mit der Geschichte des Kçnigssohnes und schafft so eine zweite Aussparung, nmlich die Zurcksetzung der Ehefrau gegenber den anderen Frauen der Stadt: ›wie ist der gesell als las, / das er mein vergessen hat / und sein zinß underwegen lat / hie in meinem hause guot?‹ (V. 214 – 217; »Wie ist dieser Junge trge, dass er mich vergessen hat und seinen Zins in meinem guten Hause auslsst?«), denkt sich die Ehefrau heimlich und ist sogleich von der minne gluot (V. 218) nach demjenigen ›entzndet‹, der fr die Zurcksetzung verantwortlich ist. Das Begehren der Ehefrau wird somit zweimal durch eine ›Aussparung‹ geweckt. Die Wiederholung suggeriert, dass Begehren in ganz unterschiedlichen Bereichen (Wissen, Sexualitt) analog funktioniert und Verweigerung und Aussparung Mechanismen sind, um Begehren zu erzeugen bzw. zu manipulieren. Dennoch unterscheiden sich die erste und die zweite Aussparung auf einer Ebene deutlich voneinander : Im ersten Fall kçnnte man die ›Lcke‹ als ›real‹ bezeichnen, weil der Frau eine Information fehlt, die dem Ehemann und den Lesenden bekannt ist. Im zweiten Fall ist die Zurcksetzung hingegen ausschließlich diskursiv-imaginr. Die Lesenden wissen, dass die Ehefrau gegenber den anderen Frauen der Stadt nicht vernachlssigt wird. Begehren, so wird hier anhand der wiederholten ›Aussparung‹ deutlich, ist weniger in einem ›realen‹ als vielmehr in einem diskursiv-imaginren Raum anzusiedeln.26 Schlussfolgerungen vom Allgemeinen zum Besonderen Als der Ehemann gegen Ende des Mres das Geld aus der Tasche zieht und den Ehebrecher bezahlen will,27 wird die erfundene Geschichte des Kçnigssohnes annhernd verifiziert.28 Der Brgermeister will dem Studenten (wçchentlich) genau den Betrag bezahlen (ain halb pfund von der frawen mein / und von der diern halb als vil, V. 338 f.), den dieser ihm bei der Befragung genannt hat (V. 161 – 165) und von dem er seiner Frau erzhlt hat (V. 201 – 205). Die mehrfache und fast schon redundante Nennung des Geldbetrags signalisiert die monetre ›Erfllung‹ der Lge: Der Ehemann zahlt anstelle seiner Frau dem Kçnigssohn den Betrag, den dieser erfunden hatte und der nun durch das Weitererzhlen zu einem ›realen‹ wird. Indem die Bezahlung im letzten Moment verhindert wird, werden die Bedingungen der ›performativen‹ Wirkung der erfundenen Geschichte um so sichtbarer : Die ›Lge‹ entfaltet ihre Wirkung zum einen dank ihrer Verbrei-

26 Vgl. dazu auch Kap. 9.2 des vorliegenden Buches. 27 er zoch aus seiner tschen her / ain hantvoll geltz und dannocht mer; / er zalt davon ze der stunt / fnf schilling und ain halb pfunt / von der diern und frawen sein (V. 341 – 345). 28 So Ragotzky (1985), S. 114.

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8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn

tung: Die ›Geschichte‹ wird mehrfach wieder- und weitererzhlt.29 Zum anderen grnden die Effekte der ›Geschichte‹ in ihrem spezifischen Narrativ : Es ist nicht nur eine ›lckenhafte‹,30 sondern auch eine allgemeine, d. h. eine die ganze Stadt betreffende Aussage. Der Kçnigssohn behauptet mir geit die fraw aus iedlem haus (V. 161), ohne zu konkretisieren, was dies fr die Einzelnen bedeutet. Jede Figur schließt deshalb fr sich selbst vom Allgemeinen aufs Besondere: Die Ratsherren sind ›betroffen‹, weil sie annehmen, sie seien alle betrogene Ehemnner. Die Ehefrau glaubt sich als einzige ausgeschlossen und dies weckt ihr Begehren.31 Die allgemeine und beschmende Behauptung erzeugt ihre Wirkung somit dadurch, dass sie in aller Stille von den Einzelnen je unterschiedlich auf sich selbst bezogen wird. Die Schlussfolgerung vom Allgemeinen aufs Besondere betrifft aber nicht nur die Handlungs-, sondern auch die Erzhlebene. Denn whrend die Lesenden zwar die ausgesprochenen (V. 210 f.) und die heimlichen berlegungen der Ehefrau (V. 213) kennen, wissen sie nicht, welche Schlussfolgerungen der Brgermeister fr sich und seine Ehe zieht.32 Es werden, v. a. im Schlussteil, nur seine Handlungen, nicht aber seine Absichten beschrieben. Diese werden ausgespart, um die Spannung zu erhalten. So weiß man nicht, ob der Brgermeister zufllig ausreitet oder um die Ehebrecher in eine Falle zu locken. Ebenso bleibt offen, ob er den Kçnigssohn aus wirtschaftlichem Kalkl zum Gastfreund macht oder ob er darauf zielt, sich spter zu rchen. Stattdessen wird immer wieder – ironisch oder salomonisch? – die weißheit (V. 449) des Brgermeisters betont. Diese ungleiche Informationsvergabe lsst sich so verstehen, dass die Erzhlung (hnlich wie die erfundene Erklrung des Kçnigssohnes) die unterschiedlichen mçglichen Schlussfolgerungen vom Allgemeinen zum Besonderen als Teil ihrer Wirkung einkalkuliert.

8.3 Monetre Konfliktlçsung Das Mre Brgermeister und Kçnigssohn handelt von mehreren asymmetrischen Beziehungsgefgen zweier Mnner : Am Beginn stehen sich Ratsvertreter und Student gegenber, deren Verhltnis sich in der Szene, in der der 29 Der Brgermeister erzhlt sie den Ratsherren (V. 173 f.) und seiner Frau (V. 199 – 206). Auch als der Kçnigssohn seine Identitt aufdeckt, erzhlt er die erfundene Geschichte von Neuem (V. 365 – 377) und nennt auch erneut den Geldbetrag (V. 375 f.). 30 Vgl. oben Kap. 8.1. Der Kçnigssohn sagt nicht, welche Gegenleistung er fr den sold erbracht hat. 31 Die Beschuldigungen des Kçnigssohnes sind so erniedrigend, dass die einzelnen Schlussfolgerungen nicht çffentlich miteinander verglichen werden. Die Ratsherren wollen dem Problem nicht weiter nachgehen, sondern es vergessen: si wolten, sein wr nie gedacht (V. 178). 32 Am Beginn wird der Eindruck erweckt, der Brgermeister glaube ebenfalls, dass seine Frau ihn betrgt (er was oun swertzsleg worden wund, V. 172), doch lchelt er kurz darauf, als er den Kçnigssohn sieht (V. 185); vgl. dazu unten Kap. 8.5.

Monetre Konfliktlçsung

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Brgermeister mit seiner Frau am Fenster sitzt, in eines von Beobachter und Beobachtetem verwandelt. Daraus entsteht eine Konfrontation von Ehemann und Ehebrecher, die wiederum in ein Verhltnis von Gastgeber und Gast berfhrt wird. Doch auch dieses hat keinen Bestand, weil der Gast sich als Kçnigssohn zu erkennen gibt. Im Folgenden werde ich analysieren, wie das asymmetrische Verhltnis zwischen Ehemann und Ehebrecher ›kippt‹, als der Kçnigssohn die Großzgigkeit des Brgermeisters berbietet. Hierbei wird besonderes Augenmerk auf die Semantik der Gastfreundschaft gelegt, die sowohl die Konfliktlçsung im Minnelohn als auch die im Brgermeister prgt.

(In-)Kommensurabilitt von çkonomischem Erfolg und Ehre Nachdem der Ehemann die nackten Ehebrecher im Bade bewirtet hat, bietet er dem vermeintlichen Studenten einen wçchentlichen zinß (V. 347) an, wenn dieser sich zuknftig von seiner Ehefrau fernhlt. Das Tauschangebot des Ehemannes blendet eine Erzhlalternative, nmlich die Pointe der Verifizierung der erfundenen Erklrung, ein. Doch der Ehebrecher lehnt das Tauschangebot ab und berbietet stattdessen den Ehemann in seiner Großzgigkeit. Er offeriert ihm eine Reihe von Handelsprivilegien, die dem Brgermeister zu großem Reichtum verhelfen werden (V. 442 – 451). Sowohl das Tauschangebot des Ehemannes als auch dasjenige des Kçnigssohnes zielen darauf, einen Ehrverlust monetr zu regeln. Es werden somit zwei Mçglichkeiten, wie sich Ehrverlust33 und çkonomischer Erfolg gegeneinander eintauschen lassen, nebeneinander gestellt bzw. die (In)Kommensurabiltt von çkonomischem Erfolg und Ehre wird zur Diskussion gestellt. Der Ehemann deutet – indem er den Ehebrechern die Kleider wegnimmt – die Mçglichkeit der kçrperlichen Rache an,34 schiebt sie jedoch auf und unterbreitet aus dieser Machtposition heraus dem Ehebrecher sein Angebot. Wrde dieser fr denselben Betrag (zinß V. 347), den er angeblich wçchentlich fr den Beischlaf erhlt, von der Ehefrau absehen, wre bezeugt, dass er nur am monetren Gewinn interessiert ist. Wie im Minnelohn kçnnte der Ehemann so die Rivalitt in eine Ungleichheit berfhren, die eine direkte 33 Das Wort ›Ehre‹ (er) kommt im Brgermeister nur topisch vor (V. 96, 109). An mehreren Stellen wird jedoch der mit dem Liebeshandel der Ehefrau einhergehende Ehrverlust aus der Perspektive einzelner Figuren umschrieben (von Seiten der Ratsherren V. 172, 176 – 178; von Seiten der Ehefrau V. 207 – 212 und des Ehemannes V. 334 – 337, der von berlast redet). Der Erzhler spricht auch von schand (V. 270). In anderen Mren Kaufringers wird der Begriff er im Zusammenhang mit dem Ehebruch verwendet: So etwa in der Suche nach dem glcklichen Ehepaar, wenn der betrogene Ehemann sagt, er habe wegen seiner Frau seine ›Ehre‹ verloren (V. 392, 420). Im Mre Der feige Ehemann wird der Ehrbegriff problematisiert (V. 220). 34 Der Ehemann schließt die nackten Ehebrecher zudem ein (V. 284, 294). Im Brgermeister wird wie im Minnelohn auch beschrieben, dass sich der Ehebrecher vor der Rache frchtet (Minnelohn, V. 627 – 630; Brgermeister, V. 295 – 298).

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8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn

Konkurrenz verunmçglicht; eine Ungleichheit, die – so scheint der Brgermeister zu suggerieren – denjenigen, der kuflich ist, von dem trennt, der auf der Inkommensurabilitt von Geld und Ehre beharrt und (deshalb) fr die Ehrrettung bezahlt.35 Das Angebot des Ehemannes scheitert, weil die Asymmetrie zwischen den beiden Mnnern anders gelagert ist, als der Brgermeister annimmt. Der Brgermeister ist nicht – wie in vielen Mren – der alte, aber besitzende Ehemann, der von einem ›besitzlosen‹ Jngling betrogen wird. Vielmehr ist ihm der Ehebrecher auf allen Ebenen (stndisch, çkonomisch, sexuell und bzgl. der Information ber seine stndische Identitt) berlegen. Indem der Kçnigssohn die Bezahlung ablehnt und seine stndische Identitt enthllt, verschieben sich ihre Positionen: Der Student wird vom eingesperrten, nackten Ehebrecher zum großzgigen Privilegienverleiher. Er berbietet die Großzgigkeit des Brgermeisters Punkt fr Punkt: Anstatt wie der Ehemann Schutz fr ein Haus anzubieten (V. 291), offeriert er Schutz fr ein land (V. 414 – 418); anstelle eines wçchentlichen zol[s] (V. 347) fr das Nichtbercksichtigen der Ehefrau, bietet er Zollfreiheit an (V. 419).36 Die Großzgigkeit des Kçnigssohnes ist somit derjenigen des Brgermeisters strukturell hnlich, doch liegt sie auf einer anderen Ebene: Sie betrifft nicht den (monetren und sexuellen) ›Austausch‹ mit einem Einzelhaushalt, sondern den mit einem land (V. 414). Er berbietet somit den Brgermeister qualitativ und markiert so seine stndische berlegenheit.37 Das Maliziçse seines Angebots besteht jedoch darin, dass er den Brgermeister zum Profiteur des Ehebruchs macht: Statt dass Letzterer wçchentlich fr den nicht vollzogenen Ehebruch bezahlt, profitiert er lebenslang von dem einmal geschehenen. Geht man von der – vom Brgermeister eingefhrten – Inkommensurabilitt von Geld und 35 Der Ehemann benutzt in seinem Tauschangebot durchgehend eine çkonomische Semantik. Er spricht wiederholt von zinß und zol (V. 337, 347, 349) oder sagt zu seiner Frau: er [Student] hatz um dich verdienet wol (V. 322). Er suggeriert damit, dass die Handlungen des Ehebrechers zum Zweck des Geldgewinns geschehen sind. 36 Die unterschiedlichen Bezeichnungen fr die Bezahlung des vermeintlichen Liebesdienstes zeigen, wie die Figuren mit der jeweiligen Bezeichnung andere Akzente setzen. Der Kçnigssohn nennt am Beginn das von den Frauen erhaltene Geld sold (V. 155). Die Ehefrau spricht hingegen von zinß bzw. davon, ihr Haus sei nicht zinßber (V. 211). Sie macht dadurch aus dem Lohn eine Abgabe, womit der Student verpflichtet wre, jedes Haus zu besuchen. Der Ehemann schlgt vor, dem Kçnigssohn einen zinß dafr zu bezahlen, dass er dem Haus fernbleibt (er spricht neben zinß auch von zol, V. 347, beides im Sinne von Abgabe). Wenn am Ende der Kçnigssohn dem Brgermeister ›Zollfreiheit‹ (V. 347) gewhrt, so lehnt er damit implizit ab, gegen Geld auf die Frau zu verzichten, und postuliert stattdessen (symbolisch) eine Handelsfreiheit, die ihm theoretisch weiterhin einen Minnehandel mit der Frau ermçglicht. Die sexuellen Konnotationen von zinß und zol verweisen zudem auf das Mre Der Zehnte von der Minne, in dem der ehebrechende Kleriker unter dem ›Zehnten‹ (V. 124 u. ç.) auch den Beischlaf fasst (minne zol, V. 174). 37 Der Kçnigssohn imitiert auch die Allwissenheit, die der gastfreundliche Brgermeister suggeriert hat. Der Kçnigssohn sagt: wann mir ist von ew bekant, / das ir suocht ewr leipnar / in meines vaters lande gar (V. 404 – 406).

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Ehre aus, so erscheint der Brgermeister plçtzlich in der Rolle desjenigen, der zinß fr den Ehebruch seiner Frau erhlt. Die vom Brgermeister postulierte Inkommensurabilitt von çkonomischem Erfolg und Ehre geht in eine Kommensurabilitt ber, weil sie von einer stndischen Differenz berlagert wird. Denn in dem Moment, in dem der Brgermeister um den Stand des Ehebrechers weiß, verndert sich auch seine Einstellung gegenber dem Verhltnis von Geld und Ehre.38 Die Konfliktentschrfung geschieht somit nicht trotz, sondern wegen der stndischen Differenz.39

8.4 Asymmetrie der Tauschpartner : Gast und Gastgeber Die berlegungen des letzten Abschnittes gingen von der çkonomisch-materiellen Ebene und deren symbolischen Effekten aus. Das (Geld-)Angebot des Ehemannes wird von demjenigen des Kçnigssohnes berboten und dadurch verndern sich auch die symbolisch-sozialen Rollen der beiden Figuren. Betrachtet man stattdessen die semantische Ebene der geschilderten Szene, springt die Betonung der Gastfreundschaft ins Auge. Am Beginn bezeichnet der Erzhler die beiden Protagonisten fast immer als burger bzw. burgermeister (V. 224) und student (V. 238). Nach dem aufgedeckten Ehebruch ist hingegen nur noch von wirt (V. 280 u. ç.) und gast (V. 282 u. ç.) die Rede. Die Bezeichnungen werden ußerst hufig benutzt und dominieren den Text regelrecht. Dies ist auffllig, weil sich hnliches auch in der Schlussszene im Minnelohn feststellen lsst.40 In der Forschung blieb dies nicht unkommentiert. Hedda Ragotzky stellt die These auf, dass die »wirt-gast-Beziehung […] einen Spielraum erçffnet, aus dem heraus die stndischen Rollen von Brger und Adeligem im Sinne eines konfliktfreien Zusammenwirkens neu entworfen werden kçnnen.«41 Die ›Weisheit‹ des Brgermeisters bestehe darin, dass er die Rolle des wirts einnehme und dadurch auf »keine standesspezifisch be38 Als der Brgermeister um den Stand des Kçnigssohnes weiß, verneigt er sich und allen unmuot und auch zorn / ließ er gar aus seinem muot (V. 398 f.). 39 Ragotzky (1985), S. 117, postuliert dagegen, dass der »drohende Konflikt, der aus der stndischen Differenz von Brger und Hochadeligem […] htte erwachsen kçnnen« dank der »wirtgast-Beziehung« vermieden wird. 40 Im Minnelohn ist statt vom ›jungen‹ und ›alten‹ Ritter in der Schlussszene nur noch vom wirt (V. 570 u. ç.) und vor allem und auffllig hufig vom gast (V. 562 u. ç.) die Rede. 41 Ragotzky (1985), S. 117. Vgl. auch: »Beeindruckt von der berlegenheit, mit der der Brgermeister die explosive Situation entschrft hat, spricht ihm der Prinz einen Status von Wrde und Ansehen zu […]« (S. 116). Ebenso argumentiert Willers (2002), S. 48 – 54. Beide kçnnen dadurch auch den Prolog mit der erzhlten Handlung harmonisieren: »Die bestandene aubentr hat dem Kçnigssohn mittels der fr alle Seiten schadlosen Bereinigung des Konflikts weises Handeln vor Augen gefhrt […] der Kçnigssohn […] hat damit das im Prolog formulierte Erziehungsziel erreicht: fraintschaft ist die Konsequenz und der Lohn weisen Handelns, weises Handeln aber Voraussetzung fr tuget und zucht«; ebd., S. 52; hnlich Ragotzky (1985), S. 117.

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grndete, sondern [auf] eine universell begrndete [Handlungs-]Ethik« rekurriere.42 Ragotzky scheint damit aber weder die Ironie, die mit der wiederholten Konstatierung der Weisheit des Brgermeisters,43 noch die Agonalitt, die durch die Gastfreundschaft ausgebt wird, bercksichtigen zu kçnnen. Die Semantik von wirt und gast ist im Mittelhochdeutschen bekanntlich vieldeutig. Whrend wirt u. a. Ehemann, Hausherr und Gastfreund bedeuten kann,44 steht gast sowohl fr denjenigen, den man (freundlich) beherbergt, als auch fr den (unter Umstnden feindlichen) Fremden.45 Jacques Derrida stellt in De l’hospitalit die These auf, dass diese semantische Ambivalenz46 zugleich eine systematische sei, da das Gebot der Gastfreundschaft unhintergehbar paradox ist.47 Den Gastgeber versteht er als denjenigen, der die rechtlichen und materiellen Mçglichkeiten hat, einen Gast einzuladen, also ein ›Haus‹ besitzt. Absolute Gastfreundschaft (»l’hospitalit absolue«) bedeute, den Gast bedingungslos und ohne irgendwelche Gegenleistungen aufzunehmen.48 Dies impliziert jedoch, dass jedermann aufgenommen werden muss, egal wie gefhrlich er fr das Haus und dessen Bewohner ist. Der (absolute) Gastgeber darf deshalb sich und sein Eigentum nicht ausreichend vor dem Gast schtzen. Die Paradoxie der Gastfreundschaft besteht somit darin, dass das Gebot der absoluten Gastfreundschaft verlangt, die Bedingungen derselben, nmlich das alleinige Verfgen ber das Eigentum, aufzugeben.49 Doch genauso wie der Gastgeber durch den Gast bedroht wird, stellt er eine Gefahr fr den Gast dar. 42 Ragotzky (1985), S. 118. Vgl. auch S. 119: »Die Handlungsethik, die dem Konzept von Weisheit abgewonnen wird, ist universell begrndet und hat folglich allgemeine Geltung.« Masse (1996), S. 48, betont dagegen die »raison calculatrice« der Handlungen des Ehemannes, die sie sozialhistorisch als ›Weisheit des Brgertums‹ deutet. 43 So werden z. B. die Ratsherren ironisch als weise bezeichnet (V. 51), als sie sich mit der Verdchtigung des Kçnigssohnes nur Probleme einhandeln. Ebenso wird ihre weisheit vom Kçnigssohn verspottet: ew allen wont nit weishait bei (V. 124). 44 BMZ Bd. 4, Sp. 748 – 751. 45 BMZ Bd. 1, Sp. 485 – 488. In Kaufringers Erzhlung Der bekehrte Jude wird der Jude in der ihm fremd, da christlich gewordenen Stadt mehrfach als »gast« (V. 51, 182, 201) bezeichnet. Dementsprechend kann auch im Brgermeister davon ausgegangen werden, dass beide Bedeutungsebenen (›Gast‹ und ›Fremder‹) mçglich sind. 46 Derrida (1997). Im Franzçsischen sind die sprachlichen Ambivalenzen von ›l’hte‹ noch strker als im Mittelhochdeutschen, da es sowohl den Gast (Freund und Feind) als auch den Gastgeber bezeichnen kann; vgl. dazu Benveniste (1966), S. 321. 47 Derrida (1997), S. 29, hier spricht er auch von einem »loi paradoxale«. Vgl. ferner : »Tout se passe comme si l’hospitalit tait l’impossible: […] comme si l’impratif catgorique de l’hospitalit commandait de transgresser toutes les lois de l’hospitalit […]« (S. 71; Herv. J. D.). 48 Ebd., S. 29: »[…] l’hospitalit absolue exige que j’ouvre mon chez-moi […] sans lui demander ni rciprocit […] ni mÞme son nom.« Er spricht auch von einem »accueil sans condition« (ebd., S. 71). 49 Ebd., S. 53: »Pas d’hospitalit […] sans souverainet du soi sur le chez-soi, mais comme il n’y a pas non plus d’hospitalit sans finitude, la souverainet ne peut s’exercer qu’en filtrant, choisissant, donc en […] faisant violence.« Vgl. auch S. 41: »l’hte (host), celui qui reÅoit, il commande aussi.«

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Denn dieser ist ihm in seinem Haus ausgeliefert (er kçnnte z. B. im Schlaf bestohlen werden) und muss auf dessen ›Gutwilligkeit‹ vertrauen. Derrida interessiert sich fr die Gastfreundschaft, um die ethischen Dimensionen der Migrationspolitik besser zu verstehen. Die hervorgehobene strukturelle Paradoxie der Gastfreundschaft, also die gegenseitige, aber asymmetrische Abhngigkeit von Gast und Gastgeber, ist jedoch auch fr die Mren aufschlussreich. Gastfreundschaft ist aus dieser Perspektive nicht ein herrschaftsfreies Verhltnis, sondern grndet auf der gegenseitigen In-FrageStellung: Sowohl die Souvernitt des Gastgebers als auch diejenige des Gastes wird durch das Gastfreundschaftsverhltnis bedroht.

Der Ehebrecher als Gast Sowohl im Minnelohn als auch im Brgermeister ist das Gebot der Gastfreundschaft als Norm oder gar Gewohnheitsrecht explizit Thema. Im Minnelohn glaubt sich der junge Ritter beim Eintritt in die Burg des lteren in der Falle, da er nun dem feindlich gesinnten Gastgeber vollstndig ausgeliefert ist. Der Knecht beruhigt ihn, indem er auf das Gebot der Gastfreundschaft hinweist:50 ist er [Ehemann] dann ain piderman […] er tuot uns weder laid noch schant, dieweil wir seien in seinem haus. wann wir dann kommen daraus, will er uns dann schedlich sein, er muos von uns auch leiden pein. (V. 552 – 558) Ist er ein Ehrenmann, tut er uns weder etwas Bçses noch Schande an, solange wir in seinem Haus sind. Wenn er uns spter, wenn wir aus seinem Haus fort sind, schaden will, wird er von uns auch geschdigt.

Gerade weil der Gast dem Gastgeber schutzlos ausgeliefert ist, hat er dem Knecht zufolge Anspruch auf dessen Schutz. Diese spezifischen Macht- und Schutzverhltnisse sind jedoch auf das Territorium der Burg beschrnkt: ›Außerhalb‹ derselben wird das (asymmetrische) Gastfreundschaftsverhltnis 50 Mittelalterliche Gastrechte verlangen die Aufnahme von Gsten (Unterkunft) und verpflichten zu deren Schutz; vgl. dazu Weitzel (1989); Sievers (1971). Vgl. auch das Mre Der nackte Ritter von Stricker, in dem es jedoch vor allem um die Ambivalenz von ausgesuchter Hçflichkeit gegenber dem Gast geht; zur Gastfreundschaft in der Epik: Haferland (1988), S. 138 – 150; Oswald (2001), S. 132; Blaschitz (2004); Oswald (2004), S. 104 – 119, 235 – 251; zur Thematisierung der Gastfreundschaft im Sangspruch: Ortmann (1989), S. 19 – 26; zu systematischen Analysen der Gastfreundschaft Bahr (1997); Wetzel (1993a); Berking (1996), S. 137 – 184.

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zu einem symmetrischen, d. h. der Gastgeber kann den Gast angreifen, dieser sich aber auch wehren (V. 556 – 558). Doch nicht nur die ›gefangenen‹ Gste, sondern auch der betrogene Ehemann rekurriert auf das Gastfreundschaftsverhltnis. Er stellt sich durch den zeremoniellen Empfang und das Mahl als großzgiger Gastgeber dar (V. 566 – 573). Er nutzt dabei, wie dargelegt wurde, die Asymmetrie der Gastgebersituation, um dem jungen Ritter dessen physische, çkonomische und strategische Abhngigkeit zu demonstrieren und ihm so seinen Platz im intergenerationellen Verhltnis zuzuweisen. Dadurch wird der Konflikt so weit entschrft, dass beim Verlassen des Hauses keine weiteren Rachehandlungen mehr stattfinden.51 hnliches geschieht im Brgermeister, doch wird hier die gegenseitige, asymmetrische Abhngigkeit strker narrativ genutzt. Der Ehemann begegnet dem ertappten Ehebrecher wie einem Gast: Er heißt ihn willkommen52 und bietet ihm zu essen an. Er vertraut ihn seiner Frau an: fraw, […] hab den gast in guoter pflicht! (V. 281 f.; »Frau, habe den Gast in guter Obhut«).53 Auch der Brgermeister nutzt die Gastfreundschaft, um dem nackten Ehebrecher dessen Schutzbedrftigkeit, d. h. seine eigene Macht angesichts der Ohnmacht des anderen, zu demonstrieren.54 Diese Machtdemonstration kulminiert im Schutzversprechen des Gastgebers. Als der Brgermeister den nackten Ehebrechern zu essen und zu trinken bringt, sagt er : ewr leib und guot sol sicher sein; das nempt hin auf die trewe mein. (V. 309 f.)55 Euer Leib und Gut ist gesichert, das sage ich euch bei meiner Treue.

Der Schutz des Gastes durch den Gastgeber ist gemß dem Knecht im Minnelohn ein Gewohnheitsrecht und bezieht sich primr auf den Schutz vor ›ußeren‹ Feinden (z. B. Verfolgern). Der ›Gast‹ ist im Brgermeister jedoch nicht durch einen ußeren Feind, sondern durch den Gastgeber selbst gefhrdet. Dieser weist mit seinem Schutzversprechen darauf hin, dass er physische Gewalt ausben kçnnte, und verspricht zugleich, sie nicht auszuben. Dies verdeutlicht, wie sehr das traditionelle Schutzversprechen sowohl Drohung als auch Kooperationsangebot, sowohl Machtausbung als auch Hilfeleistung sein kann. Der Brgermeister hebt damit, hnlich dem Ehemann im Minnelohn, die Abhngigkeit des Ehebrechers hervor, um die Konkurrenz in 51 Dies geschieht entgegen der durch den Knecht geschrten Erwartung, dass der Konflikt whrend der Gastfreundschaft stillgestellt und nach Verlassen des Hauses gewaltvoll ausgetragen wird (V. 556 – 558). 52 Das stellt der Erzhler mittels eines ›Zwischenrufes‹ als etwas Außerordentliches dar : nun merkent das: / er hies in willikomen sein (V. 274 f.). 53 Vgl. auch V. 319: lau dir den gast empfolhen sein, / gib im kost und schenk im ein. 54 Ragotzky (1985), S. 116, liest dagegen die Nacktheit des Kçnigssohnes als Entkleidung der stndischen Rolle und als dessen »Neuschçpfung« als Gast; hnlich Schnyder (1999), S. 115. 55 hnlich davor : ir slt nit haben ungemach; / ewr leib sol vor mir sicher sein (V. 290 f.).

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eine Hierarchie zwischen dem Beschtzer und dem Beschtzten zu berfhren. Gemß Derrida weiß der Gastgeber nie, ob es sich beim Gast um einen Freund oder einen Feind handelt. Sobald der Gastgeber dies aber herauszufinden versucht und den Fremden nach dem Namen oder der Herkunft fragt, handelt er dem Gastfreundschaftsgebot zuwider, weil er den Gast nicht bedingungslos aufnimmt.56 In den beiden Kaufringer-Mren ist die Situation eine andere. Der Gastgeber begegnet nicht dem Unbekannten, sondern dem ihm bekannten Ehebrecher. Er nutzt die Gastgeberrolle, um aus dem Bekannten einen Fremden zu machen und damit die Entehrung, die mit diesem verbunden ist, zu verdecken. Auf der Erzhlebene steht der Gast jedoch auch fr die bereits eingetretene Mçglichkeit, dass er das ›Eigentum‹ des Gastgebers – und dazu gehçrt in den Mren immer auch dessen Ehefrau – verletzen kçnnte.57

Das Fremde im Eigenen Whrend im Minnelohn der Ehemann mit Hilfe der Gastfreundschaft seine Position zumindest ansatzweise rehabilitiert, basiert das Mre Brgermeister und Kçnigssohn strker darauf, dass die gegenseitige Abhngigkeit von Gast und Gastgeber jederzeit kippen kann. Dementsprechend unterwandern die Handlungen des Kçnigssohns die Souvernitt des Gastgebers Schritt fr Schritt. Er weist mit dem Geschenk der Handelsprivilegien nicht nur auf die Begrenztheit der ›Hausmacht‹ des Brgermeisters hin, sondern er gibt auch die Frage nach der Herkunft des Geldes an diesen zurck: Wenn er betont, dass er seinen Reichtum stndisch begrnden kann, lsst er die Frage nach der Herkunft von Reichtum im Raum stehen. Diese behlt ihre Relevanz, weil nach dem Besuch des Kçnigssohnes ein materieller berschuss in der Stadt zurckbleibt. Er findet sich nicht mehr beim Fremden, der von außerhalb kommt, sondern beim Brgermeister, der die Stadt vertritt. Dessen Reichtum lsst sich nicht wie derjenige des Kçnigssohnes stndisch legitimieren, sondern verdankt sich einer intrikaten Interdependenz von konomischem, kulturell Imaginrem und Sexuellem.58 In einer Art Danaergeschenk59 hlt der 56 Derrida (1997), S. 31. 57 Viele Ehebruchsgeschichten in den Mren gehen von Gastfreundschaftsverhltnissen aus. Meist berlistet der Gast den Hausherrn und vergngt sich mit der Tochter oder der Ehefrau, so z. B. in Das Studentenabenteuer, Der Wirt oder in Rosenplts Der Wettstreit der drei Liebhaber. Im Mre Der blinde Hausfreund wird dagegen der ehebrechende Gast berlistet; im Mre Das Gnslein wird der naive Gast, ein Mçnch, von der Tochter des Hausherrn verfhrt. 58 Vgl. die Bemerkung von Jan-Dirk Mller (1984), S. 301, zum Brgermeister: »Wenn […] der geschftliche Erfolg des ›Brgermeisters‹ aus einem hçflich akzeptierten Ehebruch hervorgeht, dann bleibt nicht nur die moralische Dimension des Erzhlten problematisch.« 59 Vgl. zur Ambivalenz von Gaben systematisch u. a. Derrida (1991), vgl. dazu Kap. 2.5 – 2.6 des vorliegenden Buches; Wetzel (1993a); historisch u. a. Oswald (2004), S. 90 – 110.

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8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn

Kçnigssohn die Herkunft dieses Reichtums in den brief[en] (V. 411 – 419) fest, die die Privilegien des Brgermeisters festschreiben: auch begund er verschreiben seinem vater gar behend von anfank bis an das end diser aubentr geschicht. (V. 438 – 441) Er begann seinem Vater diese Begebenheit geschickt aufzuschreiben, von Anfang bis zum Ende.

Die schriftliche Verbreitung des Geschehenen steht im ironischen Kontrast zu einer Erzhlerbemerkung, in der der Brgermeister als weis bezeichnet wird, weil er die sach still und leis / gehandelt, das sein ingesind / darumb nichtz wist noch kain sein kind (V. 428 – 430; »die Sache leise und geheim behandelte, so dass weder sein Gesinde noch eines seiner Kinder davon etwas wusste«).60 Die briefe des Kçnigssohnes weisen auf die Kosten und Konsequenzen der sogenannten ›Weisheit‹ des Ehemannes hin. Sie erinnern daran, dass der Ehemann den Ehebruch seiner Frau nicht nur initiiert hat, sondern dass er auch davon profitiert. Es wird somit nicht wie im Minnelohn indexikalisch an eine Schuld erinnert, sondern die kausalen Zusammenhnge, also die Kombination von unerklrlichem çkonomischem Mangel, kulturell-imaginren Deutungsmustern, Ehrverlust und çkonomischem Erfolg, werden schriftlich festgehalten. Dabei handelt es sich um eine mise en abyme-Szene, in der das Aufschreiben der erzhlten Handlung dargestellt wird.61 Im Unterschied zur entsprechenden Szene im Minnelohn geht es dabei aber weniger um das Verhltnis von Konventionalitt und Wirklichkeitsreferenz des Erzhlten, sondern um eine ›Grndungssituation‹. Der zuknftige Reichtum wird zusammen mit dem schriftlichen Verweis auf den erlittenen Ehrverlust gestiftet. Die briefe erzeugen hier also einerseits einen çkonomischen Gewinn, andererseits halten sie kausale Zusammenhnge fest (von anfank bis an das end), die durch andere Medien, wie etwa Geld oder ein Schmuckstck,62 nicht erinnert werden kçnnen; einerseits sind sie selbst Objekt (im Sinne der Privilegien), das man auf seine ›Herkunft‹ befragen kann, andererseits bilden sie das Gedchtnis von der ›Herkunft‹ des Reichtums. In dem Sinne haben die 60 Der Brgermeister wird hier, weil er den Ehebruch verheimlicht, gleich zweimal als weis bezeichnet (V. 427, 432). Dies verweist zudem auf die sentenzartige Aussage zu Beginn der Szene (V. 269 f.): er det als ain weiser man, / der sein schand vertrucken kan. 61 Vgl. dazu Kap. 7, Anm. 36 des vorliegenden Bandes. 62 Anhand des Minnelohns konnte gezeigt werden, dass auch Objekte wie der Ring keine Erinnerung von Kausalzusammenhngen stiften, dass sich dies beim Geld aber nochmals entscheidend zuspitzt, weil die ›Herkunft‹ gar nicht mehr sichtbar ist. Stattdessen regt die Unterdeterminiertheit des Geldes, wie bereits gezeigt, zum Erzhlen und Erfinden von Kausalzusammenhngen an.

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vom Kçnigssohn aufgeschriebenen Kausalzusammenhnge (aubentr) einen hnlichen Status wie die von ihm erfundene Geschichte. Sie prgen ein zeitlich entferntes Geschehen (vergangen oder zuknftig), kçnnen es aber nicht umfassend determinieren, weil Schriftstcke bzw. Erzhlungen selbst in Kausalzusammenhnge eingebettet sind, die nur mit Hilfe anderer ›Erzhlungen‹ dargestellt werden kçnnen. Wirft man von diesem Ende her erneut einen Blick auf den ersten Teil des Mres, so scheint es, dass der Kçnigssohn auch auf der Ebene der Stadt die auf ihn projizierten Missstnde auf die Gastgeber zurckspiegelt und dabei die Bedingungen ihrer souvernen Gastfreundschaft aufdeckt: Er untergrbt die Geschlossenheit und Transparenz der von den Ratsherren gesicherten Ordnungen der Stadt, indem er die Interdependenz von konomischem, Kulturell-Imaginrem und Sexuellem zum Vorschein bringt. Die Diebsthle, die die erzhlte Handlung auslçsen, werden nicht aufgeklrt und weisen so auf die Grenzen der Kontrollmçglichkeiten der Obrigkeit hin. Die Abgeschlossenheit des çkonomischen Kreislaufes erscheint als Modellannahme, die fr die Praxis wenig hilfreich ist. Doch auch auf der Erzhlebene erscheint der Kçnigssohn als ›fremdes‹ Erzhlelement, da er sich der Mrenlogik von Betrug und Gegenbetrug entzieht.63 Er erscheint nicht als ebenbrtiger Konkurrent des Brgermeisters, sondern als eine Art deus ex machina, der die Handlung in Gang bringt und dann wieder verschwindet. Er ist nicht listiger Betrger, sondern etwas ›Fremdes‹, das unerwartete Kommensurabilitten und Interdependenzen sichtbar macht; Inderdependenzen, die nicht nur die erzhlte Welt, sondern auch den Status und die Wirkung des Erzhlens betreffen: Erzhlen – so wird hier deutlich – verweist auf eine vergangene oder zuknftige Wirklichkeit und bringt zugleich ›neue‹ Wirklichkeiten hervor. Denn zum einen ist es Teil von kulturell-imaginren Mustern, die es selbst thematisieren und verschieben kann. Zum anderen bilden Erzhlungen eine Art Gedchtnis von materiellen Gtern und kçnnen zugleich dank ihrer symbolischen Macht çkonomische Zusammenhnge beeinflussen und verndern.

8.5 bertragungen zwischen Allgemeinem und Besonderem Da der Kçnigssohn sich aufgrund seiner stndischen berlegenheit durchsetzt, erscheint der Brgermeister weder als listiger Gewinner noch als naiver gehçrnter Ehemann.64 Er gewinnt deshalb im Verlauf des Textes an Mehr63 Vgl. Bausinger (1967) und dazu Kap. 1.6 des vorliegenden Bandes. 64 Vgl. Kaufringers Der feige Ehemann, wo der gehçrnte Ehemann verlacht und kritisiert wird, oder Der Zehnte von der Minne, wo der Ehemann sich listig fr den Ehebruch rcht. Ebenso wenig profitiert der Ehemann dank seiner eigenen List vom Ehebruch wie z. B. der Ehemann in den Drei Mçnchen zu Kolmar.

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8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn

schichtigkeit, whrend der Kçnigssohn diese tendenziell verliert. Die Ambivalenz des Brgermeisters zeigt sich semantisch an seinem zentralen Attribut, der weißhait (V. 449). Er wird am Beginn als gar ain weiser man (V. 86) eingefhrt und am Ende gehuft damit charakterisiert (V. 427; 432; 449). Daneben wird das Attribut ›weise‹ jedoch auch den Ratsherren zugeschrieben65 und im Epimythion nennt der Erzhler das Verbergen des Zorns weislich (V. 454 f.). Whrend die Weisheit der Ratsherren ironisch konnotiert ist, wird weislich im Epimythion in einem didaktischen Gestus positiv benutzt. Die zynisch-spçttische und die normativ-didaktische Dimension stehen somit fr zwei Varianten, wie das Attribut des Brgermeisters verstanden werden kann, ohne dass das Wort auf eine Bedeutungsdimension festgelegt wrde. Diese Ambivalenz entsteht auch durch eine gezielt lckenhafte Informationsvergabe: Die Lesenden wissen – im Unterschied zu den beteiligten Figuren – von Beginn an, dass der Kçnigssohn dem Brgermeister stndisch berlegen ist; sie wissen aber nicht, was der Brgermeister denkt, vermutet oder erwartet. Die Aufmerksamkeit wird deshalb nicht darauf gerichtet, wer der berlegenere ist, sondern wie der Brgermeister mit dem verkleideten Kçnigssohn umgeht und wann er von dessen Identitt erfhrt. Dabei bleiben die Bewertung der Brgermeister-Figur (Sieger oder Verlierer) und die Modi des Bewertens (Ehre oder çkonomische Listigkeit) bis zum Ende hin offen.66 Das Attribut ›weise‹ ist deshalb wohl weniger als Charakterisierung der Figur, sondern als spannungslenkende Frage zu verstehen. Das Erzhlmuster der Replikerzhlung, d. h. zwei ebenbrtige Rivalen berbieten sich in ihren agonalen Handlungen, bestimmt somit nicht den Erzhlverlauf, sondern wird bloß auf der Figurenebene aufgerufen. Das Mre entfaltet sich stattdessen anhand einer Dialektik der Stellvertretung, deren Opfer und Gewinner der Brgermeister ist. Er tritt als Vertreter der Stadt auf und richtet seine Fragen im Namen der Stadt an den Kçnigssohn. ›Dialektisch‹ ist diese Stellvertretung deshalb, weil der Brgermeister einerseits die Gruppe vertritt, andererseits von ihr isoliert wird, weil er sie vertritt. Denn die Folgen der erfundenen Geschichte des Kçnigssohnes betreffen nur ihn und nicht die ganze Stadt. Nur seine Frau trifft sich zum Stelldichein mit dem Kçnigssohn, aber auch nur er erhlt Handelsprivilegien. Wie erwhnt, verdankt auch die erfundene Geschichte des Kçnigssohnes ihre Wirksamkeit dieser Dialektik, da

65 Der Erzhler charakterisiert und verspottet die Ratsherren als weise wegen der Folgen ihrer Verdchtigung (V. 51, 176) und auch der Kçnigssohn macht sich ber ihre ›Weisheit‹ lustig (V. 124). 66 Die Ambivalenz der Figur zeigt sich auch in den unterschiedlichen Deutungen: Steinmetz (1999), S. 69, spricht davon, dass der »berkommene Ehrbegriff durch nchternes und doch nicht allein kaufmnnisches Kalkl ersetzt werde«; Krohn (1986/1987), S. 261 f., geht davon aus, dass der Ehemann den Ehebruch bewusst in Kauf nimmt, um daraus Gewinn zu schlagen; und Ragotzky (1985), S. 118, und Willers (2002), S. 52, stellen die These auf, dass die Brgermeister-Figur fr eine universelle Ethik steht.

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sie darauf zielt, dass die Figuren die allgemeinen Behauptungen je unterschiedlich auf sich ›anwenden‹. Solange Mren an exemplarischen Erzhlformen partizipieren, kann das Verhltnis von Pro- und Epimythion zur narrativen Handlung als das vom Allgemeinen zum Besonderen verstanden werden.67 Wie in den meisten Kaufringer-Mren ist dieses Verhltnis auch im Brgermeister keineswegs eindeutig. Das Promythion fordert, dass zu einer guten Erziehung Erfahrungen in der ›Fremde‹ gehçren. Denn die in der Fremde gemachten aubentr wrden lehren, sich besser vor Schaden zu hten (V. 5 – 13). Diese ›allgemeine‹ Maxime wird jedoch vorerst nicht direkt auf einen einzelnen Protagonisten, sondern auf einen Stand bertragen: Die herren schickten ihre Sçhne in hohe[] schuolen (V. 17; 19) und diese lernten dort nicht nur zucht und tuget, sondern wrden da auch aubentre erfahren (V. 22 f.). In die ›mrentypische‹ Transposition vom Allgemeinen zum Besonderen wird somit ein Zwischenschritt eingefgt, bei dem sich die Akzente bereits in Richtung aubentr verschieben.68 Wie jedoch die Anfangsverse auf die erzhlte Ehebruchshandlung zu beziehen sind, ist nicht leicht ersichtlich: Lernt der Kçnigssohn etwas fr sein weiteres Leben oder wird nicht vielmehr die Stadt durch ihn belehrt? Die Forschung hat solche Fragen breit diskutiert.69 Mir scheint jedoch weniger das genaue Verhltnis70 als vielmehr die Beobachtung weiterfhrend, dass der Text auf ganz unterschiedlichen Ebenen mit der bertragung vom Allgemeinen auf das Besondere experimentiert. Die Vernderungen und Verschiebungen, die sich durch die bertragung von etwas Allgemeinen (z. B. die Geschichte des Kçnigssohnes) auf etwas Besonderes ergeben, erscheinen nicht als Inkonsequenzen oder Unreinheiten, sondern als poetisches Prinzip, das Erzhlungen generiert und weiterentwickelt. Dementsprechend wird auch im Epimythion (V. 452 – 466) das Verhltnis zwischen Allgemeinem und Besonderem nur vordergrndig expliziert. Der Erzhler bezieht zwar die erzhlte Handlung auf eine allgemeine Maxime, 67 Stierle (1973), S. 354 f., versteht das Verhltnis von einer »Maxime« (oder »moralische[m] Lehrsatz«) und exemplarischer Erzhlung (»Fabel und Exemplum«) als eines von »Allgemeine[m] und Besondere[m]«. Er spricht dabei auch von einem »systematischen« und einem »narrative[n] Text« und untersucht die unterschiedlichen Verhltnisse dieser »Transformation«. Im Anschluss an Jolles (1982), S. 170 – 199, bestimmt er das »problematisierte Exemplum« als Kasus, d. h. als Fall, der in einem komplexen Verhltnis zur Norm steht; Stierle (1973), S. 363. Vgl. zum Verhltnis von Pro- und Epimythion und Narration auch Waltenberger (2005). 68 Im Promythion liegt der Schwerpunkt auf dem Lerneffekt, den ein Aufenthalt in der Fremde bringt. Im Zwischenteil, der sich auf den Stand bezieht, steht hingegen das aubentr (V. 23 – 25) in der Fremde im Vordergrund, die didaktische Komponente desselben gert dagegen aus dem Blickfeld. 69 Vgl. Ragotzky (1985), S. 117; Willers (2002), S. 54 (vgl. dazu auch Anm. 41 dieses Kapitels); Stede (1993), S. 48; Letztere argumentiert, dass das Promythion des Brgermeisters am ehesten auf Claus Spauns Erzhlung Fnfzig Gulden Minnelohn zutreffe (S. 54 f.). 70 Von der obigen Interpretation ausgehend kçnnte man behaupten, dass sich in der erzhlten Handlung die Belehrungsrichtung umkehrt. Es geht nicht darum, dass der fremde Kçnigssohn ›fremde‹ Erfahrungen macht, sondern der Fremde belehrt die Stadt ber ihr Eigenes.

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doch unterscheidet sich diese vollstndig von der des Promythions. Es geht nicht mehr um den Lerneffekt in der Fremde, sondern um das Verbergen des Zorns, das weislich sei, weil damit das eigene Gut geschtzt werden kçnne (V. 452 – 460).71 Der Erzhler gibt vor, diese allgemeine Maxime rckwirkend an der Brgermeister-Figur zu illustrieren: wann hett der erber burger / dem kng getaun grosse schwr, / er wr sein leicht verdorben. (V. 461 – 463; »Denn htte der ehrbare Mann dem Kçnig etwas angetan, wre er leicht zu Schaden gekommen.«) Da der Erzhler die Maxime ex negativo auf die Erzhlhandlung ›anwendet‹, wird sie aber gerade nicht auf die erzhlte Handlung bezogen, sondern es wird eine neue Handlung generiert: Was wre geschehen, wenn der Brgermeister zornig geworden wre? Damit wird erneut sichtbar, wie der Schluss vom Allgemeinen aufs Besondere zum Erzhlen anregen kann. In der Kaufringer-Forschung gehçrt es zur communis opinio, dass dessen Mren das Verhltnis von Narration und Paratexten (Pro- und Epimythien) problematisieren und dadurch »das Prinzip exemplarischen Erzhlens auf den Prfstand« stellen.72 Das Mre Brgermeister und Kçnigssohn zeichnet sich vielleicht nicht zuletzt dadurch aus, dass nicht nur Erzhlung und Paratexte in einem komplexen Bezug zueinander stehen, sondern dass die bertragung vom Allgemeinen aufs Besondere (und vice versa) auch die erzhlte Handlung prgt. Diese Transposition findet sich auf mehreren Textebenen und erweist sich dabei als ein produktives poetisches Prinzip.

8.6 Asymmetrisierung des Tauschens, Potentialisierung des Erzhlens bei Kaufringer Liest man die beiden Kaufringer-Mren Brgermeister und Kçnigssohn und den Zurckgegebenen Minnelohn unter der Perspektive des Tauschens, so werden hnliche Motive und Erzhlstrategien verwendet, diese aber anders eingesetzt. Es entsteht der Eindruck, dass entgegen der Reihenfolge des Cgm 270 im Brgermeister (Nr. 4) einige Motive des Minnelohns (Nr. 5) aufgenommen und zugespitzt werden.73 Diese Bezge oder Verschiebungen sollen hier nochmals kurz zusammengefasst werden: (1) In beiden Texten wird die ›semantische Unbestimmtheit‹ des Mediums Geld genutzt, um einzelne Erzhlteile miteinander zu verknpfen. Im Minnelohn verwendet der Protagonist das in der Rahmenhandlung zu einem bestimmten Zweck (Ritterschaft) geliehene Geld in der Binnenhandlung fr etwas ganz anderes (minne) und so entsteht ein komplexer Bezug zwischen Rahmen- und Binnenhandlung. Im 71 Vgl. dazu Stede (1993), S. 48; Willers (2002), S. 55. 72 So zuletzt Grubmller (2006), S. 176, der unterschiedliche, aber immer intrikate Verhltnisse von Pro- oder Epimythion und Erzhlhandlung in verschiedenen Mren Kaufringers herausarbeitet (ebd., S. 175 – 187); den Brgermeister behandelt er jedoch nicht; vgl. auch Mller (1984), S. 310, Anm. 35; Masse (1996), S. 47. 73 Doch lassen sich solche Bezge immer auch in die entgegengesetzte Richtung lesen.

Potentialisierung des Erzhlens bei Kaufringer

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Brgermeister fungiert die Frage nach der Herkunft des Geldes als eine Art Erzhlgenerator, der die Mrenhandlung in Gang bringt. In beiden Texten stiftet das Geld die intratextuellen Verweise aber nur deshalb, weil die Lesenden im Unterschied zu den Figuren wissen, woher das Geld stammt. (2) Beide Texte nehmen auf tradierte Erzhlmuster Bezug: Im Minnelohn werden einerseits Erzhlmuster wie die doppelte Substitution eines Liebhabers aufgerufen und neu kombiniert, andererseits werden die mit den Erzhlmustern einhergehenden Sinnstiftungsformen (etwa mittels des Begriffs der ventiure) thematisiert und reflektiert. Im Brgermeister werden solche Schwankmuster dagegen ins Imaginre der Figuren verschoben und entfalten von dieser Sphre aus ihre Wirkung. (3) Beide Mren thematisieren, wie komplex das sogenannte Verhltnis von Erzhlung und Wirklichkeit ist. Whrend im Minnelohn das Ereignis ›Ehebruch‹ durch Tauschen und (Wieder-)Erzhlen umgedeutet wird, bringt im Brgermeister eine erfundene Erzhlung den Ehebruch hervor. (4) Bei beiden Texten lsst sich zudem ein komplexes Verhltnis von Rahmen- und Binnenhandlung bzw. von Vor- und Haupterzhlung beobachten. Im Minnelohn werden Rahmen- und Binnenhandlung durch das sich wiederholende Tauschverhltnis zwischen einem jungen und einem alten Ritter paradigmatisch miteinander verknpft. Im Brgermeister wird dagegen in der Vorgeschichte die Stadt ›im Allgemeinen‹, in der Haupthandlung das Besondere (Ehe des Brgermeisters) geschildert. Der zentrale Konflikt entwickelt sich aus dieser (dialektischen) Transposition vom Allgemeinen zum Besonderen. (5) Beide Mren erzhlen des Weitern von einem Ehebruch, der nicht gewaltvoll gercht, sondern am Ende mittels Großzgigkeitsgesten und einer Gastfreundschaftssemantik beigelegt wird. Doch auch wenn der Konflikt auf der Figurenebene gelçst erscheint und am Ende ein stabiles kollegiales Verhltnis zwischen den beiden Mnnern herrscht, stellen die Texte doch auch die Asymmetrien, die durch die vordergrndige (Re-)Symmetrisierung erzeugt werden, aus.74 Zum einen wird sichtbar, dass die mnnliche Konfliktlçsung auf Kosten der Ehefrau geschieht: Im Minnelohn wird die gesellschaft (V. 734) der beiden Mnner wieder hergestellt, indem beide in gleicher Weise die Ehefrau auf ihr Vergehen ansprechen und so die Herausgabe ihres Gewinnes erreichen.75 Wenn die beiden Mnner im Brgermeister darber verhandeln, wer wem wofr das Recht am Beischlaf einrumt, erscheint die Frau

74 Vgl. Luhmann (1988), S. 257, der betont, dass »quer« zu jeder Symmetrie, die im Tausch hergestellt wird, Asymmetrien erhalten bleiben. Zum einen wrden durch den Tausch die Ansprche Dritter ausgeschlossen, zum anderen bliebe die Heterogenitt des Getauschten (z. B. Sachleistung vs. Geld) trotz Wertgleichheit bestehen (und erzeugten so ebenfalls Asymmetrien); vgl. dazu Kap. 2.9 – 2.10 des vorliegenden Buches. 75 Am Ende bittet zwar der junge Ritter um suon (V. 744) zwischen den Eheleuten, doch fhrt dies komischerweise erneut dazu, dass die beiden Mnner sich gegenseitig ihre gesellschaft (V. 750) beteuern.

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sogar als ein Handelsobjekt.76 Zum andern stellen die Heterogenitt der Tauschobjekte und deren symbolische Konnotationen die vordergrndige Lçsung des Konflikts in Frage. Obwohl z. B. im Minnelohn alle Beteiligten einen gleich hohen Betrag erhalten, markiert der Ehemann, der das Geld verteilt, damit seine berlegenheit. Zugleich verweist aber die Potentialitt des verteilten Geldes darauf, dass der Generationentausch langfristig immer zugunsten des Jngeren ausgehen wird. Im Brgermeister wiederum macht gerade der Akt, der die Kooperation besiegelt, nmlich das berschreiben der Privilegien, auf die ambivalente Rolle des Ehemannes aufmerksam, der vom Ehebruch seiner Frau monetr profitiert. In beiden Texten wird so das spannungsvolle asymmetrische Verhltnis der beiden Mnner – entgegen der traditionellen Erzhlweise der Mren – in der Pointe nicht aufgelçst, sondern es wird eine Spannung erzeugt, die ber das Ende der Erzhlung hinaus anhlt.77 Die herausgearbeiteten Analogien zwischen den beiden Texten zeigen zum einen, dass die Textanordnung im Cgm 270 keineswegs willkrlich ist, sondern dass dichte Bezge zwischen den benachbarten Texten bestehen, indem einzelne Problemkonstellationen je anders variiert werden. Zum anderen wird deutlich, dass nicht nur inhaltliche, sondern auch formale Kriterien die Textanordnung bestimmen. Denn die beiden Mren zeichnen sich dadurch aus, dass sie strker als die anderen Texte die narrativen Effekte von Tausch und Gabe erproben. Abschließend mçchte ich einzelne dieser poetologischen Aspekte von Minnelohn und Brgermeister auf weitere Texte des Cgm 270 beziehen.78 (1) Beim Tauschen stimmen die Perspektiven der beiden Tauschpartner nicht miteinander und nicht mit derjenigen eines unbeteiligten Beobachters berein. Die beiden analysierten Mren nutzen die narrativen Effekte von solcherart divergierenden Perspektiven, wenn z. B. im Minnelohn das getauschte Objekt (Ring) von den Figuren verschieden eingeschtzt wird. Die Texte spielen aber nicht nur mit der Kontrastierung unterschiedlicher Perspektiven, sondern auch mit ihrer gezielten Aussparung. Fehlt die Bewertung einer Figur wie im Brgermeister, whrend die der anderen angedeutet werden, kann damit Spannung erzeugt werden. 76 Zwar betont der Erzhler, dass die Frau ungestraft bleibt, doch geschieht dies nur, damit die anderen Hausbewohner nichts vom Ehebruch merken (V. 426 f.). 77 Mller (1984), S. 301: »[…] seine [Kaufringers] programmatischen wie seine De-facto-Lçsungen werden den konflikthaft zugespitzten Konstellationen der Erzhlwelt kaum mehr gerecht.« Haug (1993), S. 24 f., behauptet – indem er Beobachtungen, die er am Minnelohn gemacht hat, verallgemeinert –, dass ein »versçhnlicher Schluß« oder eine »positive Wende« der ›Gattung‹ (die Haug sehr speziell definiert) widerspreche. Man kçnnte zudem erwarten, dass diese offen gehaltene Spannung die Texte fr ein Weiter- oder Wiedererzhlen anschlussfhig machen wrde, doch ist die Wirkung von Kaufringers Texten eher begrenzt; vgl. Grubmller (2006), S. 191. 78 Ich werde nur einige Gemeinsamkeiten bei den narrativen Verfahren hervorheben, habe aber nicht den Anspruch, die genaue Reihenfolge der Texte erklren zu kçnnen.

Potentialisierung des Erzhlens bei Kaufringer

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Dieses Spiel mit der spezifischen Perspektive der Figuren findet sich auch in anderen Mren Kaufringers. So etwa in der Suche nach dem glcklichen Ehepaar, wo Außen- und Innensicht miteinander kontrastiert werden. In einer anderen Gruppe wird erzhlt, wie ›verblendete‹ Ehemnner mit gesehenden augen [plind] sind, weil sie die vorgetuschte Perspektive ihrer Ehefrauen bernehmen.79 In den Drei listigen Frauen B geben die Mnner die in krassem Gegensatz zur Wirklichkeit stehende Perspektive erst auf, als kçrperliche Gewalt ausgebt wird. Indem einerseits einzelne Perspektiven subtil gegeneinander ausdifferenziert werden (Minnelohn) und indem andererseits mit dem drastischen Kontrast von ›Wirklichkeit‹ und ›Tuschung‹ gearbeitet wird (Drei listige Frauen), kommen unterschiedliche Formen der Fokalisierung ins Spiel. (2) In den beiden untersuchten Mren werden durch die Tausch- und Gabenakte inkommensurable Ordnungen miteinander verschrnkt. Dabei wird zum einen die Interdependenz von konomischem, Kulturell-Imaginrem, Stndischem und Sexuellem hervorgehoben; zum anderen werden unterschiedliche Erzhlmuster und -teile miteinander verknpft. Eine andere Gruppe von Texten des Cgm 270 nutzt ebenfalls Tauschgeschfte zur Verknpfung von Erzhlteilen, hebt aber damit unwahrscheinliche Kausalketten hervor: Die Mren Drei listige Frauen und Die unschuldige Mçrderin sowie ansatzweise auch Die Suche nach dem glcklichen Ehepaar erzhlen davon, wie ber mehrere kausale Schritte aus etwas scheinbar Nichtigem etwas Drastisches hervorgeht. Die Tauschgeschfte haben den Vorteil, dass sie Analogien und Differenzen, Kommensurabilitt und Inkommensurabilitt zugleich sichtbar machen. In der Unschuldigen Mçrderin muss sich die Ehefrau beispielsweise dem Torwchter hingeben, damit er ihr hilft, die Leiche des Ritters wegzuschaffen, der sie zuvor (unschuldig) entehrt hat (V. 332 – 336). Dieser ›ungleiche‹ Tauschhandel hat zur Folge, dass die Frau als Nchstes den Torwchter umbringt: also ward im der minne lon (V. 360). Im Tausch werden zwar vordergrndig quivalenzen hergestellt, doch bleiben ›quer dazu‹ Divergenzen offen, die dann wiederum weitere Ereignisse motivieren. Die Heterogenitt kann auf mehreren Ebenen liegen. So wird in der obigen Szene einerseits die moralische Frage aufgeworfen, ob der Zwang zum Beischlaf durch Mord vergolten werden darf.80 Andererseits wird auf der Erzhlebene das Erzhlmuster ›Sex gegen Sachleistung‹ mit dem Muster von der komischen Wegschaffung einer Leiche verbunden.81 79 V. 8, von Der Schlafpelz. So ergeht es auch den Ehemnnern in den Mren Drei listige Frauen B, Chorherr und Schusterin und Die zurckgelassene Hose. 80 In Pro- und Epimythion wird die Unschuld der Ehefrau beteuert (V. 15, 761). Vgl. zu den moraltheologischen Fragen sowie zu den stoffgeschichtlichen und diskursgeschichtlichen Beziehungen: Ruh (1981); Steinmetz (1999). Letzterer liest den Text nicht als Mre, sondern als »verkapptes und berdimensionales geistliches Exempel« (S. 60), das eine »allmhliche Emanzipation des moralischen Bewußtseins von seinen religiçsen Wurzeln ankndigt« (S. 67). 81 Vgl. dazu v. a. das Mre Der fnfmal getçtete Pfarrer von Hans Rosenplt.

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8. Asymmetrisches Tauschen: Brgermeister und Kçnigssohn

(3) Die beiden Mren erzhlen von Tauschgeschften, die sich ber die Zeit erstrecken. Hin- und Rckgabe geschehen nicht gleichzeitig, sondern erst nach einer unbestimmten Dauer. Dadurch werden die Tauschgeschfte sowohl syntagmatisch als auch paradigmatisch interessant. Es kçnnen nicht nur Rahmen- und Binnenhandlung aneinandergebunden werden, sondern durch das Umwerten von getauschten Objekten oder Geld kann einerseits das bereits Erzhlte aufgerufen und verndert, andererseits das zu Erzhlende motiviert werden. Dabei kommt in den beiden analysierten Mren insbesondere dem Geld eine komplexe Rolle zu, die darber hinausgeht, ein Substitut fr Sachleistungen zu sein.82 Die Intransparenz des Geldes in Bezug auf seine Herkunft fhrt dazu, dass dessen Besitz legitimiert oder motiviert werden muss. Dies generiert nicht nur Anschlusshandlungen, sondern kann auch als Reflexion auf narrative Motivationen gelesen werden. Denn das Motivieren bzw. Begrnden eines Zustandes (Reichtum) oder eines Ereignisses (Tausch) erscheint in den beiden Texten weder als supplementr noch in die Vergangenheit gerichtet, sondern bringt selbst neue Ereignisse hervor. Zwei weitere Texte des Cgm 270 motivieren die Haupthandlung durch Geiz oder Mangel. Hier wird die Frage der erzhlerischen Motivation expliziter als in den beiden bereits analysierten Texten thematisiert. Im Mre Die Suche nach dem glcklichen Ehepaar wird die Rahmenhandlung durch einen Mangel, nmlich den einzigen Fehler (geprest, V. 315) einer Ehefrau ausgelçst, der wiederum in ihrer Sparsamkeit besteht. Der Protagonist zieht aus, um ein ›glckliches‹ Ehepaar zu finden, also eines ohne Mangel. Er glaubt zweimal ein glckliches Ehepaar gefunden zu haben. Doch als ihn jeweils der Ehemann nach der Begrndung (i. e. Motivation) seines Aufenthaltes fragt83 und er wahrheitsgetreu antwortet, klrt ihn dieser ber die ›Rckseite‹ der vordergrndig idealen Ehe auf (V. 135 – 258; 294 – 444). Bekanntlich verdankt sich diese einer dunklen, d. h. ehebrecherischen und gewaltvollen Vergangenheit. In Bezug auf die Motivation wird zum einen sichtbar, wie sehr die spezifische Motivierung eines Zustandes die Sicht auf diesen verndert. Zum anderen fhrt die Erzhlung ber die ›Herkunft‹ des Eheglcks dazu, dass der Protagonist aufbricht, um einen neues Ehepaar zu suchen. Mittels des Blicks zurck wird somit das ›Kommende‹ motiviert. Zugleich dauert die Suche des Protagonisten so lange, bis er sein gesamtes mitgebrachtes Geld verbraucht hat und erkennt, wie gering der ›Fehler‹ seiner Frau ist (V. 100 f.; 272 – 275; 456 – 461; 472 – 475). Der Text beginnt somit mit der Fokussierung des Mangels und endet mit der ›Flle‹ des verschwendeten Geldes und der Flle der 82 Vgl. dagegen Die drei Mçnche zu Kolmar, wo Geld wie eine Sachleistung dazu eingesetzt wird, die Figuren zu bestimmten Handlungen zu motivieren; neben dem Ehepaar (V. 50, 97, 121) wird auch der schuoler durch vier pfenninge mehrfach in Bewegung versetzt (V. 295, 307, 319, 336, 376 f.). 83 Beide Male bemerkt der Gastgeber, dass der Protagonist kein Kaufmann ist (V. 136) und fragt, ob er aubentre suoch[e] (V. 139, 298). Bereits der wiederholte und berdeterminierte Begriff des aubentr macht deutlich, dass hier auch poetologische Fragen verhandelt werden.

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›guten Seiten‹ der Ehefrau. Die Motivierung verwandelt im Verlauf der Erzhlung den Mangel in Flle – was durchaus als poetisches Prinzip verstanden werden kann. Denn im Brgermeister wird, – indem nach der Begrndung des Mangels gefragt wird – eine Flle mçglicher Geschichten erzeugt. In der Suche nach dem glcklichen Ehepaar erweist sich hingegen durch die Flle anderer mçglicher Ehekonstellationen und deren Motivierung der initiale Mangel als bedeutungslos. In den Drei listigen Frauen B84 wird dagegen das Motivieren einer Erzhlung durch Mangel fast schon wieder ad absurdum gefhrt. Alle Grausamkeiten der drei Frauen entfalten sich ausgehend vom Streit um einen brig gebliebenen ungeraden haller.85 Der Erzhler hebt am Ende die Diskrepanz zwischen der Motivierung und dem Motivierten hervor, wenn er betont, er wisse nicht, wer den ›Heller‹ nun gewonnen habe.86 Die Schwankhandlungen im Cgm 270 werden somit nicht bloß strker als in anderen Texten motiviert,87 sondern es wird mit unterschiedlichen Motivierungsmçglichkeiten experimentiert. Damit besttigt sich der in den beiden ausfhrlichen Analysen entstandene Eindruck einer Potentialisierung des Erzhlens: Auf unterschiedlichen Ebenen der Texte des Cgm 270 – der Perspektive, der Motivation und der Textanordnung88 – basiert die Pointe darauf, dass sichtbar gemacht wird, dass die erzhlte Geschichte bloß eine von mehreren mçglichen ist. Der Tausch, der Mangel prsent macht, indem er ihn substituiert, erweist sich somit als ideales Element fr das Spiel mit dem Konkretisieren von Potentialitt und dem Potentialisieren des Erzhlten.

84 Zum Vergleich von Kaufringers Text mit anderen stoffverwandten, in denen kein Geldstck, sondern ein Objekt (Ring) die Handlung auslçst Raas (1983); Mller (1984), S. 301 – 304; Stede (1993), S. 86 – 94; Frosch-Freiburg (1971), S. 182 f. 85 V. 8 – 46, hier V. 30. Die Nichtteilbarkeit des Geldstckes fhrt zur Wette, wer von den drei Frauen ihren Ehemann am besten betriegen kann (V. 37 – 42, hier V. 40). 86 wçlhe iren man nun bas / betrogen und gelaichet hiet. / der mir das nun sagt und riet, / den wçlt ich gar fr weise han. / wçlhe das nun hett getan, / si hett pillich oun alle swr / den ungeraden hallr (V. 552 – 558). Vgl. auch V. 500 – 502, wo der Erzhler die Diskrepanz von ›Ursache‹ und ›Folge‹ betont: das hett frau Jt und Mchilt / angepruen oun alle swr / umb ain ungeraden hallr. Mller (1984), S. 297 f., liest den Heller einerseits als Verweis auf einen »sozialen Kontext« und betont andererseits das »groteske[] Missverhltnis« zwischen dem geringen Betrag und der »nachfolgenden Katastrophe«. Vgl. auch Raas (1983), S. 150 f., 166; Stede (1993), 86 – 94; Grubmller (2006), S. 187. 87 Mller (1984), S. 304, und Friedrich (2006), S. 70, betonen, dass sich bei Kaufringer eine verstrkte Motivation ›von vorne‹ beobachten lasse. 88 Dass die einzelne Erzhlung bloß eine von mehreren mçglichen ist, wird auch in den beiden mehrgliedrigen Mren Kaufringers (Die Suche nach dem glcklichen Ehepaar ; Die drei listigen Frauen) deutlich, die mehrere hnliche Geschichten aneinanderreihen, ohne dass die Beendigung der Reihung motiviert wird. Zugleich stellt sich in diesen mehrteiligen Texten, wie spter in den Schwankromanen, die Frage nach der Anordnung der Episoden.

IV. Ergebnisse 9. konomien des Begehrens Im ersten Kapitel wurde in Auseinandersetzung mit der bisherigen Forschung auf die Problematik des Begriffs ›Begehren‹ verwiesen. Der Begriff kann noch weniger als andere Begriffe deskriptiv verwendet werden, da er ußerst voraussetzungsreich ist. Begriffsgeschichtlich stark durch die Psychoanalyse geprgt, haften ihm sowohl ahistorische als auch naturalisierende Konnotationen an. Ein diskursgeschichtliches Vorgehen kçnnte zwar historische Begehrenskonzeptionen und -semantiken genauer fassen, birgt aber das Problem, dass gerade die hier interessierende narrative Dimension des Konzepts aus dem Blick gert. In der vorliegenden Arbeit wurde deshalb das Verfahren gewhlt, am Begriff ›Begehren‹ heuristisch festzuhalten, das Phnomen ›Begehren‹ aber in den einzelnen Interpretationen einerseits als historisch vernderliches, andererseits als narratives zu fassen. D. h. es wird nicht ein spezifisches Verstndnis von Begehren vorausgesetzt, sondern gefragt, wie die Texte vom Streben nach sexueller Erfllung erzhlen und welche narrativen Funktionen und Effekte damit erfllt bzw. erzeugt werden. Die bisherigen Untersuchungen haben vor allem drei Aspekte des Phnomens Begehren sichtbar gemacht. (1) Viele Mren erzhlen, wie Begehren ›entsteht‹ bzw. ›geweckt‹ wird. Zwar ist die Entstehung der minne auch in mehreren episch-hçfischen Texten Thema,1 doch geht es in den Mren nicht um die Beschreibung eines Zustandes, sondern um dessen Instrumentalisierung und Transformation. Die Figuren begehren etwas und dazu erwecken sie das Begehren anderer Figuren bzw. manipulieren es. Wenn die Manipulation des Begehrens glckt, entsteht, verstrkt durch die schematische Erzhlweise, der Eindruck, Begehren werde auf bestimmte Gesetzmßigkeiten zurckgefhrt. Doch, wie noch genauer nachgewiesen werden soll, werden Kalkulierbarkeit und Unkalkulierbarkeit von Begehren gegeneinander ausgespielt. Vielfach werden die Ziele der Figur, die das Begehren anderer Figuren zu manipulieren versucht, durch Zuflle abgelenkt. Es geschieht also selten das, was die Figuren erwarten oder erstreben, und dies stellt zugleich eine hufige Form der Pointenerzeugung dar. (2) Sexuelles Begehren erscheint in den Mren als ein Streben, das mit anderen Formen des Strebens eng verwandt ist. Die Texte stellen sowohl die Analogien als auch die Differenzen zwischen materiellem, sexuellem, hermeneutischem u. a. Begehren aus. Sie sind an Verschiebungen und Interdependenzen zwischen den verschiedenen Begeh1 Vgl. u. a. Schnell (1985), S. 187 – 224; Schnyder (2003).

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rensformen interessiert, ohne dabei die Differenzen vçllig einzuebnen (vgl. Bildschnitzer, Hellerwertwitz, Brgermeister). (3) Die Mren partizipieren oft, wenn sie von sexuellem Begehren erzhlen, an einem hçfischen Liebesdiskurs, indem sie auf dessen Semantik, Metaphorik und Topoi zurckgreifen, diese aber verschieben, bertragen oder konkretisieren. Doch zielen die Texte, wie etwa in den Zwei Kaufleuten gezeigt wurde, nicht primr darauf, die hçfische Liebeskonzeption als rein kçrperlich-sexuelle zu entlarven, vielmehr experimentieren sie mit dem Verschieben von berlieferten Bedeutungen: vom Abstrakten zum Konkreten, vom Materiellen zum Sexuellen oder von der Metapher zur Metonymie (und vice versa). Im Folgenden sollen diese drei Aspekte des Phnomens ›Begehren‹ in den Mren noch strker auf das Tauschen bezogen werden: Wie werden Tausch und Sexualitt, materielles und sexuelles Begehren aufeinander bezogen, welche poetologischen Konnotationen gehen damit einher und welche narrativen Effekte werden erzeugt? Dazu wird im Folgenden zuerst die Erzhlung Gold und Zers analysiert, die als Grenzphnomen zwischen Minnerede und Mre betrachtet werden kann. In diesem hybriden Text lassen sich fast schon exemplarisch unterschiedliche Begehrenskonzeptionen, die jeweils mit unterschiedlichen Darstellungsformen verknpft sind, voneinander abgrenzen. Im zweiten Teil wird anhand eines Vergleichs mehrer Texte gezeigt, wie diese die ›Entstehung‹ und ›Funktionsweise‹ von Begehren je unterschiedlich entwerfen, damit aber doch hnliche narrative Effekte erzielen. Im dritten Teil wiederum wird es um das Verhltnis von Tauschen und Begehren gehen, d. h. um die Frage, welche handlungsweltlichen, narrativen und poetologischen Effekte der Tausch ›Sex gegen materielle Leistung‹ hat?

9.1 Gold und Zers: Drei Erzhlmuster – drei Figurationen von Begehren Das Mre Gold und Zers2 beginnt mit einem Streitgesprch der beiden Personifikationen Gold und zers (»mnnliches Glied«), wer von beiden werder (V. 75; »wertvoller«) sei.3 Nachdem sie sich gegenseitig ihre Vorzge aufge2 Die Erzhlung ist in drei Sammelhandschriften und einem Fragment berliefert; zitiert wird, wenn nicht anders vermerkt, nach Fassung I von Fischer, Mrendichtung, S. 431 – 438, die der Leithandschrift Wien, sterreichische Nationalbibliothek, Cod. 2885, Bl. 120ra-122va, folgt; sie wird auf 1393 datiert. Daneben gehçren zu dieser Fassung die vom Cod. 2885 abhngige Handschrift, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ms. Fb 32001, Bl. 58vb-60ra, und das Fragment (V. 1 – 57) aus dem Cod. Karlsruhe 408, Badische Landesbibliothek, Bl. 190va190vb, die beide in die Mitte des 15. Jahrhunderts datiert werden. Fassung II von Fischer, Mrendichtung, S. 439 – 443, die nach der um 1510 entstandenen Handschrift, Mnchen, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 5919, Bl. 258v-262r, erstellt ist, wird gleichfalls hinzugezogen. 3 Fischer (1983), S. 75, kategorisiert den Text als »Grenzfall«, weil das Kriterium des menschlichen Personals und punktuell auch dasjenige, dass ein Vorgang erzhlt werde, nicht erfllt

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zhlt haben, einigen sie sich darauf, ihre Herrin (fraue[], V. 85) urteilen zu lassen. Die Frau entscheidet sich fr das Gold: ich pin dir [golt] innrkleichen holt. / du seist herr und er [zers] dein knecht. (V. 130 f.; »Ich bin dir innig ergeben, du sollst der Herr sein und er dein Knecht.«)4 Der zers ist enttuscht und beklagt sich in hçfischen Topoi ber sein Unglck. Er beschließt, sich rar zu machen, damit er neu schtzen gelernt werde. Seine Strategie geht (fast) auf: Die Frauen sehnen sich nach dem zers und das Gold wird verteufelt (V. 164 – 172). Als der zers, ebenfalls vom Liebesverlangen gepeinigt, etwas frher als geplant zurckkommt, wird er freudig empfangen und sein Wert ber alle materiellen Werte gestellt.5 Die hçhere Wertschtzung hat jedoch zur Folge, dass die Frauen ihn fr immer an sich binden wollen. Sie stechen ihm auf Rat einer Nonne die Augen aus. Diese hngt sich die Augen an den Hals und es wachsen ihr Brste (V. 229 – 246). Davon habent noch die weib also prstelochten leib: swenn ain man mit plosser hant daran greifet, sazehant der zers sich pald aufmachet, […] und went, man well im geben wider die augen, die er hat verloren. (V. 247 – 255) Deshalb haben die Frauen immer noch einen mit Brsten versehenen Kçrper. Wenn ein Mann diesen mit seiner bloßen Hand anfasst, stellt sich das Glied sofort auf, […] und meint, man wolle ihm die Augen zurckgeben, die es verloren hat.

Die Erzhlung knpft drei unterschiedliche Erzhlmuster (Streitgesprch, Schwankerzhlung, Ursprungserzhlung) aneinander und in jedem wird eine andere Konzeption von Begehren entworfen. Im ersten Teil (V. 19 – 154) findet, wie in Minne und Pfennig, ein Dialog zweier personifizierter Werte statt.6 Whrend bei dieser gegenseitigen Beschimpfung viele bekannte Argumente ins Feld gefhrt werden,7 erhlt die Materialitt der beiden Personifikationen

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seien; zur Gattungsdiskussion vgl. auch Grubmller (2006), S. 230; Ziegeler (1985), S. 78 – 81; Schlechtweg-Jahn (1999), S. 99 f. Fassung I und II unterscheiden sich an dieser Stelle. In Fassung I erklrt der zers die Entscheidung als geschlechtsspezifisches Interesse der Frau an Gold und Handel (wechsl, V. 145 f.). In Fassung II motiviert dagegen der Erzhler die Entscheidung stndespezifisch: di frau was ain junkherin / und het des golds guten gwin (V. 77 f.). Eine Frau sagt, V. 215 f.: es ist ain funt, / der pesser ist dann tausent pfunt. Glier (1971), S. 215, spricht von einer »obszçne[n] Kontrafaktur zu den Auseinandersetzungen zwischen Minne und Pfennig«. So betont der zers z. B., dass er die Minnekrankheit heilen kçnne (V. 77 – 79), dem Gold wird vorgeworfen, dass es nur Schmuck ist und keinen Nutzen bringt (V. 42, 46). Damit werden die

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auffllig viel Gewicht. Dem Gold wird mehrfach gedroht, es zu verschmelzen (V. 43; 68 f.), dem zers wiederum wird vorgeworfen, dass er liechtlos[] (V. 49; »blind«)8 sei, d. h. einerseits in der Hose versteckt (V. 51 – 53) und andererseits, im bertragenen Sinne, dem Trieb blind unterworfen. Die beiden Personifikationen verkçrpern zwar etwas Abstraktes (materielles Begehren, sexuelles Bedrfnis), doch stehen sie zugleich fr Begriffe, die auf Materielles bezogen sind. Parallel dazu hebt der Text ungewohnt pointiert die Materialitt der Personifikationen hervor.9 Der streit[] (V. 28) der beiden Figuren wird nicht rhetorisch auf der Dialogebene gelçst, sondern ›narrativ‹ entschieden. Die beiden Rivalen golt und zers wenden sich an eine bergeordnete Gerichtsinstanz, nmlich ihrer paider froue[] (V. 85). Diese urteilt zugunsten des Goldes, wird aber dadurch zur neuen ›Gegnerin‹ des zers. Im zweiten Teil (V. 155 – 228) stehen sich deshalb nicht mehr Gold und zers, sondern die Frau(en)10 und der zers gegenber. Das Streitgesprch wird dadurch in eine typische Mrenkonstellation transformiert, in der zwei Rivalen unterschiedlichen Geschlechts sich gegenseitig zu manipulieren versuchen. Der zers beschreibt seine Strategie folgendermaßen: meid ich sei [die Frauen] ain halbs jar, / sich mssen maid und weib / kratzen umb mein leib. (V. 150 – 153; »Verlasse ich sie fr ein halbes Jahr, werden sich die Dienerinnen und die Herrinnen um meinen Kçrper raufen.«) Die Manipulation des zers glckt vordergrndig: Die Frauen erkennen aufgrund der Abwesenheit des zers dessen ›Wert‹. Sie erfahren, dass er sich nicht durch Gold substituieren lsst,11 und sehnen sich nach ihm.12 Das Begehren wird somit wie im Brgermeister auf eine Logik des Mangels zurckgefhrt, d. h. es ist nicht unvernderlich gegeben, sondern kann durch Abwesenheit erzeugt werden.

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Topoi der Streitgesprche zwischen Minne und Pfennig sowie der Wertediskussion zwischen Weisheit und Reichtum aufgerufen. Vgl. dazu Kap. 4. des vorliegenden Buches. Fischer (1966), S. 554, Anm. 49, bersetzt liechtlos als »nicht glnzend«; vgl. aber auch BMZ Bd. 1, Sp. 1029, wo liehtlser man als blinder Mann nachgewiesen wird. Es handelt sich dabei selbstredend um unterschiedliche Ebenen. Einerseits der dargestellte Begriff und andererseits die Materialitt des Mediums (Personalitt), das den Begriff darstellt. Doch gerade dieser Bezug ber die Ebenen hinweg scheint mir bemerkenswert und fr Mren nicht ganz untypisch. Whrend im ersten Teil von einer Frau in einer herausgehobenen Richterinnenposition die Rede ist, handelt der zweite Teil von einer Gruppe von Frauen. Indem der zers die eine Frau als Stellvertreterin der Gruppe (V. 141 – 147) deutet, wird diese Umbesetzung andeutungsweise motiviert. In Fassung II ist dagegen von Beginn an von einer Gruppe von Frauen die Rede (V. 68). das golt was in ain galle, / es was ze minnen kain frum. / ain spannen langs zersdrum / het in vertriben paß den schauren (V. 164 – 167). Wie viele Mren ist auch dieses misogyn, da die Frauen als per se begehrlich gezeigt werden und sowohl ihr Begehren nach dem Gold als auch das nach dem zers negativ dargestellt ist. Vgl. den Kommentar des zers auf den Richtspruch der Frau: si [die Frauen] weren ie dem wechsl holt (V. 146).

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Zugleich wird der zers im zweiten Teil vom personifizierten Bedrfnis13 zur begehrten Person. Begehren wird nicht mehr statisch verkçrpert, sondern erscheint als zeitlicher Prozess: als Effekt eines Changierens zwischen An- und Abwesenheit. Diese Begehrenskonzeption wird im dritten Teil (V. 229 – 256) erneut verndert: Es wird nicht von der Manipulation des weiblichen Begehrens, sondern eine Ursprungsgeschichte14 des mnnlichen Begehrens und der Geschlechterdifferenz erzhlt. Dem zers werden die Augen ausgestochen, die zu von ihm begehrten weiblichen Brsten werden.15 Das mnnliche Begehren ist somit Verlangen nach dem Eigenen. Es erscheint nicht, wie das weibliche Begehren, als manipulierbarer Effekt, sondern als Streben nach der verlorenen Einheit. Dies begrndet zugleich die Geschlechterhierarchie, da der weibliche Kçrper Effekt der mnnlichen Fragmentierung ist bzw. der Mann in der Frau das Eigene begehrt.16 Dabei wird die Personifikation des Begehrens auf der Handlungsebene gleichsam aufgelçst. Der zers ist im dritten Teil weder Verkçrperung eines Bedrfnisses noch Protagonist einer narrativen Handlung, sondern er wird zum Kçrperteil von jedem einzelnen (Mann). Was bei einer Personifikation gewçhnlich vorausgesetzt wird, dass sie nmlich als personifizierter Begriff fr eine unter dem Begriff subsumierte Gruppe von Einzelnem steht, wird hier narrativ umgesetzt: Das personifizierte Glied wird auf der Handlungsebene in einzelne Kçrperteile verwandelt. Diese ungewohnte Transformation ber die Erzhlebenen hinweg begrndet somit nicht nur das mnnliche Begehren, sondern auch das dieses verkçrpernde rhetorische Mittel. In der Erzhlung Gold und Zers werden somit drei unterschiedliche Erzhlmuster (Streitgesprch, Schwankerzhlung, Ursprungsgeschichte) aneinandergereiht und mit je verschiedenen Begehrenskonzeptionen verknpft: Im ersten Teil erscheint Begehren als Bedrfnis, im zweiten als instrumentalisierbarer Effekt der Dynamik von An- und Abwesenheit und im dritten Teil als ›natrliches‹ mnnliches Verlangen nach der verlorenen Einheit. Die Analyse zeigt, dass sich bereits in einem einzigen Text ganz unterschiedliche Figurationen von Begehren erkennen lassen, die jedoch nicht losgelçst von ihrer jeweiligen Darstellungsform zu analysieren sind. 13 Vgl. die Aussage des Goldes: du dunkst mich ze nicht sein, / neur das ain rapp den sein / hunger an dir gelabe (V. 55 – 57). 14 Vgl. Kellner (2004), S. 108 – 119, insbes. S. 113, zu Ursprungserzhlungen als (gewaltsame) Differenz-Setzung; vgl. zum Narrativ der Ursprungserzhlung auch Koschorke (2004), S. 42. 15 Die Gewalt wird dadurch motiviert, dass die Frauen den zers (flschlich) fetischisieren: Wiederum sind sie als diejenigen gezeichnet, die dem Materiellen verhaftet sind (vgl. oben Anm. 12), whrend der Text zumindest im zweiten Teil deutlich macht, dass Begehren nicht substantiell zu verstehen ist. 16 Schlechtweg-Jahn (1999), S. 99 – 103, liest die beiden Personifikationen als mnnliche und weibliche Seiten eines Adeligen. Mir scheint dies nicht plausibel, da – wenn der zers am Ende das Eigene begehrt – nicht von der Einheit der Person, sondern von der Begrndung der Geschlechterdifferenz und -hierarchie erzhlt wird.

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9.2 Rhetorik der Manipulation Wie in Gold und Zers wird auch im Brgermeister die Entstehung von Begehren relativ mechanisch dargestellt. Dazu wird jedoch nicht das rhetorische Stilmittel der Personifikation, sondern das narrative der Wiederholung verwendet. Zweimal wird das Begehren der Brgermeistersfrau dadurch geweckt, dass sie auf eine ›Lcke‹ oder ein ›Fehlen‹ in ußerungen ihres Mannes aufmerksam wird. Im ersten Fall wissen die Lesenden, dass der Ehefrau eine ›reale‹ Information fehlt, die ihr Mann besitzt. Im zweiten Fall hingegen ist die ›Lcke‹ eine imaginre, da die Vernachlssigung der Ehefrau bloß erfunden ist. Indem die fingierte Lcke aber genauso wie die existierende das Begehren der Ehefrau erzeugt, weist der Text auf die Verflechtung des Begehrens mit Strukturen des Imaginren hin. Auch das Mre Tor Hunor17 arbeitet mit einer Differenzierung von ›realem‹ und ›diskursiv-imaginrem‹ Mangel. Das ungengende Wissen und die mangelnde Erfahrung des naiven Ehemannes haben zur Folge, dass er sich einreden lsst, seiner Ehefrau wrden die weiblichen Geschlechtsmerkmale fehlen, obwohl sie – wie die Lesenden wissen – ›real‹ am Platz sind.18 Die Komik entsteht dadurch, dass der naive, aber reiche Bauer diesen imaginren Mangel mittels einer çkonomischen ›Logik‹ zu fllen versucht: Er bezahlt einen Ritter, damit dieser an seiner Ehefrau das angeblich Fehlende anbringt; dieser Ritter ist aber zufllig auch der Geliebte der Ehefrau. Als der naive Bauer das Geschlechtsteil auch nach der ›Arbeit‹ des Ritters nicht an der von ihm erwarteten Stelle (am Bauch) findet, verstçßt er seine Frau. Man kçnnte versucht sein, alle drei Mren im Anschluss an Howard Bloch19 dahingehend zu lesen, dass die Dynamik des sexuellen Begehrens (wie auch die des Erzhlens) von einem nichtontologischen Mangel ausgeht. Dieser wird dann jeweils durch imaginre Objekte des Begehrens substituiert, die sich

17 Das Mre ist in vier Sammelhandschriften berliefert. Es wird die Edition des Cod. Vind. 2885 (nach Schmid, S. 196 – 202) zitiert, der auf 1393 datiert wird (Wien, sterreichische Nationalbibliothek, Cod. 2885, Bl. 50ra-52rb). Daneben ist das Mre in drei weiteren Sammelhandschriften der ersten Hlfte des 15. Jahrhunderts berliefert: Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ms. Fb 32001, Bl. 32rb-33va; Cod. Karlsruhe 408, Badische Landesbibliothek, Bl. 104ra-105va (ohne den Anfang); Dresden, Schsische Landesbibliothek, Ms. M 68, Bl. 13ra14va; zum Vergleich der Textzeugen vgl. Schrçder (1972a). In der Dresdner Handschrift ist das Mre Tor Hunor gleich neben der Halben Decke C berliefert. Obwohl die Texte in ihrer Ausrichtung sehr unterschiedlich sind, gleichen sie sich darin, dass am Ausgangspunkt der Erzhlung ein begterter Vater steht, der seinen Besitz seinem Sohn vermachen mçchte und dabei auch die Ehefrau fr ihn auswhlt; vgl. dazu Westphal (1993), S. 81 f. 18 Der Bauer sucht das fuch_ el (V. 78) am Bauch und findet es nicht. Die Ehefrau behauptet, es fehle ihr : Si _ prach: ›waa treib_ tu, torehter knab, / Wan ich der ffflchs nicht hab?‹ (V. 87 f.). 19 Vgl. dazu Kap. 1.4 des vorliegenden Bandes.

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aber – je nher man ihnen kommt – entziehen oder transformieren.20 Doch eine solche Interpretation geht meines Erachtens zu stark von der Handlungsebene aus und bercksichtigt die diskursgeschichtliche, intertextuelle und narrative Dimension von Begehren zu wenig. Zwar gibt es einige Mren, die – wie die gerade beschriebenen – den Entzug oder die temporre Absenz als zentrale Dynamik von Begehren ausweisen, doch gilt dies keineswegs fr die berwiegende Mehrheit der in Frage kommenden Texte. Sucht man nach Gemeinsamkeiten, so wre viel eher bei der Manipulation des Begehrens anzusetzen. Fast immer, wenn die Mren von Begehren erzhlen, berichten sie auch davon, wie dieses instrumentalisiert und (listig oder zufllig) abgelenkt wird. Fokussiert werden ganz unterschiedliche Strategien, mit denen Begehren erzeugt und manipuliert werden kann: Neben der Absenz beeinflussen auch der berfluss, die Wnsche anderer Figuren, Sprachgesten und Kulturell-Imaginres das Begehren einer einzelnen Figur. Diese Manipulationsformen werden im Folgenden etwas genauer ausgefhrt und auf ihre narrativen Gemeinsamkeiten befragt. Im Mre Frau Metze die Kuflerin21 erzeugt beispielsweise eine Kupplerin mittels erfundener Liebesbotschaften sexuelles Begehren. Sie berichtet einem Dompropst und einer Frau flschlicherweise, dass der eine vom anderen begehrt wrde. Beide errçten synchron (V. 65 f.; 113 f.). Die kçrperlichen Symptome verweisen auf den hçfischen Liebesdiskurs, der von einer Leib und Seele umgreifenden minne ausgeht, deren ›Gewalt‹ nicht zuletzt darin besteht, dass das ›Außen‹ dem ›Innen‹ entspricht.22 Dagegen schildert das Mre, wie Begehren unabhngig von ›echter‹ Gegenseitigkeit und intrinsischen Werten vom Kçrper Besitz ergreift. Bereits der Glaube an ein erfundenes Begehren bringt das gleichzeitige Errçten hervor. Doch was wie ein Triumph sprachlicher Macht ber kçrperliches Begehren beginnt, scheitert, als sich sexuelles und materielles Begehren ›kreuzen‹. Auf dem Weg zum Stelldichein wird der Propst nmlich von einer Gruppe Chorherren weggerufen: ez mçht iu _ chaden hundert marc, / komen ir niht mit uns dar ; (V. 320 f.; »Ihr kçnnt hundert Mark verlieren, wenn ihr nicht mit uns dahin geht.«) Der Dompropst zieht den sexuellen Verlust dem monetren vor und geht mit den Chorherren weg. Die Kupplerin muss einen Ersatz anwerben, doch gert sie nun an den Ehemann 20 Gsell (2001), S. 253 – 258, liest den naiven Ehemann im Tor Hunor (mit Rekurs auf Lacan) als denjenigen, der das »phantasmatische[], unbewusste[] Erleben[] verkçrpert« (S. 258). Er strebe nach Vollkommenheit und Einheit und erschrecke, wenn er die Genitalien der Frau sehe, weil sie die Geschlechterdifferenz sichtbar machen wrden. 21 Das Mre ist in fnf Handschriften berliefert; die drei frheren (Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 104, Bl. 166ra-169ra; Mnchen, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 379, Bl. 45v-52v ; Mnchen, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 270, Bl. 85v-92r) werden auf um 1430, 1454 und 1464 datiert (zudem: Salzburg, Stiftsbibliothek St. Peter, Cod. b IV 3, Bl. 51v-60v ; Nrnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. Merkel 28 966, Bl. 84v-86r). Zitiert wird nach dem NGA, S. 70 – 83. Vgl. zum Mre, insbes. zum Verhltnis von ffentlichkeit und Heimlichkeit, Przybilski (2004). 22 Vgl. u. a. Hahn (1977); Wenzel (1994).

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der angeworbenen Frau. Es kommt deshalb unerwartet zum ehelichen Stelldichein, das aber nicht zum Sexualakt fhrt. Denn die listige Ehefrau reagiert sogleich und tut so, als ob sie ihrem Mann eine Falle gestellt htte. Sie beschimpft ihn und bringt ihn dazu, ihr den geplanten Fehltritt durch Geschenke zu vergelten. Statt des sexuellen Begehrens dominiert somit am Ende das materielle; die Manipulation des sexuellen Begehrens gelingt immer nur phasenweise. Was auf der Figurenebene als ›Rhetorik der Manipulation‹ bezeichnet werden kann, stellt auf der Erzhlebene eine ›Rhetorik der Verschiebung‹ dar : Das sexuelle Begehren verwandelt sich in ein materielles und diese Unkalkulierbarkeit sorgt fr Komik. Das materielle Begehren, das die Plne der Kupplerin durchkreuzt, weist zudem auf den Beginn des Mres zurck, da die Kupplerin nur wegen mangelnder Einknfte zur List des erfundenen sexuellen Begehrens gegriffen hat. Das materielle Begehren ruft somit einerseits die Mrenhandlung hervor, ist aber andererseits auch fr deren Ende verantwortlich; dazwischen liegen ganz unterschiedliche Verschiebungen und bertragungen von Begehren, die zwar weder einen çkonomischen noch einen sexuellen Gewinn, aber dafr eine Erzhlung hervorbringen. In Kaufringers Mre Der Mçnch als Liebesbote B23 lsst sich wiederum eine andere Form der Manipulation und Erzeugung von Begehren beobachten. Eine Ehefrau begehrt einen jungen Mann, der um eines Mdchens willen in ihrer Strasse spaziert (V. 22). Sie klagt einem alten Mçnch, der junge Mann stelle ihr nach, so dass jener den jungen Mann beschuldigt, die Frau zu belstigen. Das Szenario wiederholt sich mehrmals, wobei der junge Mann die Beschuldigungen jedes Mal (zu Recht) bestreitet. Als jede andere Wirkung ausbleibt, gibt die Frau dem jungen Mann (ber den Boten) eine angebliche Liebesgabe zurck: einen Ring mit der Inschrift merk, wie du verstandest das! (V. 208; 331). Der Mann versteht nun endlich den Willen der Ehefrau und wird selber zum Begehrenden. Anhand einer weiteren Klage ber sein angebliches Eindringen ins Zimmer erfhrt er den Weg zum Stelldichein. Auch hier wird also das sexuelle Begehren nicht auf einen Mangel, sondern auf sprachliche ›Produktivitt‹ zurckgefhrt. Die List besteht in der spezifischen Hermeneutik der expliziten Negation: ›du sollst nicht…‹ muss als ›du sollst…‹ verstanden werden. Die Botschaften der Ehefrau sind die negierte Antizipation des Erwnschten. Sie spielen damit, dass auch verneinte Aussagen die positiven Signifikanten ›prsentieren‹, wenn es auch (zumindest in diesem Fall) zustzliche Hinweise braucht, um sie in ihrer Positivitt lesen zu kçnnen. Die Manipulation von Begehren erscheint so als dezidiert rhetorische ›Technik‹. 23 Vgl. zur Handschrift Kap. 8; zur Verbreitung des Stoffes im deutschen Sprachraum Grubmller (1996c), S. 1197. Im Unterschied zur Fassung A (vgl. Grubmller, Novellistik, S. 524 – 534) fllt bei Kaufringer auf, dass die Spannung darauf gerichtet ist, wie der Mann ber viele Wiederholungen hinweg nicht versteht und ihm erst die schriftliche Botschaft auf die Sprnge hilft. In Fassung A wird dagegen das Spiel mit der ›Negation der Negation‹ der Rckgabe weitaus elaborierter entfaltet; vgl. V. 186 – 204.

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Das sexuelle Begehren wird nicht, wie bei Frau Metze, dem materiellen, sondern dem hermeneutischen Begehren angenhert: Erst das richtige Decodieren der Botschaften weckt das sexuelle Begehren und verhilft zur sexuellen Erfllung. Die Mren experimentieren also sowohl mit unterschiedlichen diskursiven, imaginren und realen Entstehensbedingungen von Begehren als auch mit den bergngen zwischen unterschiedlichen Formen von Begehren (insbesondere von sexuellem, materiellem und hermeneutischem). Dabei ist nicht eine dominante Konzeption von Begehren zu erkennen, aber es zeigen sich immer wieder hnliche narrative Spannungen: nmlich solche zwischen Mangel und berschuss, Manipulation und Unkalkulierbarkeit sowie zwischen den traditionellen literarischen Semantiken und Topoi und deren komischen Verschiebungen. Es kçnnte deshalb gewinnbringend sein, in Bezug auf psychoanalytische Begehrenstheorien die Blickrichtung ab und zu umzukehren: Die Mren sind nicht ›Ausdruck‹ bestimmter psychischer ngste, Phantasmen oder Repressionen, sondern die Begehrenskonstellationen, die in den Mren variiert werden, haben durch literarhistorische Umbesetzungen hindurch auch noch die Psychoanalyse geprgt.24 Dies bedeutet jedoch, dass eine literaturwissenschaftliche Lektre weiter als bis zum Feststellen von ›Gesetzmßigkeiten‹ von Begehren zu gehen hat. Es gilt zu zeigen, in welche intra- und intertextuelle Dynamiken Begehren integriert wird und welche Semantiken und Topoi damit allenfalls geprgt werden. Das Mre Tor Hunor zeichnet sich beispielsweise auch durch gezielte intertextuelle Umbesetzungen aus. Denn blicherweise sind es naive Frauenfiguren, denen die Unterscheidung zwischen der Benennung von Geschlechtsteilen und dem Vollzug von Sexualakten zum Verhngnis wird. Da sie nicht wissen, was minne heißt, wird ihnen eine falsche Benennung beigebracht oder ein anderes Objekt im Tausch gegen ihre minne angeboten.25 Der Sexualakt wird der naiven Figur als ›Suche der minne‹ oder Tausch derselben angeboten und bei dessen Vollzug wird ihr sexuelles Begehren geweckt, obwohl ihr weiterhin die Worte dafr fehlen.26 Auch die Ehefrau in Tor Hunor verleitet den naiven Ehemann zu einem konkreten Tauschhandel, weil er zwar die Worte, nicht aber die Sache kennt. Er bezahlt dem Ehebrecher zwei mark und zwei Schinken (V. 121 f.), um das angeblich fehlende Sexualorgan an der Frau anzubringen. Zugleich stellt dies einen Versuch dar, im Tausch gegen 24 Vgl. etwa Mller-Funk (2002); Schuller (2006); Felman (1983). 25 Vgl. Der Sperber; Das Hslein; Des tiuvels hte; Der Striegel; Ehren und Hçhnen; Rache fr die Helchensçhne. Genderspezifisch ›verkehrt‹ erzhlen jedoch einige Texte auch hnliches von einem naiven Mann, meist einem Mçnch: Des Mçnchs Not; Das Gnslein; Der schwangere Mller. 26 Vgl. z. B. den Sperber, wo fr den Beischlaf die Metapher der ›Suche‹ (V. 153, 280), aber auch die des kauffens (V. 284) und vergeltens (V. 307) verwendet wird. In Tor Hunor wird die Metapher des ›Suchens‹ mehrfach benutzt; vgl. V. 83 oder die Erzhlerbemerkung V. 98 – 101: Des torhait waa _ o gerecht, / Daa er nie geruchte, / Daa er sei [ffflchs] da _ uchte, / Da _ i ze recht _ ol _ tan.

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materielle Werte sexuelle ›Herrrschaft‹ zu erlangen. Doch anders als in den erwhnten Mren erweckt der Tauschhandel nicht das sexuelle Begehren des naiven Mannes, sondern ermçglicht die Erfllung des sexuellen Begehrens von Ritter und Ehefrau.27 Die rhetorische Manipulation der Ehefrau triumphiert nicht nur ber die materiellen Rekonstruktionsversuche des Ehemannes, sondern auch ber das Erzhlmuster der Verfhrung des naiven Mdchens. Mit dem Tauschhandel gehen zudem signifikante metonymische Verschiebungen einher : Die zwei Schinken (pachen, V. 146), die der Bauer neben dem Geld bezahlt, verweisen darauf, dass bei diesem Tausch ›Fleischliches‹, nmlich der Schinken, gegen die ›Vollstndigkeit‹ der Ehefrau eingetauscht werden soll. Als der Bauer sein phant (V. 177, i. e. die Ehefrau) nach sechs Wochen einlçsen mçchte, und das kfflaa (V. 179) immer noch nicht an der ›richtigen‹ Stelle findet, beklagt er sich: Jn di_ en mort winkel / Zu end hin an den _ chinkl / Vnd hat _ ei [das weibliche Genital] ge_ atzt niden an pauh! (V. 219 – 221; »In diesen toten Winkel ganz am Ende des Schenkels und nicht an den Bauch, hat er sie hingetan.«) Das Tauschobjekt Schinken findet sich konnotativ bereits an einem anderen Platz, nmlich am Oberschenkel der Frau, und dementsprechend kommt auch der geplante Tausch nicht zu Stande. Die sprachlichen Verschiebungen nehmen die handlungsweltlichen vorweg. Auf diese Weise hebt der Erzhler neben den und gegen die rhetorischen Manipulationen der Ehefrau seine eigenen hervor.28 Beim Mçnch als Liebesboten B ist ber die oben skizzierte Interpretation hinaus zu beachten, dass die listige Manipulation des Begehrens29 im Spannungsverhltnis unterschiedlicher Medien geschieht: In ihrer ersten Rede an den Mçnch (V. 58 – 72) wiederholt die Frau das Wort mein auf kaum zu bersehende Weise sechsmal und deutet damit ihr Verlangen nach der Aufmerksamkeit des jungen Mannes an. Als der Mçnch dem jungen Mann die Botschaft ausrichtet (V. 83 – 91), fasst er diese aber so zusammen, dass die Frau nur einmal erwhnt wird. Auch der zweite Versuch mndlich bermittelter Zweideutigkeit schlgt fehl. Erst die im Ring eingravierten Schriftzeichen erzielen die gewnschte Wirkung. Der Medienwechsel reflektiert die Leistungen der beiden Medien. Nicht die Intensivierung durch die mndliche Wiederholung, sondern deren Kombination mit der ›stabileren‹ Schrift ver27 Anstatt vor den listigen Ehefrauen zu warnen (wie z. B. im Mçnch als Liebesbote; vgl. unten Anm. 29), nutzt der Erzhler das Epimythion fr einen ironischen, und doch werbenden Frauenpreis: Got vn´s des toren weib _ end (V. 250). 28 Im Anschluss an Schnyder (2000b); Schnyder (2000a), S. 278. 29 Im Promythion wird die Manipulation von Begehren explizit als list der Frauen bezeichnet: Wer buolschaft gert und suochen wil, / der bedarf der sinne vil; / damit er sich bedenk gar wol, / wie er darzuo tuon sol, […] darnach im dann sein wille ste. / nun waiß ich niemant ze der frist, / der vinden knd als guot list / auf puolschaft sam die frawen cluog (V. 1 – 9; vgl. auch V. 12, 395). Zugleich stellt der Erzhler diese list als Innovation dar: des sich niemant hett erdacht, / das wirt von in [den Frauen] vil schier volbracht (V. 13 f.).

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hilft der Frau zum Erfolg. Die angebliche Rckgabe des Rings wird so zur eigentlichen Gabe. Doch besteht diese nicht, wie fr Liebesgaben im hçfischen Kontext blich, in der Dauerhaftigkeit des Objekts (das Erinnerung stiftet), sondern in der Leseanweisung fr bereits erhaltene (und kommende) mndliche Botschaften. Die unterschiedlichen Medien werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern effizient kombiniert und dabei wird zugleich deren Verwendung im hçfischen Liebesdiskurs umbesetzt. Die Figur des Boten, also der Mçnch, verweist ebenfalls auf hçfische Erzhlgewohnheiten, doch noch prgnanter ist der Bezug zu einzelnen mrenspezifischen Figurentypen, die er geradezu zu kombinieren scheint. Er ist – und darin liegt die zentrale Komik – einerseits huote-Instanz, andererseits Kuppler. Die wiederholte Hervorhebung seines Alters (V. 40; 43) und seine Naivitt verweisen auf die Konstellation ›alter, betrogener Ehemann und junge, listige Ehefrau‹. Sein Stand hingegen steht fr den lsternen Kleriker, der gewçhnlich die Rolle des Ehebrechers einnimmt. Von den intertextuellen Erwartungen her kme ihm somit die Rolle eines begehrenden (und allenfalls betrogenen) Dritten zu.30 Dass genau dies nicht erzhlt wird, und wir also nichts ber ein allflliges Begehren des Mçnchs wissen, fhrt von der intradiegetischen Manipulation zu derjenigen des Textes. Durch die Transformation der Erzhlmuster und Figurentypen werden Erwartungen irritiert und Spannung erzeugt. Doch kçnnen die List der Figuren und die des Textes bekanntlich nur idealiter voneinander getrennt werden, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass der Erzhler die rhetorischen Strategien seiner Figuren am Ende bernimmt: Er endet mit einer positiven Formulierung, die ironisch ihre Negation meint: Mit der red ich das nun preis, das die frawen sind so weis und der cluogen list als vol, si knnen es geschiken wol, das ir sach antragen wert. (V. 393 – 397) Mit dieser Erzhlung preise ich die Frauen, die so klug sind und so voller Schlauheit, dass das, was sie anstiften, Bestand hat.

Wenn die Mren von sexuellem oder materiellem Begehren erzhlen, berichten sie somit zum einen von dessen ausgefeilter Manipulation. Sie erzeugen mit den intradiegetischen Manipulationen narrative Steigerungen. Da jede Manipulation ihrerseits manipuliert werden kann, stehen zudem infinite Mçglichkeiten der berbietung bereit. Zugleich kommentieren die Texte die intradiegetischen Manipulationen durch semantische oder metonymische 30 Vgl. die verschiedenen zweideutigen Formulierungen, die die hnlichkeit des Mçnchs mit dem jungen Mann hervorheben (V. 46, 103, 172).

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Inkongruenzen und fgen so der intradiegetischen Dynamik eine weitere, strker intertextuell und sprachtheoretisch ausgerichtete Dimension hinzu. Zum anderen erscheint das Begehren in den Mren als etwas Prozessuales. Es handelt sich, wie insbesondere im zweiten Teil von Gold und Zers deutlich wird, nicht um einen einmaligen Vollzug oder ein statisches Element der Schwankerzhlung, sondern um einen zeitlich gedehnten Prozess.31 Das Begehren einer Figur ist ein Streben, das auf etwas Zuknftiges ausgerichtet ist. Die Gegenwart des Erzhlten wird dadurch von einer Zukunft berlagert, die die Figuren erstreben und auf die ihr Handeln ausgerichtet ist.32 Dies prgt wiederum die Erwartungen der Lesenden, die durch die Unkalkulierbarkeit des Begehrens unterlaufen werden.33 Auf der Erzhlebene hlt das Begehren aber auch metonymisch den Prozess der eigenen Entstehung prsent. Dabei handelt es sich nicht selten um ganze Ereignisketten, entlang derer sich das Begehren eines Einzelnen aufgrund eigener und fremder Manipulationen verschiebt und verwandelt. Solche (syntagmatischen) Kausalketten und die damit einhergehenden paradigmatischen Bezge kçnnen die einzelnen Ereignisse wiederum kommentieren oder konterkarieren. Das Begehren hat somit in den Mren auch die Funktion, kontinuierlich Vor- und Rckverweise zu setzen. Es verschrnkt den Ablauf des Erzhlten und den des Erzhlens miteinander und unterluft so die scheinbare Linearitt der auf die Pointe ausgerichteten Schwankerzhlung.

9.3 Tauschen und Begehren Someone always wants something, whether sex, food, money, or as in this case, a story itself.34

Unterscheidet man, wie das bisher getan wurde, zwischen materiellem, sexuellem Begehren und einem Streben nach Wissen, so basiert diese Unterscheidung implizit auf der Differenz zwischen dem, was begehrt wird. Vordergrndig scheint eine solche Unterscheidung unproblematisch: Das materielle Begehren ist auf besitzbare Objekte ausgerichtet, Neugier strebt nach Informationen und sexuelles Begehren verlangt Vollzug. Die Mren unterlaufen diese Unterscheidungen jedoch immer wieder : Die naiven Figuren 31 Es scheint mir in Bezug auf die Prozessualitt des Begehrens nicht sinnvoll, geschlechterspezifisch zu differenzieren und etwa im Anschluss an Chinca (1994), S. 89, von einem Gegensatz zwischen der weiblichen (subversiven) Mobilitt und der mnnlichen Immobilitt auszugehen. Auch das mnnliche Begehren ist meist prozessual (im oben beschriebenen Sinne), wenn es auch weniger im Zentrum steht als dasjenige der Frauen. 32 Ptz (1970), S. 62, spricht in Bezug auf die Vorgriffe im Drama von der »Duplizitt von Vorgriff und Verwirklichung sowie [der] zeitliche[n] Spanne zwischen beiden«. 33 Vgl. ebd., S. 11: »Die Technik des Vorgreifens hebt eine unter vielen Mçglichkeiten hervor, stellt sie in Frage oder macht sie wahrscheinlich – niemals aber gewiß«. 34 Bloch (1986), S. 40.

Tauschen und Begehren

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verlangen anstelle der sexuellen Handlung nach etwas Objekthaftem (Tor Hunor, Der Striegel), oder das Verlangen nach einem Objekt verwandelt sich in sexuelles Begehren (Sperber). Der Eindruck der Manipulierbarkeit von Begehren wird deshalb vielfach durch Verschiebungen und Transformationen unterlaufen; so, wenn sich z. B. in den Zwei Kaufleuten das materielle Begehren in ein sexuelles verschiebt oder wenn das rhetorisch erzeugte sexuelle Begehren in Frau Metze aufgrund von materiellen Grnden versandet. Begehren erscheint als etwas unkalkulierbar Kalkulierbares, das insbesondere dann unkalkulierbar wird, wenn die unterschiedlichen Absichten mehrerer Figuren aufeinandertreffen.35 Der von den Mren bevorzugte Ort einer solchen Kollision ist der Tausch. Denn beim Tauschen sind nicht nur heterogene Objekte miteinander zu vergleichen und einander anzugleichen, sondern auch die unterschiedlichen Absichten und Prferenzen der beiden Tauschpartner kooperativ gegeneinander abzugleichen. Bei diesem ›Herstellen‹ von Reziprozitt werden Begierden des Tauschpartners erkennbar und dies kann wiederum das Begehren des anderen Handelspartners verndern. Beim Tauschen wird somit einerseits – und hierhin mag der narrative Reiz des Motivkomplexes Tauschen und Begehren liegen – das Begehren der Figuren in verstrktem Maße sichtbar und deshalb in der Folge auch leicht instrumentalisierbar (z. B. im Sperber, Bildschnitzer, Mçnch als Liebesbote). Andererseits zeigen sich aber gerade auch beim Tauschen die Unkalkulierbarkeit von Begehren und damit die Grenzen von dessen Manipulierbarkeit (z. B. in den Zwei Kaufleuten oder in Frau Metze die Kuflerin). Der Tausch ›minne gegen materielle Leistung‹ stellt jedoch mehr als ein einfaches Mittel der Pointenerzeugung dar, weil dabei immer auch Grenzziehungen zwischen grundlegenden Ordnungen auf dem Spiel stehen (u. a. die des konomischen, des Sexuellen, der symbolischen Macht). Der Tausch ›minne gegen materielle Leistung‹ ist kein Tausch, bei dem die Konversionsverhltnisse vorab festgelegt sind, sondern er spielt sich zwischen inkommensurablen Ordnungen ab, d. h. das Getauschte lsst sich nicht mittels eines einheitlichen Maßes messen. Ein solcher Tausch ist deshalb verstrkt ›berschssig‹, was die hufigen Verschiebungen des Begehrens, die dabei zu beobachten sind, erklren kçnnte. Auf der Erzhlebene machen solche Tauschhndel die Divergenz der Ordnungen bzw. ihre unterschiedlichen Bewertungslogiken sichtbar (z. B. im Minnelohn, in den Zwei Kaufleuten). Materielles und sexuelles Begehren 35 In Bezug auf die in der Einleitung (Kap. 1.5) diskutierte These, gemß der Begehren in den Mren ein Moment der Transgression darstellt, gilt es deshalb zum einen zu betonen, dass die Texte die Ordnung, die sie allenfalls berschreiten, vielfach selbst erzeugen – nmlich indem sie Gesetzmßigkeiten des Begehrens sichtbar machen. Zum anderen liegt die transgressive Dimension des sexuellen Begehrens – wenn man denn von einer solchen sprechen mçchte – nicht so sehr darin, dass eine (Ehe-)Ordnung in Frage gestellt wird, sondern in der Verschiebung des Begehrens ber die Ordnungen hinweg, d. h. im Umstand, dass sexuelles Begehren sich in ein materielles oder hermeneutisches Begehren verwandeln kann.

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stehen nicht selten fr gnzlich unterschiedliche Wahrnehmungsweisen des Tauschens: Das materielle Begehren steht fr eine ›monetre Tauschlogik‹, der zufolge die beiden Tauschgegenstnde wertquivalent sind und beim Tauschen kein materieller Mehrwert entsteht. Im weiteren Sinne wird damit auch vorausgesetzt, dass es intersubjektive Werte gibt, die beispielsweise durch Worte nicht verndert werden kçnnen. Sexuelles Begehren kann eine solche monetre Tauschlogik in Frage stellen oder gar paradoxieren, weil es nicht auf den ›Besitz‹ eines Objekts, sondern auf den ›Vollzug‹ ausgerichtet ist. Da der Vollzug aber zugleich mit dem Tausch assoziiert wird, kann damit die Prozessualitt und Performativitt des Tauschens von Heterogenem hervorgehoben werden. So steht beispielsweise am Ende des Bildschnitzers ein monetrer Gewinn, der sich çkonomisch nicht erklren lsst, weil er fr eine nicht vorhandene Statue (bzw. Ehrrettung) bezahlt wurde. Im Sperber wiederum beharrt das Mdchen beim sexuellen Vollzug auf der Reziprozitt und berschreitet gerade dadurch die reziproke Tauschlogik. Ebenso beginnt der Brgermeister mit einem Mangel (Diebstahl), der niemals aufgedeckt wird, der aber sowohl in materieller als auch in sexueller Hinsicht produktiv ist. Diese Unterschiede zwischen einer çkonomischen und einer sexuellen Tauschlogik sind berdies in einigen Erzhlungen poetologisch konnotiert. So verweist der çkonomisch nicht erklrbare Gewinn im Bildschnitzer bzw. Mangel im Brgermeister auf die ›Produktivitt‹ von Erzhlen und Erfinden. Doch wird damit keineswegs die çkonomische Logik gegenber der Performativitt der Sprache und des (sexuellen) Begehrens abgewertet. Vielmehr besteht der ›Witz‹ solcher Gegenberstellungen darin, zwei unterschiedliche Tauschlogiken in immer neuen Kombinationen gegeneinander auszuspielen. Die çkonomische Logik ist die notwendige Kontrastfolie, vor der die Performativitt der Sprache und des Tauschens sichtbar wird. Beispielsweise macht erst der Verweis auf die çkonomische Logik im Sperber die Performativitt des Tauschens manifest, und im Bildschnitzer transformiert erst die Geldbergabe die fingierte Statue in eine ›reale‹ Grçße. Die heterogenen Ordnungen werden also nicht hierarchisiert, sondern der Prozess der Ordnungsstiftung sowie die Produktivitt des Angleichens von Unvergleichbarem werden dargestellt und narrativ genutzt. Dies betrifft am Ende immer auch die ›Erzhlordnungen‹. Wenn die Verkçrperungs- und Abstraktionsprozesse der Handlungsebene die der Sprachebene affizieren (Bildschnitzer, Zwei Kaufleute), werden Sprach- und Handlungsebene nicht in ein hierarchisches Verhltnis gebracht, vielmehr wird ihre Interdependenz offenbar.

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10. konomien des Erzhlens: Resmee Als in der Wolfsgrube von Hans Rosenplt der Pfaffe nicht zum verabredeten Stelldichein erscheint, schickt die Ehefrau ihre Magd mit den folgenden Worten los: […] lauf in des pfaffen haus. sprich, woll er kumen, das er trab, die weil der kramer offen hab und die pfenwert kaufkun sein, der kramer wol schir legen ein (V. 86 – 90) Gehe in das Haus des Pfarrers. Sage ihm, wenn er kommen mçchte, solange der Krmer noch geçffnet hat und die Ware (das, was man fr einen Pfennig kaufen kann) kuflich ist, soll er rennen, der Krmer will bald schon (die Ware) hereinrumen.

In einem Mre, das generell mit der Konkretisierung und Rekontextualisierung von Metaphern spielt,1 wird der Ehebruch metaphorisch als Kaufgeschft bezeichnet – obwohl es um ein Stelldichein geht, das ohne Bezahlung und Tausch zu Stande gekommen ist. Der Tausch ›minne gegen eine materielle Leistung‹ wird somit von der Handlungs- auf die Metaphernebene verschoben. Er verweist auf den hufigen Minnetausch in anderen Texten und markiert doch die Differenz dazu: Metaphorisch relevant sind primr die ffnungszeiten, der (sexuelle) Austausch ist konnotative Beigabe. Vielleicht zeichnen genau solche Verschiebungen das Motiv des Minnetauschens als Motiv aus: Es wird variiert, rekombiniert, rekontextualisiert und konstituiert sich so als abgegrenztes Element; ein Textelement, das sowohl zwischen Einzeltext und Gruppe als auch zwischen Handlungswelt und Erzhlebene vermittelt, ohne in ihnen aufzugehen. Ein solches Motiv zu untersuchen, bedeutet deshalb, Bewegungen zu analysieren: Verschiebungen zwischen den Erzhlebenen, Variationen zwischen den Texten oder Rekontextualisierungen innerhalb eines Einzeltextes. Diese Bewegungen verdeutlichen, dass die Erzhlung nicht als statische Struktur, sondern als sinnstiftender Prozess zu beobachten ist. Obwohl in jedem Text auf eine je singulre Art und Weise Sinn erzeugt wird, ist diese Singularitt erst im Kontext intertextueller Beziehungen wahrnehmbar. Die Wahl, welche Textgruppe den Kontext einer Analyse darstellt, prgt somit die Ergebnisse derselben entscheidend. In der vorliegenden Arbeit wurden die zu analysierenden Texte auf zwei unterschiedliche Kontexte 1 Beispielsweise geht am Beginn anstatt des als Wolf bezeichneten Ehebrechers ein ›konkreter‹ Wolf in die Falle (V. 24, 42 – 47).

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bezogen, in der Hoffnung, dass diese sich gegenseitig erhellen. Zum einen wurden einzelne Mren in traditioneller Manier im Kontext der von Hanns Fischer als schwankhafte Mren bezeichneten Texte gelesen. Zum anderen wurden diese Texte aber zugleich auch im Kontext der Diskurse ber das Geben und Tauschen analysiert. Anhand dieser Fokussierung auf das Motiv des Tauschens von Heterogenem wurde versucht, die Mren nicht entweder als didaktisch-normative Interventionen oder als artistisch-intertextuelles Spiel zu lesen, sondern beide Tendenzen in ihrer Verschrnkung zu verstehen. Denn beim Tauschen von Heterogenem werden nicht nur intertextuelle Bezugspunkte, sondern auch verschiedene Diskursordnungen, wie z. B. Ehenormen, Gterwirtschaft, Sexualitt, miteinander konfrontiert. Einzelne Diskursordnungen werden durch den Vergleich mit anderen in Frage und deren Ordnungsprinzipien und Grenzen zur Disposition gestellt. Die Bedingungen der Kommensurabilitt unterschiedlicher Ordnungen mssen ausgehandelt werden. Das Motiv des Tauschens von Heterogenem wurde aber auch ber die Mren hinaus auf die Frage nach der ›Logik‹ vormoderner konomien und das Verhltnis von Gabe und Tausch bezogen. Zu diesem Zweck wurden einzelne Diskurse des Gebens und Tauschens punktuell ausgeleuchtet (Kap. 3). Die thematisierten Phnomene (Tausch von Heterogenem, Freigebigkeit mit dem Effekt des sozialen Aufstiegs, Freigebigkeit um des Seelenheils willen oder milte im hçfischen Kontext) ließen sich weder als zweckrationaler Tausch noch als einseitige Gabe eindeutig bestimmen. Auch als normative Leitkategorie spielte die Unterscheidung zwischen dem zweckrationalen Tausch und der interesselosen Verausgabung eine geringe Rolle. Es wird zwar zwischen moralisch ›guten‹ und ›schlechten‹ Tausch- und Gabeformen unterschieden, doch wird dabei nicht primr der zweckrationale Tausch verurteilt und die interesselose Gabe favorisiert. Die in der Kulturphilosophie des zwanzigsten Jahrhunderts und in der medivistischen Forschung prominente Unterscheidung zwischen dem zweckrationalen Tausch und der einseitigen, interesselosen Gabe ist deshalb nur bedingt auf mittelalterliche Diskurse zu beziehen. Sie kann zum einen nicht fr die Kategorisierung von Phnomenen verwendet werden, da ihr diese nicht entsprechen. Zum anderen bietet sie auch keine Unterscheidung zweier ›Denklogiken‹, die helfen wrde, mittelalterliche Tauschkonzeptionen oder die Differenzen zwischen einer vormodernen und einer modernen konomie genauer zu beschreiben. Die Kulturphilosophien, die diese Unterscheidung entwickelt und diskutiert haben, sind dagegen wichtig, um den Tausch und die Bedingungen, unter denen das Tauschen analysiert wird, prziser zu verstehen (Kap. 2). So zeigte sich z. B., dass der Tausch nur unter Voraussetzung einer zeitlosen Perspektive einen reziproken Vorgang bzw. einen Austausch von etwas quivalentem darstellen kann. In einer die Zeitlichkeit akzentuierenden Perspektive erscheint das Tauschen dagegen als Herstellung von Reziprozitt, d. h. als ein Prozess, der nur aufgrund von Differenzen (zwischen den

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Tauschpartnern, deren Prferenzen und den Tauschobjekten) mçglich ist. Am Tauschen kann deshalb, genauso wie an der Gabe, die Performativitt, Zeitlichkeit und berschssigkeit des Vorgangs beobachtet werden. Es wurde deshalb nicht mit den modernen Kulturtheorien zwischen Gabe und Tausch unterschieden, sondern der Tausch als Oberbegriff fr ganz unterschiedliche Formen des Gebens und Tauschens verwendet: fr bergaben, bei denen das Verhltnis von Kooperation und Agonalitt, von Reziprozitt und Asymmetrie, von quivalenz und berschssigkeit je unterschiedlich gestaltet ist und bei denen doch keines der Gegensatzpaare zugunsten eines anderen funktionslos wrde. Die jeweils spezifischen Vermittlungen zwischen diesen Gegenstzen stellen viel eher als der Gegensatz von Gabe und Tausch die Parameter dar, mit denen sich die verschiedenen Tausch- und Gabeformen voneinander unterscheiden und allenfalls in ihrer historischen Vernderung analysieren lassen. Wenn am Beginn der Arbeit immer wieder betont wurde, dass der zweckrationale Tausch und das do ut des-Prinzip nicht per se negativ konnotiert seien, dann sollte damit nicht bestritten werden, dass Geld, Tausch oder Kuflichkeit hufig auch kritisiert werden. Der erste Lektreteil dieser Arbeit untersuchte dementsprechend Texte, die bekannte Topoi der Verurteilung der Kuflichkeit der Frau und der Geldkritik in Szene setzen. Die unterschiedlichen formalen Mçglichkeiten, diese Diskursposition literarisch zu gestalten, wurde anhand der Minnerede Minne und Pfennig und dem Mre Der Hellerwertwitz aufgezeigt (Kap. 4). Auch das Mre Von den zwei Kaufleuten von Ruprecht von Wrzburg ließ sich im Hinblick auf diesen geld- und tauschkritischen Diskurs analysieren. Ruprechts Text, so die These, vermengt Topoi der Geldkritik mit dem Erzhlmuster des Ehebruchsschwankes. Dies hat zur Folge, dass die Differenzierung zwischen moralisch ›richtigen‹ und ›falschen‹ Tauschformen unterlaufen wird. Doch entsteht dadurch unter der Hand eine andere, nicht topische Form der Geld- und Tauschkritik (Kap. 5). In einem bergangskapitel wurden anhand des Mres Der Bildschnitzer von Wrzburg die Grundstruktur des erotischen Dreiecks (Ehepaar und Ehebrecher) sowie die durch den Tausch ›minne gegen eine materielle Leistung‹ initiierten narrativen Kombinationsmçglichkeiten herausgearbeitet (Kap. 6). Daran anschließend konnten komplexere Formen dieses Erzhlmusters in den Mren Der zurckgegebene Minnelohn und Brgermeister und Kçnigssohn von Heinrich Kaufringer untersucht werden. In beiden Texten findet sich zwar erneut das Erzhlmuster des erotischen Dreiecks, doch wird es auf der Ebene des discours anders angeordnet: Der Minnelohn beginnt mit einer knappen und ungewohnten Schilderung des Ehebruchs und berichtet danach ausfhrlich davon, wie dieser durch weitere Tauschakte und Binnenerzhlungen der Figuren umgedeutet wird. Im Brgermeister erscheint die Dreiecksgeschichte als Teil des gesellschaftlichen Imaginren, das erst den Ehebruch provoziert. In beiden Texten wird zudem Geld als komplexes narratives Element eingesetzt, dessen spezifische handlungsweltliche Medialitt

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sich erzhlerisch nutzen lsst: Im Minnelohn (Kap. 7) erscheint Geld als Medium, das dazu dient, narrative Zusammenhnge auszublenden, im Brgermeister (Kap. 8) bewirkt die semantische Armut des Geldes, dass ihm eine ›Herkunft‹ angedichtet wird, die wiederum die Wirklichkeit prgt. Begehren – als materielles oder sexuelles Verlangen oder als Streben nach Wissen – tritt in den Mren vor allem dann in Erscheinung, wenn es manipuliert wird (Kap. 9). Die gattungskonstitutive List der Protagonisten besteht nicht selten darin, das Begehren anderer zu erzeugen oder zu lenken. Die Texte erwecken deshalb den Eindruck, ›Gesetzmßigkeiten‹ von Begehren auszustellen. Doch prsentieren sie keineswegs kohrente Begehrensmuster,2 sondern bringen diese nur ins Spiel, um sie in der Pointe zu unterlaufen. Die Manipulation des Begehrens gelingt anfnglich, scheitert aber am Ende, meist weil sich sexuelles Begehren in materielles verwandelt oder vice versa. Es wird somit einerseits die unkalkulierbare Kalkulierbarkeit von Begehren dargestellt und diese andererseits – als kalkulierbare Unkalkulierbarkeit – fr die Pointen- und Spannungserzeugung genutzt. Da der Tausch einerseits auf Begehren grndet, aber andererseits auch mit dem Begehren eines anderen konfrontiert, ist er zugleich ›Transformator‹ des Begehrens. Im Tausch kann sich das Begehren von einem Objekt auf ein anderes, aber auch vom Sexuellen ins Materielle verschieben. Solche Transformationen verndern nicht nur die handlungsweltliche, sondern immer auch die narrative konomie: Sie haben metonymische und semantische Verschiebungen zur Folge, die das Geschehen kommentieren, paradoxieren oder berbieten. Jeder Tausch von Heterogenem wirft die Frage nach dem Bewertungsmaßstab bzw. nach der Kommensurabilitt des Inkommensurablen auf. Thomas von Aquin unterscheidet bei seiner Diskussion des pretium iustum (d. h. des gerechten Austauschverhltnisses) zwischen verschiedenen Bewertungsmçglichkeiten und unterschiedlichen Kontexten der Bewertung. Es zeigte sich, dass dieser Aspekt von den literarischen Texten, insbesondere den Mren, narrativ genutzt wird: Sie spielen unterschiedliche Bewertungsperspektiven und Bewertungskontexte gegeneinander aus und kçnnen so einerseits komische Effekte erzeugen, andererseits aber auch die Pluralitt und Sprachlichkeit von Werten sichtbar machen. Literarhistorisch betrachtet nehmen die hier analysierten Mren, die mehrheitlich erst in Handschriften aus dem 15. Jahrhundert berliefert sind, auf die lteren Tausch- und Gabeformen der hçfischen Literatur Bezug: Das Ideal der milte, die Minnegaben und das agonale berbieten mittels Geschenken werden aufgegriffen und dem Gattungshorizont der schwankhaften Mren entsprechend komisch umbesetzt. Zugleich werden diese hçfischen Erzhlmuster aber auch mit Topoi der Geldkritik und literarisch jngeren Formen der Thematisierung von Geld und Tausch kombiniert. Dabei tritt das 2 Als ein solches Muster wre z. B. ein die Ordnung stçrender Trieb oder ein Streben nach der Erfllung eines Mangels denkbar.

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Geld verstrkt als Medium hervor, das sich vom Gtertausch unterscheidet (Kap. 4 und 5) und das gerade deshalb literarisch spezifisch genutzt werden kann (Kap. 7 und 8): als Medium, das einerseits Anschlussfhigkeit herstellt, andererseits aber aufgrund seiner semantischen Armut auch Diskontinuitt und Lcken erzeugt, die wiederum durch andere Medien, nicht zuletzt durch das Erzhlen selbst, berbrckt oder gefllt werden kçnnen. Zusammenfassend mçchte ich nochmals auf vier Punkte eingehen, die die poetologische Dimension des Motivs des Tauschs ›minne gegen materielle Leistung‹ in den Mren besonders deutlich machen. (1) Monetre Konfliktlçsung. Differenzierung und Entdifferenzierung: In vier der analysierten Ehebruchsmren (Von den zwei Kaufleuten, Bildschnitzer, Minnelohn und Brgermeister) findet im ersten Teil ein Tausch ›minne gegen materielle Leistung‹ statt, der im zweiten Teil einen weiteren Tausch bzw. Geldtransfer zur Folge hat. Diese zweite Konfrontation der Beteiligten hat eine je unterschiedliche Ausprgung (Wettgewinn, erpresster Tausch, Geldverteilung, Gastgeschenk), doch zeichnet sie sich dadurch aus, dass die beiden Mnner asymmetrisch voneinander abhngig sind: Gastgeber und Gast, Erpresser und Erpresster wollen etwas voneinander, stellen aber auch eine Gefahr freinander dar. Diese Spannung zwischen Kooperation und Agonalitt wird in den untersuchten Texten durch das erste Tauschgeschft verschrft und durch das zweite gelçst. Diese gegenseitige, aber asymmetrische Abhngigkeit zweier Figuren oder Parteien scheint fr das Mrenerzhlen außerordentlich produktiv, da jede Bewegung des einen Tauschpartners Auswirkungen auf den anderen hat. Erst im zweiten Tauschgeschft, das zugleich die Pointe darstellt, wird diese Verflechtung (meist durch eine Hierarchisierung) aufgehoben. Der Blick auf das Geschlechterverhltnis zeigt jedoch, dass der zweite, abschließende Geldtransfer, nicht nur die beiden Konflikt- und Tauschpartner aus ihrer gegenseitigen Abhngigkeit befreit, sondern zugleich auch die Frau von dieser Lçsung ausschließt. Auch wenn die Frauen zuvor eigeninitiativ und listig agiert haben, finden die monetren Konfliktlçsungen am Ende immer zwischen den Mnnern statt. Dies besttigt den wiederholt festgestellten Befund, dass der Tausch- oder bergabeakt nicht nur das Verhltnis zwischen den beiden Tauschpartnern regelt, sondern auch die Position derjenigen verndert, die davon ausgeschlossen sind. Der zweite abschließende Tauschoder bergabeakt hat somit auf den ersten Blick auch die Funktion, die entdifferenzierende Wirkung des Tauschens rckgngig zu machen. Denn indem die Tauschgeschfte Heterogenes kommensurabel machen (Sexuelles und Materielles, Ehenormen, Ehre und wirtschaftlichen Erfolg), verlieren die Grenzen und Differenzierungen dieser ›Ordnungen‹ an Geltung. Der zweite abschließende Geldtransfer stellt solche Grenzen handlungsweltlich wieder her : Es wird erneut zwischen den Geschlechtern (Bildschnitzer), zwischen den (moralischen) Gewinnern und Verlierern (Zwei Kaufleute), zwischen den Generationen (Minnelohn) und zwischen den Stnden (Brgermeister) un-

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terschieden. Da jedoch der Schwerpunkt der Erzhlung auf der durch den Tausch bewirkten Entdifferenzierung liegt und die Pointe des Textes erst dank dieser mçglich wird, kann auf der Erzhlebene die Entdifferenzierung genauso wenig rckgngig gemacht werden wie der ›Verkauf‹ der Jungfrulichkeit im Sperber. (2) Tauschen als narratives Organisationsprinzip. Vermittlung zwischen Potentialitt und Aktualitt: In den Mren wird meist weniger vom konkreten Austausch der Objekte, sondern von den Tauschverhandlungen, den Erwartungen der Figuren und ihren Reaktionen auf den vollzogenen Tausch erzhlt. Indem sich der Tausch auf diese Weise ber die Erzhlung erstreckt, hat er zugleich die Funktion, Lesererwartungen zu organisieren: Ein bereits ausgehandelter und deshalb von den Rezipienten auch erwarteter Tausch kann unterbrochen oder aufgeschoben werden. Dies fhrt im Rahmen des erotischen Dreiecks fast immer zu pointenreichen Substitutionen, die das unabgeschlossene Tauschgeschft kommentieren und seine Ambivalenzen sichtbar machen (besonders deutlich etwa in den Zwei Kaufleuten). Aber auch ein tatschlich vollzogener, abgeschlossener Tausch hat ber den momentanen Ausgleich hinausgehende Folgen. Denn der Tausch stillt nicht nur Begehren, sondern weckt auch neue Begehrlichkeiten: Der Tauschende mçchte noch mehr von dem, was er gerade erhalten hat, oder vermisst das, was er weggeben hat. Vielleicht ist er auch aufgrund von Betrug oder Dummheit mit dem vollzogenen Tausch nicht zufrieden und will eine Entschdigung. Deshalb bilden Tausch und Gegentausch vielfach die zweiphasige Handlungsstruktur, die Bausinger als fr den Schwank konstitutiv bestimmt hat. Diese Handlungsstruktur stellt jedoch keine zeitlose symmetrische Anordnung (strukturelle Reziprozitt) dar, sondern wird erst in der Zeit hergestellt. Deshalb kçnnen – wie im Minnelohn deutlich wurde – die zweiten Tauschgeschfte die ersten umdeuten und die vollzogene Wert- und Bedeutungsstiftung nachtrglich verschieben. Auch auf dieser strukturellen Ebene ist somit Reziprozitt nicht gegeben, sondern wird aufgrund paradigmatischer Verweise hergestellt oder eben nur als alternative Handlungsstruktur angedeutet und anschließend unterlaufen oder verschoben. Der Tausch kann deshalb auch als narrative Gelenkstelle bezeichnet werden, an der sich unterschiedliche Erzhlmçglichkeiten (An- und Ablehnen des Tauschangebots sowie verschiedene Mçglichkeiten der Kooperation und des Betrugs) abzeichnen. Er erlaubt es der Erzhlung, das Potentielle – im Sinne einer abgelehnten Handlungsalternative – prsent zu machen und es zugleich in der Pointe zu berbieten. (3) Tauschen und Erzhlen. Die Verschrnkung von Imaginrem, Symbolischem und Realem: In mehreren untersuchten Erzhlungen geschehen im Kontext des Tauschens Sprechhandlungen, die den Tausch und in der Folge auch die erzhlte Wirklichkeit verndern. Es kommt jedoch nicht zu einer Gegenberstellung von Sprache und Wirklichkeit, Imaginrem und Realem. Vielmehr wird diese einfache Unterteilung des Erzhlraumes durch das Geld

konomien des Erzhlens: Resmee

235

unterwandert. Dieses ist einerseits, weil es aufgrund seiner Potentialitt Begehren erzeugt, dem Imaginrem verwandt und in seiner Zeichenhaftigkeit und Medialitt der Sprache hnlich. Andererseits verkçrpert es aber auch eine scheinbar faktische, materielle ›Wirklichkeit‹ des Gtertausches. Beim Tausch von Geld und Gegenstnden wird deshalb in den Erzhlungen hufig die Verschrnkung von Imaginrem, Symbolischem und Realem sichtbar – wobei die Texte das Verhltnis von Geld, Sprache und gesellschaftlicher Wirklichkeit aber je anders gestalten. Im Hellerwertwitz wird z. B. die performative Dimension der monetren Wertzuschreibung zur Produktion von Erkenntnis genutzt. Im Brgermeister regt die semantische Armut des Geldes zu sprachlichen Erfindungen an, die wiederum die Wirklichkeit verndern. Dagegen haben im Minnelohn die Tauschakte und Geldtransfers eine sinnstiftende Wirkung, weil sie die vorangegangenen Tauschgeschfte umwerten. (4) Erzhltes Tauschen. Bewegungen des Abstrahierens, Konkretisierens und Verschiebens: Richtet man das Augenmerk auf das erzhlte Tauschen, so vollzieht sich der Tausch nicht nur in der Handlungswelt, sondern auch im Erzhlverlauf. Er gewinnt seine Bedeutung dank intra- und intertextuellen Beziehungen und erzeugt zugleich solche. Whrend im handlungsweltlichen Tausch ein Wert abstrahiert, objektiviert und meist auch konkretisiert wird, werden auf der Erzhlebene Signifikanten verschoben und dadurch umgewertet: Sie werden konkretisiert, metaphorisiert oder metonymisch aufgeladen. Dabei werden sie von der Handlungswelt abstrahiert und als Signifikanten sichtbar. Der Tausch wird daher in den Mren auch genutzt, um Sprachprozesse, insbesondere Verschiebungen zwischen den Erzhlebenen, zu forcieren. Besonders prgnant ist das am Bildschnitzer zu erkennen. Im ersten Teil wird ein Propst in eine Statue (gçtze) transformiert und im zweiten Teil lçst sich der Signifikant (gçtze) von der Person. Der Signifikant ist zugleich die Abstrahierung des Konflikts zwischen den beiden Mnnern und dessen Verkçrperung. Gerade weil er zugleich abstrakt und konkret ist, kann er getauscht werden. Die Rekontextualisierung eines Signifikanten durch den Tausch erscheint deshalb als ein produktives erzhlerisches Prinzip, das je neue Anschlussmçglichkeiten generiert. Das Tauschen erweist sich als Katalysator, der aus scheinbar geringfgigen sprachlichen Substitutionen gewichtige (handlungsweltliche oder symbolische) Transformationen macht.

Danksagung Die vorliegende Studie wurde 2007 von der Universitt Zrich als Dissertation angenommen und fr den Druck leicht berarbeitet. Sie ist ein Produkt langjhriger Austauschverhltnisse, fr die ich hier – trotz oder wegen der Komplexitt des Gebens, Tauschens und Dankens – danken mçchte. Vorweg mçchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Christian Kiening bedanken fr eine ber die Jahre hinweg bestndige Fçrderung, großzgige Untersttzung und anregende Arbeitsatmosphre sowie fr eine Betreuung, die gengend Raum ließ, eigene Wege zu suchen. Ebenso danke ich meiner Zweitgutachterin Frau Prof. Dr. Mireille Schnyder fr das hilfreiche und weitherzige Interesse, das sie der Arbeit jederzeit entgegen gebracht hat. Herr Prof. Dr. Werner Rçcke hat meine Neugier fr die Medivistik geweckt und den Verlauf der Arbeit aus der Distanz interessiert verfolgt – auch ihm sei herzlich gedankt. Die Arbeit wurde berdies entscheidend durch Diskussionen im Graduiertenkolleg »Die Figur des Dritten« an der Universitt Konstanz geprgt: Fr die vielfltigen Anregungen danke ich den Graduierten sowie Herrn Prof. Dr. Ulrich Brçckling und Herrn Prof. Dr. Albrecht Koschorke. Der Universitt Zrich, die diese Kooperation mit dem Konstanzer Graduiertenkolleg durch ein Stipendium ermçglicht hat, bin ich ebenfalls zu Dank verpflichtet. Zudem mçchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Bernhard Jussen und den weiteren Herausgebern fr die Aufnahme der Studie in die Reihe »Historische Semantik« bedanken. Fr genaues Gegenlesen, anregende Diskussionen und ›moralische Untersttzung‹ danke ich Julie Paucker sowie Susanne Brgel, Christa Hseli, Cornelia Herberichs, Jens Hobus, Alexandra Prica, Ulrike Ulrich und Sebastian Weiner. Simon Spiegel sei fr mehrfache schnelle Hilfe bei drngenden Computerfragen, Bernadette Kaufmann fr die Korrektur der Druckfassung und Josiane Aepli fr zahlreiche Erleichterungen des Institutsalltags gedankt. Meinen Brdern Tobias, Dominik und Christian Reichlin verdanke ich viel Leichtigkeit und sportlichen Unernst, den sie in die konzentrierten Dissertationstage gebracht haben. Arno Schubbach mçchte ich wiederum fr intensive Diskussionen, genaue Korrekturen und vieles mehr danken. Abschließend sei meinen Eltern Beatrice und Bruno Reichlin Dank gesagt, die nicht nur mein Studium finanziell untersttzt, sondern meine Arbeiten immer auch mit viel Wohlwollen mitverfolgt haben – ihnen sei das Buch gewidmet. Zrich, im Januar 2009 Susanne Reichlin

Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Kleinepische Texte Die Titel sind nach dem ersten Substantiv geordnet. Das Almosen

NGA, S. 53 – 57.

Der verklagte Bauer (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 22 – 40.

Der Bildschnitzer von Wrzburg

Grubmller, Novellistik, S. 928 – 935.

Der Borte = Der Grtel (Dietrich von der Glezze)

Borte, S. 79 – 112.

La bourse plein de sense (Jean Galois)

NRCF, Bd. II, S. 138 – 149.

Brgermeister und Kçnigssohn (Heinrich Kauf- Kaufringer, Werke, S. 41 – ringer) 52. Die Buhlschaft auf dem Baume

Grubmller, Novellistik, S. 244 – 259.

Chorherr und Schusterin (Heinrich Kaufringer) Kaufringer, Werke, S. 105 – 111. Les trois dames qui troverent l’anel

NRCF, Bd. II, S. 229 – 236.

Die halbe Decke A

Schmid, Cod. Karlsruhe 408, S. 322 – 330.

Die halbe Decke B

Schmid, Cod. Vind. 2885, S. 77 – 82.

Die halbe Decke C

Hefti, Dresden M 68, S. 130 – 140.

Die halbe Decke (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 224 – 227.

240

Quellen- und Literaturverzeichnis

Dulceflorie

Niewçhner, Sperber, S. 95 – 105.

Edelmann und Pferdehndler (Stricker)

Stricker, Verserzhlungen II, S. 1 – 12.

Der begrabene Ehemann (Stricker)

Stricker, Verserzhlungen I, S. 28 – 36.

Der feige Ehemann (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 73 – 80.

Ehren und Hçhnen

Schmid, Cod. Karlsruhe 408, S. 370 – 372.

Der Einsiedler und der Engel (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 1 – 13.

Le fotor

NRCF, Bd. VI, S. 51 – 78.

Die eingemauerte Frau (Stricker)

Stricker, Verserzhlungen I, S. 50 – 65.

Die Frau des Seekaufmanns

Fischer, Mrendichtung, S. 415 – 418.

Frau Metze die Kuflerin (Der arme Konrad)

NGA, S. 70 – 83.

Drei listige Frauen A

Schmid, Cod. Karlsruhe 408, S. 135 – 145.

Drei listige Frauen B (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 116 – 130.

Drei listige Frauen C (Hans Folz)

Fischer, Hans Folz, S. 74 – 87.

Frauenerziehung = Die Zhmung der Widerspenstigen (Sibote)

NGA, S. 1 – 35.

Das Gnslein

Grubmller, Novellistik, S. 648 – 665.

Der betrogene Gatte (Herrand von Wildonie)

Herrand von Wildonie, S. 10 – 21.

Gold und Zers I/II

Fischer, Mrendichtung, S. 431 – 443.

241

Kleinepische Texte

Cele qui fu foutue et desfoutue por une grue (Garin)

NRCF, Bd. IV, S. 153 – 187.

Fnfzig Gulden Minnelohn (Claus Spaun)

Fischer, Mrendichtung, S. 351 – 361.

Das Hslein

Grubmller, Novellistik, S. 590 – 617.

Der blinde Hausfreund

NGA, S. 223 – 228.

Der Hellerwertwitz (Hermann Fressant)

Rosenfeld, Novellenstudien, S. 44 – 70.

Der Herrgottschnitzer

NGA, S. 229 – 233.

Der Herr mit den vier Frauen

NGA, S. 192 – 201.

Das Herzmaere (Konrad von Wrzburg)

Schrçder, Konrad von Wrzburg, S. 12 – 40.

Die zurckgelassene Hose (Heinrich Kaufringer) Kaufringer, Werke, S. 112 – 115. Der bekehrte Jude (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 14 – 21.

Kaiser Lucius’ Tochter

Fischer, Mrendichtung, S. 71 – 88.

Das untergeschobene Kalb (Jçrg Zobel)

Fischer, Mrendichtung, S. 294 – 299.

Die uneinigen Kaufleute (Heinrich Kaufringer) Kaufringer, Werke, S. 231 – 236. Von den zwei Kaufleuten = Die Treueprobe (Ruprecht von Wrzburg)

Gutknecht, Zwei Kaufleute, S. 50 – 109.

Die bestrafte Kaufmannsfrau (Hans Meißner)

Fischer, Mrendichtung, S. 391 – 393.

Das Kerbelkraut

NGA, S. 96 – 99.

Der Knecht im Garten (Hans Rosenplt)

Fischer, Mrendichtung, S. 178 – 187.

242

Quellen- und Literaturverzeichnis

Der kluge Knecht (Stricker)

Stricker, Verserzhlungen I, S. 92 – 109.

Der Koch (Schweizer Anonymus)

Fischer, Kleinepiksammlung, S. 56 – 63.

Liebesabenteuer in Konstanz

Fischer, Mrendichtung, S. 384 – 387.

Die Liebesprobe (Frçschel von Leidnitz)

Fischer, Mrendichtung, S. 112 – 123.

Falsche und rechte Milte = Falsche und rechte Freigebigkeit (Stricker)

Stricker, Kleindichtungen, S. 149 – 163.

Minnedurst

NGA, S. 136 – 139.

Van minne in van gelde [Brandis 342]

Von der Hagen, Van minne, S. 327 f.

Der zurckgegebene Minnelohn (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 53 – 72.

Minne und Pfennig [Brandis 450] (Der elende Knabe)

Minnereden I, S. 34 – 46.

Bestraftes Misstrauen

NGA, S. 185 – 191.

Der Mçnch als Liebesbote A

Grubmller, Novellistik, S. 524 – 543.

Der Mçnch als Liebesbote B (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 81 – 91.

Der Mçnch als Liebesbote C (Hans Schneeberger)

Fischer, Mrendichtung, S. 338 – 347.

Die drei Mçnche zu Kolmar (Niemand)

Grubmller, Novellistik, S. 874 – 897.

Des Mçnchs Not (Der Zwickauer)

Grubmller, Novellistik, S. 666 – 698.

Die unschuldige Mçrderin (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 154 – 173.

Der schwangere Mller

Schmid, Cod. Karlsruhe 408, S. 85 – 91.

243

Kleinepische Texte

Der vertauschte Mller

Fischer, Mrendichtung, S. 20 – 30

Das Nonnenturnier

Grubmller, Novellistik, S. 944 – 977.

Der Pfaffe in der Reuse (Heinrich von Pforzen) NGA, S. 208 – 22. Der Pfaffe mit der Schnur B (Schweizer Anonymus)

Fischer, Kleinepiksammlung, S. 35 – 43.

Der Pfaffe mit der Schnur C

Fischer, Mrendichtung, S. 378 – 383.

Der fnfmal getçtete Pfarrer (Hans Rosenplt)

Grubmller, Novellistik, S. 898 – 915.

Le prestre crucefi

NRCF, Bd. IV, S. 93 – 101.

Le prestre teint (Gautier le Leu)

NRCF, Bd. VII, S. 319 – 330.

Die Rache des Ehemannes (Heinrich Kaufringer) Kaufringer, Werke, S. 140 – 153. Rache fr die Helchensçhne

Helchensçhne, S. 77 – 80.

Ritter Alexander

Fischer, Mrendichtung, S. 330 – 337.

Der Ritter mit den Nssen

NGA, S. 172 – 179.

Der Ritter unter dem Zuber (Jacob Appet)

Grubmller, Novellistik, S. 544 – 565.

Der nackte Ritter (Stricker)

Stricker, Verserzhlungen I, S. 126 – 131.

Ein Scklein Witz (Schweizer Anonymus)

Fischer, Kleinepiksammlung, S. 22 – 27.

Der Schlafpelz (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 174 – 176.

Das Schneekind A/B

Grubmller, Novellistik, S. 82 – 93.

Der fahrende Schler (Hans Rosenplt)

Grubmller, Novellistik, S. 916 – 927.

244

Quellen- und Literaturverzeichnis

Sociabilis

Fischer, Mrendichtung, S. 1 – 19.

Der Sperber

Schmid, Cod. Karlsruhe 408, S. 187 – 197.

Der Striegel

Schmid, Cod. Karlsruhe 408, S. 406 – 415.

Das Studentenabenteuer A

Studentenabenteuer, S. 198 – 216.

Das Studentenabenteuer B = Irregang und Girregar (Rdeger von Munre)

GA, Bd. III, S. 43 – 82.

Die Suche nach dem glcklichen Ehepaar (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 92 – 104.

Des tiuvels hte = Des Teufels chtung

GA, Bd. II, S. 127 – 135.

Tor Hunor

Schmid, Cod. Vind. 2885, S. 196 – 202.

Des Weingrtners Frau und der Pfaffe

NGA, S. 84 – 86.

Die Wette

Schmid, Cod. Vind. 2885, S. 94 – 97.

Der Wettstreit der drei Liebhaber (Hans Rosenplt)

Fischer, Mrendichtung, S. 210 – 216.

Der dankbare Wiedergnger = Die Rittertreue

Rittertreue, S. 153 – 176.

Die Wiedervergeltung (Hans Folz)

Fischer, Hans Folz, S. 1 – 3.

Der Wirt

NGA, S. 125 – 133.

Die Wolfsgrube (Hans Rosenplt)

Fischer, Mrendichtung, S. 202 – 209.

Der Zehnte von der Minne (Heinrich Kaufringer)

Kaufringer, Werke, S. 131 – 139.

Der verklagte Zwetzler I/II

Fischer, Mrendichtung, S. 52 – 61.

Kleinepik-Ausgaben

245

2. Kleinepik-Ausgaben Borte

Der Borte des Dietrich von der Glezze. Untersuchungen und Text. Hg. von Otto Richard Meyer. Heidelberg 1915 (Germanistische Arbeiten 3).

Fischer, Hans Folz

Hans Folz: Die Reimpaarsprche. Hg. von Hanns Fischer. Mnchen 1961 (MTU 1).

Fischer, Kleinepiksammlung

Eine Schweizer Kleinepiksammlung des 15. Jahrhunderts. Hg. von Hanns Fischer. Tbingen 1965 (ATB 65).

Fischer, Mrendichtung

Die deutsche Mrendichtung des 15. Jahrhunderts. Hg. von Hanns Fischer. Mnchen 1966 (MTU 12).

GA

Gesammtabenteuer. Hundert altdeutsche Erzhlungen: Ritter- und Pfaffen-Mren. Stadt- und Dorfgeschichten. Schwnke, Wundersagen und Legenden […]. 3 Bde. Hg. von Friedrich Heinrich von der Hagen. Stuttgart, Tbingen 1850.

Grubmller, Novellistik

Novellistik des Mittelalters. Mrendichtung. Hg., bers. und kommentiert von Klaus Grubmller. Frankfurt a. M. 1996 (Bibliothek des Mittelalters 23).

Gutknecht, Zwei Kauf- Ruprecht von Wrzburg: Von zwein Koufmannen. leute Hg. von Christoph Gutknecht. Hamburg 1966 (Hamburger Philologische Studien 2). Hefti, Dresden M 68

Codex Dresden M 68. Bearb. von Paula Hefti. Bern, Mnchen 1980 (Deutsche Sammelhandschriften des spten Mittelalters = Bibliotheca Germanica 23).

Helchensçhne

Herbert Thoma: Bruchstcke einer Novellenhandschrift, in: Zeitschrift fr deutsches Altertum und deutsche Literatur, Bd. 74 (1937), S. 73 – 80.

Herrand von Wildonie Herrand von Wildonie: Vier Erzhlungen. Hg. von Hanns Fischer. 2. rev. Aufl., besorgt von Paul Sappler. Tbingen 1969 (ATB 51). Kaufringer, Werke

Heinrich Kaufringer. Werke. Bd. 1: Text. Hg. von Paul Sappler. Tbingen 1972.

246

Quellen- und Literaturverzeichnis

Minnereden I

Mittelhochdeutsche Minnereden. Bd. I: Die Heidelberger Handschriften 344, 358, 376 und 393. Hg. von Kurt Matthaei [Nachdruck der Ausg. Berlin 1913]. Dublin u. a. 1967 (Deutsche Texte des Mittelalters 24).

NGA

Neues Gesamtabenteuer. Das ist Fr. H. von der Hagens Gesamtabenteuer in neuer Auswahl. Die Sammlung der mittelhochdeutschen Mren und Schwnke des 13. und 14. Jahrhunderts. 1. Bd. Hg. von Heinrich Niewçhner. 2. Aufl. hg. von Werner Simon, mit den Lesarten von Max Boeters und Kurt Schacks. Dublin, Zrich 1967.

Niewçhner, Sperber

Der Sperber und verwandte mhd. Novellen. Hg. von Heinrich Niewçhner. Berlin, Mnchen 1913 (Palaestra 119).

NRCF

Nouveau recueil complet des fabliaux. Hg. von Willem Noomen und Nico van den Boogard. 10 Bde. Assen 1983 – 1998.

Rittertreue

Die Rittertreue. Kritische Ausgabe und Untersuchungen. Hg. von Marlis Meier-Branecke. Hamburg 1969 (Hamburger philologische Studien 10).

Rosenfeld, Novellenstudien

Mittelhochdeutsche Novellenstudien. 1. Der Hellerwertwitz, 2. Der Schler von Paris. Hg. von HansFriedrich Rosenfeld. Leipzig 1927 (Palaestra 153).

Schmid, Cod. Karlsruhe 408

Codex Karlsruhe 408. Bearb. von Ursula Schmid. Bern, Mnchen 1974 (Deutsche Sammelhandschriften des spten Mittelalters = Bibliotheca Germanica 16).

Schmid, Cod. Vind. 2885

Codex Vindobonensis 2885. Bearb. von Ursula Schmid. Bern, Mnchen 1985 (Deutsche Sammelhandschriften des spten Mittelalters = Bibliotheca Germanica 26).

Schrçder, Konrad von Kleinere Dichtungen von Konrad von Wrzburg. Bd. Wrzburg I: Der Welt Lohn – Das Herzmaere – Heinrich von Kempten. Hg. von Edward Schrçder. Mit einem Nachwort von Ludwig Wolff. Berlin 19689.

Kleinepik-Ausgaben

247

Stricker, Kleindichtungen

Die Kleindichtungen des Strickers. Bd. III,1: Gedicht Nr. 41 – 71. Hg. von Wolfgang Wilfried Moelleken, Gayle Agler-Beck und Roert E. Lewis. Gçppingen 1973 (GAG 107).

Stricker, Verserzhlungen I

Der Stricker : Verserzhlungen I. Hg. von Hanns Fischer. 5. verb. Aufl., besorgt von Johannes Janota. Tbingen 2000 (ATB 53).

Stricker, Verserzhlungen II

Der Stricker : Verserzhlungen II. Hg. von Hanns Fischer. 4. durchges. Aufl., besorgt von Johannes Janota. Tbingen 1997 (ATB 68).

Studentenabenteuer

Die mittelhochdeutsche Novelle vom Studentenabenteuer. Hg. von Wilhelm Stehmann [Nachdruck der Ausg. Berlin 1909]. New York 1970 (Palaestra 67).

Von der Hagen, Van minne

Van minne in van gelde. Hg. von Friedrich Heinrich von der Hagen, in: Germania. Neues Jahrbuch der Berlinischen Gesellschaft fr Deutsche Sprache und Alterthumskunde 7 (1846), S. 327 f.

Zehn Gedichte auf den Pfennig

Zehn Gedichte auf den Pfennig. Hg. von Johannes Bolte, in: Zeitschrift fr deutsches Altertum und deutsche Literatur, Bd. 48 (1906), S. 13 – 56.

248

Quellen- und Literaturverzeichnis

3. Weitere Primrliteratur Andreas Capellanus: De amore. Libri tres. / Von der Liebe. Drei Bcher. Text nach der Ausgabe von Ernst Trojel. bers., mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Fritz Peter Knapp. Berlin 2006. Aristoteles: Nikomachische Ethik [= EN]. bers. und erlutert von Franz Dirlmeier. Hg. von Hellmut Flashar, begr. von Ernst Grumach. Darmstadt 1956 (Werke in deutscher bersetzung 6). Aristoteles: Politik [= Pol.]. bers. und erlutert von Eckart Schtrumpf. Hg. von Hellmut Flashar, begr. von Ernst Grumach. Darmstadt 1991 (Werke in deutscher bersetzung 9/1). Aurelius Augustinus: Der Gottesstaat: De civitate Dei. bers. von Carl Johann Perl. 2 Bde. Paderborn 1979 (Aurelius Augustinus’ Werke 18). Honor de Balzac: Splendeurs et mis res des courtisanes I, in: Sc nes de la vie parisienne. Hg. von Jean A. Ducourneau [Nachdruck der Ausg. Paris 1844]. Paris 1966 (Œuvres compl tes 11), S. 336 – 588. Charles Baudelaire: La fausse monnaie [1864], in: Œuvres compl tes. Hg. und kommentiert von Marcel A. Ruff. Paris 1968 (L’intgrale), S. 168 f. Giovanni Boccaccio: Decameron. Hg. von Vittore Branca. Milano 19963 (I Meridiani). Fortunatus. Studienausgabe. Nach der Editio princeps von 1509. Hg. von Hans-Gert Roloff. Stuttgart 1981 (RUB 7721). Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke. Hg., bers. und kommentiert von Rdiger Krohn. 3 Bde. Stuttgart 1980 (RUB 4472). Konrad Fleck: Flore und Blanscheflur. Hg. von Emil Sommer. Quedlinburg, Leipzig 1846 (Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur 12). Mauricius von Cran. Mhd./Nhd. Nach dem Text von Edward Schrçder. Hg., bers. und kommentiert von Dorothea Klein. Stuttgart 1999 (RUB 8796). P. Ovidius Naso: Ars amatoria. Liebeskunst. Lat./Dt. Hg. und bers. von Michael von Albrecht. Stuttgart 1992 (RUB 357). Rudolf von Ems: Der guote GÞrhart. 3. durchges. Aufl. Hg. von John A. Asher. Tbingen 1989 (ATB 56). Stricker : Der Pfaffe Amis. Mhd./Nhd. Nach der Heidelberger Handschrift Cpg 341. Hg., bers. und kommentiert von Michael Schilling. Stuttgart 1994 (RUB 658). Thomas von Aquin: Sententia libri ethicorum [= Sent. Eth.]. 2. Bd.: Libri IV-X. Cura et studio fratrum praedicatorum. Rom 19698 (Opera omnia 47). Thomas von Aquin: Summa theologica [= S. theol. II]. Lat./Dt. Hg. vom katholischen Akademikerverband. Bd. II-II: Recht und Gerechtigkeit. Kommentiert von A. F. Utz. Heidelberg u. a. 1953 (Die deutsche Thomas-Ausgabe 18). Thomasin von Zirclaria: Der Wlsche Gast. Hg. von Heinrich Rckert. Mit einer Einl. von Friedrich Neumann [Nachdruck der Ausg. Leipzig 1852]. Berlin 1965 (Deutsche Neudrucke. Texte des Mittelalters).

Weitere Primrliteratur

249

Ulrich von Liechtenstein: Das Frauenbuch. Mhd./Nhd. Hg., bers. und kommentiert von Christopher Young. Stuttgart 2003 (RUB 18290). Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausg. von Karl Lachmann. 2 Bde. Hg., rev. und kommentiert von Eberhard Nellmann, bers. von Dieter Khn. Frankfurt a. M. 1994 (Bibliothek des Mittelalters 8).

250

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Autoren- und Titelregister Die Titel und Autoren werden streng alphabetisch aufgelistet. Alle Artikel wurden weggelassen. Almosen 62, 105 Andreas Capellanus 116 Appet, Jacob 153 Aristoteles 80, 84–89, 100, 110, 121 Arme Konrad 136, 221–223, 227 Begrabene Ehemann s. Stricker Bekehrte Jude s. Kaufringer, Heinrich Bestrafte Kaufmannsfrau s. Meißner, Hans Bestraftes Misstrauen 124 Betrogene Gatte s. Herrand von Wildonie Bildschnitzer von Wrzburg 149–162, 178, 216, 227f., 231, 233, 235 Blinde Hausfreund 133f., 157f., 203 Boccaccio, Giovanni 15 Borte s. Dietrich von der Glezze Bourse plein de sense s. Jean Galois Buhlschaft auf dem Baume 190 Brgermeister und Kçnigssohn s. Kaufringer, Heinrich Chorherr und Schusterin s. Kaufringer, Heinrich Dankbare Wiedergnger 92, 169 Dietrich von der Glezze 16, 18, 26f., 116, 151, 162, 194 Drei listige Frauen 141, 161, 211, 213, s. auch Kaufringer, Heinrich Drei Mçnche zu Kolmar s. Niemand Dulceflorie 25 Edelmann und Pferdehndler s. Stricker Ehren und Hçhnen 25, 223

Einsiedler und Engel s. Kaufringer, Heinrich Elende Knabe 37, 117–123, 125–127, 130, 137, 146, 162, 217f., 231 Fahrende Schler s. Rosenplt, Hans Falsche und rechte Milte s. Stricker Feige Ehemann s. Kaufringer, Heinrich Folz, Hans 134, 150 Fortunatus 112, 125, 133 Fotor 190 Frau des Seekaufmanns 92 Frau Metze die Kuflerin s. Arme Konrad Fressant, Hermann 37, 92, 97, 117, 122–129, 132, 146, 216, 231, 235 Frçschel von Leidnitz 124 Fnfmal getçtete Pfarrer s. Rosenplt, Hans Fnfzig Gulden Minnelohn s. Spaun, Claus Gnslein 203, 223 Gautier le Leu 152f., 158 Gold und Zers 137, 216–220, 226 Gottfried von Straßburg 92, 99f., 116 Halbe Decke 122, 169, 220 Hslein 25, 194, 223 Heinrich der Teichner 118 Hellerwertwitz s. Fressant, Hermann Herr mit den vier Frauen 124 Herrand von Wildonie 153 Herrgottschnitzer 150, 152, 158, 160 Herzmaere s. Konrad von Wrzburg Jean Galois 122

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Autoren- und Titelregister

Kaiser Lucius’ Tochter 12, 23, 62 Kaufringer, Heinrich 14, 17, 37, 187f., 208–213 – Bekehrte Jude 200 – Brgermeister und Kçnigssohn 16, 37, 92, 149, 163, 180, 187–213, 216, 218, 220, 228, 231–235 – Chorherr und Schusterin 211 – Drei listige Frauen B 188, 211, 213 – Einsiedler und Engel 187 – Feige Ehemann 188, 194, 197, 205 – Mçnch als Liebesbote B 188, 222–225, 227 – Rache des Ehemannes 18, 179, 182, 188 – Schlafpelz 211 – Suche nach dem glcklichen Ehepaar 175, 177, 187f., 197, 211–213 – Uneinige Kaufleute 92 – Unschuldige Mçrderin 153, 187, 211 – Verklagte Bauer 181 – Zehnte von der Minne 188, 198, 205 – Zurckgegebene Minnelohn 16, 37, 149, 163–185, 188f., 191f., 197, 199, 201–204, 208–212, 227, 231–235 – Zurckgelassene Hose 211 Kerbelkraut 161 Kluge Knecht s. Stricker Knecht im Garten s. Rosenplt, Hans Koch s. Schweizer Anonymus Konrad Fleck 92 Konrad von Wrzburg 116, 180 Le prestre crucefi 152f., 156–158 Le prestre teint s. Gautier le Leu Liebesabenteuer in Konstanz 136 Liebesprobe s. Frçschel von Leidnitz Mauricius von Cran 12, 116 Meißner, Hans 92, 152 Minne und Pfennig (Brandis 450) s. Elende Knabe Minnedurst 171

Mçnch als Liebesbote 222, s. auch Kaufringer Mçnchs Not s. Zwickauer Niemand 12, 136, 152, 205, 212 Nonnenturnier 22, 137 Pfaffe mit der Schnur s. Schweizer Anonymus Rache des Ehemannes s. Kaufringer, Heinrich Ritter Alexander 133, 153 Ritter mit den Nssen 161 Ritter unter dem Zuber s. Appet, Jacob Rittertreue 92, 169 Rosenplt, Hans 17, 150 – Fahrende Schler 150 – Fnfmal getçtete Pfarrer 211 – Knecht im Garten 133, 149f., 153 – Wettstreit der drei Liebhaber 141, 203 – Wolfsgrube 144, 162, 229 Rudolf von Ems 83, 92–98, 107, 109f., 124 Ruprecht von Wrzburg 37, 92, 124, 127–147, 149, 153, 169, 216, 227f., 231, 233f. Scklein Witz s. Schweizer Anonymus Schlafpelz s. Kaufringer, Heinrich Schneekind 92, 122 Schwangere Mller 223 Schweizer Anonymus – Koch 133 – Pfaffe mit der Schnur 133, 153 – Scklein Witz 122 Sociabilis 178 Spaun, Claus 12, 152, 167, 170–172, 178–183, 207 Sperber 25, 30, 83f., 91f., 151, 223, 227f., 234 Striegel 233, 227 Stricker 14, 16f. – Begrabene Ehemann 18, 161,

Autoren- und Titelregister – Edelmann und Pferdehndler 62, 92, 124, 149 – Eingemauerte Frau 141 – Falsche und rechte Milte 105–108 – Kluge Knecht 153, 181 – Nackte Ritter 201 – Pfaffe Amis 31, 101 Studentenabenteuer 28, 133, 138, 153, 169, 203 Suche nach dem glcklichen Ehepaar s. Kaufringer, Heinrich Teufels chtung = Des tiuvels hte 25, 223 Thomas von Aquin 83–92, 96, 108–110, 232 Thomasin von Zirclaria 110, 116, 124 Tor Hunor 169, 190, 220f., 223f., 227 Treueprobe s. Ruprecht von Wrzburg Trois dames qui troverent l’anel 19 Ulrich von Liechtenstein 115–117 Unschuldige Mçrderin s. Kaufringer, Heinrich Untergeschobene Kalb s. Zobel, Jçrg

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Van minne in van gelde (Brandis 342) 118 Verklagte Bauer s. Kaufringer, Heinrich Verklagte Zwetzler 137 Vertauschte Mller 153 Weingrtners Frau und der Pfaffe 190 Wette 124, 141 Wettstreit der drei Liebhaber s. Rosenplt, Hans Wiedervergeltung s. Folz, Hans Wirt 203 Wolfram von Eschenbach 92, 139 Wolfsgrube s. Rosenplt, Hans Zehn Gedichte auf den Pfennig 118, 127 Zehnte von der Minne s. Kaufringer, Heinrich Zobel, Jçrg 153 Zurckgegebene Minnelohn s. Kaufringer, Heinrich Zurckgelassene Hose s. Kaufringer, Heinrich Zwei Kaufleute s. Ruprecht von Wrzburg Zwickauer 223

Historische Semantik

hg. von Bernhard Jussen, Christian Kiening, Klaus Krüger und Willibald Steinmetz

Band 3: Mireille Schnyder Topographie des Schweigens

Band 5: Udo Friedrich Menschentier und Tiermensch

Untersuchungen zum deutschen höfischen Roman um 1200 2003. 447 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36701-8

Diskurse der Grenzziehung und Grenzüberschreitung im Mittelalter 2009. 437 Seiten mit 10, z.T. farb. Abb., gebunden. ISBN 978-3-525-36704-9

M. Schnyder untersucht die Grundmuster der Schweigewahrnehmung und ihre Darstellungsformen im deutschen höfischen Roman um 1200. »Schnyders Buch gehört zu den Arbeiten, die künftiger Forschung viele neue Horizonte erschließen...« Jan-Dirk Müller, Zeitschrift für deutsche Philologie

Die Grenze zwischen Mensch und Tier gehört zu den zeitlosen Themen der Kulturgeschichte. Diese Studie untersucht Szenarien der Grenzziehung und Grenzüberschreitung in literarischen Texten des 12. und 13. Jahrhunderts.

Band 4: Thomas Maissen Die Geburt der Republic Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft 2., veränderte Auflage 2008. 672 Seiten mit 43 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-36706-3 »Maissens Studie gehört zur seltenen Sorte Bücher, die auch jenen imponieren müssen, denen sie gegen den Strich gehen.« Frankfurter Allgemeine Zeitung »Maissens Buch setzt Maßstäbe, es darf als Meilenstein in der schweizerischen Geschichtsschreibung betrachtet werden.« Clausdieter Schott, Neue Zürcher Zeitung »Elegant geschrieben, quellennah und nüchtern argumentierend darf man dieser meisterlichen Arbeit rege Aufnahme wünschen.« Karin Gottschalk, H-Soz-u-Kult

Band 6: Matthias Müller Das Schloß als Bild des Fürsten Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reichs (1470–1618) 2004. 560 Seiten mit 208 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-36705-6 »Eine vielstimmige Untersuchung zur Manifestation des fürstlichen Regiments in der Architektur.« Jarl Kremeier, Zeitschrift für Historische Forschung

Band 7: Marion Oswald Gabe und Gewalt Studien zur Logik und Poetik der Gabe in der frühhöfischen Erzählliteratur 2004. 372 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36707-0 Aus interdisziplinärer Perspektive wird der diskursive Zusammenhang von ›Gabe und Gewalt‹ untersucht.

Historische Semantik

hg. von Bernhard Jussen, Christian Kiening, Klaus Krüger und Willibald Steinmetz

Band 8: Christel Brüggenbrock Die Ehre in den Zeiten der Demokratie

Band 10: Bettina Brandt Germania und ihre Söhne

Das Verhältnis von athenischer Polis und Ehre in klassischer Zeit 2006. 354 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36708-7

Repräsentationen von Nation, Geschlecht und Politik in der Moderne 2010. Ca. 492 Seiten mit 16 farbigen und 69 s/w Abb., gebunden ISBN 978-3-525-36710-0

Die Arbeit analysiert das ehrenhafte Verhalten athenischer Bürger in der demokratischen Polis in klassischer Zeit.

Band 11: Kathrin Müller Visuelle Weltaneignung

»Brüggenbrock hat eine anregende Arbeit zu einem sehr komplexen Thema verfasst.« H-Soz-u-Kult

Band 9: Christian Kiening Das wilde Subjekt Kleine Poetik der Neuen Welt 2006. 311 Seiten mit 32 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-36709-4 »Insgesamt macht Christian Kienings kleine Poetik der neuen Welt deutlich, dass eine kulturwissenschaftlich fundierte und literaturwissenschaftlich inspirierte Fragestellung auch an einem scheinbar abgegriffenen Thema zahlreiche neue Entdeckungen machen kann.« Marina Münkler, Süddeutsche Zeitung »Es wäre Selbstaufgabe, wenn Kiening seinem Leser ein einfaches Ziel in Aussicht stellen würde. Die Lektüre bekommt so durchaus experimentellen Charakter. Sich darauf einzulassen, lohnt sich.« Franz Mauelshagen, Tages-Anzeiger

Astronomische und kosmologische Diagramme in Handschriften des Mittelalters 2008. 438 Seiten mit 26 farb. und 90 s/w Abb., gebunden ISBN 978-3-525-36711-7 Dieses Buch analysiert astronomische und kosmologische Diagramme des Mittelalters und zeigt, wie sich die Menschen die Bewegungen der Planeten vorstellten und Himmelsphänomene erklärten.

Band 13: Cornelia Herberichs / Susanne Reichlin (Hg.) Kein Zufall Konzeptionen von Kontingenz in der mittelalterlichen Literatur 2009. 413 Seiten mit 4 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-36713-1 Die Beiträge vereinen historische, erzähltheoretische, religions- und kulturgeschichtliche Perspektiven, um die komplexen Kontingenzkonzeptionen der mittelalterlichen Literatur auszuleuchten.