Konfessionelle Differenzerfahrungen: Reiseberichte vom Rhein (1648-1815) 9783110351651, 9783110351590

In the period between the ‘Confessional eras’ (1648–1800), two very different confessional cultures developed in the ter

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Konfessionelle Differenzerfahrungen: Reiseberichte vom Rhein  (1648-1815)
 9783110351651, 9783110351590

Table of contents :
Inhalt
Geleitwort von Volker Leppin
Dank
1 Einleitung
2 Grundlagen: Reiseliteratur als historische Quelle
2.1 Die Quellengattung Reiseliteratur
2.2 Entwicklungen von Gattung und Funktion der Reiseliteratur (ca. 1500–1800)
2.2.1 Humanistische Kritik am Pilgerbericht
2.2.2 Die ars apodemica
2.2.3 Die Kavaliersreise – auf „Grand Tour“
2.2.4 Die Verbürgerlichung der Grand Tour – der Reisebericht als Medium der Aufklärung
2.2.5 Resümee
2.3 Hilfsmittel zur Erschließung der Quellen
2.4 Autoren, Leserschaft und Publikationskonjunkturen des Rheinreiseberichts
2.4.1 Aufkommen von Reiseliteratur mit Rheinbezug 1648–1815
2.4.2 Die Autoren: Nation – Profession – Konfession
2.4.3 Die Leserschaft
2.5 Forschungsprobleme und -optionen
3 Themenfelder religiöser Differenzerfahrung
3.1 Ein Blick zurück nach vorn
3.2 Britische Reisende am Rhein – ein Längsschnitt
3.3 Die konfessionelle Physiognomie der Landschaft
3.3.1 Konfessionell interpretierte Landschaftsmerkmale: finsteres Ortsbild = mangelnde Aufklärung
3.3.2 Katholische Landschaftsprägung des Barock: Kritik und Verteidigung
3.3.3 Die Romantik und der ästhetische Reiz des Katholizismus
3.3.4 „Religiöses Freizeitvergnügen“ als aktive Raumerschließung: Wallfahrten und Prozessionen
3.3.5 Protestantische Erinnerungsorte
3.4 Religiöse Praxis: Kritik – Faszination – Widerstand
3.4.1 Liturgische Feiern
3.4.2 Reliquienverehrung
3.4.3 Volksfrommes Brauchtum und Gebete auf Reisen
3.4.4 Epochen und Konfessionen Übergreifendes
3.5 Bildung
3.5.1 Konfessionell bedingte Unterschiede in der Bildungslandschaft
3.5.2 Reiseberichte für die Jugend
3.6 Ökonomische Aspekte: Wirtschaft und Lebenswandel
3.7 Die Physiognomie des Menschen
3.7.1 Die Entwicklung einer konfessionellen Physiognomik
3.7.2 Madonnen und Mönche – die zwei Gesichter der konfessionellen Physiognomie
3.7.3 Vergleichende Beobachtungen
3.8 Zusammenschau zu den thematischen Feldern konfessioneller Differenzerfahrung
4 Von Mainz nach Köln – Orte konfessioneller Differenzerfahrung
4.1 Die Kurpfalz
4.2 Mainz
4.3 Neuwied
4.4 Köln
4.5 Zusammenschau
5 Statt eines Resümees: Goethe – Rheinland – Rochusfest
6 Schluß
Anhang: Die Autoren der Rheinreiseberichte 1648–1815
Quellen- und Literaturverzeichnis
Gedruckte Primärquellen
Weitere benutzte gedruckte Quellen
Sekundärliteratur
Abbildungsverzeichnis
Personenregister
Ortsregister

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Christoph Nebgen Konfessionelle Differenzerfahrungen

Ancien Régime Aufklärung und Revolution

Herausgegeben von Rolf Reichardt und Hans-Ulrich Thamer

Band 40

Christoph Nebgen

Konfessionelle Differenzerfahrungen

Reiseberichte vom Rhein (1648–1815)

ISBN 978-3-11-035159-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-035165-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039576-1 ISSN 2190-295X Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Ein Unternehmen von Walter De Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: Ausschnitt aus Bertòla de‘ Giorgi, Aurelio, Malerische Rhein-Reise von Speyer bis Düsseldorf, Mannheim 1796. Originaltitel: Viaggio sul reno e ne’ suoi contorni, Rimini 1795. Satz: Michael Peschke, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

„Die große Geschichte des Rheins ist vielmehr eine Geschichte des Geistes, der sich als einziger auf den Flügeln des Windes, der Leben spendet und Kulturen verbindet, im gesamten Rheintal von den Alpen bis zum Meer frei bewegen kann – ohne Rücksicht auf Hindernisse, Grenzen, Burgen und Landesfürsten.“ Lucien Febvre, Der Rhein und seine Geschichte, S. 217. „Es gibt keine Geschichte im Nirgendwo. Alles hat einen Anfang und ein Ende. Alle Geschichte hat einen Ort. Es ist schwerer zu erklären, wie so etwas in Vergessenheit geraten konnte, als zu verstehen, warum das so ist. Spatial turn ist nichts anderes als die Rede vom Selbstverständlichen...“ Karl Schlögel, Im Raume lesen wir die Zeit, S. 71. „Reisesehnsucht und Fernweh sind Ausdrücke psychischer Dispositionen, für deren Entstehung das Klima des Protestantismus besonders günstig zu sein scheint.“ Gerhard Schmidtchen, Protestanten und Katholiken. Soziologische Analyse konfessioneller Kultur, S. 198f.

Geleitwort Kann ein Mensch besonders katholisch oder besonders evangelisch aussehen? So abwegig der Gedanke uns heute erscheinen mag, so modern war es doch im 18. Jahrhundert, Johann Caspar Lavaters Phsyiognomik auf die Konfessionen anzuwenden. Auf diese Weise konnte dann der wohl evangelische Jurist Johann Nikolaus Becker 1799 „Aberglaube[n] der niedrigsten Art“ in den Gesichtern junger Katholikinnen entdecken (s.u. S. 171) und damit mehr über sich als über die Objekte seiner Betrachtung preisgeben. Christoph Nebgen erinnert an solche Stereotypen und ihre Grundlagen. Noch heute kann, wer den Reiserouten der Protagonisten dieser Studie folgt, vielerorts die Übergänge vom einen Konfessionsraum in den anderen nachvollziehen, wie sie den Damaligen vor Augen standen. Das liegt insbesondere auch daran, dass die katholische Frömmigkeit und Liturgie ganze Kulturlandschaften geprägt und strukturiert hat, während evangelische Kultur sich gerade in der Zurückhaltung gegenüber solchen markanten Setzungen zeigte. Dass dies auch als Mangel empfunden werden konnte, zeigen die Anfänge der Lutherverehrung, für die Mitteldeutschland besonders viel Material böte – bis hin zu jenen Splittern, die fromme Reisende sich aus Luthers Totenbett in Eisleben rissen, ehe dies 1707 zur Vermeidung solchen Kults verbrannt wurde. Doch auch der Rhein war offenkundig produktiv im Blick auf solches Luthergedenken: Nach Worms reiste mancher, wie unten (S. 102) zu lesen ist, vornehmlich wegen des Reformators. Das mag dann in Zeiten eines neuerlichen Reformationsjubiläums nicht mehr so faszinierend-fern klingen, wie mancher der Berichte, die Nebgen in seiner Mainzer Habilitationsschrift zusammengetragen hat. Dass er dies getan hat, ist Teil jener notwendigen, manchmal auch schmerzlichen Auseinandersetzung mit den Erinnerungen, die das konfessionell zerrissene Deutschland prägten und prägen: „Konfessionelle Differenzerfahrung“ nachzuzeichnen heißt nicht, sie neu aufleben zu lassen, sondern sich bewusst dem zu stellen, dass sich die Konfessionen in Deutschland immer wieder als fern begegneten, obwohl sie einander nah waren. Der Blick der Fremden – auch die berühmte Reisende Madame de Staël tritt uns auf den folgenden Seiten entgegen – ist meist nicht überraschter als der der Deutschen selbst: Reiselust bedeutete auch Staunen darüber, wie es andernorts ist, manchmal sogar mit Begeisterung, wenn etwa der Genfer Calvinist über die „Empfindungen der Andacht“ bei einer katholischen Schiffswallfahrt ins Schwärmen geriet (S. 98 f.). Freilich war solche Begeisterung eher die Ausnahme. Zu den beschämenden Erkenntnissen, die Nebgen ganz unaufgeregt erarbeitet, gehört, in welchem Maße Protestanten auf die reiche religiöse Welt des Katholizismus mit Unwissenheit, Abwehr und auch Spott reagierten.

VIII 

 Geleitwort

Heute wird man gerade im Fremden auch die bereichernde Vielfalt des Christentums wiederentdecken können, zumal durch gestiegene Mobilität und vor allem die Migrationsbewegungen des 20. Jahrhunderts Konfessionen und Religionen in Deutschland enger aufeinander gerückt sind. Dennoch sind wir von den Stereotypen der Vergangenheit nicht einfach frei. Christoph Nebgen hat zur Erhellung dieser Bedingtheit unserer Wahrnehmung einen wichtigen, im besten Sinne aufklärenden Beitrag geliefert. Wunden zu erkennen, Differenzwahrnehmungen nachzuzeichnen ist der erste Schritt, um an ihrer Überwindung zu arbeiten. So bietet das vorliegende Buch zugleich einen ausgezeichneten Beitrag zur kulturwissenschaftlich gebildeten Kirchengeschichtsforschung wie zum ökumenischen Gespräch. Vielleicht nimmt ja manche(r) daran Beteiligte dieses gut lesbare Buch als Vademecum auf die nächste Reise mit, um etwas über die Landschaften zu lernen, die er oder sie durchreist – und dabei nicht zuletzt über sich und die Grundlagen heutigen konfessionellen Bewusstseins. Volker Leppin, Tübingen

Dank Es muss einige Jahre her sein, da erklärte mir eine chinesische Freundin voller Überzeugung, dass sie in Deutschland, unmittelbar nachdem sie aus einem Zug in einer bislang unbekannten Umgebung aussteige, bemerken könne, ob die Menschen dort mehrheitlich katholisch oder evangelisch seien. Wie genau sie das anstellt, verriet sie mir jedoch nicht. Vielleicht gab mir Lioba Gu Yu damit aber den indirekten Anstoß, derartige Erfahrungen einmal historisch zu untersuchen. Unter dem Titel „Rhein – Reise – Religion. Konfessionelle Differenzerfahrung in Berichten Reisender 1648–1815“ wurde die vorliegende Studie im Wintersemester 2012/13 als kirchenhistorische Habilitationsschrift an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angenommen. Im Sommersemester 2012 waren die abschließenden Arbeiten an ihr durch ein Stipendium der Kalkhof-Rose-Stiftung an der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur gefördert worden. Für die Drucklegung wurde sie geringfügig überarbeitet und ergänzt. Aus den unterschiedlichsten Gründen gilt mein großer Dank: Benjamin Dahlke, Tonke Dennebaum, Heike Grieser, Sibylle Kalkhof-Rose, Karl Kardinal Lehmann für einen großzügigen Druckkostenzuschuß und darüber hinaus wertvolle ideelle Hilfestellung, Volker Leppin, Lioba Gu Yu, Sabine Luber, den lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitätsbibliothek und der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Mainz, meinem akademischen Lehrer Johannes Meier, Cornelia Müller, Paul Münch, der Lektorin Bettina Neuhoff, Annelen Ottermann, Haik Porada, Andreas Rutz, Veit Strassner, den Herausgebern dieser Reihe: Rolf Reichardt und Hans-Ulrich Thamer, und schließlich für Eure große Geduld und Nachsicht: Andrea, Jacob, Theo & der ganzen Familie.

Inhalt Geleitwort von Volker Leppin  VII Dank  IX 1 Einleitung  1 2 Grundlagen: Reiseliteratur als historische Quelle  13 2.1 Die Quellengattung Reiseliteratur  13 2.2 Entwicklungen von Gattung und Funktion der Reiseliteratur (ca. 1500– 1800)  15 2.2.1 Humanistische Kritik am Pilgerbericht  15 2.2.2 Die ars apodemica  17 2.2.3 Die Kavaliersreise – auf „Grand Tour“  19 2.2.4 Die Verbürgerlichung der Grand Tour – der Reisebericht als Medium der Aufklärung   21 2.2.5 Resümee  31 2.3 Hilfsmittel zur Erschließung der Quellen  33 2.4 Autoren, Leserschaft und Publikationskonjunkturen des Rheinreiseberichts  34 2.4.1 Aufkommen von Reiseliteratur mit Rheinbezug 1648–1815  34 2.4.2 Die Autoren: Nation – Profession – Konfession  38 2.4.3 Die Leserschaft  47 2.5 Forschungsprobleme und -optionen  51 3 Themenfelder religiöser Differenzerfahrung  57 3.1 Ein Blick zurück nach vorn  57 3.2 Britische Reisende am Rhein – ein Längsschnitt  59 3.3 Die konfessionelle Physiognomie der Landschaft  79 3.3.1 Konfessionell interpretierte Landschaftsmerkmale: finsteres Ortsbild = mangelnde Aufklärung  80 3.3.2 Katholische Landschaftsprägung des Barock: Kritik und Verteidigung  83 3.3.3 Die Romantik und der ästhetische Reiz des Katholizismus  89 3.3.4 „Religiöses Freizeitvergnügen“ als aktive Raumerschließung: Wallfahrten und Prozessionen  97 3.3.5 Protestantische Erinnerungsorte  102 3.4 Religiöse Praxis: Kritik – Faszination – Widerstand  107

XII 

 Inhalt

3.4.1 Liturgische Feiern  108 3.4.2 Reliquienverehrung  114 3.4.3 Volksfrommes Brauchtum und Gebete auf Reisen   118 3.4.4 Epochen und Konfessionen Übergreifendes  120 3.5 Bildung  125 3.5.1 Konfessionell bedingte Unterschiede in der Bildungslandschaft  125 3.5.2 Reiseberichte für die Jugend  134 3.6 Ökonomische Aspekte: Wirtschaft und Lebenswandel  146 3.7 Die Physiognomie des Menschen  158 3.7.1 Die Entwicklung einer konfessionellen Physiognomik  159 3.7.2 Madonnen und Mönche – die zwei Gesichter der konfessionellen Physiognomie  167 3.7.3 Vergleichende Beobachtungen  186 3.8 Zusammenschau zu den thematischen Feldern konfessioneller Differenzerfahrung  187 4 Von Mainz nach Köln – Orte konfessioneller Differenzerfahrung  191 4.1 Die Kurpfalz  191 4.2 Mainz  195 4.3 Neuwied  205 4.4 Köln  213 4.5 Zusammenschau  226 5

Statt eines Resümees: Goethe – Rheinland – Rochusfest  229

6 Schluß  245 Anhang: Die Autoren der Rheinreiseberichte 1648–1815  247 Quellen- und Literaturverzeichnis  255 Gedruckte Primärquellen  255 Weitere benutzte gedruckte Quellen  267 Sekundärliteratur  270 Abbildungsverzeichnis  289 Personenregister  290 Ortsregister  294

1 Einleitung Im Sommer 1787 bereiste der aus Rimini stammende Benediktiner Aurelio de’ Giorgi Bertòla von Zürich aus den Rhein bis nach Düsseldorf.1 Bertòlas Begeisterung für die deutsche Kultur und im speziellen für die moderne deutsche Literatur hatte ihn in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts immer wieder zu teils längeren Ausflügen in die nördlich der Alpen gelegenen Regionen geführt. Diesmal erschienen ihm seine Reiseerlebnisse jedoch so bemerkenswert, dass er in Form eines Reiseromans in 45 Einzelbriefen seine italienischen Landsleute über einen ausgewählten Abschnitt seines „Viaggio sul Reno“ informieren wollte. 1795 wurde dieser in seiner italienischen Heimatstadt gedruckt und erschien bereits im folgenden Jahr in Mannheim in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Malerische Rheinreise von Speier bis Düsseldorf“.2 Auf einem der italienischen Erstauflage vorangestellten Kupferstich kann der Leser einen stilisierten Abbate erkennen, wie er auf einen Stock gestützt in einer kleinen Barke den Rhein bereist, und mit seiner Rechten in das Mittelrheintal hineinweist. In den kleinen, zwischen den hohen Rheinfelsen gelegenen Nischen am Ufer des Flusses ist eine Unzahl an zerstreuten Siedlungen zu erkennen, die lediglich durch den Rhein miteinander verbunden zu sein scheinen. Die dargestellte Szene kann als stimmige Illustration zu Bertòlas Auslassungen im dreißigsten seiner Reisebriefe gesehen werden. Räsonierend über die Unterschiedlichkeit der durchreisten Landschaft und ihrer Bewohner, versuchte er in diesem Abschnitt in verschiedenen „Distinctionen“ seine Beobachtungen über die Bevölkerung der Rheingegend zu systematisieren. Neben der „großen Verschiedenheit des Bodens und der Luft“, die er als ursächlich für Unterschiede in Kultur und Mentalität der Menschen sah, identifizierte er eine für einen im Kirchenstaat geborenen Italiener besonders merkwürdige Eigenheit der durchreisten Landschaft: In wenigen Ländern wird es dem Reisenden so oft begegnen, daß er das Frühstück etwa bey einem Catholiken, das Mittagsmahl bey einem Reformirten und das Abendessen bey einem Lutheraner einnimmt. Vielleicht muß man von dieser Mischung der Religionen in einem kleinen Landstriche, ja oft in den Mauern einer einzigen Stadt, eine gewisse Streitsucht herleiten. Die Verschiedenheit der Meinungen erzeugt, und ernährt wenigstens einen inern Zwist, welcher der Ausbildung zu einer wahren Humanität im Wege steht. Ich habe indessen 1 Zu Person, Reise und der Rezeptionsgeschichte seiner Landschaftsbeschreibung vgl. Jörg-Ulrich Fechner, Erfahrene und erfundene Landschaft. Aurelio de’ Giorgi Bertòlas Deutschlandbild und die Begründung der Rheinromantik, Opladen 1974; Monika Langer, Der „Viaggio sul Reno“ des Aurelio de’ Giorgi Bertòla: eine Diskursreise durch das 18. Jahrhundert, Trier 2007. 2 Über die verschiedenen, bis in die neueste Zeit erschienenen Neuauflagen und Bearbeitungen vgl. Emilio Bogani, La vicenda redazionale del «Viaggio sul Reno e ne‘ suoi contorni» di Aurelio Bertòla, in: Studi di filologia italiana XXXVII (1979), S. 345–411.

2 

 Einleitung

schon bemerkt, daß die Religionsstreitigkeiten in diesen Gegenden jetzt weit weniger lebhaft sind, als sie es ehedem waren.3

Abb. 1: Ausschnitt aus Aurelio de’ Giorgi Bertòlas „Viaggio sul Reno e ne‘ suoi contorni“ (1795).

Bertòlas Beobachtung über die hohe Dichte an konfessioneller Nachbarschaft in den Rheingegenden, die im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts vor allem dem durchreisenden Erstbesucher als eine der bemerkenswerten Besonderheiten der Landschaft aufzufallen pflegte, setzt die drei Schlagwörter, die den inhaltlichen Rahmen dieser Studie bilden, in einen direkten Zusammenhang: der Rhein als wichtiger Verkehrsweg entlang der europäischen Nord-Süd-Achse und raumprägendes Landschaftsmerkmal; die Reise mit den durch das literarische Medium Reisebericht dokumentierten, reflektierten und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Erfahrungen ihres Autors; und schließlich das weite Feld der Religion, das für den frühneuzeitlichen Reisenden in Folge der nachreformatorischen Konfessionsbildung eines der wichtigsten Beobachtungsgebiete bezüglich der Erfahrung von Fremdheit, aber auch der aktiven Konstruktion eigener Identität ausbil3 Siehe: Bertòla, Rheinreise, S. 157f.

Einleitung 

 3

dete.4 Dass die Rheingegenden als Erfahrungsraum solcher religiöser – oder in unserem Fall präziser: konfessioneller – Differenz besonders stark wahrgenommen wurden, hängt im speziellen mit ihren historisch gewachsenen, topographischen Besonderheiten und im allgemeinen mit den alle Lebensbereiche tangierenden Folgen der Reformation und der durch sie verursachten abendländischen Kirchenspaltung zusammen. Die auf den Augsburger Religionsfrieden von 1555 zurückgehende Formel „Cuius regio, eius et religio“ hatte eine willkürliche Verknüpfung von Landschaft als menschlicher Lebenswelt und religiösem Bekenntnis in Abhängigkeit vom jeweiligen Landesherrn etabliert. Die bereits im Mittelalter ausgebildete territorial-landesherrschaftliche Zersplitterung der naturräumlich eng umgrenzten Kulturlandschaft des Oberen Mittelrheintales zwischen Bingen/Rüdesheim im Süden und Koblenz/Lahnstein im Norden (seit 2002 UNESCO-Weltkulturerbe) erfuhr somit seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch die landesherrschaftliche Präsenz der geistlichen Kurfürstentümer Mainz, Trier und Köln auf der einen und der protestantisch orientierten Herrschaften Kurpfalz, Hessen-Rheinfels und Hessen-Darmstadt auf der anderen Seite noch eine Vertiefung im Hinblick auf die konfessionellen Identitäten der hier lebenden Bevölkerung.5

4 Vgl. Peter Thaddeus Lang, Konfessionsbildung als Forschungsfeld, in: Historisches Jahrbuch 100 (1980), S. 479–493, hier S. 479. 5 Zur mittelalterlichen Herrschaftsentwicklung am Mittelrhein vgl. Otto Volk, Wirtschaft und Gesellschaft am Mittelrhein vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, Wiesbaden 1998. Über die politischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal vgl. Claudia Euskirchen, Das Mittelalter, in: Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Das Rheintal von Bingen und Rüdesheim bis Koblenz. Eine europäische Kulturlandschaft, 2 Bde., Mainz 2001, hier Bd. 1, S. 88–112; dies., Von der Reformation bis zum Ende der Feudalzeit (1520– 1794), in: ebd., S. 112–133. Zur hessischen Präsenz am Mittelrhein vgl. Alexander Ritter, Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein (1527–1685), Darmstadt 2007 (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte, Bd. 153). Ebenfalls einen Überblick über die Herrschaftsverhältnisse bietet: Benedikt Bock, Baedeker & Cook – Tourismus am Mittelrhein 1756 bis ca. 1914, Frankfurt am Main u.a. 2010 (= Mainzer Studien zur Neueren Geschichte, Bd. 26), S. 36–62.

4 



 Einleitung



Abb. 2: Landesherrschaften im Rheinland 1789.6

Für den Bestand längerfristig manifester, konfessionell geprägter religiöser Verhaltens- und Darstellungsformen, die auf die Kirchenspaltung und die anschließende Zeit der Konfessionsbildung zurückzuführen sind, hat sich der noch weiter 6 Die Karte stammt vom Internetportal „Rheinische Geschichte“, das vom Landschaftsverband Rheinland (Bonn) angeboten wird. Webadresse: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/orte/ Gebiete_1789/ Seiten/index.aspx.

Einleitung 

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zu präzisierende Begriff „Konfessionskultur“ entwickelt.7 Diese umfassenden kulturellen Auswirkungen der konfessionellen Trennung auf das profane Leben in allen gesellschaftlichen Teilbereichen erzeugten mit der Zeit einen Graben, der sich für das Kollektiv als nicht mehr überbrückbar erwies und auch von einzelnen Individuen nur höchst selten überschritten wurde.8 Eine der seltenen Gelegenheiten, zu denen ein Einzelner die direkte Begegnung mit einer anderen Konfessionskultur tätigte, war auf Reisen. Die Untersuchung von Reiseberichten bietet also zum einen die Möglichkeit, die in ihnen dokumentierte konfessionelle Fremderfahrung und die damit zusammenhängende selbstbezogene Identitätskonstruktion systematisch zu erforschen.9 Der quantifizierbare Bedeutungsgewinn, den das Medium Reiseliteratur im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts erfuhr, birgt jenseits der individuell-persönlichen Ebene bezüglich ihres jeweiligen Autors noch eine weitere interessante Untersuchungsmöglichkeit: Im Zeitraum zwischen den beiden apostrophierten konfessionellen Zeitaltern konnte eine interessierte Leserschaft mittels der Beschreibung verschiedener Autoren ein Bild vom Zustand der kulturellen Auswirkungen konfessioneller Andersartigkeit gewinnen.

7 Vgl. Markus Wriedt, Die Reformation als Ereignis im Wechsel der Epochen. Evangelische Reformationsgeschichtsforschung im Kontext interdisziplinärer Frühneuzeit-Historiographie, in: Friedrich Schweitzer (Hrsg.), Kommunikation über Grenzen. Kongressband des XIII. Europäischen Kongresses für Theologie 21.–25. September 2008 in Wien, Gütersloh 2009, S. 514–532. Hierzu auch: Andreas Holzem, Der „katholische Augenaufschlag beim Frauenzimmer“ (Friedrich Nicolai) – oder: Kann man eine Erfolgsgeschichte der „Konfessionalisierung“ schreiben?, in: Thomas Brockmann/Dieter J. Weiss (Hgg.), Das Konfessionalisierungsparadigma – Leistungen, Probleme, Grenzen, Münster 2013 (= Bayreuther Historische Kolloquien, Bd. 18), S. 127–164, hier besonders S. 155–158. 8 Vgl. Peter Hersche, Muße und Verschwendung. Europäische Gesellschaft und Kultur im Barockzeitalter, 2 Bde., Freiburg 2006, hier Bd. 2, S. 892f. Eine Sammlung von Einzelstudien über die verschiedenen Gestaltungsformen konfessioneller Beziehungen und Begegnungen gegen Ende des 18. Jahrhunderts bietet Georg Schwaiger (Hrsg.), Zwischen Polemik und Irenik. Untersuchungen zum Verhältnis der Konfessionen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, Göttingen 1977 (= Studien zur Theologie und Geistesgeschichte des Neunzehnten Jahrhunderts, Bd. 31). Interessante Einzelstudien nahmen zuletzt das Verhältnis der Konfessionen im linksrheinischen, südlich des hier behandelten Untersuchungsraums gelegenen Gebiet in Betracht: Laurent Jalabert, Catholiques et protéstants sur la rive gauche du Rhin. Droits, confessions et coéxistence religieuse de 1648 à 1789, Brüssel u. a. 2009; Donatus Düsterhaus, Die Revolution als Schwester des Krieges. Deutungen und Wahrnehmungen von Lutheranern im Elsaß in der Zeit der Französischen Revolution und des napoleonischen Empires (1789–1815), Münster 2011. 9 Hierzu vor allem: Dorothea Nolde, Andächtiges Staunen – Ungläubige Verwunderung. Religiöse Differenzerfahrungen in französischen und deutschen Reiseberichten der Frühen Neuzeit, in: Francia 33 (2006), S. 13–35; dies., Religion und narrative Identität in Reiseberichten der Frühen Neuzeit, in: Franz X. Eder (Hrsg.), Historische Diskursanalysen. Genealogie, Theorie, Anwendungen, Wiesbaden 2006, S. 271–289.

6 

 Einleitung

Die durch die Reiseliteratur künstlich mit geschaffene Öffentlichkeit entwickelte somit im intertextuellen Diskurs eine eigenständige konfessionelle Typisierung, die sich in einer Eigendynamik oft in Stereotype mit langer Halbwertszeit verwandelte.10 Die vorliegende Studie versteht sich somit in erster Linie als theologischer Beitrag zum Projekt einer „Konfessionsgeschichte des Reisens“, wie sie von Seiten der Kulturwissenschaften bereits seit geraumer Zeit eingefordert wird.11 Ihre spezifische Leistung soll hierbei in einer fundierten Analyse konfessioneller Betrachtungsmuster in der Quellengattung „Reiseliteratur“ bestehen, ihrer Einordnung in den historischen Kontext und der damit verbundenen Frage nach den wirkungsgeschichtlichen Zusammenhängen. Zugleich können die Reiseberichte als „Sonden“ dienen, die uns Auskunft über das frühneuzeitliche Raumempfinden geben.12 Gerade in konfessionellen Grenzgebieten wurde in der Frühen Neuzeit die identitätsstiftende Aussagekraft landschaftsprägender Elemente von Konfessionskulturen besonders betont.13 Die Untersuchung der Beschreibungen von räumlich konstituierbaren, konfessionellen Grenzerfahrungen, wie sie sich in frühneuzeitlichen Reisebeschreibungen finden lassen, erweist sich somit als Beitrag zu den seit einiger Zeit unter dem Schlagwort spatial turn einzuordnenden raumbezogenen Forschungen.14 10 Vgl. Manuel Borutta, Antikatholizismus. Deutschland und Italien im Zeitalter der europäischen Kulturkämpfe, Göttingen 2010, S. 57, passim. Zur Entwicklung konfessionell bestimmter Stereotypen vgl. Christel Köhle-Hezinger, Evangelisch – Katholisch. Untersuchungen zu konfessionellem Vorurteil und Konflikt im 19. und 20. Jahrhundert vornehmlich am Beispiel Württembergs, Tübingen 1976, S. 54–66. Allgemein zum Problemfeld frühneuzeitliche Reiseliteratur und Stereotypenentwicklung vgl. Gerald Glaubitz, Stereotypenproblematik und Reisedidaktik: Methodische Überlegungen und historische Beispiele, in: Hans Henning Hahn (Hrsg.), Historische Stereotypenforschung. Methodische Überlegungen und empirische Befunde, Oldenburg 1995, S. 75–103. 11 Vgl. Michael Maurer, Neue Impulse der Reiseforschung, Berlin 1999, S. 351–354. 12 Vgl. Axel Gotthard, In der Ferne. Die Wahrnehmung des Raums in der Vormoderne, Frankfurt am Main 2007, S. 65. 13 Vgl. die einschlägige Studie zum Eichsfeld: Christophe Duhamelle, Territoriale Grenze, konfessionelle Differenz und soziale Abgrenzung. Das Eichsfeld im 17. und 18. Jahrhundert, in: Etienne François/Jörg Seifarth/Bernhard Struck (Hgg.), Die Grenze als Raum, Erfahrung und Konstruktion. Deutschland, Frankreich und Polen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2007, S. 33–51. 14 Zur Entwicklung und Aussagekraft des Begriffes vgl. die Beiträge in: Jörg Döring/Tristan Thielmann (Hgg.), Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld 2008. Die zum Teil stark ins Abstrakte ausschweifende Methodendiskussion zum Thema soll an dieser Stelle und innerhalb der vorliegenden Studie nicht näher betrachtet werden. Als wohltuend unaufgeregte und konstruktive Stellungnahme für die neue Wertschätzung des Raum- als Ordnungsbegriffs in den historisch arbeitenden Wissenschaften vgl. Karl Schlögel, Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik, München 42011.

Einleitung 

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Der zeitliche Untersuchungsrahmen der Studie, der sich von 1648 bis 1815 erstreckt, orientiert sich demgemäß an zwei historischen, Raum jeweils neu definierenden Ereignissen, nämlich zuerst dem Frieden von Münster und Osnabrück, mit dem auf Reichsebene die Konfessionsräume des ersten konfessionellen Zeitalters in der Mitte des 17. Jahrhunderts einen – zumindest de iure – relativ stabilen status quo ausgebildet hatten.15 Eine zweite Grenze bildet der Wiener Kongress von 1815, auf dem nach dem Ende des Alten Reichs und der damit verbundenen Form geistlicher Landesherrschaft die territoriale Ordnung Europas unter veränderten politischen und damit implizit konfessionellen Bedingungen in eine neue Form gegossen wurde.16 Wie in dieser Studie noch aufgezeigt werden kann, erweisen sich die gewählten Rahmendaten auch im Hinblick auf die untersuchten Quellen aus gattungsgeschichtlicher Perspektive als sinnvolle Orientierung für die Eingrenzung des Untersuchungsgebietes. Aus topographischer Perspektive diente als Auswahlkriterium für die Aufnahme eines Reiseberichts in die Untersuchungsbibliographie, ob während der diesem zugrundeliegenden Reise Teile des Mittelrheintals zumindest streckenweise passiert wurden. Dass ausgerechnet dieser Raum ausgewählt wurde, hängt nicht nur mit seiner im Laufe des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts rapide anwachsenden Prominenz im Medium der Reiseliteratur zusammen, sondern vor allem mit der bereits von Bertòla so treffend umschriebenen hohen Dichte an konfessioneller Nachbarschaft. Um der topographischen Schwerpunktsetzung innerhalb der Quellengattung Rechnung tragen zu können, wurden jedoch die räumlichen Grenzen der Untersuchung gemäß der am Mittelrheintal vertretenen Landesherrschaften auf deren gesamte Präsenz am Rheinlauf ausgeweitet – grob gesagt also von Köln im Norden bis zum kurpfälzischen Gebiet um Speyer im Süden. Der durch diese Einschränkungen herausgefilterte Bestand an Reiseliteratur – es handelt sich um rund 200 Titel – bildet die Quellengrundlage der vorliegenden Studie. Um diese Quellengattung und ihre Aussagekraft in Bezug auf die Wahrnehmung und Darstellung konfessioneller Differenz einordnen zu können, 15 Als Überblick über die konfessionelle Topographie des Reichs zu diesem Zeitpunkt vgl. Anton Schindling/Walter Ziegler (Hgg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650, 7 Bde., Münster 1989–1996/97. Zu den hier untersuchten Regionen vgl. besonders die Bände 3, 4 und 5. 16 Vgl. Wolfgang Burgdorf, „... und die Welt wird neu geordnet“. Kontinuität und Bruch. Vom Beginn der Revolutionskriege zum Deutschen Bund und zur Neuordnung Europas, in: Peter Schmidt/Klemens Unger (Hgg.), 1803. Wende in Europas Mitte. Vom feudalen zum bürgerlichen Zeitalter, Regensburg 2003, S. 552–557. Die europaweiten Ursachen und Folgen dieser Umbruchsituation für das Christentum werden neuerdings dargestellt und analysiert bei: Rudolf Schlögl, Alter Glaube und moderne Welt. Europäisches Christentum im Umbruch 1750–1850, Frankfurt am Main 2013.

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wird in einem ersten Schritt die Entwicklung von Gattung und Funktion der Reiseliteratur für den Zeitraum zwischen dem frühen 16. und dem späten 18. Jahrhundert mit einem Fokus auf konfessionelle Implikationen präsentiert (2.1–2.2.5). Danach werden die vorhandenen Hilfsmittel zur Quellenerschließung vorgestellt (2.3). Auf dieser Basis wird der ausgewählte Bestand an Reiseliteratur auf empirisch erhebbare Daten hin untersucht. Es geht darum, quantitativ orientierte Aussagen zu Autoren, Leserschaft und Publikationskonjunkturen der Reiseliteratur zu treffen (2.4), die anschließend qualitativ interpretiert werden können. Grundlage hierfür ist neben der Bibliographie eine im Anhang (6) zu findende tabellarische Übersicht über die Autoren der aufgenommenen Titel, in welcher Informationen zu deren Nation, Profession und Konfession zu finden sind. Nach dieser an quellenkritischen und quantifizierbaren Ergebnissen orientierten Auswertung des Quellenmaterials werden in Abschnitt 3 qualitative Aussagen zu verschiedenen Wahrnehmungsfeldern konfessioneller Differenz systematisch dargestellt und analysiert. Da sich sowohl im Hinblick auf die gattungsgeschichtliche Entwicklung allgemein als auch im konkreten Fall der Rheinreiseliteratur der Einfluss britischer Autoren als besonders wichtig erwies, wird zunächst in einem Längsschnitt diese in vielerlei Hinsicht Erfahrungen kultureller Fremdheit erlebende Autorengruppe – etwa in Bezug auf Nation und Konfession – exemplarisch vorgestellt, um somit einzelne Themenfelder konfessioneller Differenzerfahrung konkret benennen zu können (3.2). Insgesamt spiegelt sich in den Beobachtungen von Kapitel 3 auch der zuvor untersuchte Funktionswandel der Reiseliteratur vor allem im Laufe des 18. Jahrhunderts wider. Als erste Beobachtungskategorie wird die „konfessionelle Physiognomie der Landschaft“ (3.3) untersucht, wie sie insbesondere von Reisenden im Zeitalter der Aufklärung beschrieben wurde. Ästhetische Kriterien wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts vermehrt zur oberflächlichen Beurteilung konfessionell unterschiedlicher Entwicklungen benutzt. In den Blick geraten so etwa die Architektur und das Erscheinungsbild eines Ortes (3.3.1), die genuin katholische Landschaftsprägung des Barock (3.3.2–3.3.4) wie auch der von einigen Autoren konstatierte Mangel an protestantischen „Erinnerungsorten“ als räumlicher Manifestation von Bekenntnisinhalten (3.3.5). Als nächstes Themenfeld wird auf das Erleben religiöser Praxis in der Fremde eingegangen. Neben dem gezielten Besuch liturgischer Feiern fremder Konfessionen waren es vor allem der katholische Reliquienkult und das breite Feld der Volksfrömmigkeit, die von Reiseschriftstellern – abhängig von der eigenen konfessionellen Verortung – von Kritik bis hin zu begeisterter Anteilnahme ein breites Spektrum an Meinungsäußerungen verursachten. Auch die unterschiedlich geprägten und entwickelten Bildungslandschaften entlang des Rheins wurden von den Reisenden unter konfessionellen Gesichtspunkten analysiert (3.5.1). Gegen Ende des 18. Jahrhunderts

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wurde die Reise und die Berichterstattung hierüber dann auch als didaktisches Mittel der Jugenderziehung eingesetzt, woraus eine eigene Subgattung von Reiseliteratur entstand (3.5.2). Welche konfessionellen Zuschreibungen finden sich hier? In Abschnitt 3.6 soll schließlich der Frage nachgegangen werden, warum in der Reiseliteratur auch unterschiedliche ökonomische Verhaltensweisen durch den jeweiligen konfessionellen Kontext erklärt wurden. Was war der empirische Hintergrund dieser Einschätzungen und welche Schlüsse zogen die Reiseschriftsteller aus ihren Beobachtungen? Vor allem im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts etablierte sich im Medium Reiseliteratur eine neue konfessionelle Unterscheidungskategorie. Zahlreiche Autoren vertraten in Rückgriff auf entsprechende Theorien des Schweizer Theologen Johann Caspar Lavater einen neuen Ansatz bezüglich der Spannbreite konfessioneller Unterscheidungsmerkmale: Fanden die unterschiedlichen Konfessionskulturen etwa nicht nur Ausdruck in Mentalität und kultureller Eigenart, sondern könnte sich seine Konfessionszugehörigkeit auch in den Gesichtszügen eines Menschen ablesen lassen (3.7)? Nach dieser thematisch geordneten Vorstellung und Analyse konfessioneller Differenzerfahrungen und ihrer Ausdeutungen wird in Abschnitt 4 der Raumbegriff als grundlegendes Ordnungsschema verwendet. Welche Orte bzw. Landschaften wurden in der Reiseliteratur vom Rhein besonders akzentuiert im konfessionellen Zusammenhang betrachtet? Wie wurden diese Zuordnungen innerhalb des Mediums diskutiert und interpretiert? Welche Rolle spielten hierbei jeweils der historische Entstehungskontext der Texte und die realen konfessionspolitischen und -kulturellen Hintergründe in dem betrachteten Gebiet? Raumeinheiten, die in der ausgewählten Reiseliteratur auffallend stark unter konfessionellen Aspekten betrachtet wurden, waren – geordnet von Süd nach Nord – die Kurpfalz (4.1), Kurmainz und hier vor allem seine Hauptstadt (4.2), die Grafschaft Wied mit ihrer „neuen Hauptstadt“ (Fürstensitz) Neuwied (4.3) und die freie Reichsstadt Köln (4.4). Wie an einer Perlenschnur gespannt lagen diese in sich homogen strukturierten „Konfessionsräume“ entlang des Rheines und brachten den reisenden Beobachter in die günstige Lage, innerhalb kurzer Zeit die Eigenheiten, Vor- und Nachteile der in diesem Bereich jeweils vorherrschenden Konfessionspolitik und -kultur miteinander zu vergleichen. Die verschiedenen Fäden, die unter den Schlagwörtern Rhein, Reise und Religion aufgenommen wurden, um die Quellengattung Reiseliteratur systematisch zu untersuchen, werden schließlich am Beispiel eines einem einzigen Ort gewidmeten Reiseberichts resümierend zusammengeführt: Johann Wolfgang von Goethes Beschreibung des Rochusfestes in Bingen im Jahr 1814. Zu diesem Zeitpunkt war die Konfessionsfrage erneut zu einem höchst relevanten Problemfeld der Politik geworden. Im vornationalen Kontext nach dem Ende des Alten Reichs wurde ihrer Rolle für das Identitätsbewusstsein der Deutschen höchste Bedeu-

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tung zugesprochen.17 Die im Zwischenraum der beiden konfessionellen Zeitalter gewachsenen Konfessionskulturen wurden nunmehr zum Betrachtungs- und Streitobjekt einer sich medial formierenden Öffentlichkeit, als deren Vorläufer die Reiseliteratur gesehen werden kann. Die Erfahrung, dass verschiedene Autoren sowie die Leserschaft ihrer Texte bei gleichem Betrachtungsgegenstand zu gänzlich anderen Urteilen über diese gelangen konnten, veranlasste 1793 den Juristen Karl Gottlob Samuel Heun, seinem Reisebericht nachstehend abgebildete Zeichnung vorzustellen.18



Abb. 3: „Der rechte Gesichtspunkt“.

Die Legende zum Bild formulierte er folgendermaßen: a) Zum Beyspiel bin ich. b) ist der Herr Rezensent, c) ist mein Gesichtspunkt: ich habe, beyläufig gesagt, immer einen großen, da gehe ich seltner irre. d) ist des Herrn Rezensenten sein Gesichtspunkt; der ist gewöhnlich verdammt klein, und darum fällt ihm so vieles auf, was ich gar nicht einmal sehe. e) ist ein Strauch und f) ein Haus.

17 Vgl. hierzu die einschlägige Studie von Wolfgang Altgeld, Katholizismus – Protestantismus – Judentum. Über religiös begründete Gegensätze und nationalreligiöse Ideen in der Geschichte des deutschen Nationalismus, Mainz 1992. Große Linien zieht: Joachim Whaley, Kulturelle Toleranz – die deutsche Nation im europäischen Vergleich, in: Georg Schmidt (Hrsg.), Die deutsche Nation im frühneuzeitlichen Europa. Politische Ordnung und kulturelle Identität?, München 2010 (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, Bd. 80), S. 201–224. 18 Siehe: Karl Gottlob Samuel Heun, Carls vaterländische Reisen in Briefen an Eduard, Leipzig 1793. Wolfgang Griep und Hans-Wolf Jäger benutzten die Darstellung bereits in dem von ihnen herausgegebenen Band „Reisen im 18. Jahrhundert. Neue Untersuchungen, Heidelberg 1986“ auf S. VII.

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Der hermeneutische Clou der Geschichte liegt auf der Hand: Befinden sich Busch bzw. Haus nun links oder rechts vom Betrachter? Heuns Lösung für das Problem, sich auf den „rechten Gesichtspunkt“ zu einigen, stellte allerdings alle involvierten Personen – damals wie heute – vor eine neue Schwierigkeit, was ihm selbst zweifellos bewusst war: Es ist ein eigen Ding mit dem rechten Gesichtspunkte, und ist man über den nicht einig, so ist’s mit der ganzen Sachen nicht richtig, und man zankt sich, und disputiert sich, und kommt im Leben nicht zusammen.

Sein unkonventioneller Ratschlag zur Wahl des rechten Gesichtspunkts, mit dem er schließlich den Leser zur Lektüre des eigentlichen Reiseberichts entlässt, lautet schlicht und einfach: Drum habe ich mir einen großen gemacht, da können mehrere recht gemächlich drauf stehen, auf jenem aber ist es gewöhnlich eine halsbrecherische Krepeley. Also meine lieben Herren, den rechten Gesichtspunkt, und damit Punktum.

2 Grundlagen: Reiseliteratur als historische Quelle „Reisen haben das Nützliche, dass sie den Gesichtskreis des Menschen ausdehnen, seine Begriffe erweitern und versinnlichen, und dass man einsehen lernt, dass überall Gott und der Mensch derselbe sey.“ Johann Gottlieb Burckhardt1

2.1 Die Quellengattung Reiseliteratur Unter Reiseliteratur sind alle Prosatexte zu verstehen, in denen das Reisethema, die Erfahrung des geographischen Raumes, konstitutiver Bestandteil des Werkes ist.2 Etwa seit Beginn der 1980er Jahre wird die weit gefasste literarische Gattung der Reiseliteratur auch in der historischen Forschung stärker als objektivierbare Quelle bewertet und genutzt.3 Dies ist das Verdienst einer intensivierten interdisziplinären Zusammenarbeit im Bereich der Kulturwissenschaften, wo sich im deutschen Sprachraum zunächst die Literaturwissenschaft darum verdient gemacht hatte, sich dem lange vernachlässigten Genre zuzuwenden.4 Aus quel1 Siehe: Johann Gottlieb Burckhardt, Bemerkungen auf einer Reise von Leipzig bis London an eine Freundin, Leipzig 1783, S. 68. 2 Vgl. Wolfgang Griep, Reiseliteratur im späten 18. Jahrhundert, in: Rolf Grimminger (Hrsg.), Deutsche Aufklärung bis zur französischen Revolution 1680–1789, München und Wien 1980, S. 740 (= Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 3). Uwe Hentschel grenzt stärker ein, indem er dem Begriff Authentizität bei seiner Definition größere Bedeutung zumisst: „Unter dem Gattungsbegriff ‚Reisebeschreibung‘ werden somit im folgenden alle Authentizität vermittelnden Texte verstanden, die als Berichte (objektdominant) bzw. Schilderungen (subjektdominant) eine translokale Bewegung eines reisenden Erzählers zum primären Gegenstand ihrer narrativ-chronologischen Reproduktion machen.“ Siehe: ders., Die Reiseliteratur am Ausgang des 18. Jahrhunderts. Vom gelehrten Bericht zur literarischen Beschreibung, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 16,2 (1991), S. 51–83, hier S. 51f, FN 4. 3 Vgl. hierzu den Forschungsüberblick bei Bernhard Struck, Nicht West – nicht Ost. Frankreich und Polen in der Wahrnehmung deutscher Reisender zwischen 1750 und 1850, Göttingen 2006, S. 23–33; Winfried Siebers, Johann Georg Keyßler und die Reisebeschreibung der Frühaufklärung, Würzburg 2009, S. 9–18. 4 Vgl. Antoni Maczak/Hans Jürgen Teuteberg (Hgg.), Reiseberichte als Quellen europäischer Kulturgeschichte. Aufgaben und Möglichkeiten der historischen Reiseforschung, Wolfenbüttel 1982 (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 21); Peter J. Brenner (Hrsg.), Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur, Frankfurt am Main 1989; Michael Maurer, Reisen interdisziplinär – Ein Forschungsbericht in kulturgeschichtlicher Perspektive, in: ders., Impulse, S. 287–410.

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lenkritischer Perspektive galten die unter dem Begriff Reisebericht zu subsumierenden Texte lange Zeit als nur schwer handhabbar, da der jeweilige Grad von objektiver Sachinformation und subjektiver Deutung, den sie beinhalten, oft nur eingeschränkt unterscheidbar blieb.5 Die mentalitätsgeschichtlich ausgerichtete und reflektierte Heranziehung sogenannter Ego-Dokumente, zu denen die Reiseberichte aufgrund der Standortgebundenheit ihres Autors zu zählen sind, hat für deren historisch-kritische Typologisierung und Nutzbarmachung dann jedoch wichtige Impulse geben können und dem Historiker das passende methodische Rüstzeug zur Hand gereicht.6 Ansätze für deren Anwendung zur systematischen Erforschung von Reiseliteratur stammen von Michael Harbsmeier, der vor allem auf den selbstreferentiellen Charakter der Quellengattung Reisebericht hinweist, in der das Betrachten des „Fremden“ wie in einem Spiegel das „Eigene“ zum Vorschein kommen lässt.7 Der Vorschlag von Manfred Link, das weite Feld der Reiseliteratur in vier Gruppen zu untergliedern, ist in der Forschung aus unterschiedlichen Gründen umstritten.8 Manfred Link unterscheidet in 1.) Reiseführer und Reisehandbücher, die der Vorbereitung von Reisen dienen, 2.) Wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Reiseschriften mit Informationen über Kultur, Geographie, Geologie, Zoologie und Botanik, 3.) Reisetagebücher, Reiseberichte, Reisebeschreibungen, Reiseschilderungen, Reiseerzählungen und 4.) Reisenovellen und Reiseromane.9 Doch die Gliederung erweist sich in der Praxis und bei Durchsicht der großen Zahl an Reiseliteratur – vor allem gegen Ende des 18. Jahrhunderts 5 Vgl. Struck, West, S. 23 in enger Anlehnung an Dominick LaCapra, Geistesgeschichte und Interpretation, in: ders./Steven L. Kaplan (Hgg.), Geschichte denken. Neubestimmung und Perspektiven moderner europäischer Geistesgeschichte, Frankfurt am Main 1988, S. 45–87. 6 Vgl. zuletzt Andreas Rutz, Ego-Dokument oder Ich-Konstruktion?
 Selbstzeugnisse als Quellen zur Erforschung des frühneuzeitlichen Menschen, in: ders./Stefan Eilt/Stephan Kraft (Hgg.), Das ‚Ich‘ in der Frühen Neuzeit.
 Autobiographien – Selbstzeugnisse – Ego-Dokumente in geschichtsund literaturwissenschaftlicher Perspektive (= zeitenblicke. Online-Journal für die Geschichtswissenschaften 1 (2002), Nr. 2 [20.12.2002]). 7 Vgl. Michael Harbsmeier, Reisebeschreibungen als mentalitätsgeschichtliche Quellen. Überlegungen zu einer historisch-anthropologischen Untersuchung frühneuzeitlicher deutscher Reisebeschreibungen, in: Maczak/Teuteberg, Reiseberichte, S. 1–31. Hieran anknüpfend Peter J. Brenner, Die Erfahrung der Fremde. Zur Entwicklung einer Wahrnehmungsform in der Geschichte des Reiseberichts, in: ders., Reisebericht (1989), S. 14–49. 8 Besonders stichhaltig scheint die Kritik von Wolfgang Neuber, Zur Gattungspoetik des Reiseberichts. Skizzen einer historischen Grundlegung im Horizont von Rhetorik und Topik, in: Brenner, Reisebericht (1989), S. 50–67, hier S. 51. Neuber zielt vor allem auf das Verhältnis von Realität und Fiktion in den Texten ab, durch welches der Reisebericht genuin eher ein literaturwissenschaftlich zu betrachtender Gegenstand sei. 9 Vgl. Manfred Link, Der Reisebericht als literarische Kunstform von Goethe bis Heine, Köln 1963.



Entwicklungen von Gattung und Funktion der Reiseliteratur (ca. 1500–1800) 

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– als wenig geeignet, der Heterogenität der verschiedenen Typen von Reiseliteratur tatsächlich gerecht zu werden, denn die Übergänge sind durchaus fließend zu nennen. Uli Kutter ergänzte in diesem Sinne eine fünfte Kategorie, um auch didaktisches Schrifttum, in dem die Reise selbst nur noch den Rahmen für erzieherische Inhalte bildete, einordnen zu können.10 Cornelius Neutsch hingegen reduzierte in Anbetracht der Vielfalt von Mischformen auf zwei Unterscheidungskategorien: zum einen Apodemiken, Reisehandbücher und Reiseführer, die als Vorbereitung einer eigenen Reise des Lesers dienen sollten und aufgrund ihres pragmatischen Charakters vor allem als Quelle für sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Zusammenhänge benutzt werden können, und zweitens Reisebeschreibungen, also gedruckte Berichte über eine unternommene Reise, welche epochenabhängig vor ihrem sozial- und kulturgeschichtlichen Hintergrund differenziert betrachtet werden müssen.11 Der im nächsten Abschnitt erfolgende Blick auf die literaturgeschichtliche und funktionale Entwicklung der Gattung Reiseliteratur hilft zu verdeutlichen, worin die Problematik einer absoluten Kategorisierung ihrer formalen Vielfalt liegt und welchen funktionellen Wandel sie im Laufe der Frühen Neuzeit durchlebte.

2.2 Entwicklungen von Gattung und Funktion der Reiseliteratur (ca. 1500–1800) 2.2.1 Humanistische Kritik am Pilgerbericht Die erzählende Darstellung einer realen Reise besitzt in der abendländischen Literatur eine lange Tradition.12 Für das europäische Mittelalter können als zwei große Gruppen zum einen utilitäre Reiseberichte festgestellt werden, die der lite-

10 Vgl. Uli Kutter, Zur Kulturgeschichte des Reisens, in: Niedersachsen in der Reiseliteratur vergangener Jahrhunderte, Göttingen 1980, S. 11–20. 11 Vgl. Cornelius Neutsch, Reisen um 1800. Reiseliteratur über Rheinland und Westfalen als Quelle einer sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Reiseforschung, St. Katharinen 1990, S. 9–14. 12 Vgl. als – letztlich populärwissenschaftlicher und auf Badereisen fokussierter – Überblick Gabriele M. Knoll, Kulturgeschichte des Reisens. Von der Pilgerfahrt zum Badeurlaub, Darmstadt 2006; maßgeblich: Peter J. Brenner, Der Reisebericht in der deutschen Literatur. Ein Forschungsüberblick als Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte, Tübingen 1990; Gerhard Huck, Der Reisebericht als historische Quelle, in: ders./Jürgen Reulecke (Hgg.), ... und reges Leben ist überall sichtbar! Reisen im Bergischen Land um 1800, Neustadt an der Aich 1978, S. 27–44; Urs Bitterli, Der Reisebericht als Kulturdokument, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 24 (1973), S. 555–564; Karl E. Fick, Geographische Reisebeschreibungen im Unterricht der Erdkunde und Gemeinschaftskunde, Stuttgart 1968.

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rarischen Gattung der navigatio (Seefahrt, Erdkunde, Handel) angehörten,13 zum anderen aber vor allem der große Bereich der Pilgerberichte, deren Hauptzweck jedoch nicht in der Gewinnung neuer empirischer Erkenntnisse für die Lesenden lag, sondern vornehmlich darin, durch die Schilderung der eigenen Erlebnisse die Evidenz der Heilsgeschichte zu bezeugen. Auch aufgrund ihres erbaulichen Charakters bildeten sie damit einen Zweig der theologischen Literatur.14 Die humanistische Kritik an der Pilgerfahrt – allen voran durch Erasmus von Rotterdam, der sie als nutzlos, teuer und Sitten verderbend ablehnte15 – führte auch zu einer Neukonzeption des Reiseberichts, indem dieser nun gezielt zur Erhebung von Erfahrungswissen eingesetzt werden und somit einen wissenschaftlichen Charakter erhalten sollte.16 Das Interesse an Reiseliteratur wurde durch die europäischen Entdeckungsfahrten nach Übersee im Laufe des 16. Jahrhunderts immens gesteigert und ließ bei den nunmehr mit dem Buchdruckverfahren arbeitenden Verlegern auch ökonomische Beweggründe für deren verstärkte Publikation entstehen.17 Das Zeitalter der Entdeckungen und des Buchdrucks stellte die europäischen Gelehrtenwelt so auch vor die neue Aufgabe, das beunruhigend schnell zunehmende Erfahrungswissen über die neu in ihr Weltbild zu integrierenden Erdteile und die dort lebenden Kulturen so aufzubereiten, dass es geistig bewältigbar blieb. Hilfreich war hier die von den Humanisten angestoßene Entwicklung einer verstärkten Methodisierung, die ihre Spuren auch in der Reisepraxis und der ihr gewidmeten Literatur hinterließ. Zwei voneinander abgrenzbare Gattungen in der Reiseliteratur prägten sich unter dieser Prämisse heraus: zum einen Reiseratgeber und zum anderen Kom13 Vgl. Neuber, Gattungspoetik, S. 56; ausführlicher Justin Stagl, Eine Geschichte der Neugier. Die Kunst des Reisens 1550–1800, Wien/Köln/Weimar 2002, S. 71–76; Norbert Ohler, Reisen im Mittelalter, München 1986. 14 Vgl. Neuber, Gattungspoetik, S. 56. Die exemplarische Untersuchung eines solchen spätmittelalterlichen Pilgerberichts bietet Klaus Herbers, Die ‚ganze‛ Hispania: der Nürnberger Hieronymus Münzer unterwegs – seine Ziele und Wahrnehmung auf der Iberischen Halbinsel (1494– 1495), in: Rainer Babel/Werner Paravacini (Hgg.), Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern 2005, S. 293–308. Einen umfassenden bibliographischen Überblick für das späte Mittelalter bietet Werner Paravacini (Hrsg.), Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters. Eine analytische Bibliographie, 3 Bde., Frankfurt am Main 1994 (22001) – 2000. 15 Vgl. Stagl, Neugier, S. 71. 16 Vgl. Arno Seifert, Cognitio historica. Die Geschichte als Namengeberin der frühneuzeitlichen Empirie, Berlin 1976. 17 Vgl. Justin Stagl, Die Methodisierung des Reisens im 16. Jahrhundert, in: Brenner, Reisebericht (1989), S. 140–177, hier S. 146. Zum geringen Anteil der Verleger im deutschsprachigen Raum vgl. Eberhard Berg, „Wie ich in der tyrannischen Völcker Gewalt kommen bin“. Hans Stadens Reisen in die Neue Welt, in: Brenner, Reisebericht (1989), S. 178–196, hier S. 178.



Entwicklungen von Gattung und Funktion der Reiseliteratur (ca. 1500–1800) 

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pendien empirischen Wissens über die Außenwelt.18 Die Gruppe der Ratgeber unterteilt Justin Stagl in a) technische Ratschläge für die Seefahrt, b) Pilgerführer, zu denen erstmals auch Traktate gegenreformatorischer Humanisten gehörten, die ihrerseits das Pilgerwesen rechtfertigten, c) Reiseregimina mit hygienischen und diätetischen Ratschlägen für die Reisenden und d) Reflexionen über Spezialreisen, bzw. e) über das Reisen allgemein.19 Die Kompendien, die empirisches Wissen über die Außenwelt enthielten, können laut Stagl in drei Gruppen untergliedert werden: a) großangelegte Kollektionen von Reiseberichten, wie sie insbesondere in der Mitte des 16. Jahrhunderts von Spanien, Portugal und Italien aus auf den Buchmarkt vordrangen, b) Kosmographien, die systematisch geographisches und ethnologisches Wissen ordneten wie z. B. die Cosmographia Universalis des Sebastian Münster sowie c) Staatenbeschreibungen, in denen das politische System verschiedener Staatswesen auf der empirischen Basis von Reiseberichten dargestellt wurde.20 Als Muster für das systematische Darstellen von Reisen wurden von den Humanisten antike Reiseschriftsteller, Geographen und Ethnologen bemüht, deren Berichte ediert und veröffentlicht wurden.21

2.2.2 Die ars apodemica Um dieses antike Wissen über die Welt in geordneter Weise durch die neuen Erfahrungen Reisender ergänzen zu können, entstand eine neuartige Form der Reiseliteratur, die sogenannte Apodemik. Hatte bereits der spanische Humanist Juan Luis Vives vorgeschlagen, literarische Sammlungen des neuen Faktenwissens kontinuierlich zu erweitern, um damit die Gelehrten über den aktuellen Wissensstand bezüglich der Welt zu informieren,22 entwickelten schließlich die Späthumanisten Theodor Zwinger, Hieronymus Turler und Petrus Ramus in Basel das Konzept einer Methodologie des Reisens, einer ars apodemica, die diese Aufgabe meistern sollte.23 1577 erschien in Basel Theodor Zwingers Methodus apodemica in eorum gratiam, qui cum fructu in quocunque tandem vitae genere peregrinari cupiunt. Angelehnt an das Anordnungsprinzip des Aristoteles wurde 18 Vgl. Stagl, Methodisierung; ders., Neugier, S. 78. 19 Vgl. Stagl, Neugier, S. 79–81. 20 Vgl. ebd., S. 82f. 21 Vgl. ebd., S. 76. 22 Vgl. August Buck, Juan Louis Vives’ Konzeption des humanistischen Gelehrten, in: ders. (Hrsg.), Juan Luis Vives, Hamburg 1991, S. 11–22, hier S. 11f. 23 Vgl. Stagl, Neugier, S. 84. Einen Gesamtüberblick zur Apodemik liefert ders., Apodemiken. Eine räsonnierte Bibliographie der reisetheoretischen Literatur des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, Wien 1983.

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in vier Büchern die Theorie des Reisens und ihrer systematischen Beschreibung entfaltet.24 Das erste Buch gibt einen meist in Tabellen gestalteten Überblick über die verschiedenen Arten und Formen des Reisens, das nächste enthält lebenspraktische und moralische Ratschläge für Reisende, das dritte Buch bietet exemplarische Beschreibungen der Städte Basel, Paris, Padua und Athen, die dem Leser als Modell für eigene Erfahrungsberichte dienen sollten. Im vierten Buch schließlich bietet Zwinger Vorlagen für die Beschreibungsmuster der verschiedensten Phänomene, die einem Reisenden begegnen können, untergliedert in die Kategorien locus, locatum und actio.25 Grundlage für das Werk Zwingers war die Universalmethode des sogenannten Ramismus, die auf den eben genannten, lange Zeit an der Pariser Universität lehrenden Humanisten Petrus Ramus zurückging. Methodisch abgeleiteter und besonders an praktischer Nützlichkeit orientierter Erkenntnisgewinn wurde im Ramismus anhand der Abarbeitung von standardisierten Fragekatalogen erreicht. Nach einer so erfolgten möglichst umfassenden Definition des Untersuchungsgegenstandes wurde dieser erneut vom Allgemeinen herab zum Besonderen in Unterbegriffe zergliedert und diese erneut definiert.26 Die Ergebnisse dieses Ordnungssystems wurden dann in synoptischen Tabellen dokumentiert und sollten derart einen einzigen großen arbor scientiae ausbilden. Die methodische Einheitlichkeit und universale Anwendbarkeit dieses Systems hatte unter den Späthumanisten einen ungeheuren Erfolg.27 Der Tod seines Namensgebers in der Bartholomäusnacht 1572 beförderte die Etablierung des Ramismus als die wissenschaftliche Methode im gesamten reformierten und protestantischen Gebiet Europas schlechthin.28 Auch wenn sein epistemologischer Wert nach 1630 allgemein als weniger wichtig eingeschätzt wurde, bildete der Ramismus mit seinem enzyklopädischen Anspruch einen Vorläufer lexikalischer Projekte der Aufklärungszeit und für die Apodemik ihr methodisches Grundgerüst.29 Neben ärztlichen und diätetischen Ratschlägen waren es besonders frömmigkeitspraktische Anweisungen für Reisende, die in apodemischen Werken erörtert wurden. Sie gingen zurück auf die Tradition der mittelalterlichen Pilgerdirektorien, in deren Fußstapfen Männer wie Turler und Zwinger

24 Vgl. ders., Methodisierung, S. 141. 25 Vgl. ders. Neugier, S. 86. 26 Vgl. ebd., S. 93. 27 Vgl. ders., Methodisierung, S. 151. 28 Vgl. ders., Neugier, S. 93. 29 Vgl. Holger Kürbis, Hispania descripta. Von der Reise zum Bericht. Deutschsprachige Reiseberichte des 16. und 17. Jahrhunderts über Spanien. Ein Beitrag zur Struktur und Funktion der frühneuzeitlichen Reiseliteratur, Frankfurt am Main 2004, S. 347.



Entwicklungen von Gattung und Funktion der Reiseliteratur (ca. 1500–1800) 

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die humanistischen Bildungsreisenden unterwegs sahen.30 Die Überschreitung von Konfessionsgrenzen durch die meist protestantischen Bildungsreisenden, welche sich der Apodemik bedienten, führte zum sogenannten problema machiavellisticum: Inwieweit darf man sich auf Reisen den vorherrschenden fremden religiösen Riten anpassen, ohne den eigenen Glauben zu verraten? Die Position der Apodemik blieb in humanistischer Tradition meist irenisch. Im Übergang von der Humanistenreise zur sogenannten Kavalierstour wurde das Thema jedoch Untersuchungsgegenstand zahlreicher Dissertationen evangelischer Theologen, was die hohe Alltagsrelevanz der Problematik vor Augen führt.31 Ein weiteres bleibendes Merkmal der weit verbreiteten Literaturform der Apodemik – in ihrer Mischung aus pragmatischem Reiseführer und lexikalischer Wissensvermittlung – war der Bezug zu einer gelehrten Öffentlichkeit, der in systematischer Weise Informationen erschlossen werden sollten, die ihr sonst nicht zugänglich waren. Reisen und die Beschreibung derselben waren zu einer Wissenschaft geworden – der ars apodemica.

2.2.3 Die Kavaliersreise – auf „Grand Tour“ Die Tradition der Apodemik wurde bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in ganz Europa gepflegt, und unter den Namen „Reisekunst“, „art of travel“ oder „art de voyager“ erschienen insgesamt weit über 200 verschiedene Titel.32 Die nach ihrer vorgegebenen Methodik angefertigten Reisebeschreibungen erweiterten den geistigen Horizont der europäischen Gelehrtenwelt, was aber schließlich zu einer gewissen Sättigung an Reiseliteratur zum Ende des 17. Jahrhunderts hin führte. Besondere Anwendung fanden ihre konkreten Reiseanleitungen in der Erziehung junger Adeliger oder Patriziersöhne. Denn die „Grand Tour“, die Erziehungsreise oder auch Kavaliersreise genannt,33 die zu Ausbildungszwecken meist in Begleitung ihrer Hofmeister unternommen wurde, löste die Humanistenreise im Verlauf des 17. Jahrhunderts in quantitativer Hinsicht ab, was sich schließlich auch auf 30 Vgl. Stagl, Neugier, S. 98. An anderer Stelle beschreibt Justin Stagl die humanistische Bildungsreise gar als ein protestantisches Äquivalent zur katholischen Pilgerreise; vgl. ders., Der wohl unterwiesene Passagier. Reisekunst und Gesellschaftsbeschreibung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Boris Krasnobaev/Gert Robel/Herbert Zeman (Hgg.), Reisen und Reisebeschreibungen im 18. und 19. Jahrhundert als Quellen der Kulturbeziehungsforschung, Berlin 1980, S. 353–384, hier S. 360. 31 Vgl. ebd., S. 99. 32 Vgl. den bibliographischen Überblick Stagl, Apodemiken. 33 Vgl. Antje Stannek, Telemachs Brüder: Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2001. Vgl. auch den aktuelleren Forschungsüberblick von Paravacini, Grand Tour.

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die Qualität der Reisebeschreibungen auswirken sollte.34 Angeregt durch die auf praktische Nutzanwendung ausgerichtete Philosophie Francis Bacons waren es vor allem junge Engländer, die das europäische Festland bereisten, um dort persönlich die Stätten des klassischen Altertums aufzusuchen, die verschiedenen Staats- und Rechtssysteme, Kulturen, Sprachen, religiösen Bekenntnisse, aber auch Naturphänomene durch eigene Anschauung zu studieren und die hieraus gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse für sich selbst und die später auf sie wartenden Aufgaben nutzbar zu machen.35 Manche Universitäten, wie etwa Orléans, Angers, Bourges, Padua oder Siena, boten für die reisenden Adligen eigene Doktorbullen an, die das erzieherische Programm der Grand Tour dokumentieren sollten.36 Die aus diesen Reisen resultierenden Veröffentlichungen hatten schließlich nicht nur eine repräsentative Funktion, sondern erfüllten auch den „patriotischen“ Zweck, die zu Hause gebliebenen Standesgenossen über die beobachteten Phänomene zu informieren. Letztlich dienten sie aber auch der kulturellen und sozialen Selbstvergewisserung.37 Unterhaltung, Repräsentation und „statusaffirmative Selbstdarstellung in einer standesexklusiven Kommunikationssituation“38 bildeten das Funktionsmuster der Reisebeschreibungen, die diesem Umfeld entstammten. Der sehr heterogene Charakter dieser Reiseliteratur und die unterschiedlichen Interessensschwerpunkte ihrer Autoren bedeuten im Vergleich mit der klassischen Apodemik des Späthumanismus einen klaren qualitativen Rückschritt. Das Interesse an Mode, dem höfischem Zeremoniell in den großen Residenzstädten Europas und andere Aspekte der „Galanterie“ standen oft im Vordergrund der Betrachtungen. Diese meist sehr oberflächliche und stark selbstbezogene Beobachtungsart bildete dann auch die ersten stereo-

34 Vgl. Thomas Freller, Adlige auf Tour. Die Erfindung der Bildungsreise, Ostfildern 2007, S. 7–17. Systematisch über die Rahmenbedingungen solcher Reisen vgl. Attilio Brilli, Als Reisen eine Kunst war. Vom Beginn des modernen Tourismus: Die ‚Grand Tour‛, Berlin 42012, der in der Grand Tour einen Vorläufer des modernen Tourismus sieht. 35 Vgl. Brilli, Reisen, S. 18. 36 Vgl. Hilde de Ridder-Symoens, Die Kavalierstour im 16. und 17. Jahrhundert, in: Brenner, Reisebericht (1989), S. 197–223, hier S. 201f. 37 Vgl. Frauke Geyken, „A Legal Government, and a Religion free of Superstition“. Die Wahrnehmung deutscher katholischer Territorien durch britische Reisende im 18. Jahrhundert, in: Arnd Bauernkämper/Hans-Erich Bödeker/Bernhard Struck (Hgg.), Die Welt erfahren. Reisen als kulturelle Begegnung von 1780 bis heute, Frankfurt am Main 2004, S. 321–336, hier S. 322; Ingrid Kuczynski, Gesellschaftlicher Auftrag und Eigenständigkeit des Individuums: Englische Reisende am Ende des 17. Jahrhunderts, in: Wolfgang Griep (Hrsg.), Sehen und Beschreiben. Europäische Reisen im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Heide 1991, S. 44–59. 38 Vgl. Thomas Grosser, Reisen und soziale Eliten. Kavalierstour – Patrizierreise – bürgerliche Bildungsreise, in: Maurer, Impulse, S. 135–176, hier S. 144.



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typen Verfestigungen nationaler und konfessioneller Unterschiede aus.39 Der Strukturwandel vom höfischen zum aufgeklärt-bürokratischen Absolutismus, die immer größer werdende Kritik am finanziellen Aufwand dieser Reiseform und äußere Gründe, wie etwa die kriegsbedingten politischen Instabilitäten zur Zeit des Österreichischen Erbfolgekriegs, führten zu einem deutlichen Rückgang der Reisepraxis der Grand Tour zu Beginn des 18. Jahrhunderts.40

2.2.4 Die Verbürgerlichung der Grand Tour – der Reisebericht als Medium der Aufklärung Der hohe finanzielle Aufwand und die staatlichen Einschränkungen hinsichtlich der Reisefreiheit hatten die Mobilität des Bürgertums der Frühen Neuzeit lange stark begrenzt.41 Die bürgerliche Kritik an der adeligen Kavalierstour hatte zusätzlich das Reisen selbst und seinen Nutzen in Misskredit gebracht, welcher erst wieder argumentativ aufgearbeitet werden musste.42 Die infrastrukturellen Verbesserungen, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem Ausbau des Straßennetzes und des Herbergswesens, gesteigerter Bequemlichkeit und Sicherheit der Verkehrsmittel selbst führten, machten es dem Bürgertum allerdings nun leicht, alte Vorbehalte aufzugeben und die Entwicklung der reisetechnischen Voraussetzungen für sich selbst zu nutzen.43 Die bürgerliche Reise des 18. Jahrhunderts stand als Bildungsreise zunächst unter dem Vorbehalt des Nützlichkeitsstandpunkts, der stets zu wahren blieb: Auf ökonomische, wissenschaftliche und industrielle Zusammenhänge richtete sich das Hauptaugenmerk der bürgerlichen Reiseschriftstellerei, die mit statistischer Akribie festgehalten und für die Leserschaft dokumentiert wurden.44 Zugleich diente der Reisebericht selbst zur Darlegung von bürgerlichen Wertvorstellungen, die sich an Begriffen wie Wissen, 39 Vgl. Ridder-Symoens, Kavalierstour, S. 219. 40 Vgl. Grosser, Reisen, S. 144f. 41 Vgl. Gert Robel, Reisen und Kulturbeziehungen im Zeitalter der Aufklärung, in: Krasnobaev, Reisen, S. 9–37, hier S. 12f; Wolfgang Martens, Zur Einschätzung des Reisens von Bürgersöhnen in der frühen Aufklärung (am Beispiel des Hamburger „Patrioten“ 1724–26), in: Griep/Jäger, Reisen, S. 34–49. 42 Vgl. Rainer S. Elkar, Reisen bildet, in: Krasnobaev, Reisen, S. 51–82, hier S. 58. Zuletzt: Winfried Siebers, Von der repräsentativen zur aufgeklärten Kavalierstour? Reflexion und Kritik adlig-fürstlichen Reisens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Joachim Rees/Winfried Siebers/Hilmar Tilgner (Hgg.), Europareisen politisch-sozialer Eliten im 18. Jahrhundert. Theoretische Neuorientierung – kommunikative Praxis – Kultur- und Wissenstransfer, Berlin 2002, S. 25–39. 43 Vgl. Robel, Reisen, S. 19f. 44 Vgl. Elkar, Reisen, S. 59. Zur Entwicklung der modernen Statistik und ihrer Methode der Datenerhebung im Zusammenhang mit der frühneuzeitlichen Reiseliteratur vgl. Stagl, Neugier, S. 175–187.

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Tugend und Vernunft orientierten.45 Das Reisen besaß zudem eine bürgerlichemanzipatorische Funktion. Durch ihre neu genutzte Mobilität erfuhren die Reisenden nämlich nunmehr, „daß sich eine der wichtigsten Herrschaftstechniken des Feudalabsolutismus, die räumliche Distanzierung als symbolischer Ausdruck eines Gewaltverhältnisses, durch das Reisen neutralisieren“46 lassen konnte. Nützlich sollte die Reise aber nicht nur für den Reisenden selbst sein. In aufgeklärter Manier wurde im 31. Band von Zedlers ‚Großem vollständigen UniversalLexikon‛ aus dem Jahr 1742 ein Katalog von insgesamt 91 zu beachtenden und beobachtenden Gegenständen aufgelistet, die der Reisende notieren und der bürgerlichen Öffentlichkeit zur Kenntnis bringen sollte.47 Dieser Rückgriff auf die Vorstellung einer homogenen Gelehrtenwelt, gegenüber welcher der Reisende in der Informationspflicht stehe, schloss an die Methode und Funktion der humanistischen Apodemiken an.48 Die Nüchternheit in der Darstellung, welche der klassischen Gelehrtenreise und den ihr zu verdankenden Berichten zu eigen war, wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts durch die aufgeklärte Neigung, dem Leser subjektive, „authentische“ und eindeutige Wertungen zu geben, teilweise aufgegeben.49 Am stärksten kam dies in der Mode des „empfindsamen Reisenden“ zum Vorschein, deren wirkungsreichstes Beispiel die 1768 veröffentlichte Sentimental Journey des anglikanischen Geistlichen Laurence Sterne war.50 Subjektivität und Egozentrik des Erzählers erhielten im Rahmen der Reiseliteratur eine plötzliche Aufwertung, die einen völligen Bruch zu den an Objektivität orientierten Ansprüchen der klassischen Apodemik bedeuteten. Zeitgleich erfreuten sich in diesem Stil verfasste Reiseberichte jedoch einer großen Beliebtheit bei der immer zahlreicher werdenden Leserschaft.51 Die Grenzen zwischen subjektiven und fiktio45 Vgl. Klaus Beyrer, Die Postkutschenreise, Tübingen 1985, S. 106f. 46 Siehe: Klaus Laermann, Raumerfahrung und Erfahrungsraum. Einige Überlegungen zu Reiseberichten aus Deutschland vom Ende des 18. Jahrhunderts, in: Hans Joachim Piechotta (Hrsg.), Reise und Utopie. Zur Literatur der Spätaufklärung, Frankfurt am Main 1976, S. 57–97, hier S. 90. 47 Vgl. Griep, Reiseliteratur, S. 744. 48 Vgl. zur Entwicklung der klassischen Apodemik hin zu den Reisehandbüchern aufklärerischer Prägung Uli Kutter, Apodemiken und Reisehandbücher. Bemerkungen und ein bibliographischer Versuch zu einer vernachlässigten Gattung, in: Das achtzehnte Jahrhundert 4 (1980), S. 116–131. 49 Vgl. Karol Sauerland, Der Übergang der gelehrten zur äufklärerischen Reise im Deutschland des 18. Jahrhunderts, in: Joseph P. Strelka/Jörg Jungmayr (Hgg.), Virtus et Fortuna. Zur deutschen Literatur zwischen 1400 und 1720, Bern u. a. 1983, S. 557–570. Kritisch zu den Einschätzungen Sauerlands Brenner, Reisebericht (1990), S. 154. 50 Vgl. Brilli, Reisen, S. 50. 51 Vgl. Gerhard Sauder, Sternes Sentimental Journey und die „empfindsamen Reisen“ in Deutschland, in: Wolfgang Griep/Hans-Wolf Jäger (Hgg.), Reise und soziale Realität am Ende des 18. Jahrhunderts, Heidelberg 1983, S. 302–319, hier S. 310.



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nalen Elementen konnten in dieser Form der Reiseliteratur leicht verschwimmen und waren für den Leser nicht mehr unterscheidbar.52 Manfred Link identifiziert dementsprechend als eine Haupttendenz in der Entwicklung des Genres die stufenweise Abnahme des faktologischen Elements zu Gunsten einer subjektiven, oft auch sozialkritischen Gestaltung der Reiseberichte.53 Ein bleibendes gemeinsames Element der in aufgeklärter Absicht verfassten Reiseliteratur blieb jedoch ihre auf die Herstellung eines kommunikativen Bezugs zum Leser zielende Wirkung.54 Die Beeinflussung bzw. künstliche Herstellung einer „öffentlichen Meinung“ durch Publikationen bedeutete einen zunehmenden politischen Machtfaktor, der Privatleute dazu befähigte und sogar ermunterte, das Handeln der gesellschaftlichen Autoritäten selbst zu beurteilen.55 Die „Öffentlichkeit“, die sich in den bürgerlichen Salons, den Zeitschriften und Lesegesellschaften konstituierte, bildete seit der Mitte des 18. Jahrhunderts eine neue gesellschaftliche Institution.56 Der gezielten Konstruktion einer solchen Aufklärungsöffentlichkeit dienten auch die so häufig von den Akademien aufgegebenen Preisfragen, die das Publikum zu kritischer und aktiver Teilnahme an den aktuellen Diskussionen der Gelehrtenwelt animierten und diese dadurch gleichsam

52 Zum Verhältnis von Empirie und Fiktion der „empfindsamen“ Reiseliteratur vgl. Manfred Windfuhr, Empirie und Fiktion in Moritz August von Thümmels Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich, in: Poetica 3 (1970), S. 114–126. Stichprobenartig Uwe Hentschel, Die „Hydra der Empirie“. Zur Erkenntnisproblematik in der deutschen Reisebeschreibung im Revolutionsjahrzehnt 1789–1799 am Beispiel der Reisen durch die Rheingegenden, in: Französische Revolution und deutsche Literatur (= Wissenschaftliche Beiträge der Friedrich-Schiller-Universität Jena 1989), S. 160–169. 53 Vgl. Link, Reisebericht; Neutsch, Reisen, S. 14. Intensiver mit dem Verhältnis subjektiver, fiktionaler und klassisch-gelehrter Reisebeschreibung und ihrer Entwicklung im 18. Jahrhundert hat sich Uwe Hentschel beschäftigt, vgl. ders., Reiseliteratur (1991). Ausführlicher: ders., Studien zur Reiseliteratur am Ausgang des 18. Jahrhunderts. Autoren, Formen, Ziele, Frankfurt am Main u. a. 1999. Ein weniger systematisch angelegter Überblick bei: Helga S. Watt, Deutsche Reisebeschreibungen von Kaempfer bis Stolberg. Vielfalt und Tradition des Genres im 18. Jahrhundert, Massachusetts 1978. 54 Vgl. Harro Segeberg, Die literarisierte Reise im späten 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Gattungstypologie, in: Griep, Reise (1983), S. 14–31, hier S. 29. 55 Vgl. Stagl, Neugier, S. 126. 56 Vgl. Tim C. W. Blanning, Das alte Europa 1660–1789. Kultur der Macht und Macht der Kultur, Darmstadt 2006, S. 105–174; Siegfried Jüttner (Hrsg.), Die Konstituierung eines Kultur- und Kommunikationsraumes Europa im Wandel der Medienlandschaft des 18. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2008; Barbara Stollberg-Rilinger, Die Aufklärung. Europa im 18. Jahrhundert, Stuttgart 2 2011, S. 131–146; Griep, Reiseliteratur, S. 748–755. Detailliert zu den zahlreichen Medien der Öffentlichkeitsherstellung: Hans-Wolf Jäger (Hgg.), Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert, Göttingen 1997 (= Das achtzehnte Jahrhundert, Supplementa, Bd. 4).

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demokratisierten.57 Dass die Reiseliteratur hier eine besonders wichtige Rolle spielte, zeigt ein Blick auf die Ausleihkataloge der Lesegesellschaften und die Messekataloge der großen deutschen Buchmessen. Im Zeitraum zwischen 1770 und 1800 verfünffachte sich die Zahl der veröffentlichten Reisewerke, während sich die restliche Buchproduktion lediglich verdoppelte.58 Dass es bei einem so großen Umfang an Neupublikationen im Genre der Reisebeschreibungen zu auffallenden Unterschieden hinsichtlich ihrer literarischen Qualität kam, wurde in den aufgeklärten Journalen der Zeit ausführlich kommentiert und kritisiert.59 Die verbürgerlichte ars apodemica fand ihren Platz auch im sich neu entfaltenden Lehrkanon der deutschen Universitäten. Reisekunst wurde in der neugegründeten Georg-August-Universität Göttingen seit 1749 im Zusammenhang der Staatenkunde gelehrt.60 Bei der Auswahl des Lehrpersonals wurde dezidiert darauf geachtet, keine Schreibtischgelehrten zu verpflichten, sondern Professoren, die selbst größere Reisen absolviert hatten, also über persönlich gewonnene Erfahrungen verfügten, die sie ihren Studenten vermitteln konnten.61 Reiseliteratur aus aller Welt wurde für die neue Bibliothek gezielt gesammelt, galt sie doch als maßgebliche Daten- und Faktenbasis der neuen Wissenschaften wie der Statistik, der Kameralistik und der Universalhistorie,62 in deren Spektrum sich dann auch die Ethnologie – damals unter dem Namen Ethnographie oder Völkerkunde

57 Vgl. Dorothea von Mücke, Öffentlichkeiten der Aufklärung und intellektuelle Kritik, in: Rainer Bayreuther/Meinrad von Engelberg/Sina Rauschenbach/Isabella von Treskow (Hgg.), Kritik in der Frühen Neuzeit. Intellektuelle avant la lettre, Wiesbaden 2011, S. 275–303. 58 Vgl. Griep, Reiseliteratur, S. 739. Ausführlicher: Uwe Hentschel, Die Eroberung des literarischen Marktes durch die Reiseliteratur, in: Horst Hartmann (Hrsg.), Populäre Literatur – Regionale Distribution – Innerliterarische Wirkung um 1800, Neubrandenburg 1992, S. 146–162. Allgemein zum Leseaufkommen und den verschiedenen Gattungen von Literatur vgl. Helmuth Kiesel/ Paul Münch, Gesellschaft und Literatur im 18. Jahrhundert. Voraussetzungen und Entstehung des literarischen Markts in Deutschland, München 1977. 59 Vgl. etwa Neutsch, Reisen, S. 20, der hier aus Leserbriefen an den Teutschen Merkur bzw. die Berlinische Monatsschrift zitiert. In der zweit genannten beschwerte sich 1784 ein Leser förmlich über die Vielzahl der veröffentlichten Reisebeschreibungen: „Fast niemand macht ja itzt in Deutschland eine Lustpartie mehr, einen Spazierritt, eine Fußpromenade für sich; Nord und Süd muß es erfahren, muß lesen, was dem theuren Mann begegnet, und (noch schlimmer!) was ihm dabei eingefallen ist.“ (Siehe: Berlinische Monatsschrift 4 (1784), S. 319–332). 60 Vgl. Stagl, Neugier, S. 114; eine Zusammenstellung von Lehrinhalten und den prägenden Lehrpersonen des als Wissenschaft betrachteten Faches Reisekunst an der Universität Göttingen bei: Uli Kutter, Reisen – Reisehandbücher – Wissenschaft. Materialien zur Reisekultur im 18. Jahrhundert, Göttingen 1996. 61 Vgl. ebd., S. 237. 62 Vgl. ebd., S. 238.



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– als universitäres Fach etablieren konnte.63 Den Begriff Volk führte der 1735 in einem hohenlohischen Pfarrhaus geborene und ab 1769 in Göttingen als Universitätsprofessor für Geschichte tätige August Ludwig Schlözer als zentrales neues Ordnungsprinzip für die von der Wissenschaft erhobenen Daten ein.64 Hierdurch ergab sich für den ebenso die Reisekunst lehrenden Göttinger Gelehrten die Notwendigkeit, neue Beobachtungskategorien anthropologischer Art für Reisende zu entwickeln. In die gleiche Richtung zielten die Auffassungen seines Göttinger Kollegen Christoph Meiners, der auf der Basis von Schlözers Vorarbeit den Begriff der Rasse zum Thema seiner Forschungen und Betrachtungsgegenstand eigener Reisen werden ließ. Auch religionsgeschichtliche Phänomene beschrieb und bewertete Meiners mittels der Ordnungskategorie Rasse.65

63 Vgl. Stagl, Neugier, S. 255. Aktueller: Han F. Vermeulen, Göttingen und die Völkerkunde. Ethnologie und Ethnographie in der deutschen Aufklärung, 1710–1815, in: Hans-Erich Bödeker/Philippe Büttgen/Michel Espagne (Hgg.), Die Wissenschaft vom Menschen in Göttingen um 1800. Wissenschaftliche Praktiken, institutionelle Geographie, europäische Netzwerke, Göttingen 2008, S. 199–230. 64 Vgl. Stagl, Neugier, S. 261; Ulrich Johannes Schneider, Zur Systematisierung des Wissens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Bödeker/Büttgen/Espagne, Wissenschaft, S. 69–82. Zum prägenden Einfluß der schottischen Aufklärung – namentlich David Humes – auf die wissenschaftliche Methodik der Universität Göttingen im 18. Jahrhundert vgl. Norbert Waszek, Die schottische Aufklärung in der Göttinger Wissenschaft vom Menschen, in: ebd., S. 125–149. 65 Vgl. Urs Bitterli, Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“. Die europäisch-überseeische Begegnung, München 1982, S. 356–60. Meiners gilt mit seiner Hinwendung zum Begriff der Rasse und seinen hiermit verbundenen Wertungen als ein Vorläufer des Rassismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Besonders interessant in unserem Zusammenhang ist seine Bewertung des süddeutschen Katholizismus, den er als rassisch minderwertig beurteilte; vgl. Jörg Schmidt, Wurzeln des Wahns, in: Die Zeit (29. April 1999), zeitläufte: „Selbst regionale Unterschiede der Deutschen glaubte Meiners durch seine Rassentheorie erklären zu können. In ganz Deutschland sei eine große Anzahl undeutscher Völker aufgenommen worden; es finde sich ‚keine einzige Provinz, die nicht durch fremdes Blut befleckt worden‘ sei. Aber im unaufgeklärten (weil katholischen) Süden sei der Anteil slawischen Blutes weitaus höher als im aufgeklärten protestantischen Norden. Das ‚verunreinigte Blut‛ sei die wahre Ursache des süddeutschen Aberglaubens.“ Vgl. Martin Gierl, Christoph Meiners, Geschichte der Menschheit und Göttinger Universalgeschichte. Rasse und Nation als Politisierung der deutschen Aufklärung, in: Bödeker/Büttgen/Espagne, Wissenschaft, S. 419–433. Meiners äußerte die zitierten Einschätzungen über den süddeutschen Katholizismus in zwei kleinen Reiseberichten, die im Göttingischen Historischen Magazin erschienen: Christoph Meiners, Bemerkungen auf einer Reise von Göttingen nach Cuxhaven, in: Göttingisches Historisches Magazin Bd. 2 (1788), S. 495–539, v.a. S. 505f; ders., Kurze Vergleichung des Nördlichen, und Südlichen Teutschlandes, in: Göttingisches Historisches Magazin Bd. 4 (1789), S. 193–234, v.a. S. 194.

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Das am Volksbegriff orientierte aufgeklärte Verständnis von einer – je nach Standpunkt noch zu verwirklichenden oder bereits angelegten66 – deutschen Kulturnation ließ den Reisebericht in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum wichtigsten literarischen Medium werden, mittels dessen die aufgeklärte Öffentlichkeit über kulturelle, sittliche und damit auch religiöse Zustände der Deutschen informiert werden konnte.67 Der Publizist und Politiker Friedrich Carl von Moser stellte 1765 in seiner Schrift Von dem deutschen Nationalgeist in Bezug auf das Verhältnis der verschiedenen deutschen Kleinstaaten zueinander fest: „Wir kennen Uns selbst nicht mehr; Wir sind Uns unter einander fremde geworden, Unser Geist ist von uns gewichen.“68 Dezidiert kritisierte Moser den Umstand, dass die konfessionelle Bindung des Reisenden auch die Auswahl seiner potentiellen Zielorte mitbestimme, und sich die durch Sprache definierte Kulturnation so selbst begrenze: Unsere junge Deutsche halten Reisen nicht anders, als Störche, sie besuchen nur das Nest, wo ihr Vater und Groß-Vater ware; was hilft es einem rheinischen Edelmann, welcher dereinst wohl Churfürst in einem der drey Erzstifter wird, daß er Rom, Wien und alle Catholische Höfe gesehen hat und nicht weiß, noch aus lebendiger Kenntniß erfährt, wie man in Berlin, Dresden, Hannover, Cassel und an andern Orten, wo doch auch noch Deutsche wohnen, denckt; die Religion wird bei ihm nicht Gefahr laufen, dieß wird das allerletzte seyn, worüber man mit ihm spricht;...69

Die in durchaus irenischer Absicht formulierte Aufforderung brachte zum Ausdruck, welches Potential man im Kreise aufgeklärter Patrioten im Medium der Reise und der Berichterstattung hierüber entdeckt zu haben glaubte.70 Die Debatte über die Vor- und Nachteile einer „homogenen Kultur“ bzw. den Grad an Heterogenität, der aus patriotischer Sicht einer Nation noch zuzumuten sei, wogte gerade nach der Französischen Revolution und angesichts des Vorsprungs an „Nationalität“ wie ihn Frankreich, aber vor allem Großbritannien zu verkör-

66 Hierzu insgesamt: Altgeld, Katholizismus, passim; Bernhard Giesen/Kay Junge/Christian Kritschgau, Vom Patriotismus zum völkischen Denken: Intellektuelle als Konstrukteure der deutschen Identität, in: Helmut Berding (Hrsg.), Nationales Bewußtsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit, Bd. 2, Frankfurt am Main 1994, S. 345–393. 67 Vgl. Altgeld, Katholizismus, S. 118. 68 Siehe: Friedrich Carl von Moser, Von dem deutschen Nationalgeist, o.O. 1765, S. 10. 69 Siehe: ebd., S. 94f. 70 Vgl. Harald Schmidt, Fremde Heimat. Die deutsche Provinzreise zwischen Spätaufklärung und nationaler Romantik und das Problem der kulturellen Variation: Friedrich Nicolai, Kaspar Riesbeck und Ernst Moritz Arndt, in: Berding, Bewußtsein, S. 394–442.



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pern schienen, unter deutschen Intellektuellen hin und her.71 Die Reise in die Provinz und die dort erhobenen und in Form von Reiseberichten dokumentierten „volkskundlichen“72 Daten und Informationen bildeten für die aufgeklärte Öffentlichkeit die Faktenlage, auf deren Basis man den multikulturellen Zustand des Vaterlands kennenlernen und Optionen für eine mögliche Zukunft unter dem Dach einer gemeinsamen Nation diskutieren konnte.73 Als Träger des patriotischen Gedankenguts fungierten zu diesem Zweck gegründete patriotische Gesellschaften, die ähnlich wie andere aufgeklärte Gesellschaften – geheime und öffentliche – an die bürgerliche Verantwortungs- und Gestaltungsbereitschaft appellierten.74 In ihren pädagogischen und sozialen Reformabsichten lehnten sich die patriotischen Gesellschaften eng an Ziele und Methoden des Pietismus an (Egalität, Perfektionismus, Vorbildrolle jedes Einzelnen).75 Die publizistisch erfolgreichste Reisebeschreibung, die in diesem Sinne Mosers durchgeführt wurde, resultierte aus einer 1781 unternommenen Reise des Berliner Verlegers Friedrich Nicolai durch Deutschland und die Schweiz. In zwölf voluminösen Bänden veröffentlichte er zwischen 1783 und 1795 eine Auswahl seiner Beobachtungen.76 Nicolais „zur besseren Kenntnis des Vaterlandes“77 veröffentlichtes Werk machte sich zu Beginn das hehre patriotische Ziel zu eigen, den deutschen Provinzialismus aufzubrechen und wechselseitige kulturelle und konfessionelle Toleranz durch gesteigerte Kenntnis der verschiedenen deutschen Völker voneinander zu befördern.78 So muss man es fast als „Ironie der

71 Vgl. Franklin Kopitzsch, Sozialgeschichte der Aufklärung in Deutschland. Eine Skizze, in: Helmut Berding/Etienne François/Hans-Peter Ullmann (Hgg.), Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, Frankfurt am Main 1989, S. 373–390, hier S. 375. 72 Über die Gemeinsamkeiten in der Darstellung überseeischer und provinzieller europäischer Kulturen in der spätaufklärerischen Reiseliteratur und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Volkskunde vgl. Gerhard Lutz, Johann Ernst Fabri und die Anfänge der Volksforschung im ausgehenden 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Volkskunde 69 (1973), S. 19–42; auf den S. 22f stellt Lutz dar, wie „ethnographische Merkwürdigkeiten und Bemerkungen“ als Betrachtungsgegenstände in der Reiseliteratur allgemein in Gebrauch waren. 73 Vgl. Hans-Erich Bödeker, Reisen: Bedeutung und Funktion für die deutsche Aufklärungsgesellschaft, in: Griep/Jäger, Reisen, S. 91–110, hier S. 98f. 74 Vgl. Richard van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland, Frankfurt am Main 1986. 75 Vgl. Gerhard Kaiser, Pietismus und Patriotismus im literarischen Deutschland. Ein Beitrag zum Problem der Säkularisation, Wiesbaden 1961, S. 97. 76 Friedrich Nicolai, Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781. Nebst Bemerkungen über die Gelehrsamkeit, Industrie, Religion und Sitten, 12 Bde., Berlin 1783–1795. 77 Siehe: ebd., Bd. 1, S. VIII. 78 Vgl. Schmidt, Heimat, S. 402.

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Geschichte“79 empfinden, welche neuen konfessionellen und kulturellen Gräben durch Nicolais sich von Band zu Band verschärfende Katholizismuspolemik80 in aufgeklärter Absicht erst gerissen wurden. Wiewohl Nicolais stereotype Vorhaltungen auch aufgrund seiner einflussreichen publizistischen Position als Verleger der Allgemeinen Deutschen Bibliothek zumindest für die norddeutschprotestantischen Kreise der Aufklärung stilprägend waren und zahlreiche Nachahmer fanden, blieben sie nicht unwidersprochen.81 Auch unter den Rheinreisenden stießen die immer polemischer werdenden Auslassungen Nicolais gegenüber typisch katholischen Elementen der süddeutschen Volkskultur auf erheblichen Widerstand. Eine kritische Replik, die scharf und kurz die Haupteinwände gegen Nicolais Darstellung zusammenfasst, findet sich im programmatischen Vorwort eines Reiseberichts von 1791 des aus Brünn stammenden Juristen Franz Kratter: [Nicolai] nahm mit einer allen fanatischen Katholizismus übertreffenden Intoleranz Protestantismus und Vernunft wohl hundertmal als gleichbedeutende Wörter; machte beim Anblick einer frommen Statue, oder eines reichen Kirchenornats die langweiligsten, von Gemeinplätzen voll gepfropften Abhandlungen über Andächtelei und Aberglauben, legte dem Landvolke Trägheit zur Last, ohne mit dem Innern seiner Wirthschaft, ohne mit der Tagordnung seines Fleisses sich bekannt gemacht zu haben; schloß aus einigen magern, unbebauten Gründen, die ihm im Vorüberfahren auffielen, auf mehr als den dritten Theil der Erde im Lande; konnt es dem Volke durchaus nicht verzeihen, daß es sich Essen und Trinken schmecken läßt; tadelte alles, von der wichtigsten Staatsverfassung an bis auf das Rindschmalz und die Butterschnitte herab, was er nicht so, wie in Berlin gefunden hatte u.s.w. – In der That, es ist mir unbegreiflich, wie ein Mann von so mannichfaltiger Gelehrsamkeit, von so entschiedenem Verdienste um die deutsche Literatur als Herr Nikolai, die bekanntesten Bücher oft beinahe zur Hälfte ausschreiben, uraltes, längstens schon allgemein verspottetes Zeug neuerdings aufwärmen, sich so oft in so viel geringfügige, nichtssagende, lästige Weitschweifigkeiten verlieren konnte!82

Religion und Kirche als „zentrale, tragende Achsen des Gesamtsystems“ besaßen auch im Zeitalter der Aufklärung in der Anschauung der gebildeten Allgemein79 Siehe: Horst Carl, „Die Aufklärung unseres Jahrhunderts ist ein bloßes Nordlicht...“. Konfession und deutsche Nation im Zeitalter der Aufklärung, in: Heinz-Gerhard Haupt/Dieter Langewiesche (Hgg.), Nation und Religion in der deutschen Geschichte, Frankfurt am Main 2001, S. 105–141, hier S. 107. 80 Vgl. Schmidt, Heimat, S. 411. 81 Vgl. Hans-Wolf Jäger, Der reisende Enzyklopäd und seine Kritiker. Friedrich Nicolais Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781, in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 26 (1982), S. 104–125; Wolfgang Martens, Ein Bürger auf Reisen, in: Bernhard Fabian (Hrsg.), Friedrich Nicolai 1733–1811. Essays zum 250. Geburtstag, Berlin 1983, S. 99–123; Altgeld, Katholizismus, S. 77–91. 82 Siehe: Franz Kratter, Bemerkungen, Reflexionhen, Phantasien, Skizzen von Gemälden und Schilderungen auf meiner Reise durch einige Provinzen Oberteutschlands, Brünn 1791, S. 4.



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heit das Potential, als Einheit stiftendes Band für ein geordnetes gesellschaftliches Zusammenleben wirken zu können.83 Das weite Feld der Religion wurde somit zu einem der wichtigsten Beobachtungsgegenstände in den deutschsprachigen Reiseberichten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.84 Der elitäre Blick der aufgeklärten Reisenden – meist norddeutsch-protestantischer Prägung – auf die vor allem im Katholizismus als „Volksreligiosität“ benannte Form des Glaubenslebens ging dabei einher mit einer funktionalen Reduktion des Religionsbegriffes und religiösen Überhöhung bürgerlicher Normen und Werte: „Gottgefällig waren demnach die Verwirklichung des bürgerlichen Sittengesetzes in Wissenschaft und Industrie, Gesellschaft und Politik, nicht aber Kirchlichkeit und unvernünftige Gläubigkeit, welche nun von den Bildungseliten als aufzuklärende ‚Volksreligiosität‛ entdeckt und disqualifiziert worden sind.“85 Für die aufgeklärte Bildungselite manifestierte sich in ihrer Reise in die heterogene kulturelle Wirklichkeit Deutschlands und der Berichterstattung hierüber ein aufklärerischer Politisierungsprozess, in dem die heimatlichen Verhältnisse offen und freimütig kritisiert werden konnten.86 Im Hinblick auf die katholisch geprägten Reichsteile stellte sich nach ihrer „Entdeckung“ durch die Reiseschriftsteller für die aufgeklärte Öffentlichkeit Nord- und Ostdeutschlands nunmehr die Frage, ob und wie diese überhaupt an die protestantisch geprägte deutsche Kultur und Zivilisation herangeführt werden könnten.87 Die Debatte hierüber verlief – zumindest im Medium der Reiseberichte – weitestgehend ohne die Beteiligung katholischer Stimmen. In Bezug auf die literarische Gattung erfuhr der Reisebericht gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine Ausdifferenzierung von Sachtext und Belletristik, die einen breit angelegten Funktionswandel mit sich brachte und ihn nunmehr in einer vielgestaltigen poetischen Form ermöglichte.88 Der prägende Einfluss der englischen Reiseliteratur, die in Hinsicht auf Subjektivierung und Emotionali-

83 Vgl. Heinz Schilling, Nationale Identität und Konfession in der europäischen Neuzeit, in: Bernhard Giesen (Hrsg.), Nationale und kulturelle Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit, Frankfurt am Main 1991, S. 192–252, hier S. 197. 84 Vgl. Altgeld, Katholizismus, S. 118. 85 Siehe: ebd., S. 113. Zur ‚Volksreligiosität‛ vgl. Christof Dipper, Volksreligiosität und Obrigkeit im 18. Jahrhundert, in: Wolfgang Schieder (Hrsg.), Volksreligiosität in der modernen Sozialgeschichte, Göttingen 1986, S. 73–96. 86 Vgl. Bödeker, Reisen, S. 109. 87 Vgl. Altgeld, Katholizismus, S. 121. 88 Vgl. William E. Stewart, Die Reisebeschreibung und ihre Theorie im Deutschland des 18. Jahrhunderts, Bonn 1978.

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 Grundlagen: Reiseliteratur als historische Quelle

sierung der kontinentaleuropäischen um zwei bis drei Jahrzehnte voraus war,89 lässt sich hier wie an manch anderer Stelle gut nachweisen.90 Die durch stetige Verbesserungen des Verkehrswesens – Dampfschiff und Eisenbahn – erleichterten Reisebedingungen schufen ihrerseits neue Bedürfnisse an Reiseliteratur im pragmatischen bzw. touristischen Sektor, dem beispielsweise die Entwicklung des Baedeker91 oder aber am Beispiel der Rheinreise die nur spärlich kommentierten Leporellos und Rheinpanoramen Rechnung trugen. Damit verlor die Literaturgattung des Reiseberichts insgesamt noch mehr an Einheitlichkeit, nicht nur in Bezug auf ihre Form, sondern auch ihre Funktion betreffend. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts partizipierte sie an der Vielfalt der literatur- und geistesgeschichtlichen Strömungen der Zeit.92 Im Nachklang zur Französischen Revolution konnte man „jakobinische“ Reiseberichte auf dem Buchmarkt finden, genauso wie „klassische“ – etwa die Italienische Reise Johann Wolfgang von Goethes –, hinzu kamen romantische, mit Legendenstoffen und reichen Landschaftsbeschreibungen und -stilisierungen durchsetzte Reiseerzählungen, wie zur gleichen Zeit auch ganz utilitaristische, auf die Erhebung von Daten ausgerichtete Berichte.93 Das Phänomen Reisen und die Literaturgattung Reisebericht erlebten an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert aus unterschiedlichsten Gründen einen kaum überschaubaren Funktionswandel, der insgesamt als ein Prozess der Diversifikation beschrieben werden kann.94 Besonders wirkmächtig in Bezug auf die Rheinreise erwies sich die romantisch orientierte, die Landschaft in den Fokus nehmende Form der Reiseberichterstattung, die das Mittelrheintal zu einem eigenständigen Reiseziel aufwertete.95 Den genauen Beginn der zahlreiche Kunstgattungen inspirierenden Rheinromantik zu datieren, erscheint schwer möglich,96 Gleiches gilt für ihr Ende – so sie denn eines gefunden haben sollte.97

89 Vgl. Albert Meier, Textsorten-Dialektik. Überlegungen zur Gattungsgeschichte des Reiseberichts im späten 18. Jahrhundert, in: Maurer, Impulse, S. 237–245, hier S. 241. 90 Vgl. Ingrid Kuczinsky, Zum Aufkommen der individualisierten Wirklichkeitssicht in der englischen Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts, in: Hans-Wolf Jäger (Hrsg.), Europäisches Reisen im Zeitalter der Aufklärung, Heidelberg 1992, S. 35–46. 91 Hierzu: Susanne Müller, Die Welt des Baedeker. Eine Medienkulturgeschichte des Reiseführers 1830–1945, Frankfurt am Main 2012. 92 Vgl. Brenner, Reisebericht (1990), S. 321. 93 Als Überblick: Hentschel, Reiseliteratur (1991). 94 Vgl. Brenner, Reisebericht (1990), S. 322. 95 Vgl. Gertrude Cepl-Kaufmann/Antje Johanning (Hgg.), Mythos Rhein. Zur Kulturgeschichte eines Stromes, Darmstadt 2003, S. 119. 96 Vgl. Maurer, Reisen interdisziplinär, S. 316f. 97 Vgl. Richard W. Gassen, Der Rhein – ein Mythos, in: ders./Bernhard Holeczek (Hgg.), Mythos Rhein. Ein Fluß – Bild und Bedeutung, Ludwigshafen 1992, S. 13–17; Jörg Zimmermann, Das Mit-



Entwicklungen von Gattung und Funktion der Reiseliteratur (ca. 1500–1800) 

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2.2.5 Resümee Die Ursprünge der frühneuzeitlichen Reiseliteratur liegen in der humanistischen Kritik am klassischen Pilgerbericht begründet. In der Absicht, das verfügbare Wissen über die bekannte Welt zu sammeln, entwickelte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts eine an Wissenserwerb und -dokumentation orientierte, methodische Reisebeschreibung, gefördert durch starke Impulse, die von den überseeischen Entdeckungen und der Erfindung des Buchdrucks ausgingen. Durch das Vorherrschen des Ramismus als prägendem Konzept der Apodemik fand die Reiseliteratur jedoch nur wenig Nachhall im katholischen Wissenschaftsbetrieb. Die Reise als Bildungs- und Erziehungserlebnis fand in der Folge ein neues Publikum. Waren es zunächst junge Adlige, die während ihrer Grand Tour ein umfassendes Bildungsprogramm absolvierten und sich somit auf ihre spätere Karriere vorbereiteten, stießen im Zuge der bürgerlichen Emanzipation vermehrt auch Reisende aus diesem gesellschaftlichen Bereich hinzu. Der Fokus der aus den bürgerlichen Reisen entsprungenen Berichte lag zunächst auf einer an Nützlichkeit orientierten Themenpalette. Neben dieser Informationsfunktion diente der Reisebericht auch der Repräsentation des sich neu entwickelnden bürgerlichen Selbstbewusstseins und seiner Wertvorstellungen. Die Verbesserungen im Bereich der verkehrstechnischen Infrastruktur und die gesteigerte Nachfrage an Lesestoff für die im Zeitalter der Aufklärung aufblühenden Lesegesellschaften ließen Reiseberichte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zu einer der beliebtesten Literaturgattungen werden. Dabei kam es auch zu einer Diversifikation bezüglich ihrer literarischen Form und Funktion. Das Verhältnis von fiktionalen und faktenorientierten Elementen in den Reiseberichten erhielt einen großen Spielraum. Hinsichtlich seiner Funktion in der Gesellschaft der Aufklärung kam dem Reisebericht die Aufgabe zu, Medium der Selbstverständigung, des kulturellen Vergleichs wie der sozialen Kritik zu sein.98 Im Hinblick auf die Rolle, welche religiöse Aspekte in den Beobachtungen aufgeklärter Reisender spielten, galt der für die frühneuzeitliche Epoche geltende Satz von der religio als vinculum societatis.99 Gerade im Zuge der nationalreligiösen Debatten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden die Beobachtungen zum Themenfeld der Religion in ihren Zusammenhängen in der Reiseliteratur breit diskutiert. Die Veröffentlichungen Friedrich Nicolais wirkten in diesem Bereich für die Reisenden norddeutsch-protestantischer Herkunft, die unter den Reiseschrifttelrheintal – Zur ästhetischen Dimension einer Kulturlandschaft, in: Landesamt, Rheintal, hier Bd. 2, S. 659–685, bes. S. 666f. 98 Vgl. Brenner, Reisebericht (1990), S. 275. 99 Vgl. Schilling, Identität, S. 199.

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stellern die Mehrheit bildeten, stilbildend; gleiches gilt für die von der Universität Göttingen ausgehenden neuen Ordnungskategorien, die sich stark am Begriff des Volkes orientierten. Die außereuropäischen Entdeckungsfahrten beeinflussten in mehrerer Hinsicht die Entwicklung der Gattung Reisebericht in Europa: Zum einen wurde die Reisebeschreibung selbst ein attraktiver Lesestoff für den nach der Erfindung des Buchdrucks wachsenden Buchmarkt, zum anderen aber übertrugen sich die Beobachtungskategorien, die bei der Beschreibung fremder Völker und Kulturen benutzt wurden, nunmehr auch auf die Darstellung europäischer Reisen. Wichtig war hierbei der Einfluss, der von der Universität Göttingen ausging, wo das Reisen und die Berichterstattung hierüber eine fundamentale Bedeutung für die Erhebung wissenschaftlicher Daten erhielten und in Seminaren gezielt eingeübt wurden. Der ethnologische Blick fand so plötzlich seinen Einsatz bei der Beschreibung bayerischer volksfrommer Rituale durch aufgeklärte Berliner Publizisten, wodurch sich das Überlegenheitsgefühl protestantischer Kreise als Vorreiter der Aufklärung auch stilistisch im Medium Reisebericht zum Ausdruck bringen ließ.100 Dass sich auch der aufgeklärte Reisende an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert durchaus bewusst war, in der Tradition der mittelalterlichen Pilgerreisen zu stehen, dies aber allenfalls ironisch als letzten Abgesang auf die voraufgeklärte Epoche verstand, macht etwa die Reisebeschreibung des preußischen Beamten Justus Gruner deutlich, der seine Reiseeindrücke von 1803 sogar im Titel ironisch als „Wallfahrt“ bezeichnete, gleichzeitig jedoch in ihnen kein gutes Haar an dem althergebrachten katholischen Brauchtum lassen konnte.101

100 Hierzu: Borutta, Antikatholizismus. Zu den Traditionslinien außereuropäischer und innereuropäischer Entdeckungsfahrten auch Ralph-Rainer Wuthenow, Die erfahrene Welt. Europäische Reiseliteratur im Zeitalter der Aufklärung, Frankfurt am Main 1980. Ein unter diesem Aspekt vorgenommener Vergleich in den Reisebeschreibungen Georg Forsters bei Uwe Japp, Aufgeklärtes Europa und natürliche Südsee. Georg Forsters Reise um die Welt, in: Piechotta, Reise, S. 10–56. 101 Volltitel des Werkes von Justus Gruner: Meine Wallfahrt zur Ruhe und Hoffnung oder Schilderung des sittlichen und bürgerlichen Zustandes Westphalens am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1802. Vgl. die Edition des Textes in: Gerd Dethlefs/Jürgen Kloosterhuis (Bearb.), Auf kritischer Wallfahrt zwischen Rhein und Weser. Justus Gruners Schriften in den Umbruchsjahren 1801–1803, Köln, Weimar, Wien 2009 (= Veröffentlichungen aus den Archiven preußischer Kulturbesitz, Bd. 65, zugleich Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XIX, Westfälische Briefwechsel und Denkwürdigkeiten Bd. 11). Eine ähnlich ironische Anlehnung an den Begriff Wallfahrt findet sich in einigen Reiseberichten revolutionsbegeisterter Deutscher, die nach 1789 Frankreich besuchten; vgl. z.B. Heinrich Zschokke, Meine Wallfahrt nach Paris, 2 Bde., Zürich 1796–97. Hierzu Johannes Weber, Wallfahrten ins gelobte Land der Freiheit. Deutsche Revolutionsbegeisterung in satirischen Reiseromanen, in: Jäger, Reisen, S.



Hilfsmittel zur Erschließung der Quellen 

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2.3 Hilfsmittel zur Erschließung der Quellen Die bibliographische Erfassung von publizierter Reiseliteratur stellt den Forscher vor erhebliche Schwierigkeiten, was vor allem daran liegt, dass die einschlägigen älteren Bibliographien102 äußerst unvollständig sind und man dementsprechend die tatsächlichen Zahlen nur abschätzen kann.103 Oft ist man bei der Recherche deshalb auch auf Zufallsfunde angewiesen. Für die spätmittelalterlichen Reisewerke und die frühneuzeitliche Apodemik liegen hingegen mittlerweile solide Übersichtswerke vor.104 Die Institutionalisierung der Reiseliteraturforschung, die durch die Einrichtung einer ihr gewidmeten Forschungsstelle an der Eutiner Landesbibliothek im Jahr 1992 erfolgte, erfüllt eine wichtige Aufgabe zur bibliographischen Erschließung der Reiseliteratur vor allem des 18. Jahrhunderts, zur Vernetzung der Forschung und zur inhaltlichen Aufarbeitung ihrer großen Bestände. Die Forschungsstelle zur historischen Reisekultur – so ihr voller Titel – ging unter anderem aus einem maßgeblich von Wolfgang Griep an der Universität Bremen seit 1986 ausgebildeten Forschungsschwerpunkt „Literatur der Spätaufklärung“ hervor.105 Die Eutiner Sammlung konnte seit Gründung der Arbeitsstelle kontinuierlich erweitert werden und verfügt mittlerweile über einen Bestand von ca. 340–359 und speziell zu Zschokke vgl. Holger Böning, Wallfahrt nach Paris: Die Wandlung eines deutschen Aufklärers zum Revolutionär, in: Jäger, Reisen, S. 332–339. 102 Zu nennen sind hier in chronologischer Reihenfolge ihrer Erstveröffentlichung folgende Werke, die für die Erhebung von Literatur zur Rheinreise herangezogen wurden: Gottlieb Heinrich Stuck, Verzeichnis von aeltern und neuern Land- und Reisebeschreibungen. Ein Versuch eines Hauptstücks der geographischen Litteratur mit einem vollstaendigen Realregister, 2 Bde., Halle 1784 und 1787; Johann Beckmann, Litteratur der älteren Reisebeschreibungen. Nachrichten von ihren Verfassern, von ihrem Inhalte, von ihren Ausgaben und Uebersetzungen. Nebst eingestreueten Anmerkungen über mancherley gelehrte Gegenstände, 4 Bde., Göttingen 1807–1809; Wilhelm Heinsius/Theodor Christian Friedrich Enslin, Bibliotheca historico-geographica oder Verzeichniss aller brauchbaren, in älterer und neuerer Zeit, besonders aber vom Jahre 1750 bis zur Mitte des Jahres 1824 in Deutschland erschienenen Bücher über Geschichte, Geographie und deren Hülfswissenschaften, Berlin 1825; Wilhelm Engelmann (Hrsg.), Bibliotheca Geographica. Verzeichnis der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zu Ende des Jahres 1856 in Deutschland erschienenen Werke über Geographie und Reisen mit Einschluss der Landkarten, Pläne und Ansichten, Amsterdam 1965 (ND der Ausgabe von 1857); Paul Emil Richter (Hrsg.), Bibliotheca Geographica Germaniae. Litteratur der Landes- und Volkskunde des Deutschen Reichs, Leipzig 1896. 103 Vgl. Neutsch, Reisen, S. 6. Schätzungen bewegen sich in einem Spielraum zwischen dreiund sechstausend Titeln im deutschsprachigen Raum für das 18. und 19. Jahrhundert. 104 Vgl. Paravacini, Reiseberichte; Stagl, Apodemiken. 105 Vgl. Thorsten Sadowsky, Reisen und Reiseliteratur. Anmerkungen zur Einrichtung einer neuen Forschungsstelle für historische Reisekulturforschung und zu einigen Neuerscheinungen, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 46 (1994), S. 172–177; Winfried Siebers, Zehn

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 Grundlagen: Reiseliteratur als historische Quelle

6000 Reisebüchern, die größtenteils im Original, aber auch als Kopien und in Mikroverfilmung benutzbar sind. Daneben wird von den Mitarbeitern eine als Online-Datenbank abrufbare Bibliographie zur deutschsprachigen Reiseliteratur des 18. bis 20. Jahrhunderts erarbeitet, die mittlerweile rund 20.000 Titel umfasst.106 Neben der Online-Publikation wurde eine grundlegende Bibliographie zu den Eutiner Beständen im Jahr 1990 und ein themenbezogenes Verzeichnis deutschsprachiger Frauenreisen 1995 in Buchform veröffentlicht.107 Die bibliographischen Verzeichnisse zahlreicher Einzelstudien unterschiedlichster Qualität und avisierter Interessengruppen, die sich thematisch mit der Rheinreise beschäftigen, ergänzen die Informationen der Eutiner Datenbank, insbesondere um die nur in geringer Zahl in lokalen Verlagen erschienenen Werke und die erst in neuerer Zeit edierten Aufzeichnungen von Rheinreisen.108

2.4 Autoren, Leserschaft und Publikationskonjunkturen des Rheinreiseberichts 2.4.1 Aufkommen von Reiseliteratur mit Rheinbezug 1648–1815 Bei der in den Blick genommenen Reiseliteratur, die auf einer tatsächlich stattgefundenen Rheinreise basierte, lassen sich zwei elementare Gruppen unterschei-

Jahre Reiseforschung in Eutin, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 54 (2002), S. 366–370. 106 Siehe: http://www.lb-eutin.de/ext/index.php?fuseaction=cntrl.rlsuche&rltab=rb&lay=4. 107 Über die bereits in Eutin vorhandene Sammlung frühneuzeitlicher Reiseliteratur vgl. Wolfgang Griep (Hrsg.), Reiseliteratur und Geographica in der Eutiner Landesbibliothek, 2 Teile, bearbeitet von Susanne Luber, Heide in Holstein 1990; Wolfgang Griep/Annegret Pelz, Frauen reisen. Ein bibliographisches Verzeichnis deutschsprachiger Frauenreisen 1700–1810, Bremen 1995. 108 Hierzu zählt vor allem das Quellenverzeichnis in der grundlegenden Arbeit von Neutsch, Reisen, S. 439–461; sehr gründlich auch die Bibliographie bei Franz-Josef Weihrauch, Geschichte der Rheinreise 1770–1860. Politik, Kultur, Ästhetik und Wahrnehmung im historischen Prozeß, Darmstadt 1989, S. 503–537. Ergänzende Hinweise bei Hans Blum, Kunstwerke des Rheingebietes im Spiegel der Reisebeschreibungen, Köln 1947 (masch. schr. Diss.). Für die Beschreibung von Mainz in frühneuzeitlichen Reiseberichten liegt bereits eine Edition ausgewählter Texte vor: Helmut Mathy, Mainz am Rhein. Zentralort des Reiches und Provinzstadt. Reiseberichte zwischen Spätaufklärung und Romantik, Eltville 1990. Einen Teilaspekt bearbeitete Adolf Heyne, Das Rhein-Main-Gebiet im Spiegel ärztlicher Reiseberichte 1770–1850, Mainz 1976. Zur Ergänzung der Bibliographie kann auch ein Blick in literarische Anthologien dienen; genannt seien zwei Sammlungen neueren Datums: Hannah Arnold/Juliane Beckmann/Jörg Bong (Hgg.), Rhein. Eine Lese-Verführung, Frankfurt am Main 2009; Gertrude Cepl-Kaufmann/Hella-Sabrina Lange (Hgg.), Der Rhein. Ein literarischer Reiseführer, Darmstadt 2006.



Autoren, Leserschaft und Publikationskonjunkturen des Rheinreiseberichts 

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den. Zum einen handelt es sich um Reiseberichte, die mit der Absicht verfasst wurden, veröffentlicht zu werden und die damit gezielt einen kommunikativen Bezug zu ihrer Leserschaft herstellten. Dies trifft auf insgesamt 165 untersuchte Reiseberichte zu, die in die Bibliographie aufgenommen wurden. Von 23 dieser Reiseberichte liegt außerdem neben ihrer deutschen Übersetzung die Erstveröffentlichung in der jeweiligen Originalsprache vor, so dass es sich um insgesamt 188 eigenständige Publikationen handelt, in denen zwischen 1648 und 1815 Eindrücke einer Rheinreise veröffentlicht wurden. Zum anderen gibt es die Aufzeichnungen, die lediglich aus privaten Gründen oder zur Dokumentation über den Reiseverlauf gegenüber einer dritten Person gemacht wurden. Sie gelangten erst später durch Edition eines Historikers oder sonstigen Bearbeiters an die Öffentlichkeit. Dies trifft auf 28 der in der Bibliographie erfassten Reiseberichte zu. Um auch diese zweite Kategorie der von ihrem Autor eigentlich nicht zur Publikation vorgesehenen Reiseberichte in einer statistischen Gesamtdarstellung der zeitlichen Konjunkturen im Aufkommen der Rheinreiseberichte einbetten zu können, wurden zwei unterschiedliche Datenmengen erhoben. Durch Lektüre der Texte selbst und bio-bibliographischer Sekundärliteratur zu ihren Autoren wurde versucht, den tatsächlichen Zeitpunkt der unternommenen Reise zu ermitteln, die Grundlage für die vorliegende Reisebeschreibung war. Somit konnten auch die nicht publizierten Berichte größtenteils statistisch erfasst werden. Ebenso konnten auf diese Weise Texte in die Auswahl mit aufgenommen werden, die nach 1815 veröffentlicht wurden, aber auf Reiseerlebnissen basierten, die im ausgewählten Zeitraum stattgefunden hatten. Weiterhin werden in einem zweiten Diagramm auf Basis des Jahres der Erstveröffentlichung die Publiktationskonjunkturen von Rheinreiseberichten aufgezeigt.109

109 Eine nach Dekaden aufgeschlüsselte Statistik zu „Publikations- und Reisezeit“ zwischen 1771 und 1860 findet sich bei Weihrauch, Geschichte, S. 496. Allerdings ist die zugrundeliegende Datenerhebung nicht sehr transparent.

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 Grundlagen: Reiseliteratur als historische Quelle

Diagramm 1: Jahr der Reise.

Betrachtet man die Zahl der durch schriftliche Berichte dokumentierten Rheinreisen als Indikator für das allgemeine Aufkommen an Reiseverkehr entlang des Rheins, so zeigt sich, dass nach dem Dreißigjährigen Krieg zunächst eine längere Phase mit nur geringer Reisetätigkeit zu verzeichnen war. Dieses lückenhafte Aufkommen verdichtete sich dezent erst, nachdem die sich im Rheinland stark auswirkenden „Raubkriege“ Ludwigs XIV. zu Beginn des 18. Jahrhunderts und der spanische Erbfolgekrieg 1715 ihr Ende gefunden hatten.110 Eine erhebliche Steigerung der Reisetätigkeit am Rhein ist für das letzte Viertel des 18. Jahrhunderts zu konstatieren.111 Der Ausbruch der Französischen Revolution und die ihr folgenden kriegerischen Handlungen bedeuteten jedoch erhebliche und im Reiseaufkommen deutlich ablesbare Behinderungen.112 War der Rhein als schneller Verkehrsweg für die europäische Nord-Süd-Achse seit jeher eine beliebte Reiseroute besonders auch für den Handel gewesen,113 erhielten die Rheingegenden durch ihre direkte Einbezogenheit in die nachre-

110 Zu den konkreten Auswirkungen dieser Kriegshandlungen auf das Rheinland vgl. Euskirchen, Reformation, S. 112–133. 111 Hierzu auch Franz H. Quetsch, Geschichte des Verkehrswesens am Mittelrhein. Von den ältesten Zeiten bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Freiburg im Breisgau 1891, S. 64f. 112 Dies bestätigen auch die entsprechenden Datenerhebungen bei Weihrauch, Geschichte, besonders S. 18–25. 113 Vgl. Franz Irsigler, Rhein, Maas und Mosel als Handels- und Verkehrsachsen im Mittelalter, in: Siedlungsforschung 25 (2007), S. 9–32.



Autoren, Leserschaft und Publikationskonjunkturen des Rheinreiseberichts 

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volutionären Geschehnisse eine eigene – tagespolitische – Attraktivität.114 Dies machte sie spätestens jetzt zu einem beliebten Objekt reiseschriftstellerischer Beobachtungen, die sich aus bereits genannten Gründen (2.2.4) als literarisches Mittel der Aufklärung im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts eine maßgebliche Rolle auf dem deutschen Buchmarkt erobert hatten.

Diagramm 2: Jahr der Publikation des Reiseberichts.

Es verwundert demnach nicht, dass die im obigen Diagramm zu sehenden Konjunkturen publizierter Rheinreiseberichte einen ganz ähnlichen Verlauf wie das volksaufklärerische Schrifttum im deutschen Sprachraum dieser Epoche allgemein nahmen.115 Neben diesen gattungsspezifischen und ereignisgeschichtlichen Aspekten war es jedoch die Entdeckung des romantischen Charakters der Rheingegenden durch englische Reisende – namentlich William Beckford – zu 114 Vgl. Weihrauch, Geschichte, S. 29. Am bekanntesten unter den in diesem Kontext entstandenen „Reisebeschreibungen“ ist sicherlich Goethes „Belagerung der Stadt Mainz“, die allerdings von diesem erst retrospektiv anhand von Tagebuchnotizen zwischen 1820 und 1822 niedergeschrieben wurde; vgl. Hermann Kurzke/Oliver Kemmann (Hgg.), Untergang einer Reichshauptstadt. Johann Wolfgang von Goethe. Belagerung von Mainz. Ein Bilderbogen, Frankfurt am Main 2007. 115 Vgl. Holger Böning/Reinhart Siegert, „Volksaufklärung“. Bibliographisches Handbuch zur Popularisierung aufklärerischen Denkens im deutschen Sprachraum – Ausgewählte Schriften. Ein Werkstattbericht, in: Anne Conrad/Arno Herzig/Franklin Kopitzsch (Hgg.), Das Volk im Visier der Aufklärung. Studien zur Popularisierung der Aufklärung im späten 18. Jahrhundert, Hamburg 1998, S. 17–34, hier S. 22.

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 Grundlagen: Reiseliteratur als historische Quelle

Beginn der 1780er Jahre,116 die in der Folge vor allem dem Oberen Mittelrheintal eine erhöhte reiseschriftstellerische Aufmerksamkeit zukommen lassen sollten. Die Kontinentalsperre von 1806–1814 bedeutete für diese Entwicklung im Bereich der Reiseliteratur einen – letztendlich vorläufigen – Rückschlag.117 Die nach dem Wiener Kongress stabil erscheinenden politischen Verhältnisse, der Nachhall der vielgesichtigen romantischen Rheinverklärung und schlussendlich die Erschließung der Rheingegenden für den Massentourismus durch die Dampfschifffahrt ab 1816 ließen im Bereich der Reiseliteratur ein breites Spektrum an bebilderten Reiseführern, Panoramen, Stichen und klassischen Reisebeschreibungen anwachsen, das allerdings erst nach 1830 quantitativ wieder Anschluss an die Veröffentlichungshochkonjunktur zwischen 1790 und 1800 finden konnte.118 Gattungsspezifisch hatte sich die Reiseliteratur zu diesem Zeitpunkt bereits so stark diversifiziert, dass der klassisch konzipierte Reisebericht des 18. Jahrhunderts, den sein Autor als Informationsorgan für eine aufgeklärte Öffentlichkeit verstand, nur noch einen Bruchteil des gesamten Aufkommens ausmachte.119

2.4.2 Die Autoren: Nation – Profession – Konfession Bislang liegt nur eine kleine Zahl von Forschungsarbeiten zur Reiseliteratur vor, die eine größere Gruppe von Autoren mit gleichem Reiseziel in den Blick nehmen und deren soziales Profil analysieren.120 Das soziale und konfessionelle Gruppenprofil der Reiseberichterstatter ist jedoch eine notwendige Ergänzung zu den aus den Berichten selbst abgeleiteten Kategorien konfessioneller Beobachtungsmuster. Um eine stichhaltige Rückbindung der verschiedenen Aspekte von Selbstbeschreibung und Fremdwahrnehmung in der Reiseliteratur mit ihren 116 Vgl. Gisela Dischner, Ursprünge der Rheinromantik in England. Zur Geschichte der romantischen Ästhetik, Frankfurt am Main 1972, S. 126. 117 Vgl. Cepl-Kaufmann, Mythos, S. 117; Weyhrauch, Geschichte, S. 30f. 118 Vgl. Weyhrauch, Geschichte, S. 33. 119 Vgl. ebd., S. 34–38, 497. 120 Vgl. Struck, West, S. 45. Ausnahmen neben der Arbeit von Struck sind: Françoise Knopper, Le regard du voyageur en Allemagne du Sud et en Autriche dans les relations des voyageurs allemands, Nancy 1992 und Alexander Schmidt, Reisen in die Moderne. Der Amerika-Diskurs des deutschen Bürgertums vor dem Ersten Weltkrieg im europäischen Vergleich, Berlin 1997. Zwar untersucht auch Frauke Geyken in ihrer Arbeit zum britischen Deutschlandbild eine größere Gruppe (dies., Gentleman auf Reisen. Das britische Deutschlandbild im 18. Jahrhundert, Frankfurt 2002), verzichtet aber auf eine nähere gruppenbiographische Analyse. Von Struck nicht berücksichtigt wurde der kompakte Überblick von Herbert Zimmermann, Reisebeschreibungen des 18. Jahrhunderts über Norddeutschland. Verfasser – Entwicklung – geistiger Standort, in: Griep/ Jäger, Reise (1983), S. 127–168.



Autoren, Leserschaft und Publikationskonjunkturen des Rheinreiseberichts 

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Autoren leisten zu können, sollte zunächst das nationale, berufliche, soziale und konfessionelle Spektrum ihrer Herkunft analysiert werden.121 Auf der Basis einer Zusammenstellung von Kurzbiographien der Autoren von Rheinreiseberichten zwischen 1648 und 1815 lassen sich Angaben über Nation bzw. Muttersprache, Konfession, Profession und sozialen Stand dieser Gruppe ermitteln.122

Diagramm 3: Sprache der Erstveröffentlichung.

Mit 69% stellen deutschsprachige Autoren den mit Abstand größten Anteil an schriftstellerischen Beiträgen zur Rheinreise zwischen 1648 und 1815.123 Mit 15% fällt der Anteil englischsprachiger Reiseschriftsteller zwar geringer als erwartet aus, was allerdings nichts daran ändert, dass deren Werke einen stilbildenden und funktionalen Vorbildcharakter besaßen. Die zahlreichen Übersetzungen aus dem Englischen in die deutsche Sprache lassen erkennen, wie früh sich der nordostdeutsche Buchmarkt bereits des englischen Blickes auf die Rheinlande bediente. So erschienen die Reisebeschreibungen Edward Brownes 1686 in 121 Vgl. Struck, West, S. 45. 122 Siehe Kapitel 6 (Anhang: Kurzbiographien der Rheinreiseberichterstatter 1648–1815). 123 Dies entspricht fast exakt den Werten bei Weyhrauch, Geschichte, S. 38 (71,4%) und Blum, Kunstwerke, S. 125 (67,9%).

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 Grundlagen: Reiseliteratur als historische Quelle

Leipzig (Original: London 1673), die von Gilbert Burnet 1693 ebenfalls in Leipzig (Original: London 1689); Jean de Blainvilles Reisen wurden zwischen 1764 und 1767 in Lemgo veröffentlicht (Original: London 1742), eine Übersetzung der Travels Joseph Marshalls erschien in vier Bänden zwischen 1774 und 1778 in Danzig (Original: London 1772), Adam Walkers Bemerkungen fanden sich bereits 1791 auf dem deutschen Buchmarkt (Berlin), nachdem sie erst 1790 in London erschienen waren, gleiches gilt für die Übersetzung der Observations von Esther Lynch Piozzi durch Georg Forster (Original: London 1789, Übersetzung: Frankfurt am Main 1790). Unter dem Titel Freye Bemerkungen auf einer Reise in den Rheingegenden war das 1793/94 in London erstveröffentlichte Werk The Rhine von Thomas Cogan 1797 wiederum in Leipzig auf den Markt gebracht worden. Der Anteil von 8% französischer Autoren verdankt sich zum allergrößten Teil jenem Zeitabschnitt, in dem das linke Rheinufer zur Grande Nation gehörte und die Neugier auf Darstellungen und Beschreibungen der neuen Landsleute besonders groß war (Robineau 1791, Breton 1802, Camus 1803, Madame de Staël 1813). Eine Besonderheit hinsichtlich der Sprachwahl stellt das Werk der französischen Hofdame Félicité de Genlis dar. Durch die postrevolutionäre Emigration zu schriftstellerischem Gelderwerb gezwungen, verfasste sie ein 1804 in Leipzig erstveröffentlichtes viersprachiges Handbuch für Reisende, in welchem sich neben verschiedenen Routenbeschreibungen und handbuchartigem Grundwissen für Reisende auch ein Anhang mit wichtigem Vokabular und kurzen Modellsätzen für Reisende befindet. Neben alltäglichen kurzen Gesprächssituationen – in der Apotheke, im Kutschwagen oder im Hotel – gibt es auch einen längeren Abschnitt mit dem Titel „Von einem emigrierten Priester, welcher eine Stelle sucht“.124 Auf Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch sind dort unter anderen folgende Sätze zu lesen: „Ich wünsche eine Almosenier-Stelle in einem Mönchs- oder Nonnen-Kloster.“ Und in Bezug auf mögliche weitere berufliche Optionen als Bediensteter: „Wünschten Sie, daß die Familie katholisch wäre? Auf alle Fälle wäre es mir lieber; inzwischen würde ich auch bey Protestanten eine Secretair- und Bibliothecar-Stelle annehmen...“. Die gesteigerte, da erzwungene Mobilität des französischen Klerus und Adels nach der Revolution 1789 führte auch zu einer verstärkten Nachfrage für französischsprachige Reiseliteratur zu den Rheingegenden, wodurch der populäre zweibändige Reiseführer des Koblenzer Priesters Josef Gregor Lang schon bald in französischer Übersetzung vorlag.125 124 Benutzt wurde die vierte Auflage des offensichtlich stark nachgefragten Werkes: Félicité de Genlis, Handbuch für Reisende, Leipzig 41807, S. 256–261. Die erste Auflage war 1804 ebenfalls in Leipzig erschienen. 125 Siehe: Louis-Bertrand Robineau, Voyage sur le Rhin depuis Mayence jusqu’à Dusseldorf, Neuwied 1791.



Autoren, Leserschaft und Publikationskonjunkturen des Rheinreiseberichts 

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Die Berichte skandinavischer Autoren erschienen durchweg in unmittelbarer zeitlicher Nähe auch in deutscher Sprache: die Reisebriefe des schwedischen Orientalisten Jakob Björnstahl 1780 in Stockholm und zwischen 1780 und 1782 in Leipzig und Rostock auf Deutsch, das Labyrinth des dänischen Literaten Jens Baggesen 1792 in Kopenhagen und 1795 in Altona und Leipzig, die Briefe des dänischen Historikers Frederik Sneedorf 1792 in Kopenhagen und bereits 1793 übersetzt in Züllichau, die Reiseeindrücke des dänischen Pädagogen Johann Torlitz 1805 in Kopenhagen und 1807 in Leipzig, die Episoden der dänisch-deutschen Schriftstellerin Friederike Brun 1806–1809 ausschließlich in deutscher Sprache in Zürich. Von den auf Italienisch verfassten Berichten wurden lediglich die Reiseeindrücke des aus Rimini stammenden Geistlichen Aurelio de’ Giorgi Bertòla tatsächlich unmittelbar der italienischsprachigen Öffentlichkeit 1795 durch Verlagspublikation zugänglich gemacht (Übersetzung ins Deutsche 1796). Die Aufzeichnungen des Kardinals Giuseppe Garampi, ebenfalls gebürtig in Rimini, und des aus Paternó auf Sizilien stammenden Geistlichen Giovan Battista Nicolosi wurden erst deutlich nach ihrer Niederschrift ediert und publiziert.126 Der aus Tassullo, einem kleinen Ort in der Nähe von Trient, stammende Publizist Carlo Antonio Pilati verfasste seinen Bericht 1779 auf Französisch. Beim Blick auf die regionale Herkunft und den späteren Lebensmittelpunkt der deutschsprachigen Autoren fällt eine eindeutige Nord-Ost-Orientierung auf. Die Städte Leipzig, Weimar, Eisenach, Halle und Berlin spielen hier eine herausragende Rolle; in Bezug auf die Reichsterritorien kann man die Gebiete der Hohenzollernmonarchie (Brandenburg, Preußen), Sachsen und Hannover sowie die kleineren Regionen wie Schleswig, Holstein und Braunschweig-Wolfenbüttel nennen.127 Besonders interessant ist die Häufigkeit, mit der Göttingen als Studien- und Arbeitsort der Reiseschriftsteller auftaucht. Friedrich Justinian von Günderode (Reisebericht von 1774), Heinrich Sander (1783), Christian Gotthilf Salzmann (1784), Christoph Meiners (1791), Johann Nikolaus Becker (1792 und 1799), Karl Gottlieb Heun (1793), Friedrich Christian Laukhard (1793), der Däne Frederik Sneedorff (1793), Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg (1794), August Joseph Ludwig von Wackerbart (1794), Johann Heinrich Liebeskind (1795) und Wilhelm August Lampadius (1811) hatten in der Universitätsstadt studiert, in der ein solch großer Wert auf das Reisen in Theorie und Praxis gelegt worden war 126 Siehe: Giuseppe Garampi, Viaggio in Germania, Rom 1889; Giovan Battista Nicolosi, Deutschlandreise des Giovan Battista Nicolosi. Deutsche Übersetzung und historischer Kontext, Rheinfelden 1998. Zur Präsenz italienischer Geistlicher am Rhein im 18. Jahrhundert vgl. Friedrich von Weech, Römische Prälaten am deutschen Rhein 1761–1764, in: Neujahrsblätter der Badischen Historischen Kommission NF 1 (1898), S. 3–80. 127 Dies entspricht weitestgehend den Beobachtungen bei Struck, West, S. 55–60.

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 Grundlagen: Reiseliteratur als historische Quelle

(2.2.4). Auch Therese Huber, geborene Heyne und zeitweilige Ehefrau Georg Forsters, stammte aus einer einflussreichen Göttinger Professorenfamilie. Hinsichtlich des sozialen und beruflichen Hintergrunds der Reisenden hatte es um 1750, bedingt durch die Änderungen in Bezug auf die kulturelle Praxis des Reisens allgemein (2.2.5), eine erhebliche Verschiebung gegeben. Die Autorenschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in der die absolute Mehrheit an Reiseberichten im Untersuchungszeitraum erschienen ist, war nunmehr geprägt durch bürgerliche Reisende.128 Die Mehrheit der Verfasser eines Reiseberichts hatte ein juristisches Studium absolviert und arbeitete anschließend in einer administrativen Position. So wirkte Carl Wilhelm Drais von Sauerbronn als Geheimer Rat in Baden (Reisebericht von 1795), Johann Heinrich Gottlieb Hermann war als Beamter in preußischen Diensten tätig (1790), Johann Nikolaus Becker arbeitete als Jurist in verschiedenen Funktionen im französischen Staatsdienst (1792 und 1799), gleiches gilt für Ferdinand Bodmann (1811), Karl Dupuis war kurkölnischer Hofbeamter in Bonn (1789), Christian Ulrich Detlev Eggers als dänisch-holsteinischer Beamter in diplomatischen Geschäften unterwegs (1798), Leopold Friedrich von Goeckingk war seit 1793 preußischer Oberfinanzrat (1782), der aus einer alten Frankfurter Patrizierfamilie stammende Friedrich Justinian von Günderode wirkte unter anderem am Reichskammergericht in Wetzlar und war letzter Stadtschultheiß der freien Reichsstadt Frankfurt (1774), Kaspar Heinrich von Sierstorpff war braunschweigwolfenbüttelscher Staatsmann (1804), Gerhard Anton von Halem arbeitete als Verwaltungsbeamter in Oldenburg (1790), Christian Friedrich Meyer trug den Titel des königlich preußischen Kriegs-, Domänen- und Forstraths (1794); ebenso reiseschriftstellerisch betätigte sich der badische Hofrat Aloys Wilhelm Schreiber (1790), und als einer der ersten schreibenden Juristen war der königlich-dänische Justizrat Johann Peter Willebrand in Erscheinung getreten (1758). Obwohl die meisten der genannten Beamten einen Adelstitel trugen, entstammten sie dem Milieu und dem Habitus nach eher dem Bürgertum als dem traditionsverbundenen Adel.129 Auffallend hoch ist auch die Zahl von reiseschriftstellerischen Publikationen aus der Feder evangelischer Theologen. Während der Reisebericht des pietistischen Basler Theologen Hieronymus Annoni von 1736 zu dessen Lebzeiten noch nicht veröffentlicht worden war, suchte der aus Leipzig stammende und später in London wirkende evangelische Geistliche Johann Gottlieb Burckhardt 1783 mit seinen Beschreibungen gezielt die Öffentlichkeit. Gleiches gilt für den lutherischen Theologen Samuel Christian Wagener, der in Halle studiert hatte (Reisebericht von 1797); ebenfalls in Halle hatte August Lafontaine Theologie studiert und sein Predigerexamen abgelegt, bevor er als Schriftsteller arbeitete (Bericht von 128 Vgl. Beyrer, Postkutschenreise, S. 103–143; Hentschel, Reiseliteratur, S. 52–54. 129 Vgl. dementsprechende Beobachtungen bei Struck, West, S. 46.



Autoren, Leserschaft und Publikationskonjunkturen des Rheinreiseberichts 

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1793). Carl Gottlieb Horstig war nach seinem Studium in Leipzig als Oberprediger in Bückeburg tätig (1803), Friedrich Christian Laukhard, Sohn eines lutherischen Pfarrers im damals pfälzischen Wendelsheim, studierte evangelische Theologie zunächst in Gießen, dann in Göttingen. Johann Tobler war reformierter Geistlicher der Zürcher Kirchengemeinde (1788), ebenso wie Johann Caspar Lavater (Rheinreise mit Goethe und Basedow 1774). Stephan Schultz war als Mitarbeiter des pietistisch orientierten Hallenser Institutum Judaicum (gegründet 1728), das eine gut organisierte Missionierung der europäischen Juden anstrebte, zwanzig Jahre in ganz Europa unterwegs, bevor er als Prediger an St. Ulrich in Halle wirkte (1770). Wilhelm Ludwig Steinbrenner studierte und lehrte evangelische Theologie an der Universität Erlangen (1789); Johann Christoph Friedrich Schulz war Professor für evangelische Theologie an der Universität Gießen (1784). Karl Friedrich Steinkopf hatte in Tübingen evangelische Theologie studiert; er stieß später die Gründung der Basler Mission mit an, bevor er als Geistlicher in England wirkte und maßgeblich in konfessioneller Offenheit die Gründung zahlreicher Bibelgesellschaften mit initiierte (1812, publiziert erst 1987). Auch der auf den Erfahrungen einer 1815 getätigten Reise basierende Bericht des livländischen evangelischen Geistlichen Eduard Assmuth wurde erst 1976 veröffentlicht. Die Reiseschriftsteller Christian Gotthilf Salzmann (1784), Christian Gottlieb Schmidt (1786), August Gottlieb von Preuschen (1787), Frederik Münter (1791) und Christian Wölfling (1795) hatten ebenfalls evangelische Theologie studiert und danach im universitären oder pastoralen Bereich gearbeitet. Die Reisebeschreibungen der anglikanischen Geistlichen Gilbert Burnet (1685), John Ray (1738), Martin Sherlock (1781), John Gardnor (1787) und Robert Gray (1794) erschienen bereits kurz nach der absolvierten Rheinreise als Buchveröffentlichung, bei den beiden Erstgenannten kurz darauf sogar in deutscher Übersetzung. Die freyen Bemerkungen des presbyterianischen Geistlichen Thomas Cogan wurden, wie bereits bemerkt, 1797 in Leipzig aufgelegt (Original London 1793). Den insgesamt 24 Geistlichen protestantischer Richtung stehen nur wenige Amtsbrüder katholischer Konfession gegenüber. Schriftstellerisch am profiliertesten agierten hier sicherlich der französische Benediktiner Casimir Freschot, der seine Reisebeschreibungen dezidiert als konfessionelle Polemiken gestaltete (1705),130 und der italienische Geistliche und Lebemann Giorgio Aurelio de’ Giorgi Bertòla, dessen Rheinreise (1795) stilistisch in Bezug auf die romantische Landschaftswahrnehmung sehr einflussreich werden sollte. Im deutschsprachi130 Vgl. Françoise Knopper-Gouron, Le Bénédictin Casimir Freschot pendant la guerre de succession d’Espagne: patriotisme d’Empire, anti-protestantisme et jansénisme, in: Francia 12 (1984), S. 271–282.

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gen Bereich erreichte der Koblenzer Pfarrer Joseph Gregor Lang den publizistisch größten Erfolg mit seiner zweibändigen Rheinreise, die bereits 1791 auch ins Französische übersetzt wurde.131 Die Reiseberichte des belgischen Jesuiten Daniel Papebroch (1660), des italienischen Kurienkardinals Giuseppe Garampi (1761) und seines Landsmanns Giovan Battista Nicolosi (1647) wurden erst sehr viel später veröffentlicht und dienten vornehmlich der institutionsinternen Informationspflicht von Orden und Kurie. Der aus Dachau stammende katholische Pfarrer Johann Adam Wening verfasste ein Reisewerk mit stark volksaufklärerischem Charakter, dessen Vermischung von fiktionalen und realen Reiseerfahrungen nur schwer unterscheidbar ist. Als dritte große Gruppe lassen sich naturwissenschaftlich ausgebildete Autoren identifizieren, unter denen die Mediziner die Mehrheit bilden. Zu ihnen sind zu zählen: die englischen Ärzte Edward Browne und John Howard, ihr schottischer Kollege John Moore, der niederländische Reisebegleiter Alexander von Humboldts Steven van Geuns, der Franzose Charles Patin, der aus Eisenach stammende Leibarzt des Herzogs von Sachsen-Gotha Johann Friedrich Carl Grimm, der in München und Würzburg lehrende Mediziner und Geograph Friedrich Albrecht Klebe, der Wiesbadener Kurarzt Friedrich August Lehr, der Elberfelder Mediziner und Schriftsteller Gottfried Peter Rauschnick, der Thurn und Taxische Leibarzt und Hofrat Jacob Schäffer, sowie der zeitweilig als Hofarzt des Fuldaer Fürstbischofs wirkende Melchior Adam Weikard und der im Siegerland wirkende Chirurg Georg Friedrich Wendelstadt.132 Während bei den Ärzten auf Reisen zwar immer wieder auch medizinische Aspekte in den Reisebeobachtungen auftauchten, verfassten sie durchweg thematisch an eine breitere Leserschaft gerichtete Schriften. Anders verhielt sich dies bei dezidiert mit naturwissenschaftlichem Interesse reisenden und dokumentierenden Forschern, wie etwa dem englischen Vulkanologen William Hamilton, dem aus Genf stammenden Geologen Jean André de Luc und dem anglikanischen Geistlichen und vor allem als Botaniker bekannten John Ray. Dennoch verlieren auch sie in ihren Berichten historische, politische und kulturelle Zusammenhänge nie ganz aus dem Auge. Auch wenn sich anhand der absolvierten Studienfächer bestimmte Schwerpunkte hinsichtlich der Profession der Reisenden benennen lassen, muss insgesamt eine große berufliche Mobilität festgestellt werden.133 So lassen sich für 131 Vgl. Mario Kramp/Verena Spies von Büllesheim, Eine Gemäldegalerie für Koblenz. Zum 250. Geburtstag des Stifters Joseph Gregor Lang. Ein Beitrag zur Frühgeschichte bürgerlicher Museen in Deutschland, in: ders. (Hrsg.), Eine Gemäldegalerie für Koblenz. 170 Jahre Mittelrhein-Museum – 250. Geburtstag des Stifters Joseph Gregor Lang, Koblenz 2005, S. 11–27, hier S. 12. 132 Speziell zu den Reiseberichten von Ärzten vgl. Heyne, Rhein-Main-Gebiet. 133 Zum gleichen Ergebnis kommt Struck, West, S. 48.



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viele Reisende die Berufsbilder nur wenig klar umreißen. Der in Mainz geborene Ferdinand Ochsenheimer absolvierte zunächst eine Sattlerlehre, konnte dann noch durch wohltätige Unterstützung in Philosophie promovieren, galt als Schmetterlingskundler von europäischem Renommee, versuchte sich als Literat und verdiente sein Brot schließlich als Schauspieler. Der aus dem Luxemburgischen stammende August Gottlieb von Preuschen war als studierter Theologe nicht nur Hof- und Stadtdiakon in Karlsruhe, sondern auch ein einflussreicher und erfindungsreicher Kartograph. James Gardnor war von Haus aus anglikanischer Geistlicher, betätigte sich zum Broterwerb aber zeitweise als Landschaftsmaler. William Beckfords berufliche Betätigungsfelder waren im Grenzbereich von Politik, Schriftstellerei und Dandytum ebenfalls weitgesteckt. Ein einheitliches Merkmal der in der Bibliographie berücksichtigten Reiseschriftsteller ist die universitäre Ausbildung, in den juristischen, theologischen und medizinischen Fächern, und das überwiegend städtische und damit bürgerliche Milieu, aus dem sie stammten. Lediglich der in Mainz geborene Buchbindermeister Adam Henß übte einen Handwerksberuf aus, bevor er später als Bürgermeister von Weimar und Landtagsabgeordneter bürgerliche Ambitionen entwickelte und sich auch politisch betätigte.134 Die verstärkte Nachfrage nach Literatur auf dem allgemein expandierenden deutschen Buchmarkt zwischen 1770 und 1800 (2.2.4)135 ließ die Schriftstellerei schließlich zu einem eigenen Berufsbild werden.136 Männer wie Gottfried von Rotenstein, Ludwig von Boclo oder Carl Gottlob Küttner nutzten explizit die Reiseschriftstellerei zum Broterwerb und wurden zu professionellen Reisenden, durch welche die Öffentlichkeit mit Berichten aus aller Herren Länder versorgt wurde. Johann Heinrich Campe entdeckte schließlich den pädagogischen Wert der Reiseliteratur und förderte als Verleger gezielt die Publikation von Reiseberichten aus aller Welt (3.5.2). Gerade für Frauen stellte die Reiseschriftstellerei aufgrund der ansonsten weitestgehend verschlossenen frühneuzeitlichen Ausbildungs- und Berufswelt eine der wenigen Möglichkeiten dar, selbständig Geld zu verdienen.137 Auch in 134 Zu Henß speziell und der bürgerlichen Emanzipation des Handwerkerstandes im 19. Jahrhundert allgemein vgl. Hans-Ulrich Thamer, Emanzipation und Tradition. Zur Ideen- und Sozialgeschichte von Liberalismus und Handwerk in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Wolfgang Hardtwig (Hrsg.), Die Aufklärung und ihre Weltwirkung, Göttingen 2010 (= Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 23), S. 55–73. 135 Hierzu auch Reinhard Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Überblick, München 1991, S. 147. 136 Vgl. Kiesel/Münch, Gesellschaft, S. 77–104. 137 Vgl. Irmgard Scheitler, Gattung und Geschlecht. Reisebeschreibungen deutscher Frauen 1780–1850, Tübingen 1999, S. 90–99.

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diesem Punkt zählten englische Autorinnen zur Avantgarde der Entwicklung, denn bereits 1763 erschienen die Reisebriefe von Mary Wortley Montagu; ihr folgten Esther Lynch Piozzi (1784) und Ann Ward Radcliff (1794) mit ihren Werken. Im deutschsprachigen Raum war es vor allem Marie Sophie von La Roche, welche die Zuverdienstmöglichkeit durch die Publikation von Reiseliteratur für ihre Geschlechtsgenossinnen mit ihrem Reisetagebuch von 1788 salonfähig machte. Mit Schilderungen einer Rheinreise folgten ihr unter anderem Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen Arthur, Agnes Sophie Becker, Susanne von Bandemer, Pauline Dorothea Frisch, Charlotte von Ahlefeld, die zeitweilige Ehefrau Georg Forsters Therese Marie Huber und die deutsch-dänische Schriftstellerin Friederike Brun. Der heute sicherlich bekannteste Reisebericht, der in diesem Kontext entstanden ist, ist derjenige der Madame de Staël. Die vorgestellten Daten zur sozialen und regionalen Herkunft der Reiseschriftsteller besitzen bereits eine implizite konfessionelle Dimension. Die überwiegend protestantisch geprägten Herkunftsregionen im Norden und Osten um die städtischen Zentren Leipzig, Berlin und Hamburg wirken sich beispielsweise in Bezug auf das Berufsfeld der reiseschriftstellerisch aktiven Geistlichen – wobei hier auch die englischen und italienischen Standesvertreter eine wichtige Rolle spielten – mit einem konfessionellen Verhältnis von etwa 6:1 zu Gunsten des Protestantismus aus. Wie der Blick auf die gattungsgeschichtliche Entwicklung der Reiseliteratur insgesamt bereits gezeigt hat, waren der methodische Einfluss des Ramismus, die ältere britische Tradition des veröffentlichten Reiseberichts mit seiner national-religiösen Funktionalisierung und die als Lehranstalt der Aufklärung konzipierte Universität Göttingen mit ihrer Verankerung von Theorie und Praxis des Reisens in Forschung und Lehre konfessionell eindeutig dem Protestantismus (bzw. Anglikanismus) zuzuordnen. Das quantitative Verhältnis von protestantisch und katholisch sozialisierten Autoren lässt sich nicht mit absoluten Zahlen belegen, da nicht für alle Personen der konfessionelle Stand erhoben werden konnte bzw. derselbe sich – wie beim Beispiel des Konvertiten Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg – im Laufe der Zeit auch geändert haben konnte. Wir werden jedoch sehen können, dass besonders im 18. Jahrhundert weitaus häufiger die religiöse Praxis des Katholizismus in den Fokus der Reiseschriftsteller geriet. Die kritische Funktion, welche dem Medium der Reiseliteratur im Zeitalter der Aufklärung zugekommen war, ließ sie auch für katholisch sozialisierte Autoren wie Johann Pezzl, Carlo Antonio di Tassullo Pilati oder auch Johann Kaspar Riesbeck zu einem beliebten Instrument werden, innerkatholische Themen zu problematisieren und für sie eine Öffentlichkeit herzustellen. Dabei konnte die geäußerte Kritik durchaus auch überkonfessionelle Zustände in den Blick nehmen. In seinem vielgelesenen radikal-aufklärerischen Reiseroman Faustin wurde zwar vornehmlich der unaufgeklärte Zustand der katholischen Lande kritisch begut-



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achtet und überspitzt dargestellt, aber auch vorgebliche Missstände innerhalb des Protestantismus wurden von Pezzl aufs Korn genommen.138

2.4.3 Die Leserschaft Eine Untersuchung der Sozialstruktur des Lesepublikums der Reiseliteratur der Frühen Neuzeit gestaltet sich als schwierig, da sich gemeinhin in den Werken selbst nur selten Hinweise auf die angesprochene Leserschaft finden lassen.139 Eine Analyse der gelegentlich vorhandenen Subskribentenlisten und Praenumerantenverzeichnisse bildet einen vorsichtig zu interpretierenden Ansatz, um ein ungefähres Bild der Sozialstruktur zu gewinnen.140 Peter Jörg Becker hat dies am Beispiel der Praenumeranten der äußerst publikumswirksamen Reisebeschreibung Friedrich Nicolais durchgeführt, und – wie zu erwarten war –141 das Bildungsbürgertum in seiner ganzen Breite als Lesepublikum identifiziert.142 Eine weiterhin hohe Analphabetenrate auch im ausgehenden 18. Jahrhundert,143 die 138 Nachdem der fiktive Held seiner Geschichte in Köln in die Fänge einer sich sehr katholisch gebenden Schönheit, die sich später allerdings als professionelle Anwerberin des hessischen Militärs entpuppen sollte, geraten war und dieser mit ihr über die Rückständigkeit und Verstocktheit des katholischen Klerus diskutierte, legt Pezzl der Dame folgende Worte in den Mund: „Laß das, Närrchen, versezte das Mädchen; machen sie es uns doch auch nicht besser die Herren mit den diken steifen Halskragen... Nicht besser, frug Faustin hastig! ... Nicht um ein Haar, erwiederte die Schöne: Seh nur einmal ein bischen in den Heidelberger Katechismus; da sind unsre katholischen Geistlichen Herren Baalspfaffen, da ist die Messe eine Abgötterei, ist der Pabst der Antichrist, und die römische Kirche nichts hübscheres als geradezu die grosse babylonische Hure selbst ...“. Siehe: Johann Pezzl, Faustin oder das aufgeklärte Jahrhundert, o.O. 1784, S. 191. 139 Vgl. Neutsch, Reisen, S. 15. 140 Zur den interpretatorischen Schwierigkeiten vgl. Reinhard Wittmann, Subskribenten- und Praenumerantenverzeichnisse als lesersoziologische Quellen, in: Herbert G. Göpfert (Hrsg.), Buch und Leser, Hamburg 1977 (= Schriften des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Geschichte und Buchwesen, Bd. 1), S. 125–159. Allgemein zur Entwicklung der deutschen Leselandschaft in der Frühen Neuzeit vgl. Hans-Erich Bödeker/Ernst Hinrichs (Hgg.), Alphabetisierung und Literarisierung in Deutschland in der frühen Neuzeit, Tübingen 1999. 141 Vgl. hierzu bereits Stewart, Reisebeschreibung, S. 188–193. 142 Vgl. Peter Jörg Becker, Bibliotheksreisen in Deutschland im 18. Jahrhundert, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens XXI (1980), Sp. 1479–1485. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch Struck, West, S. 121–126 mit seiner Analyse der Subskribentenliste von Johann Georg Christian Fick, Meine neueste Reise zu Wasser und Land oder ein Bruchstück aus der Geschichte meines Lebens, Erlangen 1807. 143 Vgl. differenziert hierzu: Robert A. Houston, Alphabetisierung, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz European History Online (EGO), published by the Leibniz Institute of European History (IEG), Mainz 2012-01-26. URL: http://www.ieg-ego.eu/houstonr-2011-de URN: urn:nbn:de:0159-2011121271 [2014-02-02].

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hohen Kosten und der für Handwerker und Bauern wenig attraktive Stil der literarisierten Reisewerke schränkten den Leserkreis stark ein.144 Erschwerend kam hinzu, dass der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stark selbstreferentielle Charakter der aus bürgerlicher Feder stammenden Reiseliteratur unausgesprochen einen eigenen Adressatenkreis ausbildete.145 In Bezug auf ihre geographische Distribution und das allgemeine Interesse an der Reiseliteratur mit Rheinbezug kann ein Blick auf die Verlagsorte zumindest eine grobe Orientierung vermitteln. Für die herangezogenen, gedruckten Quellen ließ sich in 170 Fällen der Verlagsort feststellen.146 21,8% der Reiseberichte wurden in Leipzig publiziert, 11,8% in London. Rund 6% erschienen in Hamburger Verlagen, 4,1% in Berlin. Als südwestdeutsche Stadt kann lediglich Frankfurt am Main mit einem Anteil von 10% die Dominanz nord- und ostdeutscher Verlagsorte aufbrechen. Verlagsorte wie Jena (drei Nennungen), Rostock, Halle, Göttingen und Altenburg (alle zwei Nennungen) runden dieses Bild ab. Lediglich vier Veröffentlichungen erschienen in Köln und drei in Mainz. Die nordostdeutsche Prägung der Verlagsorte lässt sich sicherlich noch stärker mit der Herkunft der Autorenschaft als mit dem tatsächlich erreichten Lesepublikum in Korrelation setzen. Dennoch entspricht sie in dieser Form auch der geographischen Ansiedlung der für die Verbreitung der Werke wichtigen Einrichtung der Lesegesellschaften, die in den katholischen Reichsteilen erst mit einiger Verspätung und weniger zahlreich anzutreffen waren.147 Ein Zufallsfund in den Rara-Beständen der Mainzer Stadtbibliothek erlaubt es, zumindest ansatzweise die unmittelbaren Leserreaktionen auf die Lektüre eines Reiseberichts und seine konfessionellen Einlassungen zu rekonstruieren.148 In einem Exemplar der Wanderungen, Kreuz- und Querzüge an den Ufern des Rheins mit Episoden aus dem Jahr 1805, das in Altenburg anonym erschienen war, sich allerdings dem aus Leipzig stammenden Historiker und Schriftsteller Johann Gottlob Schulz zuordnen lässt,149 finden sich an den Rändern zahlreicher Seiten handschriftliche Kommentare aus der Feder mindestens zweier Leser. Schulz, von 144 Vgl. Neutsch, Reisen, S. 16f. 145 Vgl. ebd., S. 17. 146 Mit einbezogen wurden auch die übersetzten Werke, bei denen sowohl der Erscheinungsort des Originals als auch der Übersetzung berücksichtigt wurde. Bei Nennung von mehr als einem Erscheinungsort wurden sämtliche berücksichtigt. 147 Vgl. Marlies Stützel-Prüsener, Die deutschen Lesegesellschaften im Zeitalter der Aufklärung, in: Otto Dann (Hrsg.), Lesegesellschaften und bürgerliche Emanzipation. Ein europäischer Vergleich, München 1981, S. 71–86, hier S. 74. 148 Das Werk trägt die Signatur Mz 805/29 (R). 149 Vgl. auch die Rezension des Werks im 14. Band bzw. 14. Jahrgang der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung 1806, S. 277f.



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dem unter anderem auch landeskundliche Werke zu Sachsen150 und eine Stadtgeschichte Leipzigs vorliegen,151 hatte das Werk wohl nicht grundlos anonym veröffentlicht. Denn sehr offen werden in seinen Zeilen Sympathien für die französische Politik im linksrheinischen Gebiet benannt.152 Auch mit seiner Kritik am Katholizismus hielt er nicht hinter dem Berg, sondern führte zahlreiche, von ihm als Missstände deklarierte Episoden vor allem aus der Pfalz an, in denen die Rückständigkeit und Bigotterie des katholischen Klerus und der Landbevölkerung vor Augen geführt werden sollten. Besonders diese Passagen hatten Vertreter der Mainzer Leserschaft des Werkes zu entschiedenem Widerspruch animiert, der von unbekannter Hand jeweils an den Rand des gedruckten Textes geschrieben wurde.

Abb. 4: Auszüge aus Schulz’ Wanderungen, S. 243.

150 Siehe: ders., Geschichte des Sachsenlandes und seiner Regenten, Leipzig 1795. 151 Siehe: ders., Beschreibung der Stadt Leipzig, Leipzig 1784. 152 So schreibt er nach einem Ausflug auf das rechte Rheinufer nach der Rückkehr nach Speyer: „Endlich siehst Du mich wieder auf dem Boden der Republik und ich athme wieder frei!“. Siehe: Schulz, Wanderungen, S. 206.

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So kam Schulz etwa auf das wieder erstarkende Selbstbewusstsein der katholischen Bischöfe im Departement Donnersberg zu sprechen, wo „der brave Präfekt Jean Bon St. Andre in Mainz hat mit dasigen Bischoff, der so vieles zu seiner Kompetenz ziehen will, was nicht dahin gehört, schon manche Fehde gehabt.“153 Und um dies zu illustrieren, berichtete er von einer gemischt-konfessionellen Heirat in Aachen, bei welcher der Ortsbischof bereits wieder alte Rechte eingefordert und durchgesetzt habe, die auf dem Boden des republikanischen Frankreichs eigentlich überwunden zu sein schienen (s. Bild 4). Der Mainzer Leser kommentierte dieses Beispiel mit geschwungenen Lettern „Gelogen du unverschämter lügenhafter Protestant“. Da sich Schulz’ Werk in Briefform präsentierte, besitzt jeder Abschnitt eine Datumszeile zu Beginn und eine anonymisierte Grußformel am Ende. Die so gleichsam als Lückentext erscheinende Schlusszeile wurde von Mainzer Hand an mehreren Stellen ergänzt. So grüßt auf Seite 45 „Dein... Esel“ oder auf Seite 93 „Dein Freund... Von Ochs“.

Abb. 5 und 6: Schulz’ Wanderungen, S. 45 und 93.

Die Bewertung Schulz’, dass die Volkserziehung im Departement nach nunmehr mehr als zehn Jahren nach der Revolution bedauerlicherweise „wieder in die Hände der Priester gegeben“ worden sei, wurde in der Ausgabe der Mainzer Stadtbibliothek von der handschriftlichen Zeile „Dies hat ein eselhafter Protestant geschrieben“ geziert.154 Weitere Kommentare wie „eine infahme Lüge von einem Lutrischen Spitzbub welche alles dem Catolicken zum Schümpf aufgeschrieben“155 lassen keinen Zweifel daran, welcher Konfession ihr Verfasser angehörte. Zugleich wurden der von Schulz angeprangerten Bevorteilung von Katholiken im pfälzischen Staatsdienst die konfessionspolitischen Verhältnisse in der sächsischen Heimat des Autors entgegengestellt.156 Als Schulz gegen Ende seiner Betrachtungen über politische Verbesserungsmöglichkeiten in Deutsch153 Siehe: ebd., S. 243. 154 Siehe: ebd., S. 72. 155 Siehe: ebd., S. 248. 156 Siehe: ebd., S. 194: „Sachsen? Wie war es denn bey vorigen Fürsten? Protestanten machten es zumeist ärger.“



Forschungsprobleme und -optionen 

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land räsonierte, dass es vor allem zwei Dinge seien, „die das Unglück von Deutschland“ machten, nämlich der Reichstag und die Reichskammer, ergänzte einer der anonym kommentierenden Leser am Rand ein drittes: „auch die Protestanten“.157 Dieser Einzelfund, der vermutlich bald nach Erscheinen des Reiseberichts 1805 entstanden sein wird,158 ist selbstverständlich nicht repräsentativ für die Reaktionen des Lesepublikums allgemein und auch nicht für das katholische im Speziellen. Er zeigt aber, welches konfessionelle Konfliktpotential durch das Medium Reiseliteratur angesprochen beziehungsweise selbst mit erzeugt werden konnte und wie sensibel Zuschreibungen durch die Mitglieder der anderen Konfession aufgenommen werden konnten. Ein Klima, das sicherlich durch die einflussreiche und weitverbreitete Reisebeschreibung Friedrich Nicolais Ende des 18. Jahrhunderts mit gefördert worden war.159

2.5 Forschungsprobleme und -optionen War die Entdeckung der Reiseberichte für die Kulturwissenschaften einem interdisziplinären Zugang zu verdanken, so führte die – auch methodisch – heterogene Zugangsweise zu den Quellen, die Linguisten, Literaturwissenschaftler, Anthropologen, Ethnologen, Philosophen, Naturwissenschaftler und viele mehr beschreiten, zu einer nur schwer überblickbaren Quantität an aus diesen unterschiedlichen fachlichen Kontexten hervorgegangenen Arbeiten.160 Und so stellte Peter Brenner bereits 1990 in seinem Überblickswerk über die Forschungsarbei157 Siehe: ebd., S. 287. 158 Nach Auskunft von Annelen Ottermann, Abteilungsleiterin Handschriften, Rara, Alte Drucke und Bestandserhaltung der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Mainz, wurde der vorliegende Band der Bibliothek als Geschenk zu einem unbekannten Zeitpunkt zugeführt und war zuvor lange Zeit in Privatbesitz. Auf S. 256 des Buches wurde handschriftlich die Jahreszahl 1808 vermerkt, womit ein terminus post quem für die Anfertigung der Marginalien genannt werden kann. Weitere Besitzvermerke enthält das Exemplar leider nicht. 159 Hierzu passend die Bemerkung des aufgeklärten, im Kloster Donauwörth lebenden Benediktiners Beda Mayr, in: ders., Etwas an Herrn Nikolai, Buchhändlern in Berlin, und seinen Rezensenten in der allgemeinen Literaturzeitung, Nr. 94, 95 für Herrn Dr. und Prof. Sailer in Dillingen, von keinem Exjesuiten und keinem Proselytenmacher, o.O. 1786, S. 16: „Es ist für uns gewiß sehr beleidigend, daß die Protestanten, nur sehr, sehr wenige ausgenommen, auch von Juden, Türken und Heiden so mäßig und tolerant schreiben können, sobald aber die Rede auf Katholiken kommt, scheinen sie auf einmal ganz andere Menschen zu werden und malen uns so fürchterlich ab, daß es freilich kein Wunder ist, wenn es einen Protestanten über uns graut.“ 160 Vgl. Struck, West, S. 24. Einen größeren Überblick bot zuletzt Uwe Hentschel, Reiseliteratur. Ein kritischer Überblick über einige neuere Forschungsbeiträge, in: Wirkendes Wort 51 (2001), S. 119–126.

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ten zur Gattungsgeschichte der Reiseliteratur ernüchtert fest, „der aktuelle Stand der Forschung“ sei „gerade durch die Disparatheit der Fragestellungen und Methoden sowie durch die Heterogenität des untersuchten Materials charakterisiert, so daß der Gegenstand ebenso wie die Untersuchungsergebnisse nach wie vor diffus bleiben.“161 Michael Maurer nahm diesen Gedankengang wiederum auf, um im Gegenzug das Potential der Quellengattung als Option für interdisziplinäre Zugänge und Methodenvereinheitlichung hervorzuheben. Durch die interdisziplinäre Bestimmung gemeinsamer Begrifflichkeiten bei der Arbeit am selben Quellenmaterial bestehe die optimale Möglichkeit, methodische Zugänge und Begriffe zu entwickeln, die das Reisen zum „paradigmatisch idealen Gegenstand einer erneuerten Kulturgeschichte“ werden lassen könnten.162 Gerade in ihrem Raumbezug sieht Maurer ein fächerübergreifendes Moment der Reiseberichte, denn „indem Menschen reisen, tragen sie ihre ‚selbstgesponnenen Bedeutungsgewebe‛ (Clifford Geertz) in die Welt hinaus; sie verwirklichen ihr ‚Weltbild‛ durch Bildungsreisen und Wallfahrten zu weltanschaulich fundierenden Punkten, sei es religiös oder weltlich.“163 Hier knüpft Michael Harbsmeier an, wenn er dafür plädiert, den Umstand, dass eine Reisebeschreibung meist mehr über ihren Verfasser aussagt als über ihren eigentlichen Gegenstand, nämlich die beschriebenen Länder und Kulturen, konsequent mentalitätsgeschichtlich nutzbar zu machen. „Reisebeschreibungen können in diesem Sinne als eine Art unfreiwilliger kultureller Selbstdarstellung der Ausgangskultur verstanden werden. Schon diese Unfreiwilligkeit verleiht den so verstandenen Texten ein ganz anderes Maß von Glaubwürdigkeit.“164 Die Beschreibung kultureller Selbstverständlichkeiten bringe somit unbewusst das kulturelle Selbstverständnis des Autors zum Ausdruck.165 Zur Verifizierung der These schlägt er die Untersuchung einer Serie von Texten verschiedener Verfasser derselben Ausgangskultur vor, um somit eine Differenzierung von Erwartungen und Einstellungen unterschiedlicher sozialer Gruppen desselben Sprachraums zu erlauben. Aufgrund des hohen Grades an kultureller Fremdheitserfahrung, die sich im europäischen Kontakt mit den überseeischen Kulturen des Entdeckungszeitalters ereignete, boten sich der Forschung zunächst vor allem die Beschreibungen außereuropäischer Reisen des 15. und 16. Jahrhunderts an, um

161 Vgl. Brenner, Reisebericht (1990), S. 3f. 162 Vgl. Maurer, Reisen, S. 296. 163 Siehe: ders., Kulturgeschichte. Eine Einführung, Köln/Weimar/Wien 2008, S. 183. 164 Siehe: Harbsmeier, Reisebeschreibungen, S. 1f. 165 Vgl. ebd., S. 7.



Forschungsprobleme und -optionen 

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der Spur Harbsmeiers nachzugehen.166 Der Einfluss von mentalitätsgeschichtlichen Dispositionen auf den Autor, die sich in Wahrnehmung und Beschreibung von erfahrener fremder Wirklichkeit in den Reiseberichten auswirkten,167 lassen sich hier besonders markant nachweisen.168 Somit sind also „Reiseberichte ebenso sehr Zeugnisse epochenspezifischer, nationaler, schichtenspezifischer und auch individueller Beurteilungsnormen der realiter oder fiktional Reisenden bzw. der Autoren.“169 Die Vielzahl an neuen Eindrücken und die Reisebedingungen selbst stellen zu allen Zeiten eine enorme Herausforderung an Wahrnehmungs- und Darstellungsvermögen des Reisenden dar. Die Erfahrung der Andersartigkeit als eines Grundphänomens interkultureller Kontakte wird vom Reisenden mittels seiner kulturell vorgeprägten Wahrnehmungskategorien und bestimmter eingeübter Bewältigungsstrategien aufgearbeitet und reflektiert.170 Im Rahmen der Reiseberichte bilden sich in intertextueller Hinsicht bei der Darstellung bestimmter Themen mit der Zeit Topoi aus,171 die sich zu Vorurteilen beziehungsweise Stereotypen verfestigen können und dem Reisenden durch ihren vereinfachenden Charakter dabei helfen, seine Eindrücke kognitiv zu verarbeiten und sprachlich

166 Er selbst tut dies hier: Michael Harbsmeier, Wilde Völkerkunde. Andere Welten in deutschen Reiseberichten der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1994. Als literaturgeschichtlicher Überblick: Brenner, Erfahrung, S. 14–49. 167 Vgl. Brenner, Reisebericht (1990), S. 29. 168 Vgl. hierzu die zahlreichen Beiträge in: Anne Fuchs/Theo Harden (Hgg.), Reisen im Diskurs: Modelle der literarischen Fremderfahrung von den Pilgerberichten bis zur Postmoderne, Heidelberg 1995. Besonders erwähnt seien: Clemens Murath, Intertextualität und Selbstbezug – Literarische Fremderfahrung im Lichte der konstruktivistischen Systemtheorie, in: ebd., S. 3–18 und Eoin Bourke, „Der zweite Kolumbus?“ Überlegungen zu Alexander von Humboldts Eurozentrismus, in: ebd., S. 137–151. 169 Siehe: Herbert Grabes, Die literarische Begegnung mit dem Fremden, in: Lothar Bredella/ Herbert Christ (Hgg.), Begegnungen mit dem Fremden, Gießen 1996, S. 38–58, hier S. 39. Hierzu auch Jürgen Osterhammel, Distanzerfahrung. Darstellungsweisen des Fremden im 18. Jahrhundert, in: Hans-Joachim König/Wolfgang Reinhard/Reinhard Wendt (Hgg.), Der europäische Beobachter außereuropäischer Kulturen. Zur Problematik der Wirklichkeitswahrnehmung, Berlin 1989 (= Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 7), S. 9–42. 170 Vgl. Tanja Hupfeld, Zur Wahrnehmung und Darstellung des Fremden in ausgewählten französischen Reiseberichten des 16. bis 18. Jahrhunderts, Göttingen 2007, S. 48. 171 Einschlägig erforscht im Kontext der Entdeckung des amerikanischen Doppelkontinents ist beispielsweise der Topos des „edlen Wilden“, vgl. Hans-Jürgen König, Vielfalt der Kulturen oder europäisches Muster? Amerika und Indios in frühen deutschen Schriftzeugnissen, in: Adriano Prosperi/Wolfgang Reinhard (Hgg.), Die neue Welt im Bewußtsein der Italiener und Deutschen des 16. Jahrhunderts, Berlin 1993, S. 175–213; Maria del Mar Ramírez Alvarado, Construir un imagen. Visión europea del indígena americano, Sevilla 2001, besonders S. 27–48.

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auszudrücken.172 Für das Lesepublikum erleichtern solche Vereinfachungen die Integration des Fremden in das eigene Weltbild, jedoch auf Kosten des Objektivitätsanspruchs und einer letztendlichen Nicht-Wahrnehmung des Fremden zugunsten seiner sprachlichen und gedanklichen Assimilierung.173 Das Phänomen der Erfahrung kultureller Differenz und ihrer kognitiven und sprachlichen Aufarbeitung blieb in der Entwicklungsgeschichte der Reiseliteratur allerdings nicht auf außereuropäische Reiseberichte beschränkt. Im Hinblick auf die konfessionell verschieden geprägten Kulturen im Europa der Frühen Neuzeit174 ergaben sich im Kontext der Aufklärung neue Betätigungsfelder für Reiseschriftsteller, welche die Reise selbst und die Berichterstattung hierüber an eine aufgeklärte Öffentlichkeit als patriotische Aufgabe verstanden wissen wollten (2.2.4). Der ethnologische Blick, wie er etwa an der Universität Göttingen professionellen Reiseschriftstellern anempfohlen und antrainiert wurde, richtete sich nunmehr auch auf die deutsche Provinz und die hier lebenden Menschen anderer Konfession.175 Die generelle Problematik bezüglich der Verarbeitung von Fremdheitserfahrungen blieb jedoch die gleiche.176 Als öffentliches Forum diente die Reiseliteratur vor allem im Aufklärungszeitalter nicht nur der Verarbeitung und Integration von „Fremdem“ in das eigene Weltbild, zugleich war sie auch ein Medium der Identitätskonstruktion, in dem Prozesse der Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung innerhalb eines intertextuellen Bezugsrahmens stattfinden konnten.177 Wenn man als frühneuzeitlicher europäischer Reisender auf die aktuelle Gestalt einer verwandten Konfessionsgemeinschaft blickte, so sah man hier das Resultat einer parallel zur eigenen verlaufenden historischen Entwicklung, von der man sich bewusst abgespaltet beziehungsweise in selbstdefinitorischer Zielrichtung aktuell zu distanzieren hatte. Die Beschreibung von religiöser Differenz in jeglichem Teilbereich ihres frühneuzeitlichen gesamtgesellschaftlichen Wirkzusammenhangs – religio vinculum societatis! – diente damit gleichzeitig der Legitimation der eigenen konfessionellen Tradition und Andersartig- oder vielmehr Richtigkeit.

172 Vgl. Karlheinz Ohle, Das Ich und das Andere. Grundzüge einer Soziologie des Fremden, Stuttgart 1978 (= Sozialwissenschaftliche Studien, Bd. 15), S. 26. 173 Vgl. Hupfeld, Wahrnehmung, S. 50. 174 Hierzu ausführlich Hersche, Muße, hier besonders Bd. 2, S. 892–899; Kaspar von Greyerz, Religion und Kultur. Europa 1500–1800, Göttingen 2000. 175 Vgl. Schmidt, Heimat. 176 Vgl. Nolde, Staunen, S. 13–35. 177 Vgl. dies., Religion, S. 271–289. Zum Themenkomplex Selbstdarstellung und Selbstkonstruktion vgl. Klaus Arnold/Sabine Schmolinsky/Urs Martin Zahnd (Hgg.), Das dargestellte Ich. Studien zu Selbstzeugnissen des späteren Mittelalters und der frühen Neuzeit, Bochum 1999.



Forschungsprobleme und -optionen 

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In Anbetracht dieser fundamentalen Bedeutung der Reiseliteratur als Quelle für das wechselseitige Verhältnis der Konfessionen in der Frühen Neuzeit machte der Kulturwissenschaftler Michael Maurer auf das Desiderat einer Konfessionsgeschichte des Reisens aufmerksam.178 Dort „wird zu zeigen sein, wie Reisen und Lebensverhältnisse verflochten waren, so daß das Element der Konfession für Identität und Abgrenzung zumindest in der Frühen Neuzeit, also dem Konfessionellen Zeitalter par excellence, von grundlegender Bedeutung war. Die Wahrnehmung des Anderen, des Fremden, war unvermeidlicherweise gefiltert durch die Linse der eigenen konfessionellen Sozialisation.“179 Erste Ansätze für eine verstärkte Betrachtung konfessionell geprägter Wahrnehmungsmuster in Reiseberichten wurden bislang insbesondere von Cornelius Neutsch und Dorothea Nolde geliefert.180 Eine systematische, auf ein bestimmtes Territorium eingegrenzte Erforschung konfessioneller Differenzerfahrungen in Reiseberichten der Frühen Neuzeit steht allerdings noch aus. Auf der Basis der in diesem Kapitel beschriebenen Grundlagen bezüglich der gattungsgeschichtlichen und funktionalen Genese der Quellengattung Reiseliteratur soll dies am Beispiel der Rheinreise geleistet werden. Dazu wurde der erhobene Quellenbestand nach thematisch eingegrenzten (Kapitel 3) und nach räumlich lokalisierbaren Orten (Kapitel 4) solcher Erfahrungen hin untersucht, um deren kon- und intertextuellen Bezüge herauszuarbeiten.

178 Dies geschah in seinem mittlerweile als Standardwerk geltenden Werk: Neue Impulse der Reiseforschung, Berlin 1999, S. 351–354. Einen vertieften Blick auf die konfessionellen Aspekte wirft Michael Maurer in seinem Beitrag „Italienreise. Kunst und Konfession“, in: Hermann Bausinger/Klaus Beyrer/Gottfried Korff (Hgg.), Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, München 1991, S. 221–229. 179 Siehe: ders., Impulse, S. 352. 180 Exemplarisch für die Beschreibung alles Religiösen in Reiseberichten aus dem Rheinland und Westfalen um 1800: Cornelius Neutsch, Religiöses Leben im Spiegel von Reiseliteratur, Köln, Wien 1986 (= Kölner Veröffentlichungen zur Religionsgeschichte, Bd. 9); Nolde, Staunen. Noch nicht erschienen ist die Habilitationsschrift von Dorothea Nolde, die unter folgendem Titel im Juli 2011 an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel eingereicht worden ist: Fremdheitserfahrung und Kulturtransfer - deutsche und französische Europareisende, ca. 1525– 1750. Hierin widmet sie sich vertieft der Bedeutung religiöser Differenzerfahrung. Nicht dezidiert konfessionell orientiert, aber dennoch in unserem Zusammenhang interessant: Isabel Gutiérrez Koester/Berta Raposo Fernández (Hgg.), Bis an den Rand Europas. Spanien in deutschen Reiseberichten vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 2011. Ein Teilaspekt der vorliegenden Arbeit wurde ausschnitthaft bereits publiziert, vgl. Christoph Nebgen, „Die EvangelischLutherischen verfassen die schönsten Bücher; die Römisch-Catholischen dahingegen verfassen die schönsten Töchter!“ Konfessionell orientierte Beschreibungsmuster in Berichten Rheinreisender der Vormoderne – Der Einfluß Johann Caspar Lavaters, in: Innsbrucker Historische Studien 29 (2012), S. 267–281.

3 Themenfelder religiöser Differenzerfahrung 3.1 Ein Blick zurück nach vorn „Am Morgen des Dreikönigstages hörte es über ihnen auf zu regnen, denn das Wasser unter ihnen hatte plötzlich wieder einen Namen, und als er sich umwandte, sah der Kleine Baedeker, wie neben ihnen die Mosel flussaufwärts langsam das Bildnis des heiligen Quiriacus geschwommen kam, und deutlich hörte er eine Stimme, die rief: Ihr werdet euch noch glücklich schätzen, durch Hecken und Stauden zu mir zu kommen.“ Felicitas Hoppe, Paradiese, Übersee, S. 176

Zu dem mentalen Rüstzeug, das jeder mit auf Reisen nimmt, gehört auch die ganz persönliche Antwort darauf, wie man es denn mit der Religion hält. Abhängig hiervon ist nicht nur die Gestaltung der eigenen religiösen Praxis unterwegs, sondern – in Bezug auf den Reisebericht – vor allem die Wahrnehmung und Bewertung der in der Fremde vorgefundenen Formen von Religiosität. Bei der Lektüre frühneuzeitlicher Reiseberichte – und nicht nur hier! – kann man feststellen, dass alles durch „die Linse der eigenen konfessionellen Sozialisation“ (Michael Maurer) betrachtet und bewertet wurde. Bei unserer vorangegangenen Beschäftigung mit den Grundlagen für die Untersuchung von Rheinreiseberichten hatten wir in Bezug auf die Quellengattung Reiseliteratur und im Speziellen auf die Autoren der von uns herangezogenen Texte feststellen können, dass man bereits vor einer inhaltlichen Analyse der Quellen hinsichtlich des Einflusses der Konfession einige wichtige Einschränkungen und gattungsgeschichtliche Besonderheiten feststellen kann. So zeigte der Blick auf den soziokulturellen Hintergrund der hier berücksichtigten Reiseschriftsteller, dass es vor allem Protestanten nord- und ostdeutscher Provenienz waren, die ihre Reiseerlebnisse vom Rhein im 17. und insbesondere dem 18. Jahrhundert schriftlich fixierten und einer Öffentlichkeit präsentierten. Im Zeitalter der Aufklärung war das Reisen und das Berichten hierüber zu einem öffentlichen Medium der Identitätskonstruktion geworden, das an den modernen Universitäten der Zeit, wie etwa Göttingen, systematisch studiert werden konnte. Die Beobachtung des fremden „Andern“ hatte im Kontext des eigenen kulturellen Bezugsrahmens, dem hierüber berichtet wurde, eine wichtige Funktion bei Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung. In unserem Zusammenhang war dieses Fremde also zumeist – aber nicht ausschließlich! – der Katholizismus des 18. Jahrhunderts, wie man ihn in all seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen entlang des Rheins besonders in den drei alten Erzbistümern Mainz, Trier und Köln vorfinden konnte. Hinzu kam die gattungsgeschichtliche Entwicklung der Quellensorte „Reisebericht“ selbst

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und der starke geistesgeschichtliche Einfluss Englands, die mitverantwortlich dafür waren, dass nur selten Katholiken in Reiseberichten auf ihre Konfessionsverwandten am Rhein blickten, Differenzerfahrungen thematisierten und diese einer breiteren Öffentlichkeit mitteilten. Das macht die wenigen Ausnahmen, die es gibt, umso interessanter. Eine doppelte Grenzerfahrung1 erlebten im Zusammenhang mit den Rheingegenden die englischen Reisenden. In konfessioneller wie kultureller Hinsicht stellten sie eine relativ homogene Gruppe Reisender und Reiseschriftsteller dar, die während ihrer Reise auf dem Festland zwangsläufig allgemein kulturelle und religiöse Fremdheitserfahrungen machte.2 Ihre große Zahl, die vergleichsweise früh einsetzende Publikationstätigkeit und Übersetzung ins Deutsche, die gattungsgeschichtliche Vorreiterrolle im 18. Jahrhundert und die allgemeine Anglophilie unter deutschen Aufklärern, namentlich an der Universität Göttingen,3 machen sie zu einer der wichtigsten Teilgruppen unter den Rheinreisenden der Frühen Neuzeit. Um für das Untersuchungsgebiet der Rheinreise unter konfessionellen Gesichtspunkten das Spektrum von religiös kontextualisierter Differenzerfahrung ausloten zu können, soll im Folgenden zunächst am Beispiel von Berichten britischer Rheinreisender der Frühen Neuzeit ein Längsschnitt unternommen werden. Anhand dieses Längsschnittes und der Lektüre des Gesamtbestandes der herangezogener Reiseliteratur wurden Beobachtungs- und Themenfelder konfessioneller Differenzerfahrung identifiziert, die im nun folgenden Kapitel einzeln vorgestellt werden. Nur ein Aspekt unter weiteren ist hierbei die Beobachtung von religiöser Praxis in der Fremde (3.4). Der Bogen soll geschlagen werden von der „konfessionellen Physiognomie der Landschaft“ (3.3), wie sie von britischen Reisenden schon früh beobachtet wurde, über die Thematisierung konfessioneller Zusammenhänge im Bereich der Bildung (3.5) und der Wirtschaft (3.6), bis hin zur Physiognomie des Menschen, dem seine konfessionelle Orientierung –

1 Zum Begriff der Grenzerfahrung in Bezug auf die Reiseliteratur vgl. Andreas Rutz, Grenzen im Raum – Grenzen in der Geschichte. Probleme und Perspektiven, in: Eva Geulen/Stephan Kraft (Hgg.), Grenzen im Raum – Grenzen in der Literatur, Berlin 2010 (= Zeitschrift für deutsche Philologie. Sonderheft 129), S. 7–32; Andreas Rutz, Grenzüberschreitungen im deutsch-niederländisch-französischen Grenzraum, in: Christine Roll/Frank Pohle/Matthias Myrczek (Hgg.), Grenzen und Grenzüberschreitungen. Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung, Köln/ Weimar/Wien 2010, S. 217–222. 2 Vgl. Ingrid Kuczynski, Verunsicherung und Selbstbehauptung – der Umgang mit dem Fremden in der englischen Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts, in: Fuchs/Harden, Reisen, S. 55–70. 3 Vgl. Michael Maurer, Aufklärung und Anglophilie in Deutschland, Göttingen 1987 (= Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Bd. 19).



Britische Reisende am Rhein – ein Längsschnitt 

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so beschreiben es wenigstens manche Reisende – förmlich vom Gesicht ablesbar schien (3.7).

3.2 Britische Reisende am Rhein – ein Längsschnitt „Eines der wichtigsten Merkmale, welches aus britischer Sicht die eigene Insel vom Kontinent unterschied, war die Konfession, Protestantismus hier, Katholizismus dort.4

Die enge Verflechtung von nationaler und religiöser Identität, die in der gemeinsamen Idee von Freiheit und Unabhängigkeit wurzelte, und die im britischen Selbstverständnis als maßgeblich für das Gelingen der Glorious Revolution von 1688/89 galt, definierte die britische Entwicklungsgeschichte als die eines von Gott auserwählten Volkes.5 Somit galt die Idee einer Allianz von reformierter und nationaler Identität als Erfolgsgarant für das sich ausformende britische Selbstverständnis, die führende Nation im Prozess der Moderne zu sein.6 Als Gegenfigur und allgemeines Hindernis dieser Erfolgsgeschichte wurde im britischen Bewusstsein ein Antipapismus installiert, der alles Katholische klar von der eigenen Entwicklung abgrenzte.7 Das aufgeklärte Ideal religiöser Toleranz, wie es für das Gesamt der verschiedenen protestantischen Kirchen proklamiert wurde, galt explizit nicht für den Katholizismus.8 Die aus diesem Überlegenheitsgefühl gespeiste konfessionelle Differenzerfahrung der britischen Reisenden bestimmte somit maßgeblich deren Wahrnehmung insbesondere katholisch geprägter Terri4 Siehe: Geyken, Gentleman, S. 186. 5 Vgl. Ronald G. Asch, An Elect Nation? Protestantismus, nationales Selbstbewußtsein und nationale Feindbilder in England und Irland von zirka 1560–1660, in: Alois Mosser (Hrsg.), Gottes auserwählte Völker, Frankfurt am Main 2001, S. 117–141. 6 Zur Problematik in Bezug auf den Umgang mit der von der Church of England abgesplitterten Glaubensgemeinschaften im nationalen Selbstverständnis vgl. Silke Meyer, Die Ikonographie der Nation. Nationalstereotype in der englischen Druckgraphik des 18. Jahrhunderts, Münster 2003, S. 97f. 7 Vgl. Schilling, Identität, S. 192–252; Herbert Grabes, Elect Nation. Der Fundierungsmythos englischer Identität in der frühen Neuzeit, in: Helmut Berding (Hrsg.), Mythos und Nation, Frankfurt am Main 1996, S. 84–103; Linda Colley, Britons. Forging the Nation 1707–1837, London 1994; Heike Scherneck, Außenpolitik, Konfession und nationale Identitätsbildung in der Pamphletistik des elisabethanischen England, in: Berding, Bewußtsein, S. 282–300. 8 Vgl. Colin Haydon, „I love my King and my Country, but a Roman Catholic I hate“. Anticatholicism, xenophobia and national identity in eighteenth-century England, in: Tony Claydon/ Ian McBride (Hgg.), Protestantism and National Identity. Britain and Ireland, c. 1650–c. 1850, Cambridge 1998, S. 33–52; Franz Wieselhuber, Entwürfe englischer nationaler Identität in Pamphleten der Restaurationszeit, in: Berding, Bewußtsein, S. 301–322.

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torien und ihre Beschreibung in den kursierenden Reiseberichten auf der Insel.9 Für britische Reisende erlebte die Reiseform der Grand Tour, der klassischen Bildungsreise auf dem Festland, nach dem Utrechter Frieden ihre größte Blüte.10 Das Reisen wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einer der Lieblingsbeschäftigungen britischen Adels und Bürgertums. Wer nicht selbst reisen konnte, wurde zum armchair travellor, dem ein großes Angebot an gedruckten Reisebeschreibungen zur Verfügung stand.11 Durch die Kavalierstour auf das Festland sollten die zumeist jungen Reisenden nicht nur einen Zuwachs an Bildung erfahren, sondern auch auf eine Karriere im politischen und diplomatischen Bereich vorbereitet werden.12 Somit erfüllte die Reise auch einen patriotischen Zweck, indem die gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse über das Festland später zur „publique utility of one’s own Countrey“13 zur Verfügung gestellt wurden – und zwar in praktischer Art und Weise, aber auch in gedruckter Form. Die bevorzugten Reiseziele der britischen Festlandbesucher waren zumeist Italien und Frankreich, die Schweiz; die deutschen Staaten und Holland wurden zwar auf dem Rückweg in die Heimat durchreist, entwickelten sich aber erst im Laufe des 18. Jahrhunderts zu eigenständigen Zielregionen.14 Dies gilt insbesondere für das Obere Mittelrheintal, das durch die komfortableren Reisemöglichkeiten, welche die moderne Dampfschifffahrt ab dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bot, wesentlich an Attraktivität gewinnen konnte.15 Neben den zahlreichen positiven Zwecken, welche die Grand Tour in der Erziehung und Ausbildung leisten sollte, war sie jedoch nicht unumstritten. Der Vorwurf, die Reise auf das Festland könne die Zöglinge sittlich und moralisch verderben, entstand vor dem Hintergrund, dass das europäische Festland in britischen Augen zahlreiche Verlockungen bot, vor denen es sich zu schützen galt.16 So wurden zu Beginn des 17. Jahrhunderts sogar Lizenzen ausgestellt, die das Bereisen bestimmter Gegenden untersagten, da dort die Gefährdungen durch „Wein, Weib und Papisten“ allzu bedrohlich erschienen.17 Eben diese Aufzäh9 Speziell hierauf fokussiert: Geyken, Government, S. 321–336. 10 Vgl. Barbara Korte, Der englische Reisebericht. Von der Pilgerfahrt bis zur Postmoderne, Darmstadt 1996, S. 59. 11 Vgl. Geyken, Government, S. 322. 12 Vgl. Brilli, Reisen S. 21–30. 13 So die Zweckbestimmung der Instructions for Forraine Travell, die James Howell 1642 als Reiseanleitung für die britischen Festlandbesucher konzipiert und in London veröffentlicht hatte. 14 Vgl. Brilli, Reisen, S. 71–79. 15 Vgl. Cepl-Kaufmann/Johanning, Mythos, S. 115. 16 Vgl. Brilli, Reisen, S. 27–29. 17 Vgl. John Walter Stoye, Reisende Engländer im Europa des 17. Jahrhunderts und ihre Reisemotive, in: Maczak/Teuteberg, Reiseberichte, S. 131–152.



Britische Reisende am Rhein – ein Längsschnitt 

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lung lässt deutlich erscheinen, dass die vom Katholizismus ausgehende Gefahr für den britischen Festlandbesucher augenscheinlich weniger in der Kraft seiner theologischen Argumente, sondern eben vor allem in seiner starken Sinnenhaftigkeit vermutet wurde. Die ersten britischen Reisebeschreibungen, in welchen das Rheinland erwähnt wurde, orientierten sich an der klassischen Apodemik und lieferten zahlreiche Informationen über die traditionellen Zielorte der Bildungsreise mit vielen historischen Exkursen, Darstellungen landespolitischer Details und Beschreibungen der „merkwürdigsten“ Gebäude und Altertümer. So widmete Thomas Coryate große Passagen seines 1611 erschienenen Textes der Geschichte des Speyerer Domes, aber auch der des Heidelberger Fasses mit ausgiebigen (kunst-)historischen Betrachtungen.18 Gleiches gilt für den Naturforscher John Ray, der berufsbedingt den Fokus seiner Beobachtungen während seines Festlandaufenthaltes auf zoologische und botanische Sachverhalte richtete, und in konfessionellen Dingen – lediglich der Kenntnis halber – nüchtern und sachlich über die Zahl und Mengenverhältnisse der in den durchreisten Regionen vorherrschenden Religionsgemeinschaften informierte.19 Seit der Glorious Revolution von 1688/89, durch welche die bis dato auf der Insel geltende Politik relativer religiöser Toleranz abgelöst wurde durch ein nunmehr britisches (ab 1707) Selbstverständnis als europäisches Bollwerk des Protestantismus, änderte sich auch der Ton in den Reisebeschreibungen über die Verhältnisse auf dem Festland.20 Wenn noch 1668 der Londoner Arzt Edward Browne auf der Schifffahrt zwischen Köln und Koblenz den Prior des Koblenzer Dominikanerklosters ganz vorbehaltlos im Gespräch kennen und schätzen lernte und anschließend sogar als Gast in das Kloster aufgenommen wurde,21 so bildete dies für lange Zeit eine 18 Thomas Coryate, Coryat’s Crudities, London 1611. 19 John Ray, Travels through the Low-countries, Germany, Italy and France, with curious observations, natural, topographical, moral, physiological, &c. Also a Catalogue of Plants, found spontaneously growing in those Parts, and their Virtues. To which is added, an account of the Travels of Francis Willughby, Esq; through great Part of Spain, London 21738. 20 Vgl. Geyken, Government, S. 324. 21 Siehe: Edward Browne, Durch Niederland/ Teutschland/ Hungarn/ Servien/ Bulgarien/ Macedonien/ Thessalien/ Oesterreich/ Steirmarck/ Kärnthen/ Carniolen/ Friaul ec. gethane gantz sonderbare Reisen/ Worbey tausenderley merckwürdige Seltsamkeiten/ verschiedener Königreiche/ Länder/ ober- und unter-irdischer verwunderlicher Gebäue/ Städte/ Bäder/ Brünnen/ Flüsse/ Berge/ wie auch Gold-Silber-Kupffer-Bley- und Queck-Silber-Minen und anderer Mineralien ec. benebenst einem woluntersuchten Unterschied vielerley Völcker/ deren Religionen/ Sprach-Arten/ Kleidung/ Leibs- und Gemüths-Beschaffenheit: Fremder Thiere/ Früchte ec. auf das eigentlichst-deutlichst- und lebhaffteste vorgestellet werden. Auf eine recht ungemeine/ gelährte/ in andern deßfals ausgegebenen Schrifften nicht-befindliche Weise/ mit durch und durch beygebrachten hochvernünftigen Anmerckungen anfangs in Englischer nachgehends in Hollän-

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absolute Ausnahme in Bezug auf die Dokumentation direkter Kontaktaufnahme und Interaktion britischer Reiseschriftsteller mit katholischen Festlandbewohnern. Das Selbstverständnis, einer wirtschaftlich und zivilisatorisch weiterentwickelten Gesellschaft anzugehören, bestimmte in der Folge den vorherrschenden Ton in den Wahrnehmungen und Beschreibungen der britischen Reiseliteratur.22 Einen ersten Eindruck des geänderten englischen Blickwinkels auf die konfessionelle Situation Europas und die eigene Rolle in Bezug hierauf gewinnt man bei der Lektüre des Reiseberichts des anglikanischen Theologen und Historikers Gilbert Burnet, der unmittelbar nach der Revolution von 1688/89 zum Bischof von Salisbury bestellt worden war.23 Burnet widmete sich zwar in intertextueller Hinsicht der klassischen Themenpalette der Grand Tour, ergänzte sie allerdings um einige spöttisch bis infam zu nennende Ausschmückungen und Verunglimpfungen des Katholizismus. So bezog er sich beispielsweise auf die Ausführungen von Thomas Coryate zu einigen Legenden, die sich in Speyer um den Besuch des heiligen Bernhard von Clairvaux in der Stadt rankten. Coryate berichtete 1611 von den drei mit Rosenornamenten geschmückten Steinplatten im Speyerer Dom, die an Bernhards angebliches Zwiegespräch mit einem Marienbild im Dom erinnern, welches den Heiligen zu dem Zusatz zum Salve Regina „O clemens, o pia, o dulcis

discher Sprach beschrieben/ Nunmehr aber aus der letzern in die Hoch-Teutsche übersetzet/ und dem gemeinen Besten zu Nutz/ auch denen sonst Neuigkeits-Lieb-Gesinnten zu verhoffentlich mercklichem Gefallen/ als ein stattliches mit einigen netten Kupfferblatten ausgeziertes/ auch einem nöthigen Register erläutertes Werck/ auf vieler Verlangen/ durch offentlichen Druck gemein gemacht, Nürnberg 1686, S. 50. 22 Vgl. Geyken, Government, S. 325. 23 Das Original erschien 1686 in Amsterdam, wo er sich zwischen 1685 und 1688 im Exil befand, unter dem Titel Some letters containing an account of what seemed most remarkable in traveling through Switzerland, Italy, some parts of Germany etc. in the year 1685 and 1686. Nachdrucke in verschiedenen europäischen Sprachen. Zitiert wird aus der deutschen Übersetzung von 1693, die in Leipzig erschien: Des berühmten Englischen Bischoffs zu Salisbury Gilberti Burnets / Durch die Schweitz / Italien / auch einige Oerter Deutschlandes und Franckreichs vor wenig Jahren gethane Reise / Und derselben Curieuse Beschreibung / Worinnen die neuesten Im Geist- und Weltlichen Staat entstandene Revolutiones enthalten; Nebenst einem Anhang / In welchem ausführlich von dem QVIETISMO, Lebens-Beschreibung Molinos, und vielen andern Italien betreffenden Begebenheiten gehandelt wird / Anfänglich in Englisch- nachgehends Frantzosisch ietzo aber in deutscher Spreche beschrieben / und in dieser dritten Edition nach dem Englischen mit Fleiß übersehen und verbessert, Leipzig 1693. Eine Neuauflage der deutschen Übersetzung erschien 1922 in dem Wolfenbütteler Verlag der Freude in der Reihe „Der Brunnen“. Als erster Band der Reihe war ein Jahr zuvor „Die Mär von Frau Jutten, der Päpstin Johanna“ erschienen, in welchem auf ähnliche Art und Weise wie bereits bei Burnet der angebliche Hang des Katholizismus zu Aberglauben und Doppelmoral thematisiert wurde.



Britische Reisende am Rhein – ein Längsschnitt 

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virgo Maria“ angeregt habe.24 Burnet erwähnte die baulichen Besonderheiten, die an diese Legende erinnern und fügte hinzu: ... on the first of these is engraven O Clemens, on the second O Pia, on the third O Faelix, and on the fourth Maria! The last is about thirty foot distant from a statue of the Virgin; so they say that St. Bernard came up the whole length of the church at four steps, and that those four plates were laid where he stept; and that at every step he pronounced the word that is engraven on the plate; and when he came to the last, the image of the Virgin answered him, Salve Bernarde; upon which he answered, Let a Woman keep silence in the church; and that the Virgin’s statue has kept silence ever since.25

Ähnliche unglaubliche Geschichten will er in der Nähe von Mainz gehört haben, wo ihm angeblich von einem Altarblatt erzählt wurde, welches die Transubstantiationslehre bildlich darstelle: I had another piece of curiosity on me, which will perhaps appear to you somewhat ridiculous. I had a mind to see a picture that, as I was told, is over one of the popish altars there, which one would think was invented by the enemies of transubstantiation, to make it appear ridiculous. There is a Windmill, and the Virgin throws Christ into the hopper, and he comes aout at the eye of the mill all in wafers, which some priests take up to give to the people. This is so coarse an emblem, that one would think it too gross even for laplanders, but a man that can swallow transubstantiation itself will digest this likewise.26

Während Burnet auf der einen Seite katholischen Wunderglauben und grundlegende theologische Vorstellungen bewusst ins Groteske erweiterte und somit persiflierte, galt seine Bewunderung dem deutschen Protestantismus und seinen historischen Protagonisten. So bedauerte er unmittelbar nach seiner Schilderung des genannten Altarblattes, nicht nach Worms gereist zu sein, „where Luther made his first appearance before the emperor and the dyet, and in that solemn audience expressed an undaunted zeal for that florous cause in which God made him such a blessed instrument.“27 Eine vorbildliche religiöse Toleranzpolitik wollte er in der Pfalz verwirklicht sehen, wo in Mannheim „Karl Ludwig ...built a church for them all three, which he called The Church of the Concord, in which both Calvinists, Lutherans, and Papists had, in the order in which I have set them down, the exercise of their religion; and he maintain’d the peace of his principality so entirely, that there was not the least disorder occasion’d by this

24 Siehe: Coryate, Crudities, S. 379. 25 Siehe: Burnet, Letters, S. 296. 26 Siehe: ebd., S. 304. 27 Siehe: ebd.

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toleration.“28 Ganz anders sei dies in Köln: „There is no exercise of the protestant religion suffered within the town, but those of that religion are suffered to live there, and they have a church at two miles distance.“29 Die Stadt Köln und ihr reicher Reliquienschatz besaßen eine besondere Anziehungskraft für britische Reisende und provozierten geradezu die spöttischen Bemerkungen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts war die Praxis der Reliquienverehrung auf der Insel vollständig eingestellt worden und die Kenntnis über ihre Existenz ganz aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschen verschwunden.30 Die englische Schriftstellerin Mary Wortley Montagu wertete den prachtvollen Schmuck der Kölner Kirchen bei ihrem Besuch 1716 dementsprechend als eine einzige große Verschwendung: Ich schlief drei Stunden so wohl, daß ich mich beim Erwachen völlig wiederhergestellt und munter genug fühlte, alles Sehenswürdige in dieser Stadt zu besichtigen; ich meine die Kirchen, denn sonst ist hier nichts, was verdiente, gesehen zu werden. Köln ist groß, allein die meisten Häuser sind alte Gebäude. Ein hübscher junger Jesuit zeigte mir mit vieler Höflichkeit die schönste aller Kirchen, nämlich die der Jesuiten. Er wußte nicht, wer ich war, und deswegen nahm er sich in seinen Komplimenten und Scherzen Freiheiten heraus, die mich sehr belustigten. Ich hatte nie dergleichen Kirchen vorher gesehen, ich konnte daher die Pracht der Altäre, die reichen Bilder der Heiligen (alle von massivem Silber) und die Einfassung der Reliquien nicht genug bewundern, wiewohl ich zugleich im Herzen über die Verschwendung von Perlen, Diamanten und Rubinen murrte, die auf die Verzierung vermoderter Zähne und schmutziger Lumpen verwandt wurden. Ich war, ich gestehe es, gottlos genug, Sankt Ursulas Perlenhalsband zu begehren. Doch ist hierin vielleicht gar keine Gottlosigkeit, weil ein Bild gewiß nicht unser Nächster ist; allein ich ging noch weiter und wünschte das Mädchen selbst in ein Tafelservice verwandelt. Auch würde es mich freuen, einen großen Sankt Christoph umgegossen zu sehen: als silberne Schüssel würde er sich meines Bedünkens recht gut machen. Dies waren meine frommen Betrachtungen, doch gefiel es mir recht wohl, zur Ehre unserer Nation die Schädel der elftausend Jungfrauen aufgetürmt zu sehen.31

Bei ihrer Weiterreise nach Nürnberg musste sie allerdings feststellen, dass Spuren der Reliquienverehrung der Katholiken auch im Raum des deutschen Protestantismus noch zu finden waren:

28 Ebd., S. 299. Vgl. Monika Ryll, Die Eintrachtskirche und die Nationalkirche in Mannheim. Zwei verschwundene Gotteshäuser als konfessionspolitische Leitbilder für den Kirchenbau des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, Bd. 27 (2000), S. 299–336. 29 Siehe: Burnet, Letters, S. 312. 30 Vgl. Antoni Maczak, Travel in early modern Europe, Cambridge 1995, S. 222–236. 31 Mary Wortley Montagu, Briefe aus dem Orient. Bearbeitet von Dr. Irma Bühler nach der Ausgabe von 1784 in der Übersetzung von Prof. Eckert, Stuttgart 1962, S. 22. Originaltitel: Letters ... written during her travels in Europe, Asia and Africa ... London 1763.



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Ganz frei sind auch die Lutheraner von diesen Torheiten nicht. Man zeigte mir hier in der Hauptkirche (Nürnberg) ein Stück vom Kreuze, in Edelsteine gefaßt, und die Spitze einer Lanze, die, wie sie gar ernsthaft behaupten, eben die nämliche sei, womit unser Heiland in die Seite gestochen wurde.32

Die Beschreibung von Aberglaube, „papistischer“ Rückständigkeit und Unvernunft, wie sie sich etwa an der Legendengläubigkeit der Katholiken festmachen lässt, die vom spitzfindigen britischen Reisenden mit einfacher rationaler Erklärung ad absurdum geführt werden konnte,33 diente mit all ihrem Spott nicht nur der Feststellung von Alterität, sondern hatte vor allem eine identitätsstiftende Funktion. Denn die der oberflächlichen und naiven Religiosität der Katholiken 32 Siehe: ebd., S. 25. 33 Geyken verweist auf die Kölner Ursula-Legende, die von britischen Reisenden mit Vorliebe vorgestellt und entlarvt wurde. So etwa bei John Durant Breval in dessen Remarks on several parts of Europe, London 1738, Bd. 2, S. 107. Vgl. Geyken, Government, S. 323. Der in den Reisebeschreibungen zum Teil durchscheinende „britische“ Humor bietet mit seiner beißenden Ironie auch für den heutigen Leser Gelegenheit zum Schmunzeln. So im Reisebericht von William Beckford, Dreams, Waking Thoughts, and Incidents, London 1783, wo er seinen Besuch am Grab der heiligen Drei Könige 1780 zum besten gibt: „Clouds of dust hindered my making any remarks on the exterior of this celebrated city; but if its appearance be not more beautiful from without than within, I defy Mr. Salmon himself to launch forth very warmly in its praise. But of what avail are stately palaces, broad streets, or airy markets, to a town which can boast of such a treasure as the bodies of those three wise sovereigns who were star-led to Bethlehem? Is not this circumstance enough to procure it every respect? I really believe so, from the pious and dignified contentment of its inhabitants. They care not a hair of an ass’s ear whether their houses be gloomy and ill-contrived, their pavements overgrown with weeds, and their shops with filthiness, provided the carcasses of Gaspar, Melchior, and Balthazar might be preserved with proper decorum. Nothing, to be sure, can be richer than the shrine which contains these precious relics. I paid my devotions before it the moment I arrived; this step was inevitable: had I omitted it, not a soul in Cologne but would have cursed me for a Pagan. Do you not wonder at hearing of these venerable bodies so far from their native country? I thought them snug in some Arabian pyramid ten feet deep in spice; but you see one can never tell what is to become of one a few ages hence. Who knows but the Emperor of Morocco may be canonized some future day in Lapland? I asked, of course, how in the name of miracles they came hither; but found no story of a supernatural conveyance. It seems the holy Empress Helena, as great a collectress of relics as the D---s of P. is of profane curiosities, first routed them out: then they were packed off to Rome. King Alaric, having no grace, bundled them down to Milan; where they remained till it pleased God to inspire an ancient archbishop with the fervent wish of depositing them at Cologne. There these skeletons were taken into the most especial consideration, crowned with jewels and filigreed with gold. Never were skulls more elegantly mounted; and I doubt whether Odin’s buffet could exhibit so fine an assortment.“ Dass der als Exzentriker bekannte Beckford nach seiner Rückkehr nach England sein Wohnhaus mit einem großen neogotischen Turm ausstatten ließ, war eine Reminiszenz an seinen Kölnbesuch. Vgl. Elke Heinemann, Babylonische Spiele: William Beckford und das Erwachen der modernen Imagination, München 2000.

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zugrundeliegende Rückständigkeit betraf sämtliche gesellschaftlichen Teilbereiche und bot einen klar abgrenzbaren Kontrast zu den Entwicklungen auf den britischen Inseln. Der Blick auf die katholischen Lande war gleichsam einer in die Vergangenheit, von der sich Britannien in einem aufgeklärten Emanzipationsprozess in religiöser wie politischer Weise gelöst hatte. Diese Rückständigkeit war nicht nur in religiösen Gebräuchen und Vorstellungen ablesbar, sie schien gleichsam im Landschafts- beziehungsweise Stadtbild selbst unmittelbar erkennbar zu sein. So bemerkte der Philosoph David Hume bei einer Reise durch die deutschen Lande 1748: In ganz Deutschland soll der Unterschied zwischen einem protestantischen und einem katholischen Landstrich stets zu bemerken sein. An dieser Beobachtung könnte vielleicht doch etwas dran sein, obwohl der Unterschied nicht überall auffällt.34

Hume exerzierte die These bei seiner Reise von der – wie er sie nennt – „protestantischen“ (Nürnberg) zur „katholischen Republik“ (Regensburg) durch und bemerkte Unterschiede im ökonomischen und sozialen Gefüge der beiden Städte, aber auch, dass in Nürnberg in der Anlage der Stadt alles hübsch anzusehen sei, gut und solide gebaut, während das Aussehen von Häusern und Menschen in Regensburg leidlich und mit Nürnberg nicht vergleichbar sei. Während einer fünf Jahre zuvor stattgefundenen Reise konnte James Taylor diese These am Beispiel der Landschaften, die am Laufe des Rheins entlang liegen, bestätigt sehen: The Rhine is ever where adorned with Vineyards, Corn-fields, Hills, Vales, Woods, Rocks, Isles, and variety of Beauties, and the Country about is full of fine Prospects, and abounding with all sorts of Plenty; but I think no Englishman can travel through these Countries, or ever after remember them without making this Observation: In all those Countries which are confined to Popery, especially where the Church has the supreme Power, one sees every where the face of Poverty, Distress, Oppression, and Despair; the Country seems to sigh and the Towns to mourn, the Woman and Children go for the most part without Shoes or Stockings, and many of them almost naked; the Children are fastened with Ropes to loaded Barrows, which they draw through the Streets, and their Mothers dig, saw, and carry heavy Burdens: Whereas on the contrary, in all those Places where Toleration of Conscience is allowed, and all Religions admitted to the same Privileges and Advantages, Trade lifts up its Head, and variety of Commerce is by such means supported, the country smiles and the Towns rejoice, their Poor are fed and cloathed, their Streets are neat and handsome, their Churches decent, and their Houses magnificent, but how poot and contemptible are even the best of these Countries when compared with Old England, where all Complaints are fairly heard, and no Man can be oppressed, where even Justice is accompanied with Mercy, where every Subject enjoys himself under his own Vine and his own Fig-tree, where Trade 34 Siehe: Reisejournal aus dem Jahr 1748, in: Gerhard Streminger, David Hume. Der Philosoph und sein Zeitalter, München 2011, S. 603–625, hier S. 615.



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has fixt her eternal abode, and Peace and Plenty sit every where smiling, crown’d with the Blessings of a pure Religion, Liberty and Wealth.35

Ähnliche stereotype Darstellungen hatten sich in britischen Reisebeschreibungen zunächst für Westfalen herausgebildet, das aufgrund seiner Lage oft der erste Berührungspunkt mit dem Katholizismus des Festlandes für die reisenden Briten gewesen war.36 Sie bildeten aber nunmehr das Grundgerüst der britischen Katholizismusbetrachtungen. Die traurigen, im Grunde bemitleidenswerten Zustände, mit denen die Lebensbedingungen der Menschen in katholischen Regionen beschrieben wurden, zeichneten sich auch im Stadtbild selbst ab. Dieses wurde in katholischen Regionen oft als schmutzig, unordentlich und eng beschrieben; es stand somit als ein Sinnbild für den Stand der Aufklärung der Katholiken selbst. So schreibt Taylor 1743 über Mainz: The people are here involved in the thickest darkness of Popery, yet their churches are much out of repair, dark and dirty; the Streets are also very narrow, and the Houses, for the most part, irregular and ill-built.37

Robert Gray, Bischof von Bristol, konnte für Köln 1791 eine gleichartige „mittelalterliche“ Rückständigkeit konstatieren, identifizierte dabei jedoch sogleich die Schuldigen an wirtschaftlicher und intellektueller Rückständigkeit: The few Protestants who are here are not tolerated in their worship, but go to a church at Mulheim, six miles farther in the palatinate: these however, are the chief promoters of trade. The Romanists exhibit their dark cathedral, and numberless monasteries: live in poverty to support an overgrown ministry, not respectable for character; and tell their superstitious and childish stories of St. Ursula and her eleven thousand virgins, and of coach-horses that ran up into the garret of a man to punish his incredulity, with such trumpery tales as prove, that some of the inhabitants of Cologne are not wiser in their popular creed, than they were ten centuries ago.38

Schuld an diesen Verhältnissen trage der katholische Klerus, dessen Protagonisten ganz allgemein als „not respectable for character“ dargestellt wurden.39 Der 35 Siehe: James Taylor, Remarks on the German Empire. With an historical account of the Towns of the Rhine and the operations of the campaign, 1743, London 1745, S. 271. 36 Vgl. Geyken, Government, S. 331. 37 Siehe: Taylor, Remarks, S. 204. 38 Siehe: Robert Gray, Letters during the Course of a tour through Germany, Switzerland and Italy in the years 1791 and 1792, London 1794, S. 24. 39 Die gleiche These am Beispiel der Stadt Köln bei Adam Walker, Bemerkungen auf einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich, Berlin 1791, S. 51. Original: Ideas suggested on the spot in a late Excursion through Flanders, Germany, France, and Italy, London 1790:

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reisende Arzt John Moore beobachtete mit fachmännischem Blick in Mainz Vertreter des dort zahlreich zu treffenden geistlichen Standes und diagnostizierte anhand des äußeren Erscheinungsbildes: By the great numbers of Monks and Friars of all colours and conditions, that are to be met near this city, we were apprised of our entrance into an ecclesiastical state, while the plump persons and rosy complexions of these fathers sufficiently proved, that they did not live in the fertile land of Rhenisch for nothing. However good Christians they might be, many of them had much the appearance of paying occasional homage to the ancient deity Bacchus, without being restrained in their worship like the soldiers on the parade at Manheim. – One of them in particular appeared to have just arisen from his devotion. – He moved along in the most unconcerned manner imaginable, without observing any direct course, or regarding whether he went to the right hand or to the left. He muttered to himself as he went.- Does he repeat his pater noster? said I. I rather imagine he prays from Horace, replied the D.. Quo me, Bacche, rapis tui Plenum? Quae nemora, aut quos agor in specus velox mente nova?40

Auch für den Fall, dass man Geistliche tatsächlich beim Gebet antraf, wurde dies sogleich relativiert, indem die zu erhaltenden Mess-Stipendien als eigentlicher Anreiz und Motivation zu demselben angeführt wurden, um damit den Klerus in jeglicher Hinsicht zu diskreditieren.41 Der Umstand, dass die Bevölke„Sie hat fast so viele Kirchen, wie Häuser, und ich glaube, eine jede dritte Person, die uns begegnete, war von irgend einem geistlichen Orden. Der Aberglaube scheint hier in seinem ganzen Triumph zu regieren.“ 40 Siehe: John Moore, A View of Society and Manners in France, Switzerland and Germany, London 1779, S. 406. Die Beschreibungen John Moores bilden eine Ausnahme, insofern er der einzige britische Reisende war, der einer geistlichen Landesherrschaft etwas Positives abgewinnen konnte. So konnte er am Beispiel des Mainzer Kurfürstentums feststellen, dass das Militär erstaunlich zurückhaltend auftrete, was er durchaus positiv zu werten weiß: „There are some troops in this capital, but I do not think the officers have that smart presumptuous air which generally accompanies men of their profession. They seem conscious that the clergy are their masters; and, I have a notion, are a little out of countenance on that account.“ (ebd., S. 409). Auch wenn die Geistlichen vornehmlich das eigene materielle Wohl im Auge hätten, seien die Lebensumstände insbesondere der Bauernschaft im Vergleich sehr gut: „Though it is most evident that in this electorate the clergy have taken exceeding good care of themselves; yet in justice to them, it must be acknowledged, that the people also seem to be in an easy situation. The peasantry appear to be in a state of far greater abundance than those of France, or even those in the Elector of Manheim’s dominions.“ 41 Pars pro toto ein Zitat aus Thomas Cogan, The Rhine, or a journey from Utrecht to Franckfort, chiefly by the borders of the Rhine and the passage down the river from Mentz to Bonn. Described in a series of letters, 1791 and 1791, 2 Bde., London 1793–1794, hier Bd. 2, S. 112: „We saw nothing in the Cathedral that merits description. There were, as usual, several monuments, and also, as usual, some relicts, and some consecrated treasures; but with these I shall not detain you.“ Einzig bemerkenswert erscheint ihm die Versammlung der Domkanoniker zum Gebet, doch der einheimische Führer – als Leumund für Cogans Sicht – habe hierbei bemerkt: „Sir, their



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rung der katholischen Lande dies offenbar wesentlich unkritischer sah und das System sogar zu unterstützen schien, erklärte sich für die britischen Berichterstatter durch den gezielten geistlichen Betrug an den unaufgeklärten und durch Legendenglauben dumm gehaltenen Menschen. Thomas Cogan erklärte dies am Beispiel des Wallfahrtsortes Bornhofen, der „... with these terrestrial charms, it is supposed to enjoy some celestial powers, as it is the refort of numerous pilgrims, who find themselves abundantly relieved, by paying their vows, and their money, and receiving absolution from the holy fraternity.“42 Die Einhaltung der Kirchenzucht geschah aber auch durch sozialdisziplinarische Maßnahmen, wie der anglikanische Priester und Landschaftsmaler John Gardnor 1787 bei einem Gespräch mit einem Bürger von Koblenz über den Trierer Erzbischof Clemens Wenzeslaus erfuhr: He represented him as the most pious and devout, but the most bigotted of all the ecclesiastical electors.... In the holy week the curé or vicar visits all the families of his parish, and requires billets of confession. Eight days afterwards he repeats his visit, demanding a certificate of communion. If any are found deficient in these testimonials of their submission to the discipline and authority of the church, they are summoned by an ecclesiastical synod...43

Dass die Herrschaft des männlichen Klerus auf Zwang basiere, zeige auch der Blick auf den weiblichen Ordensstand, dessen Leben in Klausur nur durch gezielte Unterdrückung erklärt werden konnte. Gardnor bemerkte hierzu bei der Vorüberfahrt am Kloster Marienberg bei Boppard: A large nunnery commanded a fine view of the river; where beautiful ladies, peeping out at the windows, seemed impatient of confinement. Such an object is apt deeply to affect the mind of a Protestant; the inhabitants passed by, without seeming to bestow a thought on the anguish and misery within.44

stipends depend upon a punctual attendance on public devotion, or you would not find them there, I can assure you.“ Cogans Beschreibungen waren kurz nach ihrer Erstveröffentlichung auch in deutscher Sprache erschienen: Freye Bemerkungen auf einer Reise in den Rheingegenden, Leipzig 1797. 42 Siehe: ebd., S. 323. 43 Siehe: John Gardnor, Views taken on and near the river Rhine at Aix la Chapelle and on the river Maese, London 1788, S. 83. Über die Praxis der „Beichtzettel“ für die Osterbeichte vgl. Andreas Heinz, Das liturgische Leben der Trierischen Kirche zwischen Reformation und Säkularisation, in: Bernhard Schneider (Hrsg.), Kirchenreform und Konfessionsstaat 1500–1801, Trier 2010 (= Geschichte des Bistums Trier, Bd. 3), S. 267–322, hier S. 305f. 44 Siehe: Gardnor, Views, S. 64.

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Die Unfreiheit in politischen wie religiösen Dingen galt in den Augen der britischen Reisenden als Grundübel und Hindernis dabei, ein so vernünftiges Fundament der gesellschaftlichen Verhältnisse zu schaffen, wie es in England durch den Protestantismus gelungen war zu installieren.45 Doch dieses Bewusstsein und die aus dem konstatierten Problem erwachsenden Gefahren schienen den Katholiken selbst völlig fremd zu sein. Thomas Cogan berichtete über ein Gespräch mit seinem Herbergsvater im Mainzer Hotel „Zu den Drei Kronen“, in dem er über die Notwendigkeit der religiösen und politischen Freiheit dozierte, nachdem er erfahren hatte, dass in Mainz keine protestantische Gemeinde zugelassen sei: These are certainly the most important, as they relate to our welfare in both worlds; and their native dignity is manifested by the extensive influence they have upon the human mind, when the free investigation of them is allowed.46

Wo diese Freiheiten eingeschränkt seien, würde für die Bigotterie die Tür weit geöffnet und schließlich im christlichen Sinne ein regelrechter Glaubensabfall herbeigeführt, der zum Gegenteil dessen führe, was man eigentlich beabsichtige. Die lapidare Antwort des Herbergsvaters sei laut Cogan gewesen, dass es bereits der Toleranz genug sei, wenn in Mainz neben den weiteren persönlichen Daten beim Absteigen im Hotel nicht zusätzlich auch noch die Konfessionszugehörigkeit abgefragt werde, wie es in anderen Städten durchaus üblich sei. Als Musterbeispiel für die Einhaltung religiöser Toleranz und deren positiver Effekte für die gesamte Gesellschaft nutzten die britischen Berichterstatter mit Vorliebe ausgerechnet Schilderungen über die konfessionelle Situation in der Pfalz. So stellte Thomas Cogan, der eben noch die mangelnde Freiheit in Mainz moniert hatte, beim Besuch des pfälzischen Kaub am Rhein fest: ... and it wisely tolerates the Protestants. From these advantages united, it enjoys vivacity, exhibits neatness, and assumes an air of respectability, superior to any town of its size upon the river.47

Adam Walker notierte nach einem Besuch Mannheims 1787: Diese Stadt enthält, gleich vielen Städten wo wir durchgekommen sind, für alle christliche Religionspartheien Kirchen. Luther, Calvin und der Pabst leben hier sehr freundschaftlich beisammen; alle drei handeln (oftmals in einer und derselben Kirche) einmüthig davon, daß,

45 Vgl. Geyken, Government, S. 329. 46 Siehe: Cogan, Rhine, S. 106–109. 47 Siehe: ebd., S. 311.



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Leuten, die anders glauben, die Hälse abzuschneiden, oder die Köpfe einzuschlagen, zur Erlangung der Seeligkeit nicht mehr nothwendig sey.48

Dass die konfessionellen Verhältnisse in der Kurpfalz spätestens seit den Entwicklungen des Pfälzischen Erbfolgekriegs tatsächlich nur wenig beispielhaft waren,49 fiel einzig John Gardnor 1787 bei seinem Besuch in Bacharach auf: The religious communities of Bacharach consist of Lutherans, Calvinists, and Roman-Catholics; the latter, however, though greatly out-numbered by the former, contrive to possess themselves of all places of profit or power, or to admit such only of the Protestants, as are too insignificant in point of consequence or abilities, to give any effectual opposition to their measures: and this tyrany which prevails generally through the whole principality of the palatinate, is suffers in many places to influence even the appointment of Protestant ministers to ecclesiastical benefices. It is difficult to account for this extreme passiveness, otherwise than by imputing it to a depression of spirit that may still accompany their recollection of the unexampled cruelties, which in the rage of Catholic zeal were exercised on their unfortunate ancestors at the end of the last century.50

In Gardnors Anspielung finden sicherlich auch die traumatischen Erfahrungen der britischen Gesellschaft einen Ausdruck, die man mit den 13.000 bis 15.000 protestantischen Flüchtlingen aus der Pfalz 1709 gemacht hatte.51 War durch die Erinnerungen an die Zeiten der Bloody Mary ein grundsätzlicher Antikatholizismus in England weit verbreitet, so war Teilen der britischen Gesellschaft durch die Erfahrungen mit den pfälzischen Exilierten die potentielle Gefahr katholischer Unterdrückung und Verfolgung erneut vor Augen geführt worden. Es verwundert also nicht, dass die britischen Reisenden die durch die Französische Revolution im Rheinland ausgelösten Umwälzungen in religionspolitischer Hinsicht durchweg mit Beifall bedachten. Der Reiseschriftsteller John Carr 48 Siehe: Walker, Bemerkungen, S. 78. 1787 wußte John Gardnor zu berichten (Gardnor, Views, S. 22): „Nor can a fitter residence be found for Religion herself than the church of Mannheim; which exhibits a striking proof that unity of spirit may be compatible with difference of opinion. For in this church the Romanists, Lutherans, and Calvinists, successively assemble; no part of the sunday beeing appropriated to the use of either, but each in turns giving and taking precedency in point of time. The result of this singular regulation, which is not less honorable to the liberality and wisdom of the government, than to the candor and moderation of the religious communities of Mannheim, is the satisfaction of all parties, and the most perfect harmony and concord among the different sects which compose the inhabitants of the city.“ 49 Hierzu Armin Kohnle, Von der Rijswijker Klausel zur Religionsdeklaration von 1705. Religion und Politik in der Kurpfalz um die Wende zum 18. Jahrhundert, in: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte 62 (2010), S. 155–174. 50 Siehe: Gardnor, Views, S. 35. 51 Vgl. Geyken, Government, S. 328.

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beschrieb im Herbst 1806 nahezu euphorisch den Wandel, den er in der Stadt Köln wahrgenommen haben wollte. Zwar werde man noch an jeder Ecke an die vormalige „Pfaffenherrschaft“ erinnert,52 doch nunmehr hätten die Franzosen alldem ein Ende gemacht, was zuvor als so störend empfunden worden war: Bigotry, beggary, and ignorance disfigured the place in spite of its once flourishing trade and university. When the French seized upon this city, in 1794, they soon removed the rubbish of ages; three-fourths of the priests had the choice of retiring or entering the army, and when withdrawn, the weak minds over which they had exercised sovereign influence recovered their tone, and lived to hail the hour of their delivery from fanatical bondage, and the sturdy beggars were formed into conscripts.53

Doch ein weiterer, bislang nur sporadisch auftauchender Aspekt beherrschte plötzlich die britischen Rheinbeschreibungen, dessen dichotome Qualität von den Reisenden selbst offenbar nicht reflektiert wurde. Die durch britische Reiseberichte „konstruierte“ Rheinromantik, auf rein ästhetischen Voraussetzungen basierend,54 nahm nämlich bei der Zeichnung der „pittoresken“ Landschaften die rein baulichen, aber auch praktisch-volksfrommen Relikte des zuvor verunglimpften Katholizismus dankbar auf und integrierte sie in die ausschweifenden Beschreibungen des Rheintals. John Carr, der eben noch in Köln den Triumph über die Herrschaft des Klerus beschrieb, kam auf seiner weiteren Fahrt den Rhein hinauf nicht umhin, katholische Elemente der Landschaftsprägung wohlwollend und durchaus positiv darzustellen. Bei Boppard bemerkte er zunächst: This lovely view was soon exchanged for one of gloomy magnificence; before we reached Boppart, we entered the melancholy defile of barren and rugged rocks, rising perpendicularly from the river to an immense height, and throwing a shade and horror over the whole scene; here all was silent, and no traces of man were to be found but in a few dispersed fishermen’s huts, and crucifixes, fear and superstition...55

Auch der in Köln noch so gehässig dargestellte geistliche Stand kam so plötzlich zu neuen Ehren:

52 Siehe: John Carr, A Tour through Holland along the right and left banks of the Rhine, to the South of Germany, in the summer and autumn of 1806, Philadelphia 1807, S. 230: „Every street reminds the stranger of the former prevalance of the priesthood. Before the war, the clergy in this city, were divided into eleven chapters, nineteen parishes, nineteen convents for men, and thirty-nine convents for women, besides forty-nine chapels, institutions which supported between two and three thousand persons in useless voluptuosness and sloth.“ 53 Siehe: ebd., S. 231. 54 Vgl. Dischner, Ursprünge. 55 Siehe: Carr, Tour, S. 272.



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Not far from Boppart we saw, on the right bank of the river, a procession of nuns and friars returning to a convent, the belfry of which just peeped above a noble avenue of walnut-trees; they were singing, and their voices increased the solemn effect of the surrounding scenery.56

Und bei Bacharach wurde Carrs romantisches Empfinden erneut durch das religiöse Brauchtum der Region geweckt: Our ears were delighted with the solemn choruses of the inhabitants of the villages returning in large crowded boats from their churches, and the bells of the convents, while the shores on either side were enlivened by the peasants in their sabbath dresses going to or returning from their respective places of worship.57

James Boswell hatte bereits 1764 im Bericht über seinen Kontinentalbesuch zugestehen müssen, durch die feierliche Liturgie, die er am Allerheiligen-Fest in Mainz erlebt hatte, in seinen religiösen Gefühlen tief berührt worden zu sein,58 und auch Thomas Cogan schätzte 1791 den romantischen Reiz des Glockengeläuts im Rheintal.59 Als Ann Radcliffe 1794 bei Andernach den Blumenschmuck an den am Wege liegenden Kapellen bemerkte, wertete sie dieses zwar immer noch als „superstitious“, kam aber nicht umhin, den „sentimentalen“ und unbezwingbaren Effekt, der hiervon auf sie ausging, zu beschreiben: The little chapels at the road-side, and the image, which, every now and then, appeared under a spreading tree, were adorned with wreaths of fresh flowers; and though one might smile at the emblems of superstition, it was impossible not to reverence the sentiment of pious affection, which had adjusted these simple ornaments.60 56 Siehe: ebd., S. 273. 57 Siehe: ebd., S. 278. 58 Siehe: James Boswell, Boswell on the grand tour: Germany and Switzerland 1764, London 1953, S. 161: „We went into two churches, which were both grand. My soul was elevated to Devotion by the solemn vespers.“ 59 Siehe: Cogan, Rhine, S. 281: „As you pass by the villages in the calmness of the evening, you may listen to the songs of contentment echoing among the rocks, or the bell solemnly tolling to vespers, that the day, whose every hour has been marked with blessings, may be closed with effusions of gratitude!“ 60 Siehe: Ann Ward Radcliffe, A Journey made in the Summer of 1794, through Holland and the Western Frontier of Germany, with a Return down the Rhine: to which are added Observations during a Tour to the Lakes of Lancashire, Westmoreland, and Cumberland, London 1795, S. 154. Zum Themenkomplex der Landschaftsdarstellung bei Radcliffe vgl. George Dekker, The fictions of romantic tourism: Radcliffe, Scott and Mary Shelley, Stanford 2005. Allgemein zur Neuentdeckung der Landschaft durch die Romantiker: Kate Rigby, Topographies of the Sacred, Charlottesville 2004. Speziell zur britischen Wahrnehmung der Rheinlandschaft: Irene Haberland, Auf der Suche nach der pittoresken Schönheit. Englische Künstler am Rhein im 19. Jahrhundert, in: dies./

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Bevor durch Lord Byrons Childe Harold61 die englische Rheinromantik mit ihrer stark ausgeprägten Mittelaltersehnsucht 1816 ihren literarischen Höhepunkt fand, waren die alten Stereotypen und Vorurteile gegen alles Katholische bereits so stark abgeschwächt, dass Ann Radcliffe 1794 bei ihrem Besuch im Bonner Konvent der Kapuziner völlig vorbehaltlos ein Gespräch mit einem der Patres beginnen und in ihrem Reisebericht dokumentieren konnte. Der selbstironische Ton, in welchem Radcliffe den Kapuziner über sich selbst und das Ordensleben im allgemeinen sprechen ließ, konnte auch im Empfinden des britischen Lesers nichts anderes als Sympathie für einen Vertreter des katholischen Mönchtums erwecken: He enquired concerning the events of war, of which he appeared to know the latest; spoke of his friends in Cologne and other places; drew a ludicrous picture of the effect which would be produced by the apearance of a capuchin in London, and laughed immoderately at it. ‚There,‛ said he, ‚it would be supposed, that some harlequin was walking in a capuchin’s dress to attract spectators for a pantomime; here nobody will follow him, lest he should lead them to church. Every nation has its way, and laughs at the ways of others. Considering the effects, which differences sometimes have, there are few things more innocent than that sort of laughter.‛62

Der neue Stellenwert, den die Beschreibung katholischer Elemente in britischen Reiseberichten gegen Ende des 18. Jahrhunderts gewann, ging allerdings nicht mit einer tiefergehenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Katholizismus einher. Vielmehr waren es vornehmlich ästhetische Gründe, welche die Schilderung von gotischen Kirchen, Klosterruinen und Kruzifixen, aber auch volksfrommen Sitten und Gebräuchen neben dem mittelalterlichen Burgencharme zu einem Grundmotiv der Rheinromantik werden ließ. Selbst die lange Zeit spöttisch betrachteten Mönche erfüllten in ästhetischer Hinsicht plötzlich eine wichtige Rolle in der Darstellung des Rheinbildes: Bei Boppard zeichnete Radcliffe folgendes Bild der Rheinlandschaft: Here two Capuchins, belonging probably to the convent above, as they walked along the shore, beneath the dark cliffs of Boppart, wrapt in the long black drapery of their order, and their heads shrowded in cowls, that half concealed their faces, were interesting figures in a picture, always gloomily sublime.63 Klaus Honnef/Klaus Weschenfelder (Hgg.), Vom Zauber des Rheins ergriffen... Zur Entdeckung der Rheinlandschaft vom 17. bis 19. Jahrhundert, München 1992, S. 41–66. 61 Siehe: George Byron, Childe Harold’s Pilgrimage, Genf 1816. Zu der von Byrons Werk ausgehenden Wirkung auf die britische Rheinromantik vgl. Dischner, Ursprünge, S. 247–252. Zum Werk selbst: Horst-Johs Tümmers, Rheinromantik. Romantik und Reisen am Rhein, Köln 1968, S. 66f. 62 Siehe: Radcliffe, Journey, S. 123. 63 Siehe: ebd., S. 310.



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Die verstärkte, durch neue Drucktechnik ermöglichte Einbindung von Kupferstichen oder anderen Landschaftsdarstellungen in die Reisewerke nahm diese Motive ebenfalls gerne als Grundelement zur Darstellung der Rheinromantik auf, wobei auch hier die britischen Reisenden eine Vorreiterrolle einnahmen.64 Der Landschaftsmaler John Gardnor schmückte als erster seine Reisebeschreibungen mit Stadt- und Landschaftspanoramen aus. John Dennis,65 Robert Batty66 und William Tomblesone67 schufen schließlich Bildbände, in denen der Textanteil auf rein historische Erläuterungen reduziert wurde. Gerade Dennis und Tomblesone bedienten sich der Einbindung von Kruzifixen, Bildstöcken und Klosterruinen in ihre Malerei, um das romantische Sujet der Rheinlandschaft herauszukehren. Auffällig erscheint, dass es sich durchaus um „belebte“ Darstellungen handelte, in denen die katholische Frömmigkeit in actione dargestellt wurde (Siehe nachfolgende Abbildungen 7–10). Als in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Byronscher Begeisterung schließlich die ersten amerikanischen Touristen den Rhein bevölkerten und ihrerseits Berichte hierüber veröffentlichten, drückte sich an mancher Stelle die Enttäuschung darüber aus, dass nach der Säkularisation das katholische Leben im Rheinland weit weniger präsent war als zuvor gedacht. Mary Boddington, die 1828 den Rhein bereiste, bemerkte mit großem Bedauern beim Besuch des säkularisierten Klostergebäudes von Nonnenwerth bei Rolandseck: But I must say one word of that island solitude, that paradise of love and piety, Nonnenworth, because I have seldom been more disappointed than I was on seeing it. I had thought of the lonely tower – the ivied porch – the tall cloisteral tree of melancholy aspect – of monastic silence and deep seclusion, till I had shaped it into something familiar to my fancy. Nothing was ever imagined more unlike the reality. A spacious solid house, announcing a substantial quantum of worldly comfort – an inn, I think – at all events a pension with (as we are told) eight English families living gaily within its walls – sound judges, I have no doubt, of the respective merits of Laubenheim and Johannisberg; and lovers too, as the English generally are, of beautiful nature. But the bare idea of a modern boarding-house and the convialities of a table d’hôte, is sudden death to the poetic feeling, and to the reveries of an idle dreamer like myself.68

64 Vgl. Ludger Fischer/Gustl Früh, Seit wann ist es am Rhein so schön?, in: Petra Bopp (Hrsg.), Mit dem Auge des Touristen. Zur Geschichte des Reisebildes. Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Instituts der Universität Tübingen in der Kunsthalle Tübingen, Tübingen 1981, S. 103–115. 65 Siehe: John Dennis, Views in the Savoy, Switzerland and on the Rhine. From Drawings made upon the Spot, London 1820. 66 Siehe: Robert Batty, Scenery of the Rhine, London 1826. 67 Siehe: William Tomblesone, Views of the Rhine, London 1832. 68 Siehe: Mary Boddington, Slight reminiscences of the Rhine, Switzerland and a Corner of Italy, Philadelphia 1835, S. 67.

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Ähnlich erstaunt zeigte sich ein Jahr später an gleicher Stelle ein weiterer Amerikaner, der Autor des „Lederstrumpf“, James Fenimore Cooper: That convent‛, I called out to the postillon, ‚is still inhabited?‛ ‚Ja, mein Herr, es ist ein Gasthaus.‛ An inn! – the thing was soon explained. The convent, a community of Benedictines, had been surpressed some fifteen or twenty years, and the buildings had been converted into one of our sentimental taverns.69

Längst hatten die Möglichkeiten der modernen Dampfschifffahrt und das Ende der Kontinentalsperre einen großen Touristenstrom an den Rhein gelockt. Der klassische armchair travellor reiste mittlerweile oft persönlich an den Rhein und wurde damit selbst Objekt der reiseschriftstellerischen Betrachtung.70 Das Interesse am Katholizismus und seine Darstellung in der britischen Reiseschriftstellerei war gegen Ende des 18. Jahrhunderts einem fundamentalen Wandel unterlegen. Grund dafür waren sicherlich die politischen Umwälzungen, die in Folge der Französischen Revolution auch in religionspolitischer Hinsicht ganz neue Verhältnisse geschaffen hatten. Die Beschäftigung mit dem Katholizismus des Festlands hatte lange Zeit als dankbare Möglichkeit gegolten, in selbstdefinitorischer Weise den dem Protestantismus geschuldeten gesellschaftlichen Fortschritt Britanniens mit der apodiktisch festgestellten katholischen Rückständigkeit auf dem Festland zu kontrastieren. Dieses in verschiedenen Abwandlungen und auf alle gesellschaftlichen Kontexte angewandte und spöttisch vorgebrachte Stereotyp büßte jedoch mit dem faktischen Verlust politischer Macht in 69 Siehe: James Fenimore Cooper, Gleanings in Europe: The Rhine. Historical Introduction by Ernest Redekop and Maurice Geracht. Text Established with Explanatory Notes by Thomas Philbrick and Maurice Geracht, Albany 1986, S. 118. Die Reise hatte ihn auch zu einem Abenteuerroman inspiriert, der drei Jahre später erscheinen sollte: The Heidenmauer; or, The Benedictines: A Legend of the Rhine. Carey, Lea and Blanchard, Philadelphia 1832. Dass die Rheinreise mittlerweile als ein zu absolvierendes touristisches Programm abgespult wurde, zeigt sich auch bei Cooper, Gleanings, S. 116: „Here we were at Cologne, in Prussia, with the wide world before us, uncertain whether to proceed. It was soon decided, however, that a first duty was to look again at the unfinished cathedral, that wonder of Gothic architecture; to make a pilgrimage to the house in which Rubens was born; to pay a visit to the eleven thousand virgins, and to buy some Cologne water. After which it would be time enough to determine where we would sleep.“ 70 Über die angebliche Unwissenheit und das touristische Verhalten von Briten und Amerikanern lassen sich deutschsprachige Reiseberichte mit Genuß aus. So schildert Maximilian Löwenthal ein Erlebnis in der Kölner Marienkirche 1822: „In einem versteckten Capellchen befindet sich eine der trefflichsten Arbeiten Albert Dürer‘s, ‚der Tod der Jungfrau‛. Ein ehrsamer Engländer, der nebst seiner Familie eben zugleich mit mir vor dem wunderschönen Bilde stand, hielt es getrost für die Vorstellung des Todes der Maria von Medicis.“ (Maximilian Löwenthal, Skizzen aus dem Tagebuche einer Reise durch Frankreich, Großbritannien und Deutschland, 2 Bde., Wien 1825, hier Bd. 2, S. 185).



Britische Reisende am Rhein – ein Längsschnitt 

Abb. 7 u. 8: William Tomblesone, Views of the Rhine (Rüdesheim und Johannisberg).

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Abb. 9 u. 10: John Dennis, Views in the Savoy, Switzerland and on the Rhine (Oppenheim und Rolandseck).



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Händen katholischer Geistlichkeit durch die französische Besetzung und die Säkularisation an Relevanz ein. Dennoch bestand nach wie vor Interesse an „Katholischem“. Die frühromantische Vorliebe für das Pittoreske in der Landschaftsbeschreibung führte dazu, dass man sich mit Vorliebe allem als katholisch zu Identifizierendem widmete. Die katholische Sinnlichkeit, vor der zu Beginn des 18. Jahrhunderts neben Wein und Weib als der großen Bedrohung für junge britische Festlandbesucher gewarnt worden war, galt nunmehr als ästhetisch passende Untermalung der viel bereisten und -beschriebenen Rheinlandschaft.

3.3 Die konfessionelle Physiognomie der Landschaft Es ist vor allem das Naturbild der Romantik mit seiner räumlichen Syntheseleistung, durch welches die Wahrnehmung des Rheins bis heute nachhaltig geprägt worden ist.71 Doch auch hierbei handelte es sich lediglich um eine Wahrnehmungsform, die auf einer kulturlandschaftlichen Realität basierte, die in langer Zeit historisch gewachsen war und weiter im Wachstum begriffen ist.72 Dass eine Landschaft eine religiöse, ja sogar eine konfessionell verortbare „Physiognomie“ besitzen kann, war von zahlreichen Reisenden bereits vor den Romantikern beschrieben worden.73 Eine wichtige Rolle bei der Ausbildung dieser Physiognomie spielte die symbolische katholische „Landeserschließung“ in Form des Wallfahrts- und Prozessionswesens, die in der mittelalterlichen Volksfrömmigkeit gründete. Sie diente zum einen der aktiven Nutzung im religiösen Leben mit ihrer auf das innerkatholische Publikum abzielenden didaktischen Funktion, zum anderen aber wirkte die räumliche Erschließung und Ausstattung der Landschaft mit den Symbolen katholischer Frömmigkeit in konfessioneller Hinsicht grenzbildend, wie am Beispiel des Eichsfelds bereits eindrücklich veranschaulicht

71 Vgl. Andreas Dix, Das Mittelrheintal – Wahrnehmung und Veränderung einer symbolischen Landschaft des 19. Jahrhunderts, in: Petermanns Geographische Mitteilungen 146 (2002), Heft 6, S. 44–53; Zimmermann, Mittelrheintal, S. 659–687; Ricarda Huch, Die Romantik. Blütezeit, Ausbreitung und Verfall, Tübingen 1951, S. 368f: „Den Rhein hat die Romantik eigentlich entdeckt, ja man kann sagen, geschaffen.“ 72 Vgl. Horst-Johs Tümmers, Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte, München 2 1999, S. 209–225. 73 Zur nicht unproblematischen Anwendung des Physiognomie-Begriffs auf die Landschaftsbeschreibung vgl. Herbert Lehmann, Die Physiognomie der Landschaft, in: Karlheinz Paffen (Hrsg.), Das Wesen der Landschaft, Darmstadt 1973 (= Wege der Forschung, Bd. XXXIX), S. 39–70; zur weiteren Begriffsverwendung vgl. Stephan Güntzel (Hrsg.), Raum. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart, Weimar 2010, S. 261f.

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werden konnte.74 Ob dies eine bewusste Grenzmarkierung oder aber einfach Ausdruck eines von unten her gewachsenen Selbstverständnisses der katholischen Bevölkerung war, müsste noch anhand einzelner Beispiele untersucht werden. Fakt ist, dass die aktive Landschaftsprägung und -nutzung des Katholizismus in den Augen protestantischer Reisender ein oft beobachtetes Phänomen darstellte, das sensibel wahrgenommen wurde und zum Teil zu heftiger Polemik und Kritik anregte. In den untersuchten Reiseberichten findet sich ein weites Spektrum an konfessionell orientierten Beobachtungsmustern der Landschaft: Hinweise auf eine unspezifische und oberflächlich ablesbare konfessionelle Landschaftsprägung, die zunächst vor allem englischen und aufgeklärten Geistern in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgefallen waren (3.3.1), Kritik am Barockkatholizismus und seiner frommen Landschaftsarchitektur in Form von Bildstöcken u. ä. (3.3.2), die romantische Verklärung und nationale Integration des Katholizismus mit all seiner in der Landschaft ablesbaren Symbolik gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts (3.3.3), die Beschreibung und unterschiedliche Bewertung von aktiver Landschaftserschließung durch Prozessionen und Wallfahrten (3.3.4) und schließlich die Ansätze einer genuin protestantischen, an bestimmte Orte gebundenen Erinnerungskultur (3.3.5).

3.3.1 Konfessionell interpretierte Landschaftsmerkmale: finsteres Ortsbild = mangelnde Aufklärung Es war der britische Schriftsteller James Taylor, der 1743 als erster Rheinreisender die Ansicht vertrat, dass man bei Reisen auf dem Kontinent sogleich bemerken könne, ob man sich in einer Gegend befinde, in der mehrheitlich Katholiken oder Protestanten lebten.75 Dies machte er nicht nur an der Beobachtung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Bevölkerung, sondern auch am jeweiligen Ortsbild fest. Mangelnde Aufklärung und das Vorherrschen des katholischen Aberglaubens ließen sich nach Meinung des kritischen Reisenden des 18. Jahrhunderts bereits nach kurzem Aufenthalt an einem finsteren, verwinkelten und schmutzigen Erscheinungsbild des jeweiligen Ortes deutlich identifizieren. In deutschsprachigen Reisebeschreibungen wurde diese recht oberflächliche Form der Diagnose mit kurzer Verspätung ebenfalls aufgegriffen. Als Prototypen dieser Schwarz/Weiß-Zeichnung dienten die mittelalterlichen Städte Köln und, abgestuft, Mainz auf der einen (katholischen) und die Stadtneugründungen

74 Vgl. Duhamelle, Grenze, S. 33–51. 75 Siehe: Taylor, Remarks, S. 271. Vgl. Abschnitt 3.2 dieser Arbeit.



Die konfessionelle Physiognomie der Landschaft 

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Mannheim und Neuwied auf der anderen (protestantischen) Seite. Der hessische Schuldirektor P. Chun etwa bemerkte bei seinem Besuch in Mainz 1791: Die Häuser sind größtentheils schlecht gebaut, und die Straßen eng und finster; die einzige Bleich ausgenommen, welche eine sehr breite, lange und schöne Straße ist, aber so todte, so menschenleer, dass man daraus auf die Bevölkerung von Mainz einen sehr nachtheiligen Schluß ziehen kann.76

Bis ins Extreme gesteigert wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts die negativen Beschreibungen des Kölner Stadtbildes, welche für den aufgeklärten Reisenden des 18. Jahrhunderts somit förmlich zu einem animal d’antipathie wurde, wie es der weitgereiste Karl Gottlob Küttner nach seinem Besuch 1793 ausdrückte.77 So warnte Christoph Meiners seine Leser mit seinen Eindrücken von 1787: Da ich Ihnen jetzt meine Gedanken über die Gegenden am Rhein geschrieben habe, so könnte ich meinen Brief schließen; allein Ihnen, und allen Ihren Freunden zur Warnung will ich noch eine Bemerkung über die löbliche Reichsstadt Cölln hersetzen. Ich unterschreibe mit voller Überzeugung das einstimmige Urtheil aller Reisenden, daß Cölln unter den größern Städten Teutschlands die schmutzigste, übelriechendste, am schlechtesten bebaute, und mit gleich unverschämten Bettlern, und Geistlichen am meisten bevölkerte sey.78

Und ein anonymer Reisender beschrieb seine Ankunft in der Stadt so: Den ganzen Weg von Bonn hieher entwarf ich mir Bilder von der Schönheit dieser Stadt. - Allein wie sanken doch alle meine Begriffe, als ich zum Thore hinein – und schon eine ziemliche Strecke gefahren war – und nichts als elende verbaute Häuser – krumme, enge und schmutzige Straßen sah.79

76 Siehe: P.P. Chun, Reise der Chunischen Zöglinge durch einige Gegenden am Main- und Rheinstrome in die Bäder Wißbaden und Schwalbach. 1791, S. 12. 77 Siehe: Karl Gottlob Küttner, Wanderungen durch die Niederlande, Deutschland, die Schweiz und Italien in den Jahren 1793 und 1794, 2 Bde., Leipzig 1796, hier Bd. 1, S. 70. Zum „professionellen“ Reiseschriftsteller Küttner vgl. Heike Wolter, „Küttner, Carl (Karl) Gottlob“, in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., bearb. von Martina Schattkowsky, Online-Ausgabe: http://www.isgv.de/saebi/ (10.5.2012). 78 Siehe: Christoph Meiners, Kleinere Länder- und Reisebeschreibungen von C. Meiners Königlich-Großbritannischem Hofrath, und ordentlichem Lehrer der Weltweisheit in Göttingen, 3 Bde., Berlin 1791–1801, hier Bd. 1, S. 152. 79 Siehe: Anonym, Reise von Mainz nach Kölln im Frühjahr 1794, in Briefen. Nebst Beilagen, die Franzosen in Deutschland, den D. Bahrdt in Marschlinz und den Pater Simplicianus Haan in Kölln betreffend, Rostock 1795, S. 195.

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Eine ökonomische, freilich aber auch weltanschaulich abgeleitete Erklärung für die unterschiedlichen Ortsbilder versuchte ebenfalls ein britischer Reisender zu liefern. Charles Este zeigte sich nach seinem Besuch in Mannheim 1793 derart beeindruckt von dem ordentlichen und regelmäßigen Stadtbild, dass er zu folgendem Urteil kam: Mannheim is, as far as it goes, one of the most handsome little towns in Europe. And it is so from the width of the streets, their regularity, and the sections and intersections being all at right-angles. Not that this excludes the pleasure of variety. For there is no tyranny of prescriptions as to outward form; and so, in the variety of plans and materials, you may, if you will, see and feel the gradations of society in the well-asserted variations of the conditions, nay, and humours too, which may have produced them ... and every observer who will be enlightened and free, self-taught, will feel it as a man.80

Die besondere Sensibilität britischer Reisender in Bezug auf die Einhaltung von Toleranz in religiösen Dingen scheint sogar so stark ausgebildet gewesen zu sein, dass sie förmlich anhand der Aura eines Ortsbildes hierzu Schlüsse ziehen konnten, wie Thomas Cogan bei seinem Besuch von Kaub feststellte.81 Als Karl Friedrich Steinkopf nach zehn Jahren seiner Tätigkeit als Prediger der deutschen lutherischen Kirche in der Savoy in London 1812 zum erstem Mal wieder den Kontinent bereiste, konnte er die Analogie zwischen optischem Eindruck des Ortsbildes und der Konfession der Einwohner um eine Komponente erweitern. Das Ortsbild war nämlich nunmehr auch Spiegelbild der moralischen Verhältnisse. So schreibt er: Am 24. September setzte ich meine Reise fort und kam durch eine Reihe kleiner katholischer Städte und Dörfer, die früher zu den Bistümern Mainz und Fulda gehört hatten, die aber heute der Herrschaft des Kurfürsten angegliedert sind. Ich war ernsthaft betrübt über den Mangel an Sauberkeit, die erbärmliche Armut und beschämende Bettelei, die bei vielen der Einwohner vorherrschte, und, was sogar noch beklagenswerter ist: ihre äußerliche Erscheinung scheint nur ein Spiegelbild ihres moralischen und geistlichen Zustands zu sein. Wenig später kam ich ins protestantische Sachsen. Was für ein schlagender Gegensatz! Hier findet man so viel mehr Licht, Kenntnis, Sauberkeit, Behaglichkeit und Wohlstand. Schaut Euch nur die Wohnstätten der Menschen an, seht, wie sie angezogen sind, achtet auf ihre Art, sich

80 Siehe: Charles A. Este, Journey in the Year 1793, through Flanders, Brabant and Germany to Switzerland, London 1795, S. 332f. 81 Siehe: Cogan, Rhine, S. 311: Hier findet sich ein Loblied auf die Stadt Kaub, das mit der Bemerkung schließt: „... and it wisely tolerates the Protestants. From these advantages united, it enjoys vivacity, exhibits neatness, and assumes an air of respectability, superior to any town of its size upon the river.“



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zu benehmen, betrachtet ihren Zustand und ihr Verhalten im ganzen, und ihr findet die offenkundigste Überlegenheit.82

Diese konfessionell verortbare Überlegenheit der Vernunft zeichnete sich für den aufgeklärten Reisenden etwa in einer geometrischen Kunststadt wie Mannheim ab; „schön war erst, was in eine regelmäßige Form gebracht war, was beherrscht werden konnte und was Nutzen brachte.“83

3.3.2 Katholische Landschaftsprägung des Barock: Kritik und Verteidigung In der Tat war es für den Reisenden des 18. Jahrhunderts – Gleiches gilt aber auch noch für die heutige Zeit! – nicht sonderlich schwer, einen katholisch geprägten Landstrich recht schnell als solchen zu identifizieren. Der barocke Katholizismus hatte intensiv besonders markante Punkte in der Landschaft für die Erbauung von Kapellen, Wegekreuzen oder Bildstöcken genutzt.84 Diese bereits von den britischen Reisenden als superstitious verschrieene Eigentümlichkeit katholischer Lande wurde, besonders angeregt durch die scharfzüngigen Bemerkungen im Reisewerk Nicolais, zu einem fleißig monierten Bestandteil der reiseschriftstellerischen Kritik am Katholizismus und seiner angeblichen Abgötterei und Rückständigkeit.85 Auch wenn die große Mehrheit der Reiseschriftsteller sich der 82 Siehe Karl Friedrich Steinkopf, Reisebriefe. Europa 1812. Im Auftrag der Deutschen Bibelgesellschaft übersetzt, eingeleitet und herausgegeben von Ulrich Fick, Stuttgart 1987, S. 89. Originaltitel: Letters relative to a Tour on the Continent, undertaken at the request of the Committee of the British and Foreign Bible Society, in the Year 1812. London: printed for the author 1813. 83 Siehe: Thomas Grosser, Der romantische Rheinmythos. Die Entdeckung einer Landschaft zwischen Politik und Tourismus, in: Gassen/Holeczek, Mythos, S. 11–39, hier S. 12. Zum Schönheitsideal des Aufklärungszeitalters auch Umberto Eco (Hrsg.), Die Geschichte der Schönheit, München 32009, S. 236–273. 84 Vgl. Peter C. Hartmann, Kulturgeschichte des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1806. Verfassung, Religion, Kultur, Wien u. a. 2001, S. 216–220; Michael Prosser, Raum, in: Peter Dinzelbacher (Hrsg.), Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum, Bd. 5, Paderborn 2007, S. 319–334; Hersche, Muße, Bd. 1, S. 556–568. Zum unterschiedlichen Verhältnis von Reformation und posttridentinischem Katholizismus zur Bilderverehrung vgl. Alex Stock, Bildersturm und Augenweide. Theologische Aspekte der Kunst, in: Diakonia 10 (1979), S. 378–387. 85 So bemerkte der Niederländer Steven van Geuns, Reisebegleiter Alexander von Humboldts bei dessen Rheinreise im Herbst 1789, beim Besuch von Heidelberg empört: „Diese Stadt, die sich zuvor so verdient gemacht hatte bezüglich der Reformation und von wo der Katechismus der Evangelisch-Reformierten immer wieder den Namen herleitet, ist seit einem Jahrhundert, als die Pfalz an einen katholischen Kurfürsten fiel, wieder Sitz des Katholizismus und des Aberglaubens geworden. In und um die Stadt stehen verschiedene prächtige Kruzifixe und Marienbilder, die zum Teil abends erleuchtet werden, sowohl von den Protestanten als auch Katholiken und selbst

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Meinung Nicolais und dessen distanzierter Haltung zum Katholizismus fleißig anschloss,86 ertönten ebenso Stimmen, die dieser Form der Bilderverehrung etwas Positives abgewinnen konnten. Dreißig Jahre vor seinem Amtsbruder Karl Friedrich Steinkopf kam Johann Gottlieb Burckhardt 1782 zu einer weitaus versöhnlicheren Einschätzung katholischer Volksfrömmigkeit.87 Bei seiner Anreise nach Mainz von Fulda aus notierte er: Wir trafen nun manche Gemälde und Statuen von Heiligen und Crucifixen in den Oertern und Landstraßen an. Wenn damit kein Missbrauch getrieben, und der gemeine Mann dadurch nicht zur Abgötterey verleitet würde: so müsste es wirklich erbaulich für einen Reisenden und wandernden Christen seyn, hier und da ein schönes Gemälde oder sonst eine Vorstellung vom Leiden Christi zu sehen. Denn wenn der Mensch einmal sinnlich ist: so sehe ich nicht ein, warum er es nun eben gerade nicht in der Religion seyn könne. Und in der Christenheit – warum sollte es da unschicklich seyn, Gemälde oder Bilder vom Kreuze Christi selbst an öffentlichen Oertern und Straßen zur Erinnerung aufzustellen, dass wir arme Sünder auf diese Art ewig erlöset worden sind? Aber der Mensch thut leider in einer Sache entweder zu viel oder zu wenig und kann nicht die Mittelstraße treffen.88

Ernst August von Göchhausen, als Offizier der preußischen Armee und Kammerrat ein unverdächtiger Verteidiger des Katholizismus, konnte 1794 nicht umhin, die von Nicolai in der Reiseliteratur angestoßene Polemik zum und die Kritik am katholischen Bilderkult massiv zurückzuweisen.89 In seinen viel gelesenen und einige Protestanten möchten dazu auch allein beitragen.“ Siehe: Steven J. van Geuns, Tagebuch einer Reise mit Alexander von Humboldt durch Hessen, die Pfalz, längs des Rheins und durch Westfalen im Herbst 1789, herausgegeben von Bernd Kölbel/Lucie Terken/u.a., Berlin 2007, S. 127. 86 Hierzu ausführlich und grundlegend: Altgeld, Katholizismus, S. 118f. 87 Johann Gottlieb Burckhardt (1758–1800) war u. a. leitendes Mitglied der britischen Missionsgesellschaft und verfasste mehrere historische Werke über die Geschichte der deutschen evangelischen Gemeinde in London wie auch über die Entstehung der Methodisten. Zu seiner Person vgl. die Einleitung eines Nachdruckes seines Werkes von 1995: Johann Gottlieb Burckhardt, Vollständige Geschichte der Methodisten in England, Stuttgart ND 1995. 88 Siehe: Burckhardt, Bemerkungen, S. 64. 89 Siehe: Ernst August Anton von Göchhausen, Meine Wanderung durch die Rhein- und MaynGegenden und die preussischen Kantonnirungsquartiere im Februar 1794, Frankfurt 1794, S. 89: „So oft ich im Fuldaischen an einem Krucifix, oder Kapellchen, vorbey fuhr, fiel mir der Contentissimus, Nicolai, ein, der in seiner berüchtigten voluminosen Reisebeschreibung jedesmal in orthodoxen Eifer geräth, so offt sein heiliges philosophisches Auge durch einen solchen Gegenstand beleidiget wird. Wenn in jeder Nische, statt der Mutter Gottes, eine Baberl gestanden hätte, der philosophische Löschpappierkrämer würde uns Bände voll empfindsamer Hymnen, statt Sarkasmen auf den Katholicismus, geliefert haben. Gelobt sey Nicolai! – Diesen Weyhrauch nimmt der Pappierkönig von seinen zahllosen Schaaren so gern an. Auf den Gruß: Gelobt sey Jesus Christus, weiß er kein freundliches: hab Dank, – und noch weniger ein: in Ewigkeit! – zu sagen. Ich gebe mich mit der Philosophie nicht ab, so wenig als Asmus, und mir ist also jeder



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um einen sachlichen und neutralen Ton bemühten Bemerkungen auf einer Reise von Strasburg bis an die Ostsee im Sommer 1791 warb der spätere badische Hofhistoriograph Aloys Wilhelm Schreiber schließlich darum, Verständnis für die katholische Bilderverehrung zu entwickeln, da diese für den einfachen Landmann eine durchaus adäquate Form der Anleitung zum christlichen Leben darstelle: Wenn man aus der Grafschaft Hanau Lichtenberg in die Ortenau tritt, so merkt man an den Heiligenbildern, womit die Straßen besezt sind, daß man in ein katholisches Land komme. Verschiedene Reisebeschreiber haben dergleichen getadelt, vielleicht aus redlicher Absicht. Allein das Gute ist nicht immer gut! Es giebt eine philosophische Intoleranz, die bisweilen so viel Unheil stiftet, als die theologische! Laßt dem Menschen seine Vor-urtheile, so lange sie sein Herz zum Guten erwärmen. Laßt dem Landmanne immerhin seine hölzernen und steinernen Bilder! Habt ihr doch auch die Köpfe eurer Genieen von Gips oder Bronze auf euren Tischen stehn. – Diese Heiligen waren Menschen, wie er; um so leichter faßt er Zutrauen zu ihnen.90

Einen „Verbesserungsvorschlag“ hinsichtlich der Motivik der Bildstöcke machte der Zürcher reformierte Prediger Johann Tobler91 nach seiner Reise entlang des Oberrheins nach Mainz 1788: Ich sah durchs Elsaß herunter so manches Kreuz mit dem steinernen Kruzifix; ich wünschte die Autoren, die heut zu Tage schreiben wissen, daß es auch Katholiken lesen, machten diese doch auch darauf von neuem aufmerksam, was es für eine Wirkung thun muß, wenn der frohmütige Reisende, und der Feldmann, und das vorbeygehende Kind, ein Marterbild mit entstellten Gesichtszügen, und dann wieder dies Marterbild, und wieder ein drittes anzuschauen bekommen. Könnte man nicht für ein Jahrhundert wenigstens die Abänderung empfehlen, daß überall, wo der Katholik ein Kruzifix haben will, und meinethalb haben soll, doch unweit davon auch ein Gemähld von Auferstehung oder Himmelfahrt aufgestellt würde, damit, wenn nur auch einiche kleine Möglichkeit nur etwas zu vergönstigen, vorhanden ist, die Vorstellung ein wenig gemilderet würde, daß Gott die Marter eines Sohnes der auch Gott ist, beständig als seinen liebsten Anblick erneut wissen wolle, oder daß, Gegenstand, der dazu dient, fromme gute Empfindungen in meines Mitwallers Herzen rege zu machen, ehrwürdig; und wär es ein Klotz. Vermöchte Sokrates und Plato’s, ja selbst Nicolais Kopf, oder allenfalls sein ganzer Leichnam an einem Kreuze am Wege, auch nur in eines einzigen Menschen Seele einen guten Gedanken hervorzubringen, ich zög selbst meinen Hut davor ab. Warum nicht vor einem hölzernen Christus, oder einer Karrikatur vom heiligen Bonifaz, die doch beede, mit seiner Erlaubnis, respectablere und nützlichere Menschen waren, als er, und auf welche seine Devise: aliis inserviendo consumor, (die, unter uns gesagt, nur einen einzigen Buchstaben weniger haben müßte, um auf ihn zu passen,) mit besserm Rechte angewandt werden könnte.“ Zur Figur Göchenhausens vgl. Andrea Albrecht, Kosmopolitismus: Weltbürgerdiskurse in Literatur, Philosophie und Publizistik um 1800, Berlin 2005, S. 98f. 90 Siehe: Aloys Wilhelm Schreiber, Bemerkungen auf einer Reise von Strasburg bis an die Ostsee im Sommer 1791, 2 Bde., Leipzig 1793–94, hier Bd. 1, S. 36. 91 Zu Tobler (1732–1808) vgl. Jakob Baechtold, „Tobler, Johannes“, in: ADB 38 (1894), S. 393.

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wie der gemeine Mann, zumahl Katholik denkt, Gott immer am Kreuze hängend wolle oder müsse gedacht seyn?– Und sollte nicht auch hier und da eine groß geschriebne Stelle von Gottes Größe und Güte in der Natur, und von Güte des Christen, mit dem Bilde abwechseln? – Und nicht auch ein Emblem oder ein geschriebnes Wort das den Anschauer oder Leser daran erinnerte, wie unbegreiflich Gottes Regierung, und daß unterm Schutz und Einfluß Gottes das eigne freye Denken des Menschen sein allerbestes Kleinod sey: Mit Ermunterung zu freyen Lobpreisungen?92

Neben dieser theologischen Kritik an der Toblers Meinung nach zu häufigen Darstellung des leidenden Gottessohnes hatte er aber – vielleicht vor dem Hintergrund der zeitgenössischen protestantischen Judenmission – in einer bemerkenswert empathischen Manier auch den vorbeireisenden Juden im Blick und prognostizierte dessen Empfindungen beim Betrachten der katholischen Bildwerke: Auch um der Juden willen thut mir das Aergerniß der an allen Straßen, namentlich im Elsaß und Churstift Mainz aufgestellten Christus-, Marien- und anderer Bilder bitter wehe; man weiß, wie sehr sie geneigt sind, die christliche Lehre von der Dreyeinheit und der Gottheit Christi als der philosophischen und biblischen Grundlehre von der Einheit Gottes zuwiderlaufend vorzustellen, wozu ihnen, leyder! manche Theologen mit manchen höchst mißdeutlichen Ausdrücken Anlaß gegeben haben. Aber was muß der so überhäufige Anblick des Kreuzmarterbildes, von dem sie denken ‚Das stellt den Gott der Christen vor, an dem unsre Voreltern einen unmöglichen Gottesmord sollen begangen haben.‛ bey den denkenden und undenkenden Israeliten, die noch weiter zu untersuchen gemeiniglich unaufgelegt seyn müssen, für Indignation erregen!93

Dennoch blieb im intertextuellen Diskurs der Reiseberichte die Zahl derjenigen, die Verständnis für die spezifisch katholische Form der Landschaftsprägung zeigten oder diese gar verteidigten, nur gering. Es überwog der distanziert-kritische bis spöttische Ton,94 der sich nach der französischen Besetzung des linken 92 Siehe: Johann Tobler, Einiche Blätter aus den Reisetabletten eines Schweizerischen Geistlichen, Zürich 1790, S. 1. 93 Siehe: ebd., S. 59. Interessant erscheint im Vergleich Caput XIII von Deutschland. Ein Wintermärchen von Heinrich Heine. Der Jude Heine dichtete 1844 mit Blick auf eine Kreuzigungsdarstellung in der Nähe von Paderborn fast liebevoll: „Mit Wehmut erfüllt mich jedesmal Dein Anblick, mein armer Vetter, Der du die Welt erlösen gewollt, Du Narr, du Menschheitsretter.“ 94 Ein Beispiel für die Äußerung von Spott der noch harmloseren Art bei: Johann Friedrich Carl Grimm, Bemerkungen eines Reisenden durch Deutschland, Frankreich, England und Holland in Briefen an seine Freunde, 3 Bde. Altenburg 1775, hier Bd. 1, S. 54. Auf dem Weg nach Mainz notierte er: „Kein Vorbeyreisender, und ich am wenigsten, hätte gewusst, dass in Heidersheim eine Frau Geisiussin lebt, wenn sie nicht dadurch bekannt würde, dass sie an dem Weg ein Crucifix aus Stein errichten und ihren Namen darunter setzen lassen. So wenig braucht es in der Welt bekannt zu werden.“



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Rheinufers in einen radikal-aufklärerischen steigern konnte. Der revolutionär gestimmte Arzt Friedrich Albrecht Klebe plädierte 1801 sogar für eine – sollte dies im Zuge der französischen Säkularisationsbestrebungen bislang noch nicht geschehen sein – vollständige und wenn notwendig auch gewaltsame Entfernung aller Bildstöcke und ähnlicher Landschaftselemente auf dem linken Rheinufer: So lange jene scheußlichen Bilder des menschlichen Schmerzes an allen Wegen und Landstraßen stehen, so lange Nischen und Altäre voller barocker Bilder da sind, die ein Chineser und Avaner eben so absurd finden würde, als wir die monströsen Heiligenbilder jener Nationen, so lange werden sie dem wütenden Bonzen auch Mittel seyn, das unwissende Volk zu entflammen. Durch ihre Wegnahme gewinnt der Mensch an Aufklärung wenigstens negativ. Wenn er nun zweckmäßig unterrichtet würde, so würde er besser, fleißiger und froher werden. Leider geschieht für dieß letztere so wenig in der Republik, daß es fast gar nichts zu nennen ist, und die heilsame Aufsicht auf das Pfaffenthum hat seit einem Jahr sehr nachgelassen. Man sieht zwar keine plärrenden Heere von Weibern, Männern und Kindern mit Fahnen und Crucifixen und prächtig gekleideten Pfaffen mehr an ihrer Spitze durch Städte und Dörfer meilenweit zu einem entfernten Wallfahrtsorte ziehen, aber sie wandeln schon wieder in kleinen Abtheilungen zu 20 und 30 Mann, mit Rosenkränzen und unbedeckten Köpfen nach den mönchischen Mirakelbuden. Sie finden dort schon ihre Capuziner, und nun geht es so her, wie es immer hergieng. Bald wird man auch an den Wegen wieder neue Kreuze und Kapellen sehen, denn dafür hat das Volk noch immer Geld.95

Klebe interpretierte die nach und trotz Verbot weiter bestehende Nutzung und Neuerrichtung von Kapellen und Wegekreuzen als Zielorte von Prozessionen und Wallfahrten als eine bewusste Form der politischen Desintegration der katholischen Landesbevölkerung durch den katholischen Klerus. Tatsächlich wurden – ähnlich wie in Frankreich bereits unmittelbar nach der Revolution – die überall auf den Fluren zu findenden Zeugnisse katholischer Frömmigkeit von den Revolutionstruppen, die ins Rheinland vorrückten, als Relikte der überwundenen Ständegesellschaft betrachtet und oft geschändet und zerstört.96 Diese blind95 Siehe: Friedrich Albrecht Klebe, Reise auf dem Rhein durch die Deutschen Staaten, von Frankfurt bis zur Grenze der Batavischen Republick, und durch die Französischen Departemente des Donnersbergs, des Rheins und der Mosel und der Roer im Sommer und Herbst 1800 in zwei Teilen mit Kupfern, 2 Bde., Frankfurt 1802, hier Bd. 2, S. 83. 96 Vgl. Horst Gebhard, Liberté, Egalité, Brutalité. Gewaltgeschichte der Französischen Revolution, Augsburg 2001, S. 186–191; Wolfgang Schmale, L’Homme enfin satisfait. Französische Revolution und Intoleranz, in: Aram Matioli/Markus Ries/Enno Rudolph (Hgg.), Intoleranz im Zeitalter der Revolutionen – Europa 1770–1848, Zürich 2004, S. 145–163. An der Koblenzer Kartause bemerkte Ernst Moritz Arndt Spuren des französischen Zerstörungswerks: „Jetzt ist sie fast ganz zerstört, und ihre Vögel sind in ein anders Nest in der Stadt eingezogen, woraus sie vielleicht auch bald gejagt werden.... An einer Wand las ich die erklärenden Worte mit Rothstein geschrieben: Telle est la guerre de l’egalité, de devaster les palais et respecter les chaumiers. Gilbert Capitaine. Wenn das erste Gleichmachungssystem schon den Unwillen des rechtschaffnen erregt, so mögte

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wütige Gewaltanwendung irritierte auch nicht-katholische Beobachter, wie etwa den sächsischen Kunsthändler und Verleger Christoph Friedrich Dreyssig, der nach der mehrmaligen Belagerung von Mainz bei Weisenau auf Relikte der französischen Zerstörungswut stieß und dies zum Anlass einer Katholiken wie Protestanten umfassenden allgemeinen patriotischen Empörung nahm: Ich kam an die Ruinen eines sehr schönen Kreutzes. – Ich ergriff meine Schreibtafel, ich sahe um mich her und zeignete auf. Die Ruinen des Postaments, worauf das Kreuz stand, an welchen die Figur von Christus in Stein gehangen – dienten mir zum Schreibpult. – Am Wege nach den Rhein zu lag die Statue der heiligen Mutter Maria – Christus war ganz zertrümmert, der Kopf ohne Nase – der Rumpf ohne Füße – ohne Arm alles lag stückweiß umher – die schöne Statue des heiligen Johannes lag an dem Wege – man sagt, die Franzosen hätten dieses schöne Kreuz aus Muthwillen umgeworfen – o! ihr Leichtsinnigen! Wolltet ihr hieran euren Muth abkühlen? Heißt dieses Brudersinn und Duldung? So wie ihr dieses Kreutz umgerissen habt – wolltet ihr den deutschen Biedersinn zerreissen? – So wie ihr diese vor mir liegende Statuen von ihren festen Stein-Postament herabgestürzt und zertrümmert habt, so wolltet ihr Kayser und Könige vom Trohn herabstürzen – so wolltet ihr unsere deutsche Reichsverfassung zertrümmern! – O! ihr Leichtsinnigen – es ist wohl leicht das Feld der Bürger zu verwüsten, es ist leicht ein Kreuz von Stein zu zertrümmern – aber Deutschlands Verfassung umzureissen – dazu fehlt es euch an Macht, sie steht fest, denn jeder brave Deutsche ist ein Pfeiler von ihr.97

Es scheint fast, als habe sich erst durch die Zerstörungen der französischen Zeit und das sich anbahnende Ende geistlicher Landesherrschaft der streng aufgeklärte Blick der Reisenden auf die katholische Bilderverehrung abgemildert. Und dies geschah nicht nur aus gerade entstehender national orientierter Solidarität wie bei Christoph Dreyssig, sondern zum Teil auch aus einem tatsächlichen Nachfühlen der religiösen Motivation für diese Form der Volksfrömmigkeit. Christian Ulrich von Eggers, der 1798 als dänischer Legationsrat zum Rastatter Kongreß reiste,98 beschrieb, wie sehr ihm nach seinem Aufenthalt in Mainz eine bestimmte Szene in Erinnerung blieb, die ihn in besonderer Weise zu berühren schien: Aber eine Merkwürdigkeit darf ich vor allen nicht vergessen: sie wird Ihnen, wie mir, ungeachtet ich sie mitten unter schreckvollen Erinnerungen erfuhr, ein unwillkührliches Lächeln ablocken. Ein ganzes Haus ward zerschossen, aber ein Muttergottesbild mit dem Christuskinde auf dem Arm blieb an der Mauer unversehrt. Mein ehrlicher Führer erzählte man es als einen Irthum noch verzeihlich finden, wenn man das zweite nur gehalten hätte; aber man gehe rund bei den Leuten unter dem Strohdache, und frage sie; was werden sie zur Antwort geben?“ Siehe: Ernst Moritz Arndt, Ernst Moritz Arndts Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 und 1799, 6 Bde., Leipzig 1801–1803, S. 389. 97 Siehe: Christoph Friedrich Dreyssig, Bemerkungen auf einer Reise durch Sachsen nach Mainz, Halle 1796, S. 129. 98 Vgl. Hermann Kellenbenz, „Eggers, Christian Ulrich Detlev von“, in: NDB 4 (1959), S. 334 f.



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mir diese unleugbare Thatsache, um deren willen er mich durch eine ganze Straße gehen ließ, mit einer Wichtigkeit, die mich beinahe zum Lachen gebracht hätte. Aber als ich aufsah, als ich seine fromme, gottergebene Miene bemerkte – da weiß ich nicht, ob ich nicht in dem Augenblicke alles um seinen Glauben gegeben hätte.99

Angesichts dieser massiven Zerstörungen begannen offenbar auch aufgeklärte Reisende den Wert von Glaube und Religion für den „einfachen Mann“ zumindest tolerieren zu können.

3.3.3 Die Romantik und der ästhetische Reiz des Katholizismus Die Auswahl der Standorte von Klöstern, Wallfahrtsorten und Bildstöcken erfolgte in der Regel nicht rein zufällig, sondern orientierte sich an gewissen Landschaftsmerkmalen und Raumkonzepten, die selbst wiederum ganz unterschiedlichen Intentionen und historischen Ursprüngen geschuldet sind.100 Sensibilität für die kunstvolle kulturelle Prägung einer Naturlandschaft entwickelte sich vor dem Hintergrund des romantischen Naturbegriffes seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ganz neu.101 In eher funktionaler Weise betrachteten und bewerteten im Sinne der Aufklärung denkende Reisende die katholische Landschaftsprägung; die Raumwirkung und ihre spirituelle Dimension spielten hier in der Regel keine Rolle. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Bemerkungen einiger Reisender, welche die exponierte Lage der Klöster am Rhein lediglich als Nachweis für einen machtvollen und nach Besitz strebenden katholischen Klerus auswiesen. Eine Menge schlauer Mönche hatten einst dem frommen Aberglauben reicher Sünder manchen schönen Fleck in diesem irdischen Paradiese abgelockt und ihnen dafür reichen Ersatz in jenem himmlischen verheißen; daher stieß sonst das Auge auf beiden Ufern auf

99 Siehe: Christian Ulrich Detlev von Eggers, Bemerkungen auf einer Reise durch das südliche Deutschland, den Elsaß und die Schweiz in den Jahren 1798 und 1799, 6 Bde., Kopenhagen 1801– 1806, hier Bd. 1, S. 83. 100 Beispiele für die raumprägende Kraft von Ordensgemeinschaften finden sich bei Johannes Meier, Klöster und Landschaft. Das kulturräumliche Erbe der Orden, Münster 2010. Zahlreiche Einzelstudien im Schwerpunktheft „Religion und Kulturlandschaft“ der Zeitschrift Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie, Bd. 20 (2002). 101 Vgl. Rigby, Topographies. Rigby entwickelt die These, die einen fundamentalen Unterschied zwischen aufgeklärtem und romantischem Naturbegriff veranschaulicht. Sie fasst dies mit den Begriffspaaren Enlightenment mechanists gegenüber den Romantic organistics, bzw. natura naturata und natura naturans. Der funktionale Naturbegriff der Aufklärung steht somit einem prinzipiell spirituellen der Romantik gegenüber.

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eine Menge Klostermauern, allein die auf der linken Seite sind größtentheils zerstört oder als National-Eigenthum verkauft.102

So konnte etwa J. Lembcke 1806 resümierend feststellen und aus der – auch ihn persönlich – ästhetisch ansprechenden Landschaftsnutzung der Klöster wiederum einen Vorwurf gegen die angeblich nur auf Eigennutz bedachte Institution als ganze wenden. Einen Sinn für die symbolische Interpretation klösterlicher Siedlungsweise zeigte hingegen der französische Diplomat Jean de Blainville bereits 1705, indem er, wohl auch spöttisch, auf die vor Koblenz liegenden Klosterinseln hinwies (gemeint sind Oberwerth und Unterwerth): In der Mitte des Rheins liegen zwo kleine Inseln. Diejenige, welche über der Stadt ungefehr eine halbe Stunde weit zu sehen ist, hat ungefehr eine Viertelstunde in der Länge, und die vollkommene Gestalt eines Herzens. Ein sehr hübsches Benediktinerkloster ist darauf gebauet. Die andere Insel, ungefehr eine kleine Stunde unterhalb der Stadt, ist zweymal so lang als die vorige, auf ihr stehet ein ziemlich ansehnliches Dorf und ein Bernhardinerkloster. Die Stadt ist also auf zwo Seiten wohl verwahret, weil sie auf jeder einen großen Heiligen hat.103

Es war eine Frau, die als erste in einem unmittelbar zur Veröffentlichung bestimmten Reisebericht das romantische Naturgefühl in Ansätzen zum Ausdruck brachte und als Grundlage für dieses die kulturlandschaftliche Prägung durch den Katholizismus zu Felde führte.104 Sophie von La Roche erkannte bei ihrer Reise 1787 nicht nur die pastoralen Möglichkeiten, welche die kluge Ortswahl für religiös genutzte Gebäude in sich bergen konnte, wie sie am Beispiel des Rochusberges bei Bingen ausführte, wo sie in ihr Reisetagebuch notierte: Denen, welche aus alter Dankbarkeit für die durch den heiligen Rochus erhaltene Befreiung von der Pest zu seiner Kirche wallfahrten, wünschte ich einen Theil meiner innigen Liebe für Gottes Erde in ihr Herz. Mich dünkt, es muß ihnen hier leicht werden, an Gottes Güte zu glauben; denn wenn sie vor den steinernen ausser der Kirche angebrachten Beichtstühlen knieen, und ihre Seele von der Sündenangst befreien wollen, so darf der Geistliche sie nur

102 Siehe: J. Lembcke, Bemerkungen auf einer Reise durch einen Theil von Teutschland, der Schweiz, Italien und Frankreich, im Jahre 1806, Königsberg 1809, S. 33. 103 Siehe: Jean de Blainville, Des Herrn von Blainville... Reisebeschreibung durch Holland, Oberdeutschland und die Schweiz, besonders aber durch Italien... nunmehr in das Deutsch uebersetzt... von Johann Tobias Koehler, 5 Bde., Lemgo 1764, hier Bd. 1, Teil 1, S. 122. 104 Zur Rolle der Landschaftsbeschreibung im Werk von Sophie von La Roche vgl. Erdmut Jost, Landschaftsblick und Landschaftsbild. Wahrnehmung und Ästhetik im Reisebericht 1780–1820. Sophie von La Roche – Friederike Brun – Johanna Schopenhauer, Freiburg im Breisgau 2005, S. 146–166.



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auf den weiten Himmel über ihnen, und die fruchtbare Landschaft zu ihren Füßen aufmerksam machen, um sie mit Trost und Hoffnung zu erfüllen.105

Für sie lag in der Konstellation von naturräumlichen Gegebenheiten und kultureller bzw. geistlicher Landschaftsprägung ein großes spirituelles Potential, das in seiner Art ganz dem romantischen Naturbegriff entsprach. Der Mensch konnte beim Betrachten dieser Symbiose aus Natur und sakralem Ort bereits im rein ästhetischen Empfinden einen Bezug zu Gott finden, wie sie am Beispiel der Kirche St. Martin in Oberwesel aufzeigte: Schön liegt die Kirche dieser Stadt, über alle Gebäude erhöht, zwischen lauter Bäumen, und kann von allen Seiten gesehen werden, so daß die Einwohner und Vorbeireisende an die Verehrung des göttlichen Wesens erinnert werden, aus dessen Händen der prächtige Fluß, und alle die Anmuth und Fruchtbarkeit seiner Ufer entsprang.106

Der romantische Blick konnte aber auch durch reine Naturbetrachtung zu spiritueller Empfindsamkeit anleiten. Nicolaus Vogt, der bezeichnenderweise bereits zu Lebzeiten dafür Sorge getragen hatte, dass nach seinem Ableben sein Herz und sein Gehirn an einer bis heute erkennbaren Stelle am Binger Loch begraben wurden, um so auch über den Tod hinaus dem Rhein nahe sein zu können, beschrieb in seinen Mahlerischen Ansichten des Rheins eine Szene, in der dieses Naturgefühl exemplarisch zum Ausdruck kommt. Gemeinsam mit einer Reisegesellschaft verlebte der Erzähler des als Reiseroman konzipierten Werkes einen Nachmittag im Rheingau bei Wanderungen und vielfältigen Gesprächen. In einem kleinen Landhaus kehrte die Gesellschaft ein, und der Erzähler geriet unfreiwillig in ein Streitgespräch mit einem der anderen Teilnehmer darüber, ob denn Musik als wahre Kunst betrachtet werden könne. Daraufhin lässt Vogt seine 105 Siehe: Marie Sophie von La Roche, Tagebuch einer Reise durch Holland und England von der Verfasserin von Rosaliens Briefen, Offenbach am Main 1788, S. 19f. Vermutlich inspirierte der Text La Roches Johanna Schopenhauer zu ihrem Besuch auf dem Rochusberg 1815. Analog zu La Roche bemerkte sie: „Den Nachmittag bestiegen wir die Anhöhe, auf welcher die seit kurzem wieder hergestellte Rochuskapelle liegt. Sie könnte wohl für eine kleine Kirche gelten, so groß ist sie. In der Mitte des Augusts, am St. Rochus-Tage, wallfahrten mehr als zehntausend Menschen aus der umliegenden Gegend zu ihr hinauf, und dienen Gott mit fröhlichem Herzen. Denn dieses fromme Fest ist zugleich ein Volksfest, an welchem alles Theil nimmt und von dessen Freuden das ganze Jahr hindurch so lange gesprochen wird, bis der ersehnte Tag im Wechsel der Zeit wiederkehrt. Auch wüßte ich keinen Platz, an dem man zugleich fröhlicher und frömmer seyn könnte, als diesen, wo die Welt so herrlich um uns her liegt, geschmückt mit allen Gaben der gütigen Natur.“ Siehe: Johanna Schopenhauer, Ausflucht an den Rhein und dessen nächste Umgebungen im Sommer des ersten friedlichen Jahres, Leipzig 1818, S. 218. 106 Siehe: La Roche, Tagebuch, S. 30.

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Figur eine der Teilnehmerinnen bitten, einige der populärsten Stellen aus Haydns Schöpfung auf dem vorhandenen Klavier vorzuspielen: Zum Beispiel das überraschende: Es werde Licht; das schöne mahlerische Rezitativ: Und Gott sprach: Es werden Thiere; das sanfte liebliche: Nun beut die Flur u. s. w.; das hohe majestätische: Mit Würd’ und Hoheit angethan; das liebevolle: Holder Gatte! - und andre.… Als das: Von deiner Güte, o Herr und Gott! gesungen wurde, und wir gerade an die Stelle kamen, wo der Chor einfällt, riß ich ein Fenster auf, zeigte der Gesellschaft die herrliche Aussicht auf das schöne Rheingau in der Blüthe und Fülle, und rief laut: Nur wer hier nicht Andacht fühlt, ist gewiss ein Gottesläugner. Die ganze Gesellschaft war hingerissen von dem großen herrlichen Gesange, und mein Widersacher musste öffentlich Glaubensbekenntnis ablegen.107

Die bei Sophie von La Roche bereits grundgelegte Idee einer metaphysisch orientierten Rheinbetrachtung, in der die kunstvolle und vom Menschen mitgestaltete Natur auf ihren Schöpfer hinweist, nahm Friedrich Schlegel, drei Jahre vor seiner Konversion zum Katholizismus, in seinen Briefen auf einer Reise durch die Niederlande, Rheingegenden, die Schweiz und einen Teil von Frankreich, neu auf und integrierte sie in das von ihm entworfene romantische Weltbild. Beim Betrachten der Rheinlandschaft bei Bonn formulierte er diesen Gedanken so: „... scheint diese Gegend mehr ein in sich geschlossenes Gemählde und überlegtes Kunstwerk eines bildenden Geistes zu seyn, als einer Hervorbringung des Zufalls zu gleichen.“108 Schlegel entdeckte die Rheinlandschaft für die Romantik als ideales Sinnbild tieferer Zusammenhänge.109 Hier, am Rhein, konnten sich im Blick des romantisch gesinnten Betrachters Natur und vom Menschen gewirkte Kultur zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen. Die Relikte der Vergangenheit, wie sie sich in Burgen- und Klosterruinen zuhauf besonders im Bereich des Mittelrheins finden lassen, die Geschichten und Legenden der Vorzeit hatten ihre Spuren in der Landschaft selbst hinterlassen und dienten dem Dichter und Philosophen als Inspiration.110 Achim von Arnim und Clemens von Brentano nutzten die mittelrheinische Kulturlandschaft als ebensolche Inspirationsquelle bei ihrer 107 Siehe Niklas Vogt, Mahlerische Ansichten des Rheins von Mainz bis Düsseldorf: mit 32 nach der Natur von Schütz aufgenommenen und von Günther gestochenen Kupfern, und einer Karte, Frankfurt am Main 1806, S. 118. 108 Siehe: Friedrich Schlegel, Briefe auf einer Reise durch die Niederlande, Rheingegenden, die Schweiz und einen Teil von Frankreich, im „Poetischen Taschenbuch“, Berlin 1806, S. 257–390, hier S. 350. 109 Vgl. Tümmers, Rhein, S. 209. 110 Vgl. Huch, Romantik, S. 368f. Über die literarische Rheinromantik als kurzer Überblick Detlef Haberland, „Eine Gegend wie ein Dichtertraum“. Aspekte der deutschen literarischen Rheinromantik, in: Haberland, Honnef, Weschenfelder, Zauber, S. 135–146. Ausführlicher Tümmers, Rheinromantik.



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Rheinreise 1802 und setzten damit Friedrich Schlegels philosophisch begründetes Programm in künstlerische Praxis um.111 Die nostalgische Stimmung romantischer Betrachtung erhielt besondere Nahrung dadurch, dass die Mehrzahl der am Rheinufer liegenden Klöster und Wallfahrtsstätten durch die Säkularisation in einen Dornröschenschlaf versetzt worden war, dessen Ende lange Zeit nicht absehbar war. „Wer nennt all die Ueberreste des Alterthums; die Burgen und Kapellen, die Thürme und Klöster, deren Ruinen gleichsam über dem Flusse schweben? Wer vermag die Städte und Dörfer, die Landhäuser und Schlösser, die heiligen Bilder und Krucifixe, die Eremitagen und Gärten zu zählen, welche, in Verbindung mit den vorhin erwähnten, der Rheinreise so viele Mannigfaltigkeiten und Abwechslungen, Contraste und Situationen geben, daß dieses alles schlechterdings unbeschreiblich ist.“,112 bemerkte der dänische Pädagoge Johann Heinrich Torlitz während seiner Reise in die Schweiz 1803. Und auch der aus Wetzlar stammende Arzt Georg Friedrich Wendelstadt beschreibt die am Mittelrhein zu findenden Relikte der alten Zeit, die dem Landschaftsbild in „unbeschreiblicher“ oder gar in „magischer“ Weise eine scheinbare Zeitlosigkeit verliehen, die den Reisenden zum Träumen einlud: Wir gleiteten so sanft auf der glänzenden Fläche des graulichen Strom’s hin, dass es uns wirklich in der Täuschung schien, als stünden wir still, und die schilfigen Ufer, Küsten mit Douanenhütten, Kapellen, Heiligenhäuschen, Crucifixen, Dörfern, blühenden Auen und Städtchen besetzt, flögen wie freundliche, magische Erscheinungen an uns vorbey, um, sich in jedem Moment verschönernd, das Bild der grössten Abwechselung und Mannigfaltigkeit darzustellen.113

Die romantische Empfindsamkeit konnte sich derart steigern, dass ein Lutheraner wie Johann Heinrich Torlitz, der Wert darauf legte, sich dem Leser als ächt protestantischen Christen114 vorzustellen, eine katholische Liturgie als stimmige Ergänzung zum Landschaftsbild beschrieb und dieses Erlebnis ganz unverstellt veröffentlichte: Des Abends beschloß ich meine Wandrung in der St-Ignatius-Kirche, der prächtigsten in ganz Maynz. Sie war herrlich erleuchtet und mit andächtigen Menschen angefüllet, welche, unter Wohlgeruch athmenden Wolken, den himmlischen Tönen der Messesänger zulauschten.

111 Vgl. Tümmers, Rhein, S. 211. 112 Siehe: Johann Heinrich Torlitz, Reise in der Schweiz und einem Theile Italiens, im Jahre 1803. Veranlaßt durch Pestalozzi und dessen Lehranstalt, Leipzig 1805, S. 337. Originaltitel: SchweizerReise i Aaret 1803, Kopenhagen 1805. 113 Siehe: Georg Friedrich Christian Wendelstadt, Rheinreise von Mainz bis Neuwied im July 1812, Hadamar 1813, S. 109. 114 Siehe: Torlitz, Reise, S. 326.

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Noch keine religiöse Versammlung habe ich mit so vieler Wehmuth verlassen, als diese. War es die Pracht des Tempels, oder das Feyerliche dieser nächtlichen Gottesverehrung, welches mich ergriff, oder war es der Gedanke an meine nahe Trennung von Maynz, vom Rheine, welcher mir die Aussicht in die Zukunft verfinsterte? Genug, Maynz schien mir der Ort zu seyn, den ich mir, selbst nach seiner Einverleibung im französischen Staatskörper, zum bleibenden Aufenthalt wünschen möchte, und ich stimmte völlig dem Berliner bei, welcher vor der Revolution Maynz folgende Lobrede hielt: ‚Man lebt doch nirgends auf Erden besser, als in Maynz. An allen guten Dingen hat man hier Ueberfluß: köstliche Früchte, trefflichen Wein, die schönsten Gegenden, den herrlichsten Fluß in der Welt, um weiter zu schiffen, reitzende Mädchen, Ablaß, so viel man bedarf, kurz, alles was man sich wünscht, hat man hier.‛115

Bei vielen Reisenden reichte das Betrachten des sakralen Raumes aus, um andächtig gestimmt zu werden und dieses auch unumwunden literarisch zu dokumentieren.116 Bereits Georg Forster hatte in seinen Ansichten vom Niederrhein 1790 eben nicht nur aufgeklärte Kritik insbesondere am Katholizismus zu bieten, sondern widmete eine große Passage seiner Stadtbeschreibung von Köln der Raumwirkung des Domes: Wir gingen in den Dom und blieben darin, bis wir im tiefen Dunkel nichts mehr unterscheiden konnten. So oft ich Kölln besuche, geh ich immer wieder in diesen herrlichen Tempel, um die Schauer des Erhabenen zu fühlen. Vor der Kühnheit der Meisterwerke stürzt der Geist voll Erstaunen und Bewunderung zur Erde; dann hebt er sich wieder mit stolzem Flug über das Vollbringen hinweg...117

Die Beobachtung eines Forster unbekannten weiteren Dombesuchers lenkte ihn schließlich von seinen detailreichen Beschreibungen des Dominneren ab: Meine Aufmerksamkeit hatte einen wichtigeren Gegenstand: einen Mann von der beweglichsten Phantasie und vom zartesten Sinne, der zum erstenmal in diesen Kreuzgängen den Eindruck des Großen in der gothischen Bauart empfand und bei dem Anblick des mehr als hundert Fuß hohen Chors vor Entzücken wie versteinert war. O, es war köstlich, in diesem klaren Anschauen die Größe des Tempels noch einmal, gleichsam im Widerschein, zu erblicken!118 115 Siehe: ebd., S. 341. 116 So etwa der aus dem damaligen Livland stammende lutherische Pastor Eduard Johann Assmuth, der beim Anblick des Kölner Doms befand: „... die Seele wird unwillkürlich zur Andacht gestimmt.“ (Siehe: Eduard Johann Assmuth, Reise durch Deutschland und die Schweiz 1815/16. Bearbeitet von Elisabeth Klein und Peter Wolfgang Klein, Marburg 1976 (= Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ostmitteleuropas; Nr. 105), S. 219. 117 Siehe: Georg Forster, Ansichten vom Niederrhein von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich, im April, Mai und Junius 1790, Leipzig 1979 (= Sammlung Dieterich, Bd. 385), S. 49. 118 Siehe: ebd., S. 51.



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Die besondere Ausstrahlung der Gotik, wie sie von Friedrich Schlegel kunsttheoretisch in den Grundzügen der Gotischen Baukunst119 begründet wurde, führte gleichzeitig auch zu innerkatholischer Kritik am Barock, dessen überbordender und verspielter Stil nun von manchem Katholiken als überkommen angesehen wurde. Der aus Koblenz stammende Priester Joseph Gregor Lang formulierte bei seinem Besuch in Mainz über die besuchten barocken Kirchen der Stadt schließlich bei Betrachtung der Augustinerkirche: Letztere ist in ihrem Portale ganz verhunzt, alles ist zu schwer, zu hart und macht in der engen Augustinerstraße ein schlechtes Ansehen. Als ich zum erstenmal diese Straße durchging und dieser Kirche nahe war, verdoppelte ich meine Schritte und zog meinen Kopf vorwärts gebückt in die Achseln, in Furcht, nicht ein Halbdutzend Engel und Heilige, die ein gefährlicher Augenblick leicht hätte herunterzitieren können, auf meinen Leib zu bekommen. Man findet überhaupt in allen diesen vorbemerkten Kirchen eine übertriebene Ziererei, die das Gemüt des Betenden vom wahren Ziel ablenkt, und vermißt das edle Einfache, welches jedoch der Heiligkeit eines Gotteshauses nahekommen sollte.120

Die Gotik jedoch wurde im Übergang von literarischer zu politischer Rheinromantik zum „deutschen“ Baustil stilisiert, und der Kölner Dom diente – für rund 20 Jahre im nunmehr französischen Rheinland gelegen – als Sinnbild für romantisch-restaurative Phantasien, wie sie sich dann auch in den Plänen von Sulpiz de Boisserée und Joseph Görres zur Domvollendung ausdrückten.121 Das so lange von den Reiseschriftstellern geschmähte Köln beherbergte nunmehr ein „ehrwürdiges Denkmal der großen deutschen Vorzeit“,122 das Rheintal wurde selbst zum „Felsendom“ „ächt gothisch und alt-deutsch“, der das „Gemüth zu tiefer Betrachtung, heiliger Ruhe und frommer Andacht stimmt und zugleich das Bewußtsein jener Kraft in uns aufruft, welche in eigener Selbständigkeit fest und unerschütterlich besteht, und ein dem Deutschen angeborener Vorzug ist... zer119 Siehe: Friedrich Schlegel, Grundzüge der Gotischen Baukunst; auf einer Reise durch die Niederlande, Rheingegenden, die Schweiz, und einen Teil von Frankreich. In dem Jahre 1804 bis 1805, in: ders., Sämtliche Werke, Wien 1803, Bd. 6, Nr. II, S. 221–300. Es handelt sich um eine Nachbearbeitung und kunsttheoretische Reflexion der 1806 publizierten Reisebeschreibung. 120 Siehe: Joseph Gregor Lang, Reise auf dem Rhein von Mainz bis zum Siebengebirge, herausgegeben von Willy Leson, Köln 1975, S. 23. Kurz zuvor hatte er im Mainzer Dom noch ganz andere Empfindungen notiert (ebd., S. 22): „Ein heiliger Schauer überlief beim Eintreten meinen Körper, und ich konnte mich sobald nicht fassen, teils wegen der plötzlichen Täuschung, teils wegen der vielen erhabenen Gegenstände, die zwischen Grausen und Ehrfurcht nur allzu schnell auf meine Sinne wirkten.“ 121 Vgl. Tümmers, Rheinromantik, S. 50f. 122 Siehe: Gottfried Peter Rauschnick (= Pseudonym P. Rosenwall), Malerische Ansichten und Bemerkungen auf einer Reise durch Holland, die Rheinlande, die Schweiz und Württemberg, Mainz 1818, S. 161.

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fallene Klöster, Bethäuser und Kapellen halten Dir ihre steinernen Kreuze entgegen, und gemahnen Dich an den Harnisch des Glaubens...“, wie Ernst August Klingemann, der Autor der Nachtwachen, in seinem Reisetagebuch notierte.123 Insbesondere das Mittelrheintal wurde im Sinne der politischen Romantik funktionalisiert und als symbolische Landschaft dargestellt, in der die nunmehr säkularisierten katholischen Landschaftsmerkmale keine kontroverse, sondern eine eher nostalgische und patriotische Rolle zu spielen hatten.124 So bemerkte ein anonymer Reiseschriftsteller bei Bingen: Ganz nahe vor denselben wälzte Vater Rhein seine schäumenden Wellen, gerade gegenüber liegt hoch auf einem Berge die Kapelle des heiligen Rochus, zu der ehemals, ehe sie durch die Neufranken ihren Heiligen verlor, viele sündenbelastete Büßer wallfahrteten und mit erleichterter Brust beruhigt zurückkehrten.125

Der Rheingau wurde bei Ludwig von Boclo nun zum „teutschen Paradies“126 und der Johannesberg für weitere Reiseschriftsteller zum Bezugspunkt für nationalreligiöse Empfindungen: „Auf einmal wurden wir rechts in einiger Entfernung den König teutscher Rebenhügel, den Johannisberg, gewahr, den man zum ersten Mal in der That mit einem gewissen heiligen, man könnte sagen religiösen, Gefühl stiller Andacht betrachtet.“127 In patriotischem Überschwang schlug Ernst Moritz Arndt 1813 in seiner Denkschrift Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht seine Gränze ein ökumenisches Großprojekt vor, das nicht nur nationale, sondern indirekt auch konfessionelle Einheit herstellen sollte. Nach der Wiedereroberung des ganzen Rheinlandes von Frankreich solle, so Arndt, in Reminiszenz an den Deutschen Orden ein neuer Ritterorden gegründet werden, dem die Herrschaft über das gesamte Rheingebiet anvertraut werden würde. Die Ritter seien den „teutschen Tugenden“ (er nennt hier Frömmigkeit, Tapferkeit, Gerechtigkeit, Freiheit, Redlichkeit) verpflichtet, und wechselweise gebe es einen katholischen und einen protestantischen Großmeister.128 Nach dem Ende der „Krummstablande“ an der „Pfaffengasse“ sollte das Rheinland also zum Ordensland werden, und 123 Siehe: Ernst August Klingemann, Eine Fahrt auf dem Rheine (Fragment eines Schreibens an einen Freund), in: ders., Kunst und Natur. Blätter aus meinem Reisetagebuch, Bd. 1, Braunschweig 1819, S. 209–256, hier S. 233f. 124 Vgl. Dix, Mittelrheintal, S. 44–53; Grosser, Mythos, S. 20–26. 125 Siehe: Lembcke, Bemerkungen, S. 30. 126 Siehe: Ludwig von Boclo, Fussreise aus der Gegend von Cassel über den Vogelsberg nach Heidelberg und Coblenz, von da zurück über einige Bäder des Taunus im Nachsommer 1813, Darmstadt 1815, S. 284. 127 Siehe: Lembcke, Bemerkungen, S. 29. 128 Siehe: Ernst Moritz Arndt, Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht seine Gränze, Leipzig 1813, S. 83–89.



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das auf Vorschlag eines Protestanten hin – ein Auswuchs des romantischen Nationalismus par excellence.129

3.3.4 „Religiöses Freizeitvergnügen“130 als aktive Raumerschließung: Wallfahrten und Prozessionen Das katholische Wallfahrtswesen ist raumergreifend. Es prägt mit seinen meist an exponierten Stellen liegenden Zielorten nachhaltig das Erscheinungsbild einer Kulturlandschaft. Diese Raumkonstellation stellt aber gleichsam erst das Bühnenbild dar, wenn Teilnehmer von Prozessionen und Wallfahrten den Raum, geschmückt mit liturgischen Gewändern, Tragekreuzen, Fahnen, oft singend und 129 Zum Begriff des romantischen Nationalismus vgl. Thomas Nipperdey, Auf der Suche nach der Identität: Romantischer Nationalismus, in: ders., Nachdenken über die deutsche Geschichte, München 1986, S. 110–125. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die gezielte Erinnerung an den bis dato in den Reiseberichten sehr selten erwähnten Bartholomäus Holzhauser. In einer angeblich 1653 im Landgut des Mainzer Erzbischofs Johann Philipp von Schönborn in Geisenheim stattgefundenen Gesprächsrunde über die Wiedervereinigung der Konfessionen hätten Holzhauser, der Bischof und der allerdings erst seit 1664 in dessen Diensten stehende Gottfried Wilhelm Leibniz hierüber diskutiert und nach Möglichkeiten gesucht. Der erste, der eine solche – nie stattgefundene – Begegnung erwähnte, war ausgerechnet der Historiker Nikolaus Vogt; ihn zitierte unkritisch Christian Gottfried Stein wenige Jahre später. Vogt schrieb hierzu: „Hier war es, wo er das wichtige Gespräch zwischen dem guten Bartholomäus Holzhausen, und dem lichten Denker Leibnitz anstellte. Der große Fürst hatte beide in seinen Diensten, und versuchte es hier, welch ein Kontrast! einen dunkelsehenden Propheten und hellsehenden Philosophen zu vereinigen, und zu seinen großen Zwecken zu benutzen. Wir wünschten nun zu wissen, was wohl der Inhalt eines Gesprächs gewesen seyn möchte, wovon man so viel sagte, und von welchem beide vergnügt ausgingen. Es ist zu bedauern, dass man nur einige unbefriedigende Nachrichten davon hat. Ich für meinen Theil glaube, dass Leibnitzens Theodizee und des Bartholomäus Visionen uns den besten Aufschluss darüber geben können. Beide Werke preisen Gottes geheime Leitung der Welt und ihre Harmonie. Nur gehen Sie von verschiedenen Gesichtspunkten aus. Leibnitz sieht selbst das Übel als ein nothwendiges Werkzeug der göttlichen Gerechtigkeit, und Bartholomäus die Verfolgungen und Laster der Kirche als nothwendige Reinigungen der Religion an. Jener brachte seine lichtvollen Gedanken aus dem freundlichen Maynz hieher, dieser seine dunklen geheimnisvollen Visionen aus dem finstern Bingen, und der kluge Kurfürst wusste beides zu vereinigen.“ (Siehe: Vogt, Ansichten, S. 114). Der Leipziger Geograph Christian Gottfried Stein nahm diesen – falschen – Hinweis später auf und schrieb hierzu: „Ehrwürdig steht auch noch der Landsitz des staatsklugen Kurfürsten Johann Philipp, wo mit ihm der Philosoph Leibniz und der Schwärmer Holzhausen von Bingen, 1653 über den Kirchenverein ein, wie immer in solchen Fällen, nichts entscheidendes Gespräch hielten.“ (Siehe: Christian Gottfried Stein, Reise über d. Harz, nach Cassel, Frankfurt, Mainz, Coblenz, Trier, Cöln, Düsseldorf u. durch Westphalen, Leipzig 1827, S. 140. 130 Vgl. Hersche, Muße, Bd. 2, S. 794.

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musizierend, demonstrativ erschließen und somit sich selbst und ihr Bekenntnis in Szene setzen. Diese Form der demonstratio catholica, die, in optischer wie akustischer Form schon von Weitem erkennbar, das Raumbild mit Leben füllt, wurde in den Beschreibungen nicht-katholischer Reisender in ihrer Fremdheit, aber auch in ihrer spektakulären und die Sinne ansprechenden Form reich und kontrovers beschrieben. Der calvinistische Naturforscher Jean André de Luc131 schilderte in seinen Reiseerinnerungen den Moment der überraschenden Begegnung mit einer Schiffswallfahrt auf dem Rhein bei Boppard und die spontanen Empfindungen, die hierdurch bei ihm ausgelöst worden waren: Die Krümmungen des Flusses machen, daß man immer aus einem verschlossenen Bassin in das andere zu kommen glaubt, und die Ausgänge nicht eher bemerkt, als bis man ihnen nahe kömmt. Ich befand mich eben in einem solchen Bassin, als ich unvermuthet eine zahlreiche Gesellschaft in dasselbe eintreten sahe. Sieben bis achthundert Personen hatten sich auf vier zusammengeschlagnen und mit Brettern bedeckten Schiffen gelagert, und in ihrer Mitte standen ein Priester und ein Panierträger. Sie waren des Morgens zu Fuß nach einer 7 bis 8 Stunden weit entfernten berühmten Capelle gegangen, um für den Segen der künftigen Erndte zu beten, und fuhren jetzt den Fluß hinab wieder zurück. Sie stimmten von Zeit zu Zeit Gesänge an, die das Echo wiederholte.132

Als er kurz darauf seine Herberge für die Nacht bezogen hatte, konnte er den Pilgerstrom noch weiterhin wahrnehmen: Die Finsterniß machte aus allem eine einzige dunkle Masse, in welcher das Auge nichts unterscheiden konnte, als die Contours der Felsen und Bäume und des Schlosses Bornshofen, die sich gegen den Himmel abschnitten. Eben so wenig konnte das Ohr irgend etwas bemerken: es herrschte die vollkommenste Stille, als ich auf einmal das Singen einer andern den Fluß hinabfahrenden Procession hörte. Ich glaubte am Ufer des Styx zu seyn, und Schatten zu hören, welche Charon in die elysäischen Felder überführe. Der Ton ihrer Stimmen drückte Andacht aus, und Empfindungen der Andacht sind Vorschmack der Unsterblichkeit.133

Dass ein Calvinist die religiöse Stimulanz, die durch die Begegnung mit einer kunstvoll inszenierten katholischen Massenveranstaltung bei ihm ausgelöst wurde, so unverhohlen öffentlich eingestand, stellt einen Sonderfall im Gros der 131 Vgl. Marita Hübner, Jean André Deluc (1727–1817). Protestantische Kultur und moderne Naturforschung, Göttingen 2010. 132 Siehe: Jean André de Luc, Physikalische und moralische Briefe über die Geschichte der Erde und des Menschen an I. M. die Königin von Großbritannien, 2 Bde., Leipzig 1781/1782, hier Bd. 2, S. 142. Die Beschreibungen erschienen zunächst in französischer Sprache unter dem Titel Lettres physiques et morales sur les montagnes, et sur l’histoire de la terre et de l’homme in sechs Bänden in Haag zwischen 1778 und 1780. 133 Siehe: ebd., S. 143.



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untersuchten Reiseberichte dar. Selbstverständlich provozierten die meist unter dem Vorstand eines Geistlichen anzutreffenden Prozessionen viele kritische und spöttische Kommentare, in welchen besonders Bezug auf das Verhältnis des Klerus zum Volk der Gläubigen genommen wurde. Johann Heinrich Liebeskind kommentierte in seinen 1795 erschienenen Rückerinnerungen an das Ende der Mainzer Republik das katholische Wallfahrtswesen mit wenig Interesse an religiöser Empfindsamkeit. Er interpretierte unter der Kapitelüberschrift „Fromme Torheiten“ die katholische Inszenierung vielmehr politisch als Nachweis für die auf mangelnder Aufklärung basierende Macht des Klerus über das mit Absicht dumm gehaltene Volk: Die Religion, welcher die Einwohner Königsteins zugetan sind, ist die christkatholische und vorgeblich allein selig machend. Im Sommer ist diese Religion für den gemeinen Mann besonders unterhaltend. In einer Zeit von zwei Monaten sah ich wohl ein halbes Dutzend Wallfahrten. Sie werden bekanntlich in Form einer Prozession vorgenommen, die aus einer Anzahl rüstiger Mädchen, junger Burschen und alter Mütterchen besteht, die insgesamt, vielleicht wegen einer Pest, die vor zweihundert Jahren einmal gewütet hat, jetzt spazieren gehen. In der Ferne kündigen sie sich wie eine Herde blökender Schafe an; und selbst, als sich schon meine Augen vom Gegenteil überzeugt hatten, kostete es meinen Ohren noch Mühe, zu eben dieser Überzeugung zu gelangen. ... Bei dem abgebrannten Kapuzinerkloster ist ein hölzernes Kreutz stehen geblieben. Dies halten die meisten von den Einwohnern für ein Wunder. So sind in der katholischen Christenheit Wunder noch immer das Narrenseil, an dem die Geistlichkeit das Volk führt.134

Bei einem katholischen Betrachter konnten durch eine solche Schiffswallfahrt, wie sie de Luc beschrieben hatte, gänzlich andere Empfindungen ausgelöst werden. Der italienische Geistliche Aurelio de’ Giorgi Bertòla beschrieb das plötzliche Aufeinandertreffen mit einer solchen auf dem Rhein zwischen Koblenz und Neuwied wie folgt: Wir hatten unsere Blicke rückwärts gewendet, um ein Vorgebirge der Insel, und die zahlreichen Flecken und Dörfer, welche vornemlich zur Linken liegen, in Augenschein zu nehmen, als wir aus der Ferne einen vielstimmigen Gesang vernahmen. Wir sahen uns um und bemerkten in einiger Entfernung zur Rechten ein Geschwader von etwa zwölf Nachen am Ausflusse der Sayn. Sie kamen den Strom heraufwärts uns entgegen, und in der Ferne sahen wir einige Fahnen von verschiedener Farbe wehen. Wir konnten nicht rathen, was dieser Zug bedeuten sollte. Endlich unterschieden wir ganz genau die Melodie eines Kirchengesangs, und sahen an der Spitze der Fahnen Kränze von Laubwerk und Blumen flattern. Die Ruder schlugen gleichsam den Tact zu dem Gesange, den der Wiederhall über den Fluss trug. Ein alter Priester saß auf dem Hintertheile des letzten Nachen, und regierte, 134 Siehe: Johann Heinrich Liebeskind, Rückerinnerungen von einer Reise durch einen Theil von Teutschland, Preußen, Kurland und Liefland, während des Aufenthaltes der Franzosen in Mainz und der Unruhen in Polen, Königsberg 1795, S. 102f.

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mit einem grossen Buche in seiner Rechten, und einem kleinen Ruder in der linken Hand, wie ein Capellmeister in der Mitte seiner Capelle, den Gesang und die Fahrt der übrigen Gesellschaft. Dieses unvermuthete Rencontre einer Procession, die aus den Dörfern in dem Gebirge nach Coblenz gieng, diese Nachen, welche die ganze Breite des Flusses einzunehmen schienen, der Gesang, die bekränzten Fahnen, einige militärische Physiognomien, die sich bemühten, fromm auszusehen – alles das verschaffte uns eine höchst angenehme Zerstreuung, und rufte uns das Andenken der Kreuzfahrer ins Gedächtniss zurück.135

In Bertòlas Beschreibung bildete der singende und reich geschmückte Pilgerstrom unter Anleitung eines alten Priesters eine harmonische Einheit mit dem frühromantisch verklärten Landschaftsbild, das er bereits zuvor ausführlich gezeichnet hatte. Wurden die Pilger bei Liebeskind noch als eine „blökende Herde“ dargestellt, so zog Bertòla nun den Vergleich zu einer Musikkapelle, bei der Kapellmeister und Sänger in spielerischer Manier miteinander harmonierten und damit nicht nur sich selbst, sondern auch den Betrachter geistlich erbauten. Dass in diesem frommen Schauspiel und der mit ihm bezwecktem demonstratio catholica auch ein latent aggressiver Zug wahrgenommen werden konnte, belegt Bertòlas Hinweis auf Erinnerungen an die Kreuzfahrerzeit, die bei ihm geweckt wurden. Andere protestantische Autoren zeigten sich in ihren Berichten erschreckt über das bedrohliche Potential, das im Umfeld einer solchen Massenveranstaltung erlebt werden konnte. Genährt wurde dies nicht nur durch die große Zahl der Pilger und ihr demonstratives Glaubenszeugnis, sondern durch das zum Teil archaische Brauchtum im Kontext der Festlichkeiten. Während einer Fronleichnamsprozession in der Nähe von Siegburg konnte der aus Eisenach stammende Arzt Johann Friedrich Grimm136 zunächst den friedlichen Beginn einer solchen Veranstaltung erleben: Von denen an dem Wege hinliegenden Dörfern begegneten uns die Gemeinden in Procession um des Festes willen. Männer, Weiber, Jungfern und Junggesellen, giengen paar Weise im Felde, und verrichteten ihren Gottesdienst in der Morgenstunde singend hinter der Monstranz her, bey einem angenehmen Spatziergange.137

Doch im weiteren Verlauf der beschaulich begonnenen Veranstaltung entwickelte diese ein Eigenleben, das deren frommen Anlass nur noch schwer erkennen ließ.

135 Siehe: Bertòla, Rhein-Reise, S. 169. Italienisches Original: Viaggio sul Reno e ne’ suoi contorni, Rimini 1795. Zu Bertòla selbst vgl. Fechner, Landschaft. 136 Vgl. August Hirsch, „Grimm, Johann Friedrich Karl“, in: ADB 9 (1879), S. 689. 137 Siehe: Grimm, Bemerkungen, Bd. 3, S. 500.



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Man hätte hier einen kleinen Krieg vermuthen können, ein solches Lärmen war auf allen Straßen vom Zusammenlauf der Leute, und dem Abfeuren von Flinten und Pistolen, zur Feyer des heutigen Festtages.138

Der Koblenzer Priester Joseph Gregor Lang nutzte in seiner vielgelesenen Rheinreisebeschreibung von 1789 die Betrachtung des Wallfahrtwesens in Bornhofen zu einer breit angelegten Verteidigung katholischer Frömmigkeit. Hierbei nahm er die in der aufgeklärten Reiseliteratur stereotyp auftauchenden Vorwürfe von oberflächlicher Frömmigkeit und unmoralischen Begleiterscheinungen des Wallfahrtswesens direkt auf, indem er „den wahren und reinen Geist der Andacht“, den er hier verwirklicht sehen wollte, besonders betonte. In direkter Bezugnahme auf die weit verbreitete Mönchskritik hob er weiterhin den sittlichen Charakter des klösterlichen Lebens hervor: Feierlich und erquickend war der Anblick für mich, in diesen schattigen Gängen ganze Scharen singender Wallfahrer zu sehen, in Gruppen oder auch paarweise geführt vom hohen Kreuze und der flatternden Fahne, um ihre Gelübde in dieser heiligen Stätte zu zinsen. Der wahre und reine Geist der Andacht, der Demut und Genügsamkeit, der Beschauung und Selbstkenntnis, dem die Klöster ihre Entstehung zu verdanken haben; die Entschlossenheit, mit der ihre Stifter allen lockenden Reizungen der Welt und des geselligen Lebens entsagten, und ihre ungeheuchelte fromme Absicht, ganz in abgezogener Stille sich über irdischen Sphären hinaufzuschwingen und den Geist zum höheren Leben fähig zu machen, wirkte hier mehr als anderswo auf mein Herz und meine Sinne. Wieviele stille Tränen und Seufzer, dachte ich bei mir, sind nicht schon aus dieser heiligen Klause, ungesehen von der Welt, zu Gott emporgestiegen! Wieviele süße Neigungen und gewaltige Triebe wurden da nicht überwunden! Wie vergaß ich sodann all das Gespötte, alle die kritischen Witzeleien und Unverdaulichkeiten, die man in so vielen heutigen Modeschriften liest, und fühlte nur innigst, wie schön, wie groß und himmelähnlich ein Leben sei, das dem Geiste der Stiftung getreu in Bruderliebe, Wohltätigkeit und Stille, im Gebete und täglich wachsender Besserung des Sinnes und Herzens, in Ordnung und ungestörter Ruhe in einem Zirkel solcher würdigen Greise dahinflösse!.... So glitten meine Gedanken, mit einer Art von heiligem Schauder verknüpft, mit dem wankenden Nachen dahin, die mir süßer waren als das freudige Staunen beim reichsten Anblick der Kunst und Pracht. Ich zählte hier in einem Distrikte von einer halben Stunde sechs Klöster, die sich von einem Ufer zum anderen nachbarlich zuwinken und deren gemischtes, vieltönendes Geläute in der glänzenden Landschaft von allen Seiten aus diesen stillen Wohnungen der Abgezogenheit von der Welt auch das heiterste, das brausendste Gemüt zur sanften Rührung, zur feierlichen Anbetung würden gestimmt haben.139

138 Siehe: ebd., S. 503f. 139 Siehe: Lang, Reise, Bd. 1, S. 79.

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Die symbolische Raumerschließung durch Prozessionen und Wallfahrten erzeugte ein breites Spektrum an Eindrücken und Deutungsmustern bei den Reiseschriftstellern des 18. und frühen 19. Jahrhunderts.140 Mit den zahlreichen volkstümlichen Begleiterscheinungen gehörte sie sicherlich zu den spektakulärsten Zeugnissen katholischer Frömmigkeit und ihres demonstrativ in der Landschaft zur Schau gestellten Geltungsanspruchs. Die Assoziationen des Betrachters konnten dabei von frommer Erbauung bis hin zum Empfinden von körperlicher Bedrohung reichen, abhängig davon, welcher Konfession man selbst angehörte und welche Meinung man von der jeweils anderen bereits zuvor ausgebildet hatte.

3.3.5 Protestantische Erinnerungsorte „Der Grad der Abwesenheit protestantischer Volksfrömmigkeit ist ein Indiz für den Erfolg der Reformation.“ Diese These formulierte Jörg Haustein zur Volksfrömmigkeit in den protestantischen Kirchen, und sie erklärt ein bewusst intendiertes Missverhältnis in Bezug auf die optische Wahrnehmbarkeit der unterschiedlichen konfessionellen Frömmigkeitsformen im Landschaftsbild.141 Während der barocke Katholizismus durch seine Wertschätzung von Heiligenverehrung, Wallfahrts- und Prozessionswesen eine stark landschaftsprägende Kraft entwickelte, konzentrierten sich die protestantischen Kirchen in einer betonten Gegenbewegung auf die Propria protestantischer Frömmigkeit in Wort und Schrift, besonders im Medium von Katechismus und Kirchengesang.142 Das Bedürfnis zahlrei140 Zur innerkatholischen Kritik am Wallfahrtswesen im 18. Jahrhundert vgl. Bernhard Schneider, Wallfahrtskritik im Spätmittelalter und in der „katholischen Aufklärung“ – Beobachtungen zu Kontinuität und Wandel, in: ders. (Hrsg.), Wallfahrt und Kommunikation – Kommunikation und Wallfahrt, Mainz 2004 (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, Bd. 109), S. 281–316, v.a. S. 300–313. Zur Entwicklung der Wallfahrtspolitik im Erzbistum Köln im 19. Jahrhundert vgl. Volker Speth, Katholische Aufklärung und Ultramontanismus, Religionspolizey und Kultfreiheit, Volkseigensinn und Volksfrömmigkeitsformierung. Das rheinische Wallfahrtswesen von 1826 bis 1870, Teil 1: Die kirchliche Wallfahrtspolitik im Erzbistum Köln, Frankfurt am Main u.a. 2010 (= Europäische Wallfahrtsstudien, Bd. 7). 141 Vgl. Jörg Haustein, „Volksfrömmigkeit, VI/2. Protestantische Kirchen“, in: TRE, Bd. 35 (2003), S. 242– 244. Über den Kontrast von protestantischer und katholischer Volkskultur vgl. Richard Weiss, Grundzüge einer protestantischen Volkskultur, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 61 (1965), S. 75–91. 142 Hierzu als Überblick für den lutherischen Bereich: Bernard Vogler, Volksfrömmigkeit im Luthertum deutschsprachiger Länder, in: Hansgeorg Molitor/Heribert Smolinsky (Hgg.), Volksfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit, Münster 1994, S. 37–48. Zur Forderung, sich in der Forschung verstärkt der protestantischen Volksfrömmigkeit und ihren verschiedenen Ausdrucksformen zu widmen: Dieter Breuer, Absolutistische Staatsreform und neue Frömmigkeitsformen. Vorüber-



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cher protestantischer Reisender, eine eigene religiöse Topographie zu entwickeln und damit ihren Lesern dezidiert konfessionell begründete Kontrapunkte im Landschaftsbild präsentieren zu können, äußerte sich im Bereich der Rheinreise besonders an dem reformationsgeschichtlich wichtigen Ort Worms. Der aus der Normandie stammende Hugenotte Maximilien Misson berichtete nach seiner Reise 1687 als erster, wie er selbst auf einen besonderen, in Worms gepflegten Luther-Kult stieß, der dort offenbar bereits seit längerer Zeit bestand: Es sind in Worms zwey gemeine Häuser, das eine wird genennet das Bürger-Haus, auff welchen der Rath wöchentlich zweymahl sich versammlet; das andre ist vor den Magistrat, und werden allda die process-sachen geführet. In jenem hat sich D. Luther unzerstanden vor dem Kayser zu erscheinen, aus weltbekanten Ursachen. Es wurde uns erzehlet, daß als selbiger ziemlich starck geredet und ihm sonst von der Hitze des Ofens bey welchem er gestanden warm geworden, habe man ihm ein Glas Wein gebracht, das habe er zwar angenommen, aber weil er mit grosser Hefftigkeit geredet, selbiges auff eine Banck gesetzet. Da soll nun das Glas alsobald darauff in stücken zersprungen seyn, ohne daß es jemand angerühret hätte, und will man sicherlich glauben, der Wein sey vergifftet gewesen. Nu ist dieses eine historie, darüber ich eben nicht viel gloßierens machen will. Es sey ihm aber wie ihm wolle so ist doch gewiß, daß der ort worauff das daß Glas gestanden seyn soll, gantz ausgehöhlet ist wegen der Splitter, die davon abgeschnitten und die einige von denen eyferigen Lutheranern zum Andencken D. Luthers als etwas gar sonderliches auffzuheben pflegen.143

legungen zu einer Frömmigkeitsgeschichte der frühen Neuzeit aus literarhistorischer Sicht, in: Chloe. Beihefte zum Daphnis 2 (1984), S. 5–25. Andreas Holzem spricht in Bezug auf den frühneuzeitlichen Kult protestantischer Idole von einem „geradezu verschämt schlecht untersuchten“ Phänomen, vgl. Andreas Holzem, Heilige und Reliquien, protestantisch-nationale Heiligenverehrung, in: Dinzelbacher, Handbuch, S. 276–281, hier S. 279. Eine Relativierung der allzu trennscharfen Gegenüberstellung von protestantischer Wort- und katholischer Bildkultur in der Studie von Martin Scharfe, Evangelische Andachtsbilder, Stuttgart 1968. Intensiv setzte sich zuletzt Stefan Laube in seiner kulturwissenschaftlichen Habilitationsschrift mit dem Lutherkult auseinander; vgl. Stefan Laube, Von der Reliquie zum Ding. Heiliger Ort – Wunderkammer – Museum, Berlin 2011, S. 199–232. 143 Siehe: François Maximilien Misson, Herrn Maximilian Missons Reisen aus Holland durch Deutschland In Italien, Leipzig 1701, S. 70. Originaltitel: Nouveau voyage d‘Italie. Den Haag 1691. Dass dieses Brett trotz der starken Abnutzung der Souvenirjäger auch noch rund hundert Jahre später vorhanden war, bestätigen zwei weitere Reiseschriftsteller: Arend Fokke, Beknopte Beschrijving van den Rhijn-Stromm, benevens de Steden, Amsterdam 1796, S. 21: „... men pleeg hier ook een bank te toonen, op welke Luther, geduurende dit verhoor, een glas wijn, ’t welk men hem aanboodt, zonder ’er van te drinken, wijl hij te druk in gesprek was, nevens hem nederzette, en welk glas men, naaderhand ontdekt zoude hebben, vergiftigd te zijn geweest; doch ’er is weinig zeckerheid voor deze vertelling.“ Und: Nicolai Karamsin, Briefe eines russischen Reisenden, Leipzig 1801, S. 141: „... und schon ist das Bret ganz zerschnitten!!“

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Der Umstand, dass der frühneuzeitlichen protestantischen Luther-Verehrung teilweise ein der katholischen Heiligenverehrung analoger Wunderglaube anhaftete, war im Kreis der konfessionellen Widersacher durchaus bekannt und sorgte für Amüsement. So nahm der Jesuit Johannes Kraus das zweihundertjährige Reformationsjubiläum 1717 zum Anlass, eine Schrift mit dem Titel Der wunderbare, wunderthätige und wundersame Luther144 zu veröffentlichen, in welcher er verschiedene kursierende Luther-Legenden in spöttischem Ton vorführte, um sie sogleich als gezielte Lügen zu enttarnen. Er schloß seinen Ausblick auf den evangelischen Lutherkult mit dem Satz: „O Lutheraner, o betrogene Leuthe, allein: mundus vult decipi: Die Welt will halt betrogen seyn!“145 Das Luthergedenken bildete für viele Reisende den eigentlichen Anlass, der Stadt Worms einen Besuch abzustatten. Der anglikanische Bischof Charles Este beschrieb dies 1793 so: Popery is the establishment of the place. And of the churches which appear, four are doomed to that profession: but, there are the same number devoted to a more rational system, three for the followers of Luther, one for the reformed. The well earned fame, the venerable memory of Luther was indeed, I believe, a prime motive for preferring this road, and for loitering a little in the place: The chamber where the good man meets the doom, is privileged beyond the common walks of life!146

Und weiter konstatierte er zum Besuchswert der Stadt: „Besides the memory of Luther, the town of Worms is of no mark nor likelihood.“147 Der Ausspruch Luthers von 1521, zum Reichstag in die Stadt Worms einziehen zu wollen, und warteten dort so viele Teufel als Ziegel auf dem Dach, erfreute sich hoher Bekanntheit unter den Reisenden und wurde bonmotartig immer wieder in den Bericht eingeflochten: Georg von Fürst stellte dies 1739 so dar: Er [Luther] wollte nach Worms ziehen, und wenn so viel Teufel in der Stadt, als Ziegel auf den Dächern wären. Wie er nun in die Reichsversammlung gieng, so stund der Kayserl. General Fronsberg in dem Saale, welcher ihm auf die Achseln klopffte, und zu ihm sagte: Münchlein! Münchlein! du thust ietzo eine Reise, die ich und mancher Oberster nicht gethan haben. Lutherus aber antwortete: Gott wird mir beystehen.148

144 Siehe: Johannes Kraus, Der wunderbare, wunderthätige und wundersame Luther. Den Luthrischen Glaubens-Genossen für das zweyte luthrische Jubel-Fest zum Geschäncke zu einiger Illumination ans Liecht gestellet, Prag 1716. 145 Siehe: ebd., S. 118. 146 Siehe: Este, Journey, S. 324. 147 Siehe: ebd., S. 327. 148 Siehe: Georg von Fürst, Eines beruehmten Cavaliers curieuse Reisen durch Europa, Sorau 1739, S. 373.



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Und der Schweizer Geistliche Johann Tobler bemerkte: Soll ich mit der einspännigen Schäfe in die alte Stadt Worms hineinfahren, oder um der Nähe des Weges willen, eine Viertelstunde weit vorbey? Hinein will ich, zum Andenken des muthigen D. Luthers, und Ziegel ihrer Dächer ansehen, wenn schon nichts an diesen zu sehen ist,...149

Das Manko an konkreterem, denkmalartigem Luthergedächtnis monierte auch der evangelische Theologe Wilhelm Ludwig Steinbrenner 1789: Mit einer gewissen ehrfurchtsvollen Erwartung näherte ich mich Worms, dieser ziemlich grossen Stadt, und das Herz pochte mir bey Annäherung des schlechten Rathauses, der Burghof genannt. Da wo Luther mit so vieler Wärme das vernünftige Christenthum vertheidigte, ist jezt ein schlechtes Gärtchen, in welchem mehr Unkraut als Waizen wächst. Freund! Oerter, wo grosse Männer wohnten und handelten, füllen immer meine Seele mit einem Schauer, der behaglich ist und den Geist erhebt.150

In den Gemälden der 1725 fertig gestellten Dreifaltigkeitskirche fand Samuel Wagener 1794 eine adäquate Würdigung Luthers, durch welche Bedeutung von Person und Ort für den Protestantismus ausgedrückt würden: ... der unsterbliche Pfleger der Vernunft – der große Luther –. Als Protestant, der das theuerste Geschenk des Himmels – die Vernunft durch Luther gehörig würdigen gelernt hat, eilte ich vor allen Dingen in die hiesige lutherische Hauptkirche, deren sämmtliche Gemälde mir sehr lebhaft alle die wichtigen Auftritte ins Gedächtniß zurück riefen...151

Doch nicht nur in Worms selbst, schon bei der Anreise konnte man auf Örtlichkeiten treffen, die mit Luther in Verbindung gebracht werden konnten und deren Besichtigung als Ergänzung zum Wormsbesuch betrachtet wurde.152 Luthers Weg 149 Siehe: Tobler, Blätter, S. 46. 150 Siehe: Wilhelm Ludwig Steinbrenner, Bemerkungen auf einer Reise durch einige teutsche, Schweizer und französische Provinzen in Briefen an einen Freund. Von Wilhelm Ludwig Steinbrenner, Prediger zu Grosbodungen im Fürstenthum Schwarzburg-Sondershausen, und Mitglied des Instituts der Moral und der schönen Wissenschaften zu Erlangen, 3 Bde., Göttingen 1791– 1792, hier Bd. 1, S. 31. 151 Siehe: Samuel Christian Wagener, Ueber die Pfalz am Rhein und deren Nachbarschaft, Brandenburg 1795, S. 48. 152 Georg Marxsen berichtet 1821 von einer Ulme außerhalb der Wormser Stadtmauern, unter der Luther einst vor seinem Einzug in die Stadt gelegen haben soll (Text ediert von Dietrich Kausche unter dem Titel Eindrücke eines jungen Holsteiners von einer Reise an den Rhein im Jahre 1821, in: Landeskundliche Vierteljahresblätter 24 (1978), Heft 1, S. 28–35). Wilhelm August Lampadius bemerkt 1810 bei Vallendar: „Besselich präsentiert sich auf einem schön gerundeten grünenden Hügel, und beherbergte einst, da es ein Augustinerkloster war, den großen Luther einige

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zum Reichstag 1521 in die Stadt am Rhein und seine verschiedenen Stationen wurden offenbar in der protestantischen Erinnerungskultur so präsent gehalten, dass der Reisende an vielen Örtlichkeiten Anlaß zum Luthergedenken finden konnte, sich selbst sogar als Pilger fühlen und bezeichnen durfte.153 Verschiedene Landschaftsmerkmale, wie allein stehende Bäume oder markante Steine, die legendarisch in Beziehung zu Luthers Reise gesetzt werden konnten, wurden von Reiseschriftstellern als willkommene Einladung betrachtet, den Reiseweg des Reformators auch emotional nachzuempfinden. Der zeitweilige Jakobiner Georg Friedrich Rebmann stieß auf seiner Reise an den Rhein in der Nähe von Wittenberg 1793 auf einen solchen lutherischen „Gedenkstein“, der ihn zu Gedankenspielen über die geistige Verwandtheit von Reformation und Revolution animierte: In der ermüdenden Heide zwischen Düben und Wittenberg steht ohnfern einer einsamen Schenke dicht an der Landstraße ein großer Stein mit den Buchstaben D.M.L. bezeichnet, einst der Ruheplatz Luthers auf seiner gefährlichen Reise nach Worms. Hier war es, wo der Mann ausruhte, um neue Kräfte zu sammeln, dem Deutschland die ersten Strahlen des wohltätigen Lichts verdankt, das von jener Zeit an nie mehr ganz verlosch und von Minute zu Minute mehr die Finsternis aufhellte, in welche Pfaffentrug und Despotismus die Menschen gehüllt haben. Es ist ein labendes Gefühl für mich, Carl, eine Stätte zu betreten, die, auch Jahrhunderte vor mir, ein großer Mann betrat. Mit der vollen Empfindung eines frommen Katholiken, der seine podagrischen Glieder auf dem Grab des wundertätigen Propheten, dessen Mirakel Voltaire so schön besang, oder auf dem des heiligen Labré zu restaurieren hofft, warf ich mich müde und erschöpft auf den Stein und siehe da! Ich hatte Glauben und wurde neu bestärkt ...154

Die von dem Ort und dem Gedenken an Luther als eigentlichen Ahnherrn der Aufklärung ausgehende Stimmung bewegte Rebmann schließlich zum Verfassen eines Gedichts, in welchem er den historischen Kontext des Wormser Reichstags Zeit.“ (Die Reise zu den sieben Schwestern am Rhein und an der Weser: im Jahre 1810, in Briefen an einen Freund, Freyberg 1811, S. 234.) 153 So etwa der sächsische evangelische Geistliche Christian Gottlieb Schmidt während seiner Reise 1787: „Wir frühstückten daselbst, und sezten dann fast in lauter Alleen von Pappelbäumen unsern Stab nach Worms fort, wo wir zu Mittage als müde Pilger mit den Röcken auf der Achsel eintrafen, ... Merkwürdigkeiten findet man nicht daselbst; Luthers Heldenmut, als er hier vor Kaiser und Reich stand, und sagte ‚hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen‛ war unser Tischgespräch, und das Lied das er auf der Reise dahin gemacht, ward cum emphasi abgelesen.“ Siehe: Theodor und Hanni Salfinger (Hgg.), Christian Gottlieb Schmidt: Von der Schweiz. Journal meiner Reise vom 5. Julius 1786 bis den 7. August 1787, Bern u. Stuttgart 1985, S. 272. Bei dem besagten Lied handelte es sich vermutlich um Eine feste Burg, vgl. ebd., S. 377. 154 Siehe: Georg Friedrich Rebmann, Kosmopolitische Wanderungen durch einen Teil Deutschlands, Leipzig 1793. Zitiert wird nach der von Hedwig Voegt 1968 in Frankfurt am Main herausgegebenen Edition des Textes, hier S. 58.



Religiöse Praxis: Kritik – Faszination – Widerstand 

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unterschwellig in Beziehung zu den revolutionären Geschehnissen links des Rheins und dem eigenen jakobinischen Selbstverständnis setzt: Der giftgeschwollnen Mönche Brut starrt wütend schon ihn an im fürchterlichen Saale voll wilder Gier nach seinem Blut, und in ihm kämpfts und ruft zum letzten Male: ‚Zurück!‛ – Er siegt und kein Tyrann ist mehr, der ihm befehlen kann, denn sterben will er ja, doch widerrufen nicht.... Wohl dem Wandrer, der sich auf jenen Stein setzt und gestärkt hinweggeht155

Den Kern der sich in der Landschaft darstellenden lutherischen Erinnerungskultur bildete der durch die Aufklärung genährte Kult um den Reformator als erstem Streiter für deren Sache. Dabei konnte sich durchaus „volksfromm“ zu nennendes Brauchtum entwickeln, wie am Beispiel der reliquienähnlichen Verehrung eines Brettes in Worms deutlich wurde. Dass die Lutherverehrung im Verlauf des 18. Jahrhunderts dann vermehrt auch in einem touristischen Zusammenhang betrachtet wurde, macht folgendes Zitat eines anonymen britischen Reisenden von 1794 deutlich, der bei seinem Besuch in Wittenberg recht nüchtern feststellte: The tomb of Luther is here; and what perhaps will not less please you, a very good inn.156

3.4 Religiöse Praxis: Kritik – Faszination – Widerstand Die große Bedeutung, die der Religion im europäischen Gesellschaftsgefüge der Frühen Neuzeit zukam, machte sie im Kontext der Reiseberichte zu einem der „stärksten Indikatoren für kulturelle Fremdheit“.157 Die Frage der Religionszugehörigkeit spielte, wie wir bereits am Beispiel der britischen Reisenden sehen konnten (3.2), für die Mehrheit der frühneuzeitlichen Europäer eine zentrale Rolle hinsichtlich der eigenen Identitätsbildung und -abgrenzung.158 Die auf dem Verkehrsweg Rhein zu findende Möglichkeit, innerhalb von nur kurzer Zeit die 155 Siehe: ebd., S. 59f. 156 Siehe: Anonymous, Tour through Germany. Containig full directions for travelling in that interesting Country: with Observations on the State of Agricultura and Policy of the Different States; very particular Descriptions of the Courts of Vienna and Berlin, and Coblentz and Mentz, London 1794, S. 305. Zitiert nach Geyken, Gentleman, S. 206. 157 Siehe: Nolde, Staunen, S. 13. Zum Umgang mit fremder religiöser Praxis in der Apodemik vgl. Stagl, Passagier, S. 360. Insgesamt: Neutsch, Leben. 158 Hierzu auch Gabriel Audisio (Hrsg.), Religion et identité, Aix-en-Provence 1998.

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religiöse Praxis unterschiedlicher Konfessionsgruppen mitzuerleben, bot reichen Stoff, um im Reisebericht Beobachtungen und Reflexionen hierüber festzuhalten und der Allgemeinheit mitzuteilen.159 Das Beobachtungsspektrum reichte von volksfrommen Gepflogenheiten bis hin zu gezielt besuchten liturgischen Feiern der dem Reisenden fremden Glaubensgemeinschaften. Während das katholische Wallfahrts- und Prozessionswesen einen Teil der religiösen Praxis darstellt, dem selbst etwas Raumergreifendes innewohnt und das damit zum Teil aktiv und unbeabsichtigt in das Betrachtungsfeld des Reisenden treten konnte (3.3.4),160 gab es andere Felder religiöser Praxis, zu denen man erst Zutritt suchen musste. Die Spannbreite hinsichtlich von Wahrnehmung und Deutung andersartiger religiöser Riten konnte von ehrlichem Befremden bis hin zu religiöser Anrührung durch die ungewohnte Form der Gottesverehrung reichen. Die Beobachtungen der Reisenden zur religiösen Praxis lassen sich in vier Kategorien unterteilen: zum ersten Beschreibungen und Bewertungen liturgischer Feiern der verschiedenen Konfessionen (3.4.1), zu denen man meist aktiv Zutritt gesucht hatte, dann der Reliquienkult (3.4.2), welcher vornehmlich dem Katholizismus zu eigen ist, volksfrommes Brauchtum und Gebet, das speziell von Reisenden praktiziert wurde (3.4.3), und zuletzt Beobachtungen, die mit den die religiöse Praxis limitierenden Auswirkungen von Französischer Revolution und Säkularisation zusammenhängen (3.4.4).

3.4.1 Liturgische Feiern Der aus Pressburg stammende Reiseschriftsteller Gottfried von Rotenstein nutzte 1785 einen mehrwöchigen Aufenthalt in Mannheim, um ausgiebig die Architektur des pfälzischen Hofes und insbesondere die verschiedenen Gotteshäuser der 159 Zum Verhältnis von Deskription und Reflexion und seinem wechselnden Verhältnis in der Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts vgl. Brilli, Reisen, S. 49–53. 160 Ein Beispiel für die unbeabsichtigte Konfrontation eines Reisenden mit einer Fronleichnamsprozession bei Schmidt, Schweiz, S. 268, (1787 in Mannheim): „den 18ten (Juni) war früh solenne Fronleichnamsprozession durch alle Strasen der Stadt mit vielem Gepränge, Gesinge und Geklingle; in verschiednen Gaßen waren Altäre unter bretternen Buden errichtet, an denen im Vorbeiziehen Meße gelesen und gebetet ward. Protestanten, wenn sie der Prozeßion begegnen, werden gezwungen nieder zu knieen, man vermeidets aber und schlüpft in ein Haus, von da aus man den ganzen Kram ruhig mit ansehen kann. Aber das ist hart, daß die Protestanten gezwungen sind, aus diesem Tag einen Feiertag zu machen, und nicht zu arbeiten, besonders die lärmenden Handwerker, daraus man siehet, wer hier herscht. Ein Kurfürstlicher Kammerherr und der Regierungspräsident trugen dem Dechant, der das Venerabile hielt, die Schleppe, und andere Vorneme den Himmel unter dem er ging. In dem Zuge der Prozeßion war fast lauter Pöbel, die Vornemen sind also gescheuter und schämen sich dieser geistlichen Promenaden.“



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Stadt zu inspizieren. Nachdem weder die Schlosskapelle noch die Jesuitenkirche seinen Geschmack treffen konnten, stattete er schließlich der von der deutschreformierten Gemeinde wieder aufgerichteten Konkordienkirche einen Besuch ab: Nun habe ich einmal einem Gottesdienst beigewohnt, der meinem Verstand und Herzen wohl that, ich war heute in der deutschen reformirten Kirche. Schon das Einfache bei der ganzen Einrichtung des refomirten Gottesdienstes nimmt einen, der die Hauptsache der Religion nicht in das Sinnliche sezt, für denselben ein. Die Kirchen sind ohne Schmuk, keine Heilige und Märtyrer, keine Crucifixe und Mutter-Gottes-Bilder, Beförderungsmittel der Schwärmerey, die gleich beim Eintritt in die Tempel finstere Ideen von einer überspannten Heiligkeit und einem Geiste der Schwermuth erwecken, trauren hier an den Wänden und auf den Altären.161

Während für Rotenstein die wohltuende Nüchternheit des reformierten Gottesdienstes einen positiv auffallenden Kontrast zur bloßen Raumwirkung der zuvor besuchten katholischen Kirchen bildete, genoss vier Jahre später der evangelische Prediger Wilhelm Ludwig Steinbrenner umgekehrt einen Besuch der katholischen Schlosskapelle der pfälzischen Residenzstadt.162 Die sinnliche Qualität der liturgischen Feier, der er hier beiwohnte, beeindruckte ihn nachdrücklich: Das rührendste für mich war die schöne Musik. Wenn bey den Katholiken das Uebrige des Gottesdienstes mit der Musik harmonirte, und Choral, Gesang und Predigt eben so vollkommen wären, so würde er vor dem unsrigen viele Vorzüge haben. Das Magnifikat in der Domkirche zu Mez hatte für mich immer viel Feyerliches. Mitten unter dieser Religionshandlung giengen zween Mönche zwischen den Reihen der Kanoniker hindurch mit den encensoirs (messingnen, Urnenähnlichen Räucherbüchsen an Ketten,) die sie mit einer besonderen Geschicklichkeit in die Luft warfen, und dadurch die herrlichsten Wohlgerüche in der ganzen Kirche verbreiteten. Wenn man bedenkt, daß diese balsamischen Düfte im Stande sind, die Seele durch das Vehikel der körperlichen Sensation zu sanften Empfindungen zu stimmen, so läßt sich begreifen, wie die sinnliche Denkungsart der Juden durch einen süssen Geruch den Jehova sich geneigt machen wollte. Verzeihen Sie mir diese Digression! Vielleicht scheint Ihnen meine Bemerkung nicht richtig zu seyn nach Ihrem Gefühl: wir fühlen allesammt, doch jeder fühlet anders.163

161 Siehe: Gottfried von Rotenstein, Lustreise in die Rhein-Gegenden. In Briefen an Fr. J. v. Pf., Frankfurt am Main und Leipzig 1791, S. 49. 162 Über die Liturgie der Schlosskapelle und v.a. ihre musikalische Ausgestaltung vgl. Johannes Theil, „unter Abfeuerung der Kanonen‬“: Gottesdienste, Kirchenfeste und Kirchenmusik in der Mannheimer Hofkapelle nach dem Kurpfälzischen Hof- und Staatskalender, o.O. 2008. 163 Siehe: Steinbrenner, Bemerkungen, Bd. 1, S. 37.

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Ähnlich angerührt von der musikalischen Umrahmung einer katholischen Messe zeigte sich der aus Königsberg stammende Arzt Gottfried Peter Rauschnick am Ostersonntag 1815 im Kölner Dom: Meine Seele wurde auf den Schwingen der Begeisterung zu heiliger Andacht empor gehoben, und mit tiefer Rührung betete ich Den an, den diese Harmonie lobte.164

Rauschnick hatte über die Kar- und Ostertage kontinuierlich katholische Gottesdienste vor allem im Dom besucht. Sein Ostererlebnis stellte den Höhepunkt einer vorsichtigen Annäherung dar, die mit einer noch stark distanzierten Beschreibung der Karfreitagsliturgie begonnen hatte: Die Ceremonie der Grablegung wurde in St. Gereon mit vielem Pomp vollbracht, der aber meinem Gefühle wenig zusagte. Ich hatte mich dabei zu lange aufgehalten, und es darüber versäumt, die Beleuchtung des Domes anzusehen, die daselbst am stillen Freitage, so wie in Rom in der Peterskirche, durch ein einziges erhelltes Kreuz bewirkt wird. Ich fand, als ich hinkam, schon die ganze Kirche finster, und nur der schwache Schein von einigen Lampen, die an dem sogenannten heiligen Grabe brannten, machten das grauenvolle Dunkel in dem menschenleeren Tempel sichtbar. Tiefe Stille herrschte in den weiten Hallen, die weißgrauen Pfeiler schimmerten gespensterartig durch die Finsterniß, und der matte Lichtglanz, der aus der Grabkapelle ausströmte, leuchtete gleich einem einzelnen Stern am bewölkten Himmel. Mir wurde es unheimlich in dieser Einsamkeit; ich war allein in dieser Grabesnacht, die öde Stille wirkte ergreifend auf meine Sinne, und erregte meine Einbildungskraft, die die Grüfte, auf denen ich wandelte, eröffnete und die Gestalten längst entschlafener Väter herauf steigen ließ, um diese weiten Räume zu bevölkern. Schneller klopften meine Pulse, hörbar schlug mir das Herz, als nun wirklich eine weiße Gestalt aus der Grabkapelle schwebte, und ihre Richtung auf mich zunahm. Ich mußte meine ganze Fassungskraft aufbieten, um nun nicht wirklich Geister zu sehen.165

Das kunstvolle liturgische Spiel mit Licht und Dunkel, Stille und feierlicher Musik zog Rauschnick in seinen Bann. Seine distanzierte Haltung des religiös interessierten Beobachters wandelte sich bis hin zu frommer Teilnahme und einem sich Einlassen auf die katholische Formensprache am Ostersonntag. Als er jedoch am Ostermontag nach dem Gottesdienst dem Strom der Kölner nach Deutz folgte, zeigte sich ihm jene in den Augen des protestantischen Betrachters als Schattenseite wahrgenommene Form katholischer Sinnlichkeit: Auch ich folgte dem Menschenstrome, da ich so gern froh mit den Fröhlichen seyn mag, doch fand ich mich in meiner Hoffnung, eine rein menschliche Freude daselbst zu genießen, betrogen. Allenthalben stieß ich auf unmäßige Schwelgereien und auf die Ausbrüche

164 Siehe: Rauschnick, Ansichten, S. 173. 165 Siehe: ebd., S. 171.



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einer wilden, ungeregelten Lust; Haufen von Trunkenen, aus den heisern Kehlen sinnlose Lieder gröhlend, begegnete ich. Andre sah ich im Streite begriffen, der mit Faustschlägen endigte, und die Gesitteten sahen gleichgiltig drein, und hatten nur Sinn für die vollen Flaschen...166

Eine vorsichtige, zum Teil fast verschämt wirkende und stets distanzierte Bewunderung für die die Sinnlichkeit der Teilnehmer ansprechenden Elemente des Gottesdienstes kennzeichnet den überwiegenden Teil der protestantischen Beschreibungen katholischer Liturgie. Sie blieb jedoch nie uneingeschränkt. Die Gefahren einer zu überschwänglichen und ins Irrationale abgleitenden Sinnlichkeit, die schließlich auch zu unsittlichem Verhalten hinführen konnte – ja, musste –, wurden dem Leser stets warnend vor Augen geführt. So ansprechend die Liturgie selbst und die Wirkung, die von der praktizierten Religiosität der Gläubigen ausging, auch beschrieben wurde, stets wurde vom protestantischen Berichtenden endlich doch die überlegenere, weil rationalere Haltung im Bereich des Religiösen betont, die er selbst inne hatte.167 Das Interesse protestantischer Reisender an der katholischen Liturgie steht in klarem Missverhältnis zu dem von Katholiken an der protestantischen Gottesdienstgestaltung. In keinem der ausgewerteten Reiseberichte findet sich die Beschreibung eines evangelischen Gottesdienstes durch einen Katholiken, was sicherlich zu einem Teil, aber doch nicht ganz, durch die insgesamt geringe Zahl katholischer Reiseschriftsteller erklärt werden kann. Dass sich jedoch verhältnismäßig viele protestantische Geistliche unter den Reiseschriftstellern der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts finden, führt dazu, dass diese mit fachmännischem Blick nicht nur die katholische, sondern auch die Liturgie ihrer engeren Konfessionsverwandten inspizierten. Ein anschauliches Beispiel für die Betrachtung auch feiner Unterschiede in der religiösen Praxis liefert der Zürcher reformierte Geistliche Johann Tobler. Er konnte auf seiner Reise 1788 innerhalb weniger Tage zunächst in Offenbach eine lutherische und dann in Mainz eine katholische Liturgie in Augenschein nehmen. Bei beiden Feiern blieb er in der Rolle des ana-

166 Siehe: ebd., S. 174. 167 Eine nicht konfessionell gebundene Beschreibung, die aber in ganz ähnlicher Weise ein rationales Überlegenheitsgefühl gepaart mit verschämter Bewunderung beinhaltet, findet sich auch bei Sophie von Ahlefeld, die 1808 den Mainzer Dom besucht hatte: „Es war gerade die Messe zu Ende, als wir hinein kamen. Einige Frauen lagen noch auf ihren Knieen in stillem Gebet, andere giengen, und eine von ihnen besprengte sich an der Thür mit Weihwasser und machte einer in Stein ausgehauenen Madonna eine so andachtsvolle Verbeugung, daß ich sie noch in diesem Augenblick um den frommen, kindlichen Glauben beneide, der dadurch dem unsichtbaren Wesen, das wir verehren, etwas Wohlgefälliges zu erzeigen meinte.“ Siehe: dies., Briefe auf einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Sommer 1808, Altona 1810, S. 33.

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lytischen Beobachters, der dem Leser die in der liturgischen Praxis zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen theologischen Auffassungen und Konsequenzen erklärte. Seinem zunächst bereits rein optisch, dann auch akustisch ausgelösten Befremden im lutherischen Gottesdienst begegnet er mit einem klaren Bekenntnis: Der Altar kam mir etwas katholisch vor. Ich erinnerte mich beym Orgelgesang (ich stuhnd zunächst an der Orgel) daß ich ein Prediger in derjenigen Kirche bin, wo der selige Zwingli so frey und stark aufgeräumt hat, daß er sogar allen Kirchengesang wegschaffen ließ, weil ihm das vorherige sinnlose Getön und Geplärre, wie er es mit Derbheit nannte, unleidlich war, und er gar nicht hoffen konnte, ein so übelgewöhntes Volk zu einem freywilligen und doch vernünftigen Kirchengesang bereiten zu können. – Ich dankte Gott, zu derjenigen Kirchen-Gemeinschaft (wenn doch Trennungen seyn, werden und dauern mußten) zu gehören, wo man mit Entfernung alles Ceremonienwesens und Aeusserlichkeiten so weit gieng als man nur immer durfte und konnte, in Betrachtung, daß man immer wieder allmählig die gutbefindlichen Feyerlichkeiten vermehren kann; hingegen wenn man dessen zuviel stehen läßt, wohl schwerer von neuem abbrechen kann.168

Die Rückstände altgläubiger theologischer Vorstellungen sah Tobler dann auch bei der Abendmahlsfeier durchscheinen: Itzt stand der Prediger am Altartische, legte und stellte alles zurechte, mit dem Gesichte von der Gemeine weggewandt; las dann neben einem Assistenten die Liturgie, und itzt ging das Herzutreten der Mannes- und Frauensleute vor sich. Sonderbar und nicht ganz gefallend kams mir vor, daß keine Person die Oblate mit der Hand empfangen darf; Man bükt oder verneigt sich, öfnet den Mund, und bekommt jene vom Geistlichen hineingelegt. – Der Christ und die Christin sollte doch wohl die Würdigkeit und Freyheit haben, die SymbolSpeise auch mit der Hand zu berühren; - sicherlich ist dies Rest von dem VerwandlungsAberglauben. Während der Kommunion ward in Begleite der Orgel das Klopstockische Lied: Herr, du wollst sie vollbereiten zu deines Mahles Seligkeiten, gesungen; und hier empfand ich zwar wieder einichen Kummer, bey der einen oder andern Zeile (wovon ich nicht einmal diese Anfangszeilen ganz ausnehmen kann), es mögte sich der Aberglauben vom opus operatum, wie es die Theologen nennen, (Verdienstlichkeit der Handlung an sich selbst, Beseligungskraft des äusserlichen Empfangs) dabey fast unvermeidlich nähren.169

Das Gefühl enger evangelischer Verwandtschaft und die gleichzeitige Distanzierung von lutherischen Glaubensvorstellungen, die Toblers Empfinden nach zu sehr die Relikte eines überkommenen Aberglaubens beinhalteten, brachten ihn in einen inneren Zwiespalt, der ihn schließlich unter Tränen zu einer Segensgeste bewegte: 168 Siehe: Tobler, Blätter, S. 30. 169 Siehe: ebd., S. 33.



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Ja, ihr Kommunikanten dieses Tages! Ich hab euch herzlich gesegnet, und für euch gebetet! Ich bedauerte, daß ich nicht auch hinuntergehen und mitkommunzieren durfte, weil ich ein gekannter reformirter Geistlicher bin; obschon ich oft von Herzen aus der Zürcherschen Liturgie mitgebetet habe‚ um die Vereinigung der evangelischen Kirchen...170

Am folgenden Tag reiste Tobler weiter nach Mainz, wo er unter anderem den an der Universität tätigen Anatom Samuel Sömmering besuchen wollte. Auch der seit rund einem Jahr in Mainz als Koadjutor fungierende Karl Theodor von Dalberg war ihm durch sein aufgeklärtes Wirken in Erfurt und publizierte Schriften bereits bestens bekannt und wurde von ihm geschätzt. Umso befremdlicher erschienen ihm dann die Umstände, unter denen er dem Geistlichen noch am selben Tag begegnete: Aber abends um 7 Uhr die Procession des neuangehenden ewigen Gebetts zu sehn, aus dem Lampen- und Musikvollen Chor, mit den brennenden großen Kerzen, die sämtlichen Dohmherren unterm feyerlich getragnen Himmel, den Coadjutor, der die Monstranz trägt, nachfolgend die singende festlich gekleidete Geistlichkeit, in und ausser dem Dohm die Menge des singenden und anbetenden Volkes u.s.w. Wie war dir, reformirten Prediger zu Muthe? freylich wollts mich erschüttern, einen von Dahlberg dasjenige so feyerlich dem Volke vor die Augen halten zu sehn, was von diesem für den wahren Leib Christi für den Christengott angesehen wird, und wo unser einer es nicht begreift, wie der Mann von solcher Geistesgröße als ich an ihm aus seinen Schriften erkenne, – in solche mich so von zwo Seiten ärgernde und betrübende, hingegen nur von Einer erbauende Amtsverrichtung schiken kann.171

Als Erklärung für das in den Augen Toblers unvernünftige Handeln Dalbergs konnte er – wollte er nicht zugeben müssen, sich in seiner Person vollends getäuscht zu haben – nur Folgendes anführen: Ich kann mir einen Dahlberg wie einen Engel denken, der sich zu den Blöden hinunterläßt, mit Paulus schwach ist, damit er die Schwachen gewinne, und der seine grosse Heerde mit Wehmuth und Liebe überschaut, und auch mitten in einer solchen Ceremonie beschließt, allmählig eine Menge neue, brauchbare, herzenerweiternde und das Leben verschönernde Wahrheiten derselben mitzutheilen und mittheilen zu lassen. Und so gesteh ich dann auch noch das! Ich mache mir eine angenehme Vorstellung davon, wie es unter Gottes gnädiger Leitung noch dazu kommen könnte, daß sogar Processionen über Feld und Land, vermittelst der Bemühungen aufgeklärter Geister, noch recht geistlich, in gutem Sinn erweklich und rührend werden dürften.172

170 Siehe: ebd., S. 34. 171 Siehe: ebd., S. 35. 172 Siehe: ebd., S. 37.

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Dalberg könnte, so malte es sich Tobler nun weiter aus, die oberflächlichen Formen katholischer Frömmigkeit als aufgeklärter Geist nach und nach überwinden helfen, um sie schließlich zu dem Grad an Sittlichkeit und Rationalität zu führen, wie es Tobler in seiner Konfession verwirklicht sah.173 Dabei könnten durchaus auch Elemente der alten Volksfrömmigkeit erhalten bleiben, allerdings nur in Ergänzung durch typische Formen reformierter Glaubenspraxis: Aber mit alledem ists doch auch eine allbekannte Erfahrung, daß gemeinschaftliche Feyergesänge unterm freyen Himmel, auf dem Wasser, oder Gefild, in schöner Aussicht, Geist und Herz erheben können. Eine ofne Landschaft ist doch der würdigste Tempel der Gottesverehrung. Nehmt einmal an, einem persönlich geübten und verehrten Erzbischofe gelänge es, in das sogenannte ewige Gebet des Erzstiftes Mainz nur auch einige wenige Strophen von geläutertem, sittlichem, gemeinnützigerm Innhalte zu bringen – liesse sich dann nicht hoffen, daß sein zweyter, vierter, siebender Nachfolger Licht- und Lebenvolle Volksgesänge in Gang brächte, daß in diesen religiosen Umzügen vielleicht Ruhstellen genehmigt würden, wo nach nöthigen Pausen, kleine Anreden, wichtige Erzählungen und dergleichen zwischen die Gebete und Lieder kämen – Oh, es ist mir ein lieber Traum. Herrlicher Rheingau! Ich segne Dich für diesen meinen Traum!174

3.4.2 Reliquienverehrung Nur ein Jahr später, 1789, besuchte der russische Reisende Nicolai Karamsin Mainz. Seinen ersten Eindruck von der Stadt und die Kontaktaufnahme mit ihren Einwohnern schilderte er folgendermaßen: Die Straßen sind enge; schöne Häuser findet man nur wenig, aber Kirchen, Klöster und Mönche in Menge. ‚Ist’s Ihnen nicht gefällig, die Eingeweide des heiligen Bonifacius zu 173 Dass es im Spektrum der protestantischen Kirchen auch Verteidiger des katholischen Prozessionswesens gab, zeigt eine Episode aus der Reisebeschreibung der Sophie von La Roche, in welcher sie das Aufeinandertreffen mit einer Wallfahrergruppe schildert: „Wir trafen sie zum Theil gerade noch auf einem Ruheplatz zu beiden Seiten der Straße gelagert an, da sie den letzten Bissen ihres Abendbrods assen, und etwas tranken, dann aufbrachen, und den andern mit Beten und Singen folgten. Wir konnten, wegen dem tiefen Sand auf der Höhe, nicht schneller fahren, als die guten Leute giengen, und blieben also eine halbe Stunde lang zwischen ihnen, da die Männer auf einer, die Weiber auf der andern Seite ihren Weg verfolgten; erstere alle mit unbedecktem Haupte, die Weiber hingegen hatten weisse Tücher, in Falten eines Nonnenschleiers, um die Köpfe gebunden. Bei dieser einfachen Erzählung spottete ein junger Offizier über Processionen, und im Fortgang seiner unverdauten Gedanken auch über den Pabst. – Ein protestantischer Geistlicher widersprach ihm, und gerieth in seiner Ideenverbindung auf ein langes Gespräch über Lavater, welchen er eben so eifrig und treulich vertheidigte, wie den heiligen Vater.“ (Siehe: La Roche, Tagebuch, S. 41). 174 Siehe: Tobler, Blätter, S. 38.



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sehen, die in der Johanniskirche aufbewahrt werden?‛ fragte mich der Lohnlaquay mit einer wichtigen Miene. ‚Nein, mein Freund‛, antwortete ich; ‚der heilige Bonifacius kann ein guter Mann und ein eifriger Heydenbekehrer gewesen seyn; aber seine Eingeweide haben auch nicht den geringsten Reiz für mich.‛175

Sicherlich hatte der Mainzer Mietdiener eine freundlichere Reaktion des russischen Reisenden erwartet, denn zumindest in seinen Augen stellten die Reliquien des heiligen Bonifatius sehr wohl eine der Attraktionen der Stadt dar. Der Heiligen- und Reliquienkult hatte im Zuge der Gegenreformation im Katholizismus eine neue Dynamik erfahren und sich zu einem plakativ nutzbaren konfessionellen Unterscheidungsmerkmal entwickelt.176 Die daseinsbewältigende Funktion dieses Kultes, insbesondere in der Volksfrömmigkeit mit ihren breitgefächerten Zuständigkeitsbereichen einzelner Heiliger, wurde von Reiseschriftstellern protestantischer Prägung ebenso wenig goutiert wie ihre lokalpatriotische Bedeutung. Der reiche Reliquien- und unmittelbar hiermit verbundene Legendenschatz der Kölner Kirchen – am prominentesten die Heiligen Drei Könige und die Heilige Ursula – provozierte förmlich Kritik und Spott des Reisenden. Johann Friedrich Carl Grimm besichtigte zu Beginn der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts die Kirchen der Stadt und berichtete: Die merkwürdigste unter allen, ist die Kirche der eilf tausend Jungfrauen, und die ansehnlichste und größte der Dom. Ich habe doch ein paar Stunden darauf verwendet, mich in dem Letztern umzusehen. Er ist von außen eben so altväterisch ausgeputzt, wie von innen, finster, und eine unförmliche, ungeheure Steinmasse in gothischem Geschmacke aufgethürmt: so, dass der eine Theil noch oben drauf von dem Hauptgebäude getrennt, und das letztere an den einen Seiten mit kleinren Häusern eingefasst ist. Der Lehnlaquey erinnerte mich, es ja nicht zu vergessen, und mir die Reliquien und den Kirchenschmuck zeigen zu lassen. Also musste es geschehen. Der geschäftige Küster, den er mir zu dem Ende herbey rief, holte mir, unter vielen andern Stücken, aus einem wohl verwahrten Schranke, den Stab des Apostels Petrus. Eigentlich war es nur der Stockknopf. Der alte Kerl war doch so ehrlich und sagte, den untern Theil, der ebenfals in einem Funeral stack, hätten sie selbst daran gemacht.... Er zeigte mir auch noch den Hirnschädel des Bischoffs, ich glaube Sylvesters, der Constantin den Großen getauft hat, reich mit Juwelen besetzt. Der alte gelbe Knochen roch stark nach Bisam, womit man Ursache genug gehabt hatte, ihn zu beschmieren, aber auf des Küsters Versicherung, versichere ich Sie wieder, dass er den guten Geruch von selbst angenommen hat. Doch muß ich noch erwähnen, daß man in den Schränken des äußern Gewölbes, einen unsäglichen Schatz an Messgewändern verwahrt. Sie sind dermaßen mit Gold und Silber aufs künstlichste und reichste gestickt, daß die Zeuge von Metall zu seyn scheinen. Ja ich habe eines darunter gesehen, das überall so dichte mit kleinen orientalischen 175 Siehe: Karamsin, Briefe, S. 136. Zum Aufenthalt des Russen in der Stadt vgl. Helmut Neubach, Nikolai Karamsin in Mainz, in: Mainzer Almanach 1964, S. 153–160. 176 Hierzu: Hartmann, Kulturgeschichte, S. 120–127; Andreas Holzem, Personen der Überwelt, in: Dinzelbacher, Handbuch, S. 239–285.

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Perlen überstickt war, dass man es nicht wohl biegen konnte. Ueberrechnen Sie darnach, wie viel Gold und Silber in den Sacrysteyen der Katholiken nur in Deutschland, gegen welches das, was in Italien und Spanien zu finden ist, noch nichts sagen will, Perlen und Edelsteine nicht mit gerechnet, todt, und im Grunde ungenutzt liegt, just so, als wenn es auf der Goldküste und in Peru unter der Erde steckte.177

Der Reliquienkult wurde nicht nur als Aberglaube und unvereinbar mit den Grundsätzen der Aufklärung empfunden, die wertvoll gestalteten Reliquiare galten zudem als immense Verschwendung von Vermögen, das in dieser Form nur „tot“ war und nicht im Dienste der christlichen Caritas stehen konnte. Noch dazu erwiesen sich die zugehörigen Legenden oft als dermaßen konstruiert und vom Volksmund ausgeschmückt, dass sie einen dankbaren Angriffspunkt für aufgeklärte Kritik boten.178 Ein gutes Beispiel für solche Legenden stellt die der Heiligen Ursula dar, die aus vielerlei Gründen Anreiz bot, um sich an ihr kritisch, aber auch spöttisch abzuarbeiten. Johann Kaspar Riesbeck tat dies in seinem Reisebericht von 1784: Die Religionsschwärmerei dieses kleinen Londons übertrifft alle Züge, die man von dieser Art kennt. Man begnügt sich hier nicht mit einzeln Heiligen, sondern stellt sie in ganzen Armeen auf. Ich beschaute vor einigen Tagen die Kirche der Heiligen Ursula, worin dieselbe nebst 11.000 englischen Jungfrauen begraben liegt. Die Wände und der Boden der Kirche sind mit Gebeinen und Särgen angefüllt. Da diese heilige Prinzessin aus den Zeiten der sächsischen Heptarchie ist, so läßt sich‘s um so weniger fassen, wie sie in dem Gebiete ihres Vaters 11.000 Jungfrauen auffinden konnte, die sie durch Deutschland begleiteten. Unterdessen läuft man hier wirklich Gefahr, dieser heiligen Jungfrau und ihrem schönen Gefolge geschlachtet zu werden, wenn man nur eine von den 11.000 subtrahieren wollte. So wunderbar diese Geschichte ist, so hat man doch noch einige andre Wunder zur Bestätigung derselben gebraucht. Unter andern ist an einer Säule ein kleiner Sarg angebracht, worauf zu lesen ist, man habe ein unmündiges Kindlein in die Kirche begraben; aber so unschuldig es auch gewesen, so habe der mit dem reinsten Jungfrauenblut benetzte Boden der Kirche dasselbe doch nicht bei sich behalten, sondern wieder ausgespien. Man habe also seinen Sarg auf einem Stein über der Erde anbringen müssen. Wenn du mit der Legende dieser heiligen Jungfrauschaften noch nicht bekannt bist, so wird es dir nicht ganz gleichgiltig

177 Siehe: Grimm, Bemerkungen, Bd. 3, S. 492f. 178 Ein Beispiel für abwegige Ausschmückungen bot Grimm anlässlich seines Besuches in Mainz. Ein Wärter des Mainzer Doms hatte den Besuchern glaubhaft zu versichern versucht, der auf seinem Grabmal abgebildete Albrecht von Brandenburg sei der leibliche Großvater des preußischen Königs. Siehe: ebd., S. 65f: „Ich sprach einen Dohmvicarius, der sehr entrüstet war, daß der einfältige Dohmwärter nun schon verschiedenemal den Fremden den Churfürst Albrecht aus dem Hause Brandenburg, welcher zunächst am hohen Altar steht, gezeigt, und dabey gesagt hätte, daß dieses der leibliche Großvater vom König in Preußen sey. Zum Glück steht doch unter seiner Statue wer er ist, so, daß der arme Dohmwärter mit seinen Vorgeben kein großes Unglück anrichten wird.“



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sein, zu wissen, daß die Legendenschreiber selbst über diese Geschichte nicht eins sind. Die Italiener behaupten, der Mönch, welcher dieselbe geschrieben, oder einer seiner ersten Abschreiber hätte aus Versehen wenigstens ein Null zuviel gemacht. Ein Deutscher behauptet sogar, eine der Jungfrauen, welche das Gefolge der Prinzessin Ursula ausmachen und von denen die Legende verschiedene nennt, habe Undecimilla geheißen, woraus man in den unkritischen Mönchzeiten leicht eilftausend machen konnte. – Auch liegt hier der heilige Gereon nebst 1.200 oder 12.000 heiligen Soldaten (denn auf ein Null kömmt‘s hier bei Heiligen nicht an) in einer sehr reichen Stiftskirche seines Namens begraben.179

Der Reiseschriftsteller Karl Gottlob Küttner, bei seinem Besuch von St. Ursula mit der betreffenden Legende durch einen dort tätigen Geistlichen konfrontiert, reagierte mit wenig Zurückhaltung, denn dieser Mann „verrieth einen Aberglauben, eine Unwissenheit und eine Barbarey, die ich kaum in den entlegensten Winkeln von Spanien und Portugall zu finden erwarten würde. Ich schämte mich anfangs, über die Geschichte dieser eilftausend Jungfrauen etwas zu sagen, weil ich solche Männer immer bedaure und vermuthe, daß sie sich der Antworten schämen, die sie einem neugierigen Reisenden geben müssen. Allein dieser Pfaffe zeigte uns den Schädel der heiligen Ursula mit so viel Ehrfurcht, und erzählte ihre Geschichte mit so vieler Zuverlässigkeit, daß ich gar bald bemerkte, daß alle Discretion von meiner Seite hier vollkommen am unrechten Orte wäre.“180 Der katholische Priester Joseph Gregor Lang notierte hierzu mit sehr viel mehr Wohlwollen: Diese Stadt ist unbeschreiblich voll an solchen widersprechenden Legenden, welche sich ein großer Theil der hiesigen Einwohner nicht ausreden läßt, und für deren Untrüglichkeit er enthusiastisch sein Leben gern aufopfert, um die Heiligkeit seiner Geburtsstadt zu vertheidigen. Wer sich mit den Erzählungen der Stiftungen dieser vielen Kirchen, mit den sonderbaren Begebenheiten und Legenden, deren eine jede gewiß mehr als eine aufweiset, abgeben wollte, der würde einen Folianten niederschreiben müssen; – und – was würde da herauskommen? – Ein dicker Pendant zu dem bekannten Buch, dem Leben Christi des P. Martins von Cochem.181

Auch von nicht-katholischer Seite gab es noch andere Reaktionen als nur Kritik und Spott. Steven van Geuns, der Alexander von Humboldt 1789 auf dessen Deutschlandreise begleitete, beschrieb in seinem Tagebuch, wie vorsichtig die verantwortlichen Geistlichen in den von ihm besuchten Kölner Kirchen mit ihren Schätzen umgingen und welche Rolle die konfessionelle Differenz für den Grad der Zugänglichkeit zu den Reliquien spielte: 179 Siehe: Johann Kaspar Riesbeck, Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland, 2 Bde., o. O. 1784, S. 360f. 180 Siehe: Küttner, Wanderungen, S. 70. 181 Siehe: Lang, Reise, Bd. 2, S. 83.

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All diese Reliquien werden durch die Geistlichen gleichsam mit sehr viel heiligem Respekt gezeigt; bei besonders heiligen Stücken machen sie erst ein Kreuz, ehe sie diese anfassen, auch geben sie diese Fremden, vor allem wenn sie vermuten, daß sie keine Katholiken sind, nicht in die Hände; sie sprechen auch bei diesen Stücken nicht laut, mehr lauschen sie mit den Ohren, was die Betrachter zu dem einen oder anderen Stück sagen.182

Solch vorsichtige Formulierungen blieben jedoch die Ausnahme, in der Regel lehnte sich die Mehrheit der deutschsprachigen Reiseliteratur in ihrer Wahrnehmung des katholischen Heiligen- und Reliquienkultes an die Darstellungsweise in den britischen Reiseberichten der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts an. Insbesondere die durch den Volksmund ausgeschmückten Legenden und Wundergeschichten, welche den Reliquienkult stets begleiteten, bildeten für Kritiker förmlich eine Einladung, sie genussvoll zu widerlegen und sie dem Leser – pars pro toto – als Beispiel für die Rückständigkeit des katholischen Glaubens zu präsentieren.

3.4.3 Volksfrommes Brauchtum und Gebete auf Reisen Das Gebet hatte in der Frühen Neuzeit unter den identitätsstiftenden Ritualen einen besonders hohen Stellenwert.183 Es strukturierte den Tag der Gläubigen und bot zugleich eine erste Hilfestellung in problematischen Lebenssituationen. Zum Einen stellte es als normiertes Ritual eine erste Handlungsoption dar, um sich aktiv der jeweiligen Situation zu stellen, zum Anderen konnte sich der 182 Siehe: Geuns, Tagebuch, S. 203. Bereits Jean de Blainville hatte 1705 ähnliche Vorsicht gegenüber protestantischen Besuchern vermutet. Über den Besuch von St. Pantaleon hielt er fest: „Unser Begleiter, ein Benediktinermönch, führte uns hinter den großen Altar in der Kirche, und nachdem ihm ein Bruder, der ihn begleitete, eine gestickte Stole überreichet hatte, warf er sie über die Schultern, murmelte einige Worte, als wenn er beschwören wollte, streifte ein paar weiße Handschuhe an und brummete sein Oremus her. Endlich nahm er eine silberne Zange anderthalb Fuß lang, den Sprengwedel und das Weihwasser in die Hand, und beträufelte uns so reichlich, als wenn er uns für Parpaillots, welches eigentlich einen Buttervogel bedeutet, aber ein Schimpfname ist, mit dem die Franzosen die Protestanten belegen, gehalten hätte, und aus uns durch die Gewalt der Gebete und des Weihwassers den Beelzebub und Belphagor hätte vertreiben wollen. Weil aber diese garstigen Tyrannen lieber in solchen Körpern von Ketzern wohnen, wie mancher von meinen Lesern seyn wird, die über die Wunder lachen, als in so frommen Reisenden, wie wir waren, die mit allem zufrieden sind, was man ihnen saget, so fassete ich wieder Muth. Und wirklich wurde das Weihwasser in keiner andern Absicht gegeben, als um uns zu reinigen, damit wir desto würdiger wären, den hochheiligen Leichnam des heiligen Herrn Albans zu betrachten, der in einem silbernen Sarge hinter dem großen Altar ruhet.“ Siehe: Blainville, Reisebeschreibung, S. 108. 183 Vgl. Oliva Wiebel-Fanderl, Gebet, in: Dinzelbacher, Handbuch, S. 485–491, hier S. 489.



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Betende bewusst in den metaphysischen Bezugsrahmen setzen, in dem die innerweltliche Problematik einen anderen Stellenwert gewann. Den gewohnten Lebensmittelpunkt für eine gewisse Zeit zu verlassen und sich auf eine Reise zu begeben, gehörte nicht nur für den frühneuzeitlichen Christen zu einer dieser außergewöhnlichen Situationen, die mit einem Gebet und der Bitte um göttlichen Segen begonnen werden konnten. Im Zuständigkeitsspektrum der volksfrommen Heiligenverehrung war es der heilige Christophorus, der als Schutzpatron der Reisenden fungierte. Ernst Moritz Arndt deutete bei seiner Vorüberfahrt an Weisenau 1798 in Unkenntnis der genauen Verhältnisse in der katholischen Heiligenverehrung das an einer Hauswand schon von Weitem zu sehende Bildnis des Christusträgers falsch: Als Schützer und Beschirmer des Oertchens gegen die Fluthen sieht man den heiligen Christoph an der Wand eines Klosters gemahlt, im Kostüm eines Riesen, der Christum auf seine Schultern nimmt. So scheint er mit ihm durch den Rhein waten zu wollen, und die vorüberfahrenden Schiffer versäumen nie, ihn mit bloßem Haupte zu begrüßen, und um eine glückliche Fahrt zu bitten.184

Das an bestimmten Stellen der Reise – entweder handelte es sich um gefährliche Schiffspassagen oder Orte besonderer sakraler Bedeutung – von den Schiffsleuten und frommen Mitreisenden ausgeführte Gebet erregte die Aufmerksamkeit und Kommentare zahlreicher Reisender. So konnte Arndt bereits beim Durchfahren zweier Klippen im Rhein bei Remagen ein erstes Exempel einer speziellen Schifferfrömmigkeit beschreiben: Da sei nichts kräftiger, als der fromme Gedanke und die Kniebeugung vor dem Gekreuzigten im Felsen. Rechts nemlich, Unkel gegenüber, liegt das schöne Kloster, Apollinarisberg genannt, hoch thronend über dem Rhein, und unter ihm hat man eine tiefe und weite Nische in den Felsen gehauen, wo Christus mit den Schächern und den gewöhnlichen Zuschauern unten am Kreuz mit sehr hellen Farben gemahlt ist. Und noch jetzt beugten sich Kniee, und Hüte flogen und Worte sumseten, während die Köpfe französischer Soldaten oben aus den Fenstern des Klosters guckten, und Officiere auf seinen zwei Erkern den Rauch ihrer Pfeifen über den Rhein bliesen, und unser Steiermann, der alte Michel, sein ‚Komm Schätzchen bei der Nacht, die die Herzen lustig macht‛ sang.185

Das Gebet der Schiffer konnte sich in der Selbstverständlichkeit seiner Ausführung appellativ auch an das Kollektiv der Mitreisenden richten, die sich abhängig von ihrer religiösen Orientierung entscheiden mussten, diese Frömmigkeitsform mitzutragen oder aber den mitschwingenden sozialen Zwang schweigend auszu184 Siehe: Arndt, Reisen, Bd. 4, S. 430. 185 Siehe: ebd., S. 378.

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halten. Der evangelische Geistliche Johann Gottlieb Burckhardt beschreibt eine solche Entscheidungssituation nach dem Besteigen des Schiffes in Mainz 1782: Von Maynz aus fuhr ich am ein und zwanzigsten May früh um 8 Uhr mit einer gemischten Gesellschaft auf einem blossen etwas großen Boote bis nach Cölln auf dem Rheinstrome hinunter. Als wir vom Ufer in Fluß abfuhren, sagte der Schiffer: wir fahren in Gottes Namen, und wollen auch ein Vater Unser beten, daß wir glücklich an Land kommen. Darauf nahm er seinen Hut ab, und betete mitten im Rudern in der Stille. Ein gewisser junger Doctor, der auf seinen Reisen sein bisgen Religion vollends vergessen haben mochte, sagte in einem etwas spöttischen Tone: Beter immer zu. Elends Geschöpf, dacht ich, ists denn unanständig, den großen Schöpfer des Wassers, der jede Welle in seiner Gewalt hat, mit Demuth zu bitten, daß er uns jetzt nicht die fürchterlichste, sondern die angenehmste Bestimmung seines Elementes wolle erfahren lassen? Ich zog meinen Hut gerne mit dem einfältigen Schiffer ab, zum Zeichen, daß ich es billigte.186

Bereits 1779 sah Philipp Wilhelm Gercken diese Frömmigkeitspraxis jedoch als antiquiert an. Wenn Burckhardt in Sympathie für die Religiosität des Schiffers noch still den Hut mitzog, um sich dann in seinem Bericht aber von dessen Einfalt zu distanzieren, verwies Gercken auf die seiner Darstellung nach allgemeine Erheiterung der Mehrheit der Reisenden über solche Gebetsformen, die er als Merkmal eines unreflektierten Aberglaubens abtut. Als sein Schiff das Binger Loch passierte und der Kapitän zum Vater Unser anhob, kommentierte er: Aber anjetzo lacht man darüber, ohngeachtet doch der Schiffer noch die alte Sitte begeht, daß er und seine Leute, auch wer sonst von den Passagiers Lust hat, den Hut abziehen und ein Vater Unser ohne Gedanken dahermurmeln.187

3.4.4 Epochen und Konfessionen Übergreifendes Die überwiegende Mehrheit der Reiseschriftsteller in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war sich bei Betrachtung der katholischen Frömmigkeitspraxis einig, dass diese in den meisten ihrer Erscheinungsformen ein Relikt vergangener Zeiten darstellte, das früher oder später durch die Aufklärung überwunden werden würde. Man warf ihr pauschal bloße Oberflächlichkeit, Hang zu Aberglauben und Legendenbildung, mechanisches und gedankenloses Gebet, mangelnde Anleitung zu sittlichem Leben und ökonomischem Wirtschaften vor. Nur verein186 Siehe: Burckhardt, Bemerkungen, S. 70. 187 Siehe: Philipp Wilhelm Gercken, Reisen durch Schwaben, Baiern, angränzende Schweiz, Franken und die Rheinischen Provinzen etc. in den Jahren 1779–1782 nebst Nachrichten von Bibliotheken, Handschriften etc., 3 Bde., Stendal 1786, Bd. 3, S. 222.



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zelt scherten Stimmen aus dem allgemeinen Chor der Reisenden aus, um eine andere Verständnismöglichkeit für den Katholizismus aufzuzeigen. Der später unter großem öffentlichen Aufsehen zur römisch-katholischen Kirche konvertierte Graf Leopold Stolberg sah für die pauschale Verurteilung der katholischen Frömmigkeit und der gleichzeitig seiner Meinung nach zu großen Begeisterung für Aufklärer wie Jean Jacques Rousseau nicht nur konfessionelle, sondern auch soziale Ursachen, welche für jene Differenzerfahrung zwischen dem gebildeten Reisenden und dem einfachen rheinischen Landmann verantwortlich seien. In Anlehnung an Mt 23, 24 bemerkte er hierzu nach seiner Reise 1792: Als wir nahe an das Städtchen Rheinmagen [Remagen] kamen, begegnete uns auf hohem, schmalen Ufer, am Fuß höherer Berge, ein feierlicher Umgang, welcher zur Ehre des Heiligen Apollinarius gehalten ward. Die ganze Schaar folgte singend dem Priester und der rothen Heiligenfahne. Unten im Strom glitten Nachen, deren jeder mit einer Fahne prangte, und aus welchen derselbige Gesang erscholl. Wir lächelten, als wir erfuhren, daß diese guten Leute zu den Gebeinen des Heiligen, welche auf einem Berge begraben sein sollen, wallfahrteten, denn vor etwa vierzehn Tagen hatten wir eben dieses Heiligen Ueberbleibsel in einer zierlichen Lade, begleitet von feierlichem Umgang, in Düsseldorf tragen gesehen... O ihr, die ihr hohnlachen würdet über die Einfalt der rheinischen Landleute, wenn sie mit geselliger Andacht Lieder zum Andenken eines frommen Mannes singen, ihr verstehet es Mücken zu seigen [sieben] und Kamele zu verschlucken...188

Auch in der katholischen Bilderverehrung konnte Stolberg bei einem Aufenthalt in Heidelberg Ansätze einer für ihn als Protestanten annehmbaren Religiosität erkennen: In der Stadt fiel uns ein steinernes Marienbild mit dem Jesuskinde in die Augen. Es standen erzkatholische lateinische Inschriften darauf, aber uns gefiel der deutsche Reim auf der einen Seite: Noch Stein, noch Bild, noch Säulen hier, Das Kind und Mutter ehren wir.189

Der Hang zur Verdinglichung konfessioneller Unterschiede, wie ihn auch ein sich aufgeklärt gebender Konfessionalismus190 praktizierte, wurde jedoch der tatsächlich daseinsbewältigenden Kraft vor allem volksfrommer Praktiken nicht gerecht.191 Noch weniger galt dies, wenn der Reisende sich außerdem auch sozial 188 Siehe: Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg, Reise in Deutschland, der Schweiz, Italien und Sicilien. Von Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, 4 Bde., Königsberg und Leipzig 1794, hier Bd. 1, S. 26. 189 Siehe: ebd., S. 40. 190 Hierzu: Kaspar Greyerz, Konfessionelle Intoleranz und Konfessionalismus im Europa der Frühen Neuzeit, in: Matioli/Ries/Rudolph, Intoleranz, S. 57–73. 191 In anderem Kontext bemerkte der Soziologe Alfred Lorenzer zur starken sozialen Bindungskraft katholischer Rituale: „Weil es sich im Ritual ... und in der gegenständlichen Symbolik um

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vom religiös Anderen abzusetzen versuchte, wie es die häufig pejorativ formulierten Betitelungen katholischer Gläubiger als ungebildeter Pöbel und Geistlicher als dummer Pfaffen zum Ausdruck brachten, wie sie sich etwa bei Georg Forster finden lassen. Die feste Verankerung katholischer Glaubenspraxis in weiten Teilen der Bevölkerung und ihre besondere Ausrichtung auf das Kollektiv führten dazu, dass sie auch über die Epochenschwelle von Französischer Revolution und Säkularisation hinaus nicht aus dem Betrachtungsfeld der Reiseschriftsteller verschwanden.192 Ihre allen Widerständen trotzende Fortführung wurde von einem Teil der Autoren in romantischer Weise aufgenommen und literarisch als Ergänzung zum bereits romantisierten Landschaftsbild hinzugefügt;193 stärker politisch motivierte Reiseschriftsteller wie Nikolaus Becker und Friedrich Albrecht Klebe führten sie als Beweis fortdauernder „Pfaffenherrschaft“ an. In seiner Reise auf dem Rhein schildert Klebe ein diesbezügliches Beispiel katholischer Resistenz aus der Nähe von Boppard: Bigotterie und Fanatismus spucken übrigens in Boppard und der benachbarten Gegend so sehr, als ehedem; ja, dem unwissenden Pöbel sind seine Mirakelbuden, seine Heiligenbilder und Pfaffen noch lieber geworden, seitdem die Gefahr ihres Verlustes sich näherte. Bei dem Windhauserhofe, nicht weit von der Gemeinde Hirschwiesen, stand eine Capelle mit einem Heiligenbilde, die der Besitzer der Meierei vor mehreren Jahren hatte erbauen lassen. Der Lerm über dieses mirakulöse Bild ward so groß, daß schon die ehemalige Trierische Regierung die Abschaffung dieser Mißbräuche befahl, und das Bild wegnehmen hieß. Der Pachter, vermuthlich auf Anstiften der Pfaffen, stellte vor zwei Jahren das Bild wieder her, ließ es das Volke sehen, und erpreßte unter dem Vorwand, das Bild kleiden und verzieren zu lassen, ansehnliche Summen von den leichtgläubigen Menschen in den Cantonen Boppard, Treiß, Zell etc., die er wahrscheinlich mit den Pfaffen theilte. Es wurden Prozessionen eine „sinnhafte“ Bildung unterhalb der Allianz von Sprache und Herrschaftsnormen handelt, gab es hier einen begrenzten Freiraum für die Unterdrückten, um ihre Lebensentwürfe, ihre Lebensformen und ihre Lebenswünsche ins Symbol zu fassen.“ (Siehe: Alfred Lorenzer, Das Konzil der Buchhalter, Frankfurt am Main 1981, S. 229). 192 Sabine Doering-Manteuffel bemerkt diesbezüglich bei ihrem Blick auf ähnliche Phänomene in der Eifel: „Gerade weil die katholische Kirche in der alten Gesellschaft zugleich sinnstiftende und organisatorische Aufgaben übernahm, fragt sich, ob sie nicht über eine Epochenschwelle hinaus im eigentlichen Sinne des Wortes ‚im Dorf geblieben war‛.“ (Siehe: Sabine Doering-Manteuffel, Die Eifel. Geschichte einer Landschaft, Frankfurt am Main 1995, S. 55). 193 So zum Beispiel bei Johann Friedrich Droysen, der 1801 bei Hochheim bemerkte: „Ueberall waren die Straßen in den Dörfern und Städtchen mit Bäumen geschmückt, mit Gras und Blumen bestreuet, und die zerstümmelten Crucifixe und zerschlagenen Heiligenbilder zum Fronleichnamsfeste mit Blumen bekränzt.“ (Siehe: Johann Friedrich Droysen, Dr. Johann Friedrich Droysen‘s Lehrer der Mathematik und Physik auf der Königl. Universität zu Greifswalde Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801, Göttingen 1802, S. 24).



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dahin angestellt, und große Haufen Menschen versammelten sich dort zur Anbetung des Bildes, ja ein Friedensrichter des Cantons Treiß, ein ehemaliger Pfaff Namens Rosenbaum, las zu Obergundershausen den Leuten, die sich dahin begeben wollten, eine große Messe, und bestärkte sie durch seine Reden in ihrem Fanatismus. – Die Centralverwaltung des Rhein- und Moseldepartements zu Coblenz nahm endlich Maasregeln gegen diese Thorheiten. Sie erließ unterm 18. Messidor des 7. Jahres einen Beschluß, der diesem Unwesen auf eine Zeitlang ein Ende machte.194

Schließlich habe die Regierung folgende Schritte veranlasst: Der Bürger Schaak, Commissair des vollziehenden Directoriums bei der Municipal-Verwaltung von Boppard ist zum Special-Commissair ernannt. Er soll sich auf der Stelle mit einigen Compagnieen Soldaten nach der Meierei Windhausenhof begeben, die Capelle einreißen, und den Heiligen daraus wegnehmen, und nach Coblenz bringen lassen.195

Weiterhin sollten die Soldaten vor Ort bleiben, bis sichergestellt sei, dass das Wallfahrtswesen tatsächlich eingedämmt sei und die Verantwortlichen verhaftet würden. Doch die Bevölkerung zeigte sich von den Maßnahmen unbeeindruckt: Dieser Beschluß, dessen Vollziehung man der Centralverwaltung berichtete, wurde indessen keineswegs ganz vollzogen, und im folgenden Frühjahr (im Floreal des 8. Jahres) fieng der Lärm von neuem an. An einem Sonntage befanden sich über 4000 Menschen in Windhausen, die prozessionsweise dahin gekommen waren. Man trieb auf die seltsamste Art Teufel aus, indem man die Besessenen in eine Mistpfütze stürzte, die zum Heilbrunnen wurde, seitdem der Windhauser Pachter ein Crucifix darin gefunden zu haben vorgab.196

Die Verwaltung schickte nun erneut einen Trupp Soldaten, traf jedoch auf wenig Gastfreundschaft: Der Commissair Schaak und seine Soldaten wurden daher, als sie den angeblichen Heilbrunnen verschütten wollten, mit einem mächtigen Steinregen empfangen. Man will behaupten, daß sich unter den Combattanten auch öffentliche Beamten befunden hätten, welche das Treffen commandirt haben sollen. Würklich wurde auch hernach der Pfarrer von Salzig, welcher beschuldigt war, an der Spitze der Kreuzfahrer den Commissair und die Gens’darmes mit Steinwürfen begrüßt zu haben, ins Aresthaus nach Coblenz gebracht.197

194 Siehe: Klebe, Reise, Bd. 2, S. 77. 195 Siehe: ebd., S. 80. 196 Siehe: ebd., S. 81. 197 Siehe: ebd., S. 82. Zur Bestätigung des objektiv nachprüfbaren Gehalts seiner Darstellung bietet Klebe auch eine Quellenangabe für die Geschehnisse, die er nicht persönlich miterlebt hatte, S. 83: „Diese Geschichte wurde von N. Becker in der von Görres herausgegebenen Monatsschrift Rübezahl (3. Sammlung, 1. und 2. Heft, S. 124 u. ff) und der Coblenzer Zeitung (Der

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Unbeschadet des Umstandes, ob die geschilderten Ereignisse tatsächlich so stattgefunden hatten oder nicht, liegt die Absicht, die Klebe mit seiner ausführlichen Schilderung verfolgte, klar auf der Hand. Beim Leser seiner Rheinreise sollte Empörung ausgelöst werden über die immer noch dem alten System anhängende Bevölkerung des linken Rheinufers. Das Festhalten an ihrer altgewohnten religiösen Praxis wurde im Geiste der Französischen Revolution rein politisch betrachtet.198 Die Vehemenz, mit der die katholische Bevölkerung der Rheinlande auf dem Fortbestehen ihrer Frömmigkeitspraxis beharren konnte, wird durch ein weiteres Beispiel, das sich 1829 in Mainz zugetragen hatte, geschildert. Der sächsische Jurist Woldemar Seyffarth berichtet teils amüsiert, teils erstaunt über die Traditionsverbundenheit der Mainzer. Nachdem auf Grund ungünstiger Wetterverhältnisse die Fronleichnamsprozession durch die Stadt offiziell abgesagt werden musste, rebellierten die katholischen Bürger der Stadt: Ich erstaunte über die Schmähungen, welche das ganze Volk gegen seine Hirten sich erlaubte. Nicht Besorgnis wegen des Regens, murrte es überall, ist die Ursache des Absagens der Procession; regnete es auch, die Herren hätten Nichts zu fürchten; wo Fett ist, dringt der Regen nicht ein; ob wir naß werden, die keinen solchen Schutz tragen, das kümmert sie nicht; nur Faulheit ist der Grund; sie wollen lieber gar nichts thun; das gehen selbst dünkt ihnen zu viel. Ich verschloß meine Ohren, denn schon war ein unglücklicher Geistlicher, der sich unter’s Volk gewagt hatte, vom Volke mißhandelt worden, und laut und ungescheut flogen die Drohungen umher, daß jeder Geistliche gut thun werde, an diesem und den folgenden Tagen auf keiner Straße zu erscheinen.199

Bewohner des Westrheins Nr. 97, 99, 101) veröffentlicht, um somit den Grad der Aufklärung der hier lebenden Bevölkerung anzuzeigen.“ 198 Hierzu bemerkte José Casanova: „Als die Säkularisierung der Klöster im Verlauf der französischen Revolution stattfand und später in den darauf folgenden liberalen Revolutionen die Klostermauern niedergerissen wurden, lag die explizite Absicht nicht darin, das religiöse Leben in die säkulare Welt hinauszutragen – wie es mit der protestantischen Reformation der Fall war, sondern jene religiösen Orte zu laisieren, ihren religiösen Gehalt aufzulösen und zu entleeren und die religiösen Personen, Mönche und Nonnen zivil und laikal zu machen, bevor man sie in die Welt hinaustrieb, die von da an als ein bloß säkularer Ort verstanden wurde, bar aller religiösen Symbole und allen religiösen Sinns.“ (Siehe: José Casanova, Europas Angst vor der Religion, Berlin 2009, S. 88f). 199 Siehe: Woldemar Seyffarth, Meine Reisetage in Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz. Von Dr. Woldemar Seyffarth, 2 Bde., Leipzig 1832, hier Bd. 1, S. 140.

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3.5 Bildung 3.5.1 Konfessionell bedingte Unterschiede in der Bildungslandschaft Nach ihrer Reise durch Deutschland im Jahr 1803 kam Anne Louise Germaine de Staël, besser bekannt als Madame de Staël, in ihrem berühmten Bericht de l’Allemagne, resümierend über den Unterschied hinsichtlich des Bildungsstandes in Nord- und Süddeutschland, zu einem für den Süden niederschmetternden Ergebnis. Der erhebliche Mangel an wissenschaftlichem und künstlerischem Niveau, den sie dem Süden zuschrieb, hatte in ihren Augen eine konkret benennbare Ursache und konnte sogar an einem entscheidenden historischen Ereignis festgemacht werden: Wäre Karl V. nur Lutheraner geworden, so hätte auch der Süden Deutschlands „Zufluchtsort“ von Wissenschaften und Künsten werden können.200 Da jedoch die Reformation zu einer Kirchenspaltung geführt habe, hätten sich in der Folge konfessionsverschiedene Bildungslandschaften entwickelt, welche in Deutschland besonders stark wahrnehmbar und erklärbar gewesen seien: Da der Protestantismus der Aufklärung weit günstiger ist als der Katholizismus, so haben sich die Katholiken in Deutschland in eine Art von Verteidigungsstand begeben, welcher dem Fortschritt der Ideen nicht wenig schadet. In Ländern, wo die katholische Religion vorherrschend war, wie in Frankreich und Italien, hat man sie mit der Literatur und den schönen Künsten zu vereinbaren gewußt; aber in Deutschland, wo die Protestanten durch ihre Universitäten und durch ihre natürliche Tendenz sich alles dessen bemächtigt haben, was mit den literarischen und philosophischen Studien in Verbindung steht, haben die Katholiken sich für genötigt erachtet, ihnen eine Art von Zurückhaltung entgegenzustellen, welche beinahe jedes Mittel, sich auf der Bahn der Einbildungskraft und des Gedankens auszuzeichnen, unwirksam macht. Von allen schönen Künsten ist die Musik die einzige, welche im südlichen Deutschland auf einen höhern Grad von Vollkommenheit gebracht ist als im Norden; es sei denn, daß man eine gewisse bequeme Lebensweise, deren Genüsse sich mit der Ruhe des Geistes sehr wohl vertragen, zu den schönen Künsten rechnen will.201

Dass die konfessionelle Auseinanderentwicklung von Katholiken und Protestanten eine Neuorientierung der Bildungslandschaft im Alten Reich mit sich gebracht hatte, deren Grenzen sich quer durch den deutschen Sprachraum zogen,

200 Siehe: Madame de Staël, Über Deutschland. Vollständige und neu durchgesehene Fassung der deutschen Erstausgabe von 1814, herausgegeben von Monika Bosse, Frankfurt am Main 1985, S. 678f. 201 Siehe: ebd., S. 677.

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ist unumstritten.202 Konkurrierende Bildungssysteme der katholischen und protestantischen Tradition bildeten sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts aus und entwickelten eigene inhaltliche und geographisch verortbare Schwerpunkte. Im unteren und mittleren Schulwesen wirkte sich dies nur marginal aus, stärker im Bereich der Hochschulen.203 Das etwas zugespitzte Deutungsmuster, das sich im Antagonismus von protestantischer Wort- und katholischer Bildkultur ausdrücken lässt, umreißt in vereinfachter Weise die markanten konfessionellen Unterschiede hinsichtlich der verschiedenen Bildungs- und Kulturlandschaften.204 Konfessionsbedingt differierende Bildungsmodelle lassen sich auch im Hinblick auf die Träger der Bildungsanstalten erkennen, wo sich im protestantischen Raum die Pfarrer- und Gelehrtendynastien ausbildeten,205 während im katholischen Bereich einzelne Ordensgemeinschaften besondere wissenschaftliche Profile entwickeln konnten.206 Die gravierenden Qualitätsunterschiede im klassischen Bildungs- und Kulturbereich, die Madame de Staël aber anhand der Konfessionsgrenzen identifizieren mochte, lassen sich empirisch nicht belegen.207 Jedoch gingen die starken bildungsreformerischen Impulse vor allem des 18. Jahrhunderts gerade von pietistischen und aufklärerisch-theologischen Bildungsidealen aus.208 Dass sich im katholischen Raum die von Rousseau aus202 Vgl. Anton Schindling, Katholische und protestantische Kulturlandschaften im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, in: Peter Claus Hartmann (Hrsg.), Religion und Kultur im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts, Frankfurt u. a. 2004, S. 25–49; ders., Bildung und Wissenschaft in der frühen Neuzeit 1650–1800, München 1994, S. 3–9; Ernst Walter Zeeden, Deutsche Kultur in der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1968; Hartmann, Kulturgeschichte, bes. S. 327–375. 203 Vgl. Hersche, Muße, Bd. 2, S. 846f. 204 Vgl. Schindling, Kulturlandschaften, S. 35. 205 Vgl. Matthias Asche, Über den Nutzen von Landesuniversitäten in der Frühen Neuzeit. Leistung und Grenzen der protestantischen „Familienuniversität“, in: Peter Herde/Anton Schindling (Hgg.), Universität Würzburg und Wissenschaft in der Neuzeit. Beiträge zur Bildungsgeschichte, Würzburg 1998, S. 133–149; Julian Kümmerle, Wissenschaft und Verwandtschaft. Protestantische Theologenausbildung im Zeichen der Familie vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Markus Wriedt/Herman J. Selderhuis (Hgg.), Bildung und Konfession. Theologenausbildung im Zeitalter der Konfessionalisierung, Tübingen 2006, S. 159–210. 206 Hierzu zählt auch die aus emanzipatorischer Sicht bemerkenswerte Lehrtätigkeit religiöser Frauengemeinschaften im katholischen Raum; vgl. Andreas Rutz, Bildung – Konfession – Geschlecht. Religiöse Frauengemeinschaften und die katholische Mädchenbildung im Rheinland (16.–18. Jahrhundert), Mainz 2006; von den zahlreichen Veröffentlichungen Anne Conrads sei besonders verwiesen auf „In Christo ist man weder man noch weyb“. Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform, Münster 1999. 207 Vgl. Hersche, Muße, Bd. 2, S. 845–855. 208 Vgl. Walter Sparn, Religiöse und theologische Aspekte der Bildungsgeschichte im Zeitalter der Aufklärung, in: Notker Hammerstein/Ulrich Hermann (Hgg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 2 (18. Jahrhundert), München 2005, S. 134–168.

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gehende Reform der Pädagogik, wie sie im protestantischen Bereich etwa von Basedow und Campe umgesetzt wurde, nur langsam entfalten konnte, wurde von Reisenden als weiterer Mosaikstein im von ihnen entworfenen Bild katholischer Rückständigkeit eingeordnet. Johann Nikolaus Becker monierte bei seinem Aufenthalt in Mainz 1792 über die dortigen Erziehungsanstalten: Es ist mir leid, daß du von mir hören mußt, daß Augustinermönche auf diesen Kathedern sitzen, denn ein gelehrter und aufgeklärter Mönch ist und bleibt allezeit Ausnahme von der Regel. Die Erziehung und der Unterricht der Kinder in diesem Alter sollte besonders klugen und erfahrnen Leuten anvertrauet werden, denn das, was man sich in diesem Alter fest eingeprägt hat, verläßt man sehr schwer. Daher kömmt auch der vorwaltende Aberglaube, daß noch immer unter verschiednen Religionen Intoleranz herrscht; daher kömmt es besonders, daß bis jetzt die Vereinigung, alle Religionen in ein ganzes zu schaffen, nur ein Gedanke redlich denkender Menschen war. Wie traurig muß es für einen aufgeklärten Katholiken seyn, wenn er keinen andern Grund des Vorzugs der Protestanten vor ihnen erforschen kann, als seine Erziehung; wie schmerzend muß es ihm seyn, wenn er unter seinen Glaubensgenossen keinen Campe, Salzmann, Villaume u. a. findet? Diesem Allen ließ sich am besten dadurch abhelfen, wenn die Fürsten sich vereinigten, und gegen jesuitische Erziehung und Mönchsgrundsätze Dämme setzte.209

Ähnlich wie Becker nutzten auch andere Autoren die Kritik am katholischen Bildungswesen zu einer eindeutigen Schuldzuweisung zulasten des Ordensklerus im Allgemeinen.210 Friedrich Albrecht Klebe zeichnete 1802 für Köln ein miserables Bild der dortigen Bildungssituation und sah die Schuld im antiaufklärerischen, da die Geistesfreiheit unterdrückenden Wirken der Ordensleute: Daß dieses Volk so wild unbändig, so dumm und fanatisch ist, kann nur eine Folge seiner ehemaligen Verfassung seyn; Jahrhunderte lang hatten sich Patrizier und Pfaffen verschworen, es in Aberglauben und Unwissenheit zu erhalten... Ein Heer von Mönchen unterdrückte alle Geistesfreiheit, alle Lektüre, alles Studium, außer das der Ascetik.211

209 Siehe: Johann Nikolaus Becker, Ueber Mainz. In Briefen an Freund R. auf einer Rheininsel 1792, Frankfurt am Main 1792, S. 52. 210 Hierzu auch Notker Hammerstein/Rainer A. Müller, Das katholische Gymnasialwesen im 17. und 18. Jahrhundert, in: Hammerstein/Hermann, Handbuch, S. 324–354, hier S. 344f. Kritisiert wurde von den Aufklärern die mangelhafte Didaktik, das Fehlen wichtiger moderner Fächer wie Geschichte, Geographie und Mathematik sowie der Umstand, dass von den Orden kein Schulgeld verlangt würde, was volkswirtschaftlich einen enormen Schaden darstelle. Allgemein zum Thema vgl. Hans-Wolf Jäger, Mönchskritik und Klostersatire in der deutschen Spätaufklärung, in: Harm Klueting (Hrsg.), Katholische Aufklärung – Aufklärung im katholischen Deutschland, Hamburg 1993 (= Studien zum 18. Jahrhundert, Bd. 15), S. 192–207. 211 Siehe: Klebe, Reise, Bd. 2, S. 352.

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Gehörte ein Besuch der Klosterbibliotheken von Benediktinern, Kartäusern und Jesuiten lange Zeit zum klassischen Programm der adeligen und später auch der bürgerlichen Bildungsreise, so änderten sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch hier die Präferenzen. Karl Eugen von Württemberg wusste nach seinem Besuch in Köln über die Klosterbibliotheken der Stadt nur Abfälliges zu berichten: Ich that das nembliche und besahe die Bibliothequen in denen Clöstern derer Carthäußer, derer Benedictiner und Exjesuiten, wo vor jezo das Seminarium ist; bey keiner aber bin Ich befriedigt worden und habe mich von neuem überzeugt, wie wenig die Wissenschafften in dießen Gegenden noch blühen.212

Als er danach noch den Konvent der Franziskaner besuchte, hätten diese ihm aus Unkenntnis und mangelnder Organisation nicht einmal Auskunft über ihre Bestände geben können. Gegen die weitverbreitete Negativzeichnung des Bildungsstands der katholischen Mönche regte sich jedoch auch Widerstand. In seiner „Reise auf dem Rhein“ sah sich der aus Koblenz stammende katholische Priester Joseph Gregor Lang zu einer eindeutigen Verteidigungsrede des geistlichen Standes und namentlich des oft in Verruf gebrachten Benediktinerordens beinahe genötigt. Lang bemerkte nach seinem Besuch im Kloster Maria Laach zunächst über seinen dortigen Gastgeber: Der Prälat, ein liebreicher, ganz gefälliger Mann, entfernt von all dem, was man insgemein diesen Herren zur Last zu legen pflegt, wußte die Tischgesellschaft sehr gut zu unterhalten.213

Anschließend räumte er in seinem Reisehandbuch, einem der meist genutzten Rheinführer des 18. Jahrhunderts, fast zwei Seiten für eine umfassende Würdigung des Benediktinerordens und seines Beitrags für das kulturelle Leben im Rheinland ein: Durchaus besitzen diese Väter eine ausgebreitete Literaturkenntnis; die meisten haben ihre eigenen Privatbibliotheken, die nach meiner kurzen Übersicht sehr gute Werke aus den philosophischen und kanonischen Fächern enthielten; auch unsere neueren deutschen

212 Siehe: Karl Eugen von Württemberg, Tagbücher seiner Rayßen nach Prag und Dresden, durch die Schweiz und deren Gebürge, nach Nieder Sachßen und Dännemarck, durch die angesehensten Clöster Schwabens, auf die Franckforter Messe, nach Mömpelgardt, nach den beiden Königreichen Franckreich und Engelland, nach Holland und manch anderen Orten in den Jahren 1783–1791 vom Herzog Carl Eugen selbsten geschrieben und seiner liebsten Freundin und Gemahlin Franziska von Hohenheim gewidmet zum Andencken seiner Hochachtung. Herausgegeben von Robert Uhland, Tübingen 1968, S. 236. 213 Siehe: Lang, Reise, Bd. 1, S. 154.

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Dichter waren nicht ausgeschlossen. – Welch ein auffallender Abstich zwischen der ersten und zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts im Mönchtum, in welcher ersteren, wenn man zurückblickt, der Mönch nebst seinem Brevier nichts anderes kannte als eine oft höchst widersinnige Dogmatik oder fabelhafte Legende, die ihm seinen ohnehin unterjochten Willen, sein bißchen und schon zum Teile verrückten Verstand noch mehr verrückten und ihn völlig zum milzsüchtigen Schwärmer machten. ... überall sieht man Ordnung ohne Zwang, Munterkeit mit Anstand und ungeheuchelte Bruderliebe mit Wohlwollen vereinigt. ... Es ist meine Sache nicht, eine Apologie über dieses Kloster zu schreiben; aber das ist doch gewiß, daß die Benediktiner von ihrer Entstehung an bis auf diese Zeiten sich sehr wirksam und gemeinnützig machten. Wem ist nicht bekannt, wieviel die Literatur denselben, ohne auf die Maurus-Kongregation in Frankreich hinzublicken, zu verdanken hat? Wieviele nützliche Lehren gibt uns die Geschichte an die Hand? Man kann den Nutzen, den sie geleistet haben, nicht leugnen. Sie haben Wälder ausgerottet; sie haben ganze Länder urbar gemacht; sie haben sich das, was ihre Nachfolger jetzt besitzen, durch ihre Betriebsamkeit, durch ihren Fleiß zugelegt und bewirkt, daß nun so manche schöne Flur singt und lacht, wo sonst Wölfe geheult haben; warum sollte man diesen Genuß beneiden? – Ich für meinen Teil sehe ihre glücklich und nützlich angebauten Ländereien, wovon so viele andere Menschen wieder ihren Unterhalt haben, ohne Neid und mit wahrem Vergnügen...214

Hatte um 1700 in den katholischen Reichsteilen noch allgemein ein Gefühl von kultureller Überlegenheit vorgeherrscht, da man sich eingebunden fühlte in das Gesamt des barocken Europa – eine wichtige Rolle hierbei spielten die internationalen Netzwerke der geistlichen Orden und der allgemeine Gebrauch der lateinischen Sprache –, hatte sich spätestens um 1800 die Situation umgekehrt.215 Insbesondere die Entwicklungen in den modernen Naturwissenschaften jenseits der aristotelisch-humanistischen Wissenschaftskonzeption wurden von Universitäten und Akademien in protestantischen Territorien des Reichsgebiets maßgeblich vorangetrieben, wie etwa den Universitäten in Halle und Göttingen oder der Berliner Akademie.216 Die der Reformation geschuldete Präferenz für die Nationalsprache sorgte auch im Bereich der Literatur für einen Vorsprung in Bezug auf die Kanonbildung und das Fehlen einer katholischen deutschsprachigen Dich214 Siehe: ebd., S. 155f. Eine einseitige Darstellung durch protestantische Schriftsteller in Bezug auf den Stand der Aufklärung in katholischen Landen moniert auch Bernhard von Reith in seinen Historisch-Politischen Briefen nebst dem Versuch einer Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Mainz von 1788/89, Mannheim 1789: „Fast muß ich glauben, daß sie es darauf anlegen, ihre Religion politisch und moralisch alleinherrschend zu machen, und wenn’s Gott will, für allein-ewigseligmachend aufzudringen, da es doch genug war, daß man ihnen zugestanden, auch selig zu werden. Stifter und Klöster sind ihnen ein Greuel, die nicht in ihre Hände gefallen, oder welche sie noch erhalten könnten, wenn der geistliche Vorbehalt – die Geburt des Antichrists! – ihnen nicht ein ewiges Bollwerk wäre, das sie aber nicht für rechtmäßig halten.“ Siehe: ebd., S. 9. 215 Vgl. Anton Schindling, Bildung und Wissenschaft in der Frühen Neuzeit 1650–1800, München 1999 (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 30), S. 100f. 216 Vgl. ebd., S. 44–48.

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tertradition.217 Die vom Jansenismus stark beeinflusste Idee einer katholischen Aufklärung und eine damit einhergehende Reform der Bildungseinrichtungen orientierte sich daher vor allem an protestantischen Ländern, deren Effizienz und Effektivität in der Umsetzung als beispielhaft galten.218 Einen wichtigen Impuls und neuen Freiraum zur Entfaltung erhielten diese Bestrebungen nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773, der in weiten Teilen des Reichs eine monopolartige Stellung im Bildungsbereich genossen hatte.219 Die Umsetzung aufgeklärter Reformmaßnahmen im katholischen Bildungsbetrieb zog auch die Aufmerksamkeit der Reiseschriftsteller auf sich. Ihre Bedeutung wurde sogar so hoch geschätzt, dass man sie zum Anlass eines Besuchs der entsprechenden Institution nahm, um anschließend in gedruckter Form der Öffentlichkeit darüber zu berichten. Im November 1784 nahm der Gießener evangelische Theologieprofessor Johann Christoph Friedrich Schulz an der feierlichen „Restauration“ der Mainzer Universität teil. Die Festivitäten stellten den Abschluss eines über einen längeren Zeitraum hin verlaufenen Reformprozesses an der Mainzer Universität dar, der sich stark am Göttinger Modell orientierte, wo auch Schulz sein Studium absolviert hatte.220 Was der Gießener Professor anschließend seiner Leserschaft hierüber zu berichten wusste, ist eine einzige große Lobrede und mehr: Schulz verband mit dem in Mainz unter Erzbischof Friedrich Karl Joseph von Erthal umgesetzten universitären Reformprogramm 217 Vgl. Schindling, Kulturlandschaften, S. 42f. Ausführlicher: Dieter Breuer, Die protestantische Normierung des deutschen Literaturkanons in der frühen Neuzeit, in: Haupt/Langewiesche, Nation, S. 84–104. 218 Vgl. Karl Otmar von Aretin, Das Reich. Friedensgarantie und europäisches Gleichgewicht 1648–1806, Stuttgart 1986, S. 403f. Verschiedene Facetten des Phänomens Katholische Aufklärung werden im Sammelband Katholische Aufklärung – Aufklärung im katholischen Deutschland (hrsg. v. Harm Klueting) beleuchtet. Als Überblick über aufgeklärte Reformen an katholischen Universitäten vgl. Notker Hammerstein, Aufklärung und katholisches Reich. Untersuchungen zur Universitätsreform und Politik katholischer Territorien des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation im 18. Jahrhundert, Berlin 1977. Zur europäischen Dimension des Phänomens Katholische Aufklärung und seiner ideengeschichtlichen Zusammenhänge mit dem Jansenismus vgl. Ulrich Lehner/Michael Printy (Hgg.), A companion to the catholic enlightenment in Europe, Leiden 2010. 219 Vgl. Hammerstein/Müller, Gymnasialwesen, S. 345–351. 220 Zum Reformprozess der Mainzer Universität im 18. Jahrhundert vgl. allg. Leo Just/Helmut Mathy, Die Universität Mainz. Grundzüge ihrer Geschichte, Mainz 1965; speziell zum Vorbildcharakter Göttingens Peter Port, Beziehungen zwischen den Universitäten Mainz und Göttingen in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, Mainz 1970 (= Jahrbuch der Freunde der Universität Mainz). Als Beispiel für den Umfang entsprechender Reformmaßnahmen im katholischen Raum vgl. Werner Simon, Bildung und Aufklärung. Bildungsreformen in Münster in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Gottfried Bitter/Martina Blasberg-Kuhnke (Hgg.), Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft, Würzburg 2011 (= Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, Bd. 86), S. 155–163.

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auch große ökumenische Hoffnungen. So weiß er zunächst über den großen Eröffnungsgottesdienst zu sagen: Nach geendigter Predigt folgte das hohe Amt, von dem Herrn Weihbischoff Heimes abgesungen. Alles, was nur die Pracht dieser Handlung zu erhöhen und zu vermehren im Stande war, war auf die schicklichste Art angebracht. Der hohe Altar war mit einigen hundert brennenden Wachslichtern geziert, die Musik war vortreflich. Darauf folgte der Ambrosianische Lobgesang, während dessen alle Glocken in der Stadt geläutet, und hundert und funfzig Kanonen gelöset worden. Besonders rührte mich hierbey der herrliche Gesang mehrerer Sänger und Sängerinnen, und die Bemerkung, die ich an vielen gemeinen Leuten, die während des Hochamts in den Gängen knieten, machte, daß sie meist teutsche (einige darunter französische, welches vermutlich Franzosen waren), Gebetbücher in Händen hatten. Neuen hatten gewiß teutsche bis dagegen einer ein lateinisches hatte.221

In der anschließend vorgetragenen theologischen Festdisputation de lapsu Adami ejusque sequelis des Mainzer Diözesanpriesters Georg Adam Kremer wurden zu seiner Freude auch alle maßgeblichen evangelischen Theologen zitiert, und abschließend beschreibt Schulz das große ökumenische Potential, das in gemeinsam und nach den Maßgaben der Aufklärung betriebener Theologie stecke: Gewiß, lieber Freund! Die Zeit ist wahrscheinlich näher, denn da wirs glaubten; die glückliche seelige Zeit, wo nur Ein Hirte und Eine Heerde seyn wird! – Ich rede, versteht sichs, jetzt nur von Protestanten und Katholiken. Der aufgeklärten, billigdenkenden, rechtschaffenen Theologen sind jetzt in beiden Kirchen zu viele; der aufgeklärten, billigdenkenden, rechtschaffenen Fürsten sind jetzt in beiden Kirchen zu viele; als daß nicht jene einsehen sollten, daß nun bald drey Jahrhunderte lang aus allen dem Zanken und Anathematisieren nichts herausgekommen ist...222

Dass gerade in Mainz eine der Aufklärung besonders nahestehende Geisteshaltung gepflegt wurde, schlug sich in der Folge in zahlreichen Reiseberichten nieder. So bemerkte etwa Franz Kratter, der 1791 seine Reisebeobachtungen dezidiert gegen die stereotypen Auslassungen Friedrich Nicolais verfasst hatte, nach seinem Besuch in Mainz: Unter den geistlichen, von geistlichem Regiment beherrschten Städten ist Mainz ohne Zweifel die aufgeklärteste... Indessen herrscht unter dem gesündern Theil der Geistlichkeit, der zahlreicher ist, als man glaubt, geläuterter Geschmack, Liebe zur Lektür, eine für diesen Stand ungewöhnliche Aufklärung.223

221 Siehe: Johann Christoph Friedrich Schulz, Briefe aus Mainz während der Restaurationsfeierlichkeiten der Universität vom 15. bis 19. November 1784 geschrieben, Frankfurt 1784, S. 21. 222 Siehe: ebd., S. 41. 223 Siehe: Kratter, Bemerkungen, S. 146.

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Und bezüglich des von Nicolai propagierten Standpunkts der nahen Verwandtschaft und direkten Bedingtheit von Protestantismus und Aufklärung224 konnte er spöttisch berichten: Eine Bemerkung in Rücksicht auf Frankfurt, die einer meiner Freunde da gemacht hat, und die er seiner Kenntnisse und seines längern Aufenthaltes wegen an diesem Orte zuverlässig machen konnte, darf ich hier nicht übergehen; daß nämlich die lutherische Geistlichkeit ihrer strengen, intoleranten Ortodoxie, und ihrer steifen, ungeselligen Ehrwürdigkeit wegen von dem katholischen Geistlichen (mit dem grössern Theil der Mönche hätte mein Freund eine gefällige Ausnahme machen sollen) auf welche von Mainz aus Philosophie, gereinigter Geschmack, tolerante Denkungsart seit einigen Jahren mit glücklichem Erfolge wirken, um ein merkliches zurücklassen wird. Diese Aeusserung meines Freundes ist um so unverdächtiger, als er ein unversöhnlicher Feind alles katholischen Fanatismus ist, und sich selbst zur lutherischen Kirche bekennt. Ich hatte auch wirklich auf meiner Reise in manchem lutherischen und halblutherischen Orte Gelegenheit mich zu überzeugen, daß Vernunft und Protestantismus oft mehr kontrastierende, als nach Herrn Nikolais Behauptung gleichviel bedeutende Wörter sind.225

Um den Bildungsstand der katholischen Jugend beurteilen zu können, inspizierte der Zürcher evangelische Geistliche Johann Tobler in Lorsch 1788 die dort benutzten Schulbücher und stellte erstaunt fest: Ich blikte ins Buchstabir- und Lesebüchlein eines Knaben, der aus der Schule kam, und fand freylich die Gebete und Lehren katholisch genug, aber doch die Einrichtung des Büchleins verständiger und einige kurze Gebetstellen besser, als man sie vermuthlich vor einem Viertels Jahrhundert im katholischen Deutschland gar nicht, und auch bey weitem nicht überall im Protestantischen gefunden haben würde.226

Auch die aufgeklärten Reformmaßnahmen in den anderen geistlichen Staaten entlang des Rheins blieben von den Reiseschriftstellern nicht unbeobachtet;227 zusätzliche Hinweise auf einzelne Besonderheiten des protestantisch geprägten Bildungsbetriebs strichen jedoch oft indirekt dessen referentiellen Charakter hervor. So lobte beispielsweise Aloys Wilhelm Schreiber 1791 die Mainzer Universitätsreform, fügte aber kritisch hinzu:

224 Vgl. Horst Möller, Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai, Berlin 1974, S. 117f. 225 Siehe: Kratter, Bemerkungen, S. 154. 226 Siehe: Tobler, Blätter, S. 26. 227 So etwa die positive Wertung des Zustands der Koblenzer Schulen nach den Reformen des Clemens Wenzeslaus bei Este, Journey, S. 240: „Instead of the empty noise and barren verbiage of the schools, he has instituted the living languages and usefull knowledge, mathematical learning, classical taste, natural history and experimental science.“

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Ein großer Vorzug, den protestantische Universitäten noch lange vor katholischen behaupten werden, besteht darin, daß auch protestantische Universitäten junge fähige Gelehrte als Privatdozenten aufgestellt werden, daß sonach mehrere Lehrer über einen und denselben Gegenstand lesen, wodurch eine rühmliche Nacheiferung unter den Lehrern selbst erregt wird; dahingegen auf katholischen hohen Schulen der ordentliche Lehrer im ungestörten Alleinbesizze seines einmal übernommenen Faches bleibt, und die Schüler gezwungen sind, ihn zu hören, auch wenn er noch so sehr vernachläßigte.228

Die politischen Umwälzungen, die durch die Französische Revolution ausgelöst wurden, bedeuteten ein abruptes Ende der zum größten Teil durch die geistlichen Staaten getragenen katholischen Aufklärung. In seinem Bericht, in welchem der französische Staatsarchivar Armond-Gaston Camus 1803 unter anderem auch über die nunmehr an Frankreich gefallene linksrheinische Bildungslandschaft Auskunft gab, erinnerte er zwar an die Reformleistungen der geistlichen Staaten im Sinne der Aufklärung, konstatierte aber nach wie vor einen Bildungsvorsprung der Protestanten, „da beim größten Theil der Deutschen Katholiken die Fähigkeiten des Geistes in Fesseln liegen, nicht durch die Religion, die solche Fesseln nicht anlegt, sondern durch den Aberglauben, der allein fähig ist, Ketten zu schmieden. Die Churfürsten von Mainz und Köln hatten mehr Einsichten und Verstand, sie suchten geschickte Männer auf, und übertrugen diesen die Lehrstellen zu Mainz und zu Bonn.“229 Dass die katholische Aufklärung auch aufgrund ihrer kurzen Lebenszeit vor allem Kultur der Elite blieb,230 schmälerte in den Augen der meisten reisenden Beobachter ihre wahre Bedeutung. Die größtenteils als Aberglaube empfundenen volksfrommen Sitten und Gebräuche der katholischen Landbevölkerung prägten mit ihrer Plakativität ein leicht wiederzuerkennendes Antlitz des Katholizismus. Welches ökumenische Potential jedoch in den bildungspolitischen Reformbestrebungen, die von den geistlichen Staaten Trier, Köln und besonders Mainz ausgingen, auch von Vertretern der protestantischen Seite aus gesehen wurde, zeigen die Einschätzungen, die der Gießener evangelische Theologieprofessor Johann Christoph Friedrich Schulz nach seinem Aufenthalt in Mainz 1784 tätigte. Mit einem besonderen Lobspruch auf die KatholischTheologische Fakultät der Universität Mainz beschloss er seine Berichterstattung über die neuesten Entwicklungen in der katholischen Bildungslandschaft, 228 Siehe: Schreiber, Bemerkungen, S. 133. 229 Siehe: Armond-Gaston Camus, A. G. Camus, Mitglieds des Nazional-Instituts und StaatsArchivars, Reise in die Departemente des ehemaligen Belgiens und des linken Rheinufers, und in die vom Niederrhein, Norden, Pas du Calais und der Somme, am Ende des Jahres 10 der Republik. [Aus dem Französischen] Uebersezt von Dr. Aug. Christian Borheck, 2 Bde., Köln 1803, S. 31. Originaltitel: Voyage fait dans les départemens nouvellement réunis et dans les départemens du Bas-Rhin, du Nord, du Pas-de-Calais et de la Somme, à la fin de l‘an X, Paris X (1803). 230 So das Fazit von Aretin, Reich, S. 432f.

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die jedoch aufgrund der weiteren gesamthistorischen Entwicklungen Episode bleiben sollten: Solls zu einer kirchlichen Vereinigung kommen, so gebe nur der Himmel! daß von katholischer Seite lauter solche gelehrte und rechtschaffene Männer, wie die Herrn von der theologischen Fakultät in Mainz sind, auf das deshalb anzustellende Concilium kommen! und Friedrich Carl Joseph sey auch dabey, was Er ohnedies in Allem ist – der ERSTE!231

3.5.2 Reiseberichte für die Jugend Die Bildungssituation und ihre konfessionsbedingten Unterschiede waren vor allem im Zeitalter der Aufklärung zu einer wichtigen Beobachtungskategorie in der Reiseliteratur geworden. Bedingt durch den verstärkten Fokus auf Bildungsund Erziehungsreformen bildete sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts auch eine neue Gattung von Reisebeschreibung aus, die mit pädagogischer Absicht besonders für jugendliche Leser konzipiert wurde.232 Entscheidend beeinflusst wurde ihre Entstehung durch Jean-Jacques Rousseau und dessen Erziehungsroman Emil oder über die Erziehung (1762). Zwar wurden auch hier die Bildungslandschaft selbst und ihre unterschiedlichen Zustände zum Teil beschrieben und bewertet, in erster Linie aber diente die Schrift der Bildung nach Maßgabe einer aufgeklärten Pädagogik. In Anlehnung an den Typus der Grand Tour, bzw. der Kavaliersreisen sollte das Lernen durch eigene Anschauung, wie sie in den Reisebeschreibungen literarisch vorgelebt wurde, zunächst lesend eingeübt werden, um die zumeist aus dem höheren Bürgertum stammenden Zöglinge zu – im Sinne der Aufklärung – selbstdenkenden und -handelnden Persönlichkeiten zu erziehen.233 Johann Bernhard Basedow, der selbst im Jahre 1774 gemeinsam mit Goethe und Lavater eine Reise auf Lahn und Rhein erlebt hatte, legte mit seinem päd231 Siehe: Schulz, Briefe, S. 42. Johann Jakob Richter hatte die gleiche Einschätzung; dabei verbalisierte er die dem entgegen stehenden Vorurteile, die in Norddeutschland offenbar bestanden: „Die Universitäten Maynz und Bonn blühten mit jedem Jahre schöner auf. Fast in allen Zweigen der Wissenschaften besaßen sie würdige Männer, welche den unglimpflichen Vorwurf mehrerer Gelehrten in Norddeutschland: ‚auf der Pfaffenstraße erliege der Geist im Genusse der üppigen Natur, unter dem Krummstabe könne er sich nicht wohl wegen der dort herrschenden Lichtscheu emporschwingen,‛ auf das kräftigste widerlegten.“ (Siehe: ders., Erinnerungen von meiner Reise auf dem Neckar und Rheine nebst Bemerkungen, Andernach 1805, S. 116). 232 Vgl. als Überblickswerk Bärbel Panzer, Die Reisebeschreibung als Gattung der philanthropischen Jugendliteratur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Frankfurt am Main/Bern/New York 1983. Eine kleine Auswahl wird vorgestellt bei: Wolfgang Griep, Die lieben Zöglinge unterwegs. Über Schulreisen am Ende des 18. Jahrhunderts in: ders./Jäger, Reisen (1986), S. 152–180. 233 Vgl. Griep, Zöglinge, S. 155.

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agogischen „Elementarwerk“ im selben Jahr der Reise die theoretische Grundlage für einen grundlegenden Wechsel der schulischen Praxis in Deutschland im Sinne der Aufklärung.234 Die in der Folge entstehenden philanthropischen Bildungsanstalten machten sich Basedows Anregungen für kindgemäße und zugleich an der gesellschaftlichen Realität ausgerichtete Erziehungsmaßstäbe zu eigen.235 Zwei enge ehemalige Mitarbeiter Basedows bemühten sich in besonderer Weise darum, das Medium des Reiseberichts für die philanthropische Pädagogik nutzbar zu machen. Zum Einen handelte es sich um den evangelischen Pfarrer und späteren Leiter der bei Gotha gelegenen philanthropischen Bildungsanstalt Schnepfenthal, Christian Gotthilf Salzmann,236 zum Anderen um den evangelischen Theologen, Sprachwissenschaftler und Pädagogen Joachim Heinrich Campe, der zeitweise als Hauslehrer der Gebrüder Humboldt tätig gewesen war.237 Beide nutzten nicht nur das aktive Reisen mit Schülergruppen als pädagogisches Mittel an den von ihnen geleiteten Bildungsanstalten, sie dokumentierten diese auch literarisch und veröffentlichten sie zum weiteren Gebrauch bei der Erziehung der Jugend. Dabei tat sich Joachim Heinrich Campe darin hervor, auch außereuropäische Reiseberichte zu veröffentlichen und damit verstärkt völkerkundliche Aspekte zu thematisieren.238 Ein besonderer – auch finanzieller

234 Vgl. Gerhardt Petrat, Schulunterricht. Seine Sozialgeschichte in Deutschland 1750–1850, München 1979, S. 21; ausführlicher: Daniel Schmidt, Der pädagogische Staat: die Geburt der staatlichen Schule aus dem Geist der Aufklärung, Baden-Baden 2000. 235 Vgl. Heinz-Elmar Tenorth, Geschichte der Erziehung. Einführung in die Grundzüge ihrer neuzeitlichen Entwicklung, Weinheim 52010, S. 91; demnach existierten zeitweise 60 Philanthropine in Deutschland. 236 Zu Salzmann: Leonhard Friedrich, „Salzmann, Christian Gotthilf“, in: NDB 22 (2005), S. 402–403; umfassender: Wolfgang Pfauch/Reinhard Röder (Hgg.), C. G. Salzmann-Bibliographie, Weimar 1981. Zur Rolle der Religiosität in seiner Pädagogik: Rainer Lachmann, Die ReligionsPädagogik Christian Gotthilf Salzmanns, Jena 2005. 237 Zu Campe und seinem verlegerischen Werk: Hans-Jürgen Perrey, Joachim Heinrich Campe (1746–1818). Menschenfreund – Aufklärer – Publizist, Bremen 2010 (= Philanthropismus und populäre Aufklärung. Studien und Dokumente; 2, Presse und Geschichte – Neue Beiträge, Bd. 56); Carola Pohlmann, Erfahrung schrieb’s und reicht’s der Jugend, Joachim Heinrich Campe als Kinder- und Jugendschriftsteller, Wiesbaden 1996 (= Ausstellungskataloge. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Bd. 18); Angelika Reinhard, Die Karriere des Robinson Crusoe vom literarischen zum pädagogischen Helden. Eine literaturwissenschaftliche Untersuchung des Robinson Defoes und der Robinson-Adaptionen von Campe und Forster, Frankfurt am Main u.a. 1994 (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 1463). 238 Vgl. Gabriele Brune-Heiderich, Die Begegnung Europas mit der überseeischen Welt. Völkerkundliche Aspekte im jugendliterarischen Werk Joachim Heinrich Campes, Frankfurt am Main u.a. 1989 (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 11, Pädagogik, Bd. 385).

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– Erfolg war seine 1780 erschienene Übersetzung und Bearbeitung von Daniel Defoes Robinson Crusoe.239 Campe war es dann auch, der als erster in der von ihm herausgegebenen Reihe Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibungen 1786 die Schilderung einer Rheinreise und die dabei gemachten Beobachtungen in didaktischer Aufarbeitung zum Druck brachte.240 Die Eindrücke hierzu hatte er 1785 während einer Reise von Hamburg in die Schweiz gewinnen können, wobei vor allem ein Aufenthalt in Mainz großen Raum in seiner Darstellung einnimmt. Campe hatte bereits in Hildesheim und Frankfurt längere Passagen seiner Ausführungen der Darstellung und Analyse katholischer Eigenarten gewidmet. Die Beschreibung sowohl der Hildesheimer als auch der Frankfurter Domkirche nutzte er zur Darstellung einer sinnenhaften, an oberflächlichem Pomp und Pracht orientierten katholischen Religiosität, die er im Kontrast zur nüchternen, protestantischen Frömmigkeit bewertete.241 Die Verwendung von Weihwasser, das Beten des Rosenkranzes, die knieende Gebetshaltung u.v.m. empfindet er als irrationales und emotional geleitetes Verhalten, das einer subtilen, auf Unterdrückungsmechanismen beruhenden katholischen Erziehung geschuldet sei.242 Die Feststellung eines allgemein gesellschaftlichen, kulturellen und ökonomischen Rückstands der „katholischen Länder“, die Campe ausführlich mit den bekannten kameralistischen Argumenten zu vieler Feiertage, zeitaufwendiger „Religionsübungen“ und dem Hang zum allgemeinen „Müßiggang“ begründete, erfährt in Bezug auf Mainz zunächst eine wohlwollende Korrektur: Die Einwohner, deren Anzahl sich samt der Garnison auf 30000 beläuft, sind eine gute Art Leute, die, wie alle Katholicken Deutschlands, sehr viel auf gute Tafel halten. Ihre Physionomien sind interessant, und es fehlt ihnen nicht an natürlichem Witz und Lebhaftigkeit; allein erst nach einigen Generationen werden sie in der Kultur des Geistes ihren protestantischen Landsleuten gleich seyn, so sehr sich auch die hiesige Regierung seit 16 bis 18 Jahren durch die guten Erziehungsanstalten, vor den übrigen katholischen Regierungen Deutschlands ausgezeichnet hat. Doch findet man in keiner katholischen Stadt Deutschlands so viele helldenkende und wirklich gelehrte Männer, als hier.243

239 Vgl. Hans-Heino Ewers, Kinder- und Jugendliteratur der Aufklärung, Stuttgart 1991, S. 463. 240 Siehe: Joachim Heinrich Campe, Reise des Herausgebers von Hamburg bis in die Schweiz im Jahre 1785. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibungen, 2. Theil, Wolfenbüttel 1786, S. 5–328. 241 Hierzu ausführlich Panzer, Reisebeschreibung, S. 212–217 im Abschnitt „Campes Auseinandersetzung mit dem Katholizismus“. 242 Vgl. ebd., S. 213. 243 Siehe: Campe, Reise, S. 217. Er zitiert hier wörtlich, aber ohne Quellenangaben, aus den bereits 1784 veröffentlichten „Briefen eines reisenden Franzosen“ von Johann Kaspar Riesbeck. Vgl. Abschnitt 4.2 dieser Arbeit.

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Die dezidiert aufgeklärte Politik im Mainzer Kurstaat findet weitere Würdigung, womit Mainz eine Vorreiterrolle eingeräumt wird: Von jeher waren die theologischen Grundsätze des hiesigen Hofes gereinigter als anderer geistlichen Fürsten Deutschlands. Es fiel mir auf, die Bibel in den Händen so vieler gemeinen Leute besonders auf dem Lande zu sehen, und man versichert mich, daß das Lesen derselben in der hiesigen Diöcese, nie verboten gewesen sey: sondern daß man nur den Leuten gerathen habe, sie nie ohne Berathung ihres Beichtvaters durchzulesen.244

Auch bezüglich der Umgangsformen der Mainzer mit reisenden Protestanten kann Campe im Vergleich positiv notieren: Ich war hier in mehrern Gasthäusern, wo mir der Wirth von selbst auf die Fasttage Fleisch anbot, wenn ich allenfalls ein Protestant wäre.245

Dennoch muss er auch in Mainz in ökonomischer Hinsicht Defizite an Industrie und Handelsfleiß feststellen: Religionsvorurtheile waren eine Haupthinderniß bei der Aufnahme der Handlung in dieser Stadt. Zur Zeit der Auswanderung der Hugenotten wollte eine sehr beträchtliche Gesellschaft derselben sich hier anbauen. Sie versprach dem Churfürsten, der Stadt Maynz grade gegenüber, nämlich zwischen Cassel und Kostheim, auf der Landspitze... eine ganz neue Stadt zu bauen. Allein der damalige Churfürst fand es nicht anständig, so nahe bei seiner Residenz das Gift der Ketzerei Wurzel schlagen zu lassen.246

Campe stellt gezielt einen Zusammenhang zwischen Konfession und allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklung im Sinne eines „Fortschritts“ dar.247 Dem jungen Leser wird damit der Kontrast zwischen dem – in jeder Beziehung – rückständigen Katholizismus und dem den Maßstab bildenden Protestantismus in seiner gesellschaftsprägenden Kraft vor Augen geführt. Die Darstellung des Katholischen als schlechthin irrational, emotional gebunden, dem Wunderglauben verhaftet und damit gänzlich dem aufgeklärten Denken entgegengesetzt findet bei Campe eine Zuspitzung in einer eingestreuten Anekdote, welche er während eines Aufenthaltes in der Nähe von Oppenheim von einem dortigen evangelischen Landgeistlichen gehört haben will.248 Dieser 244 Siehe: ebd., S. 221. 245 Siehe: ebd., S. 222. 246 Siehe: ebd., S. 224. 247 Die Wortschöpfung „Fortschritt“ ist nur eine von zahlreichen Verdeutschungen, die aus der Feder des Sprachpuristen Campe stammten, vgl. Wolfgang Krischke, Was heißt hier Deutsch? Kleine Geschichte der deutschen Sprache, München 2009, S. 232. 248 Siehe: Campe, Reise, S. 242–244.

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berichtete ihm von einer erst neulich stattgefundenen seltsamen Begegnung mit einem Mann, der an seiner Haustüre vorgesprochen und behauptet habe, ein zum Protestantismus konvertierter Katholik zu sein, der auf der Suche nach der Lage eines im Dreißigjährigen Krieg ruinierten Klosters sei, das er besichtigen möchte. Der Landgeistliche gab höflich Geleit dorthin, bemerkte aber mit Verwunderung, dass der Konvertit plötzlich eine Wünschelrute in Händen hielt und behauptete, auf dem Gelände des alten Klosters liege ein Schatz verborgen, den er mit Hilfe der Rute finden werde, um anschließend auch den Landgeistlichen an seinem Fund zu beteiligen. Zur Mitternachtsstunde solle man zurückkehren, und dann erscheine der den Schatz bewachende Geist und werde die Geschichte bestätigen: Mein Herr! erwiederte der Pfarrer, Sie haben sich an den unrechten Mann gewandt. Ich für mein Theil brauche keine Schätze; und bin überdem dazu angesetzt, die Menschen auf höhere Schätze aufmerksam zu machen, und ihnen zur Erwerbung derselben nach meinem Vermögen behülflich zu seyn. Der Betrüger merkt nun wohl, daß er mit einem Manne zu thun habe, dem man durch abergläubische Vorspiegelungen nicht ankommen könne.

Einige Tage später erschien der Schatzsucher erneut, diesmal aber in Begleitung eines weiteren Mannes, an der Türe des Landgeistlichen: Wir sind, sagen sie, um ihnen die Wahrheit zu gestehn, keine Proseliten, sondern dem römisch-katholischen Glauben noch jezt zugethane Exjesuiten, die der heilige Vater Papst in wichtigen Angelegenheiten ausgesandt hat.

Und weiter berichteten sie, dass während der Klosterzerstörungen des Dreißigjährigen Krieges viele Klosterbewohner ihre Schätze vergraben und den Standort der Schätze in Briefen an den Papst mitgeteilt hätten. Sie beide seien nun von Rom ausgesandt, um diese Schätze zu heben. Für den Landgeistlichen war nun vollkommen ersichtlich, dass die beiden Männer darauf aus waren, ihn durch ihre Erzählungen zu später Stunde an besagten Ort zu locken und dann zu überfallen, oder aber auf andere Art und Weise zu bestehlen. Der gute Pfarrer hatte die Gedult gehabt, die Betrüger ausreden zu lassen. Jetzt aber wies er sie mit Verachtung ab, und verbot ihnen ein für allemal, mit diesen, oder ähnlichen Zumuthungen ihm jemals wieder zu kommen.

Die Gegenüberstellung des braven, an „höheren Schätzen“ orientierten, aufgeklärten, evangelischen Landgeistlichen und des mit abergläubischen Geschichten um vermeintliche Geheimnisse und Geister in betrügerischer Weise auftretenden „Exjesuiten“ nutzte Campe zu einem mahnenden Wort an den jungen Leser:

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O meine jungen Freunde und Freundinnen! Flieht, so lieb euch Wahrheit ist, flieht alle, welche durch Aberglauben, Schwärmerei und vorgegebene verborgene Wunderkünste, euch von dem graden Wege des gesunden und schlechten Menschenverstandes abzulocken sucht, fest überzeugt, daß sie, wenn ihr auf ihre Gauckeleien achtet, euch in Labyrinthe führen würden, aus denen man höchstselten einen Ausgang findet! Laßt euch warnen, Ihr Lieben! und glaubt der Versicherung eines wohlmeinenden Freundes, der über das, was dem Menschen gut oder schädlich ist, lange nachgedacht, und vielfältige Beobachtungen gesammelt hat: der Versicherung, daß der Weg zur Glückseligkeit nicht dunkel und geheimnisvoll, sondern für jeden, welcher gesunde Augen des Verstandes und guten Willen hat, hinlänglich erhellt, und ohne Anwendung geheimer Künste leicht zu finden sey.

Eine solche Erhellung ist im Katholischen – so Campe – nur schwerlich zu finden, für das protestantische Selbstverständnis aber grundlegend. Ein wesentlich duldsamerer Ton in Bezug auf konfessionelle Fragen wird in einer insgesamt sechsbändigen Reisebeschreibung angeschlagen, die durch Christian Gotthilf Salzmann zwischen 1784 und 1793 herausgegeben wurde. Im vierten Band der Reihe, dessen Autor wohl Christian Carl Andre, ein enger Mitarbeiter von Salzmann war,249 wird unter anderem ein Aufenthalt in Mainz aus dem Jahr 1786 geschildert.250 Der Duktus der Salzmannschen Texte erscheint insgesamt wesentlich kindgerechter, dokumentiert oft im Frage-Antwort-Stil die Gespräche des Vaters mit seinen mitreisenden Söhnen, in denen gewisse Sachverhalte erklärt oder aber von den Jungen selbst erschlossen werden. Einige Illustrationen dokumentieren besonders eindrückliche Landschaften oder Gegenstände, die auf der Reise aufgefunden wurden. So enthält der vierte Band beispielsweise eine detaillierte Skizze des Marktschiffes, mit welchem die Reisenden von Frankfurt nach Mainz gereist waren.251 Im gesamten Werk Salzmanns fällt in Hinsicht auf die konfessionellen Verhältnisse ein sehr toleranter Zug auf, der anders geprägte Lebensweisen häufig nüchtern und distanziert darstellt, positive wie negative Aspekte erläutert, ohne aber die eigene Position absolut zu setzen, wie dies bei Campe zu betrachten war.252 So wurden während des dargestellten Besuchs von Mainz das Spektrum und die spezifischen Eigenheiten der katholischen Ordenswelt am Beispiel der Mainzer Kartause, die als die „schönste Deutschlands“ beschrieben wird, sehr detailliert ausgeführt. Zunächst stellte der Vater seinen Söhnen die Frage, welche Ordensgemeinschaften sie denn bereits kennen und was eine solche überhaupt 249 Die Autorschaft ist nicht eigens gekennzeichnet. Die Zuordnung auf Andre wird übernommen von Panzer, Reisebeschreibung, S. 317. 250 Siehe: Christian Gotthilf Salzmann, Reisen der Salzmannischen Zöglinge, 6 Bände, Leipzig 1784–1793, hier Bd. 4 (1787). 251 Siehe: ebd., S. 171. 252 Hierzu Panzer, Reisebeschreibung, S. 178.

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kennzeichne. Als dann verschiedene Beispiele lehrreich und ausführlich benannt wurden, kam der Vater, nachdem er auch den Gebäudekomplex der Kartause vorgestellt hatte, auf ihre Bewohner zu sprechen: Nun weißt Du, mein Lieber, was eine Karthause ist, so höre denn auch einiges von den Mönchen, die von des lieben Gottes Welt abgesondert in dergleichen Gebäuden leben. Ihr Orden ist einer der allerstrengsten, und versagt ihnen Bedürfnisse, die der liebe Gott nur zu deutlich für seine Kinder die Menschen bestimmt hat. Sie müssen in ganz kahl geschornen Köpfen gehen und Kleidung von Wolle auf bloßem Leibe tragen; also weder Hemde noch Beinkleider, sondern einen bis auf die Füße herabgehenden Talar. Fleisch dürfen sie gar nicht essen, Fische ausgenommen.253

Nachdem er den Kindern weiter den asketisch geprägten Lebensstil der Kartäuser beschrieben und zahlreiche Ver- und Gebote ausführlich dargelegt hat, endet er: Wie gefällt Dir mein junger Freund dieß Bild menschlicher Selbstverläugnung? – du zitterst? – gut! – deinem zarten Gefühle ist dieß natürlich, indem du hier ein Beyspiel von zu weit getriebener Bekämpfung menschlicher Begierden siehest. Sey aber weise, halte die goldne Mittelstraße, und sey stets über Deine Begierden ein strenger, aber vernünftiger Herr. Du fragst mich woher? warum? wozu das alles? Warum thun dieß die Leute? – Die Vorstellungen von Gott, und der Art ihn zu verehren, sind von jeher sehr – sehr verschieden gewesen. Daher die Leute die Jahre lang auf einer hohen Säule auf einem Beine standen, stets in stiller Betrachtung und Gebet, daher Einsiedler, die sich der menschlichen Gesellschaft entzogen, daher Mönche in ihren Klostermauern, daher bey wilden indischen Nationen Verehrung des Feuers, der Sonne, des Monds und Menschenopfer; daher Verehrung Gottes in Wäldern, auf Bergen, in Tempeln, in tiefen Gängen unter der Erde; daher Verehrung Gottes durch Verfolgung und Kriege, und Morden und Verbrennen; und endlich dahero Verehrung Gottes durch kindliche Liebe und Vertrauen gegen ihn, und Thätigkeit und Liebe für den Nebenmenschen.254

Auch wenn diese Erläuterung des Vaters eine klare Bewertung des mönchischen Lebensstils enthielt, deutete die anschließende relativierende Aufzählung verschiedener religiöser Traditionen doch zumindest eine Existenzberechtigung unterschiedlicher Frömmigkeitspraxen an. Dennoch steht an der Spitze der vom Vater beschriebenen Arten der Gottesverehrung die protestantische (sola gratia) und aufgeklärte (Sittlichkeit) Form. Und so kann es sich der Autor nicht verkneifen, die Unzeitmäßigkeit und scheinbare Überkommenheit der Lebensform der Kartäuser abschließend bildhaft zu umreißen, indem er auf die Aufhebung der Mainzer Kartause 1781 durch Friedrich Karl von Erthal hinwies:

253 Siehe: Salzmann, Reisen, Bd. 4, S. 208. 254 Siehe: ebd, S. 211.

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Ueber dem Eingange stehen drey Statuen mit den drey simplen Unterschriften Fundavit – Rigavit – Protexit. Aus dem Sinne dieser Wörter wird man leicht schließen, daß die Bildsäulen Personen vorstellen, die sich um das Kloster verdient machten. Da jetzt das Kloster aufgehoben und alle Kartheuser aus demselben entlassen sind, so fehlt nichts mehr als noch eine vierte Bildsäule mit der Ueberschrift Destruxit.255

Ein weiterer Reisebericht aus der Rheingegend, der sich dezidiert an jugendliche Leser wendet, stammt von dem hessischen Schuldirektor P. Chun. Was ich hier liefere, ist das Resultat der Bemerkungen, welche ich meine Zöglinge auf einer kleinen Reise sammeln ließ, die ich mit ihnen über Höchst, Mainz und Biberich in die Bäder Wißbaden und Langenschwalbach unternahm; um eines Theils ihren Körper durch die Beschwerlichkeiten der Reise ein wenig abzuhärten, andern Theils aber auch ihnen eine Anleitung zu der so nöthigen Welt- und Menschenkenntniß zu geben... Ein schlichter, gerader Menschensinn, Scharfsicht und Beobachtungsgeist, mit einem richtigen Gefühle fürs Gute und Böse, Schöne und Lächerliche – dies sind die Züge, die meine jungen Reisenden karakterisieren sollten.256

Bestandteil dieser Unterweisungen in die Welt- und Menschenkenntnis ist unter anderem das Tätigen von physiognomischen Beobachtungen im Lavaterschen Sinne und diese konfessionell auch zu deuten.257 So glaubte er bei den Mainzer Bürgern einen „höhnischen Nationalzug“258 in deren Gesichtsbildung zu erkennen und schloß auch aus dem gesamten Stadtbild wenig Positives über deren Einwohner: Die Häuser sind größtentheils schlecht gebaut, und die Straßen eng und finster; die einzige Bleich ausgenommen, welche eine sehr breite, lange und schöne Straße ist, aber so todte, so menschenleer, dass man daraus auf die Bevölkerung von Mainz einen sehr nachtheiligen Schluß ziehen kann.259

Auch in Bezug auf den Stand der Aufklärung sind Chuns Einschätzungen wesentlich negativer als diejenigen, zu denen Joachim Heinrich Campe fünf Jahre zuvor in Mainz gekommen war. Zwar bemerkte auch er die betont aufgeklärte Politik des hiesigen Erzbischofs:

255 Siehe: ebd, S. 212. 256 Siehe: Chun, Reise, Bemerkung im Vorwort. 257 Hierzu auch Manuel Frey, Toleranz und Selektion. Konfessionelle Signaturen zwischen 1770 und 1830, in: Olaf Blaschke (Hrsg.), Konfessionen im Konflikt. Deutschland zwischen 1800 und 1970: ein zweites konfessionelles Zeitalter, Göttingen 2002, S. 113–153, hier S. 142. 258 Siehe: Chun, Reise, S. 27. 259 Siehe: ebd., S. 12.

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Der Kurfürst selbst denkt sehr aufgeklärt, und bemüht sich unausgesetzt, viele gelehrte und helldenkende Männer – ohne Unterschied der Religion – in seine Dienste zu ziehen. Ja, es war sogar vor einigen Jahren Empfehlung, wenn einer sagen konnte: ich bin Protestant. – Warum aber den Protestanten noch immer keine freie Gottesverehrung in Mainz vergönnt ist, lässt sich mit diesem allen durchaus nicht räumen. Vor einigen Jahren war stark Sprache davon; man wollte in einem eingezogenen Kloster einen Platz zu einer protestantischen Kirche hergeben, jetzt aber ist wieder alles stille. Möchte doch die allgemeine Befremdung, die sich an allen Orten hierüber äußert, recht bald gehoben sein, und die Mainzer der Welt einen sprechenden Beweiß davon geben, wie sehr auch in diesem Stücke wahre Aufklärung und göttliche Dultung ihnen herrsche!!260

Doch neben der mangelnden konfessionellen Toleranz stellt er erhebliche Probleme bei der Umsetzung der kurfürstlichen Reformpolitik in verschiedenen Bereichen fest. In Bezug auf die Universität diagnostiziert er Studentenmangel und Professorenüberschuss und empfiehlt einen Standortwechsel von der Residenzstadt nach Aschaffenburg.261 Zugleich herrsche wenig aufgeklärter Geist in der geistlichen Verwaltung, wie er am Beispiel eines öffentlichen Aushangs am Domportal festmacht: Noch ein merkwürdiges Monument, wiewohl von verschiedener Gattung, bekamen wir am Ausgang eben dieser Kirche zu sehen. Hier war nehmlich auf einer schwarzen Tafel ein öffentliches Edikt des kurfürstl. Vikariats angeschlagen, welches das Buch, Lehre über Katholizismus und katholisches Dogma, als giftige Irrlehre und Ketzerei verdammte, und dasselbe zu lesen, bei schwerer Sünde verbot. ‚O Aufklärung! o philosophisches Jahrhundert!‛ seufzten wir mit Faustin, und verließen die Kirche, um die öffentliche Spaziergänge zu besuchen.262

Zugleich stoße die kurfürstliche Politik insgesamt auf wenig Gegenliebe bei der Bevölkerung, gerade auch bei Reformvorhaben in geistlichen Dingen: 260 Siehe: ebd., S. 19. 261 Siehe: ebd., S. 17: „Die Mainzer Universität ist nicht im blühendsten Zustande. Lehrer die Menge, aber wenig Studierende; und diese kleine Anzahl ist noch dazu nichts weniger als glänzend. Das Ansehen dieser Leute ist größten Theils äußerst ärmlich, welches wohl daher kommt, weil die Universität fast von keinem, ausser Landeskindern besucht wird; und auch von diesen bleibt der wohlhabendere Theil noch gerade nur so lange da, als es nöthig ist, um Brod im Lande zu erhalten: die übrige Zeit bringen sie auf auswärtigen Universitäten zu. Der Kurfürst hat zwar viel gethan, der Universität empor zu helfen; er hat sie mit Professoren überladen: allein das, was er hätte thun sollen, that er gerade nicht: nehmlich, die Universität verlegen. Wäre sie in Aschaffenburg, sie würde sicher besseres Glück machen; aber in Residenzstädten scheinen nun einmal die Universitäten nicht zu gedeihen. Die Universität hat eine sehr ansehnliche Bibliothek, die ihr aber wenig nützet. Sie ist aus Mangel des Raumes nicht geordnet – den ganzen Winter über verschlossen, und den Sommer hindurch nur einen Tag offen.“ 262 Siehe: ebd., S. 14.

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In wenig Staaten ist wohl ein Volk unzufriedener als hier. Es klagt laut über üble Finanzverwaltung, über Druck und Auflage, über despotische Strenge. Das neue Gesangbuch – jener unselige Zankapfel so vieler deutscher Provinzen – soll besonders im hiesigen Lande mit einer Strenge eingeführt worden sein, die eine heftige Gährung in den Gemüthern, hauptsächlich der Rheingauer Bauern, verursachte.263

Sprachstil und didaktische Aufbereitung der Informationen sind wenig kindgerecht und weisen einen stark apodiktischen Ton auf, womit die Chunsche Reisebeschreibung sich nur marginal von denen unterscheidet, die sich im gleichen Zeitraum an einen älteren Leserkreis richteten.264 Eine dreibändige, von einem anonymen Autor zwischen 1797 und 1800 veröffentlichte Reisebeschreibung für Kinder griff hingegen wieder eine jugendgerechtere und didaktisch reifere Darstellungsweise auf. In der Reise eines Vaters mit seinen beiden Söhnen durch ganz Deutschland. Ein interessantes, aufklärendes und das Herz veredelndes Lesebuch für deutsche Kinder; zur Kenntniß des Vaterlandes, der weisen Einrichtungen in der Natur, des Schöpfers etc. etc.265 wurden in sehr einfacher Art Fremdwörter und Fachbegriffe bildhaft erklärt. So führte der Autor etwa, nachdem er die Frankfurter Domkirche als katholischen und im gotischen Stil errichteten Kirchenbau präsentiert hatte, aus, was denn Gotik überhaupt sei: Was nun auf die Art mit allerlei dummen, lächerlichen, sinnlosen und unnützen Figuren und Zierrathen gebaut und doch dabei plump und altfränkisch ist, von dem sagt man: das ist nach Gothischem Geschmack gebaut.266

Die Konnotation von katholisch mit altertümlich wurde auch während eines Besuchs der Stadt Worms aufgegriffen. Hier musste der Vater seinen Söhnen erklären, worum genau es sich bei einem Domkapitel handle, und begann seine Erläuterung beinahe märchenhaft:

263 Siehe: ebd., S. 25. 264 Hier ist auch folgende Beschreibung einer Rheinreise einzuordnen, die nicht näher vorgestellt werden soll: Maximilian Stiehl, Reisen der Meywerkschen Zöglinge durch verschiedene Kreise von Teutschland auf einige der vornehmsten Universitäten, Frankfurt am Main und Leipzig 1792. In der recht schmalen Schrift, über deren Autor nichts bekannt ist und die auch in der Sekundärliteratur weitestgehend unerwähnt bleibt, ist allenfalls die Bemerkung der volksfrommen Sitte des Vater Unser-Betens der Rheinschiffer beim Passieren von St. Goar auffällig, was aber vom Autor kommentarlos erwähnt wird. 265 Die drei Bände erschienen unter dem genannten Titel in den Jahren 1797, 1798 und 1800 in Frankfurt am Main. 266 Siehe: Anonym, Reise, Bd. 1, S. 137.

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Es war einmal eine Zeit, wo es noch keine Lutheraner und Reformirte gab; wo noch alles katholisch war.267

Anschließend wußte er ganz sachlich über Geschichte und Aufgaben eines Domkapitels zu berichten. Überhaupt scheint sich der anonyme Autor wieder dem Salzmannschen religiösen Toleranzgedanken verpflichtet zu sehen. Ein Musterbeispiel für gelebte religiöse Toleranz fand die Reisegruppe in Speyer vor: „Den folgenden Tag wurde unsers Freundes Kind, und zwar von einem reformirten Pfarrer, getauft, ungeachtet er selbst lutherisch ist. – ‚Warum, fragte ich, lassen Sie’s denn nicht von einem lutherischen Pfarrer taufen; oder ist keiner hier?‛“ Der Freund antwortet darauf: „O ja, so wie die hiesigen Einwohner theils lutherisch, theils reformirt und theils katholisch sind, so hat auch jeder Theil seinen aparten Pfarrer. Da aber der lutherische Prediger grade nicht wohl war, so schickte er mich zu dem reformirten, denn beide sind die besten Freunde, die sich, ungeachtet jeder eine eigene Religion hat, dennoch christlich lieben.“ Der Vater daraufhin: „Das ist schön!“ Und weiter wußte der Freund zu berichten: „Ist z. B. der Prediger der reformirten krank, so gehen sie zu dem unsrigen in die Kirche, zum Abendmahle, lassen von ihm taufen, die Kranken besuchen u.s.w. und eben so machens auch die Lutheraner in dem Falle, wenn ihr Pfarrer sein Amt nicht verrichten kann. Ist das nicht auch schön?“ Begeistert antwortete der Vater über die wenig orthodoxen Gepflogenheiten in der Pfalz: Recht sehr schön! Wahrlich das muß einem jeden vernünftigen Menschen gefallen, wenn er hört, daß sich die hiesigen Einwohner nicht, wie noch an so vielen Orten, deswegen untereinander hassen, anfeinden und verfolgen, weil der eine eine andere Religion hat, wie der andere; im Gegentheil sich, ihrer Religionsverschiedenheit ungeachtet lieben und untereinander glücklich zu machen suchen!

Der Freund bestätigte daraufhin: Sind wir doch alle Menschen, haben alle einen Gott, welcher jeden als Vater liebt, der gut ist, er mag nun Kaiser oder Bettler, reich oder arm und lutherisch, reformirt oder katholisch oder Jude seyn. Darauf sieht Gott all nicht, sondern auf das, wie jeder gesinnt ist, und was er thut!268

In weiteren ab 1815 erscheinenden Rheinreisebeschreibungen für die Jugend änderte sich der Blickwinkel auf die konfessionellen Verhältnisse, beeinflusst durch die stattgefundene Säkularisation, grundsätzlich. Für die ausschließlich 267 Siehe: ebd., S. 228. 268 Siehe: ebd., S. 214f.

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protestantischen Autoren hatte der Katholizismus an Reiz eingebüßt, sich eingehender mit ihm auseinanderzusetzen. So kann in Rinaldo‘s Reisen durch Deutschland. Ein Unterhaltungsbuch für die Jugend zur Beförderung der Vaterlandskunde der aus einer Hugenottenfamilie stammende Autor, Johann Heinrich Meynier,269 1824 fast nostalgisch bemerken: Von hier bis Boppard hatten sich in früheren Zeiten unzählige Mönche und Nonnen reizende Wohnsitze aufgeschlagen, und noch prangen ihre Klöster, wenn auch gleich zum Theil entvölkert oder von Oekonomen bewohnt, an den Ufern. In der Gegend von Kamp zählte man in der Strecke einer halben Stunde sechs solche Gebäude auf beiden Ufern. Die Frommsiedler schienen bei dem Himmel wieder gut machen zu wollen, was die Raubritter verdorben hatten.270

Deutlicher brachte er dies noch zum Ausdruck, als das Schiff auf der Höhe der alten Koblenzer Kartause vorüberfuhr und er das von dort kommende Schreien und Fluchen preußischer Soldaten mit dem Wohlklang des nicht mehr zu hörenden Mönchsgesangs verglich.271 Romantische und nationale Aspekte bildeten in der Folgezeit die bestimmenden Themenkomplexe. Bei der Beschreibung des Rheingaus spielten nunmehr konfessionelle Aspekte keine Rolle mehr, wie es zu Ende des 18. Jahrhunderts in den meisten Reisebeschreibungen – wie etwa bei der Reise der Chunischen Zöglinge – noch der Fall gewesen war. Vielmehr wurde er nun als „teutsches Paradies“272 dargestellt. Die Hochzeit der philanthropisch inspirierten Jugend-Reiseliteratur war zu diesem Zeitpunkt längst überschritten.273 Die inhaltliche Bewertung dieser Literaturgattung – auch in Bezug auf ihre konfessionelle Betrachtungsweise – ist ambivalent.274 Der aufklärerische Impetus, der sich in möglichst exakter Beschreibung der Wirklichkeit und lehrreicher an der Lebenspraxis orientierter Anleitung zum eigenständigen Denken äußerte, beinhaltete selbst ein äußerst apodiktisches, fortschrittsgläubiges und in konfessioneller Hinsicht protestantisches Leitbild. Der Gedanke religiöser Toleranz wird zwar allgemein als Ideal vorgestellt, tatsächlich aber dürfte sich beim jugendlichen Leser nach Lektüre der vorgestellten Werke das Bild vom Katholizismus als unzeitgemäßem, überkommenem und dem Aberglauben verhafteten Bekenntnis verfestigt haben. In der Folge entstehende

269 Vgl. Susanne Strobach-Brillinger, „Meynier, Johann Heinrich“, in: NDB 17 (1994), S. 401–402. 270 Siehe: Johann Heinrich Meynier, Rinaldo‘s Reisen durch Deutschland. Ein Unterhaltungsbuch für die Jugend zur Beförderung der Vaterlandskunde, 2 Bde., Leipzig 1823, hier Bd. 2, S. 133. 271 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 139. 272 Siehe: Boclo, Fussreise, S. 284. 273 Vgl. Tenorth, Geschichte, S. 115–120. 274 Hierzu ausführlicher Panzer, Reisebeschreibung, S. 310f.

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Jugendliteratur, die sich des Motivs der Rheinfahrt bediente, konnte oder wollte dem umfassenden aufklärerischen Anspruch, der am Ende des 18. Jahrhunderts gepflegt wurde, nicht gerecht werden und nutzte das Rheinsujet zu Gedichten, Gesängen oder Sagensammlungen für die Jugend.275 Konfessionelle Aspekte spielten hier keine Rolle mehr.

3.6 Ökonomische Aspekte: Wirtschaft und Lebenswandel Carlo Antonio di Tassulo Pilati276 bilanzierte 1776 rückblickend auf seine letztendlich erzwungene Reise durch verschiedene Länder Europas bezüglich seiner Beobachtungen zur unterschiedlichen Entwicklung der Wirtschaft: Je vu, de mes propres yeux, que les états gouvernés par des princes ecclésiastiques, sont les plus misérables de toute l’Allemagne: point de commerce, point de manufactures, point d’industries: l’agriculture y est presque nulle; la population y languit; les chemins publics y sont affreux; les villages y sont rares & petits, & les forêts pour les chasses de leurs Altesses fréquentes et immenses.277

Pilati fand auf seiner Reise somit bestätigt, was er bereits einige Jahre zuvor in einer aufgeklärten und gegen die Privilegien der katholischen Kirche gerichteten Kampfschrift, die rasch auch ins Deutsche übersetzt worden war, angemahnt hatte:278 Der Einfluss der katholischen Kirche – namentlich ihres Klerus – besaß demnach für die Entwicklung der jeweiligen Volkswirtschaft ausschließlich Nachteile, die schon bei oberflächlicher Betrachtung ins Auge fallen mussten. Seinen scheinbar empirisch untermauerten Reflexionen über das Verhältnis von Staat und Kirche schob Pilati einen romanhaften Prolog vor, in dem in einer Fabel der negative Einfluss kirchlicher Akteure auf das gesellschaftliche Zusammenle-

275 Beispiele wären etwa Die Rheinfahrt. Ein didactisches Gedicht, Frankfurt 1824 von Johann Gerhard Distling oder Die graue Führerin junger Pilger und Pilgerinnen durch die Thäler und über die Berge des Rheingaus. Der Jugend gewidmet, Nürnberg 1835 von Lina Reinhardt (Pseudonym für Friederike Reinhardt). 276 Vgl. Eberhard Kaus, „Pilati, Carlo Antonio“, in: Bio-Bibliographisches Kirchenlexikon 31, Nordhausen 2010, Sp. 1072–1077; Renato Gaeta, Carlo Antonio Pilati dalle esperienze culturali europee al riformismo trentino (1760–1802), Venedig 1995. 277 Siehe: Carlo Antonio di Tassulo Pilati, Voyages en differens pays de l’Europe en 1774, 1775 & 1776, Bd. 1, S. 35. 278 Siehe: ders., Reflexionen eines Italiäners über die Kirche überhaupt, über die regulare und seculare Geistlichkeit, über die Bischöfe und Römischen Päpste, und über die kirchlichen Rechtsamen der Fürsten: Aus dem Italiänischen übersetzt, Freyburg 1768.



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ben als eine Art Anti-Utopie präsentiert wird.279 Anhand des fiktiven Königreichs Cumba, gelegen „zwischen dem Kaiserthum China und dem Brasilisch-Portugiesischen Königreiche“, schilderte Pilati die Entwicklung einer archaischen, aber freien Gesellschaft, die durch das Eintreffen von christlichen Missionaren – namentlich Jesuiten, Franziskanern und Dominikanern – in einen raschen Degenerationsprozess geriet, da die fremden Eindringlinge auf Basis ihrer Religion und durch Betrug und List die alte Gesellschaftsordnung umstießen. Die Folge ist eine allgemeine gesellschaftliche Fehlentwicklung, die das Volk moralisch verdirbt, wirtschaftlich eine kleine Kaste von Besitzenden schafft, zu der natürlich hauptsächlich die Ordensgeistlichen gehören, und das gesamte Land vorsätzlich ruiniert – geistliche Heuschrecken, wenn man so will! –. Auf den rund 500 folgenden Seiten führte Pilati sodann auf der Basis historischer, juristischer und empirischer Betrachtungen aus, dass die Fabel von Cumba nichts anderes sei als eine Diagnose der Zustände in den katholisch dominierten Ländern seiner Zeit. Und beim Blick auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse im Reichsgebiet fällt ihm die Bedeutung der unterschiedlichen Konfessionen noch verstärkt auf, denn die Protestanten waren „beynahe alle reich, die Catholiken hingegen beynahe durchweg arm.“280 Pilatis Text reiht sich ein in eine Vielzahl von Denk- und Preisschriften, in denen in den letzten vier Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts verstärkt dem Sachverhalt nachgegangen wurde, warum offenbar die Wirtschaft in protestantischen Gebieten soviel effektiver und nach den Gesichtspunkten der Kameralistik staatsdienlicher funktionierte als in katholischen. Vier Jahre nach Pilatis „Reflexionen“ war auf dem deutschen Buchmarkt aus der Feder eines Autors, der unter dem programmatischen Pseudonym Christian Friedrich Menschenfreund firmierte,281 eine polemische Schrift mit dem Titel Warum ist der Wohlstand der protestantischen Länder so gar viel größer als der katholischen?282 erschienen. Symptomatisch für die allgemeine, auch unter aufgeklärten Katholiken verbreitete Kritik an der Wirtschaftspolitik der geistlichen Staaten war schließlich die 1785 im Journal von und für Deutschland – herausgegeben von dem freisinnigen Fuldaer Geistlichen Philipp Anton von Bibra – gestellte Preisfrage in Bezug auf die geistlichen Staaten: „Welches sind also die

279 Die Nachrichten vom Königreiche Cumba finden sich auf den Seiten 3 bis 31. 280 Siehe: ebd., S. 80. 281 Zur Debatte um den möglichen Autor vgl. Paul Münch, Die Kosten der Frömmigkeit. Katholizismus und Protestantismus im Visier von Kameralismus und Aufklärung, in: Hansgeorg Molitor/ Heribert Smolinsky (Hgg.), Volksfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit, Münster 1994, S. 107–119, hier S. 107. 282 Siehe: Christian Friedrich Menschenfreund, Warum ist der Wohlstand der protestantischen Länder so gar viel größer als der katholischen?, Salzburg und Freisingen 1772.

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eigentlichen Mängel, und wie sind solche zu heben?“283 Den Preis gewann der Göttingen-wallersteinsche Hof- und Regierungsrat Joseph von Sartori, der als Hauptproblem deren Status als Wahlfürstentum ausmachte, der verhindere, dass eine kontinuierliche Politik zum Wohle des Landes etabliert werden könne.284 Die wirtschaftstheoretischen Debatten im 18. Jahrhundert drehten sich also bereits lange vor Max Webers berühmten Thesen um den Zusammenhang von religiösem Bekenntnis und Wirtschaft.285 Doch neben dem von Sartori monierten Mangel der Wahlmonarchie wurden in der zeitgenössischen Debatte weitere altbekannte Vorbehalte gegen den Katholizismus als Ursache für dessen wirtschaftliche Rückständigkeit hervorgekehrt: der Geldfluss nach Rom, das „tote“ Vermögen der Klöster und Stifte, die Kosten der katholischen Frömmigkeit insgesamt und deren unheilvolle Auswirkungen auf die (Arbeits-)Moral der Bevölkerung. „Kameralistischer Utilitarismus und aufklärerische Rationalität berechneten buchhalterisch die Kosten der Frömmigkeit, politische Arithmetik und Statistik bilanzierten auf Heller und Pfennig, auf Stunde und Minute die Geld- und Zeitverschwendung katholischer Religiosität.“286 Inspiriert durch diesen an den Universitäten und durch die aufgeklärten Journale entfachten Diskurs entwickelte sich beim Blick auf die verschiedenen Konfessionen auch im Medium der Reiseliteratur der innere Zusammenhang zwischen Konfession und wirtschaftlichem Handeln zu einer eigenen Beurteilungskategorie der konfessionellen Differenz.287 Friedrich Nicolai benutzte die aufgeworfenen Argumente mit großer Dankbarkeit, um in seiner „Beschreibung“ das rückständige, weil katholische Süddeutschland gegenüber dem modernen, weil protestantisch geprägten Nord283 Siehe: Journal von und für Deutschland 2 (1785), 7. Stück, S. 552. 284 Gedruckt in: Journal von und für Deutschland 4 (1787), 1. Stück, S. 121–163. Ausführlich zum Preisausschreiben: Peter Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung im Urteil der zeitgenössischen Publizistik, Lübeck 1966, S. 9–47. Weitaus radikaler präsentierte sich der Beitrag des Konvertiten Andreas Joseph Schnaubert, der als Professor für Kirchenrecht in Jena wirkte. Er vertrat den Standpunkt, dass eine Lösung der wirtschaftlichen Probleme der geistlichen Staaten am besten mittels einer Säkularisierung durch den Reichstag auf der Grundlage des Reichsrechts geschehen sollte. Schnaubert stammte aus Bingen am Rhein, trat 1767 in das Mainzer Priesterseminar ein, das er 1776 Richtung Gießen verließ, wo er zur evangelisch-reformierten Kirche übertrat. Ab 1785 lehrte er in Jena Staats-, Lehen- und Kirchenrecht. Vgl. Johann August Ritter von Eisenhart, „Schnaubert, Andreas Joseph“, in: ADB 32 (1891), S. 83–84. 285 Vgl. Münch, Kosten, S. 107. 286 Vgl. ebd., S. 108. 287 Für die Schweiz ist dies bereits sehr gut erforscht, vgl. Hersche, Muße, Bd. 1, S. 446–451. Ein diesbezüglicher Blick auf das Bergische Land bei: Jürgen Reulecke, Indolenz und Fortschritt. Konfessionalität im Bergischen Land in Reiseberichten um 1800, in: Joachim Bahlcke/Karen Lambrecht/Hans-Christian Maner (Hgg.), Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Leipzig 2006, S. 649–660.



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deutschland auch in dieser Hinsicht klar voneinander abgrenzen zu können.288 In einer Verschmelzung von religiösen, moralischen, ästhetischen, sozialen und schließlich ökonomischen Kategorien wurde von Nicolai für den Katholizismus ein Hang zum „Müßiggang“ und zu Immoralität konstatiert, der seine Anhänger in den Augen des aufgeklärten Protestanten zu einer „Klasse der Unbürger“289 werden ließ. Die Beschreibung der als katholisch zuzuordnenden Missstände geschah nicht zum Zweck, Optionen für eine Art von Entwicklungshilfe zu kreieren, sondern vornehmlich als empirisch belegbare Bestätigung der eigenen ethischen Maximen. Die katholische Frömmigkeit wurde nun also nicht mehr nur aus inhaltlich-religiösen Gründen heraus in vielen Bereichen in Frage gestellt, auch auf Basis der kameralistischen Mittel- und Zeitökonomie wurde sie plötzlich – auch durch innerkirchliche Reformer – ganz neu als ein Anachronismus beurteilt.290 Ob es sich bei der diagnostizierten katholischen Rückständigkeit um eine intendierte handelte, wie Peter Hersche formulierte, und damit um ein konfessionell bedingtes Gegenmodell zum Projekt der durch die Aufklärung angestrebten Moderne, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden.291 Vielmehr soll das ganze Spektrum an Argumenten und Positionen ausgebreitet werden, das im Medium der Reiseliteratur am Beispiel der Rheinreise diesbezüglich entwickelt wurde. Der erste, der sich einer solchen Betrachtungsweise im Bereich der Rheinreise bediente, war der schwedische Forschungsreisende und Orientalist Jakob Jonas Björnstahl, der 1774 die Herrnhuter Gemeine in Neuwied besuchte und hier explizit die pietistische Form innerweltlicher Askese mit dem katholischen Mönchtum kontrastierte: Den 6. Julius besahen wir das herrnhuthsche Brüderhaus. Man kann es wie ein von lauter arbeitsamen Leuten, nützlichen Mitbürgern, nicht aber, wie bey den Römischkatholischen, von Müssiggängern und geistlichen Tagdieben, bewohntes Kloster ansehen.292

Auch der in Diensten des Kölner Erzbischofs Maximilian Franz stehende kurfürstliche Artillerie-Lieutenant und Kabinettszeichner Karl Dupuis thematisierte 1789

288 Vgl. Borutta, Antikatholizismus, S. 51–53. 289 Vgl. ebd., S. 51. 290 Vgl. Münch, Kosten, S. 117; Borutta, Antikatholizismus, S. 56. 291 Hierzu vor allem: Peter Hersche, Intendierte Rückständigkeit: Zur Charakteristik des geistlichen Staates im Alten Reich, in: Georg Schmidt (Hrsg.), Stände und Gesellschaft im Alten Reich, Wiesbaden 1989, S. 133–149; ders., Wider „Müßiggang“ und „Ausschweifung“. Feiertage und ihre Reduktion im katholischen Europa, namentlich im deutschsprachigen Raum zwischen 1750 und 1800, in: Innsbrucker Historische Studien 12/13 (1990), S. 97–122. 292 Siehe: Jakob Jonas Björnstahl, Jakob Jonas Björnstahls Briefe aus seinen ausländischen Reisen, 6 Bde., Leipzig 1777–1783, hier Bd. 5 (1782), S. 313.

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in den seinem Dienstherrn gewidmeten Malerischen Aussichten die Prosperität Neuwieds, die so sehr im Kontrast zu ihrer direkten rheinischen Umgebung zu stehen schien: Wunderbar! Andernach in der schönsten, in der für die Handlung bequemsten Gegend gelegene Stadt bleibt unthätig, finster; und Neuwied, das weder einen Zoll, weder die Oeffentlichkeit der Strasse hat, blüht, wird herrlich durch Häuser von angenehmer Bauart geziert, und dies im Angesicht der Andernacher, im Angesicht der Churfürsten von Trier und von Köln! welcher sonderbarer Contrast! Woher kommt dieser Unterschied? ist es die Religionsduldung, ist es der schöpferische Geist des Fürsten Alexanders von Neuwied? laßt uns den Vorhang aufziehen! In der Welt, wo Philosophie ihre Fittige erhebt, können wir mit Grunde Wahrheiten rügen, die die Menschheit bessern können. Die Religion hat die Inwohner unseres Deutschlandes entzweyt. Ein Deutscher war des andern sein Feind, weil ihm der Theolog, der Pfarrer gesagt hatte, daß es Gottes Wille seye, sein Feind zu seyn. Viele Kaiser beweinten die Wirkungen dieses Enthusiasmus – Allein so war es einmal, und so mußte es seyn. Nun kam Joseph der Zweite – ach er war die Erwartung der rechtschaffenen, der Edelgesinnten – zerbrach die eisernen Bande des Fanatismus, machte Gesetze der Duldung, und schon nennt der Katholik einen Protestanten – seinen Bruder, seinen deutschen Landsmann. Die deutsche Gutherzigkeit ergießt ihre Wonne unter dem Volke, und deutsche Vereinigung triumphiert.293

Die Stimme Dupuis ist eine der wenigen aus dem Kreis des aufgeklärten Katholizismus, die sich des Mediums der Reiseliteratur bemühte, um in gänzlich unpolemischer Weise unter anderem ökonomischen Reformbedarf in den geistlichen Staaten zu konstatieren. Sie und die durch sie zum Ausdruck gebrachte Hoffnung auf ein durch Kaiser Joseph II., den Bruder seines Dienstherrn, inspiriertes irenisches Verhältnis der Konfessionen zueinander fand im intertextuellen Diskurs der Reiseberichte allerdings nur geringen Niederschlag. Während Dupuis für die geistlichen Staaten einen merkantilistischen Reformansatz zur Steigerung der Wirtschaftskraft vertrat,294 findet sich an unverhoffter, aber prominenter Stelle ein Lob auf die wirtschaftliche Situation der Krummstablande am Rhein. Der im kurmainzischen Höchst geborene Johann Kaspar Riesbeck, aus dessen Feder 1781 und 1782 bereits die radikal-aufklärerischen Briefe über das Mönchswesen von einem catholischen Pfarrer an einen Freund stammten, veröffentlichte 1783 zunächst anonym in zwei Bänden die Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland an seinen Bruder zu Paris.295 Riesbecks 293 Siehe: Karl Dupuis, Malerische Ansichten aus den merkwürdigsten Gegenden von Niederdeutschland. Neuwied 1789, S. 23. 294 Zu den unterschiedlichen ökonomischen Theorien und ihren Befürwortern in der Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts vgl. Weihrauch, Geschichte, S. 47–56. 295 Eine zweite Auflage erschien bereits 1784 in Zürich, 1787, bzw. 1788 wurden die Briefe ins Englische und Französische übersetzt. Mehrere Neuauflagen untermauern die Bedeutung der



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Reisebeschreibung, die zu den bekanntesten und am weitesten verbreiteten des 18. Jahrhunderts zählte,296 steckt voll scharfer Sozialkritik, die insbesondere adlige Privilegien und die zu hohe Steuerlast des dritten Standes thematisierte. Es finden sich auch zahlreiche polemische Passagen, in denen er an seine zuvor publizierte Kritik am Mönchswesen anknüpfte. Seine positive Bewertung der wirtschaftlichen Verhältnisse in den geistlichen Staaten am Rhein erscheint vor diesem Hintergrund umso erstaunlicher: Allein sosehr man auch in Deutschland gegen die geistlichen Regierungen eingenommen ist, so haben sie doch gewiß auch zu dem blühenden Zustand dieser Gegenden beigetragen. In den drei geistlichen Kurfürstentümern, welche den größten Teil dieses Landstriches ausmachen, weiß man nichts von den gehäuften Auflagen, worunter die Untertanen vieler weltlicher Fürsten Deutschlands seufzen. Diese Fürsten haben die Grenzen der alten Steueranlage sehr wenig überschritten. Man weiß in ihren Landen wenig von der Leibeigenschaft. Die Apanage vieler Prinzen und Prinzessinnen zwingen sie zu keinen Erpressungen. Sie haben kein unmäßiges Militäre und verkaufen ihre Bauernsöhne nicht, und sie haben an den innern und äußern Kriegen Deutschlands nie so viel Teil genommen als die weltlichen Fürsten. Wenn sie gleich nicht so geschickt sind, ihre Untertanen zum Kunstfleiß aufzumuntern, so ist doch der mannigfaltige Landbau in ihrem Gebiete auf einen sehr hohen Grad von Vollkommenheit gekommen.297

Riesbeck, der seine Schulausbildung bei Antonitern erhalten und 1768 zunächst ein Theologiestudium in Mainz aufgenommen hatte,298 besaß als Einheimischer eine andere Perspektive auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse und ihrer konkreten Auswirkungen auf den Lebensalltag der Menschen. Dem Durchreisenden, und darum handelte es sich bei der Mehrzahl der Reiseschriftsteller, blieben diese Erfahrungswerte jedoch verwehrt, und somit konnten die mitgebrachten Anschauungen und Vorurteile anhand oberflächlicher Betrachtung bestätigt gefunden werden. Die einfach gestrickte Polarisierung zwischen dem fleißigen, sparsamen und wirtschaftlich erfolgreichen Protestanten und dem müßiggängerischen Katholiken, die im einflussreichen Werk von Friedrich Nicolai zum kulturellen UnterRiesbeckschen Schriften als Quelle. Zum allergrößten Teil beruhen die Beschreibungen Riesbecks jedoch nicht auf eigenen Reiseerfahrungen – das Rheinland ausgenommen. Er kompilierte aus anderen Werken und integrierte dies in sein Werk, vgl. Schmidt, Heimat, S. 413. Neuerdings gibt es eine opulente Neuedition der Briefe in der von Hans Magnus Enzensberger begründeten „Anderen Bibliothek“. Herausgeber der 2014 in Berlin erschienenen, mit zahlreichen Abbildungen und einem Nachwort von Wolfgang Griep versehenen Ausgabe ist Christian Döring. 296 Vgl. Neutsch, Reisen, S. 363. 297 Siehe: Riesbeck, Briefe, Bd. 2, S. 349f. 298 Zu seiner Biographie: Rudolf Schäfer, Johann Kaspar Riesbeck, der „reisende Franzose“ aus Höchst. Sein Leben, sein Werk und seine Zeit, Höchst 21971.

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scheidungsmerkmal zwischen Nord- und Süddeutschland erhoben worden war, dominierte die Darstellung der meisten Rheinreiseberichte in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. So schilderte der in Berlin tätige Jurist Josef Aloys Mercy seine ökonomische Grenzerfahrung beim Übertritt von der Pfalz ins Kurfürstentum Mainz 1790 am Beispiel des offensichtlich konfessionell bedingt unterschiedlichen Schlafverhaltens der Bauern: Selbst ein katholischer Domherr erkannte den Wohlstand, mit welchem die weltlichen Staaten vor den geistlichen in Deutschland gesegnet sind, und setzte zur Untersuchung der Ursachen einen Preis aus: dieser Vorzug entging auch meinen flüchtigen Blicken nicht in der Pfalz und dem benachbarten Churfürstenthume Maynz; es herrscht dort sichtbar mehr Industrie, als an den entgegen gesetzten Rheinufern der geistlichen Staaten. Sonst war ich immer der Meinung, je gelinder der Landmann gehalten wäre, und je weniger Abgaben er zu entrichten hätte, desto mehr erweitere sich sein Wirkungskreis; ich fand aber das Gegentheil bei dem Maynzischen Unterthan, und ohne Vergleich mehr Thätigkeit bei dem Pfälzer, dem Druck und Abgaben das Leben viel saurer machen. Zur Zeit, wo noch die Feyertage der Kirche dem katholischen Bauer die Hälfte des Jahres wegnahmen, mußte der lutherische und refomirte Nachbar ganz natürlich mit seiner Haus- und Landwirthschaft schneller und besser vordringen. Schleicht man des Morgens frühe durch diese Gegenden, so wette ich darauf, daß der Bauer, der schon zwischen 4 und 5 Uhr an die Arbeit geht, kein Katholik, jener aber, der erst um 7 Uhr seinen Fensterladen eröffnet, ganz gewiß ein Katholik ist; betet nun dieser noch allemahl seinen Rosenkranz? oder laßen jenen die Nahrungssorgen nicht länger ruhen? welcher von beiden hält mehr auf Mitwirkung der Gnade des Schöpfers?299

Der königlich-preußische Kriegs-, Domainen,- und Forstrath und Mit-Director der oekonomischen Gesellschaft zu Verbesserung der Oekonomie Christian Friedrich Meyer durchstreifte 1794 mit dezidiert ökonomisch-wissenschaftlichem Interesse das Rheinland. Seine Zustandsbeschreibung der freien Stadt Köln erinnert stark an die Anti-Utopie des Königreichs Cumba, die von Carlo Antonio Pilati gezeichnet worden war. Das Vokabular, das Meyer benutzte, um die Ursachen für die ökonomischen Mißstände Kölns und den Wohlstand im Bergischen Land zu beschreiben, ist bemerkenswert. Die Rede von der „arbeitsamen Classe“ und den katholischen „Raubbienen“ erscheint in ihrer radikalen Tonart fast als Vorwegnahme sozialer und wirtschaftlicher Anschauungen des 19. und 20. Jahrhunderts: In Cöln erhält sich zwar die Handlung wegen der vortrefflichen Wasserlage, weil die ganze Stadt längst dem Rhein gebauet worden, vorzüglich, indem viele reiche und große Handlungshäuser ihren Stapel und Wohnsitz dort haben, woher es denn auch kommt, daß selten

299 Siehe: Joseph Alois Mercy, Reise einer Französischen Emigrantin durch die Rhein-Gegenden in Briefen an einen Deutschen Domherrn. Als Nebenstück von Forsters Ansichten. Herausgegeben von Erduin Julius Koch, Prediger an der Marien-Kirche zu Berlin, Berlin 1793, S. 100. Mercy veröffentlichte unter dem Pseudonym Erduin Julius Koch.



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unter hundert Schiffen mit Kaufmannsgüter vor Anker liegen: Allein das macht den Ort noch nicht glücklich, so lange ich auf den Straßen nur Schaaren von zerlumpten Bettlern herumschleichen sehe, welche ein Gewerbe daraus machen, und als bloße Erdenlasten zu betrachten sind. So oft ich hingegen in das Bergische Land komme, freue ich mich mit herzlichem Genuß am Anblick des gemeinen Mannes, der durchgehends geschäftig und reinlich gut gekleidet ist. Dieser Arbeitsame ist daher viel sittlicher, gesunder und glücklicher als der Müßiggänger in Cöln, wo dieser nur ein blindes Thier um so gefährlicher wird, je sistematischer der Müßiggang betrieben wird, indem an den Kirchenthüren bestimmten Bettelplätzen als ein Heyrathsgut Töchtern hinterlassen werden. Ist es denn also wol Wunder, daß diese zahlreichen Banden von sitten- und gewissenlosen Bettlern auf Kosten der arbeitsamen Classe leben, und übrigens durch die Geistlichkeit in allem den Ton angeben, indem dieses ihr Werkzeug ausführen muß, was ihre kurzsichtigen, sinnlichen, ränkevollen und herrschsüchtigen Führer, welche in alle Orden eingekleidet sind, ihren Absichten gemäß für gut finden, daß also diese Bettelrotten derselben Miliz abgeben, welche für sparsame Spenden gleichsam in ihrem Solde gehalten werden, und eben daher kann man es sich auch leicht erklären, wer den Pöbel vor einigen Jahren gereizt hat, sich der Erbauung eines protestantischen Gotteshauses zu widersetzen, eben daher kann man auch begreifen, daß alle Aufklärung unterdrückt wird, eben daher kann man endlich auch einsehen, daß alle Einrichtungen zur Verbesserung der Industrie, der Gewerbe und des ganzen städtischen Wohlstandes gleich in ihrer ersten Entstehung wiederum hintertrieben und unterdrückt werden, und so wie das sicherste Zeichen eines zerrütteten schlecht eingerichteten Staabs darin zu finden, wenn er eine große Menge Müßiggänger ernährt, indem der Fleißige, der die Früchte seines sauern Schweißes mit diesen sittenlosen Raubbienen theilen muß...300

300 Siehe: Christian Friedrich Meyer, Ansichten einer Reise durch das Clevische und einen Theil des Holländischen über Crefeld, Düsseldorff und Elberfeld, mit einigen dabei angestellten ökonomischen Betrachtungen, im Jahr 1794. Nebst einer zweiten ökonomischen Bereisung der Rheingegenden von Wesel bis Coblenz, im Juni 1794. von Christian Friedrich Meyer, Königl. Preuß. Kriegs- Domainen- und Forstrath, Mit-Director der ökonomischen Gesellschaft zu Verbesserung der Oekonomie, [...] [Nebentitel:] Eine zweite Oekonomische Bereisung der Rheingegenden von Wesel bis Coblenz. Im Juni 1794, Düsseldorf 1797, S. 96. Schon 1790 stellte Georg Forster bei seinem Besuch in Köln den Zusammenhang zwischen systematischem Müßiggang und der angeblichen Herrschaft des Klerus fest, der sich des „Pöbels“ als nützliche Miliz bediene. Die Ähnlichkeit der Texte läßt eine literarische Abhängigkeit vermuten. Siehe: Forster, Ansichten, S. 60: „Wer begreift nicht, daß die zahlreiche Bande von sitten- und gewissenlosen Bettlern, die auf Kosten der arbeitenden Klasse leben, hier den Ton angeben muß? Allein, da sie träge, unwissend und abergläubisch ist, wird sie ein Werkzeug in der Hand ihrer theils kurzsichtigen, sinnlichen, theils ränkevollen herrschbegierigen Führer. Die Geistlichen aller Orden, die hier auf allen Wegen wimmeln, und deren ungeheure Menge auf einen Reisenden immer einen unangenehmen Eindruck macht, könnten zur Moralität dieser rohen, ungezügelten Menge auf das heilsamste wirken, könnten sie zum Fleiß, zur Ordnung anführen, und ihnen billige Gesinnungen gegen ihre anders denkenden Mitbürger, ein Gefühl von Ehre und Schande, von Eigenthum und Recht einimpfen. Dies und noch weit mehr könnten, sollten sie thun, da sich ihr Stand nur durch diese Verwendung für das gemeine Beste zur Existenz legitimieren kann. Allein sie thun es nicht und – und sind! Die Bettlerrotten sind ihre Miliz, die sie am Seil des schwärzesten Aberglaubens führen, durch kärglich gespendete Lebensmittel in Sold erhalten, und gegen den Magistrat auf-

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Dass es jedoch auch in Köln Katholiken – und zwar keine Kleriker – zu selbstverdientem Wohlstand gebracht hatten und die wirtschaftliche Situation der freien Reichsstadt von weitaus komplexeren Sachverhalten als ausschließlich konfessionellen Streitigkeiten abhing, wurde in der Reiseliteratur nur selten thematisiert.301 Der Privatgelehrte Philip Wilhelm Gercken bildete mit einem differenzierteren Blick auf die Kölner Verhältnisse von 1779 eine Ausnahme.302 Mit der schrittweisen Säkularisation des linken Rheinufers durch die Franzosen nach 1794 änderte sich auch die Sichtweise auf die Bedingtheiten der lokalen wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Ursachen für etwaige ökonomische Missverhältnisse wurden nicht mehr als genuin konfessionell verursacht betrachtet. Gewisse Unterschiede im wirtschaftlichen Handeln der verschiedenen Konfessionen wurden nun auch extrinsisch erklärt. Der Divisionschef der Präfektur des Departements Donnersberg, Ferdinand Bodmann, hatte für die Erstellung eines statistischen Jahrbuchs 1811 zahlreiche wirtschaftliche Daten erhoben, um den Zustand des neuen Teils der Grande Nation exakt zu beschreiben. Für die nunmehr durch ihn empirisch belegten Unterschiede in der Wirtschaftskraft zwischen katholisch und protestantisch geprägten Regionen führte Bodmann rein sozioökonomische Ursachen an: In den protestantischen Gemeinden findet man einen höhern Wohlstand, eine Folge ihres größern Fleißes und ihrer Sparsamkeit. So unbezweifelbar diese Erscheinung auch ist, so wage ich es doch nicht sie der Religion allein zuzuschreiben. Die ehemalige Verfassung, unter welcher die Bewohner dieses Departements lebten, hatte ohne Zweifel einen weit größern Einfluß auf ihre Betriebsamkeit, als der Glaube, zu dem sie sich bekennen; und die Erfahrung bestätigt sich in allen Ländern, daß diejenigen, welche sich zu der am wenigsten begünstigten Religion bekennen, eine angestrengtere Thätigkeit zeigen: es scheint, als suchten sie das gestörte Gleichgewicht durch ihre Arbeitsamkeit wieder herzustellen, und durch den Besitz eines größern Vermögens an Einfluß und Ansehen zu gewinnen, was die Verfassung des Landes ihnen, wegen ihrem Glauben, ungerecht versagt.303

wiegeln, sobald er ihren Absichten zuwider handelt. Es ist wohl niemand so unwissend, daß er noch fragen könnte, wer den Pöbel gereizt habe, sich der Erbauung eines protestantischen Gotteshauses zu widersetzen?“ 301 Zu diesem Fragekomplex vgl. Neutsch, Leben, S. 16f und Abschnitt 4.4 dieser Arbeit. 302 Siehe: Gercken, Reisen, Bd. 3, S. 281: „Man findet in der Stadt ansehnliche Handelshäuser, und viele reiche Leute, und diese ebenfalls nicht allein von Protestanten, deren freilich viele wichtige dort sind, wie z. B. das von Meinershagische Haus, die Herren Bemberge, Schall, Pelletier, Peuchen etc., sondern auch von Katholischen, wovon ich nur die Herren von Franzen, Hamm, Hendrichs, das Drachische, jetzt Metternichische, das Brenngrubersche Comtoir etc. nennen will.“ Zu Gercken vgl. Neutsch, Reisen, S. 360. 303 Siehe: Ferdinand Bodmann, Statistisches Jahrbuch für das Departement vom Donnersberg im Jahr 1811, Mainz 1811, S. 245.



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Dem französischen Blick auf die neuen Landesteile blieben jedoch auch die wirtschaftlichen Folgen von religiösem Brauchtum nicht verborgen, und hiervon fand sich im katholischen Raum deutlich mehr als im evangelischen. Mit einer fast ethnographischen Präzision widmeten sich Beamte des französischen Staatsapparats den Bräuchen und Gepflogenheiten ihrer neuen Mitbürger und dokumentierten deren gesellschaftlichen Entwicklungsstand. Der Jansenist Armond Gaston Camus, seit 1790 Archivar des französischen Nationalarchivs, beobachtete während einer Reise ans linke Rheinufer 1803 ganz genau die dortigen Sitten und Gebräuche. Besonders negativ fiel ihm der Brauch des Kirchweihfestes auf: Hier ist Vereinigung der Menschheit: Gelegenheit, die Menschen und ihre Gewohnheiten zu studiren. Diese Kirmessen sind nicht immer Religionsfeste. Unabhängig von den eigentlichen Kirmessen sind noch die Feste der Kirchenpatronen. Zuweilen hat man die Kirmessen mit diesen Patronenfesten vereinigt..... Wenn die Kirmeß ganz nach alter hergebrachter Weise gefeiert wird, so darf diese Zeit des Müßiggangs nicht weniger als acht Tage dauren, und um die Kosten der Kirmeslustbarkeiten bestreiten zu können, das heißt, um zu trinken und zu rauchen, verkauft der Bauer, wenns seyn muß, sein bestes Kleid und schönstes Hemd.304

Die Kirmesfeier, so bemerkt Camus, ist nicht das Vergnügen einer einzigen Gesellschaftsgruppe, sondern betrifft alle sozialen Schichten und hat für die Wirtschaft des Landes extrem schädliche Konsequenzen: Müssig seyn, eine große Anzahl Bierkrüge auszuleeren, viel Tabak zu verdampfen; das sind die Vergnügen aller derer auf einer Kirmeß, die nicht tanzen: sehr ähnliche Vergnügen mit den gewöhnlichen Zeitvertreiben an langen Abenden. Fast alle Leute, selbst viele von denen, die nicht zum gemeinen Volke gehören, verlassen um die Hälfte des Nachmittags Kabinet, Schreibpult, Handel, Gesellschaft und Familie, um drei Stunden in einer Tabaksgesellschaft zuzubringen, mitten im Tabaksdampf und unter Bierdünsten, und denn gehen sie nach Hause. Zwar nicht immer wie Betrunkene, aber doch in einem Zustande von Dummheit und Schläfrigkeit, der vom Übermaß im Biergenuß und den dicken Dünsten entsteht, die sie eingeathmet haben.305

Im Vergleich zu den aufgeklärten Kritikern des späten 18. Jahrhunderts verzichtete Camus jedoch auf jedwede Polemik und zeigte sich vielmehr tolerant: Ich bestreite diesen Leuten ihr Glück nicht, aber ich bin auch weit entfernt, sie deswegen zu beneiden. Daß sie sich glücklich glauben, dazu wünsche ich ihnen Glück; aber es steht mir auch frei, eine solche Art Glück nicht zu lieben.306

304 Siehe: Camus, Reise, Bd. 1, S. 73. 305 Siehe: ebd., S. 76. 306 Siehe: ebd., S. 78.

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Während zahlreiche Reiseschriftsteller in dieser Zeit fast süffisant feststellten, wie die alten Klostergebäude im linksrheinischen Gebiet nun zum Teil zu Fabrikgebäuden umfunktioniert wurden,307 ist es wiederum ein aus dem Rheinland stammender Berichterstatter, der einen differenzierteren Blick auf die wirtschaftlichen Konsequenzen der französischen Säkularisationsbestrebungen werfen konnte. Der aus einem rheinischen Adelsgeschlecht stammende Staatsmann Kaspar Heinrich von Sierstorpff, tätig unter anderem für den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel und selbst Begründer des Kurbades in Driburg,308 verwies auf das Schicksal der von der Aufhebung betroffenen Geistlichen und Klosterfrauen und machte auf die wirtschaftlichen Folgen für das Handwerk und die Mittellosen aufmerksam: Tausende von Mönchen und Nonnen, und selbst die Stiftsgeistlichen, die ehemals ihre Familien unterstützten, fallen diesen nun grösstentheils wieder zur Last. Denn mit 500 Franz. Livres, welche die grosse Nation jedem Geistlichen, er sey Domherr oder Capuziner, zu zahlen verspricht, werden auch bey wirklicher Zahlung, woran man aus Erfahrung noch sehr zweifelt, nur wenige bey dem kärglichsten Leben auskommen können. Durch diese Aufhebung der geistlichen Stiftungen verliert nun ausserdem noch ein sehr grosser Theil der hiesigen Handwerker und kleinere bürgerliche Familien, die durch sie ihren Unterhalt gewannen; die sehr vielen Armen, die täglich aus den Klöstern ihr Essen erhielten, sind auf einmal, ohne daß man sich im geringsten um sie bekümmert hat, verlassen.309

Die Urteile und Bewertungen zu konfessionell bedingten Unterschieden im wirtschaftlichen Handeln in der Reiseliteratur aus dem Rheinland im 18. und frühen 19. Jahrhundert basierten zum Teil auf empirisch erhobenem Datenmaterial, die Analyse ihrer Ursachen aber oft auf überzeichneten Vorhaltungen gegenüber den geistlichen Staaten und der Unterstellung eines angeblich mangelhaft ausgebildeten Arbeitsethos ihrer Bewohner. Für die Mehrzahl der aufgeklärten Reisenden des 18. Jahrhunderts bildeten das industriöse, da protestantische Norddeutschland, bzw. auf europäischer Ebene Holland und England, den Maßstab für die ökonomische Entwicklung eines modernen Staates.310 Eine Modernisierung jenseits

307 So beispielsweise Philipp Andreas Nemnich, Tagebuch einer der Kultur und Industrie gewidmeten Reise, 8 Theile (in 4 Bänden), Tübingen [ab Bd. 7] u. Stuttgart 1809–1811, hier Bd. 2, S. 243f. 308 Vgl. Richard Heß, „Sierstorpff, Kaspar Heinrich Freiherr v.“, in: ADB 34 (1892), S. 215 f; Frank Kropp/Zoltán Rozsnyay, „Kaspar Heinrich von Sierstorpff“, in: diess. (Hgg.), Niedersächsische Forstliche Biographie (= Mitteilungen aus der Niedersächsischen Landesforstverwaltung, Heft 51), Wolfenbüttel 1998, S. 426–427. 309 Siehe: Kaspar Heinrich von Sierstorpff, Bemerkungen auf einer Reise durch die Niederlande nach Paris im eilften Jahre der grossen Republik, 2 Theile, Hamburg 1804, hier Theil 1, S. 26. 310 Vgl. Borutta, Antikatholizismus, S. 51f; Hersche, Muße, Bd. 1, S. 446–456.





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Abb. 11: Verfestigtes Stereotyp katholischer Frömmigkeit im Reisebericht eines englischen Autors.311

dieses dominierenden Modells galt als nicht vorstellbar,312 und dementsprechend wurde die Wirtschaftsweise der geistlichen Staaten nur auf der Basis von Zahlen und Äußerlichkeiten beurteilt; Stimmen und Meinungen von „Betroffenen“ wurden in der Regel nicht berücksichtigt. Es bleibt unter den Darstellungen von Rheinreisen eine Ausnahme, wenn 1809 der Reiseschriftsteller Philipp Andreas Nemnich einem katholischen Bewohner von Neuwied ein unkommentiert bleibendes Schlusswort für dessen ersten Teilband eines Tagebuchs einer der Kultur und Industrie gewidmeten Reise überließ. Auch wenn dies eventuell nur geschah, um demonstrativ die katholische Naivität in wirtschaftlichen Dingen vorzufüh-

311 Siehe: Edmund Spencer, Skizzen über Deutschland und die Deutschen mit Bemerkungen über Oestreich, Ungarn, Polen und die Schweiz von einem in Deutschland wohnenden Engländer, 2 Bde., Leipzig 1837. Originaltitel: Sketches of Germany and the Germans, with a glance at Poland, Hungary, & Switzerland, 2 Bde., London 1836. 312 Vgl. Hersche, Muße, Bd. 1, S. 450.

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ren, findet sich hier eine sehr fromme Argumentation für das Festhalten an einem katholischen Wirtschafts- und Lebensstil: Das Logis im Braunschweigischen Hof, in Neuwied, fand ich, wegen der Lage am Rhein, sehr angenehm. Hier trat ich reisefertig ans Ufer, um die Wasser-Diligence zu erwarten. Von fern erblickte ich ein großes Fahrzeug, mit vielen Menschen darauf. Ist das die Diligence? frug ich einen neben mir stehenden Mann. ‚Nein, mein Herr, das sind Wallfahrer. Diese kommen dreißig Stunden weit her, und haben noch dreißig Stunden zu machen, ehe sie nach ihrer Bestimmung kommen. Es sind 60 bis 70 Menschen darauf. Mehrere Fahrzeuge sind schon vorangegangen, und noch mehrere werden nachfolgen.‛ Es ist doch wirklich sündlich, war meine Meinung, daß diese Leute gerade um die Erndtezeit Haus und Hof verlassen, um sich einem offenbaren Müßiggang zu ergeben, und den Reichthum, den ihnen die wohltätige Natur bietet, so von sich zu stoßen. ‚Mein Herr,‛ erwiderte verdrießlich der Mann, ‚Er ist nicht auf dem rechten Wege. Arbeiten macht nicht reich. Es ist der Segen des Herrn, der allein reich macht. Diesen muß man erflehen, mit Fasten, Beten, und Wallfahren.‛313

3.7 Die Physiognomie des Menschen In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der Versuch, konfessionelle Unterschiede in Landschaft, Kultur und Mentalität der beschriebenen Menschen zu erkennen, um ein wichtiges Element erweitert: Jetzt widmeten sich zahlreiche Reisende in ihren Berichten auch einer näheren Betrachtung der Physiognomie der Landesbewohner und den hier zu konstatierenden Unterschieden in den verschiedenen bereisten Landstrichen. Nahezu berüchtigt waren die diesbezüglichen Auslassungen des Berliner Literaten Friedrich Nicolai, der in aufklärerischer Pose konfessionelle Stereotypen beschwor, deren extremstes auf katholischer Seite das Feindbild des Jesuiten wurde.314 Auch in Berichten zahlreicher Rheinreisender tauchen Beschreibungen dieser Art auf. Noch im Jahr 1829 schrieb etwa Robert Schumann in einem Brief an seine Mutter über seine diesbezüglichen Beobachtungen auf einer Schiffsreise zwischen Mainz und Koblenz: „Der ganze Strich dieser Gegenden ist katholisch – aber wie anders sind die Katholiken am Rheine als die in Böhmen und Niederbayern! Am Rhein so mild, so menschlich, die Gesichter durch keinen Fanatismus lang und häßlich verzogen, die Augen durch keine Schwärmerei hohl und weiß!” 315 Wie kam es dazu, dass dieser neue Beobachtungsaspekt vor allem in Berichten protestantischer Rheinreisender plötzlich zum Standardrepertoire gehörte 313 Siehe: Nemnich, Tagebuch, Bd. 1 (1809), S. 237f. 314 Vgl. Frey, Toleranz, S. 113–153. 315 Siehe; Clara Schumann, Jugendbriefe von Robert Schumann. Nach den Originalen mitgeteilt, Leipzig 21886, S. 55f, Brief vom 25. Mai 1829.



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und sich dabei an ganz bestimmten Stereotypen orientierte: Finstere Katholiken und Madonnengesichter?316 Hauptverantwortlicher für diese Hinwendung zum Physiognomieren, bei dem Zusammenhänge zwischen physischer Erscheinung und moralischen Eigenschaften eines Menschen hergestellt wurden, war ein Schweizer Theologe, der 1774 den Rhein bereiste: Johann Caspar Lavater317

3.7.1 Die Entwicklung einer konfessionellen Physiognomik „... darnach sprach ich mit der Gräfin von Ostein – eine von sehr natürlich ungenirtem Wesen – richtig, fest, determinirt in ihren Urtheilen – ... Sie ist catolisch; aber man spürte es ihr nicht an. So frey so ohne Vorurtheile, u. dennoch anti voltairisch sprach sie – ...” Tagebuchaufzeichnung des Johann Caspar Lavater, Bad Ems, 2. Juli 1774318

Im Juli 1774 machte sich eine mehrköpfige Reisegruppe von Frankfurt aus auf den Weg entlang der Ufer von Lahn und Rhein, um dort einige unbeschwerte Sommertage zu verbringen. Die drei Hauptprotagonisten der kleinen Gesellschaft erscheinen in Bezug auf ihre Persönlichkeit als sehr ungleiche Reisegenossen, jeder von ihnen aber war angetrieben von rastloser Produktivität und kreativer Energie. Der Jüngste von ihnen, 24 Jahre alt, hatte soeben das bedeutendste literarische Werk des Sturm und Drang abgeschlossen. Der mit seinen 50 Lebensjahren Älteste der Gruppe war im Begriff, im Laufe dieses Jahres eine reformpädagogisch orientierte Lehranstalt als „Pflanzschule der Menschheit” in Dessau zu eröffnen, um hier seine philanthropisch orientierten Erziehungsmethoden, die er bereits hinlänglich theoretisch fundiert hatte, in der Praxis zu bewähren. Der dritte im Bunde, der von seinen Gefährten als eher zurückhaltend und ruhig beschrieben wurde, nutzte die gemeinsame Reise, um weiteren Stoff für eine wissenschaftliche Abhandlung zu sammeln, die ihn bereits seit geraumer Zeit umtrieb und deren ersten von insgesamt vier Bänden er im folgenden Jahr veröffentlichen sollte. Johann Caspar Lavater319 war 32 Jahre alt, als er gemein316 Vgl. Paul Münch, Finstere Katholiken und Madonnengesichter. Anmerkungen zur evangelischen „Religionsphysiognomik”, in: Jens Flemming (Hrsg.), Lesarten der Geschichte. Ländliche Ordnungen und Geschlechterverhältnisse. Festschrift für Heide Wunder, Kassel 2004, S. 240–266. 317 Auszüge dieses Abschnitts wurden bereits veröffentlicht, vgl. Nebgen, Evangelisch-Lutherischen. 318 Siehe: Adolf Bach (Hrsg.), Goethes Rheinreise mit Lavater und Basedow im Sommer 1774. Dokumente, Zürich 1923, S. 47. 319 Zu Lavaters Biographie und Einführung in sein Denken vgl. das grundlegende Werk: Horst Weigelt, Johann Caspar Lavater. Leben, Werk, Wirkung, Göttingen 1991.

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sam mit Johann Wolfgang von Goethe und Johann Bernhard Basedow zwischen Bad Ems, Koblenz, Köln und Düsseldorf mit dem Schiff unterwegs war. Die drei hatten sich in Goethes Elternhaus in Frankfurt zusammengefunden, an ihrer Gesellschaft Gefallen gefunden und nutzten die Gelegenheit für mehrere gemeinsame Ausflüge entlang der nahen Wasserwege.320 Begleitet wurde Lavater von dem Zeichner und Kupferstecher Georg Friedrich Schmoll,321 der für das wissenschaftliche Unterfangen des Schweizer Theologen von großer Bedeutung war. Denn Schmoll sollte die empirische Basis für Lavaters Feldstudien dokumentieren und nach dessen Weisung ausgewählte menschliche Physiognomien zumeist im Profil festhalten.322 Das „physiognomische Genie” Johann Caspar Lavater war nämlich der Überzeugung, aus äußeren Merkmalen einer Person – insbesondere zählten hierzu die Gesichtszüge, aber auch Körperhaltung, Mimik, Gestik, auch die Handschrift wurde in den Blick genommen – in wissenschaftlicher und damit 320 In seinen autobiographischen Betrachtungen „Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit” beschrieb Goethe die Verschiedenheit der drei Charaktere treffend und fasste in einem Knittelvers seine Beobachtungen während der Reise so zusammen: „Und, wie nach Emmaus, weiter ging’s/Mit Sturm- und Feuerschritten:/Prophete rechts, Prophete links,/Das Weltkind in der Mitten.” An anderer Stelle nutzte er die physiognomistische Sichtweise, um seine Mitreisenden weiter zu charakterisieren: „Einen entschiedneren Kontrast konnte man nicht sehen als diese beiden Männer. Schon der Anblick Basedow’s deutete auf das Gegenteil. Wenn Lavaters Gesichtszüge sich dem Beschauenden frei hergaben, so waren die Basedowischen zusammengepackt und wie nach innen gezogen. Lavaters Auge klar und fromm, unter sehr breiten Augenlidern, Basedow’s aber tief im Kopfe, klein, schwarz, scharf, unter struppigen Augenbrauen hervorblinkend, dahingegen Lavaters Stirnknochen von den sanftesten braunen Haarbogen eingefasst erschien. Basedow’s rauhe Stimme, seine schnellen und scharfen Äußerungen, ein gewisses höhnisches Lachen, ein schnelles Herumwerfen des Gesprächs, und was ihn sonst noch bezeichnen mochte, alles war den Eigenschaften und dem Betragen entgegengesetzt, durch die uns Lavater verwöhnt hatte.” Siehe Johann Wolfgang von Goethe, Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, 3. Teil, 14. Buch (= Hamburger Ausgabe, Bd. 10), Hamburg 1959, S. 7–41, hier S. 24. Zur Beziehung Goethe/Lavater: Eduard von der Hellen, Goethes Anteil an Lavaters physiognomischen Studien, Frankfurt 1888. 321 Zur Biographie Schmolls, der seit 1776 mit Lavater verschwägert war, vgl. Ingrid Goritschnig/ Erik Stephan (Hgg.), Johann Caspar Lavater. Die Signatur der Seele, Gera 2001, S. 77. Zu den weiteren Künstlern, die im Auftrag Lavaters arbeiteten, gehörten zum Beispiel Daniel Chodowiecki, Johann Rudolf Schellenberg, Daniel Beyel und Johannes Pfenninger. Große Förderung durch Lavater erhielt Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, vgl. Ingrid Goritschnig, Lavaters auserwählter Künstlerkreis, in: Gerda Mraz/Uwe Schögl (Hgg.), Das Kunstkabinett des Johann Caspar Lavater, Wien 1999, S. 96–109. 322 Die nahezu vollständige Sammlung aller physiognomischen Studienbilder – ein kleiner Teil befindet sich in der Mainzer Martinusbibliothek, der Bibliothek des bischöflichen Priesterseminars – ist heute in der österreichischen Nationalbibliothek in Wien: vgl. Gudrun Swoboda, Die Sammlung Johann Caspar Lavater in Wien. Herkunft – Struktur – Funktion, in: Mraz/Schögl, Kunstkabinett, S. 74–95.



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erlernbarer Manier Schlüsse über das Innere, den Charakter des Betreffenden ziehen zu können. 1772 waren seine Thesen zum ersten Mal ohne seine vorherige Einwilligung durch einen Freund, den königlich-hannoverschen Leibarzt Johann Georg Zimmermann, im Hannoverschen Magazin veröffentlicht worden.323 In der Folge wurde das Physiognomieren zu einer Modewissenschaft in den mondänen Salons und das Anfertigen von Scherenschnitten der Profilansichten zu einem weit verbreiteten Zeitvertreib.324 Auch wenn man es nach dem bisher Gesagten nicht erwarten konnte: Dreh- und Angelpunkt der lavaterschen Thesen war die Religion.325 Lavater hatte die Physiognomik und ihren wissenschaftlichen Anspruch nicht neu erfinden müssen. Vielmehr stand er in einer mehr als zweitausendjährigen Tradition, in der von Hippokrates über Aristoteles und Roger Bacon und vielen weiteren mehr die These vertreten worden war, dass das Äußere der menschlichen Erscheinung Schlüsse über ihr Inneres, das Seelenleben und den moralischen Zustand der jeweils betrachteten Person erlaube.326 Neu an Lavaters Ansatz war die Vorstellung, im Sinne einer physiognomischen Prädestination aus dem Äußeren eines Menschen auch auf dessen Schicksal nach seinem Tode schließen zu können. Das Gottesverhältnis eines Menschen und die davon abhängende Bestimmung für die Existenzform nach dem Ableben sind nach Lavater nämlich bereits im Hier und Jetzt ablesbar. Analog zu der doppelten Prädestination Calvins würde dies den Gläubigen erlauben, bereits zu Lebzeiten Gewissheit über das eigene Schicksal in der „Ewigkeit” zu erlangen. Grundprinzip des lavaterschen Denkens ist die Methode des Analogieschlusses, basierend auf der biblisch ausgesagten Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Seine Methode erklärte er zuerst in mehreren Briefen an besagten Johann Georg Zimmermann, 323 Vgl. Siegfried Frey, Lavater, Lichtenberg and the Suggestive Power of the Human Face, in: Ellis Shookman (Hrsg.), The Faces of Physiognomy: Interdisciplinary Approaches to Johann Caspar Lavater, Colombia 1993, S. 64–103, hier S. 72. 324 Vgl. Ellis Shookman, Wissenschaft, Mode, Wunder. Über die Popularität von Lavaters Physiognomik, in: Karl Pestalozzi/Horst Weigelt (Hgg.), Das Antlitz Gottes im Antlitz des Menschen. Zugänge zu Johann Caspar Lavater, Göttingen 1994 (= Arbeiten zur Geschichte des Pietismus, Bd. 31), S. 243–252. 325 Vgl. Frey, Toleranz, S. 113–153. 326 Hierzu auch Münch, Katholiken, S. 240–266. Allgemein über die Genese physiognomischer Betrachtungsweisen: Claudia Schmölders, Das Vorurteil im Leibe. Eine Einführung in die Physiognomik, Berlin 1995; dies. (Hrsg.), Der exzentrische Blick. Gespräche über Physiognomik, Berlin 1996. Mit der neuen Bewertung von Körperlichkeit in der Vormoderne beschäftigt sich Eva Labouvie, Individuelle Körper. Zur Selbstwahrnehmung „mit Haut und Haar“, in: Richard van Dülmen (Hrsg.), Entdeckung des Ich. Die Geschichte der Individualisierung vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln, u. a. 2001, S. 163–195. Einen reich illustrierten Überblick bietet auch Umberto Eco (Hrsg.), Die Geschichte der Häßlichkeit, München 2007, S. 257–269.

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die er im Laufe des Jahres 1768 verfasste und die schließlich, bedeutend erweitert, zwischen 1775 und 1778 in vier Bänden der Öffentlichkeit in Buchform verfügbar gemacht wurden. Im zweiten Brief vom Juni 1768 erläutert er anhand eines aus heutiger Sicht rassistisch327 zu nennenden Beispiels seine Methode: Die zweyte Quelle nenne ich Analogie; und verstehe darunter die Vergleichung wirklicher Dinge mit möglichen, oder wirkliche mit wirklichen, oder dieser zusammen, mit möglichen und möglichen zusammen; es sey in unsrer Natur oder außer uns. Aus der Betrachtung dieser Möglichkeit ähnlicher Dinge und Situationen entspringen sehr viele Vermuthungen in Absicht auf das zukünftige Leben. Wir bemerken gewisse Verhältnisse zweyer wirklich existierender Dinge, und machen sodann den Schluß, daß ähnliche Verhältnisse zwischen andern ähnlichen Dingen ebenfalls möglich sind. Z. B. der Wilde am Orinoko, der seine Finger nicht zählen, und keinen einzigen Begriff abstrahieren kann, ist so gut ein Mensch, als Leibnitz oder Newton es waren: Indessen verhält sich der Verstand des Wilden zu Leibnitzens oder Newtons seinem, vermuthlich wie Eins zu hunderttausend. Es kann also unter Wesen von derselben Natur ein Unterschied statt haben, wie zwischen Eins und hunderttausend. Ein solcher Unterschied ist also in dem zukünftigen Leben unter Wesen von gleicher Natur auch möglich.328

Eine Vorstellung der zukünftigen, jenseitigen Gestalt des Menschen erhält Lavater wiederum aus biblischen Quellen, die ihm Auskunft über das Aussehen der Seligen und der Engel geben: Endlich läßt uns die Schrift noch Beyspiele und einzelne Züge von der künftigen Seligkeit sehen, die uns theils unmittelbar, theils wieder durch den Weg der Analogie unterrichten. Von dieser Gattung ist die Erscheinung Moses und Elias auf dem Berge Thabor, woraus sich verschiedene Vermuthungen herleiten lassen: z[um] B[eyspiel] daß die Seligen des Himmels eine herrliche Gestalt haben, menschlichen Augen sichtbar und unsichtbar werden können (‚sie erschienen in Herrlichkeit‛), daß sie gewisse Begebenheiten vorhersehen, sich für das interessieren, was zur Ausbreitung der Wahrheit und Tugend abzweket und einander ihre Gedanken mittheilen können...329

Einen besonderen Stellenwert räumt Lavater dem Gedanken der Imitatio Christi ein. War der Begriff bislang im Rahmen der christlichen Tradition vor allem als

327 Zu rassistischen Tendenzen im Werk Lavaters vgl. Bitterli, Wilden, S. 356. 328 Siehe: Johann Caspar Lavater, Aussichten in die Ewigkeit in Briefen an Johann Georg Zimmermann, Zürich 21770, Bd. 1, S. 41f. Eine ausführliche Darstellung zu Inhalt und Genese der „Aussichten in die Ewigkeit“ liefert Peter-Michael Nikolitsch, Diesseits und Jenseits in Johann Caspar Lavaters Werk „Aussichten in die Ewigkeit“ 1768 bis 1774 vor dem Hintergrund seiner religiösen Entwicklung – ein Beitrag zum Christologieverständnis Lavaters, Bonn 1977 (ungedruckte Inauguraldissertation). 329 Siehe: Lavater, Aussichten, Bd. 1, S. 52f.



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eine ethische Maxime begriffen worden,330 so interpretierte Lavater als erster die Imitatio nicht nur als Nachfolge im Lebenswandel, sondern als konkretes Ähnlichwerden des Gläubigen mit der körperlichen Gestalt des Heilands.331 Und dieses Ähnlichwerden des Gläubigen mit Christus beginnt bereits zu dessen Lebzeiten als offenbares Zeichen für ein gottgefälliges Leben.332 In seinen Aussichten in die Ewigkeit hatte Lavater auf der Basis seiner eschatologischen und insbesondere christologischen Betrachtungen den Grundstein für eine Analogielehre gelegt, die es erlauben sollte, mittels äußerer Kennzeichen Rückschlüsse auf das Gottesverhältnis eines Menschen ziehen zu können. In den schon genannten vier voluminösen und aufgrund der zahlreichen Kupfer aufwendig gedruckten Bänden publizierte er unter dem Titel Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe und dem programmatischen Untertitel „Gott schuf den Menschen sich zum Bilde!“ in weitestgehend unsystematischer Reihenfolge seine Interpretationen zu verschiedenen physiognomischen Beispielbildern. Im ersten Band wird in neun kurzen Kapiteln zunächst Grundsätzliches zur Physiognomik erläutert. Dabei versuchte er gezielt, kritische Einwände gegenüber der von ihm als Wissenschaft titulierten Tätigkeit (Fragment VIII: Die Physiognomik, eine Wissenschaft) aus dem Wege zu räumen; dann folgt eine lose Reihe von Beispielen, in denen zunächst das Bild eines menschlichen Gesichts geliefert wird und anschließend eine frei gehaltene Deutung des Autors zu dem, was man aus den Gesichtszügen in Bezug auf den Charakter der betreffenden Person herauslesen könne. Der Titel des neunten Fragments lautet Von der Harmonie der moralischen und körperlichen Schönheit, und idealtypisch werden gleich zu Beginn zwei Portraits aus der Hand von Holbein gegenübergestellt: Judas auf der einen und Christus auf der anderen Seite.

330 Vgl. Hans Jürgen Milchner, Nachfolge Jesu und Imitatio Christi. Die theologische Entfaltung der Nachfolgethematik seit den Anfängen der Christenheit bis in die Zeit der Devotio Moderna – unter besonderer Berücksichtigung religionspädagogischer Ansätze, Münster 2004. 331 Siehe: Lavater, Aussichten, Bd. 1, S. 45f: „Allgemeine deutliche Verheissungen sind die, welche in einer bilderlosen, bestimmten Sprache abgefasst sind, und verschiedene besondre in sich schliessen: Z.B. die von der Unsterblichkeit, vom Aufenthalt bei Jesu, von der Gleichförmigkeit unseres Leibes mit dem Leibe Christi,...“ und weiter „... Ist es z.B. gewiß, daß unser Cörper dem Leibe Christi gleichförmig werden wird, so ist es ebenfalls gewiß, daß er von aller Krankheit frey seyn wird: denn offenbar ist diese besondere Idee in der allgemeinen von der Gleichförmigkeit beyder Cörper enthalten.“ Einfluss auf diese Interpretation Lavaters hatte auch die weit verbreitete Theorie der autosuggestiven Einbildungskraft, derzufolge sich das eigene Aussehen dem eines geliebten oder aber gehassten Wesens annähern könne; hierzu Münch, Katholiken, S. 263. 332 Hierzu Eckhard Leuschner, Der vermessene Christus. Metrologie und Gottesbild bei Lavater, Thorvaldsen, Schadow und Lenz, in: ders. (Hrsg.), Das Bild Gottes in Judentum, Christentum und Islam. Vom Alten Testament bis zum Karikaturenstreit, Petersberg 2009, S. 217–235.

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Von diesem Punkt aus war der Weg zu einer „Religionsphysiognomie“333 bereits vorgegeben; so erscheint am Ende des ersten Bandes der Fragmente das Bildnis eines „Religiosen“, und zwar eines Lavater „genau bekannten Mönchen“.334 Lavaters Charakterisierung des portraitierten Mönchs fiel ganz und gar wohlwollend aus und wurde ergänzt durch verschiedene Informationen, die aus der persönlichen Bekanntschaft der beiden Geistlichen resultierten. Überhaupt verfügte er über ein weit gespanntes Kontaktnetz mit Vertretern der verschiedenen christlichen Konfessionen und hatte diesbezüglich eine durchaus als irenisch zu bezeichnende Haltung entwickelt, die ihm unter anderem eine lang anhaltende Brieffreundschaft mit dem katholischen Theologen und späteren Bischof von Regensburg, Johann Michael Sailer, eingebracht hatte.335 Im dritten Band der Fragmente stellte Lavater dann unter dem Titel Religiöse Physiognomien klare konfessionelle Unterscheidungen an, die an mancher Stelle eine qualitative Wertung der konfessionellen Standpunkte hervorkehren und zum Teil sogar recht gehässige und diffamierende Züge tragen.336 Dies gilt vor allem für die Darstellung des heiligen Vinzenz von Paul, gezeichnet von Johann Heinrich Lips.337 Lavater konstatierte bei dem Portrait „kleinlich mönchische Augen“, „Geist zur Andächteley“, Hang zum Aberglauben und schließlich eine „gemeine Weiblichkeit“. Zur Demonstration dieser femininen Seite des Heiligen wird auf der Folgeseite die Vignette „einer hundertjährigen frommen Jungfrau“ gedruckt, welcher die gleichen Gesichtszüge und zur eindeutigen Identifizierung als Frau ein Häubchen beigegeben wurden (s. Abb. 12 u. 13). Die Fortführung dieser Festlegung konfessioneller Signaturen findet ihren stärksten Ausdruck in der Gegenüberstellung Martin Luthers mit Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens. Während Lavater bei Luther „Festigkeit, That und Kraft in der Nase“338 feststellen will, so sieht er bei Loyola: „Diese Nase 333 Zur erstmaligen Begriffsverwendung in Ergänzung zu einer „Nationalphysiognomie“ bei Friedrich Nicolai vgl. Münch, Katholiken, S. 243 und Frey, Toleranz, S. 128–134. 334 Siehe: Johann Caspar Lavater, Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, 4 Bde., Leipzig/Winterthur 1775–1778, hier Bd. 1, S. 260. 335 Zum Verhältnis Lavaters zu verschiedenen christlichen Strömungen seiner Zeit: Horst Weigelt, Lavater und die Stillen im Lande, Göttingen 1988 (= Arbeiten zur Geschichte des Pietismus, Bd. 25). Speziell zu Lavater und Sailer: Hubert Schiel, Sailer und Lavater. Mit einer Auswahl aus ihrem Briefwechsel, Köln 1928. 336 Siehe: Lavater, Fragmente, Bd. 3, S. 240: „Alle Menschen sind der Religion fähig, weil sie Menschen sind – aber nicht alle desselben Grades von Religion, weil nicht alle Menschengesichter sich gleich sind – Alle Menschen haben dieselben Sinnen und Glieder – aber alle diese Sinnen und Glieder haben doch an jedem Menschen besondere Formen und Zeichnungen. So mit der Religion.“ 337 Zu Lips vgl. den biographischen Eintrag bei Mraz/Schögl, Kunstkabinett, S. 393. 338 Siehe: Lavater, Fragmente, Bd. 3, S. 258.



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scheint alles von ferne zu riechen, was für ihn und gegen ihn ist. Doch oben her, in diesem Bilde wenigstens, fehlt ihr viel von Größe.“339 Den Jesuiten allgemein kennzeichnen laut Lavater gebogene Nasen, große Kinne, zusinkende Augen; allgemein zeige sich in seinem Gesicht „Einschmeichlungskunst, die künstliche Beredsamkeit“340 und die Fähigkeit, sich zu verstellen.341 Der physiognomische Blick erhielt an dieser Stelle bei Lavater zum ersten Mal eine konfessionelle Differenzierung, die für den Katholizismus ein Stereotyp produzierte, das vor allem durch die Nähe zu Untugenden wie Frömmelei, Verstellung, Hang zu Aberglauben, Falschheit und moralische Laxheit gekennzeichnet war.342

Abb. 12 u. 13: Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 3, S. 264 und 265.

Diese Spur, die Lavater ausgelegt hatte, wurde von verschiedenen zeitgenössischen Reiseschriftstellern dankbar aufgenommen. Als eifriger Interpret der lavaterschen Thesen bezüglich einer religiösen Physiognomie erwies sich der Berliner

339 Siehe: ebd., S. 269. 340 Siehe: ebd., S. 268. 341 In Lavaters Kunstkabinett findet sich unter anderem eine Aquarellkopie einer Jesuitenkarikatur, die keine Verwendung in den physiognomischen Fragmenten gefunden hatte, sehr wohl aber von ihm mit dem Instrumentarium seiner „Wissenschaft“ untersucht wurde, vgl. Mraz/ Schögl, Kunstkabinett, S. 378. Hierzu auch Münch, Katholiken, S. 253, der auf Parallelen zur Darstellung katholischer Geistlicher im Kontext des Nationalsozialismus aufmerksam macht. 342 Vgl. Frey, Toleranz, S. 120.

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Friedrich Nicolai,343 der in seiner Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781 die Ausformulierung eines diffamierenden Stereotyps katholischer Physiognomie auf die Spitze trieb. In seinem Selbstverständnis als protestantischer Aufklärer stellte er für den Katholiken an sich finstere und dumm wirkende Gesichtszüge fest, wobei er dabei den katholischen Geistlichen besondere Aufmerksamkeit zuteil werden ließ und zahlreiche Vergleiche aus dem Tierreich zur Beschreibung ihrer Physiognomie heranzog.344 Ein interessanter Aspekt neben der notorischen Diffamierung alles Katholischen als tumb, faul oder in anderer Art und Weise moralisch verwerflich ist die Binnendifferenzierung innerhalb der katholischen Probanden in Bezug auf das Geschlecht. Während die Beschreibung männlicher Katholiken mit vermeintlich weiblichen – oder besser weibischen – Zügen eindeutig diffamierende Ziele verfolgte, wurde die weibliche katholische Physiognomie selbst wesentlich positiver dargestellt. Einen „innigen Augenaufschlag“ wollte Nicolai etwa bei den Katholikinnen Bambergs beobachtet haben und beschrieb sie weiter als sanft, verschämt, innig und insgesamt „verliebt“ wirkend, gerade wenn sie zu religiöser Andacht zusammen kämen.345 Auf den Beschreibungen Nicolais aufbauend entwickelte der Göttinger Staatsrechtler August Ludwig Schlözer 1787 nach dem Prinzip der autosuggestiven Einbildungskraft hierzu eine eigene Theorie: Die Gesichtszüge der Katholikinnen näherten sich mit der Zeit denen der von ihnen innig verehrten

343 Es ist bezeichnend, dass im Fahrwasser von Nicolai ein anonymer Autor unter dem Pseudonym Christian Nikolai aus Bebenhausen 1788 ebenfalls einen Reisebericht veröffentlichte, den er ganz und gar zur Beweisführung für die angebliche Gefahr eines „Allgemeinen Judenthums“ benutzen wollte. Analog zur physiognomischen Stigmatisierung der Katholiken sind es hier vermeintliche jüdische Stereotypen, die der Verfasser zur „Entlarvung“ von Kryptojuden anführt. Voller Titel: Christian Nikolai, Wichtige Entdeckungen auf einer gelehrten Reise durch Deutschland und aus Eifer für die christliche, vornehmlich evangelische Kirche durch den Druck bekannt gemacht, Bebenhausen 1788. Ein Beispiel auf S. 33: „Ich ließ indessen doch vor dem Gasthofe anfahren. Aber wie fuhr ich zusammen, als uns beim Aussteigen aus dem Wagen der Wirth entgegen kam! Denn ich entdeckte nicht nur in seiner Physiognomie und Sprache, in seinem Augenaufschlag, Gang und Händegeberden viel Jüdisches, sondern ich sah auch unter seiner Weste einige weiße wollene Fäden hervorhängen, die mir viel ähnliches mit den Zehen-Gebot-Fäden zu haben schienen, welche die Juden zu tragen pflegen.“ An zahlreichen weiteren Stellen zieht Nikolai Parallelen zur Aufklärung Friedrich Nicolais in Bezug auf einen vermeintlichen Jesuitismus und seine Ambitionen hinsichtlich des Judentums. Zur Autorschaft vgl. Frey, Toleranz, S. 141. 344 Vor allem Kapuziner und Jesuiten, die besonders im Sinne der katholischen Reform wirksam erschienen, wurden von Nicolai in diffamierender Absicht mit Bildern aus dem Tierreich verglichen. Hierzu: Münch, Katholiken, S. 256–261. 345 Vgl. Münch, Katholiken, S. 262.



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und „schön gemalten Heiligen“ an.346 Diese gleichsam verliebte Zuwendung von Kindesbeinen an hinterließe so auch Spuren im Gesicht der jungen Mädchen: Liegen sie nun vor solchen großen Bildern auf den Knien: so kömmt daher der von Hrn. Nicolai bemerkte andächtig, verliebte AugenAuffschlag.347

In zahlreichen Berichten Rheinreisender erschienen in der Folge ähnliche Stereotypen in der Beschreibung der Landesbevölkerung. Als ästhetische Extreme fungierten die madonnenhafte Katholikin auf der einen und der tumbe (Ordens-) Geistliche auf der anderen Seite. Interessant erscheint ein Vergleich ihrer physiognomischen Urteile besonders deshalb, weil ihre Wahrnehmung bei gleichem Betrachtungsgegenstand in manchen Bereichen deutlich divergierte.

3.7.2 Madonnen und Mönche – die zwei Gesichter der konfessionellen Physiognomie Der dänische Schriftsteller Jens Baggesen war 25 Jahre alt, als er im Jahr der Französischen Revolution unter dem Vorwand gesundheitlicher Probleme eine Reise durch Deutschland, die Schweiz, Frankreich und schließlich Großbritannien unternahm. Der eigentliche Grund für das Verlassen Kopenhagens war wohl die Flucht vor dem großen allgemeinen Interesse an seiner Person, das der „Wieland Dänemarks“ aufgrund seiner Veröffentlichungen bereits in jungen Jahren genießen durfte.348 In seinem autobiographischen Reiseroman „Labyrinten“,349 den er in zwei Bänden 1792 bzw. 1793 veröffentlichte, orientierte sich Baggesen stilistisch an Laurence Sternes Sentimental Journey von 1768. Baggesen zeichnete sich selbst als einsames bürgerliches Subjekt auf der Suche nach den idealen Lebensbedingungen, unter denen es vermeintlich besser zu leben wäre.350 Eine Ahnung, was solch ein besseres Leben ausmachen könnte, erhielt der Protagonist des Labyrinths in Mainz. Der Lutheraner Baggesen begegnete bei seinen

346 Siehe: August Ludwig Schlözer, Ueber den Unterschied in der GesichtsBildung katholischer und protestantischer Einwoner in Deutschland, unter den niederen VolksClassen, in: Schlözer’s Stats-Anzeigen 10, Heft 39, Nr. 35 (1787), S. 338–344. Digitaler Zugriff: http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/aufkl/ statsanzeigen/statsanzeigen.htm. Hierzu auch Münch, Katholiken, S. 263. 347 Siehe: Schlözer, Unterschied, S. 341. 348 Vgl. Karin Hoff, Die Entdeckung der Zwischenräume. Literarische Projekte der Spätaufklärung zwischen Skandinavien und Deutschland, Göttingen 2003, S. 271–343. Zur Biographie: Adalbert Elschenbroich, „Baggesen, Jens Immanuel“, in: NDB 1 (1953), S. 538f. 349 Zitiert wird nach der deutschen Ausgabe 1795, übersetzt von Carl Friedrich Cramer. 350 Vgl. Hoff, Entdeckung, S. 276.

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Streifzügen durch die eng verwinkelten Gassen der Bischofsstadt nämlich einem katholischen Mädchen, dem er, auf Anhieb von ihrem Äußeren begeistert, bis in den Dom folgte. Das Aufeinandertreffen veranlasste ihn zu folgendem gebetsähnlichen Monolog: Dank sey Dir, heiliger Jacobus! – oder eigentlich Dir, noch heiligerer Pantaleon! Heute habe ich einen Tag genossen! – einen Monat! – ein ganzes Jahr! Du der Heiligen Heiliger! Gott der katholischen Liebe! Führtest Costheims süßlächelnde Göttin her auf ihrem Schwimmwagen, über den singenden Rheinstrom an Moguntia’s nymphenreiche Küste! Leichtfüssige Mädchen empfingen sie, da sie aus der Barke stieg, wie Charitinnen einst Cyrhexen emporschwimmend in ihrem Muschelboote an des jubelnden Kypros Gestad! ‚Ave Maria! Ave Maria! Ave Maria! Mari’ Ave! Mari’ Ave! Mari’ Ave! Ding=Dang=Me! Sime! Issime! Tissime! Ictissime! Dictissme! Edictissime! Nedictissime! Enedictissime! Ding=dang=dang=on! Eon! Leon! Aleon! Taleon! Antaleon! Benedictissime Pantaleon! Ora pro nobis! – o sancta Trinitas! Ora pro nobis! Amen!‛ So, oder so ohngefähr, hallte es in dem gewölbten Chor, zwischen den himmelanstrebenden Pfeilern. Die Orgel brauste darein, tönend wie Stimmen großer Wasser! Doch ... was war dieses Ohrenconcert gegen das für das Auge! – ‚Die EvangelischLutherischen verfassen die schönsten Bücher; die Römisch-Catholischen dahingegen verfassen die schönsten Töchter! Und was sind aller Welt Duodeze, Octaven, Quartanten, Folianten gegen Euch, reizendste Geschöpfe der Natur‛ sagte ich, – und fuhr fort, nach dem niedlichen Fuße zu schauen, der unter dem Betstuhle hervorblickte; stets anschaulicher und anschaulicher, je andächtiger die Stellung ward, in der seine Eigenthümerin kniete. Ich kniete ihr gegenüber. ‚Was sind alle Künste und Wissenschaften der Erde gegen Eure Zaubereyen?‛ fuhr ich fort, und mein Auge hüpfte von der Fußspitze über den Rosenkranz, auf ihren jungen, runden, weißen Finger, zum Blumenstrauß ihrer wogenden Brust, und kehrte dann, vom Glanze geblendet, und von Lieblichkeit berauscht, wieder durch alle diese Bezauberungen zu ihrem Fuße herab! – ‚Was sind die Lehrstühle, Regeln und Vorschriften, in Leipzig, Jena und ... Göttingen selbst! Was sind allzumal sie gegen Eure geistentzündenden, seelenerweckenden Blicke?‛ Ihre Augen begegneten den meinigen in diesem Moment, und fuhren als vom Blitze getroffen zurück – verschämt auf die glücklicheren Perlen untergehend! Die blinden Augen – im Rosenkranze!.....351

Als er aus seiner Phantasterei erwachte, war die Verehrte allerdings bereits aus der Kirche gegangen, und Baggesen machte sich nach einem weiteren Stoßgebet zum heiligen Pantaleon auf den Weg, sie wieder zu finden: Ich ging mit der Procession, aus einer Kirche in die andere; aus einem Kloster in das andere, den Hut in der Hand, durch allen Regen sogar; laut singend, und leise murmelnd; und – ich darf wohl behaupten: Keiner in der ganzen Schaar, verstand weniger, was er sang und murmelte, als ich; – einen dicken, unmäßiglich fetten, kuhdummstarrenden, und folglich auch unmäßig heiligen Mönch ausgenommen, der es zum alleräußersten Grade von Nichtverstehen gebracht zu haben schien.352 351 Siehe: Baggesen, Labyrinth, S. 228–230. 352 Siehe: ebd., S. 235.



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Im Dom wird er schließlich nach längerer Odyssee wieder fündig: Welch ein Gewimmel von Sonnen, Monden, Nymphen, Halb- und Ganz-Huldgöttinnen in diesem auf die Erde herabversetztem Olymp... Costhime-Venus-Aphrodite! Ich ging in einen Betstuhl, und warf mich auf die Kniee, zwischen einer Nonne und einer andern jungen Dame – ihr gerade gegenüber. Hier saß ich zwey Stunden, und hörte, mit himmlischer Geduld, die äußerst monotone Messe von ein Paar Dutzend Mönchen, den ewigen Plaudergesang, Klingklang, und Dingdang im Chore mit an; jedes Mal mich kreuzigend, wenn der Pater kniete und die Kirchenknaben klingelten – immer auf SIE! Gaffend.353

Als sie den Dom nach getanem Gebet wieder verließ, trennten sich unbeabsichtigt im engen Gewirr der Mainzer Straßen und Gassen ihre Wege und der in Verliebtheit Entflammte vermutete sie nun in der alten Jesuitenkirche, dem „Ignatiustempel“, wie er sie nennt. Tatsächlich konnte er das Mädchen auf dem Weg dorthin wieder entdecken, just in dem Moment, in dem ihr etwas zu Boden gefallen war: Welcher Fuß! Welcher Talismann! Welcher Zauber! Ich weiß nicht, was ich dachte; aber Das fühlte ich, dass meine catholische Andacht bey dem schönen Anblick vollkommen aufgezogen ward; so dass sie nun wieder sehr gut vier und zwanzig Stunden gehen konnte.354

Ein drittes Mal verlor der Verliebte die Schöne aus den Augen, um erneut den „Ignatiustempel“ aus der unbestimmten Hoffnung heraus, dort ein abermaliges Aufeinandertreffen erleben zu können, anzusteuern. Und wieder konnte er nach kurzer Zeit das Objekt seiner Begierde „vorbeytanzen“ sehen und beschloss, diesmal seine Chance zu nutzen: Ich achtete es für einen Wink des Schicksals, oder des obberregten Heiligen, Alles zu wagen, den Knoten des Drama’s zu lösen, und, wo möglich, zu einer eigentlichen Katastrophe zu kommen, ohne welche kein Abentheuer ein vollständiges Abentheuer ist.355

Entschlossen folgte Baggesen der Schönheit zum Rheinufer, wo diese über die Brücke auf die andere Rheinseite übersetzte, um dort in ein kleines Boot nach Kostheim, ihrem nahe Mainz gelegenen Heimatort, zu steigen. Das romantische Abenteuer fand jedoch weniger ein dramatisch als peinlich zu nennendes Ende für den Skandinavier: ‘Haben Sie weit in diesem Regen zu fahren?‛ – ‘Ich wohne in Costheim,‛“ sagte sie, und wies dahin. – ‘Glückseliges Costheim!‛“ – Sie erneute ihre Danksagung... Ein O! starb auf meinen

353 Siehe: ebd., S. 236f. 354 Siehe: ebd., S. 243. 355 Siehe: ebd., S. 246.

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Lippen. Sie setzte sich auf die Ecke des hintersten Sitzes im Boote, als wollte sie sagen: ‚Hier ist für Sie noch ein Platz‛ –‚Gott segne Dich!‛ stammelte ich, .... und das Boot glitt ab von der Brücke. Das Boot glitt ab von der Brücke! – Und ich blieb stehen. Ich begreife noch in diesem Augenblicke nicht, warum ich nicht mitfuhr...356

Und mit einem lyrischen Ausklang beendete Baggesen seine Tagebuchaufzeichnungen für den 26. Januar des Jahres 1789: Ach! Meine Freude verliess mich mit meinem Mädchen! Einsam stand ich Armer wieder da – Bringe, Pantaleon! O bringe eine Gleiche bald wieder deinem Freunde zurück!357

Schließlich nahte Baggesens Abschied aus Mainz, dem er in seinem Text ein liebevolles literarisches Denkmal setzte: Lag es an dem Catholicism, an Costhimen oder an der Luft, dass ich in Maynz zum Schmetterling ward?358

Zusammenfassend bemerkte er dann noch: So kindlich, so liebevoll, so catholisch, so unmathematisch war es in Maynz. Reist selbst hin – aber ohne Perücke!359 Wie man deutlich erkennen kann, orientierten sich Baggesens Beschreibungen der Mainzer Einwohner an den bereits vorgeprägten Stereotypen, wie sie von Friedrich Nicolai eingeführt worden waren. Katholische Geistliche erschienen als „kuhdumm“, die andächtigen Katholikinnen jedoch als nymphengleiche Schönheiten, deren Andacht beim Betrachter besonderen Gefallen fand. Bei Baggesen erreichte die Begeisterung für diese Schönheit eine erotische Dimension und Übersteigerung, die im bereits angedeuteten Genus des Labyrinths als bürgerlichem Reiseroman und der Suche nach dem besseren Platz zum Leben wurzelte.360 356 Siehe: ebd., S. 249f. 357 Siehe: ebd., S. 250. Im dänischen Original: „Ak, min Fryd forlod mig med min Pige! Eene stod jeg Arme der igien – Bring, Pantaleon! O bring en Lige Snart tilbage til din Ven!“ 358 Siehe: ebd., S. 269. 359 Siehe: ebd., S. 272f. Die Empfehlung, ohne Perücke zu reisen, bezieht sich auf die kindlichen Empfindungen, die Baggesen hier verspürt haben will. Man solle sich also, unverstellt und natürlich, gerade wie ein Kind verhalten, wenn man nach Mainz komme. 360 Bereits in dem viel gelesenen Reiseroman Faustin von Johann Pezzl wurde 1783 die erotische, aber auch zugleich moralisch anrüchige Dimension des Katholizismus und seiner weiblichen Vertreter thematisiert. Der Held des Romans wird in Köln am Schrein der heiligen drei Könige von einer Schönheit mit eindeutigen Absichten angesprochen: „Indessen spielten ihm diese heiligen drei Könige einen Streich, der ihn desto heftiger traf, je neuer er ihm war. – Faustin ward verliebt: – Und zwar eben bei den Reliquien der drei Weisen ward er’s; denn in Köln spinnen sich alle Liebeshistörchen und galante Romane in der Kirche an, so wie in anderen Orten auf dem Ball oder in der Komödie. ... Noch mehr wunderte er sich, daß seine Schöne seinen Wünschen



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Sein laienhaftes Imitieren von Gesängen und Litaneien und das Kokettieren mit Stoßgebeten zu den Tagesheiligen ist sicherlich mit stark ironischem Unterton zu verstehen; dennoch ist auch Baggesens ehrliche Sympathie für das als natürlich und „catholisch und unmathematisch“ wahrgenommene Mainz zu spüren. Diese frühromantische Stilisierung des Katholischen zum Ort von Magie und Emotionalität wurde von Baggesen mit der Wissenschaftlichkeit des evangelisch-lutherischen Göttingen kontrastiert. Wie ganz anders erscheinen hingegen die Beobachtungen bezüglich des weiblichen Geschlechts, von denen Johann Nikolaus Becker361 nur zehn Jahre später aus Koblenz zu berichten wusste: Man wäre Gefahr gelaufen, gesteinigt zu werden, wenn man behauptet hätte, die Freiheit bestünde noch in irgend etwas anderm, als ungestört Prozessionen und Wallfahrten zu halten, oder es gäbe noch eine bessere Regierung, als die kurfürstliche. Nie habe ich Menschen gesehen von so viel Leere und Characterlosigkeit, als hier. Ihr ganzes politisches Gespräch dreht sich um den Kaiser und den Kurfürsten; was Rechte der Menschheit sind, wusste man nicht. Es war eine meiner Hauptbeschäftigungen während meines letzten Aufenthalts Abends die Kirchen zu besuchen, um da den Koblenzer in seinen Gesichtszügen zu studieren. Aber da würde selbst Lavater verzweifelt sein. Von den Männern sage ich nichts, aber auch nicht ein Mahl ein Weibergesicht war da zu finden, auf dem mein Auge mit Wohlgefallen geruht hätte. Die Züge der niedrigsten Andächtelei, die hier in jeder Miene zu lesen sind, verscheuchen jeden Gedanken an die Grazien und den Liebesgott.362

Und weiter stellte er in der Gegend von Polch fest: stets zuvorkam, und ihn zu Vertraulichkeiten aufmunterte, die er mit ihrer devoten Außenseite nicht wohl kombinieren konnte. Er schrieb es einzig ihrer unbegränzten Liebe zu.“ Siehe: Pezzl, Faustin, S. 180f. Am Ende der Romanze lockt die Dame Faustin zur Teilnahme am Fronleichnamsfest in Mülheim, wo er von ihr und einem dritten Begleiter gezielt betrunken gemacht wird. Als er am nächsten Tag erwacht, findet er sich in Begleitung zweier hessischer Unteroffiziere, für deren Dienste er angeworben werden soll. 361  Zu Beckers Biographie Wolfgang Burgdorf (Hrsg.), Kritik der deutschen Reichsverfassung [Anonymer Verfasser = Johann Nikolaus Becker], Erstes Bändchen Kritik der Regierungsform des deutschen Reichs, Zweites Bändchen Kritik der Kriegsverfassung des deutschen Reichs, Drittes Bändchen Kritik der staatswirtschaftlichen Verfassung des deutschen Reichs 1796–1798, Hildesheim 2009. Wolfgang Griep, Johann Nikolaus Becker. Fragmente aus dem Leben und Werk des „reisenden Neufranken“, in: ders. (Hrsg.), Sehen und Beschreiben. Europäische Reisen im 18. und frühen 19. Jahrhundert (= Eutiner Forschungen, Bd. 1), Heide 1991, S. 227–247, hier S. 231. Besondere Bekanntheit hatte Becker durch seine Darstellung der Geschichte der Räuberbanden im Hunsrück rund um die Gestalt des „Schinderhannes“ gewonnen: ders., Actenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beyden Ufern des Rheins, Köln 1804. 362 Siehe: Johann Nikolaus Becker, Beschreibung meiner Reise in den Departamentern vom Donnersberge, vom Rhein und von der Mosel im sechsten Jahr der französischen Republik. In Briefen an einen Freund in Paris, Berlin 1799, S. 209.

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Die Menschen gefallen mir weniger. Sie sind meist klein und ihre Gesichtszüge unbedeutend. Die Bigotterie, die ihnen anklebt, macht die Mädchen für den Reisenden fast völlig ungeniessbar. Es sind nicht sanfte Züge von Schwärmerei, die sie auszeichnen, und dem Herzen des Mannes gefährlich machen könnten, nein, es ist Aberglaube der niedrigsten Art, der sich mit heiligen Bildern verschwört, und jeden ehrlichen Mann, der nicht zur heil. Genovefa und ihrem Schmerzenreich wallfahrtet, wie einen bösen Dämon behandelt.363

Der Jurist Johann Nikolaus Becker, der ab 1793 an der Universität Göttingen u. a. bei August Ludwig von Schlözer fleißig dessen politisch-statistische Vorlesungen besucht hatte364 und hier vermutlich auch mit dessen physiognomischen Theorien bekannt geworden war, teilte die Meinung zum anmutigen Augenaufschlag der Katholikinnen offensichtlich nicht – oder zumindest 1799 nicht mehr. Er selbst war mit der Kunst des Physiognomierens schon in Kindertagen in seinem Heimatort an der Mosel konfrontiert worden, wie er beschreibt: Hier, wo in einigen Dörfern und kleinen Städten Protestanten und Katholiken beisammen wohnen, ist der Unterschied nicht auffallend. Wo sie aber abgesondert sind, da kann man beide auf den ersten Blick unterscheiden. Ich erinnere mich noch aus meinem Knabenalter, daß die Katholiken meines Dorfes in dieser Kunst äußerst geschickt waren. Wenn sich ein Protestant irgendwo blicken liess, ohne daß man ihn vorher schon gesehen und gekannt hatte, so schrie Alles: ein lutherischer Kalbskopf! ein lutherischer Kalbskopf! und ich weiß mich wenigstens nicht zu entsinnen, daß man geirrt hätte. Der Protestant hat ein viel freieres Gesicht, edlere Mienen, einen feinen Zug von Schwärmerei (der bei den Katholiken äußerst grob ist). Er trägt das Haar gewöhnlich länger und hinten von einem Kamme zusammen gehalten. Sein Gruß ist: guten Tag und nicht ein mechanisches: gelobt sei Jesus Christus. Mir klingt nichts häßlicher, als dieses: gelobt sei Jesus Christus, das Einem in den katholischen Städten und Dörfern bei jedem Schritte entgegen gekrächzt und gepipt wird.365

Interessant ist, dass Becker neben der Physiognomie auch sprachliche Unterschiede zwischen den Konfessionen identifizierte. So führt er hierzu folgende Beobachtungen an: Merkwürdig ist die Veränderung der Sprache hier am Rhein. Oben in Mannheim spricht man anders, als in Mainz; in Mainz anders als in Koblenz; und der Koblenzer, der doch ohne Vergleich am schlechtesten in dieser ganzen Gegend spricht, nimmt sich sogar heraus, über die Sprache des Westerwälders und Meienfelders zu spotten. Was ist die Ursache dieses auffallenden Unterschieds, wirst Du fragen?... Bei der Erziehung ward auf die Muttersprache gar kein Bedacht genommen. Die Priester, denen die Jugend anvertraut war, lästerten

363 Siehe: ebd., S. 320. 364 Vgl. Griep, Becker, S. 231. 365 Siehe: Becker, Beschreibung, S. 119f.



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alles, was nicht auf lateinischen Krücken daher stolperte, oder es äußerte, daß die deutsche Sprache noch etwas mehr als Wachtstubensprache wäre. Dazu kam nun die Verschiedenheit der Regierungen und der Religion in diesen Ländern. Lutherisches Deutsch war eben so verhaßt, wie der Lutheraner selbst. 366

Becker, der selbst bei Kapuzinern in Beilstein und später bei Jesuiten in Koblenz die Schule besucht hatte, fällte über die Qualität der von Geistlichen geleiteten Bildungsanstalten ein vernichtendes Urteil. Die Hoffnungen des überzeugten Republikaners richteten sich auf den Regierungswechsel in den linksrheinischen Gebieten nach den Maßgaben des Friedens von Campo Formio. Die Voraussetzungen der Menschen seien nämlich von Natur aus gar nicht schlechter als in anderen Gebieten: Es sei fern von mir, zu behaupten, daß diese Menschen von Natur verwahrlos‘t sind. Nein! sie sind ein gesunder und starker Schlag Leute, mit vielen natürlichen Kräften, die auf andere Gegenstände geleitet, bald einer hohen Ausbildung fähig wären. Die vorige Regierung trägt einzig darauf und allein die Schuld von dem tiefen Elende, in dem der Geist hier schmachtete.367

Die maßgeblichen Akteure für die gezielte Unbildung und das daraus resultierende abstoßende Äußere der Bevölkerung sah Becker im katholischen Klerus: Die Hauptursache der Finsterniss in diesem Lande liegt gewisse in dem Zustande der Geistlichkeit. Da findest Du auch keinen Mann, der sich von den gröbsten Vorurtheilen losgemacht hätte. Ich habe mir das Vergnügen nicht versagen können, einigen Kanzel-Hanswurstiaden beizuwohnen, die von dem Pastor in Kellberg während meines Aufenthaltes aufgeführt wurden. Wahrlich, abgeschmackteres kann man nichts hören, als eine Predigt aus einem solchen Munde! Und doch gilt dieser Mann noch bei den übrigen für aufgeklärt! An den hohen Festtagen des Jahres sieht man die Seelenhirten in den Hauptkirchen sich versammeln; Leute, mit ungeschornem Kinn, ungekämmten Haaren, zolllangen Nägeln, durchlöcherten ungebürsteten Hüten, abgeschabten Röcken von ungewisser Farbe, von Wein und Branntwein glühenden Gesichtern. Wo sie hinkommen, werden sie mit Ehrfurcht und Hundesdemuth von den Bauern empfangen; die Kinder laufen ihnen entgegen und küssen ihnen die ungewaschenen Hände. Der arme Hausvater holt seine letzten neun Albus aus dem bestäubten Schranke, und giebt sie ihnen – für eine Messe. Die Mädchen öffnen ihnen die für den wackern Jüngling verschlossenen Busen, und lassen sich unmittelbar

366 Siehe: ebd., S. 312–316. Hier wird im Text folgende Fußnote angefügt: „So nennt man in den katholischen Ländern die hochdeutsche Mundart. Ob darum, weil Luther zuerst die deutsche Sprache zu reinigen, und richtig zu schreiben anfing, oder, weil die Protestanten allein in Deutschland nur Deutsch verstehen, oder, weil man durch diese Benennung alle gläubigen Katholiken von der Erlernung der hochdeutschen Mundart abschrecken will? Das letzte scheint sich mit dem Charakter der Jesuiten und anderer Obskuranten am ersten vereinigen zu lassen.” 367 Siehe: ebd., S. 256f.

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darauf die Absolution von ihnen ertheilen. Ein unschuldiges Mädchen verführen, ehrliche Hausmütter in der ehelichen Treue wanken machen, das sind gewöhnliche Sünden dieser Diener der Kirche.368

Die ausnahmslose und wiederholte Beschreibung katholischer Geistlicher als wollüstige Schmarotzer, die den dritten Stand hemmungslos wirtschaftlich ausbeuteten und Dank ihrer durch Betrug gesicherten Autorität sogar sexuelle Dienstleistungen junger Mädchen erzwingen konnten, erinnert stark an entsprechende Karikaturen, wie sie im Kontext der Französischen Revolution als Flugblätter kursierten.369 Immer wieder griff Becker dabei auch auf Vergleiche aus dem Tierreich zurück. So meinte er in Bezug auf das Binger Kapuzinerkloster: Tag für Tag durchziehen die Paviane dieses Klosters mit dem Bettelsacke auf dem Rücken das Land, und plündern die Vorrathskammern der Bauern. Fleisch, Speck, Butter, Brot, gedörrtes Obst, Korn, Wein und sogar Samen für ihre Vögel betteln sie auf die niederträchtigste Art zusammen, und schenken dem verblendeten Volke Rosenkränze und Agnus Dei dafür.370

Und um die Stilisierung des sündhaften Klerus auf die Spitze zu treiben, versäumte Becker es nicht, auch folgendes Sakrileg zu schildern, das er beobachtet haben will:

368 Siehe: ebd., S. 330–333. 369 Auch weibliche Religiosen nimmt Becker von seinen Beschuldigungen nicht aus: „Da lag jenseits der Mosel ein adeliges Frauenkloster, Namens Engelport, wo weiland die größte Gastfreundschaft herrschte, die man außer den Abteien in dieser Gegend antraf. Ich habe selbst in frühern Zeiten mehrere angenehme Tage dort verlebt. Hier war einer der Hauptsammelplätze der geistlichen Sinekuristen. Vorzüglich lockten einige freundliche Nonnen, die in ihrer Blüte wirklich schön waren, und durch keine Sprödigkeit irgend ein kühnes Wagestück vereitelten, Alles herbei, was in den Fehden des kleinen Kriegsgottes Glück machen wollte. Das Kloster liegt in einem anmuthigen Thale, von hohen Bergen auf allen Seiten umschlossen. Die romantische Natur machte die höflichen Nonnen für das Männerherz noch gefährlicher. Auch war man hier nicht, wie in andern Klöstern durch eine harte Klausur beschränkt. Der Weg bis in die Zellen der geistlichen Mädchen stand vielmehr jedem Manne offen, der bei der Äbtissin empfohlen war. Ich selbst habe ganze Tage einsam mit dieser oder jener schönen Nonne auf ihrer Zelle zugebracht, ohne dass es nur irgend aufgefallen wäre. Merkwürdig ist es, daß bei dieser lobenswürdigen Liberalität und bei diesem Lebensgenusse niemahls eine Nonne in Verlegenheit gerathen ist. Entweder sind sie alle unfruchtbar, oder sie verstehen die Kunst sehr gut, nicht schwanger zu werden.” In: ebd., S. 322f. 370 Siehe: ebd., S. 136.



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Der Kapuziner bewegte die Zunge wollüstig zwischen den Lippen, strich mit der rechten Hand sanft seine Schenkel, und heftete die Augen starr auf ein gegenüber stehendes halbnacktes Marienbild.371

Auf seiner Weiterreise entlang der Mosel fand Becker in dem kleinen Örtchen Bongard einen Geistlichen vor, der dem von ihm gehegten Stereotyp nicht zu entsprechen schien, denn in seiner Stube fand er eine umfangreiche Bibliothek vor, doch: ... kalt überlief es mich, als ich einen Band nach dem andern vor mir aufschlug und nichts fand, als – Legendenschreiber, Aszeten, mönchische Prediger und Beichtväter. Und dieser gute Mann darbt bei trocknem Brot und einem Glase Wasser, um seinen letzten Dreier an elende Scharteken zu verschwenden, um seinen Feuergeist in Mönchsmoral, und in dem Unrathe der Bollandisten zu ersticken. Er hat in Prag studiert, wo wohl die Jesuiten und andere Mönche seinen Geist irre geleitet haben mögen. Wie doch so vieles vom Zufalle nur abhängt! Hätte das Geschick diesen Mann in seinen jüngern Jahren nach Göttingen, nach Jena oder Halle geführt, gewiß wäre er der Reformator in dieser düstern Gegend, statt, daß er nun, vielleicht ohne seinen Willen, dem Aberglauben Dienste leistet und den Mönchen in die Hände gearbeitet hat. Ich könnte hier in Versuchung gerathen, mich über diesen Mann zu ärgern, wenn mir nicht einfiele, wie wenig im Grunde dazu gehört, sich selbst von den Fesseln loszuwinden, die man unserm Geist in der Jugend angelegt hat. Wer nie über die Grenzen dieses Landes gekommen ist, wo soll er die Aufklärung hernehmen? Freilich wird sich mancher Geist finden, der stark genug ist, sich ohne äußern Anstoß über die Schranken zu schwingen, die man um ihn gezogen hat. Aber hängt doch nicht das meiste von Mittheilung, und von Verhältnissen ab? Ich versöhnte mich bei diesen Überlegungen wieder mit meinem ehrlichen Priester, und konnte es nicht über mich gewinnen, ihm wegen seiner Bücher Vorwürfe zu machen.372

Doch auch Christen anderer Konfessionen weckten Beckers Aufmerksamkeit. Während seines Aufenthalts in Neuwied besuchte er die dortige Gemeinde der Herrnhuter und erlebte auch deren Religionspraxis als äußerst abschreckend: Wir besuchten die Kolonie der Herrnhuter, die hier sehr zahlreich sind. Aber sei es nun, dass ich ein Mahl Allem zuwider bin, was Secte und Orden ist, oder daß diese mährischen Brüder in der That traurige Empfindungen wecken: das Gefühl der Menschheit regte sich doppelt bei mir, als ich in diese Hallen, noch einsamer als Klosterzellen, eintrat. Alle Freude ist hier verbannt, und selbst jeder Zug von Fröhlichkeit und geselliger Mittheilung auf der Stirne der Brüder verschwunden. Sie reden nur sehr leise und wenig, und beschäftigen sich immerwährend mit heiligen Visionen und Kasteiungen des Fleisches. Diess, nebst dem sitzenden Leben, lässt sie für die Freuden des Lebens ganz absterben, und stumpft sie biss zur

371 Siehe: ebd., S. 135. 372 Siehe: ebd., S. 345f.

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Gefühllosigkeit ab. Sie wandeln wie Schatten umher, und sehen alle wie Gespenster aus, zur ewigen Todtenblässe verdammt.373

Wie ganz anders wirken die Beschreibungen und physiognomischen Schlüsse, die Johann Caspar Lavater während seiner Rheinreise bei einem Aufenthalt in Neuwied 1774 gezogen hatte.374 Becker beendete seinen Bericht mit einem Ausblick auf die Eifel, wo sein aufklärerisches Licht auf unbelehrbare katholische Finsternis traf: Hier in Meien bin ich an der Grenze des schönen Landes, das ich mit Entzücken durchwandert habe. Hier sehne ich mich nach den Gebirgen und den gesegneten Fluren am Rhein und auf dem Meienfelde zurück. Sobald ich den Fuss aus diesem Städtchen setze, beginne ich die Eifel zu betreten, den unkultivirtesten und traurigsten Strich Landes im westlichen Deutschland. Alles hat jetzt schon ein anderes Ansehen gewonnen, obgleich ich kaum drei Meilen vom Rhein und von der Mosel entfernt bin. Die Einwohner sprechen hier schon eine ganz andere Sprache, die der Sachse und der Brandenburger kaum verstehen würde. Selbst die Leute sind anders. Träge und ungeschickt bei jeder Arbeit, roh und grob, Züge der niedrigsten Bigotterie und der tiefsten Unwissenheit im Gesichte, gaffen sie den Fremden mit aufgesperrten Mäulern wie ein seltenes Wunderthier an, und wissen nicht ein Mahl, ob sie einem für baare Bezahlung einen Dienst leisten sollen. Da sitze ich in dem größten Gasthofe dieses Städtchens von zweitausend Seelen unter schmutzigen Bauern bei einer traurigen Öllampe, und muß es dem Wirthe noch Dank wissen, daß er mir Feder und Dinte gestattet. Dort in der Ecke brennt ein Wachskerzchen vor dem Schnitzbilde der heil. Genovefa, und hinter mir wühlt ein Kanonikus in dem Busen und unter der Schürze der Küchenmagd, die es sehr impertinent findet, daß ich mein Lämpchen, um ihre Liebschaft zu begünstigen, nicht auslöschen will.375

In seinem ersten, 1792 veröffentlichten Reisebericht376 – von anderen Reiseschriftstellern wurde bereits diesem mangelnde Objektivität bescheinigt –377 hatte Becker sich noch an dem Nicolaischen Schema der katholischen Madonnengesichter orientiert: In Mainz sieht man sehr schöne Mädchen; im Durchschnitt haben sie alle einen edlen Wuchs, reizende rothe Wangen und sehr interessante Gesichtszüge.378 373 Siehe: ebd., S. 305. 374 Siehe: Bach, Rheinreise, S. 114–122. 375 Siehe: Becker, Beschreibung, S. 327f. 376 Siehe: ders., Ueber Mainz. 377 Aloys Wilhelm Schreiber verweist auf Beckers Bericht in seinen Bemerkungen auf einer Reise von Strasburg bis an die Ostsee im Sommer 1791, S. 110. Die Qualität des Berichts sei so schlecht, dass er vermutlich aus der Feder eines geldbedürftigen Studenten oder Handwerksburschen stamme. 378 Siehe: Becker, Ueber Mainz, S. 117.



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Im Sinne seiner fundamentalen und totalitären Polemik gegen alles Katholische ließ er aber offenbar sieben Jahre später ganz von diesem Betrachtungsschema ab. Die einseitige Darstellung katholischer Physiognomien in der Reiseliteratur fand aber auch Widerspruch. Der vermutlich selbst aus dem Rheinland stammende Wilhelm Joseph Heinen fühlte sich 1808 dazu veranlasst, die Öffentlichkeit über das wahre Aussehen der Menschen in diesem Teil Deutschlands zu informieren: Die Coblentzer sind überhaupt gut gewachsene Leute, haben eine angenehme Gesichtsbildung und einen geistreichen Blick; sogar Leute von der mittlern Klasse zeigen in ihrem Umgange Geist, Urtheilskraft und Kenntnisse. Im Allgemeinen sind sie munter, thätig, gegen Fremde gefällig, offen und bieder.379

Und wie ganz anders als die Beckerschen Urteile über Aussehen und Bildungsstand der Koblenzer klingen die Beschreibungen des katholischen Geistlichen Joseph Gregor Lang, die er in seinem viel gelesenen Rheinführer bereits 1794 veröffentlicht hatte: Man trifft hier größtenteils gut gewachsene Menschen an, mit vielversprechenden, forschenden und durchdringenden Gesichtszügen; besonders eine schlanke, muntere und gut gebildete Jugend; auch der gemeine Bürgerstand zeichnet sich durch Lebhaftigkeit, Witz, etwas Weltkenntnis und richtige Beurteilung aus und scheint weit von dem unerträglichen Steifsinne und dem unpolierten, schwerfälligen Wesen seines kalten und frostigen nördlichen Nachbarn entfernt zu sein.380

Langs Spitze, das kühle und steife Wesen der „nördlichen Nachbarn“ betreffend, kann durchaus als gezielte Invektive gegen die von Nicolai inspirierte konfessionelle Stereotypenbildung begriffen werden, denn lavaterisieren konnten durchaus auch Katholiken, wie er anschließend am Beispiel der Neuwieder Herrnhuter Gemeinde zu demonstrieren vermochte: Ich habe das Äußerliche dieser Leute, soviel mir in dieser kurzen Zeit möglich war, genau lavaterisiert, und es schien mir, es sei ihnen allen anzusehen: daß sie eine Unterdrückung des Geistes leiden und daß sie unter einem heimlichen Zwang der Seele keinen freien Genuß des Lebens haben. So viele düstere, frömmelnde und halbabgestorbene Physiognomien als in dieser Brüdergemeinde erinnere ich mich noch in keinem Kloster von der strengsten Observanz gesehen zu haben, und doch schienen diese Leute mit ihrem Zustande zufrieden zu sein. Wenn man diese Menschenklasse nur bloß nach dem Äußerlichen zu beurteilen 379 Siehe: Wilhelm Joseph Heinen, Der Begleiter auf Reisen in Deutschland. Frei nach dem Französischen bearbeitet, mit einer Vorrede und Zusätzen, 2 Theile, Köln 1808, S. 210. 380 Siehe: Lang, Reise, Bd. 1, S. 91.

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hätte, so sollte man wohl bei dem ersten Anblicke sagen müssen, daß sie die glücklichsten, die heiligsten Geschöpfe auf Gottes Erdboden seien.381

Auch aus dem Lager der protestantischen Autoren regte sich Widerstand gegen die von Nicolai und Schlözer entworfene Theorie von der allgemeinen Verbreitung der katholischen Madonnengesichter. Während einer zwei Jahre dauernden Reise durch Deutschland, Ungarn, Italien und Frankreich machte Ernst Moritz Arndt ganz andere physiognomische Beobachtungen als nach der Lektüre Nicolais erwartet: Ich weiß nicht, woher die Weiber im Bairischen und Oesterreichischen nach Herrn Nicolai das Ideal der Madonnengesichter genommen haben, die sie ihren Töchtern anfantasirten. Aus den mittelmäßigen Kunstwerken, die in ihren Kirchen aufgehstellt und aufgehangen sind, konnten sie nicht schönere Kopieen, und noch überdies lebendige Kopieen schlechter Originale hervorbringen. Wäre dies, warum findet man im katholischen Franken und in den Niederlanden nicht auch Muttergottesgeschöpfe? Nach der Theorie müßten sie in der Toskana und im Kirchenstaate einem bei jedem Schritte begegnen.382

Die Betrachtung der Kölner Damenwelt erbrachte für Arndt schließlich den Beweis, dass Schlözers und Nicolais Thesen von der autosuggestiven Einbildungskraft und ihrer Wirkung auf Katholikinnen nicht zugestimmt werden konnte: Die meisten sind mit ihren todten Augen und kalten Stirnen wie in Nebel gehüllt, hinter welchem kein Sonnenstrahl liegt; und seelenlos und frostig, wie sollten sie den Weg zum Herzen finden. Will man dies alles nur so kurzweg durch den Aberglauben und den Geisteszwang erklären, so geht man zu weit. Warum konnte dieser die holden Züge und die wollustreichen Graziengestalten der Baierinnen nicht verdunkeln? Indessen will ich den Köllner Schönheiten nicht die Gabe, zu gefallen und zu reizen, abstreiten; fehlte ihnen dieses Weibliche ganz, so müßte die Stadt ja lange zu einer Wüste geworden seyn.383

Vielmehr muss Arndt über die Geschlechtergrenzen hinweg konstatieren, in Köln auf auffallend hässliche Gesichter und Figuren gestoßen zu sein: Man wird nicht leicht ungezeichnetere Züge und leblosere Gestalten sehen, als bei dem ächten und nie ausheimisch gewesenen Köllner. Man kann es nicht besser ausdrücken, als 381 Siehe: ebd., S. 132. 382 Siehe: Arndt, Reisen, Bd. 4, S. 329. Zu Arndts Reise insgesamt vgl. Walter Erhart, Reisen durch das alte Europa – Ernst Moritz Arndts „Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs“ und die Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts, in: ders./Arne Koch (Hgg.), Ernst Moritz Arndt (1769–1860). Deutscher Nationalismus – Europa – Transatlantische Perspektiven, Tübingen 2007, S. 149–184. 383 Siehe: Arndt, Reisen, Bd. 4, S. 361.



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Bewußtlosigkeit des Geistes, und Gestaltlosigkeit der Gestalt; da sind keine treffenden und allgemein fesselnden Züge, kein Ausdruck der muthigen und kräftigen Thätigkeit. Die Körper sind nicht schwach, sondern vielmehr stark gebaut, aber durchaus formlos, der Kopf spricht nicht, die Brust drängt sich nicht vor, und es scheint, als wenn die dicken Beine und Oswaldsfüße immer erst den Boden untersuchten, ehe sie sich weiter schieben. Man sagt oft, es sey der Geist, der sich sein Haus baue; hier sollte man es fast glauben, wenn in andern Gegenden das Gegentheil nicht so klar am Tage läge. Was man bei andern Menschen Physiognomie und Mienen nennt, gehört in Köln kaum zu hause, und das Todte ist der Karakter der Bildungen, die mit einem bischen Feuer im Auge und Losgebundenheit der Stirn, und mit etwas Leben im Körper oft schön heiß würden. Wer bloß nach dem Aeußern urtheilt, sollte die Köllner ein tückisches und in sich selbst wie kalte Kröten zurückgekrochenes Volk nennen. Plump freilich und grob sind viele von ihnen, aber das gehört mit zum Schiffs- und Stapelrechte.384

Eine fast nicht mehr vorstellbare Steigerung in Bezug auf die diffamierende Darstellung des Aussehens der Kölner gelingt Arndt dann bei seinem Blick auf den Klerus der Stadt: Ich habe oft zum Spaße eine ganze Hetze schwarzer Seminaristen und Studenten mit ihren dicken Anführern vorbeipassiren lassen; aber ich will des Henkers sein, wenn es mir nicht war, als sähe ich den Ausschuss von Menschen. Unter Funfzigen war kaum einer, der eine lebendigere Gestalt und eine freiere Stirn mit einem kühneren Auge zeigte. So etwas Unedles, Gestaltloses und durchaus mit irdener Schwere der Erde Angehöriges habe ich in keiner andern ächtkatholischen Stadt gesehen, wo doch auch solches junge Vieh oft eben so methodice zur geistlichen Tränke getrieben wird. Es sind fast lauter lange und feiste Bengel, mit starken Knochen und mächtigen Körpern, aber ihre Gesichter sind gewöhnlich noch fast länger und ausgespannter, und sehen im zwanzigsten Jahre so aus, als hätten sie alle Kraft des Lebens schon verstritten und alle Freude genossen. Selbst die Alten haben nichts von der Schlauheit und Spionirung in ihrer Miene, die bei irgend einem klugen Gesichte sich bei der geistlichen Würde so leicht einnistet, und selbst protestantischen Geistlichen noch anhängt, wofern sie nicht sehr edle, oder auch sehr kräftige Menschen sind. O, es gibt doch nichts Häßlicheres in der ganzen Welt für den Menschen, als ein Mensch, der eiskalt, ohne Gefühl und Geist, nur wie ein Automat erscheint und dessen Gesicht nichts weiter sagt, als: ich kann essen und schlafen. Man kann sich wirklich kaum dickhäutigere Stiere denken, noch plumpere Gestalten, als diese Ausspender des Heils... Langsam schleppen die alten Butterfaßbeine die dicken Bäuche fort, um welche sich ihnen auch die ganze Welt zu koncentriren scheint, und die um die Ohren lang herabhängenden Lichtspießhaare zu den langen Gesichtern, und die Art sich zu kleiden, giebt ihnen ganz die Physiognomie und den Anstand eines spulenden Webers, welcher Jakob Böhmens Himmelreiche mit den Luft- und Lichtenglein durchfliegt.385

384 Siehe: ebd., S. 359. 385 Siehe: ebd., S. 354.

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Einen einzigen physiognomischen Lichtblick konnte Arndt bei Betrachtung der zahlreichen Bettler der Stadt konstatieren, wobei jedoch auch hierdurch das ihrer Katholizität geschuldete negative Gesamtbild Kölns unterstrichen wurde: Der ächtkatholische Glaube, wo er noch konsequent ist, macht ja freiwillige Armuth und Tagedieberei zu etwas Verdienstlichem. Eine Bemerkung hat sich mir indessen aufgedrungen, welche der Bettelei einigermassen das Wort reden mag, diese, daß man unter den Bettlern in Kölln grade die lebendigsten und klügsten Physiognomien findet; so bildet selbst die Schurkerei die Kräfte des Menschen aus.386

Die dänische Schriftstellerin Friederike Brun konstatierte schließlich nach einer Reise in den katholischen Süden zwischen 1801 und 1803 beinahe enttäuscht: Das Katholischseyn kleidet die Frauen nur im südlichen Europa; wer kann je den Blick frommer Schwärmerey vergessen, der ihn jenseits der Alpen sah? Allein im südlichen Deutschland ist es noch mehr Bigotterie als Schwärmerey – die Einbildungskraft ruht, und der Verstand ist doch gelähmt.387

Anschaulich beschreibt sie diesen Sachverhalt am Beispiel der Frauen des Rheingaus, wo sie in Rauenthal ihre physiognomischen Betrachtungen mehr an den sozialen als den konfessionellen Lebensbedingungen festmachte: Die Menschenart hier herum ist überhaupt nicht schön, und die Bildung des Kopfes und die Gesichtsformen sind sogar auffallend hässlich. Du siehst nämlich, besonders unter den Frauen, eine Menge Plattköpfe, und so ist auch das Gesicht kurz und gleichsam zusammengedrückt! Es ist etwas Verbildetes darin, welches auffällt; die Augen sind meistens lebhaft, und stehen ziemlich weit von einander, und die Nasenwurzel geht gut dazwischen hinein – allein die Nasenspitze ist beynah immer wie abgebissen. Die zusammengedrückte Kürze des Gesichtes, und die Plattheit des Kopfes rührt, fürcht’ ich, davon her, dass Kinder beydes Geschlechts (und Weiber ihr Leben lang!) von früher Jugend an alles, Heu, Gras, Stroh, Wasser usf. auf dem Kopfe tragen.388

Dem Auge wohl gefallende Ausnahmen begegneten dem mit physiognomischer Brille Reisenden jedoch in protestantisch geprägten Landstrichen, wo diese leicht erkennbar den konfessionellen Grenzübergang signalisierten. Friedrich Albrecht Klebe erreichte auf seiner Rheinreise Richtung Norden im Sommer 1800 im zu

386 Siehe: ebd., S. 357. 387 Siehe: Friederike Sophie Christiane Brun, Episoden aus Reisen durch das südliche Deutschland, die westliche Schweiz, Genf und Italien in den Jahren 1801, 1802, 1803. Nebst Anhängen vom Jahr 1805, 2 Bde., Zürich 1806–1809, hier Bd. 1, S. 11. 388 Siehe: ebd., S. 32f.



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Hessen-Kassel gehörenden St. Goar eine im Rheingau gelegene konfessionelle Enklave, die sich deutlich vom katholisch geprägten Umland abhebe, so Klebe: Aber auch die Einwohner unterscheiden sich auf eine vorteilhafte Art von denen übrigen am Rhein durch Cultur und Industrie. Man sieht es ihnen auf den ersten Blick an, daß sie nicht von Pfaffen und Aberglauben niedergedruckt wurden.389

Ein eindrückliches Beispiel für die physiognomischen Spuren, welche Pfaffenherrschaft und Aberglaube in den Gesichtern der Katholiken hinterlassen konnten, fand Klebe dann wiederum auf seiner Weiterreise in Köln: Sprache, Sitten, Kleidung und die Nationalphysiognomie der Einwohner sehen ganz, wie die eines fremden Volkes aus. Diese litaneyähnliche, singende Sprache, dieses abscheuliche köllnische Rothwelsch des gemeinen Volkes ist, glaube ich, unverständlicher, als irgendein anderer teutscher Dialekt, und zu diesem passen ganz die stieren Augen, die hochgestirnten krumnasigten Köpfe und aufgeworfenen Lippen des Pöbels dieser Stadt, in dessen Gesichtern sich eine wilde Rusticität, Bigotterie, und eine reichsstädtische Selbstgenügsamkeit mahlen, die noch ein Denkmal der vorigen Regierung ist. Um das köllnische Volk genau beobachten zu können, muß man es an öffentlichen Orten sehen, wo es sich nach seiner Weise belustigt. An allen Sonn- und Festtägen der katholischen Kirche, welche noch immer hier heilig gehalten und gefeiert werden, betrinkt es sich in Wein- und Bierhäusern, in Gärten und auf Kegelbahnen, tanzt, spielt und prügelt sich, so daß es das lebendigste Gemälde unserer Ahnen, der alten Teutschen und Scythen vorstellen kann. In seiner ganzen wilden Freude zeigt es sich am Carneval.390

Joseph Aloys Mercy, der 1790 der Schlözerschen These von der autosuggestiven Einbildungskraft und ihrer Wirkung bei Katholikinnen noch anhing, konnte es nicht unterlassen, auch hierin wieder einen Nachweis für die dem Katholizismus eigene sittliche Verdorbenheit zu erkennen. Doch zeigten hier die aufgeklärten Reformmaßnahmen in den geistlichen Staaten langsam ihre Wirkung, bemerkte er spöttisch, denn: Seitdem die Nachtandachten in den katholischen Kirchen ein Ende genommen, soll auch die Fortpflanzung der schönen Madonnagesichter etwas nachgelassen haben. Die feierliche Mitternacht erhöhte die Einbildungskraft, und schärfte die Empfindsamkeit der religiösen Schwärmerin, die noch voll Bilder, in welchen sie den Himmel auf der Erde suchte, ihr schwaches Herz vor dem gleich phantastischen Jüngling oder Diener der Kirche nicht verwahrt hatte, welcher von einem Marienbilde bezaubert, etwas ähnliches auch außer der Kirche aufsuchte.391

389 Siehe: Klebe, Reise, Bd. 2, S. 64. 390 Siehe: ebd., S. 350. 391 Siehe: Mercy, Reise, S. 113.

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Die mal mehr, mal weniger subtile Verknüpfung in der Darstellung weiblicher Erotik und sittlicher Verderbtheit des katholischen Klerus zeigt sich als ein oft wiederkehrendes Sujet in der Reiseliteratur insbesondere der Spätaufklärung und orientierte sich an der stilbildenden Vorlage Johann Pezzls und seines Reiseromans Faustin von 1783. Wie man bereits in den Auslassungen Johann Nikolaus Beckers und Ernst Moritz Arndts erkennen konnte, trat neben die angeblich bereits an der Physiognomie ablesbare Wollüstigkeit des Klerus der augenscheinliche Mangel an Bildung und die tief verwurzelte Antriebslosigkeit, die sich in der „Dummheit des Blicks“ und der Beleibtheit der Geistlichen manifestierte, bisweilen auch in mangelnder Hygiene.392 Diese stereotype Darstellung reihte sich damit in die allgemeine literarische Auseinandersetzung mit dem Mönchtum und den Klöstern ein, die zwischen 1770 und 1790 Hochkonjunktur hatte.393 Manuel Borutta benennt in seiner Studie zum Antikatholizismus des 19. Jahrhunderts die Darstellungsweise des Katholizismus und seiner Protagonisten, wie sie von Friedrich Nicolai eingeführt wurde, als eine Form der bewussten „Exotisierung“.394 Die Beschreibung der Menschen und ihrer Lebensgewohnheiten erfolgte im Stil des kolonialen Ethnographen, der gleichsam eine neue Welt für sich erschloss und ihre als archaisch gebrandmarkten Sitten und Gebräuche darstellte. Das Spiel mit dieser Darstellungsweise wurde nach Nicolai in der Reiseschriftstellerei ganz offen betrieben und die Gleichsetzung des Katholizismus mit der Religiosität „wilder Völker“ direkt benannt. 1791 berichtete der sächsische Historiker August von Wackerbart von „plärrenden Bonzen“ im Mainzer Dom,395 das Gebäude selbst 392 So rief Adolph von Knigge beim Anblick eines Kapuziners in Mainz 1771 erschreckt aus: „Zehn Schritte vom Leibe, Du schmutziger Capuziner! Behalte Dein Ungeziefer für Dich!“ (Siehe: ders., Der Roman meines Lebens und Geschichte des armen Herrn von Mildenburg, Riga 1781–1783, S. 202). Ein anonymer Autor stellt einen Kölner Geistlichen 1794 folgendermaßen dar: „Stelle dir einen wohlgemästeten dickwamstigen Pfaffen vor, der sein Fett kaum zu ertragen vermag, – auf dessen Vollmonds Gesichte – die Mine der Dummheit, des Eigendünkels und Menschenhasses thront, und du hast das Bild dieses gallsüchtigen Schmähers und Lästerers der gesunden Vernunft.“ (Siehe: Anonym, Reise, S. 216). 393 Vgl. Hans-Wolf Jäger, Mönchskritik und Klostersatire in der deutschen Spätaufklärung, in: Klueting, Aufklärung, S. 192–207, hier S. 192. Eine Auflistung und Kommentierung von mehr als hundert Titeln antimonastischer Literatur bei Bonifaz Wöhrmüller, Literarische Sturmzeichen vor der Säkularisation, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, NF 14 (1927), S. 12–44. 394 Vgl. Borutta, Antikatholizismus, S. 57; ders., Der innere Orient. Antikatholizismus als Orientalismus in Deutschland, 1783–1924, in: Monica Juneja/Margrit Pernau (Hgg.), Religion und Grenzen in Indien und Deutschland. Auf dem Weg zu einer transnationalen Historiographie, Göttingen 2008, S. 245–274. 395 Siehe: August Joseph Ludwig von Wackerbart, Rheinreise, Halberstadt 1794, S. 171: „Ich bin schon in mancher Stadt gewesen und habe auch manche Kirche gesehen: aber eine so unglaub-



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erschien ihm aus der Ferne wie eine ägyptische Pyramide.396 Der aus Mainz stammende Schauspieler Ferdinand Ochsenheimer kommentierte die Gründungslegende des Wallfahrtortes Nothgottes im Rheingau 1795 folgendermaßen: Wir lachen über die Verwandlungen des Brama, über den Aegypter, der die Zwibel verehrt, und über den Wilden, der seinen Topf vertraulich an seinem Gott wärmt; und wir selbst – die wir auf höhere Kultur Anspruch machen, dulden noch Dinge unter uns, welche an Abgeschmacktheit alles übertreffen, was die menschliche Einbildungskraft in ihren dunkelsten Verirrungen in uns geheckt hat!397

Und während seiner Weiterfahrt auf dem Rhein bemerkte er kurz: Von hier bis Boppart liegen zu beiden Seiten mehrere Klöster, worin sich christliche Derwische zum Nutz und Frommen der heiligen Kirche mästen.398

Johann Jakob Richter verglich die Praxis der lateinischen Litaneien, die er im Rheingau erlebte, mit Gebetsbüchsen „kalmückischer Priester“399 und der evangelische Theologe Samuel Wagener sah in den Katholiken die „Chaldäer unserer Zeit“.400 August von Wackerbart führte dem Leser in seiner Rheinreise schließlich liche Menge von Gebäuden, in welchen Bonzen ihr Geplärre hielten, habe ich wahrlich bis dahin und bis auf Köln noch nirgends gesehen... Wunderlichere Posituren auf den heiligen Kanzeln und sinnloseres Geschwätz von denselben herab, war mir noch nie vorgekommen, und bei alle diesem Gewäsch muste ich, gleich irgend einem englischen Dichter, der sich ein hübsches Mädchen nie in einer schöneren Stellung denken konnte, als wenn sie eben recht eifrig zu Gott betete, die schauervolle Andacht so mancher weiblicher Schönheit bewundern.“ 396 Siehe: ebd., S. 172: „In dem Dome verweilten wir uns am längsten. Wer sich bei dem Worte des Doms in Mainz etwa ein Ding, wie eine Kirche denkt, der täuscht sich ziemlich. Man muss sich dabei eine kleine geistliche Stadt denken und dann erst hat man einen der Sache ziemlich ähnlichen Begriff. Es ist eine ungeheuere Masse, von rothem Steine aufgebaut und erscheint in der Ferne fast wie eine ägyptische Pyramide.“ 397 Siehe: Ferdinand Ochsenheimer, Streifereien durch einige Gegenden Deutschlands 1792, Leipzig 1795, S. 199f. 398 Siehe: ebd., S. 208. 399 Siehe: Richter, Erinnerungen, S. 187: „Indessen wird hierdurch der wahre Zweck der Gottesverehrung verfehlet. Gebet und Gesang sollen uns mit dem Geiste Gottes befreunden und mit Muth und Kraft ausrüsten ihm ähnlich zu werden. Wir dürfen ja nicht plappern wie die Heiden; sonst könnte man sich allenfalls der Mühe des Selbstbetens überheben und, wie die kalmückischen Priester, die geschriebenen Gebete in eine cylinderförmige Büchse werfen, sie dann hin und her rütteln und gottselig sein Pfeifchen dazu schmauchen.“ 400 Siehe: Samuel Christoph Wagener, Reise durch den Harz und die Hessischen Lande. Besonders in Hinsicht auf Naturschönheiten, Anbau und Alterthümer. Von dem Verfasser der Briefe: Ueber die Pfalz am Rhein und deren Nachbarschaft, Braunschweig 1797, S. 302f: „Die Chaldäer erwiesen dem Feuer göttliche Ehre. Ja sie erklärten dasselbe laut, und zum Aergerniß der übrigen Götzendiener, für die höchste und mächtigste Gottheit, und wähnten schier, im Besitz des allein

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 Themenfelder religiöser Differenzerfahrung

einen leibhaftigen Vertreter jener „Bonzen“ vor, die er im Mainzer Dom gesehen haben wollte. In die Schiffskabine, in der sich neben von Wackerbart Vertreter verschiedener europäischer Nationen befanden, stieg ein katholischer Geistlicher hinzu, der sich bereits durch seine äußere Erscheinung stark von den Mitreisenden unterschied: Der Mann war gekleidet, wie ein Mönch, mit blossem Kopfe, abgeschnittenen Haaren, einer mächtigen Kapuze, einem röthlich grauen Mantel, einem schreklichen Strikke um den Leib, keine Strümpfe, kein Hemd, aber gewaltig hohe Pantoffeln. Dies war das Aeusserliche eines Herrn Professors, der uns einige Stunden lang sehr angenehm unterhielt.401

Von Wackerbart inszenierte anhand dieser Figurenkonstellation ein Streitgespräch über die Daseinsberechtigung der Klöster, in dem die sich als Vertreter der Aufklärung gebenden Mitreisenden den Geistlichen mit allen Mitteln zur Vernunft zu bringen versuchten: Um aber doch ein Beispiel von seiner aufgeklärten Denkungsart zu geben, so behauptete der Herr Professor steif und fest, dass die Klöster eine der grössten Wohltaten für das Menschengeschlecht seyen. Der Engländer sah dem Manne starr ins Gesicht, der Russe verzog sein Gesicht, die Franzosen lachten, der Schwede spukte, und die drei Kaufleute banden mit ihm an. Einen fröhlichern Zank habe ich noch nicht angehört. Jeder wollte ihn zurecht weisen, und der Mann ließ sich nicht zurecht weisen. Jeder wollte ihn überreden, daß er Unrecht hätte, und er glaubte durchaus, daß das vollkommenste Recht auf seiner Seite wäre. Endlich entrüstete sich der Herr Professor so schreklich, daß er mit lateinischen Floskeln seine Verwünschungen ausdrükte. Hier nahm der Pohle das Wort; und jezt entstand ein sehr lebhafter Streit, der sich damit endigte, daß der Pohle den Professor auf einige Kastaniensäkke schmiß, die am Ende des Verdeks lagen, und ihm dabei tüchtig das Kleid ausklopfte. Gewiß, keine Komödie auf dem Theater gespielt, hätte eine so trefliche Erschütterung des Zwerchfells hervorbringen können.

Im inszenierten Aufeinandertreffen von aufgeklärten Vertretern zivilisierter Nationen mit dem fremden, unwandelbaren katholischen Anderen konnte dem Leser dessen renitente, bereits äußerlich erkennbare Rückständigkeit vor Augen seligmachenden Glaubens zu seyn. Unduldsam und absprechend stritten sie mit jedem Andersdenkenden, über den Rang der verschiedenen damals angebeteten Götzen; und mit dem dummen Eifer eines spanischen Großinquisitors hätten sie gerne auch alle ihre Nachbarn, besonders die Aegyptier, zu ihrem Feuergotte bekehrt..... Diese glänzende Demüthigung der intoleranten und herrschsüchtigen chaldäischen Priester war die Veranlassung, daß die Aegyptier den Gott des ihnen heiligen Nilwassers von nun an unter dem Namen Kanopus, und in der Gestalt jener Wasserurne mit einem Kopfe, und mit Händen göttlich verehrten. – Wem fällt nicht bey diesem heidnischen Religionsstreit der allein seligmachende Glaube der Chaldäer unserer Zeit ein?“ 401 Siehe: Wackerbart, Rheinreise, S. 270.



Die Physiognomie des Menschen 

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geführt werden. Sein Beharren auf Andersartigkeit legitimierte sogar Gewalt gegen ihn.402 402 Zum Themenkomplex Gewalt und religiöse Toleranz im Zeitalter der Aufklärung vgl. Greyerz, Intoleranz, S. 57–73. Ein ähnliches Gespräch wie von Wackerbart schilderte der evangelische Geistliche Johann Gottlieb Burckhardt. Auch in dessen Bericht wurde der katholische Geistliche sofort anhand seiner Äußerlichkeiten identifizierbar gemacht: „Die Reise gieng von Cölln nach Aachen; und weiter diesen Tag nicht. Ich hatte eben sonderlich keine merkwürdige Gesellschaft, als einen wohlbeleibten Capuciner-Münch, welcher wegen seines Barfußgehens den Krampf in die Füße bekommen hatte, und deswegen nach Spa gehen wollte. So bald ich mit ihm in den Postwagen stieg, dachte ich, das wird eine gute Unterhaltung werden. Er saß aber kaum: so fiel er in Schlaf, und erwachte erst in drey Stunden wieder, wo ich denn Lust bekam, ihn auszuholen. Weil es ein schöner Morgen war; so fieng ich von der Herrlichkeit Gottes in den Werken der Natur, und von der Verbindlichkeit vernünftiger Geschöpfe, dies große Wesen anzubeten, zu sprechen an. ‚Ihre Gespräche sind ganz verständig‛, sagte er, ‚aber was ist das alles, wenn der Verstand nicht durch die Kirche geleitet wird?‛ Ich suchte ihm verständlich zu machen, daß ein gesunder Verstand ja das Werkzeug sey, womit wir nachdenken müssten, welches die wahre Kirche sey, und daß das nach den Regeln der Auslegungskunst erklärte Wort Gottes die Richtschnur sey, nach der man dieses nachdenken anstellen müsse; aber er verstand mich, und ich verstand ihn nicht, weil die Gläser, durch die wir die Gegenstände betrachteten, nicht einerley Farbe hatten, obgleich die Gegenstände dieselben blieben. – Ich traf aber bey ihm viel Unwissenheit selbst in der Geschichte und dem Zustande seiner eignen Kirche an. ‚Was denken Sie‛, sagte ich, ‚zu der vor kurzem gedruckten Predigt eines gewissen Pater Simplex Hahn, die er öffentlich gehalten hat, und deren Thema ist: Kein Protestant kann selig werden. Der Mann muß ein großer Patron von der Verdammniß und Hölle seyn. Was sagen Sie dazu?‛ ‚Ich habe sie gelesen, und ich würde sie nicht gehalten, am wenigsten gedruckt haben. Aber in der Hauptsache behält er doch Recht. Denn es bleibt doch dabey: Extra ecclesiam nulla salus.‛ Ich glaube, ich wurde blaß, als ich diesen Mann in eben solchen Irrthümern sahe, zitterte für mein Leben in einer Gesellschaft von solchen Grundsätzen, schwieg, und betete für sie im Stillen zu Gott, dem Urquell der Wahrheit, die durch Ungerechtigkeit der Menschen aufgehalten wird. Da ihm übrigens meine Fragen und Unterredungen selbst überlästig wurden, und eben so vorkommen mochten, als der Fledermauß das Licht, und da er überhaupt mehr Körper als Seele zu haben schien; so fiel er wieder in Schlaf....“ (S. 100f) Während der Weiterfahrt stieg eine ältere Dame in die Kutsche dazu, die gerade ihre junge Tochter in ein Benediktinerinnenkloster gebracht hatte: „‚Warum haben Sie ihre liebe Tochter ins Kloster gebracht?‛ Sie sahe mich erstaunt und von der Seite an, und sagte: ‚Wer kann denn seine Kinder besser versorgen?‛ ‚Aber sie ist noch zu jung?‛ erwiederte ich. – Der Capuziner ergriff, statt ihrer, das Wort: ‚So‛, sagte er, ‚das ist schön, Gott erst im Alter dienen wollen!‛ ‚Man kann‛, sagte ich, ‚mitten in der Welt, und da am besten, seinem Gott dienen. Die stille eingezogene Lebensart in Klöstern gefällt mir zwar überhaupt, wenn es ohne Zwang abgieng, und es eine Einrichtung blos für alte Leute würde, die sich um die Welt durch ihr Leben verdient gemacht haben, und die nun den Rest ihrer alten Tage mit Ruhe und in Einsamkeit beschließen wollten. In meinem sechzigsten Jahre, wenn ich so lange lebe, hätte ich selbst Lust, ein Münch zu werden‛ – durch diese und andere Gespräche gab ich mich nun freylich zu blos, daß man mich nothwendig entweder für einen Philosophen und Naturalisten, oder für einen Ketzer halten mußte. O, Religion, wenn wirst du die Menschen nicht mehr entzweyen, sondern alle zu Brüdern und Schwestern vereinigen?“ (Siehe: Burckhardt, Bemerkungen, S. 98–103).

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 Themenfelder religiöser Differenzerfahrung

3.7.3 Vergleichende Beobachtungen Während sich der dänische Literat Jens Baggesen in seinen Beschreibungen eines Rheinaufenthaltes ganz an den vorgeprägten Stereotypen einer konfessionellen Physiognomik à la Lavater, Schlözer und Nicolai orientierte und diese in Bezug auf Katholikinnen sogar noch erotisch überzeichnete, ist das Urteil über die katholische Physiognomie bei einem Autor wie Johann Nikolaus Becker gänzlich negativ. Wo der Däne in Gebet und Andacht die Quelle für anbetungswürdige weibliche Grazie sieht, ist für den Republikaner Becker alles Kontemplative – und zwar sowohl bei Katholiken als auch Protestanten – nichts als Vertröstung und Irreführung des dritten Standes durch böswillige Geistliche. Die Auswirkungen dieser „Andächteley“ führen in physiognomischer Hinsicht zu tumben und hässlichen Gesichtszügen, die Becker überall auf seiner Reise entlang des Rheines vorgefunden haben will. In ihrer Widersprüchlichkeit zeigen beide Beschreibungen auf, wie sehr die physiognomische Brille die Projektionen des Betrachters und dessen konfessionellen Ausgangspunkt viel stärker zum Ausdruck bringt, als eine an Tatsachen orientierte und objektive Zustandsbeschreibung zu sein. Galt bei Baggesen die „Kuhdummheit“ eines Geistlichen als ein Zeichen für seine „Heiligkeit“, so beschrieb Becker alle Geistlichen als wollüstige Schürzenjäger, die das Vertrauen der ihnen anvertrauten Gläubigen hemmungslos ausnutzen, um sich selbst ein bequemes Leben zu ermöglichen. Für Lavater galt die „Religionsphysiognomik“ noch als ernstgemeinter Versuch, Aussagen über das Gottesverhältnis und die moralische Verfasstheit einer Person zu erhalten. Als neue Beobachtungskategorie in Reiseberichten jedoch wurde der physiognomische Aspekt schon recht bald sehr einseitig und sich an bestimmten Stereotypen orientierend gehandhabt (Exotisierung!). Die Diffamierung einer vermeintlich eindeutig identifizierbaren katholischen Physiognomie bedeutete in Hinsicht auf das Verhältnis der christlichen Konfessionen zueinander eine Verfestigung von Vorurteilen, die im „zweiten konfessionellen Zeitalter“ und darüber hinaus massenhaft propagiert wurden.403 403 Münch, Katholiken und Frey, Toleranz machen wiederholt auf die lange Überlebensdauer dieses Zerrbildes alles Katholischen aufmerksam, dessen Auswirkungen über die Zeit des Kulturkampfs bis in die Nazi-Zeit hinein zu verfolgen sind. Auf Zusammenhänge zwischen Lavaters Thesen und der Evolutionslehre Darwins verweist: Walter Brednow, Von Lavater zu Darwin (= Sitzungsberichte der sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse 108, Heft 6), Berlin 1969. Zur langen Dauer konfessioneller Stereotype auch: Wolfgang Brückner, Stereotype Anschauungen über Alltag und Volksleben in der Aufklärungsliteratur. Neue Wahrnehmungsparadigmen, ethnozentrische Vorurteile und merkantile Argumentationsmuster, in: Helge Gerndt (Hrsg.), Stereotypvorstellungen im Alltagsleben. Beiträge zum Themenkreis Fremdbilder – Selbstbilder – Identität, München 1988, S. 121–131. Dass das

 Zusammenschau zu den thematischen Feldern konfessioneller Differenzerfahrung 

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3.8 Zusammenschau zu den thematischen Feldern konfessioneller Differenzerfahrung Max Weber umschrieb 1919 mit seinem Diktum von der Entzauberung der Welt404 eine von ihm konstatierte Entwicklung in der Frühen Neuzeit, in der durch Technisierung und Rationalisierung eine Modernisierung der europäischen Gesellschaft weg von den feudal-traditionellen Strukturen des Mittelalters stattgefunden habe.405 Ganz im Sinne der Aufklärung sei die Geschichte der Menschheit somit als eine Fortschrittsgeschichte zu sehen, die eine im Prinzip alternativlose Entwicklung darstelle, deren Gesetzmäßigkeiten man sich nicht entziehen könne.406 Diese vor allem wirtschaftsgeschichtlich fundierte These Webers wurde unter konfessionellen Aspekten ergänzt durch seine Schrift über die Zusammenhänge von protestantischer Ethik und der Entwicklung des modernen Kapitalismus.407 Die betrachteten Beschreibungen vornehmlich protestantischer Reisender der Frühen Neuzeit erweisen sich in ihrer überwiegenden Mehrheit in einem gewissen Sinne als Vorläufer der Weberschen Thesen, indem sie im Bewusstsein konfessioneller Differenz unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen im kulturellen, wirtschaftlichen und mentalen Bereich herausarbeiteten, die den Katholizismus zu einem Gegenentwurf der Moderne stilisierten, den es zu überwinden galt. Damit schlossen sie an einen in englischen Reiseberichten bereits zuvor entworfenen Stil an, in dem der Protestantismus zum Motor des gesellschaftlichen Fortschritts erklärt worden war. Die katholische Rückständigkeit Physiognomieren auch in aufgeklärten katholischen Kreisen auf Interesse gestoßen sein muss, zeigt das Beispiel des Coelestin Stoehr, eines gelehrten und naturwissenschaftlich breit interessierten Konventualen aus dem Kloster Banz. Er veröffentlichte das Buch Physiognomik oder Kunst die Menschen aus dem Gesichte zu beurtheilen (Coburg 1804), in dessen Vorwort er angab, sich mit dem Thema mehr als zwanzig Jahre lang beschäftigt zu haben. Neben einer breiten, an Lavater angelegten Methodik nimmt das Werk vor allem moralische Aspekte in den Blick, die aus den Gesichtszügen der betrachteten Person gedeutet werden könnten. Vgl. Lothar Braun, Die Brüder Coelestinus und Hieronymus Stöhr und ihr gemeinsames Werk, in: Coelestinus und Hieronymus Stöhr, Neue Chronick der Stadt Cronach, (ND Kronach 1987). 404 Siehe: Max Weber, Wissenschaft als Beruf, herausgegeben von Wolfgang J. Mommsen/Wolfgang Schluchter, Tübingen 1994 (= Studienausgabe der Max Weber-Gesamtausgabe Band I/17), S. 22. 405 Zum Begriff, seiner Entwicklung und Verwendung bei Max Weber und seiner Beschreibungskraft vgl. Hartmut Lehmann, Die Entzauberung der Welt. Studien zu Themen von Max Weber, Göttingen 2009. 406 Hierzu Hersche, Muße, Bd. 1, S. 36–44. 407 Siehe: Max Weber, Die protestantische Ethik, 2 Bde., neu herausgegeben von Johannes Winckelmann, Gütersloh 71984. Zusammenfassend über die Forschungssituation in den historischen Wissenschaften zur Weberthese vgl. Hersche, Muße, Bd. 1, S. 94–111.

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 Themenfelder religiöser Differenzerfahrung

manifestierte sich ihrer Meinung nach im ruinösen, das Bettel- und Mönchswesen subventionierenden Wirtschaftsstil der geistlichen Staaten, im unaufgeklärten Bildungswesen, der oberflächlichen und am magischen Denken orientierten Auffassung von Religion, und ließ sich sowohl in der Physiognomie der Landschaft wie der sie bewohnenden Menschen ablesen. Wurde die eine als düster, eng und schmutzig beschrieben, so wurde in Bezug auf das typisch „katholische Gesicht“ die Rede von „Madonnen- und Mönchsgesichtern“ geführt, in denen sich die moralische und allgemein kulturelle Rückständigkeit des Katholizismus angeblich abbilde und somit für den Betrachter unmittelbar erkennbar sei. Ein Ausgangspunkt des letztlich gattungsgeschichtlich erklärbaren Funktionswandels der Reiseberichte für die aufgeklärte Öffentlichkeit im Reich im Laufe der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war die patriotische Forderung Friedrich Carl von Mosers gewesen, die er 1765 in seiner Schrift Von dem deutschen Nationalgeist aufgestellt hatte. Angelehnt an ähnliche Entwicklungen in den europäischen Nachbarländern bestimmte er ein verstärktes Kennenlernen der in den unterschiedlichen Regionen des Reichs lebenden Bevölkerungsgruppen als Voraussetzung für eine nationale Einigung. Das Medium, mit Hilfe dessen die nichtreisende Öffentlichkeit über die Eindrücke und Erfahrungen der Visiten anderer Landesteile informiert werden sollte, war die auf dem Buchmarkt stark nachgefragte Reiseliteratur. Als einflussreichster und in Bezug auf die Herausarbeitung konfessioneller Unterschiede am nachhaltigsten wirkender Schriftsteller, der im Anliegen Mosers handelte, erwies sich der Berliner Verleger Friedrich Nicolai. Auch wenn seine einseitige und oft polemische Sicht auf die konfessionell bedingten Differenzen in den unterschiedlichen Regionen stilbildend für den Großteil deutschsprachiger Reisebeschreibungen war, blieb sie innerhalb des Mediums nicht unwidersprochen. Einige wenige katholische Autoren wie der Koblenzer Priester Josef Gregor Lang versuchten die stereotypen Vorhaltungen in der Reiseliteratur teilweise mit dem gleichen Beobachtungsinstrumentarium (z. B. die Physiognomik) zu widerlegen. Auch die große Aufmerksamkeit, welche der aufgeklärten Reformpolitik im Mainzer Kurstaat zu Teil wurde, und die zumindest bei dem evangelischen Gießener Theologieprofessor Johann Christoph Friedrich Schulz sogar ökumenische Hoffnungen geweckt hatte, bildet eine im Gesamt der Reiseliteratur bedeutsame Ausnahme. Die der Französischen Revolution nachfolgenden politischen Umwälzungen hinterließen auch in der konfessionellen Signatur der Reiseliteratur ihre Spuren. Das Ende der geistlichen Landesherrschaft und die neu ins Bewusstsein tretende Funktion des Rheins als nationaler Grenze zu Frankreich408 veranlasste 408 Hierzu ausführlich und geistreich Lucien Febvre, Der Rhein und seine Geschichte, Frankfurt am Main 32006.

 Zusammenschau zu den thematischen Feldern konfessioneller Differenzerfahrung 

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die Autoren von Reiseberichten zu einer tendenziell neuen Bewertung der katholischen Landschaftsprägung und der dort zu findenden Konfessionskultur. Die überwiegend negative Beurteilung von katholischem Stadt- und Landschaftsbild, der konfessionellen Physiognomie der Landschaft, wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts – wiederum mit starkem Einfluss der britischen Reiseliteratur – neu interpretiert. Die literarische Romantisierung einer Landschaft, wie sie am Beispiel des Oberen Mittelrheintals maßstabgebend durchgeführt wurde, ging einher mit der Sakralisierung des Landschafts- und Naturempfindens, das sich dankbar der Relikte des säkularisierten Katholizismus im Landschaftsbild bediente. Zur gleichen Zeit bildete die romantische Landschaftsbetrachtung auch einen patriotischen Ton aus, der die Kulturlandschaft des Rheintals in nationaler Hinsicht zu „weihen“ versuchte, wie am Beispiel von Ernst Moritz Arndt und der national gesinnten Rheinbegeisterung der Folgejahre gut aufgezeigt werden kann. So evozierte die durch den Geist der Aufklärung vorbereitete und in Folge der Französischen Revolution und anschließender Säkularisation de facto durchgeführte Entzauberung der Welt im Medium der Reiseliteratur deren neue Verzauberung im Sinne der Romantik. Von dem breiten Spektrum an Wahrnehmungsfeldern konfessioneller Differenz innerhalb der Reiseliteratur erwiesen sich im Laufe des 19. Jahrhunderts vor allem die einfach zu handhabenden antikatholischen Stereotypen und die emotional grundgelegte Romantisierung des Rheintals und des Rheinlands als längerfristig wirksame und allgemein erinnerte Merkmale.

4 Von Mainz nach Köln – Orte konfessioneller Differenzerfahrung „Nirgends erscheint der Aberglaube in einer schauderhafteren Gestalt als in Kölln. Jemand, der aus unserm aufgeklärten Mainz dahin kommt, hat in der That einen peinigenden Anblick an der mechanischen Andacht, womit so viele tausend Menschen den Müßiggang zu heiligen glauben, und an der blinden Abgötterei, die der Pöbel hier wirklich mit Reliquien treibt, welche den ächten Religionsverehrern unter den Katholiken selbst ein Ärgerniß geben.“ Georg Forster, Ansichten vom Niederhein1

Nachdem im vorigen Abschnitt verschiedene Themenfelder religiöser Differenzerfahrung vorgestellt wurden, soll nun die Darstellung einzelner Orte bzw. Landschaften und ihrer konfessionellen Verhältnisse in der Reiseliteratur betrachtet werden. Ausgewählt wurden Örtlichkeiten und Herrschaftsgebiete entlang des Rheins, geordnet von Süd nach Nord, die in besonders markanter Art und Weise unter konfessionellen Aspekten betrachtet wurden und in denen die Reisenden gerade solche Grenzerfahrungen erleben konnten, wie sie Georg Forster in Bezug auf Mainz und Köln beschrieben hat. Es beginnt mit der Kurpfalz (4.1), geht dann über Mainz (4.2) und Neuwied (4.3) bis nach Köln (4.4). Auch Worms als Stätte protestantischer Erinnerungskultur hätte hier eingereiht werden können, wurde aber bereits im Kontext der thematischen Untersuchung vorgestellt (3.3.5). Die Wahrnehmung und Bewertung der Unterschiedlichkeit von Konfessionsräumen konnte dabei, wie am Beispiel Georg Forsters aufgezeigt werden kann, selbst deren Binnenraum betreffen und diese in Kontrast zueinander setzen.

4.1 Die Kurpfalz Viele britische Reisende hatten nach einem Aufenthalt in pfälzisch regierten Regionen auch noch im Laufe des 18. Jahrhunderts die dort angeblich zu findende religiöse Toleranz besonders hervorgehoben (2.6). Tatsächlich war diese besonders unter der Herrschaft von Kurfürst Karl Ludwig (1649–1680) als Lockmittel zur Repeuplierung der Kurpfalz nach der Entvölkerung durch den Dreißigjährigen Krieg genutzt worden und hatte Juden, Hutterer aus Mähren, polnische Sozinianer, englische Sabbatarier, schweizerische Mennoniten, französische Hugenotten und Katholiken aus Österreich und den Spanischen Niederlanden in die Pfalz 1 Siehe: Forster, Ansichten, S. 65.

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 Von Mainz nach Köln – Orte konfessioneller Differenzerfahrung

gebracht.2 Doch bereits während der Herrschaft des in religiösen Dingen weitestgehend indifferent denkenden Karl Ludwigs3 hatte die pfälzische Religionspolitik vor allem Unionsbestrebungen zwischen Reformierten und Lutheranern im Blick und den Katholiken lediglich einen Status eingeräumt, der nur bedingt als toleriert bezeichnet werden kann.4 Erst durch den tiefen Einschnitt, den der Dynastiewechsel von der reformierten Linie Pfalz-Simmern zur katholischen Linie Pfalz-Neuburg 1685 bedeutete, wurden etwa Beamtenstellen auch wieder für Katholiken zugänglich gemacht.5 In der Folge von Pfälzischem und Spanischem Erbfolgekrieg und trotz der auf Parität ausgerichteten Religionsdeklaration von 1705 entwickelte sich der Katholizismus in der Kurpfalz im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einer privilegierten Minorität, die alle maßgeblichen Stellen am Hof und in der Staatsverwaltung besetzte.6 Gerade zu Beginn des 18. Jahrhunderts führte dies zeitweilig dazu, dass man von katholischer Seite aus anderskonfessionelle Mitbürger ähnliche Formen von Unterdrückung spüren ließ, wie man sie zuvor selbst hatte erleben müssen.7 Im Alltag bewährte sich jedoch der hohe Grad an konfessioneller Durchmischung in der Pfalz als Basis für das Entstehen einer pragmatischen Toleranz im Alltagsleben, wie sie sich gerade für das Entstehen der innerprotestantischen Kirchenunionen als sehr wichtig erwies.8

2 Vgl. Kohnle, Klausel, S. 159. Wie unter Karl-Ludwig Religions- zur Finanzpolitik genutzt wurde vgl. bei Volker Sellin, Die Finanzpolitik Karl Ludwigs von der Pfalz. Staatswirtschaft im Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg, Stuttgart 1978, S. 112–115. Als kompakten Überblick über die historischen Rahmenbedingungen für das konfessionelle Miteinander in der Kurpfalz vgl. Armin Kohnle, Kleine Geschichte der Kurpfalz, Karlsruhe 42011. Zur Einordnung der pfälzischen Einwicklung in die Reichspolitik vgl. Eduard Hegel, Zum Verhältnis der Konfessionen in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Schwaiger, Polemik, S. 11–28. 3 Beispiele für dessen pragmatische Ansichten in Bezug auf theologisch begründete Unterschiede der verschiedenen christlichen Bekenntnisse finden sich bei Gustav Adolf Benrath, Die konfessionellen Unionsbestrebungen des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz († 1680), in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 116 (1968), S. 187–252. 4 Vgl. Eike Wolgast, Religion und Politik in der Kurpfalz im 17. Jahrhundert, in: Mannheimer Geschichtsblätter NF 6 (1999), S. 189–208, hier vor allem S. 198f. 5 Zu den weitreichenden Folgen des von Karl II. durch den Haller Rezess eingeleiteten Dynastiewechsel vgl. Meinrad Schaab, Geschichte der Kurpfalz, Stuttgart u.a. 1992, hier Bd. 2, S. 145–160. 6 Vgl. Meinrad Schaab, Die Katholiken in der Kurpfalz. Von einer unterdrückten zur privilegierten Minderheit, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 13 (1994), S. 133–148. Eine Gesamtschau auf das Verhältnis der verschiedenen Konfessionen zueinander bei Paul Warmbrunn, Drei Konfessionen in einem Territorium, in: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte 62 (2010), S. 175–198. 7 Vgl. Warmbrunn, Konfessionen, S. 198. 8 Vgl. ebd.



Die Kurpfalz 

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In den Augen aufgeklärter Reisender stellte sich die pfälzische Gemengelage – Jean de Blainville sprach nach seiner Reise 1705 gar von einem „Mischmasch“9 – und die zeitweise Protektion der Katholiken durch die Landesherrschaft als ideales Beispiel für die korrumpierende Wirkung dar, die ihrer Ansicht nach der Katholizismus in vielerlei Hinsicht auf die Gesellschaft hatte. Der evangelische Theologe Samuel Christian Wagener schmückte seinen Reisebericht Ueber die Pfalz am Rhein und deren Nachbarschaft durch ein Interview mit einem Pfälzer Landmann aus, dessen Redebeiträge er in dialektaler Form wiedergab – vermutlich um den Grad an Authentizität zu betonen, den er in den nachzulesenden Informationen sehen wollte. Über die allgemein schädlichen Konsequenzen katholischer Dominanz für Wirtschaft und Moral wusste dieser protestantische Pfälzer zu berichten: Wir Protestante’ in der Palz sind z.B. kezwunge’, auch an solchen Festtagen der Katholike’, die mirr nit mitfeire’, mit zu faulenze’, kesetzt auch, mirr hätte’ noch so nöthig in unsern Wingerten (Weinbergen) und auf dem Akker zu thun. Das Schlimmste dabei ist, daß die mehrste katholische Festtage in einer Jahreszeit falle’, wo man kerne jede Stunde benützte.... Denn wirr kehen an den kleinen katholischen Festtagen aus Langeweile in die Weinhäuser, und versaufen kute Sitten, Kelt und Kesundheit.10

Der Reiseschriftsteller Georg Keyßler stieß bereits 1730 in ein ähnliches Horn und schilderte folgende Beobachtung: Ueberhaupt wissen diejenigen, so der römischen Kirche im Lande geneigt sind, es also einzurichten, daß zu den protestantischen geistlichen Bedienungen meistentheils Leute von geringen Wissenschaften und Gaben gezogen werden, wovon der Gegenpart wenig zu befürchten hat, daher denn wohl zu vermuthen, daß die Anzahl der Katholiken mit der Zeit auf allerley Art und Weise zunehmen werde. Es geschieht solches anitzt schon öfters von Leuten, welche dadurch eine Linderung oder Erlassung wohlverdienter peinlicher Strafen suchen und erhalten. Man erzählet, daß neulich ein Jude, der gehängt werden sollen, um der Todesstrafe zu entgehen, sich zur evangelischen Kirche bekannt, und da er hernach befraget worden, warum er nicht vielmehr zur römischen Partey getreten, geantwortet habe, daß er dieses verspare auf den Fall, wenn er etwan noch einmal in dergleichen mißliche Umstände gerathen sollte. Die Anzahl der alten Familien nimmt in der hiesigen Pfalz sehr ab, und gerathen die meisten Güter an Fremde. Der Herr von ... war ehemals Stadtschreiber in Düsseldorf und recommendirte sich bey dem vorigen Churfürsten durch seine schöne Handschrift. Des Grafen von ... Großvater war ein Müller.11

9 Siehe: Blainville, Reisebeschreibung, S. 129. In Bezug auf die Orte Bacharach, Kaub und St. Goar bemerkte er: „Man kann die Einwohner dieser drey Orte mit Recht einen Mischmasch nennen, weil sie von allen drey Religionen, Catholisch, Lutherisch und Reformirt sind.“ 10 Siehe: Wagener, Pfalz, S. 17. 11 Siehe: Keyßler, Reisen, S. 1462.

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 Von Mainz nach Köln – Orte konfessioneller Differenzerfahrung

Auch Johann Pezzl widmete einige Passagen seines Reiseromans Faustin den konfessionellen Zuständen in der Pfalz, um deren katholischen Bevölkerungsteil gezielt zu diskreditieren: Eine Menge von Strauchdieben, Landstreichern, Beutelschneidern, Bankrottmachern diesund jenseits des Rheins; Kerle, die man mit Steckbriefen verfolgt, und in öffentlichen Zeitungen als Schelme brandmarkt, laufen in die Pfalz, werden katholisch, und haben nun Schuz, Unterhalt, wohl noch gar öffentliche Bedienungen. Selbst die Delinquenten in den Kriminalgefängnissen können ihrem Halsprozeß mit einmal ein Ende und sich wieder zu ehrlichen Leuten machen, wenn sie zu Proselyten werden.12

Doch auch unabhängig von dem als schädlich gebrandmarkten Einfluss des Katholizismus wurde der Zustand der verschiedenen Konfessionen in der Kurpfalz von vielen Reiseschriftstellern als wenig beispielhaft beschrieben. Der Leipziger Historiker Johann Gottlob Schulz versuchte in mehreren, sehr plastischen Beispielen vorzuführen, dass hier bei allen Bekenntnisgruppen nur wenig konfessionell unterscheidendes Profil vorhanden und ein allgemeiner Verfallszustand gerade auch beim Klerus zu bemerken sei: Die ganze Toleranz in der Pfalz besteht darin, daß im gemeinen Leben die Religion wenig Unterschied machte, (die Menschen sind hier aber gegen ihre eigne Religion eben so gleichgültig als gegen eine andre, bei den Protestanten ist hauptsächlich das der Fall) und daß man, wenn man wollte, Priester von allen drei Sekten in saufbrüderlicher Eintracht mit einander sitzen sah.13

So habe er selbst erlebt, wie jüdische und reformierte Pfälzer bei Krankheit den Hubertussegen von einem Kapuzinerpater der Gegend erbaten, den dieser ihnen auch bereitwillig spendete,14 und als Höhepunkt konfessioneller Desorientierung empfand er das Verhalten einer Speyererin: Einer Frau in Speyer, lutherischer Religion, war ihr Gesangbuch, das mit silbernen Ecken beschlagen war, entwendet worden; um es wieder zu erhalten, ließ sie bei den Katholiken eine Messe lesen. Höher kann der Unsinn wohl nicht leicht getrieben werden.15

Auch Steven van Geuns notierte verärgert seine Beobachtung konfessionellen Fehlverhaltens von protestantischen Einwohnern Heidelbergs, die sich um die nächtliche Beleuchtung von Kruzifixen und Marienbildern verdient gemacht

12 Siehe: Pezzl, Faustin, S. 167. 13 Siehe: Schulz, Wanderungen, S. 194. 14 Siehe: ebd., S. 248. 15 Siehe: ebd., S. 250.

Mainz 

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hatten.16 Und ähnlich wie bereits Samuel Christian Wagener führte Adolph von Knigge gezielt Gespräche mit der pfälzischen Landbevölkerung, um sich einen Eindruck vom Zustand der hiesigen Kirchensachen zu machen. In der Nähe von Worms habe ihm ein Bauer über den Zustand des pfälzischen Calvinismus Folgendes zum Besten geben können: Er war unzufrieden über seinen calvinistischen Pfarrer, der, wie er sagt, stark trinkt, und sich dadurch oft krank und unfähig macht, sein Amt zu verwalten. Vorigen ersten Jenner hat er, weil er Abends vorher einen starken Rausch gehabt hatte, das Neujahrsfest auf einen andern Tag verlegen wollen.17

Dafür, dass die kurpfälzische Landesherrschaft an diesen Verhältnissen nichts änderte, hatte ein anonymer Autor, der im Jahr 1794 von Mainz nach Köln gereist war, folgende Erklärung: Verschmitzte Jesuiten führen ihn [den Landesherrn] am Gängelbande – und lassen keine Klage der Protestanten vor ihm kommen. Ja sie befördern die Intoleranz noch dadurch, daß sie dafür sorgen, daß kein Protestant irgend zu einer öffentlichen Bedienung im Lande gelange. Dies erstreckt sich nicht nur auf die wichtigen Stellen, sondern auch auf die unbedeutendsten. So findest Du z.B. in der ganzen Pfalz keinen protestantischen Schultheis; und wenn auch das ganze Dorf protestantisch wäre, so muß der Schultheis doch katholisch sein – damit er die Protestanten fein drücke und presse.... So, wie es hier ist, so ist es größtentheils im Mainzischen auch. Was in der Pfalz die Beamten thun, das thun im Mainzerlande die Pfaffen, deren es ein zahlloses Heer giebt.18

4.2 Mainz Tatsächlich stand der anonyme Reisende, der 1794 den Einfluss der privilegierten katholischen Beamten in der Pfalz mit dem des „Pfaffenheers im Mainzerlande“ verglich, im Kreis der Reiseschriftsteller zu diesem Zeitpunkt allein auf weiter Flur. Zwar hatte der belgische Jesuit Daniel Papebroch schon 1660 beobachtet, wie stolz man in der Stadt lange Zeit auf seine Katholizität gewesen zu sein schien, 16 Siehe: Geuns, Tagebuch, S. 127: „Diese Stadt, die sich zuvor so verdient gemacht hatte bezüglich der Reformation und von wo der Katechismus der Evangelisch-Reformierten immer wieder den Namen herleitet, ist seit einem Jahrhundert, als die Pfalz an einen katholischen Kurfürsten fiel, wieder Sitz des Katholizismus und des Aberglaubens geworden. In und um die Stadt stehen verschiedene prächtige Kruzifixe und Marienbilder, die zum Teil abends erleuchtet werden, sowohl von den Protestanten als auch Katholiken und selbst einige Protestanten möchten dazu auch allein beitragen.“ 17 Siehe: Knigge, Roman, S. 214. 18 Siehe: Anonym, Reise, S. 18.

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in welcher man aus Gründen der demonstratio catholica sogar darauf verzichtete, den Dom zu reinigen. So verriet man ihm nach Besichtigung der Bischofskirche: Es gibt Leute, die nicht wollen, daß er gereinigt wird, weil sie sagen, in genau diesem Staub, der jedenfalls älter sei als Luther, triumphierten sie über den Irrglauben.19

Pater Papebroch bleibt jedoch der einzige, der von diesem Brauch berichtete, der für den aufgeklärten Reisenden des 18. Jahrhunderts genügend Anlass geboten hätte, dem Leser die Bigotterie des hiesigen Katholizismus vor Augen zu führen. Es sind vielmehr die aufgeklärten Reformmaßnahmen im Mainzer Kurstaat, die den Reisenden des 18. Jahrhunderts besonders positiv auffielen, und deren begrüßenswerte Wirkung Georg Forster zu seiner zu Beginn zitierten Grenzerfahrung bei seinem Besuch Kölns bewegte. Selbst kritische Geister wie Johann Kaspar Riesbeck beschrieben ausführlich die erfreuliche Entwicklung, die sie in Mainz beobachten konnten: Die Einwohner, deren Anzahl sich samt der Garnison auf 30.000 beläuft, sind eine gute Art Leute, die, wie alle Katholiken Deutschlands, sehr viel auf eine gute Tafel halten. Ihre Physiognomien sind interessant, und es fehlt ihnen nicht an natürlichem Witz und Lebhaftigkeit; allein erst nach einigen Generationen werden sie in der Kultur des Geistes ihren protestantischen Landsleuten gleich sein, sosehr sich auch die hiesige Regierung seit sechzehn bis achtzehn Jahren durch gute Erziehungsanstalten vor den übrigen katholischen Regierungen Deutschlands ausgezeichnet. Doch findet man in keiner katholischen Stadt Deutschlands so viele helldenkende und wirkliche gelehrte Männer als hier. Unter der vorigen Regierung trieb man die Freiheit, zu denken und zu schreiben, beinahe zur Ausschweifung, und obschon der jetzige Kurfürst die Segel etwas mehr eingezogen hat, so laviert er doch gradewegs der Philosophie entgegen.20

Auch wenn Riesbeck als Ziel des durch die aufgeklärte Politik der Landesregierung angeschobenen Entwicklungsprozesses das Erreichen der „Kultur des Geistes protestantischer Landsleute“ betrachtete, sah er dessen Ursprünge sehr wohl in den innerkatholischen Reformmaßnahmen des Trienter Konzils, deren Bestimmungen in Mainz weitaus konsequenter umgesetzt worden seien als in anderen Teilen des Reichs. Dies habe überaus positive Auswirkungen auf den Klerus gehabt:

19 Siehe: Daniel Papebroch, Kunstdenkmäler zwischen Antwerpen und Trient: Beschreibungen und Bewertungen des Jesuiten Daniel Papebroch aus dem Jahre 1660; Erstedition, Übersetzung und Kommentar von Udo Kindermann, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 66. Hierzu auch Fritz Arens, Mainz im Jahre 1660, in: Mainzer Zeitschrift 39/40 (1947), S. 41–54. 20 Siehe: Riesbeck, Briefe, S. 299.

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Des ungeheuern Reichtums ungeachtet, ist die hiesige Geistlichkeit doch die gesittetste in ganz Deutschland. Von auffallenden Ausschweifungen derselben hört man sehr wenig. In keiner Diözese von Deutschland sind die in der Tridentinischen Kirchenversammlung beschlossenen Verbesserungen der Kirchenzucht mit mehr Eifer und Strenge ausgeführt worden als in der hiesigen, wie denn auch die hiesigen Erzbischöfe schon selbst zur Zeit der Reformation und schon vor derselben mit rühmlichem Mut Hand an dies große Werk gelegt hatten. Ein Grundsatz, worauf hier besonders Strenge gehalten wird und der sehr viel zur guten Ordnung unter der Geistlichkeit beiträgt, ist, keine Priester zu dulden, die nicht ihre sichere, feste und hinlängliche Versorgung haben. Die meisten Unordnungen in Bayern, Östreich und andern Ländern werden von den vielen Abbés, die von ihrer täglichen Industrie leben müssen, und den geistlichen Taglöhnern veranlaßt, welche sich mit einer Messe, die sie durch mancherlei Kniffe und Pfiffe zu erschnappen suchen, täglich den Hunger stillen. Diese Kreaturen sind hier ganz unbekannt. Von jeher waren die theologischen Grundsätze des hiesigen Hofes gereinigter als anderer geistlichen Fürsten Deutschlands. Es fiel mir auf, die Bibel in vielen Händen so vieler gemeinen Leute besonders auf dem Land zu sehn, und man versichert mich, daß das Lesen derselben in der hiesigen Diözese nie verboten gewesen, sondern man nur den Leuten riet, sie nie ohne Beratung ihres Beichtvaters durchzulesen. Schon seit langer Zeit verfolgt man hier den Aberglauben bis in seine verborgensten Schlupfwinkel, und wenn man gleich die Wunderbilder und Wallfahrten noch nicht ganz abstellen konnte, so kann es doch kein hiesiger Priester ungeahndet wagen, einen Exorzismus zu machen oder so groben Unsinn zu predigen, als man noch auf vielen Kanzeln andrer deutschen Länder zu hören gewohnt ist. Merkwürdig ist, daß Bellarmins von der geistlichen Hierarchie schon seit achtzehn Jahren hier ein durch öffentlichen Anschlag förmlich verbotenes Buch ist.21

Auch Johann Nikolaus Becker, der durch seine wenig später publizierten, stark überzogenen physiognomischen und antiklerikalen Auslassungen bereits in unser Betrachtungsfeld geraten war (3.7.2), stellte noch 1792 über die toleranten Verhältnisse in Mainz freudig fest: Jeder Reisende muß sich mit mir freuen, wenn er die toleranten Gesinnungen der hiesigen Einwohner gegen anders Denkende bemerkt. Man wird keinen Bürger antreffen, der gegen einen Nichtkatholiken blos deswegen, weil er nicht seinen Religions-Grundsätzen anhängt, spottet oder schimpfet. Zu dieser Toleranz, die schon Christus lehrte, trug der Kurfürst Emmerich Joseph sehr viel bei, da er den Nichtkatholiken, welche sich im Jahre 1768 zu Höchst ansässig machen wollten, die freie Religionsübung gestattete.22

Der von Kurfürst Emmerich Joseph eingeschlagene Reformweg weckte bei manchem Reiseschriftsteller hohe Erwartungen an zukünftige Entwicklungen, insbesondere in Bezug auf das Recht der freien Religionsausübung für nichtka21 Siehe: ebd., S. 305. Ausführlicher zum Verbot der Schriften Bellarmins vgl. Sascha Weber, Das Verbot der Bellarminschen Schriften 1769 in Kurmainz, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 63 (2011), S. 197–211. 22 Siehe: Becker, Mainz, S. 81.

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tholische Konfessionsgemeinschaften im Mainzer Kurstaat. Der Braunschweiger Musiklehrer Johann Joachim von Bode sah in der Anstellung des aus Bremen stammenden Protestanten August Friedrich Rulffs durch Kurfürst Karl Joseph von Erthal 1786 als für die Armenfürsorge verantwortlichen Beamten einen wichtigen Schritt in diese Richtung.23 Nach einem Gespräch mit dem neuen Leiter der Armenfürsorge der Stadt Mainz hielt er fest: Die Protestanten werden in Maynz ein Bethaus erhalten. Ich habe Rullfs gerathen, nicht zu große Toleranz zu verlangen; weil die Reciprocität fürs Erste den Protestanten nachtheiliger werden kann und muß, als den Catholiken.24

Die noch ausstehende Umsetzung dieser Pläne wurde in der Folgezeit von anderen Autoren wie etwa von Steven van Geuns25 oder dem hessischen Schuldirektor Chun26 nachdrücklich eingefordert. Der dänische Literat Frederik Sneedorf 23 Zu Rulffs vgl. Helmut Mathy, Der Mainzer „Armenvater“ A. F. Rulffs, in: Horst Reber (Hrsg.), Goethe: „Die Belagerung von Mainz 1793“. Ursachen und Auswirkungen, Mainz 1993, S. 84–89. Über die Entwicklung protestantischen Lebens in Mainz im späten 18. Jahrhundert vgl. Walter G. Rödel, Vom Krummstab zum Napoleonischen Kaiserreich. Protestanten in Mainz vom 18. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 54 (2003), S. 17–29. Als allgemeiner Überblick: Irene Dingel/Wolf-Friedrich Schäufele (Hgg.), Zwischen Konflikt und Kooperation. Religiöse Gemeinschaften in Stadt und Erzstift Mainz in Spätmittelalter und Neuzeit, Mainz 2006 (= Veröffentlichungen des IEG Mainz, Beiheft 70). 24 Siehe: Bode, Journal, S. 170. 25 Siehe: Geuns, Tagebuch, S. 159: „Die katholische Religion ist bisher hier die einzige bestimmende, doch haben die Protestanten die Hoffnung, daß sie binnen weniger Jahre auch hier offen ihre Religion werden ausüben können; der Kurfürst wagte aber nicht alles zugleich zu tun, um den Pöbel nicht zu verbittern; er hat inzwischen verschiedene protestantische Professoren an seine Universität berufen.... Er schafft von Jahr zu Jahr mehr Feiertage ab und gibt jedem die Freiheit, um an den meisten Feiertagen (die Kirchentage allein ausgenommen) arbeiten zu dürfen; auch hat er jedem die Freiheit gegeben, auch am Freitag, Samstag und anderen Festtagen Fleisch zu essen... Noch eine sehr gute Umgestaltung ist kürzlich durch den Kurfürsten eingeführt worden, daß nicht mehr lateinische, sondern deutsche Gesänge in der Kirche gesungen werden, dies letzte hat ihm jedoch viel Mühe gemacht, um in allen Orten das durchzusetzen.“ 26 Siehe: Chun, Reise, S. 19: „Der Kurfürst selbst denkt sehr aufgeklärt, und bemüht sich unausgesetzt, viele gelehrte und helldenkende Männer – ohne Unterschied der Religion – in seine Dienste zu ziehen. Ja es war sogar vor einigen Jahren Empfehlung, wenn einer sagen konnte: ich bin Protestant. – Warum aber den Protestanten noch immer keine freie Gottesverehrung in Mainz vergönnt ist, lässt sich mit diesem allen durchaus nicht räumen. Vor einigen Jahren war stark Sprache davon; man wollte in einem eingezogenen Kloster einen Platz zu einer protestantischen Kirche hergeben, jetzt aber ist wieder alles stille. Möchte doch die allgemeine Befremdung, die sich an allen Orten hierüber äußert, recht bald gehoben sein, und die Mainzer der Welt einen sprechenden Beweiß davon geben, wie sehr auch in diesem Stücke wahre Aufklärung und göttliche Dultung ihnen herrsche!!“ Vgl. Abschnitt 3.5.2 dieser Arbeit.

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zweifelte 1791 schließlich gar an der Nachhaltigkeit und den wahren Beweggründen für die konfessionelle Toleranz in Mainz: Hier sind in allen Kollegien, im Civilrat, bei der Armee, bei der Universität, Protestanten angesetzt; man möchte aber fragen: zu welchem Nutzen? Die meisten der Angesetzten sind Männer von Verdiensten, welche die ansehnlichen Gehalte nach Mainz lockten, denen man aber so viele Hindernisse in den Weg wirft, daß sie nicht mehr als jeder andre ausrichten können. Bei niemand fällt dies mehr in die Augen, als bei Forster. Er erhält als Bibliothekar 1700 Gulden und freie Wohnung, und die Bibliothek, derentwegen er dort ist, hat nur 600 Gulden jährlich. Wer Forster kennt, wird ihm dies Gehalt nicht mißgönnen; aber das Verhältnis muß jedem lächerlich scheinen. Die Bibliothek ist elend; sie besteht zwar aus 70–80000 Bänden, ein großer Theil, der sich aus einem aufgehobnen Jesuiter- und Karthäuserkloster herschreibt, besteht aus Legenden, Breviarien, Dyptychen u.s.w. Das Gute, was da ist, kann man nicht finden; denn die Bücher sind ganz barbarisch nach dem Alphabet gestellt.27

Während die reformpolitische Ausrichtung der geistlichen Landesregierung und der Zustand des Mainzer Klerus überwiegend mit großem Lob bedacht wurden,28 bot der Kontakt mit Vertretern der einfachen Landbevölkerung jedoch genügend Beispiele, um der Leserschaft deutlich vor Augen zu führen, dass der eingeschlagene Reformweg noch nicht lange genug beschritten worden sei, um alle gesellschaftlichen Schichten erreichen zu können.29 Ähnlich wie schon am Beispiel der Kurpfalz gezeigt werden konnte, galt im Reisebericht die Präsentation der Meinungsäußerung und die Beobachtung des Verhaltens von Menschen der sozialen Unterschicht als Garant für möglichst authentische Auskünfte und Einblicke in die tatsächlichen Zustände der jeweiligen Region in Bezug auf das Verhältnis der Konfessionen zueinander. Aloys Schreiber glaubte beispielsweise, einen allgemeinen „Volkscharakter“ der Mainzer bestimmen zu können, den er folgendermaßen beschrieb: Heute will ich dir einige Züge von dem hiesigen Volkscharakter zu entwerfen suchen. Man bemerkte hier eine allgemein herrschende Stimmung zur Heiterkeit und geselligen Freude. Die Mainzer haben im Ganzen wenig Neigung zu speculativen Wissenschaften, aber Geist, Wiz, eine lebhafte ungeduldige Einbildungskraft; daher ihr Hang zu Vergnügungen, zum Wohlleben, ihre Abneigung gegen Arbeitsamkeit und auffallende ernsthafte Beschäftigungen. 27 Siehe: Sneedorf, Briefe, S. 95. 28 Lediglich Becker, Mainz, S. 91 bemerkte Probleme bei der Umsetzung der Reformmaßnahmen Erthals, die vorwiegend durch Vertreter des älteren Klerus ausgelöst wurden. 29 Über diese tatsächlich zu konstatierende Reformunwilligkeit der Mainzer Bevölkerung gegenüber den landesherrlichen Verordnungen vgl. Walter G. Rödel, Aufklärung und Mainzer Alltag. Einflüsse auf Mentalität und demographisches Verhalten der Mainzer Bevölkerung, in: Hermann Weber (Hrsg.), Aufklärung in Mainz, Wiesbaden 1984 (= Schriften der Mainzer Philosophischen Fakultätsgesellschaft, Bd. 9), S. 147–162.

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Dies und das Beispiel eines Hofs und müßigen Adels mögen die Hauptursachen seyn, warum Maynz – seiner vortrefflichen Lage an zwei Flüssen ohngeachtet, bei dem Besitz des Stappelrechts und andrer Begünstigungen des Zufalls, vielleicht nie einen bedeutenden Handel treiben wird.30

Die Bemerkungen Nicolai Karamsins über den Aberglauben der Mainzer Lohnlakaien von 1789 hatten wir bereits an anderer Stelle thematisiert (3.4.2). Über die starken Bildungsunterschiede zwischen dem Klerus und der einfachen Bevölkerung und den verbreiteten Aberglauben berichtete auch Johann Friedrich Grimm 1775, wie wir bereits erfahren konnten: Ich sprach einen Dohmvicarius, der sehr entrüstet war, daß der einfältige Dohmwärter nun schon verschiedenemal den Fremden den Churfürst Albrecht aus dem Hause Brandenburg, welcher zunächst am hohen Altar steht, gezeigt, und dabey gesagt hätte, daß dieses der leibliche Großvater vom König in Preußen sey. Zum Glück steht doch unter seiner Statue wer er ist, so, daß der arme Dohmwärter mit seinen Vorgeben kein großes Unglück anrichten wird.31

Von eigener Qualität sind die diesbezüglichen Erinnerungen des 1780 in Mainz geborenen Buchbindermeisters Adam Henß, der 1805 nach Weimar umgesiedelt war und sich 1845 dem Deutschkatholizismus angeschlossen hatte.32 Seine Lebenserinnerungen, die nur indirekt im Bereich der Reiseliteratur verortet werden können, bieten eine Fülle von „Originaltönen“ Mainzer Bürger aus dem späten 18. Jahrhundert, die zur aufgeklärten Reformpolitik der Landesherrschaft Stellung nehmen. So erinnerte sich Henß etwa an die ihn schon als Kind abschreckende Katechese der Jugend durch die Lektüre Martin von Cochems und das mechanische und verständnislose Gebet, zu dem er angeleitet worden sei.33 Sein ausführliches, retrospektiv ausgesprochenes Lob für die Reformpolitik unter Karl Joseph von Erthal kontrastierte er durch seine Erinnerungen an Äußerungen aus

30 Siehe: Schreiber, Bemerkungen, S. 158. Wesentlich anders charakterisierte Johann Friedrich Grimm 1775 die Mainzer: „Es scheint mir auch der Charakter des Volks ziemlich ernsthaft und vielleicht ein bisgen steif zu seyn, ungeachtet man doch dabey allemal höflich genug bleibt.“ (Siehe: Grimm, Bemerkungen, Bd. 1, S. 68). 31 Siehe: ebd., S. 65. 32 Zu Vita und Wirken von Henß vgl. Hans-Werner Hahn, „Aus uns selbst muß das Gute hervorgehen, was gedeihen soll...“ Werterezeption und Wertevermittlung in bürgerlichen Milieus der Residenzstadt Weimar, in: ders./Dieter Hein (Hgg.), Bürgerliche Werte um 1800. Entwurf – Vermittlung – Rezeption, Köln 2005, S. 337–362. 33 Siehe: Henß, Wanderungen, S. 8: „... ich plapperte die Gebetsformeln so gedankenlos hin, daß ich die Worte ‚Komm ach komm‛ (in meiner geburtsartlichen Mundart kum ach kum ausgesprochen) lange für ein einziges Wort und für einen Namen des heiligen Geistes hielt.“

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dem von ihm als bigott erlebten Mainzer Umfeld. Hier soll es beispielsweise in Bezug auf die Klosterpolitik Erthals geheißen haben: Warum hat er die Klöster aufgehoben? Geld wollte er haben, darum hat er ja die reichsten aufgehoben (Jesuiten-, Carthäuser-, Dominikaner- auch Frauenklöster); hätte er die Herren gelassen, sie hätten alle Jahre etwas gespart und ihm gegeben, jetzt ist‘s auf einmal alle und wozu hat er es gebraucht? – Mit seiner Universität, – was hilft uns das, fremde Professoren hat er kommen lassen, haben wir denn keine Leute hier? und die Juristen (so wurden alle Studenten genannt) sind böse Christen, man sieht‘s ja, sie gehen wenig in die Kirche und bey der Wandelung (der Akt, wo in der Messe das Brod und der Wein in Fleisch und Blut verwandelt wird) bücken sie sich nur und klopfen stehend an die Brust, aber sie knieen nicht nieder, sie und ihre Professoren sind Freygeister – und die Schulen, die waren sonst auch nicht, und unsere Alten sind doch selig geworden. Die armen Leute dürfen jetzt nicht mehr mit dem Kreuze herumgehen, sonst haben sie auf der Gasse laut den Rosenkranz gebetet und was vor die Thüre kam, das betete auch sein Krisseistdumaria, da wußte man doch, warum man etwas gab, und wem man es gab; jetzt kommen die Einsammler mit der Büchse, da hört man nichts und weiß nichts – und nun hat er gar den Rolfs, einen Lutheraner aus Sachsen, als Armenvater hergerufen.34

Die Unwilligkeit breiter Teile der Mainzer Bürgerschaft, die althergebrachten religiösen Traditionen zu Gunsten aufgeklärter Formen der Glaubensvermittlung aufzugeben, und die tiefe Verbundenheit mit den althergebrachten Frömmigkeitsformen dokumentiert auch ein Beispiel, das der sächsische Jurist Woldemar Seyffarth in den späten zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts erlebt haben will. Als der zuständige Mainzer Klerus aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse die Fronleichnamsprozession 1829 absagen wollte, reagierten Teile der Mainzer Katholiken mit Gewalt gegen die Geistlichen (3.4.4). Aloys Schreiber konnte in seiner 1791 veröffentlichten Reisebeschreibung die weitreichenden Reformen, die in Mainz von aufgeklärt denkenden Geistlichen angestoßen worden waren, noch überschwänglich loben: In Mainz ist viel Licht verbreitet, selbst an dem Ruder der Geschäfte standen von jeher Männer mit hellem Blick. Das Mainzer Vikariat ist zuverlässig das erste, welches das lächerliche Gesetz: zweimal in der Woche kein Fleisch zu essen, und den Holländern deutsches Geld für halbverfaulte Fische zu schiken, abschaffte.35

Die politischen Veränderungen, die durch die Auswirkungen der Französischen Revolution hervorgerufen wurden, rückten Mainz in der Folge vor allem aus mili-

34 Siehe: ebd., S. 23. 35 Siehe: Schreiber, Bemerkungen, S. 176.

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tärischen Gründen in den Fokus der Reisenden.36 Der nationale Unterton, der bereits bei Schreibers Bemerkungen zu erkennen war, erschien zwischen 1798 und 1814 – dem Zeitraum, in dem Mainz französisch war – vermehrt in den veröffentlichten Beschreibungen der Stadt. Beinahe nostalgisch klingt etwa Ernst Moritz Arndts Rückblick auf die nähere Vergangenheit der Stadt, ohne dass er hierbei die Rolle der katholischen Aufklärung noch weiter thematisierte: Mainz hatte vor sieben Jahren einen der glänzendsten Höfe, den reichsten Adel Teutschlands, eine blühende Universität, ein gebildetes Volk, sein Strom erscholl von Freude, und seine schönen Gegenden wimmelten von frohen Menschen. Handel und Gewerbe blüheten; ein gutes Schauspiel, Bälle, Promenaden, die reichste und lieblichste Natur, alles mußte diese Stadt zu einer der schönsten im Vaterlande machen.37

Über den aktuellen Zustand der Stadt konnte er lediglich festhalten: Wie man von Gott nur alles sagen kann, was er gewiß nicht ist, so gilt dies jetzt von Mainz, und leicht könnte man drei, vier Bogen mit der Aufzählung dessen füllen, was diese Stadt nun nicht mehr hat und ist.38

Und als direkte Spitze gegen den zunächst revolutionsbegeisterten Georg Forster und dessen Rheinreisebericht von 1790 stellte er abschließend die rhetorische Frage: Was würde Georg Forster wohl heute schreiben, wenn er entlang des Rheins reiste?39

Über den Zustand des religiösen Lebens in Mainz gibt ein 1801 anonym veröffentlichter Reisebericht Auskunft.40 „Man erkennt den Mainzer nimmer, wenn man ihn jetzt sieht,...“,41 wird dem interessierten Leser über die Veränderungen in der 36 Als bestes Beispiel hierfür sei Goethes Bericht über die Belagerung der Stadt Mainz 1793 genannt, den er 1822 innerhalb seiner biographischen Schriften erstmals veröffentlichte. Hierzu ausführlich: Reber, Goethe. Eine Zusammenstellung diesbezüglicher Berichte auch bei Helmut Mathy, Mainz am Rhein. Zentralort des Reiches und Provinzstadt. Reiseberichte zwischen Spätaufklärung und Romantik, Eltville 1990. 37 Siehe: Arndt, Reisen, S. 423. 38 Siehe: ebd., S. 425. 39 Siehe: ebd., S. 426. 40 Siehe: Anonym, Meine wirkliche Reise unter die Franzosen, und zu den Leuten, wo sie sind und wo sie waren. Durch die deutschen Länder, nach Paris, Italien und Holland in den Jahren 1800 und 1801. Was sagen die Leute?, Leipzig 1801. Als Autor der Schrift konnte der weitestgehend unbekannte französische Reiseschriftsteller Jean Pierre Lombard identifiziert werden; vgl. die Besprechung des Werks in: Allgemeine Literaturzeitung 1803, Bd. 2, Nr. 155, S. 502f. 41 Siehe: ebd., S. 73.

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Stadt mitgeteilt. Der als schädlich identifizierte französische Einfluss mache sich nun überall bemerkbar: Die französischen Sitten, das Ungebundene des Umgangs, das vorschnelle Urtheilen, der Stolz auf eingebildete Vorzüge, das viele Schwätzen ohne zu denken, der Hang zum Nichtsthun, der Luxus im Essen und Trinken, und die Sucht nach neuen Arten des Vergnügens sind die vorzüglichsten Eroberungen des Mainzer Bürgers. Man sündiget freyer und betet stiller...42

Der Mentalitätswandel betreffe sowohl die Jugend43 als auch die katholische Priesterschaft, über die der Autor im Gespräch mit einer älteren Mainzerin erfahren konnte: ‚Und die Religion‛, sagte eine betagte Matrone, ‚ach, da sieht es gar traurig aus.‛ ‚Aber sie behielten ja ihre Priester!‛ ‚Ach die Priester, die unter dem Gesetze stehen‛, erwiederte sie, ‚sind das nicht halb, was die vorigen waren, sprechen von weltlichen Dingen in ihren Predigten, halten Reden für die neue Verfassung, statt an Gott zu denken, statt für göttliche Dinge zu ermuntern, reden sie von diesen weltlichen Sachen, von Vaterlandsliebe, von Patriotismus, von der Freiheit in Glaubenssachen, man hört schöne Reden, aber keine erbaulichen.‛44

Gleiches gelte für die zu sehr auf das Rationale ausgerichtete Katechese: Man kann mancher geistlichen Rede das gedachte nicht absprechen, aber das Herz bleibt leer dabey, es ist Wärme ohne Licht, oder Licht ohne Wärme, und da man den anfangs verfolgten, geistlichen Stand, von der Nothwendigkeit gedrungen doch wiederum sichten musste, so blieben natürlich die hellsten Köpfe bloße Mittel zur Beförderung der Zwecke der Regierung.45

Um sich selbst ein Bild vom neuen Predigtstil des Mainzer Klerus zu machen, besuchte der Autor schließlich eine Messe und musste eine ungeahnte Revolutionsbegeisterung des Geistlichen erleben, dessen Auslassungen über den Eid der Priester auf die Zivilverfassung er sodann wörtlich zitierte: Da die Priester von den Häuptern der großen Republik beeidiget wurden, da die Nation sie feyerlich durch diesen Schwur zu ihren Repräsentanten vor Gott und den Heiligen machte, da lebte die Kirche wiederum auf, da erhob sich die Andacht von ihrer Trauer, da freute sich Maria und alle Heiligen. Und auch darum lebe und blühe die Republik!46 42 Siehe: ebd. 43 Siehe: ebd., S. 74: „Die junge Welt richtet sich genau nach dem französischen Calender, und freut sich der neuen Volks- und Jahresfeste, ohne indeß der alten ganz vergessen zu können.“ 44 Siehe: ebd., S. 75. 45 Siehe: ebd., S. 76. 46 Siehe: ebd., S. 78.

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Voller Unverständnis über das soeben Gehörte kommentierte er sein Erlebnis schließlich: Es ist natürlich und menschlich, das Unbegreifliche anzustarren und zu verehren, aber unnatürlich bleibt es, unmenschlich wird es, gemeine Ereignisse des Tages, die oft einer blinden Leidenschaft ihr Daseyn zu verdanken hatten, zu canonisieren, und die Andacht daran hinhalten zu wollen. Der Republik, was der Republik ist, und Gott, was Gott ist!47

Noch 1784 hatte die feierliche Wiedereröffnung der Mainzer Universität protestantische Theologen wie den Gießener Professor Johann Christoph Schulz als interessierte Beobachter in die Stadt gezogen, welcher durch die angestoßenen Reformmaßnahmen voller ökumenischer Hoffnung ein Loblied auf Friedrich Karl Joseph von Erthal anstimmte (3.5.1). Das, was Friedrich Albrecht Klebe 1802 über diese vergangene Epoche der Mainzer Stadt- und Bistumsgeschichte in seiner vielgelesenen Reisebeschreibung formulierte, muss auch für den zeitgenössischen Leser wie der Abgesang auf ein gewaltsam beendetes Experiment geklungen haben: Mainz gehörte vor zehn Jahren zu den angenehmsten Orten in Teutschland... Von jeher war der hiesige Hof in Religionssachen toleranter und aufgeklärter, als irgendein anderer geistlicher in Teutschland. Freundlich und heiter wie der Himmel, der diese glücklichen Gefilde deckte, war hier die Religion; entfernt von jenem finstern mordenden Fanatismus, der Priester, der sie lehrte. Das Volk las die Bibel, deren Gebrauch hier nicht verboten war; der Aberglaube wurde verfolgt, und nach und nach würde man Wunderbilder und Wallfahrten ohne Murren haben abschaffen können,...48

Klebe würdigte in Anspielung an Papst Clemens XIV. und dessen Verbot des Jesuitenordens 1773 Erzbischof Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim als den „Ganganelli von Mainz“,49 und vor allem Erthals Personalpolitik, die so viele neugierige Reisende nach Mainz gelockt hatte, rühmte er: Er machte Mainz zum Sitze der Gelehrsamkeit, der Künste und des Geschmacks. Hier lebten der Weltumsegler Forster, der Arzt Hoffmann, der deutsche Tacitus Müller, Heinse, der Verfasser des Ardhingello, der Anatom Sömmering und mehrere Gelehrte, von ihm und ganz Teutschland geschätzt.50

47 Siehe: ebd., S. 79. 48 Siehe: Klebe, Reise, Bd. 1, S. 38. 49 Siehe: ebd., S. 40. 50 Siehe: ebd., S. 42.

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In der ersten zusammenhängenden und in deutscher Sprache formulierten Geschichte der Stadt Mainz aus dem Jahr 1829 charakterisierte ihr Autor, der 1773 in Bad Homburg vor der Höhe geborene und später als Mathematiklehrer in der nunmehr großherzoglich hessischen Bischofsstadt am Rhein wirkende, evangelische Schriftsteller und Kartograph Heinrich Brühl51 den nach der Säkularisation notwendigen Mentalitätswechsel der Mainzer Bevölkerung bereits ganz in der Linie konfessioneller Stereotypen: ... die reichen Stifter und Klöster sind dahin, welche für viele Familien eine unversiegbare Quelle des Wohlstandes waren, und der ärmeren Volksklasse immer den nöthigen Lebensunterhalt zukommen ließen. Eine neue, ehrenvollere Laufbahn öffnet sich, weil sie die ganze Thatkraft in Anspruch nimmt, und Arbeitsamkeit als erste, unerläßliche Bedingung voransetzt. Sich selbst soll nun der Mainzer verdanken, was zu Grabe gegangene Einrichtungen ihm nicht mehr zu bieten vermögen.52

4.3 Neuwied Zwischen den beiden zu Kurtrier gehörenden Ortschaften Irlich und Engers hatte Graf Friedrich III. zu Wied gegenüber dem noch zu Kurköln gehörenden linken Rheinufer (Andernach) auf einem schmalen, seiner Grafschaft zugehörigen Landstreifen am Rhein im Jahr 1653 eine neue Stadt gegründet, der er den Namen Neuwied gab.53 Eine neue Residenzstadt direkt am Rhein anzulegen, ähnlich wie die in dieser Zeit gegründeten Städte Mannheim, Karlsruhe und Rastatt, geschah aus politischen und ökonomischen Gründen. Absicht des Landesherrn war es, Verarmung und Entvölkerung der kleinen Grafschaft am Rande des Westerwaldes – diesbezüglich hatte der Dreißigjährige Krieg desaströse Folgen nach sich gezogen – von dieser günstiger gelegenen Position aus entgegenzuwirken.54 Um die merkantilistisch orientierte Wirtschaft der Stadt möglichst schnell wachsen zu lassen, stattete der Graf 1662 die Bürgerschaft Neuwieds mit einem umfassenden Paket von Privilegien aus, zu dem neben der Freiheit von Frondienst und Leibeigenschaft u. a. 51 Zu Brühl vgl. Heinrich Schrohe, „Brühl, Heinrich“, in: Herman Haupt, Hessische Biographien, 3 Bde., Darmstadt 1918/1927/1934, hier Bd. 3 (1934), S. 82–86. 52 Siehe: Heinrich Brühl, Mainz geschichtlich, topographisch und malerisch dargestellt, Mainz 1829, S. V. 53 Vgl. Theodor Kraus, Neuwied. Seine Eigenart unter den Städten des Mittelrheins. Versuch einer geographischen Synthese, in: Albert Meinhardt (Bearb.), 300 Jahre Neuwied. Ein Stadt- und Heimatbuch 1653–1953, Neuwied 1953, S. 533–559. Als Gesamtüberblick vgl. Albert Meinhard, Der Werdegang Neuwieds, in: ebd., S. 67–331. 54 Vgl. Stefan Volk, Peuplierung und religiöse Toleranz. Neuwied von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 55 (1991), S. 205–231.

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auch die freie Ausübung der Religion gehörte. Die Stadt entwickelte sich nunmehr zu einem Zufluchtsort für Glaubensflüchtlinge aus verschiedenen Teilen Europas, so dass zur Mitte des 18. Jahrhunderts schließlich sieben verschiedene Religionsgemeinschaften und Kirchen in Neuwied ansässig waren: Neben den drei großen Konfessionen gab es eine mennonitische, eine jüdische und eine Inspiriertengemeinde, im Jahre 1750 fand darüber hinaus eine Gemeinde Herrnhuter Brüder Aufnahme, was für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt bedeutsame Konsequenzen haben sollte.55 Hinzu gesellten sich noch Baptisten, Hugenotten und nach 1789 ca. 800 französische Adelsemigranten, die in der Stadt Zuflucht finden konnten.56 Die konfessionelle Vielfalt war von Beginn an ein Charakteristikum der neu gegründeten Stadt und machte sie vor allem für Reisende des Aufklärungszeitalters zu einem attraktiven Zielpunkt, da sie sich hier selbst ein Bild von gelebter religiöser Toleranz machen und eine Meinung über das Funktionieren des konfessionellen Miteinanders bilden konnten. Das diesbezügliche Spektrum an unterschiedlichen Einschätzungen reicht weit und lässt erneut deutlich werden, dass die Reiseliteratur meist sehr viel mehr Aussagekraft über ihren Autor und dessen konfessionelle Verortung als über die betrachteten Verhältnisse selbst besitzt. Eine in Bezug auf das Gelingen von konfessionellem Miteinander in Neuwied sehr vorsichtige Stimme stammt von dem italienischen Benediktiner Aurelio de’ Giorgio Bertòla: Welche Bewegung, welche Thätigkeit, welche Verschiedenheit in den Physionomien [sic!] und Sprachen herrscht in dem kleinen Umfang dieser Stadt! Die herrschende Religion ist die reformirte; aber auch die Catholiken, die Lutheraner und die sogenannten Herrenhuter halten hier öffentlichen Gottesdienst. Ueber die letzten ist sehr viel geschrieben worden. Man rühmt die Arbeitsamkeit, die Regelmässigkeit und Ruhe dieser Secte, die gleichsam nur eine Familie ausmacht, und nicht zu wissen scheint, daß es außer dem väterlichen Hause andere Sitten und eine andere Lebensart giebt. Man behauptet, dass die große Verschiedenheit der Religionen, der Meinungen, des Interesses, der Absichten, der Charactere und Fähigkeiten nach und nach eine dem Flore und der Ruhe dieser Stadt nachtheilige Gährung hervorbringen müsste; man geht sogar so weit, zu versichern, dass schon jetzt der Geist der Zwietracht unter den unähnlichen Gliedern dieses kleinen Staatskörpers im Dunkeln schleiche, und ihn mit einer Entkräftung bedrohe, gegen die vielleicht die weisesten Mittel der Regierung nicht wirksam genug seyn dürften. Möchten doch die Vermuthungen der Philosophie und Politik wenigstens diesesmal grundlos seyn! Möchte doch dieses schöne und fleißige Land den dauerhaften Wohlstand genießen, zu dem es die Arbeitsamkeit seiner Einwohner, die weisen Gesetze, durch die es regiert wird, und die wohltätige Sorgfalt seines Regenten so sehr berechtigt!57 55 Vgl. Wilfried Ströhm, Die Herrnhuter Brüdergemeine im städtischen Gefüge von Neuwied. Eine Analyse ihrer sozialökonomischen Entwicklung, Boppard 1988. 56 Vgl. ebd., S. 49. 57 Siehe: Bertòla, Rhein-Reise, S. 173.

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Bertòlas Einschätzungen können durchaus mehrdeutig interpretiert werden. Zwar betonte er nachdrücklich sein Wohlwollen gegenüber dem multikonfessionellen Projekt, das in Neuwied mit seiner kulturellen Vielfalt und dem blühenden wirtschaftlichen Leben so viel Aufsehen erregte. Gleichzeitig jedoch säte er durch einige Andeutungen deutliche Zweifel bei seiner Leserschaft, ob nicht durch die religiöse Verschiedenheit der Bewohner eine „nachtheilige Gährung“ unter ihnen entstehen könnte, die schließlich zu einer „Entkräftung“ des sozialen Miteinanders führen würde. Ähnliche Andeutungen über das hohe Konfliktpotential, das in einem geteilten Lebensalltag verschiedener Konfessionen stecken könne, hatte er bereits an früherer Stelle in Bezug auf ähnliche Verhältnisse in der Pfalz geäußert.58 August von Wackerbart, der Neuwied 1791 besucht hatte, teilte diese Einschätzungen keineswegs. Für ihn, der in Göttingen studiert hatte, besaß die Stadt am Rhein einen Modellcharakter, den man nicht hoch genug loben und dessen Bekanntheit man nicht weit genug verbreiten konnte: Vielleicht ist Neuwied auf dem ganzen Niederrhein der einzige Ort, wo Religionsduldung so allgemein eingeführt ist. Die eigentliche Religion soll die reformierte seyn, aber es wohnen hier Anhänger beinahe aller Religionen, die man in Teutschland nur kennt. Juden, Heiden, Christen, alles lebt hier brüderlich. Und eben daher scheint sich der große Wohlstand zu schreiben, der an diesem reizenden Oertchen herrscht. Unter allen diesen Religionsverwandten zeichnet sich vornehmlich die ansehnliche Kolonie der ruhigen Herrnhuter aus. Die allgemeinen Urtheile mögen über dieselben noch so verschieden ausfallen, so sind sie doch ein fleißiges, arbeitsames Völkchen, das niemanden beleidigt, das so ganz in der Einsamkeit und Spekulation dahinlebt. Mögen immerhin andere ihre eigenen Tugenden ausposaunen; dies industriöse Völkchen thut es nicht; und ist dabei unstreitig viel glücklicher, als manche große prahlende Völker. Dem teutschen Reiche macht es gewiß große Ehre, daß eine so arbeitsame Menschenklasse aus demselben entsproß.59

Und Johanna Schopenhauer bemerkte nach ihrem Besuch 1815 überschwänglich:

58 So bemerkte Bertòla in Bezug auf Neustadt an der Weinstraße: „Unter diesen Einwohnern herrschte ehemals die heftigste Zwietracht. Diese gieng so weit, daß als der Churfürst Carl Philipp in Person nach Neustadt kam, um für die catholische Gemeinde, zu welcher er sich bekannte, einen Gottesacker zu verlangen, ihm sein Begehren anfänglich abgeschlagen wurde. Aus demselben Grunde war auch ehedem unter den andern Bewohnern dieser Gebirge die Eintracht nicht sonderlich groß.“ (Siehe: ebd., S. 28). Und in Heidelberg notierte er: „Sie wird ohngefähr von zehntausend Einwohnern, Catholiken, Reformirten, Lutheranern, bewohnt. Sie ist eng begränzt.... Heidelberg war vordem die Residenz der Churfürsten; aber die Religionsstreitigkeiten, eine alte und verderbliche Krankheit dieser Gegenden, haben die Stadt um diesen Vortheil gebracht.“ (Siehe: ebd., S. 33). 59 Siehe: Wackerbart, Rheinreise, S. 256.

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Neuwied ist übrigens der toleranteste Ort in der Welt; Juden, Mennoniten, Katholiken, Protestanten, alle dienen hier Gott in ihrem eignen Tempel auf die Weise, die sie für die beste halten. Ich glaube sogar, daß man den Türken nicht verwehren würde, sich hier eine Moschee zu erbauen.60

Keiner der Reiseschriftsteller ging hingegen der Frage nach den tatsächlichen Bedingungen alltäglichen Lebens und der Konsequenzen der konfessionellen Mischsituation weiter auf den Grund. Als nach außen hin leicht sichtbaren Nachweis für ihr Gelingen wurde die wirtschaftliche Prosperität Neuwieds angeführt, als deren Motor allgemein das „industriöse Völkchen“ der Herrnhuter Brüdergemeine identifiziert wurde. Deren besondere Lebensweise bildete den eigentlichen Interessensschwerpunkt in der Reiseliteratur, da ihr näheres Studium für alle Durchreisenden in der Regel eine Fremdheitserfahrung darstellte und Möglichkeit zum Vergleich mit Bekanntem bot. Während bereits 1774 der schwedische Orientalist Jakob Jonas Björnstahl die Beschreibung der Herrnhuter Brüdergemeine und ihres klösterlichen Lebensstils vor allem zur weiteren Diskreditierung des Katholizismus herangezogen hatte (3.6), sah der aus Genf stammende calvinistische Naturforscher Jean André de Luc in der gemeinschaftlichen Lebensweise eine die Konfessionen einende Größe, die trotz der von vielen Seiten geäußerten Kritik ein Modell für eine zukünftige Gesellschaft sein könne: „Die wahren Brüder sind liebevolle Menschen, die sich aus Verdruß über die in der menschlichen Gesellschaft herrschende Kälte durch eine religiöse Gemeinschaft verbunden, und das Christenthum zum Mittelpunkt ihrer Vereinigung erwählt haben“,61 stellte er nach seinem Besuch fest, so dass er empfahl: „Sollen sich also alle Menschen lieben, so muß man sie, so viel möglich, in kleine Gesellschaften vertheilen.“62 Von Brabant aus kommend hatte er bereits dort einige katholische Klöster besucht und den hohen Wert ihrer Lebensweise gerühmt.63 Unabhängig von der konfessionellen Ausrichtung gelte nämlich:

60 Siehe: Schopenhauer, Ausflucht, S. 251. 61 Siehe: de Luc, Briefe, Bd. 2, S. 109. 62 Siehe: ebd., S. 110. 63 Siehe: ebd., S. 33f: „Die Mönche, welche in diesem Augenblick meine Nachbarn sind, werden nicht vermuthen, daß ich, ein Protestant, eben jetzt eine Apologie der Klöster schreibe. Aber ich bin ihnen dieselbe wegen des Vergnügens schuldig, das mir der hiesige Aufenthalt gewährt.“ Und in Bezug auf die teilweise Weiterführung klösterlichen Lebens im protestantischen Teil Deutschlands bemerkte er: „Ich freue mich daher, die Klöster von den Protestanten in Deutschland beybehalten zu sehen, und wollte, daß man sie überall beybehalten hätte, weil es überall eine Classe von Menschen giebt, welche anständiger Hospitäler bedarf, und aus Mangel derselben sich selbst und der Gesellschaft zur Last ist.“

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Nichts aber kann engere gesellschaftliche Verbindungen schließen, nichts stärkeres Zutrauen bewirken, stärkere Sicherheit über gegenseitige Treue gewähren, als die Religion, ohne welche kaum die Erfahrung eines ganzen Lebens hinreichend seyn würde, den Menschen selbst genau von seiner Maske zu unterscheiden...64

Abschließend beschrieb de Luc, der zeitlebens Calvinist blieb, aber dennoch große Sympathien für den Katholizismus hegte,65 ausgiebig die Lebensweise der Herrnhuter und das gute Funktionieren des konfessionellen Miteinanders insgesamt: In Neu-Wied, einem Orte, wo so viele Sekten zusammengedrängt leben, herrscht Friede und stille Ruhe. Und diese könnte überall herrschen, wenn die Philosophen, statt ihre Stimme gegen die Religion zu erheben, vielmehr dieselbe als die festeste Stütze der gegenseitigen Liebe und Duldung empfehlen wollten. Da ich wußte, daß die Brüdergemeine insbesondere auf allgemeines Wohlwollen und Bruderliebe dringe, und daß sie überall Beyspiele der Industrie, guter Sitten, der Einfalt, Friedfertigkeit und brüderlichen Einigkeit zu geben pflege, so war ich begierig, eine von ihren Niederlassungen zu besehen, und dieser Bewegungsgrund führte mich vornehmlich nach Neu-Wied. Die Gemeine bewohnt hier ein eignes Viertel in einer Ecke der Stadt, das aus mehreren Gebäuden besteht, die zusammen ein großes Viereck ausmachen. Zwo Seiten dieses Vierecks gehen aufs Feld hinaus, die eine ist das Haus der ledigen Brüder, die andere das der ledigen Schwestern. Beyde sind eine Art von Kloster, worinnen man in einer sehr wohl ausgedachten Gemeinschaft lebt. Man hat einen gemeinschaftlichen Schlaf- und Speisesaal: keineswegs aber eine Gemeinschaft der Güter.66

Auch die liturgische Praxis der Herrnhuter sprach Vertreter unterschiedlicher Konfessionen und Weltanschauungen besonders an. Dem Katholiken Joseph Alois Mercy fiel 1790 die wohltuende Schlichtheit auf, in der hier Gottesdienst gefeiert wurde: Unter andern Kolonisten zeichnet sich die Herrnhuter-Gemeinde durch ihre Anzahl, stille Lebensart und Industrie aus; an ihrem Gottesdienst habe ich besonderes Wohlgefallen gefunden, schon ihre Kirche ist so einfach und rein, wie die Lehre des Stifters, zu dem sie sich bekennen. Dies kann Niemandem mehr auffallen, als einem Katholiken, dem Sinnlichkeit und Prunk in den Kirchen und in dem öffentlichen Gottesdienste, fast zur Natur geworden sind.67

64 Siehe: ebd., S. 111. 65 Vgl. Hübner, Deluc, S. 165f. 66 Siehe: de Luc, Briefe, S. 112f. 67 Siehe: Mercy, Reise, S. 120.

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Eine distanziertere, gleichwohl noch wohlwollende Einschätzung hierzu stammt von Georg Forster, der jedoch ebenso seine allgemeinen Vorbehalte gegen religiöse Schwärmerei und klösterliche Weltflucht bestätigt finden wollte: Ihre Kirche ist ein einfaches, helles Gebäude, das mir recht gut gefiel. An die Stelle der Agapen oder Liebesmahle der ersten Christen, ist hier ein gemeinschaftliches Theetrinken in der Kirche eingeführt, wozu sich die ganze Gemeine von Zeit zu Zeit versammelt. Meine Vorliebe zum Thee ist es nicht allein, die mich mit diesem Gebrauche versöhnt. Wenn ich schon nicht mitschwärmen mag, so ist mir doch eine Schwärmerei ehrwürdig, sobald sie auf Geselligkeit und frohen Genuß des Daseyns führt. Diese Stimmung läßt sich, wie Du leicht denken kannst, mit der herrnhutischen Einrichtung, welche die unverheiratheten Männer und Weiber mit klösterlicher Strenge von einander trennt, schon nicht so leicht in eine Gleichung bringen. Ich glaube in meiner Erfahrung hinlänglichen Grund zu der Überzeugung zu finden, daß man in der Welt nie stärker gegen das Böse und seine Anfechtungen ist, als wenn man ihm mit offener Stirne und edlem Trotz entgegensteht: wer vor ihm flieht, ist überwunden.68

Die Kritik Forsters an der klosterähnlichen Strenge der Herrnhuter wurde von anderen Reisenden noch intensiviert und zum Teil mit den bereits bekannten Techniken kritisch überzeichnet. Der katholische Priester Joseph Gregor Lang scheute sich beispielsweise nicht, die physiognomische Brille – die bislang in der Reiseliteratur vornehmlich bei Betrachtung von Katholiken zum Einsatz gekommen war – bei seinem Blick auf die Gemeindemitglieder aufzusetzen, und kam dabei zu folgendem Ergebnis: Ich habe das Äußerliche dieser Leute, soviel mir in dieser kurzen Zeit möglich war, genau lavaterisiert, und es schien mir, es sei ihnen allen anzusehen: daß sie eine Unterdrückung des Geistes leiden und daß sie unter einem heimlichen Zwang der Seele keinen freien Genuß des Lebens haben. So viele düstere, frömmelnde und halbabgestorbene Physiognomien als in dieser Brüdergemeinde erinnere ich mich noch in keinem Kloster von der strengsten Observanz gesehen zu haben, und doch schienen diese Leute mit ihrem Zustande zufrieden zu sein. Wenn man diese Menschenklasse nur bloß nach dem Äußerlichen zu beurteilen hätte, so sollte man wohl bei dem ersten Anblicke sagen müssen, daß sie die glücklichsten, die heiligsten Geschöpfe auf Gottes Erdboden seien.69

Zu ähnlichen Ergebnissen kam Johanna Schopenhauer nach ihrem Besuch in Neuwied 1815: Ich betrachtete aufmerksam alle die vielen Gesichter der Brüder und Schwestern, in deren Nähe ich heute kam. Auf vielen hatte die Zeit tiefe Furchen gezogen, viele schienen früh gealtert; nirgends sah ich Spuren eines fröhlich genossenen Lebens oder muntere Lust am 68 Siehe: Forster, Ansichten, S. 30. 69 Siehe: Lang, Reise, Bd. 1, S. 132.

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Scherz und Lachen; aber auch auf keinem Gesicht Spuren herznagenden Grams, wilder ausgetobter Leidenschaft, oder gar jene versteinerte Verzweiflung, die ich früher oft in Klöstern bemerkte. Zwar sehen die Menschen hier eben nicht fröhlich aus, aber doch ruhig zufrieden, und selbst die vielen verblühten Mädchen, die unter ihren jüngern Schwestern herum wandeln, haben bei weitem nicht das abschreckende Ansehen alter Nonnen.70

Auch Johann Nikolaus Becker, der an anderer Stelle gegenüber klösterlichen Gemeinschaften polemisch und derb kommentierte, schlug bei seiner Beschreibung der Herrnhuter Gemeine einen beinahe mitleidigen Ton an: Wir besuchten die Kolonie der Herrnhuter, die hier sehr zahlreich sind. Aber sei es nun, dass ich ein Mahl Allem zuwider bin, was Secte und Orden ist, oder daß diese mährischen Brüder in der That traurige Empfindungen wecken: das Gefühl der Menschheit regte sich doppelt bei mir, als ich in diese Hallen, noch einsamer als Klosterzellen, eintrat. Alle Freude ist hier verbannt, und selbst jeder Zug von Fröhlichkeit und geselliger Mittheilung auf der Stirne der Brüder verschwunden. Sie reden nur sehr leise und wenig, und beschäftigen sich immerwährend mit heiligen Visionen und Kasteiungen des Fleisches. Diess, nebst dem sitzenden Leben, lässt sie für die Freuden des Lebens ganz absterben, und stumpft sie bis zur Gefühllosigkeit ab. Sie wandeln wie Schatten umher, und sehen alle wie Gespenster aus, zur ewigen Todtenblässe verdammt.71

Während in diesen Betrachtungen der äußeren Erscheinung der Gemeindemitglieder – vor allem bei Lang und Schopenhauer – durchaus noch eine positive Wertung der Folgen dieser gelebten Form von Askese herausgehört werden kann und diese im Vergleich zu streng observanten katholischen Orden in ihren Konsequenzen für die Lebensqualität des jeweiligen Individuums als „humanere“ Lebensweise gezeichnet wurde, kommt in zahlreichen anderen Reiseberichten ein offenes Befremden gegenüber der Herrnhuter Gemeine und ihrer Glaubenspraxis zu Tage. Der gebürtige Mainzer Ferdinand Ochsenheimer etwa brachte in offensichtlich polemischer Absicht äußeres Erscheinungsbild und religiöse Praxis in Zusammenhang: Die Herrnhuter oder mährischen Brüder machen hier, wie allenthalben eine für sich bestehende Gemeinde aus. Ihre Einrichtung hat einiges Gute, aber noch weit mehr Schlimmes... Die mehresten Mannspersonen sind klein, hager, schief gewachsen und zum Theil auch mit Säbelbeinen versehen. Dies mag von ihrer sitzenden Lebensart und immerwährenden Spannung ihrer Fantasie herrühren. Sie wandeln beständig im dritten Himmel, und betrachten die Wunden des Lamms oder entziffern die sieben Siegel an dem großen Buche, worauf das Lamm zu ruhen pflegt. Unter den Mädchen, die doch auch zusammen eingekerkert leben, sahen wir einige, die für schön gelten konnten. Der Anstrich von Andächtelei,

70 Siehe: Schopenhauer, Ausflucht, S. 257. 71 Siehe: Becker, Beschreibung, S. 305. Vgl. auch Abschnitt 3.7.2 dieser Arbeit.

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der dem Mann so übel läßt, giebt dem Weib einen gewissen Reiz, der für das Herz gefährlich werden kann.72

Auch die Anlage des zur Gemeinde gehörenden Friedhofs befremdete ihn: Es ist in der That merkwürdig, daß diese Religionssekte..., die doch eine so mürrische Sittenlehre predigt, und jede Freude des Lebens fliehen heißt, die Schrecknisse des Todes so ganz unter lieblichen Bildern zu verbergen sucht. Sie unterscheiden sich darin auffallend von dem katholischen Lehrsysteme, in welchem ein menschenfeindlicher Dämon den Menschen gleich bei seinem Eintritt in das Leben empfängt, und ihn bei jedem Schritt an Grab und Ewigkeit erinnert.73

Johanna Schopenhauer bemerkte angesichts der Unbeschwertheit im Umgang der Herrnhuter mit dem Tod und in Bezug auf eine gewisse äußere Monotonie in ihrer Lebensweise gar: „... ich glaube im Gegenteil, sie sterben gern, um doch endlich einmal etwas neues zu erleben.“74 Und als 1821 der junge Holsteiner Georg Marxsen den großen Gemeinschaftsschlafsaal für die noch unverheirateten Gemeindemitglieder mit mehr als 100 nebeneinander aufgestellten Betten besichtigte, notierte er befremdet: „Bei diesem Anblick drängte sich mir der Vergleich mit einem lebendigen Kirchhofe auf.“75 Johanna Schopenhauer nutzte die Gelegenheit einer Übernachtung in Neuwied, um beim Abendgespräch mit Mitgliedern der Gemeine ihre Kritik offen zu äußern: Mit einer mir ganz unerwarteten Liberalität erlaubte man mir, meine Meinung über alles, was ich in Neuwied gesehen hatte, zu äußern, und suchte sie hin und wieder zu berichtigen, so daß ich zuletzt einsah, es sey hier, wie überall, viel Gutes neben manchem Mißbrauch zu finden, der wohl hauptsächlich aus der Individualität Einzelner entsteht.76

Lediglich bei zwei ihrer Kritikpunkte konnte man keine Einigung finden: zum Einen im Hinblick auf die Verpflichtung aller, als Missionare auch in außereuropäische Regionen ausgesandt werden zu können, sofern die Älteren einen hierzu empfahlen, und zum Anderen in Bezug auf die Praxis der Verheiratung junger Herrnhuter durch das Losverfahren, das für sie eine inakzeptable Form der Partnerfindung darstellte.

72 Siehe: Ochsenheimer, Streifereien, S. 243. 73 Siehe: ebd., S. 245. 74 Siehe: Schopenhauer, Ausflucht, S. 260. 75 Siehe: Marxsen, Eindrücke, S. 32. 76 Siehe: Schopenhauer, Ausflucht, S. 262.

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Kritik an religiöser Praxis und Anschauungsformen auf der einen Seite und Respekt für die wirtschaftliche Prosperität und das harmonische Gemeinschaftsleben auf der anderen kennzeichnen die allgemeine Wahrnehmung der Herrnhuter Gemeine in der Reiseliteratur. Sie galt als Paradebeispiel für die von der Aufklärung geforderte gelebte religiöse Toleranz in der multikonfessionellen Stadtneugründung Neuwied. Zusammenfassend drückt dies ein Zitat aus einem anonym veröffentlichten Reisebericht aus dem Jahr 1794 aus: Ihre Betriebsamkeit, ihr Kunstfleiß macht, daß man sie lieb gewinnt, wenn man sie auch noch so sehr wegen ihrer religiösen Alfanzereyen bemitleiden muß. – Sie sind brauchbare Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft – und ruhige Bürger: mehr brauchts ja, dünkt mich, nicht – um in jedem Staate willkommen zu seyn.77

4.4 Köln Wie viele Sakralbauten gab es im 18. Jahrhundert in Köln? Zieht man zur Beantwortung dieser Frage die diesbezüglichen Angaben der Reiseliteratur zu Rate, kommt man zu keinem klaren Ergebnis. Der Brite Joseph Marshall zählte im Jahre 1768 siebenundzwanzig Kirchen, dreißig Kapellen, zwölf Männer- und zweiundzwanzig Frauenklöster.78 Friedrich Albrecht Klebe erhob 1800 hingegen folgende Zahlen: elf Stiftskirchen, neunzehn Pfarrkirchen, neunzehn Männerund neununddreißig Frauenklöster und gar neunundvierzig Kapellen.79 Philipp Gercken zufolge waren es 1779 zwölf Kollegiatstifte, dreizehn Männer- und siebenunddreißig Frauenklöster, zuzüglich – und hierin bestätigte er Klebes Angaben von 1800 – neunzehn Pfarrkirchen und neunundvierzig Kapellen.80 Heinrich Sander, der sich in der Titelei seines Reiseberichts als Mitglied der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin für statistische Fragen als besonders qualifiziert präsentierte, ermittelte 1776 insgesamt 260 Kirchen, vier Abteien, „siebzehn Mönchs- und neununddreißig Nonnenklöster“ sowie sechzehn Spitäler und fünfzig Kapellen.81 Der Mathematiker Johann Friedrich Droysen kam nach der von den Franzosen betriebenen Säkularisierung 1801 zu folgendem Ergebnis:

77 Siehe: Anonym, Reise, S. 169. 78 Siehe: Marshall, Reisen, Bd. 2, S. 37. 79 Siehe: Klebe, Reise, Bd. 2, S. 330. 80 Siehe: Gercken, Reisen, Bd. 3, S. 266–270. 81 Siehe: Heinrich Sander, Heinrich Sanders, Professors am Gymnasium illustre in Carlsruhe, der Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin, und der Fürstlichen Anhaltischen deutschen Gesellschaft in Bernburg Ehrenmitgliedes Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich,

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Cölln gewährt in seiner ungeheuren Größe, hohen Häusern, engen und krummen Gassen keinen angenehmen Anblick, die vielen Kirchen und Klöster mit ihren Thürmen und alten winklichten Gebäuden vermehren das finstere und düstere Ansehen der Stadt. Man zählt 216 Kirchen, in denen Messe gelesen werden darf, so wie überhaupt der Gottesdienst keines Weges, sondern nur alle Processionen verbothen sind; zählt 44 Klöster, die nicht gesetzlich aufgehoben, aber durch den Verlust der Zehnten und der Besitzungen auf dem linken Ufer so sehr geschmälert sind, dass die Zahl der Mönche und Nonnen geringer wird, und sie vielleicht in der Folge ganz aussterben.82

Gar keine Mühe einzeln nachzuzählen machte sich die junge Adlige Sophie von Effinger von Wildegg, die nach ihrem Besuch feststellte, Köln sei ihr labyrinthisch und düster vorgekommen und habe wohl „soviele Kirchen wie Tage im Jahr“.83 Unbeschadet der sehr uneinheitlich gebrauchten Terminologie entsprechen die so unterschiedlich ausfallenden Erhebungen über Kirchenbauten in Köln einer sich im Laufe des 18. Jahrhunderts steigernden Entwicklung in der Reiseliteratur: Kein zweiter Ort wurde in Berichten Rheinreisender so sehr als Projektionsfläche konfessioneller Vorbehalte genutzt wie die freie Reichsstadt Köln.84 Noch in der zweiten Auflage der Beschreibung der zehn Reichskreise des Polyhistors und Sohnes einer aus Glaubensgründen exilierten steiermärkischen Protestantenfamilie Martin Zeiler gab es 1665 über das Erscheinungsbild der Stadt Köln folgendes zu berichten: Die Gassen seyn schön, weit, und mit breiten Steinen gepflastert und mit schönen Häusern gezieret.85

Und nach seinem Aufenthalt in der Stadt im Jahr 1705 notierte Jean de Blainville:

die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien; in Beziehung auf Menschenkenntnis, Industrie, Litteratur und Naturkunde insonderheit, 2 Teile, Leipzig 1783–1784, hier Teil 1, S. 613. 82 Siehe: Droysen, Bemerkungen, S. 36. 83 Siehe: Sophie von Effinger von Wildegg, Aus dem Tagebuch des Schlossfräuleins von Wildegg, herausgegeben und bearbeitet von James Schwarzenbach, Zürich 1951, S. 36. 84 Vgl. Neutsch, Leben, S. 9. 85 Siehe: Martin Zeiler, Tractatus De X. [decem] Circulis Imperii Romano-Germanici, Oder Von den Zehen deß H. Römischen Teutschen Reichs-Kraisen/ Darinn nicht allein/ welche Stände zu einem jeden derselben gehörig; Sondern auch die Vornemste/ und Bekanteste in solchen belegene Landschafften/ Städt/ und Oerter/ kürzlich erzehlet; Auch andere Sachen mehr/ und darunter sehr vieler Regenten Geschlecht-Registerlein/ und jedes Stands Reichs-Anschlag/ und Cammer-Gebühr/ auff gegenwertige Zeit (wie auß der vorigen und jetzigen Neuen Vorrede zu ersehen) gerichtet/ mit eingebracht werden/ Durch Martin Zeillern. Die Andere Edition. Jetzo wider fleißig übersehen/ mit einem Neuen Anhang biß ietzige Zeit vermehrt/ und einer schönen Carten der X. Kraiß geziret, Ulm 21665, S. 463.

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Man sagt mit Recht, daß Cöln so wol eine schöne als eine große Stadt sey, denn wirklich ist sie beides.86

In der 1686 in Nürnberg in deutscher Übersetzung erschienen Reisebeschreibung des englischen Arztes Edward Browne lobte dieser ebenfalls das schöne Stadtbild und bemerkte in Bezug auf religiöse und wirtschaftliche Verhältnisse knapp: Der meiste Hauffen der Innwohner dieser Stadt sind der Römischen Kirchen zugetan; und die gantze Stadt ist so voll von Klöstern/Kirchen/Kirchlichen Personen und Reliquien, daß es nicht mit Unrecht das Rom des Teutschlandes genennet wird. Die Lutherischen haben auch eine Kirche alldar innerhalb der Mauren, und die Reformirten eine zu Mühlheim oder Möllen, eine halbe Meil unterhalb der Stadt, den Strom hinab, an der andern Seiten des Rheins... Es sind auch viel vermögliche Bürger und Kauff-Leute allhier, welche mit verschiednen Ländern und Oertern, sonderlich durch die gute Gelegenheit des Rheins, Handelschafft treiben, und correspondieren.87

Seine althergebrachte und allen Zeitläuften zum Trotz erhalten gebliebene Katholizität fand insbesondere in den Eindrücken reisender katholischer Geistlicher eine wohlwollende Erwähnung. Der französische Benediktiner Casimir Freschot88 wie auch der italienische Kardinal Giuseppe Garampi89 lobten dies ausdrücklich, und noch ganz unter dem Eindruck der Geschehnisse des Dreißigjährigen Krieges notierte der sizilianische Priester und reisende Geograph Giovan Battista Nicolosi 1647: Jenes, worüber ich (über einen Zeitraum von zwei Monaten) in Köln sehr erbaut war, war die Bescheidenheit des Volkes, und noch mehr dessen Ehrfürchtigkeit, wenn sie sich in den Kirchen einfinden und den heiligen Handlungen mit einer sehr bescheidenen und frommen Körperhaltung beiwohnen. Somit wird sie, und dies nicht ohne Grund, für die katholischste 86 Siehe: Blainville, Reisebeschreibung, Bd. 1, S. 96. 87 Siehe: Browne, Niederland, S. 47. 88 Siehe: Casimir Freschot, Remarques historiques et critiques, Faites dans un Voyage d‘Italie en Hollande dans l‘Annee 1704. Contenant les Moeurs, Interêts, & Religion, de la Carniole, Carinthie, Baviere, Autriche, Boheme, Saxe, & des Electorats du Rhin. Avec une Relation des Differens qui partagent aujourd’hui les Catholiques Romains dans les Pais-Bas, Köln 1705, S. 72: „Vieux bâtiments, vieux Convents, vieilles rues, vieux Dome, vieilles ordures, & vieille incivilité, le peuple y etant fier, & rustique. Voila bien de vieilles choses.... Cologne cependant, nonobstant mon décri, est une Ville en toute maniere considérable, pour son antiquité, pour sa grandeur, pour ses richesses, pour son importance, & a qui lui est le plus glorieux pour sa pieté, & pour sa Religion Catholique, qu’elle se vante de n’avoir jamais altérée, & d’avoir toujours eté Colonia Ecclesiae Romanae fidelis filia, comme elle l’exprime dans ses cachets, & ses étendants.“ 89 Siehe: Garampi, Viaggio, S. 176: „La città conterà da circa sessanta mila anime. È tutta cattolica; quei pochi eretici che vi sono, hanno l’esercizio della religione fuori di Colonia in un piccol luogo, di cui non mi sovviene il nome.“

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Stadt des Reiches erachtet. Man schätzt, daß hier über 4.000 Häretiker leben, die (da sie in der Stadt keinerlei Religion ausüben dürfen) an den Festtagen über den Rhein setzen und zur Schule nach Mülheim gehen, aber die Diener des Magistrats tragen dem Rechnung und behalten sich vor, von ihnen, damit der Frieden erhalten bleibt, die Zeche der Überheblichkeit, die von ihnen in den Wirren des Krieges ausgeübt wird, zahlen zu lassen. Mülheim liegt rechtsrheinisch, Köln gegenüber, eine Stunde weiter flußabwärts, und ist jener Ort, den die aus Köln vertriebenen Häretiker mit Unterstützung der Holländer befestigt hatten, um zu jenem Ort den ganzen Rheinverkehr umzuleiten, dann aber mit Hilfe der flämischen Truppen unter dem Kommando des Spinola wurde es von jenen aus der Stadt in nur wenigen Stunden eingeebnet.90

Die Feststellung erster Makel am Kölner Stadtbild in einem Reisebericht stammen von Hieronymus Annoni, einem pietistischen Basler Theologen, der die Stadt während einer Bildungsreise 1736 besichtigt hatte. Nachdem er mit seinen Begleitern auf den Domturm gestiegen war, um sich einen Überblick über das Gewirr an Straßen und Gassen der Stadt zu machen, bemerkte er, diesen Abstand zum Betrachtungsgegenstand aus mehreren Gründen ganz bewusst gewählt zu haben: Indessen ließen wir unsere Augen von solcher Höhe in der Stadt herum spazieren, als welche wir nicht ohne Beschwerde hätten durchwandern können, sintemal die Gassen damals meistens mit Prozessionen angefüllt waren und dabei wegen dem in kleinen Gräben stillstehenden Abwasser, welches einen üblen Geruch von sich gab.91

Als Leumund für das tatsächliche Vorherrschen von unangenehmer Enge und Gestank in den Kölner Straßen führte Annoni sodann auch seinen hiesigen Herbergsvater an, der ihm bestätigte, „daß es ein großes Wunder wäre, wenn man hier durch eine Gasse gehen könne, ohne einen Pfaffen oder eine sogenannte Betschwester oder ein Schwein (man könnte noch hinzusetzen: einen Bettler) anzutreffen.92 In die gleiche Richtung zielten die besonders einflussreichen und in der Reiseliteratur häufig kommentierten Bemerkungen des Göttinger Professors Christoph Meiners, die er nach seiner Reise 1787 veröffentlichte und die pars pro toto für die diesbezüglichen Auslassungen einer großen Zahl weiterer Reiseschriftsteller stehen:93 90 Siehe: Nicolosi, Deutschlandreise, S. 103. 91 Siehe: Hieronymus Annoni, Dem rechten Glauben auf der Spur. Eine Bildungsreise durch das Elsaß, die Niederlande, Böhmen und Deutschland. Das Reisetagebuch des Hieronymus Annoni von 1736, herausgegeben von Johannes Burkhardt/Hildegard Gantner-Schlee/Michael Knieriem, Zürich 2006, S. 68. 92 Siehe: ebd., S. 72. 93 Zahlreiche, sich zum Teil gegenseitig zitierende Auslassungen von Reiseschriftstellern des 18. Jahrhunderts über die der katholischen Konfession geschuldete Rückständigkeit Kölns fin-

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Da ich Ihnen jetzt meine Gedanken über die Gegenden am Rhein geschrieben habe, so könnte ich meinen Brief schließen; allein Ihnen, und allen Ihren Freunden zur Warnung, will ich noch eine Bemerkung über die löbliche Reichsstadt Cölln hersetzen. Ich unterschreibe mit voller Überzeugung das einstimmige Urtheil aller Reisenden, daß Cölln unter den größern Städten Teutschlands die schmutzigste, übelriechendste, am schlechtesten bebaute, und mit gleich unverschämten Bettlern, und Geistlichen am meisten bevölkerte sey.94

In Bezug auf den üblen Geruch, der in der Stadt herrsche, bemerkte der amerikanische Schriftsteller James Fenimore Cooper noch 1829, allerdings bereits in der Haltung des anspruchsvollen und an Souvenirerwerb interessierten Rheintouristen: I do not know that there is a necessary connexion between foul smells and Cologne water, but this place is the dirtiest and most offensive we have yet seen, or rather smelt, in Europe. It would really seem that the people wish to drive their visiters into the purchase of their great antidote.95

Die unterschwellige Verknüpfung der Beschreibung eines finsteren Ortsbildes mit konfessionell bedingter allgemeiner Rückständigkeit, wie sie typisch vor allem für die Landschaftswahrnehmung und -beschreibung aufgeklärter Reisender war (3.3.1), verschärfte sich in zahlreichen Beschreibungen Kölns durch die Ergänzung eines der mangelnden Sauberkeit geschuldeten, angeblich herrschenden üblen Geruchs. Allerdings blieb dies innerhalb des Mediums der Reiseliteratur nicht ohne Widerspruch. Indirekt reagierte Friedrich Schlegel 1806 auf diesen Vorwurf mit einer den lokalen Gegebenheiten geschuldeten Erklärung für die engen Gassen und zeitweise auftretenden Gestank in der Stadt: den sich in Auswahl bei Neutsch, Leben, S. 9–27. Hier auch der Hinweis auf die 1912 erschienene Edition Kölner Reiseberichte von 1770–1830 von Josef Bayer, in deren Vorwort der Herausgeber von ihm vorgenommene Zensuren in den ausgewählten Texten rechtfertigte: „Und nicht zuletzt schien es mir dringend geboten, alle Derbheiten, Obszönitäten und Geschmacklosigkeiten, auch alle persönlichen Angriffe, Verleumdungen und Gehässigkeiten, die sich besonders gegen die damals in Köln in Überzahl vorhandenen geistlichen Personen und gegen religiöse Einrichtungen und Gebräuche richten, unbarmherzig auszumerzen, damit ausnahmslos alle, auch die jüngeren noch Gymnasium und Töchterschule besuchenden Bürger Kölns, die sich über die Vorgeschichte ihrer Vaterstadt belehren wollen, das Buch getrost in die Hand nehmen können.“ Siehe: Josef Bayer (Hrsg.), Köln um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts (1770–1830). Geschildert von Zeitgenossen, Köln 1912, S. VII. Kurz über das negative Image der Stadt in der Reiseliteratur auch Heribert Müller, Köln, in: Christoph Markschieß/Hubert Wolf (Hgg.), Erinnerungsorte des Christentums, München 2010, S. 280–300, hier S. 285. 94 Siehe: Meiners, Länder- und Reisebeschreibungen, S. 152f. 95 Siehe: Cooper, Gleanings, S. 117.

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Diese alte Stadt pflegt den Fremden mehrentheils zu missfallen; wie dann jede große Stadt, die in Verfall gerathen ist, keinen angenehmen Eindruck machen kann.... mancher Tadel flüchtiger Reisenden ist auch ohne Rücksicht auf das Lokalbedürfnis abgesprochen; die Straßen, besonders die nach dem Rheine zu, sind meistens eng, weil alles sich des Verkehrs und des Gewerbes wegen nach dieser Gegend drängt; sehr breite Gassen würden hier auch wegen der Strenge der Rheinluft im Frühling und Herbst nicht eben wöhnlich seyn.96

Bereits nach seinem ersten Besuch in Köln 1779 widersprach der sehr um ein ausgewogenes Urteil bemühte evangelische Historiker Philipp Wilhelm Gercken dem allgemeinen Urteil in der Reiseliteratur ganz entschieden: Die mehresten Reisebeschreiber schildern die Stadt sehr schlecht in Absicht der Häuser, Straßen, des Pflasters, der Sauberkeit auf den Straßen, und dergleichen mehr. Ich muß gestehen, daß sie es übertreiben, und daß ich es lange nicht so schlecht gefunden habe.97

Für die einseitige Darstellung der Stadt und ihrer Einwohner hält er auch eine Erklärung bereit: Auch die Lebensart habe ich nicht so schmutzig und niedrig gefunden. Wenn man sich aber einmal vorgesetzt hat, etwas zu verachten, so findet man auch gar leicht Materie dazu. Daß man unter dem geistlichen Stande auch schlechte Leute findet, wie unter dem Weltlichen, ist wahr, mithin trifft man hier freilich bey der sehr großen Anzahl derselbigen mehr dergleichen an, wie an andern Orten, wo sie nicht so häufig sind, aber man trifft auch brave, gelehrte, und rechtschaffne Männer unter ihnen, wie ich deren verschiedene bey meinem öfteren Aufenthalt kennen gelernet habe... Einer schreibt es dem andern ohne genaue Prüfung nach, und dieses geschieht vorzüglich von den Verfassern der Reisebeschreibungen. Zuweilen trifft es auch von ungefehr, daß der Reisende mehr in schlechte Bekanntschaften geräth, und nun schildert er darnach alles übrige, zumal wenn er sich nur kurze Zeit an einem großen Orte aufhält, und ihn nicht öfter besucht, in diesem Fall lernt er ihn am wenigsten kennen.98

Selbst Ernst Moritz Arndt, der ansonsten nur wenig Gutes über die Stadt Köln und ihre Bewohner zu berichten wusste (3.7.2), fühlte sich dazu veranlasst, die Stadt gegen die anhaltenden Vorwürfe der mangelnden Sauberkeit zu verteidigen: Daß man aber Kölln das schmutzige nennt, darin hat man doch Unrecht, man rede denn allein von den Kappisbauern und ihrer Wirthschaft. Die Einwohner trifft dieser Vorwurf nicht, sondern höchstens die Urgroßväter, welche die Stadt so eng und häßlich zusammenklemmten; bei regnigem Wetter ist dies eine nothwendige Folge der Bauart der Stadt. Sonst hält der Köllner gern alles sauber und nett, und man sieht vor und in den Häusern vieles 96 Siehe: Schlegel, Briefe, S. 313. 97 Siehe: Gercken, Reisen, Bd. 3, S. 255. 98 Siehe: ebd., S. 257.

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von niederländischer Blankheit und Reinlichkeit, und selbst elende Nester sind von außen in der eigentlichen Stadt gewöhnlich so sehr ausgeputzt, als sie es nur irgend vertragen konnten.99

Ähnlich relativierte Steven van Geuns in direkter Bezugnahme auf Christophs Meiners: Es ist die größte Stadt, die ich bisher in Deutschland gesehen habe, die schönste wohl nun freilich nicht, doch ich bin weit davon entfernt von dem, dass ich sie nach Meiners als die schmutzigste, übelriechendste und schlecht gebauteste Stadt Deutschlands nennen würde. Frankfurt ist sicherlich nicht schöner oder reinlicher.100

Dennoch haftete der Stadt offenbar etwas Altertümliches an, das dem Betrachter – auch dem katholischen – als ein zu überwindender Antagonismus erscheinen musste.101 Der Koblenzer Priester Joseph Gregor Lang stellte nach seinem Besuch der Stadt fest, diese sei „kulturell 100 Jahre zurück.“102 Sein Befremden über das Beobachtete war so stark, dass er bescheinigte, man müsse die Stadt und ihre Bewohner nach erster Betrachtung für eine fremde Kolonie halten, „so sehr zeichnen sie sich im Umgange in Sprache, Kleidung, Handlung und sogar in ihren Physiognomien, die noch so viel Italienisches von ihrer mehr als tausendjährigen Wanderung beibehalten haben, von ihren Benachbarten aus.“103 Dass diese Andersartigkeit jedoch durchaus so gewollt sei, also im Sinne Peter Hersches ein Beispiel für die dem Katholizismus unterstellte intendierte Rückständigkeit,104 legt eine weitere Beobachtung Langs nahe:

99 Siehe: Arndt, Reisen, S. 345. 100 Siehe: Geuns, Tagebuch, S. 199. 101 Assoziationen zu aktuellen Debatten über die Integration kultureller Minderheiten ergeben sich anhand Bemerkungen einzelner Autoren über das altmodische Erscheinungsbild der Kölner Damenwelt. Johann Friedrich Grimm stellte 1775 fest: „Ich finde die hiesigen Einwohner recht brav, bescheiden und artig, ob sie es auch, und besonders die Damen von Gesichte sind, kann ich nicht wissen, weil sich die Mehresten beym Ausgehen ein schwarzes Regentuch über den Kopf hängen, so, dass sie von allen Seiten, wie eingepackte Mumien, gleichförmig scheinen.“ (Siehe: Grimm, Bemerkungen, Bd. 3, S. 496). Auch Friedrich Justinian von Günderode wurde bei seiner Reise 1774 durch die besondere Kleidung der Kölner Frauen irritiert: „... die Lebensart soll nicht angenehm seyn; die Weiber tragen Schleier über die Köpfe, wenn sie auf der Straße gehn.“ (Siehe: Friedrich Justinian von Günderode, Beschreibung einer Reise aus Teutschland durch einen Theil von Frankreich, England und Holland, 2 Bde., Breslau 1783, hier Bd. 2, S. 301). 102 Siehe: Lang, Reise, Bd. 2, S. 68. 103 Siehe: ebd., S. 69. 104 Vgl. Hersche, Rückständigkeit.

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Viele Menschen leben hier, um ruhig zu leben; keine steife, beleidigende, alle angenehme und unterhaltende Gesellschaft tötende Etikette quält sie, und die Freiheit, die sich nun einmal dahin gethront hat, zieht aus Holland, Frankreich und dem Oberrhein eine Menge Menschen hierher, welche im Zirkel der Patrizier, der Stiftsherren und der reichen Handelsleute ihre Tage sehr angenehm verleben, wozu die beträchtliche Schiffahrt, die benachbarten Städte, die Entübrigung eines zeremoniösen Hofes, die vielen reizenden Landsitze, die gesunde Luft und die guten Lebensmittel ein Merkliches beitragen.

Auch wenn Lang die in der Reiseliteratur übertrieben dargestellte Präsenz von Geistlichen und Kirchenbauten in Köln relativierte, nahm er aus aufgeklärtkatholischer Perspektive Anstoß am Frömmigkeitsleben der Einwohner: Viele von diesen jetzt angeführten Klosterkirchen sehen hier oft wie Nürnberger Buden aus, angepfropft mit allerhand Statuen und Bildern, manchmal in der schnackigsten Stellung, Ragierung und im buntesten Anstriche. Überall zu viel zusammengehäuft, und oft am unrechten Orte. In einem Bethause sollte das Herz außer der Gottheit nichts sehen, nichts finden, woran es sich anklammerte: allein hier heftet es sich an zu viele Gemälde und Bildsäulen, Schnörkel und Farben, Blumen und Flitter.105

Und dass der in Köln gepflegte, ruhigere Lebensstil auch seine Schattenseiten in Form der in der Stadt zahlreich erscheinenden Bettler mit sich brachte, ließ ihn schließlich eines der Reizthemen in der Reiseliteratur zu Köln schlechthin aufgreifen – die Stellung der Protestanten in der freien Reichsstadt: Ein dutzend Arbeitshäuser, die man bald, wenn den protestantischen Handelsleuten nicht durch unduldsame Widersetzlichkeit die Hände gebunden wären, errichtet sehen würde, möchten leicht die Straßen reinigen und gewiß dem Übel steuern, das nur einzig Müßiggang und Faulheit geboren hat.106

Die große Mehrheit der Reiseschriftsteller des 18. Jahrhunderts war sich in einem Punkt einig: Der de facto zu konstatierende wirtschaftliche Niedergang Kölns seit dem späten 17. Jahrhundert107 und die damit zusammenhängende große Zahl an Bettlern in der Stadt fanden ihre Ursache in der mangelnden religiösen Toleranz der Stadt und ihrer Bürger. Ernst Moritz Arndt etwa meinte hierzu: Die Vertreibung der Juden im 15ten, die der Protestanten im Anfange des 17ten Jahrhunderts schlugen dem Handel und den Fabriken der Stadt unheilbare Wunden. Die Protestanten,

105 Siehe: Lang, Reise, Bd. 2, S. 85. 106 Siehe: ebd., S. 70. 107 Vgl. hierzu Hans Pohl, Wirtschaftsgeschichte Kölns im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert, in: Hermann Kellenbenz (Hrsg.), Zwei Jahrtausende Kölner Wirtschaft, 2 Bde., Köln 1975, hier Bd. 2, S. 11–162, besonders S. 37f.

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beinahe ein Viertel der Einwohner, setzten sich in den Städten jenseits des Rheins fest und brachten ihre Industrie dahin, die bald nachher nicht mehr bloß buhlte mit der Köllnischen. Der finstere Zünft- und Pfaffengeist hat hier auch bis auf unsre Tage gespukt, da es selbst in den finstersten Ländern anfing heller zu werden, und Kölln stand gleichsam allein unter den rheinischen Städten als die häßlichste Reliquie des Mittelalters noch da.108

Der Mainzer Ferdinand Ochsenheimer schloss einen kurzen pseudohistorischen Exkurs folgendermaßen: Der Geist der Intoleranz hat in Cöln noch sein gelbes Panier aufgesteckt. Er war es eigentlich, der diese Stadt verödete. Im Jahr 1618 – auf den ominösen Bartholomäustag wurden die Protestanten von hier verbannt, und mit ihnen flohen Betriebsamkeit und Kunstfleiß...., während auf Cöln noch heutzutage der Fluch zu ruhen scheint: Du sollst bewohnt seyn von Bettlern und Pfaffen, und keinen Handel treiben, als mit Reliquien und Rosenkränzen.109

Eine eindeutige Zuschreibung des Zusammenhangs von Konfession und wirtschaftlichem Verhalten stellte auch Johann Georg Heinzmann nach seiner Reise 1783 fest: Ihrer glücklichen Lage nach könnte diese Stadt eine der wichtigsten Handelsstädte Deutschlands seyn, wenn nicht ein blinder Religionseifer Handels- und Gewissensfreyheit unterdrückte. Außer der katholischen Religion wird keine andere geduldet. Die Mönche arbeiten nach möglichsten Kräften, den ohnehin zur Schwärmerey geneigten Pöbel immer mehr zum Religionshaß anzufeuern, und von der Aufklärung zurück zu scheuchen, und wahrscheinlicher Weise haben die vielen Klöster ------- jene Mastställe, wo der Müßiggang auf Kosten der Dummheit das Laster unter dem Schein der Tugend angenehm hinlebt. --einen großen Einfluß auf den politischen und moralischen Verfall dieser Stadt. Köln ist eine der größten, aber auch eine der ärmsten, traurigsten und verhältnismäßig schlecht bewohntesten Städte Deutschlands...110

Auch Georg Forsters Urteil über die wechselseitigen Bezüge zwischen mangelnder religiöser Toleranz, wirtschaftlichem Niedergang, Bettelwesen und der Rolle des Klerus hierbei fiel nach seinem Besuch der Stadt eindeutig aus: Wer begreift nicht, daß die zahlreiche Bande von sitten- und gewissenlosen Bettlern, die auf Kosten der arbeitenden Klasse leben, hier den Ton angeben muß? Allein, da sie träge, unwissend und abergläubisch ist, wird sie ein Werkzeug in der Hand ihrer theils kurzsichtigen, sinnlichen, theils ränkevollen herrschbegierigen Führer. Die Geistlichen aller Orden, die hier auf allen Wegen wimmeln, und deren ungeheure Menge auf einen Reisenden immer 108 Siehe: Arndt, Reisen, S. 343. 109 Siehe: Ochsenheimer, Streifereien, S. 292. 110 Siehe: Johann Georg Heinzmann, Beobachtungen und Anmerkungen auf Reisen durch Deutschland. In Fragmenten und Briefen, Leipzig 1788, S. 72.

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einen unangenehmen Eindruck macht, könnten zur Moralität dieser rohen, ungezügelten Menge auf das heilsamste wirken, könnten sie zum Fleiß, zur Ordnung anführen, und ihnen billige Gesinnungen gegen ihre anders denkenden Mitbürger, ein Gefühl von Ehre und Schande, von Eigenthum und Recht einimpfen. Dies und noch weit mehr könnten, sollten sie thun, da sich ihr Stand nur durch diese Verwendung für das gemeine Beste zur Existenz legitimieren kann. Allein sie thun es nicht und – und sind! Die Bettlerrotten sind ihre Miliz, die sie am Seil des schwärzesten Aberglaubens führen, durch kärglich gespendete Lebensmittel in Sold erhalten, und gegen den Magistrat aufwiegeln, sobald er ihren Absichten zuwider handelt. Es ist wohl niemand so unwissend, daß er noch fragen könnte, wer den Pöbel gereizt habe, sich der Erbauung eines protestantischen Gotteshauses zu widersetzen?111

Autoren wie Johann Kaspar Riesbeck, August von Wackerbart, Friedrich Albrecht Klebe und Johann Heinzmann schmückten die Theorie von der gezielten Zusammenarbeit des Klerus mit den Bettlern zur Abwehr des Protestantismus (und des damit gleichfalls verhinderten Einzugs von Fleiß, Sauberkeit und wirtschaftlichem Aufschwung) weiter aus, indem sie neben dem wirtschaftlichen Rückstand auch auf intellektuelle und moralische Defizite der Kölner ganz allgemein hinwiesen. All dies sei vom geistlichen Stand der Stadt bewusst herbeigeführt worden, um die eigene Macht zu konsolidieren. Heinzmann glaubte etwa zu wissen, dass „es gar nichts seltenes [war], daß ein Ratsherr nicht schreiben noch lesen konnte.“112 Und weiter meinte er: Wer stehlen will und nicht hangen, der gehe nach Kölln und lasse sich fangen. Wenn ein Malifikant gesetzt ward, so liessen ihn die mitleidigen Soldaten um einige Stüber wieder laufen. Und konnten dergleichen Leute in ein Kloster springen so waren sie gewiß vor den Händen der Gerechtigkeit sicher. So entkam noch vor einigen Jahren ein Student, der einen Kaufmann ohne alle Ursache, wie er hernach selbst gestanden, umgebracht, aus dem Kapuzinerkloster. – Die gute Patres zogen ihm eine Kutte an, und so entwischte er glücklich. Der Mann verwaltet jetzt eine Beamtenstelle im Pfälzischen.113

Friedrich Albrecht Klebe stellte nach einer ausführlichen Beschreibung der allgemeinen Missstände Kölns abschließend fest: Daß dieses Volk so wild unbändig, so dumm und fanatisch ist, kann nur eine Folge seiner ehemaligen Verfassung seyn; Jahrhunderte lang hatten sich Patrizier und Pfaffen verschworen, es in Aberglauben und Unwissenheit zu erhalten... Ein Heer von Mönchen unterdrückte alle Geistesfreiheit, alle Lektüre, alles Studium, außer das der Ascetik.114

111 Siehe: Forster, Ansichten, S. 60. 112 Siehe: Heinzmann, Beobachtungen, S. 74. 113 Siehe: ebd., S. 75. 114 Siehe: Klebe, Reise, Bd. 2, S. 352.

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In der Tat waren in Köln Protestanten vom Bürgerrecht und jeglicher politischen Partizipation ausgeschlossen, und in den westfälischen Friedensbestimmungen war die Rheinmetropole zur rein katholischen Reichsstadt erklärt worden.115 Hintergrund für die vermehrte Thematisierung dieses Umstands in der Reiseliteratur gegen Ende des 18. Jahrhunderts war neben der allgemeinen aufklärerischen Forderung nach religiöser Toleranz ein aktueller, lokalpolitischer Anlass. 1788 war es nämlich zwischen dem Rat der Stadt und dem alteingesessenen – katholischen – Zunftbürgertum zum Streit über eine Lockerung der Einschränkungen für die protestantischen Einwohner gekommen. Bürgermeister Franz Jakob Josef von Hilgers hatte sich gemeinsam mit anderen aufgeklärt denkenden Personen – Ratsmitgliedern, katholischen Kaufleuten, auch Kanonikern des Domkapitels – dafür eingesetzt, ein gemeinschaftliches Bethaus für die lutherische und die reformierte Gemeinde Kölns zu errichten, die bislang ihren Gottesdienst auf der anderen Rheinseite in Mülheim feiern mussten.116 In einem auf verschiedenen Ebenen geführten Disput, dem sogenannten „Kölner Toleranzstreit“, behielt schließlich eine Koalition aus Dom- und Stiftsklerus und den Vertretern der Zünfte die Oberhand; auch gegen die hierzu eingeholten Beschlüsse des Reichshofrates und den ausdrücklichen Wunsch von Kaiser Joseph II. Auch dessen Bruder, Erzbischof Max Franz von Köln, hatte diesbezüglich eine ambivalente Stellung eingenommen, schlussendlich allerdings den Kölner Klerus unterstützt.117 Tatsächlich stand die Sorge um die wirtschaftliche Konkurrenz durch die protestantischen Familien und die hiermit zusammenhängende Gefährdung des traditionellen Zunftwesens im Vordergrund der ablehnenden Haltung weiter Teile der Kölner Bürgerschaft. Ebenso hegte man von Seiten des Klerus die Befürchtung, dass eine verstärkte konfessionelle Vermischung der Bevölkerung schädliche Auswirkungen auf den Fortbestand der tief verwurzelten religiösen Traditionen der Stadt mit sich bringen würde. Diese komplexeren Hintergründe wurden in der Reiseliteratur ebenso wenig thematisiert wie die differenzierten Ursachen für den wirtschaftlichen Abschwung, den die Stadt im Laufe des 18. Jahrhunderts erleben musste. Als monokausale Ursache wurde hierfür überwiegend die „Pfaffenherrschaft“ mit ihren die Sitten verderbenden und rückständigen Anschauungen propagiert. 115 Vgl. Barbara Becker-Jákli, Die Protestanten in Köln. Die Entwicklung einer religiösen Minderheit von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Köln 1983 (= Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte, Bd. 75), besonders S. 1–55. 116 Vgl. Monika Frank, Satire als politisches Kampfmittel: Parodien sakraler Texte im Toleranzstreit, 1788, in: Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Bd. 2, Spätes Mittelalter und Frühe Neuzeit (1396–1794), Köln 1996, S. 272–280, hier S. 272. 117 Zu den einzelnen Phasen des Streits und der Argumentation der verschiedenen involvierten Parteien vgl. Becker-Jákli, Protestanten, S. 55–92.

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Dass primär die territoriale Wirtschaftspolitik des Merkantilismus und die immer wieder den Binnenhandel lähmenden Handelssperren der Nachbarterritorien einem Stadtwesen wie Köln das wirtschaftliche Überleben zunehmend erschwerten, wurde der Leserschaft mehrheitlich nicht erläutert.118 Lediglich zwei Autoren bemühten sich, den allgemein herrschenden polemischen Ton bei der Beschreibung der Kölner Verhältnisse zu Gunsten einer objektiveren Darstellung zu unterlassen. Der bereits erwähnte Philipp Wilhelm Gercken relativierte pointiert die so oft vertretene Ansicht, es gebe keine tüchtigen katholischen Kaufleute in der Stadt: Man findet in der Stadt ansehnliche Handelshäuser, und viele reiche Leute, und diese ebenfalls nicht allein von Protestanten, deren freilich viele wichtige dort sind, wie z. B. das von Meinershagische Haus, die Herren Bemberge, Schall, Pelletier, Peuchen etc., sondern auch von Katholischen, wovon ich nur die Herren von Franzen, Hamm, Hendrichs, das Drachische, jetzt Metternichische, das Brenngrubersche Comtoir etc. nennen will.119

Wilhelm Joseph Heinen betonte die besondere Stellung des Zunftwesens in der Stadt und dessen Auswirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung: Indessen war dennoch Cöln bis in spätern Zeiten niemals so unbedeutend in Handel und Fabrickwesen als kurzsichtige Reisende oder vielleicht eifersüchtige Nachbarn in öffentlichen Schriften es schilderten, unter welche Klasse vorzüglich der verstorbene Caínus, und der allenthalben weit das Ziel vorbeischießende Herr Klebe sich befinden... Gemäße der ehemaligen Verfassung konnte Cöln es unmöglich zu einem gewissen Grade der Höhe im Fabrickwesen bringen, indem der Geist des Zunftwesens das Aufkommen desselben hinderte. Nach aufgehobenen Zünften und erlangter Gewerbefreiheit aber wurden die Locale der großen Klöster zu Fabriken umgeschaffen, der Müßiggang und die so lästige und verächtliche Bettelei verscheuchet; und nun findet jeder, welches Alters und Geschlechts er sey, wenn er übrigens nur arbeiten will, hinreichende Gelegenheit seinen Lebensunterhalt zu verdienen.120

Die realen Auswirkungen der von den meisten Reiseschriftstellern geforderten Säkularisation auf die Kölner Wirtschaft und das gesamte soziale Gefüge, die sich schrittweise nach der Einnahme der Stadt durch die Franzosen 1794 ergaben, schilderte der braunschweig-wolfenbüttelsche Staatsmann Kaspar Heinrich von Sierstorpff: Tausende von Mönchen und Nonnen, und selbst die Stiftsgeistlichen, die ehemals ihre Familien unterstützten, fallen diesen nun größtentheils wieder zur Last. Denn mit 500 Franz. Livres, 118 Vgl. Neutsch, Leben, S. 17. 119 Siehe: Gercken, Reisen, S. 281. 120 Siehe: Heinen, Begleiter, S. 242.

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welche die große Nation jedem Geistlichen, er sey Domherr oder Capuziner, zu zahlen verspricht, werden auch bey wirklicher Zahlung, woran man aus Erfahrung noch sehr zweifelt, nur wenige bey dem kärglichsten Leben auskommen können. Durch diese Aufhebung der geistlichen Stiftungen verliert nun außerdem noch ein sehr großer Theil der hiesigen Handwerker und kleinere bürgerliche Familien, die durch sie ihren Unterhalt gewannen; die sehr vielen Armen, die täglich aus den Klöstern ihr Essen erhielten, sind auf einmal, ohne dass man sich im geringsten um sie bekümmert hat, verlassen.121

Aus der Feder zweier prominenter Autoren stammen retrospektive Einschätzungen über den eigenen Wert, den die intendierte Rückständigkeit Kölns in ihren Augen besaß. Friedrich Schlegel bemerkte aus kunsthistorischer Perspektive über die besondere Bedeutung der Stadt: Sollte es noch möglich seyn, eine ausführliche und genaue Geschichte der gothischen Baukunst zu schreiben, ehe die jetzt herrschende Barbarei und goldgierige Zerstörungssucht vollends alle alte Denkmale verwüstet hat, so ist wohl hier allein ein noch einigermaßen vollständiger Vorrath dazu vorhanden.122

Beinahe trotzig konstatierte er: Doch dem sey wie ihm wolle, Kölln möge den Forderungen des jetzigen Geschmacks so wenig oder so schlecht entsprechen als möglich; für den Freund der Kunst und der Alterthümer ist es eine der wichtigsten und lehrreichsten Städte Deutschlands.123

Einen nostalgischen Abgesang auf den Einzug der modernen Zeiten in Köln verfasste schließlich Victor Hugo nach seinem Besuch 1840: Der Geist des Positivismus und des Utilitarismus, wie sich die heutigen Barbaren ausdrücken, hat hier Einzug genommen und besetzt die Stadt. Neues findet sich allerorten in dem Labyrinth ihrer alten Architektur: Neue Straßen reißen große Löcher in das gotische Durcheinander, der „moderne gute Geschmack“ hält Einzug, baut Rivoli-Fassaden und genießt die dumme Bewunderung der Ladenbesitzer.124

121 Siehe: Sierstorpff, Bemerkungen, S. 26. 122 Siehe: Schlegel, Briefe, S. 320. 123 Siehe: ebd., S. 315. Kritisch über die negativen Auswirkungen der Reformation folgende Passage auf S. 318: „Daher fehlt es denn auch nicht an interessanten Erinnerungen und Merkwürdigkeiten jeder Art in dieser alten, durch innere Kriege, durch die Wirkung der Reformation, und durch den mit der veränderten Lage der Dinge mehrn oder minder allgemeiner gewordenen Verfall von Deutschland, von ihrer ehemaligen Höhe herabgesunkenen Stadt, die jetzt mit den andern Städten des linken Rheinufers den Franzosen anheim gefallen ist.“ 124 Siehe: Victor Hugo, Der Rhein, herausgegeben von Annette Seemann, Berlin 2010, S. 31.

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4.5 Zusammenschau Auch wenn kein anderer Reisender seine konfessionelle Grenzerfahrung beim zeitnahen Besuch von Köln und Mainz so pointiert zum Ausdruck gebracht hat, wie es Georg Forster 1790 tat, wurden die beiden Städte innerhalb des Mediums der Reiseliteratur gerne und häufig als die zwei Extreme von katholischer Konfessionskultur beschrieben, die innerhalb des Prozesses der Aufklärung als potentielle Entwicklungszustände erschienen. Die in Kapitel 3 herausgearbeiteten Wahrnehmungsfelder konfessioneller Differenz wurden von Reiseschriftstellern somit auch auf den homogen katholischen Binnenraum angewandt, der sich eben dadurch auszeichnete (was durchgehend moniert wurde!), dass er diese Homogenität unbeirrt beibehielt und anderen Konfessionen das Recht auf öffentliche Religionspraxis verwehrte. Während durch entsprechend einseitige Darstellung von Ortsbild, Ökonomie, Bildung und Physiognomie der Einwohner der freien Reichsstadt Köln diese als real gewordene Anti-Utopie im Sinne des von Carlo Antonio di Tassulo Pilati vorgestellten „Pfaffenstaates“ Cumba gezeichnet wurde (3.6), galt die aufgeklärte Politik im Mainzer Kurstaat und ihrer bischöflich regierten Hauptstadt – trotz zahlreicher Kritik an der im Vergleich zu protestantischen Landen immer noch mangelhaften Umsetzung – als hoffnungsvolles Modell für die Zukunft. Die unter aufgeklärten Vorzeichen stattgefundene Reform der Mainzer Universität 1784 weckte unter einzelnen protestantischen Reiseschriftstellern sogar Hoffnungen, dass mittelfristig eine ökumenische Annäherung der Konfessionen zueinander möglich sei. Interessant erscheint die Ausschließlichkeit, mit der konfessionelle Zusammenhänge als Erklärung für die unterschiedliche Entwicklung der beiden Städte Köln und Mainz genannt werden. Dass für die in der Tat festzustellende negative ökonomische Entwicklung Kölns im Laufe des 18. Jahrhunderts nicht nur der apodiktisch festgestellte katholische Hang zu Müßiggang und Verschwendung verantwortlich war, sondern auch komplexere wirtschaftliche Zusammenhänge, wurde in den Argumentationsmustern der Reiseberichte weitestgehend ausgeklammert. Nach den politischen Umwälzungen der Franzosenzeit erfuhren jedoch beide Varianten katholischer Konfessionskultur von unterschiedlicher Seite eine posthume Würdigung. Im Sinne des romantischen Nationalismus galten die aufgeklärten Reformen, die in Mainz zum Tragen gekommen waren, nunmehr ebenso als Bestandteil einer gemeinsamen nationalen Identität (Arndt!) wie die gotische Baukunst Kölns (Schlegel). Für kurze Zeit wurden die Raumkonzepte, welche die konfessionelle und damit verbundene kulturelle Verschiedenheit zur Abgrenzung nutzten, zu Gunsten der Vorstellung eines einheitlichen, national bestimmten Raumes aufgegeben.

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Im Fall von Neuwied und der Kurpfalz hingegen konnten insbesondere aufgeklärte Reisende einen heterogenen Konfessionsraum daraufhin untersuchen, inwieweit die von ihnen eingeforderte konfessionelle Toleranzpolitik dort tatsächlich umgesetzt wurde. In beiden Gebieten war diese als Mittel zur Repeuplierung nach dem Dreißigjährigen Krieg eingesetzt worden, allerdings mit sich wandelnden Vorzeichen bezüglich der am jeweiligen Hofe bevorzugten Konfession. Für die Kurpfalz entstand im Medium der Reiseliteratur das allgemeine Bild von einem „Mischmasch“ (Blainville), in dem durch die zu starke Bevorzugung des Katholizismus die gesamte Bevölkerung und selbst der protestantische Klerus sozial wie religiös korrumpiert wurden. Demgegenüber galt Neuwied als das Ideal eines nach den Leitlinien religiöser Toleranz geführten Gemeinwesens. Als besonderes Aushängeschild galt die seit 1750 ansässige Herrnhuter Gemeine. Bei Betrachtung dieser gelangte die an liberalen und rationalen Maßstäben orientierte Kritik des aufgeklärten Reisenden jedoch an ihre eigenen Grenzen. So galten zwar einerseits der Fleiß, die Ordnung und der damit verbundene ökonomische Erfolg der Gemeinde als beispielhaft für die positive Wirkung, die von der Religion auf eine Gemeinschaft ausgehen konnte. Andererseits wurden der klosterähnliche Lebensstil und die religiöse Strenge als dem Katholischen zu ähnlich moniert und hierauf basierend analoge physiognomische Studien über den Charakter der Herrnhuter betrieben. Interessant erscheint schließlich auch, welche Konfessionsräume von Reisenden nahezu unbeachtet und -kommentiert blieben. So galt beispielsweise das zum Herzogtum Berg gehörige Mülheim für die Besucher Kölns lediglich als eine Art Negativfolie, anhand derer man den industriösen Geist der aus Köln dorthin vertriebenen Protestanten aufweisen konnte. Ansonsten wurde aber von Rheinreisenden kaum ein Abstecher ins Bergische Land unternommen oder die dort vorherrschende Konfessionskultur kommentiert. Die hessischen Territorien am Rhein und deren Religionspolitik wurden in Reiseberichten nur sehr selten in Betracht genommen (Beispiele: Papebroch, Geuns). Die religiöse Praxis der dort lebenden Menschen fand trotz zeitweiliger konfessioneller Gemengelage125 keinerlei Beachtung. Die wenigen Bemerkungen, die sich zu Bonn finden lassen, ähneln stark der positiven Wertung für das aufgeklärte Mainz.

125 Vgl. v.a. Ritter, Konfession.

5 Statt eines Resümees: Goethe – Rheinland – Rochusfest „Damit wir aber sogleich erführen, daß wir uns in ein frommes Land bewegten, entgegnete uns vor Mosbach ein italienischer Gipsgießer, auf dem Haupte sein wohlbeladenes Brett gar kühnlich im Gleichgewichte schwenkend. Die darauf schwebenden Figuren aber waren nicht etwa, wie man sie nordwärts antrifft, farblose Götter- und Heldenbilder, sondern, der frohen und heitern Gegend gemäß, bunt angemalte Heilige. Die Mutter Gottes thronte über allen; aus den vierzehn Nothelfern waren die vorzüglichsten auserlesen; der heilige Rochus, in schwarzer Pilgerkleidung, stand voran, neben ihm sein brottragendes Hündlein.“1 Johann Wolfgang von Goethe, Beschreibung des Sankt Rochus-Festes zu Bingen

Am 11. August 1815 machte Johann Wolfgang von Goethe gemeinsam mit dem befreundeten Kölner Kunstsammler Sulpiz Boisserée einen Ausflug nach Mainz, um dort den Altertumswissenschaftler und Bibliothekar Friedrich Lehne zu besuchen.2 Nachdem man am Morgen zusammen verschiedene private Gemäldesammlungen in der Stadt inspiziert hatte, wurde ein Ausflug nach Zahlbach ins Auge gefasst, um die Römersteine und Ausgrabungsstellen römischer Gräberfunde zu bewundern. Schließlich kehrte die kleine Gruppe dort in einem Weingarten ein, um sich bei der sommerlichen Hitze etwas zu erfrischen. Lehne, der zu diesem Zeitpunkt trotz seines geringen Alters bereits nur noch schlecht hören konnte, ermahnte freundschaftlich, aber mit allzu lauter Stimme – sehr zur Belustigung einiger preußischer Soldaten, die am Nachbartisch saßen, aber auch Goethes – den Kölner Freund wegen dessen, nach Lehnes Ansicht, zu großer Begeisterung für die gotische Baukunst. Diese sei doch nur eine schlecht geratene Frucht der verfallenen römischen und griechischen Architektur und damit wertlos. Boisserée wird sich vermutlich dezent verteidigt haben, so lassen es zumindest seine Tagebucheintragungen erahnen.3 Doch die Szene hatte bereits zuviel allgemeine Aufmerksamkeit in der Lokalität erzeugt, um sich eindrücklicher zu verteidigen, ohne noch weitere Kommentare von den Nachbartischen zu provozieren. Beim Spaziergang zurück in die Stadt neckte Goethe den Kölner erneut mit einigen Bemerkungen zur eben stattgefundenen Belehrung durch Lehne. Zwischen den 1 Zitiert wird nach der Hamburger Ausgabe, Bd. 10, S. 401–428, hier S. 401. 2 Einen Überblick über die Besuche Johann Wolfgang von Goethes in Mainz gibt Marlene Hübel, Wo Goethe schritt und weilte. Ein literarischer Spaziergang durch Mainz, Mainz 1999; besagter Besuch auf S. 84–93. Weiterhin August Gasser, Goethe und Mainz, Bern 1988. Seine Rheinreisen werden vorgestellt in: Georg Schwedt, Goethes Reisen an den Rhein, Bonn 1998. 3 Siehe: Hans-J. Weitz (Hrsg.), Sulpiz Boisserée. Tagebücher, Bd. 1 (1808–1823), Darmstadt 1978, S. 243–255.

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beiden war nunmehr jedoch der Faden wieder neu aufgenommen, welcher die gemeinsamen Gespräche der nächsten Tage bestimmen sollte: Boisserées Begeisterung für die Gotik, namentlich für den Kölner Dom, und die kulturelle Wirkkraft des Katholizismus in seiner geliebten Heimtatstadt, die durch die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit – französische Besatzung des linken Rheinufers und Säkularisation der Kirchengüter – so sehr in Mitleidenschaft gezogen worden war. Bei der Rückreise nach Frankfurt am nächsten Morgen kam es zu einem bemerkenswerten Dialog zwischen dem Kunstsammler und dem Dichter, den Boisserée stichwortartig in seinem Tagebuch festhielt: Meinen Wunsch nach Weimar zu kommen, lehnt G. ab. Da sei es zu nüchtern für uns – das Theater kein Ersatz – für das schaureiche mannigfaltig bewegte Leben welches wir in Köln gewohnt. Ich wende daß wir es auch in Heidelberg entbehren und erwähne wie uns die großen Kirch-Feste etc. an das erinnern was in K. zum Teil noch übrig geblieben von würdigen kirchlichen und volksmäßigen Einrichtungen usw. und schildere wie es damals gewesen. Wie leicht die Menschen noch zum Rechten zu führen durch das Beispiel, wie empfänglich sie sind, wie sehr der große Maßstab alter edeler Umgebungen noch würke. Hierauf komme alles an. Processionen, Altäre, Gottes-Tracht Geck Bärnchen4 – Zünfte – Gemälde auf denselben – Raats-Haus-Bild in den Dom gebracht. Veränderung der Kirchen Zierat und Ausschmückung. Realität im Alten. Modern Wesen auf den Schein. Die Form allein entscheidet hier nicht. Walrafs Versuche – Kirchliche Musik-Messe. Er: Ja, einigemal im Jahr lasse man sich wohl eine Messe gefallen, aber das Immer-Einerlei leuchte ihm doch nicht ein usw. – Mit unseren Dingen in Köln, dem DreiKönigsfest und der Übertragung des Rat-Haus-Bildes in den Dom, dann dem Dom selber – das sei doch ein Leben, sie in Weimar müßten sich behelfen mit der Gelehrsamkeit. Stoppelten den Tempel von Ephesus mit aller Mühe auf dem Papier zusammen und den Wagen des Alexanders und am Ende sei es nur für wenige einzelne.5

Boisserées Plädoyer für den volkstümlichen Katholizismus, wie er ihn aus Köln kannte, traf bei Goethe also durchaus auf wohlwollendes Verständnis. Insbesondere das Argument, durch die Einbeziehung der „alten, edlen Umgebung“ das breite Volk „zum Rechten“ führen zu können und damit eine kulturelle und ethische Wirkung nicht nur auf eine bürgerliche Elite auszuüben, wie es Goethe spontan am Gegenbeispiel von Weimar aufzeigte, schien den Dichter zu überzeugen. Grundgelegt war diese nicht selbstverständliche und immer vorhanden 4 Rheinisches Wörterbuch, bearbeitet und herausgegeben von Josef Müller, ab Bd. 7 von Karl Meisen/Heinrich Dittmaier/Matthias Zender, 9 Bde., Bonn und Berlin 1928–1971, hier Bd. 2, S. 1085: „et g.ə Bärnchen Fastnachtsfigur im alten Kölner Fastnachtszuge, der hinger (hinter) dem Reihföhrer danzte un sprung, ursprüngl. den König David darstellend, vor der Bundeslade tanzend, daher auch stets mit orientalisch krummem Säbel, in Prozessionen die hilligen Mägde n. Knechte führend; in Eusk-Zülp ehedem vor dem Schützenzuge hertanzender Possenreisser.“ 5 Siehe: Weitz, Boisserée, Bd. 1, S. 246.



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gewesene Offenheit Goethes gegenüber der katholischen Welt sicherlich in den Erfahrungen seiner italienischen Reise (1786–1788), die er seit 1813 anhand seiner Tagebuchaufzeichnungen zur Veröffentlichung aufarbeitete.6 Verschiedene Erlebnisse und Begegnungen der unmittelbaren Vorjahre, die eng mit der Person Sulpiz Boisserées und dem Rheinland als Kulturlandschaft in Beziehung stehen, hatten in der Folgezeit Goethes Kenntnisse und sein vorsichtiges Wohlwollen gegenüber dem Katholizismus weiter steigen lassen.7 Friedrich Schlegel war es, der 1808 bei einem Besuch in Weimar Goethe auf die aus Köln stammenden Gebrüder Melchior und Sulpiz Boisserée und deren bedeutende Kunstsammlung aufmerksam gemacht hatte.8 Gemeinsam mit seiner Gemahlin Dorothea und ihm selbst hatten die Boisserées 1803 in Paris unter einem Dach gelebt und bei Schlegel private Vorlesungen über Literatur und Kunstgeschichte gehört. Er hatte die große Begeisterung für die mittelalterliche deutsche Kunst und die gotische Architektur bei den beiden Brüdern weiter gefördert und sie darin bestärkt, nach der Rückkehr in die Heimat die in den Wirren der französischen Besatzungszeit und der anschließenden Säkularisation in Köln aus den Kirchenräumen entfernten Kunstschätze aufzukaufen, mit ihnen eine private Sammlung aufzubauen und sie somit vor dem endgültigen Verlust und der Zerstörung zu retten.9 Den beiden Kölner Katholiken wiederum gelang es 1804, die Schlegels zu einer Übersiedlung nach Köln zu bewegen, wo diese bis 1808 lebten, Friedrich Vorlesungen über Geschichte und Philosophie hielt und er schließlich 1808 gemeinsam mit seiner Frau zum Katholizismus konvertier6 Vgl. Thomas Pitroff, Goethe und die katholische Welt, in: Ralf Bogner/Ralf Georg Czapla/Robert Seidel/Christian von Zimmermann (Hgg.), Realität als Herausforderung: Literatur in ihren konkreten historischen Kontexten. Festschrift für Wilhelm Kühlmann zum 65. Geburtstag, Berlin/New York 2011, S. 319–328. Allgemein zu Goethes Religiosität vgl. Hans-Joachim Stimm (Hrsg.), Goethe und die Religion. Aus seinen Werken, Briefen, Tagebüchern, Frankfurt am Main 2000; Günter Niggl, „In allen Elementen Gottes Gegenwart“, Religion in Goethes Dichtung, Darmstadt 2010. 7 In einem Brief vom 18. Juli 1815 an Antonie Brentano schrieb Goethe über Boisserée: Dieser „hat als echt katholischer Christ, ohne sein Gewissen zu beschweren, mit einem rein protestantischen Heiden sich recht traulich benommen. Seine Gegenwart ist mir deshalb aufregend, unterhaltend und belehrend geworden.“ Zitiert nach Adolf Bach, Aus Goethes rheinischem Lebensraum. Menschen und Begebenheiten, Neuss 1968, S. 467. Vgl. ebenfalls Richard Klapheck (Hrsg.), Goethe und das Rheinland. Rheinische Landschaft – Rheinische Sitten – Rheinische Kunstdenkmäler, Düsseldorf 1932. 8 Vgl. ebd., S. 542. 9 Zu Aufbau, Geschichte und Bedeutung der Sammlung vgl. Uwe Heckmann, Die Sammlung Boisserée: Konzeption und Rezeptionsgeschichte einer romantischen Kunstsammlung zwischen 1804 und 1827, München 2003. Die Sammlung wurde von den beiden Brüdern 1827 an König Ludwig I. von Bayern verkauft, der sie als Grundstock für die 1836 eröffnete Münchner Alte Pinakothek nutzte.

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te.10 Nicht nur die Rettung der kirchlichen Kunstschätze, auch das Schicksal des unfertigen Kölner Domes und seine architektonische Bedeutung für die kunsthistorische Erforschung der gotischen Baukunst bewegten insbesondere Sulpiz Boisserée zeitlebens. Als es ihm im Mai 1811 endlich gelang, bei Goethe in Weimar vorsprechen zu können, war es eines seiner Hauptanliegen, den Dichterfürsten von der historischen Bedeutung der gotischen Kunst zu überzeugen. Er versprach sich viel von diesem Gespräch und hoffte, durch eine öffentliche Stellungnahme und Parteinahme Goethes für den denkmalpflegerischen Erhalt von Gebäuden im Stile der Gotik große öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung zu erhalten.11 Nach verhaltener erster Reaktion Goethes auf das Ansinnen des Kölners ergab sich während des kurzen Aufenthaltes Boisserées in Weimar schnell eine vertraute Gesprächsatmosphäre, die sich in der Folge durch einen regen Briefaustausch zwischen beiden zu einer Freundschaft entwickelte, die Goethe letztlich durch zwei Besuche bei den Boisserées, die mittlerweile nach Heidelberg umgezogen waren, in den Jahren 1814 und 1815 bewusst vertiefte.12 Einen ersten, öffentlich wahrnehmbaren Erfolg seiner Überzeugungsarbeit bedeutete der lobende Hinweis auf die künstlerische Bedeutung der Dome von Freiburg, Straßburg und Köln und eine namentliche Erwähnung von Sulpiz Boisserée und seiner Bemühungen um den Erhalt des Kölner Doms im neunten Buch von Dichtung und Wahrheit 1812.13 Während seines ersten Aufenthaltes als Gast des Kunstsamm10 Vgl. Thomas Brechenmacher,  „Schlegel, (Karl Wilhelm) Friedrich von“, in: BBKL, Band 9 (1995), Sp. 241–250. Zur Konversion selbst vgl. Benno von Wiese, Friedrich Schlegel: Ein Beitrag zur Geschichte der romantischen Konversionen, Berlin 1927. 11 Vgl. Bach, Goethes, S. 544. 12 Vgl. Arthur Denecke, Goethe und Boisserée, in: Zeitschrift für deutschen Unterricht 27 (1913), S. 687–692, 753–762. Als neueren Literaturüberblick zu Goethes Kontakten zu Vertretern der Romantik vgl. Hartmut Fröschle, Goethes Verhältnis zur Romantik, Würzburg 2002, insbesondere S. 125–129. 13 Siehe: Hamburger Ausgabe, Bd. 9, S. 387–389: „Diese Betrachtung ist hier recht am Platze; denn wenn ich die Neigung bedenke, die mich zu jenen alten Bauwerken hinzog, wenn ich die Zeit berechne, die ich allein dem Straßburger Münster gewidmet, die Aufmerksamkeit, mit der ich späterhin den Dom zu Köln und den zu Freiburg betrachtet und den Wert dieser Gebäude immer mehr empfunden; so könnte ich mich tadeln, daß ich sie nachher ganz aus den Augen verloren, ja, durch eine entwickeltere Kunst angezogen, völlig im Hintergrunde gelassen. Sehe ich nun aber in der neusten Zeit die Aufmerksamkeit wieder auf jene Gegenstände hingelenkt, Neigung, ja Leidenschaft gegen sie hervortreten und blühen, sehe ich tüchtige junge Leute, von ihr ergriffen, Kräfte, Zeit, Sorgfalt, Vermögen diesen Denkmalen einer vergangenen Welt rücksichtslos widmen; so werde ich mit Vergnügen erinnert, daß das, was ich sonst wollte und wünschte, einen Wert hatte. Mit Zufriedenheit sehe ich, wie man nicht allein das von unsern Vorvordern Geleistete zu schätzen weiß, sondern wie man sogar aus vorhandenen unausgeführten Anfängen, wenigstens im Bilde, die erste Absicht darzustellen sucht, um uns dadurch mit dem Gedanken, welcher doch das Erste und Letzte alles Vornehmens bleibt, bekannt zu machen, und eine verworren scheinende



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lers in Heidelberg im Oktober 1814 widmete Goethe viele Stunden der Betrachtung der Boisserée’schen Gemäldesammlung und entwickelte hierbei eine neues Verständnis für die mittelalterliche christliche Kunst, die er bislang zu Gunsten seiner großen Vorliebe für die Klassik kaum beachtet hatte.14 Unmittelbar bevor im folgenden Jahr der bereits erwähnte Mainzbesuch der beiden Freunde stattfand, hatte Goethe sich in Begleitung des Freiherrn vom Stein im Juli 1815 persönlich einen Eindruck von den Kunstschätzen der Stadt Köln und des umgebenden Rheinlands machen können.15 Stein und Boisserée verband das Interesse an der deutschen Geschichte des Mittelalters – bei dem einen aus patriotischen, bei dem anderen vor allem aus religiösen Motiven –, und beide waren der Überzeugung, dass eine öffentliche Stellungnahme Goethes bezüglich der hohen Bedeutung der im Rheinland zu findenden mittelalterlichen Kunst- und Bauwerke viel zu deren Erhalt nach den Wirren der französischen Besatzungszeit und der Säkularisation beitragen könne. Es gelang dem Freiherrn schließlich, den Dichter davon zu überzeugen, auf Grundlage der gemeinsamen Reiseerlebnisse eine Denkschrift über erhaltenswerte Kunst und Altertümer im Rheinland auszuarbeiten, um diese dem preußischen Staatsminister von Hardenberg zu übersenden.

Vergangenheit mit besonnenem Ernst aufzuklären und zu beleben strebt. Vorzüglich belobe ich hier den wackern Sulpiz Boisserée, der unermüdet beschäftigt ist, in einem prächtigen Kupferwerke, den Kölnischen Dom aufzustellen als Musterbild jener ungeheuren Konzeptionen, deren Sinn babylonisch in den Himmel strebte, und die zu den irdischen Mitteln dergestalt außer Verhältnis waren, daß sie notwendig in der Ausführung stocken mußten. Haben wir bisher gestaunt, daß solche Bauwerke nur so weit gediehen, so werden wir mit der größten Bewunderung erfahren, was eigentlich zu leisten die Absicht war. Möchten doch literarisch-artistische Unternehmungen dieser Art durch alle, welche Kraft, Vermögen und Einfluß haben, gebührend befördert werden, damit uns die große und riesenmäßige Gesinnung unserer Vorfahren zur Anschauung gelange und wir uns einen Begriff machen können von dem, was sie wollen durften. Die hieraus entspringende Einsicht wird nicht unfruchtbar bleiben und das Urteil sich endlich einmal mit Gerechtigkeit an jenen Werken zu üben imstande sein. Ja, dieses wird auf das gründlichste geschehen, wenn unser tätiger junger Freund, außer der dem Kölnischen Dome gewidmeten Monographie, die Geschichte der Baukunst unserer Mittelzeit bis ins einzelne verfolgt. Wird ferner an den Tag gefördert, was irgend über werkmäßige Ausübung dieser Kunst zu erfahren ist, wird sie durch Vergleichung mit der griechisch-römischen und der orientalisch-ägyptischen in allen Grundzügen dargestellt; so kann in diesem Fache wenig zu tun übrig bleiben. Ich aber werde, wenn die Resultate solcher vaterländischen Bemühungen öffentlich vorliegen, so wie jetzt bei freundlichen Privatmitteilungen, mit wahrer Zufriedenheit jenes Wort im besten Sinne wiederholen können: ‚Was man in der Jugend wünscht, hat man im Alter genug.‛“ 14 Vgl. Bach, Goethes, S. 549–562. 15 Vgl. Adolf Bach, Goethe und Stein am Rhein 1815, in: Rheinische Heimatblätter 3 (1926), S. 389–393.

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Gleich nach Ankunft Sulpiz Boisserées in Wiesbaden am 2. August 1815 begann man gemeinsam über den möglichen Aufbau der Schrift zu beraten. An Boisserées zweiunddreißigstem Geburtstag, dem 4. August, konnte dieser freudig in seinem Tagebuch notieren: Diesen mir heiligen Tag mit einem bedeutenden Vornehmen zu bezeichnen habe ich unter frommen Wünschen und Dank gegen den uns günstigen Himmel den Entwurf zu dem Bericht über Deutsche Altertümer, Kunst und Wissenschaft am Rhein angefangen. Der Allgütige gebe sein Gedeihen zu dieser Arbeit! Goethe hat auch angefangen und, wie er sich ausdrückt, der Heilige Geist ihm offenbart, daß wir es (den Entwurf) hier fertig machen, darum noch acht Tage bleiben müssen.16

Als eine erste Frucht des gemeinsamen Nachdenkens sollte schließlich Goethes Denkschrift Kunst und Altertum am Rhein, Main und Neckar17 1816 erscheinen, in der die Notwendigkeit denkmalpflegerischer Aktivitäten im nunmehr preußischen Rheinland im Sinne der Brüder Boisserée betont wurde. Von Friedrich Schlegel, dem es zu verdanken war, dass der Kontakt zwischen den beiden überhaupt hatte entstehen können, stammt folgende Einschätzung über die hohe Bedeutung der Denkschrift für die Sache der Boisserées: Daß Goethe über Euere Bilder schreibt, ist auch schon wegen der Wirkung auf das Publikum sehr gut, und noch heilsamer kann es werden, wenn er bei dieser Gelegenheit den Preußen etwas den Sinn öffnet über den hohen Wert und altdeutschen Charakter der Rheinlande überhaupt. Und selbst für die bildende Kunst, wenn gleich ich ihm verhältnismäßig für diese nicht sehr viel zutraue, wird sein Reden darüber nicht ohne Nutzen bleiben, weil er doch von alters her so anregender Art ist.18

Doch kommen wir zurück zu Goethes positiver Haltung gegenüber der katholischen Volkskultur, wie sie im eingangs zitierten Gespräch gegenüber Sulpiz Boisserée zum Ausdruck gekommen war, und der Suche nach ihren Ursprüngen. Am 14. August, drei Tage nach dem gemeinsamen Ausflug nach Mainz, einem regnerischen Tag, suchten die beiden die Gerbermühle vor den Toren der Stadt Frankfurt auf, den Landsitz der mit Goethe befreundeten Familie Willemer.19 Hier sollte der Dichter die kommenden fünf Wochen verbringen und am 28. August auch die Fei-

16 Siehe: Weitz, Boisserée, Bd. 1, S. 231. 17 Siehe: Hamburger Ausgabe, Bd. 12, S. 142–164. 18 Zitiert nach: Klapheck, Goethe, S. 41. 19 Goethes wechselvolles und kompliziertes Verhältnis zu den Willemers – Johann Jakob und seiner dritten Frau Marianne, einer aus Österreich stammenden Schauspielerin katholischer Konfession – beleuchtet Bach, Goethes, S. 508–519. Ebenfalls: Wilhelm Nicolay, Goethe und das katholische Frankfurt, Frankfurt 1933.



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erlichkeiten zu seinem 66. Geburtstag abhalten. Auf dem Hinweg passierte man einen nahe gelegenen Bildstock. Goethe konnte es nicht unterlassen, den Freund hierauf aufmerksam zu machen und ihn aus kunsthistorischen, aber auch religiösen Gründen dort hinzuführen – ein weiteres Zeichen für den gewachsenen Respekt gegenüber der Frömmigkeit des Kölners.20 Als zwei Wochen später der Ehrentag des Dichters begangen wurde, schmückte man die Räumlichkeiten der Gerbermühle mit Girlanden, Blumen und Pappschildern aus. Über dem Platz Goethes wurde ein Farbenkreis aus Blumen angebracht; eine Tradition, die offenbar in Weimar begonnen worden war. Dort pflegte man allerdings die Anfangsbuchstaben seiner bislang noch unvollendet gebliebenen Werke einzuflechten, um den Dichter damit zu „scheren“, wie er es ausdrückte. Als der Jubilar dies im Gespräch gegenüber Boisserée äußerte, kam man auf eins dieser noch unvollendeten Werke zu sprechen, das ebenfalls die Erlebnisse einer Reise entlang des Rheins zum Inhalt haben sollte, und ganz dem gemeinsamen Interessensgebiet der beiden Freunde entsprach: Goethes Beschreibung des Sankt RochusFestes zu Bingen, dem dieser am 16. August des Vorjahres beigewohnt hatte.21 Die Veröffentlichung dieses kleinen „Reiseberichts“ im Jahr 1817 und die in ihr zum Ausdruck kommende Würdigung katholischer Landschaftsprägung dürften für Sulpiz Boisserée vermutlich eine mindestens ähnlich große Freude bedeutet haben wie die ein Jahr zuvor erschienene Denkschrift zu Kunst und Altertum am Rhein.22 Es war vermutlich Bettina Brentano, spätere von Arnim, die als erste Goethes Aufmerksamkeit auf die während der französischen Besatzungszeit 1795 durch deutschen und österreichischen Beschuss zerstörte Wallfahrtskapelle bei Bingen

20 Siehe: Weitz, Boisserée, Bd. 1, S. 247: „Steinernes Heilig-Häus’chen, bei der Mühle. Goethe führte mich daran es zu verehren, weil es obwohl so einfach so meisterhaft gemacht und von Basalt. Auf dem Wappen ein Ring à jour gefaßt. – Jahreszahl 1508?“ 21 Siehe: Weitz, Boisserée, Bd. 1, S. 258: „In Beziehung auf den Farben-Kranz erzählte G.: weil er immer seine angefangenen Arbeiten so gerne liegen gelassen – hätten seine Freunde in Weimar ihm an einem Geburts-Tag einen Kranz gemacht, worin die Anfangs-Buchstaben, die zerbrochenen, von allen unvollführten Werken zusammengereiht gewesen. Auf solche Art hätten sie ihn oft geschoren an seinem Geburts-Tag. Er hatte früher schon einmal erzählt daß er die Einweihung der Rochus-Kapell im vorigen Jahr beschreiben wollen und schon vollkommen schematisiert gehabt, aber dann liegen lassen.“ 22 Die Schrift erschien erstmals 1817 im zweiten Heft von dem bei Cotta in Tübingen aufgelegten Heft Kunst und Altertum am Rhein, Main und Neckar zusammen mit einem Aufsatz von Heinrich Meyer zum Thema Neudeutsche religios-patriotische Kunst, die einen heftigen Angriff gegen die nazarenische Malerei darstellte. Als Boisserée das Heft am 1. August erhalten und gelesen hatte, notierte er in sein Tagebuch: „Goethes 2. Heft. Aufsatz von Meyer platt. geistlos. ‚Rochus-Fest‛ hingegen herrlich.“ (Siehe: Weitz, Boisserée, Bd. 1, S. 408).

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gelenkt hatte.23 In einem Brief vom 18. Juli 1808 berichtete sie Goethe über die besondere Bedeutung dieses Ortes für sie selbst: Mein erster Gang war hier herauf, wo ich Dir den letzten Brief schrieb, ehe wir reisten. Ich wollte sehen, ob mein Dintenfaß noch da sei und meine kleine Mappe mit Papier. Alles noch an Ort und Stelle; ach Goethe, ich habe Deine Briefe so lieb, ich habe sie eingehüllt in ein seidnes Tuch, mit unten Blumen und goldnem Zierat gestickt. Am letzten Tag vor unserer Rheinreise, da wußte ich nicht, wohin mit, mitnehmen wollte ich sie nicht, da wir allesamt nur einen Mantelsack hatten; in meinem Zimmerchen, das ich nicht verschließen konnte, weil es gebraucht wurde, mochte ich sie auch nicht lassen, ich dachte, der Nachen könnte versinken und ich versaufen, und dann würden diese Briefe, deren einer um den andern an meinem Herzen gelegen hat, in fremde Hand kommen. Erst wollte ich sie den Nonnen in Vollratz aufzuheben geben; - es sind Bernhardinerinnen, die, aus dem Kloster vertrieben, jetzt dort wohnen – nachher hab ich’s anders überlegt. Das letzte Mal habe ich hier auf dem Berg einen Ort gefunden; unter dem Beichtstuhl der Rochuskapelle, der noch steht, in dem ich auch immer meine Schreibereien verwahre, hab ich eine kleine Höhle gegraben und hab sie inwendig mit Muscheln vom Rhein und wunderschönen kleinen Kieselsteinchen ausgemauert, die ich auf dem Berge fand; da hab ich sie in ihrer seidnen Umhüllung hineingelegt und eine Distel vor die Stelle gepflanzt, deren Wurzel ich sorgfältig mitsamt der Erde ausgestochen...24

Vielleicht hatte sich Goethe auch dieser Zeilen erinnert, als er am 16. August 1814 von Wiesbaden aus kommend beschloss, 19 Jahre nach ihrer Zerstörung an der feierlichen Einweihung der Rochuskapelle teilzunehmen. In der Ausarbeitung seiner Erinnerungen beschrieb er seine ersten Eindrücke von der herannahenden Festprozession folgendermaßen: Ein rotseidener Baldachin wankte herauf, unter ihm verehrte man das Hochwürdigste, vom Bischof getragen, von Geistlichwürdigen umgeben, von östreichischen Kriegern begleitet, gefolgt von zeitigen Autoritäten. So ward vorgeschritten, um dies politisch-religiöse Fest zu feiern, welches für ein Symbol gelten sollte des wiedergewonnenen linken Rheinufers sowie der Glaubensfreiheit an Wunder und Zeichen.

Sollte ich aber die allgemeinsten Eindrücke kürzlich aussprechen, die alle Prozessionen bei mir zurückließen, so würde ich sagen: Die Kinder waren sämtlich froh, wohlgemut und behaglich, als bei einem neuen, wundersamen, heitern Ereignis. Die jungen Leute dagegen traten gleichgültig anher. Denn sie, in böser Zeit Geborne, konnte das Fest an nichts erinnern, und wer sich des Guten nicht erinnert, hofft nicht. Die Alten aber waren alle gerührt, als von einem glücklichen, für sie

23 Über das äußerst problematische und wechselvolle Verhältnis Goethes zu Bettina von Arnim vgl. Fröschle, Goethes, S. 351–382. Zur Geschichte der mehrfach zerstörten und wiedererrichteten Wallfahrtskapelle vgl. Josef Krasenbrink, Die Binger St. Rochuskapelle von 1895. Eine hundertjährige Kapelle für eine über 300jährige Wallfahrt, Bingen 1995. 24 Siehe: Bettina von Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, herausgegeben von Heinz Härtl, Berlin 1986, S. 186.



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unnütz zurückkehrenden Zeitalter. Hieraus ersehen wir, dass des Menschen Leben nur insofern etwas wert ist, als es eine Folge hat.25

Bemerkenswert an diesen Zeilen ist nicht nur die Charakterisierung des Festes als politisch-religiöse Veranstaltung, mit der nach Goethes Ansicht von der Bevölkerung symbolisch die Wiedergewinnung der politischen wie der Freiheit in Angelegenheiten des Glaubens gefeiert wurde. Auch der Versuch, die Gemütslage der teilnehmenden Personen nachzuempfinden, zeugt von seinem durch die Bekanntschaft mit Boisserée vertieften Verständnis für die Festkultur des volkstümlichen Katholizismus. An der „jüngst zerstörten Kirche“26 fiel Goethe sogleich auf, dass die Innenausstattung des Gebäudes scheinbar sehr wohl erhalten geblieben war, was ihn zur Nachfrage bei seinen Begleitern, dem nassauischen Oberbergrat Ludwig Wilhelm Cramer und dem Komponisten Karl Friedrich Zelter, animierte: Nun erfahren wir, dass, nach aufgehobenem Kloster Eibingen, die inneren Kirchenerfordernisse, Altäre, Kanzel, Orgel, Bet- und Beichtstühle, an die Gemeine zu Bingen zu völliger Einrichtung der Rochuskapelle um ein billiges überlassen worden. Da man sich nun von protestantischer Seite dergestalt förderlich erwiesen, gelobten sämtliche Bürger Bingens, gedachte Stücke persönlich herüberzuschaffen. Man zog nach Eibingen, alles ward sorgfältig abgenommen, der einzelne bemächtigte sich kleinerer, mehrere der größeren Teile, und so trugen sie, Ameisen gleich, Säulen und Gesimse, Bilder und Verzierungen herab an das Wasser; dort wurden sie, gleichfalls dem Gelübde gemäß, von Schiffern eingenommen, übergesetzt, am linken Ufer ausgeschifft und abermals, auf frommen Schultern, die mannigfaltigen Pfade hinaufgetragen. Da nun das alles zugleich geschah, so konnte man, von der Kapelle herabschauend über Land und Fluss, den wunderbarsten Zug sehen, indem Geschnitztes und Gemaltes, Vergoldetes und Lackiertes, in bunter Folgereihe sich bewegte; dabei genoss man des angenehmen Gefühls, dass jeder, unter seiner Last und bei seiner Bemühung, Segen und Erbauung sein ganzes Leben hoffen durfte. Die auch herübergeschaffte, noch nicht aufgestellte Orgel wird nächstens auf einer Galerie, dem Hauptaltar gegenüber, Platz finden. Nun löste sich erst das Rätsel, man beantwortet sich die aufgeworfene Frage: wie es komme, dass alle diese Zierden, schon verjährt und doch wohlerhalten, unbeschädigt und doch nicht neu, in einem erst hergestellten Raum sich zeigen konnten.

Dieser jetzige Zustand des Gotteshauses muss uns um so erbaulicher sein, als wir dabei an den besten Willen, wechselseitige Beihülfe, planmäßige Ausführung und glückliche Vollendung erinnert werden.27

Der eigentlichen Festtagsprozession war also ein beinahe ökumenisch zu nennender Umzug über den Rhein vorangegangen. Das beschriebene Translations25 Siehe: Hamburger Ausgabe, Band 10, S. 413. 26 Siehe: ebd., S. 409 27 Siehe: ebd., S. 410f.

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geschehen war Goethes Beschreibung gemäß nicht allein als katholisch-restaurativer Akt zu verstehen, sondern verband zeitweilig getrennte Räume und Konfessionen in tätigem Miteinander.28 Dies geschah in einer Form, die Goethe in Anbetracht seiner Kenntnisse über die sonst oft wenig zimperlichen Abläufe des Säkularisationsgeschehens, die ihm durch Boisserées Erzählungen eindrücklich vor Augen geführt worden sein dürften, als beispielhaft empfand: „Möchte man doch überall, in ähnlichen Fällen, mit gleicher Schonung verfahren sein!“, bemerkte er hierzu mit offener Kritik. Überhaupt ist die differenzierte und vorsichtige Betrachtung des Geschehens eine besondere Qualität des Textes. Hatte die gemeinsame Rheinreise mit Lavater und Basedow 1774 allen Beteiligten noch Anlass zum Physiognomieren (3.7.1) gegeben, schilderte Goethe das bunte Treiben rund um die Kapelle nun betont unkategorisch: Und nun ergreift uns das Gewühl! Tausend und aber tausend Gestalten streiten sich um unsere Aufmerksamkeit. Diese Völkerschaften sind an Kleidertracht nicht auffallend verschieden, aber von der mannigfaltigsten Gesichtsbildung. Das Getümmel jedoch lässt keine Vergleichung aufkommen; allgemeine Kennzeichen suchte man vergebens in dieser augenblicklichen Verworrenheit, man verliert den Faden der Betrachtung, man lässt sich ins Leben hineinziehen.29

In einem wohlwollenden Ton wird das volksfromme Brauchtum geschildert – einschließlich des in den Reiseberichten des späten 18. Jahrhunderts so oft kritisierten Müßiggangs der katholischen Festbesucher wie auch des praktizierten Reliquienkultes –, und selbst die Festpredigt des Tages, in welcher den Gläubigen das Leben des heiligen Rochus als Vorbild in tätiger Nächstenliebe vorgestellt wurde, führte dem Lesepublikum in ganz Deutschland vor Augen, dass das auf den sittlichen Lebenswandel als Maxime zielende Gedankengut der Aufklärung auch in der katholischen Kirche verbreitet und dem Kirchenvolk durch ihre Geistlichen nahegebracht wurde. Die eingeflochtene Erwähnung einer ähnlich intendierten Fastenpredigt – als Weinpredigt bekannt, ist sie wohl dem Mainzer Weihbischof Valentin Heimes zuzuordnen30 – dürfte dem gleichen Zweck gedient haben. Gleichwohl hielt Goethe immer Abstand zum Betrachteten, was sich etwa darin ausdrückte, dass er der Festgemeinde nicht in die Kapelle hinein folgte, 28 Zu diesem Aspekt auch Pitroff, Goethe, S. 321. Zum weiteren Kontext des Entstehens der Schrift vgl. Jürgen Berens, „Die aufgegangene Sonne ... “. Eine unbekannte Skizze und Notiz zu Goethes „Sankt Rochusfest“, in: Philobiblon 30 (1986), S. 207–210; Peter Ganz, Sankt-Rochusfest zu Bingen, in: Oxford German Studies 10 (1979), S. 110–120. 29 Siehe: Hamburger Ausgabe, Bd. 10, S. 411. 30 Vgl. Bach, Goethes, S. 329–349. Bereits einzeln publiziert: ders., Der Mainzer Weihbischof Valentin Heimes und die „Weinpredigt“ in Goethes „St. Rochusfest zu Bingen“, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 27 (1962), S. 97–116.



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sondern in der Zwischenzeit den Ausblick auf die Nahe genoss und diesen dem Leser ausführlich beschrieb. Im Hinblick auf die Wahrnehmung konfessioneller Differenz begegnet dem Leser gleich zu Beginn der Erzählung das Gegensatzpaar protestantisch-katholisch, sinnbildlich in der Erwähnung des italienischen Gipsgießers, der die Ankunft in einem „frommen Land“ signalisierte. Ähnlich wie in seiner Äußerung gegenüber Sulpiz Boisserée über den konfessionell bedingten Kontrast zwischen Weimar und Köln steht der Norden hier für eine „farblose Götterwelt“, während der Süden „heiter und froh“ und mit „bunt angemalten Heiligen“ eben ganz katholisch erscheint. Anklänge eines romantischen Landschaftsbildes finden sich hier ebenso wie ein retrospektives Sinnieren Goethes über sakramentales Denken und die soziale Bedeutung der Sakramente für eine Glaubensgemeinschaft allgemein.31 31 Bereits 1813, im 7. Buch von Dichtung und Wahrheit, hatte er seine Kritik am protestantischen Gottesdienst formuliert, der seiner Meinung nach zu wenig Gemeinschaftsgefühl entwickle: „Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unterlassen, aus meiner früheren Jugend etwas nachzuholen, um anschaulich zu machen, wie die großen Angelegenheiten der kirchlichen Religion mit Folge und Zusammenhang behandelt werden müssen, wenn sie sich fruchtbar, wie man von ihr erwartet, beweisen soll. Der protestantische Gottesdienst hat zu wenig Fülle und Konsequenz, als daß er die Gemeine zusammen halten könnte; daher geschieht es leicht, daß Glieder sich von ihr absondern und entweder kleine Gemeinen bilden, oder, ohne kirchlichen Zusammenhang, neben einander geruhig ihr bürgerliches Wesen treiben. So klagte man schon vor geraumer Zeit, die Kirchengänger verminderten sich von Jahr zu Jahr und in eben dem Verhältnis die Personen, welche den Genuß des Nachtmahls verlangten. Was beides, besonders aber das letztere betrifft, liegt die Ursache sehr nah; doch wer wagt sie auszusprechen? Wir wollen es versuchen. In sittlichen und religiosen Dingen, ebensowohl als in physischen und bürgerlichen, mag der Mensch nicht gern etwas aus dem Stegreife tun; eine Folge, woraus Gewohnheit entspringt, ist ihm nötig; das, was er lieben und leisten soll, kann er sich nicht einzeln, nicht abgerissen denken, und um etwas gern zu wiederholen, muß es ihm nicht fremd geworden sein. Fehlt es dem protestantischen Kultus im ganzen an Fülle, so untersuche man das einzelne, und man wird finden, der Protestant hat zu wenig Sakramente, ja er hat nur eins, bei dem er sich tätig erweist, das Abendmahl: denn die Taufe sieht er nur an anderen vollbringen, und es wird ihm nicht wohl dabei. Die Sakramente sind das Höchste der Religion, das sinnliche Symbol einer außerordentlichen göttlichen Gunst und Gnade. In dem Abendmahle sollen die irdischen Lippen ein göttliches Wesen verkörpert empfangen und unter der Form irdischer Nahrung einer himmlischen teilhaftig werden. Dieser Sinn ist in allen christlichen Kirchen ebenderselbe, es werde nun das Sakrament mit mehr oder weniger Ergebung in das Geheimnis, mit mehr oder weniger Akkommodation an das, was verständlich ist, genossen; immer bleibt es eine heilige, große Handlung, welche sich in der Wirklichkeit an die Stelle des Möglichen oder Unmöglichen, an die Stelle desjenigen setzt, was der Mensch weder erlangen noch entbehren kann. Ein solches Sakrament dürfte aber nicht allein stehen; kein Christ kann es mit wahrer Freude, wozu es gegeben ist, genießen, wenn nicht der symbolische oder sakramentliche Sinn in ihm genährt ist. Er muß gewohnt sein, die innere Religion des Herzens und die der äußeren Kirche als vollkommen eins anzusehen, als das große

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 Statt eines Resümees: Goethe – Rheinland – Rochusfest

Dass ihn der genius loci selbst und die kunstvolle Einbettung des Ortes in das katholische Brauchtum nachhaltig beeindruckt haben müssen, wird nicht nur dadurch deutlich, dass er die Erlebnisse jenes Tages ausformulierte und veröffentlichte. Auch in einer anderen Form versuchte er dem Rochusberg und seiner Kapelle verbunden zu bleiben. Als er Anfang September des gleichen Jahres eine Woche im Landhaus der Familie Brentano in Winkel verbrachte, ergab sich bei einem gemeinsamen Ausflug mit Antonie Brentano erneut die Möglichkeit, die Rochuskapelle zu besuchen.32 Beim neuerlichen Anblick des von der Binger Bevölkerung wiedererrichteten Gebäudes soll Goethe – so die Erinnerungen seiner Begleiterin – entschieden festgestellt haben, „da müsse ein Heiligenbild hineingemalt werden, was er bestellen wolle.“33 Und aus dem nun folgenden Briefwechsel mit der katholischen Frankfurter Kaufmannstochter Pauline Servière, ebenfalls Gast und Gesprächspartnerin während des Aufenthaltes in Winkel, erfahren wir, dass sich Goethe wiederum ganz ungeniert frommer Ausdrucksweisen bediente, um später die Motivation für seine Stiftung zu erläutern: Er sprach wörtlich von einem Gelübde, das er in Winkel im Kreis der Frankfurter Freunde feierlich getan habe, und welches nun durch die Stiftung eines Votiv-Bildnisses des heiligen Rochus einzulösen sei.34 Wie sehr die Stiftung auch seiner Freundschaft zu Sulpiz Boisserée geschuldet war, macht ein Brief deutlich, den er kurz vor Installation des Bildes in der Kapelle, pünktlich zum Rochustag des Jahres 1816, an diesen verfasst hatte: Ein Bild des heiligen Rochus, welches gar nicht übel, aber doch allenfalls noch von der Art ist, daß es Wunder thun kann, gelangt hoffentlich nach Bingen, um an dem großen Tage die Gläubigen zu erbauen. Es ist wunderlich entstanden. Die Skizze ist von mir, der Carton von Hofr. Meyer und eine zarte liebe Künstlerinn hat es ausgeführt. Sie werden es schwerlich dem Rochusberge in Ihre Sammlung entwenden. Es sey aber an seinem Platze wirksam und so ist es recht und gut.35

allgemeine Sakrament, das sich wieder in so viel andere zergliedert und diesen Teilen seine Heiligkeit, Unzerstörlichkeit und Ewigkeit mitteilt.“ (Siehe: Hamburger Ausgabe, Bd. 9, S. 288f). Hierzu auch Niggl, Religion, S. 20f. 32 Vgl. Wolfgang Ries, Goethes Stiftung für die Rochuskapelle in Bingen. Die Geschichte eines Bildes, Ladenburg 2000, S. 16. 33 Siehe: Rudolf Jung (Hrsg.), Goethes Briefwechsel mit Antonie Brentano 1814–1821, Weimar 1896 (ND Bern 1970), S. 12. 34 Vgl. Ries, Goethes, S. 17. Er zitiert aus: Hermann Uhde (Hrsg.), Erinnerungen und Leben der Malerin Louise Seidler, Berlin 21875, S. 127. 35 Zitiert nach Ries, Goethes, S. 49.



Statt eines Resümees: Goethe – Rheinland – Rochusfest  

Abb. 14: Louise Seidler: St. Rochus (Rochuskapelle Bingen).

 241

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 Statt eines Resümees: Goethe – Rheinland – Rochusfest

Goethes Beschreibung des Sankt Rochus-Festes, in der er retrospektiv auch von seiner Heimatregion an Rhein und Main Abschied nehmen sollte,36 nimmt unter den behandelten Reiseberichten eine besondere Stellung ein. Von ihrem Stil her entspricht sie am ehesten der empfindsamen Reisebeschreibung, wie sie in Sternes Sentimental Journey gattungsgeschichtlich grundgelegt wurde. Neben der romantischen Landschaftswahrnehmung und der positiven Wertung katholischer Kulturlandschaftsprägung beinhaltet der Bericht im Hinblick auf die Erfahrung und Darstellung konfessioneller Differenz jedoch ein größeres Potential. Dies erscheint umso deutlicher, wenn man den Bericht im Vergleich zu anderen, im selben historischen Kontext entstandenen Schriften betrachtet. Aus politischen Gründen war das Rheinland nach den Ereignissen in Folge der Französischen Revolution verstärkt in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit genommen worden. Auch Ernst Moritz Arndt, aus dessen Feder die unmittelbarste Beschreibung des gemeinsamen Ausflugs des Freiherrn vom Stein und Goethes nach Köln 1815 stammt,37 hatte dies zu einer längeren Reise an den Rhein bewegt, um Land und Leute kennenzulernen, mit denen nach der notwendigen politischen Neuordnung dann eine gemeinsame deutsche Nation ausgebildet werden sollte. Während seine Beschreibung konfessioneller und kultureller Differenz allgemein ganz der stereotypen Wahrnehmung und Bewertung eines Friedrich Nicolai folgte, spielte er in national-romantischer Perspektive mit dem Gedanken eines gemischt-konfessionellen Ordenslandes am Rhein, wie er es in seiner Schrift Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht seine Gränze ausformulierte (3.3.3). Sein Blick auf das Fremde war also rein funktionalistisch orientiert. Im Hinblick auf eine im Entstehen begriffene deutsche Nation galt für ihn die norddeutsch-protestantisch geprägte Kultur des Bürgertums als Leitbild, dem sich die katholischen Landesteile später anzupassen hätten. Statt unterschiedlicher Konfessionskulturen sollte nun eine gemeinsame Nationalkultur den Grenzraum zu Frankreich charakterisieren und damit markieren. Goethes Sicht auf die Dinge war jedoch eine andere, unabhängigere. Für ihn war ein wohlwollendes Miteinander der konfessionell unterschiedlich geprägten Kulturen – der katholischen und der protestantischen – in all ihren Ambivalenzen sehr wohl möglich, wie er anhand des Rochusfestes aufzuzeigen versuchte. 36 Tatsächlich hatte Goethe für 1816 lange am Plan einer erneuten Reise an den Rhein festgehalten, um unter anderem wiederum Sulpiz Boisserée in Heidelberg zu besuchen. Doch als kurz nach Antritt der Fahrt Richtung Westen an der Kutsche die Achse brach, legte Goethe dies als schlechtes Omen für eine Rückkehr an den Rhein aus, und er kehrte direkt nach Weimar zurück. Verschiedene weitere Gründe verhinderten eine nochmalige Reise Goethes ins Rheinland, aber auch in seine Heimatstadt Frankfurt; vgl. Bach, Goethes, S. 568f. 37 Siehe: Ernst Moritz Arndt, Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn von Stein, Berlin 1858.



Statt eines Resümees: Goethe – Rheinland – Rochusfest  

 243

Ein abgrenzbarer, homogen katholischer Konfessionsraum besaß durchaus seine Daseinsberechtigung und galt für ihn nicht als zu überwindender Anachronismus. Er schrieb der katholischen Volkskultur – gegen die allgemeinen, im Geiste der Aufklärung formulierten Vorhaltungen bezüglich ihrer Tendenz hin zu Müßiggang und Verschwendung – einen eigenen, identitäts- und gemeinschaftsstiftenden Wert zu. Zugleich versuchte er aufzuzeigen, dass aufgeklärtes Gedankengut sehr wohl auch im Katholizismus gepflegt wurde und dies in keinem Widerspruch zu den traditionellen Frömmigkeitsformen stehen musste. Sulpiz Boisserée hatte ihn nachdrücklich auf die Verwobenheit von Form und Inhalt in Bezug auf die katholische Volksfrömmigkeit und deren ethische Implikationen am Beispiel von Köln aufmerksam gemacht. Mit dem Ende des Alten Reichs, der Säkularisation und schließlich dem Wiener Kongress waren die politischen Rahmenbedingungen und zukünftigen Entwicklungslinien für den Katholizismus des Rheinlandes völlig neu ausgerichtet worden; Preußen war an den Rhein versetzt worden – „eine der fundamentalsten Tatsachen der deutschen Geschichte“, wie es Thomas Nipperdey einordnete.38 Die aus dem Norden anreisenden Beobachter von einst waren nun also zu tatsächlichen Landsleuten und sogar Landesherren der Rheinländer geworden, und die Forderung eines Friedrich Carl von Moser von 1765, dass man sich im Sinne der Förderung des „deutschen Nationalgeistes“ besser kennenlernen müsse (2.2.4), hatte plötzlich eine neue Relevanz erhalten. Die Entwicklung hinein in ein zweites konfessionelles Zeitalter, dominiert von einem nunmehr preußisch-national ausgerichteten Protestantismus und begleitet von einem Katholizismus, der sich nach der Säkularisation immer mehr nach Rom orientierte, nahm ihren Lauf.39 Als mit dem Kulturkampf der Höhepunkt dieses Zeitalters erreicht wurde, konnte man auf protestantischer Seite auf stereotype Bewertungs- und Deutungsmuster konfessioneller Differenz zurückgreifen, die sich im Medium der Reiseliteratur im Laufe des 18. Jahrhunderts – stark beeinflusst durch stilbildende Werke britischer Reisender – bereits ausgebildet hatten.40 In ihnen schwang ein Überlegenheitsgefühl im Hinblick auf alle gesellschaftlichen Teilbereiche mit, das die in der Reiseliteratur ebenso dokumentierte Variante der katholischen Aufklärung aussparte und eine alternativlose gesellschaftliche

38 Siehe: Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 91. 39 Vgl. Olaf Blaschke, Der „Dämon des Konfessionalismus“. Einführende Überlegungen, in: ders. (Hrsg.), Konfessionen im Konflikt, S. 13–69. 40 Vgl. Borutta, Antikatholizismus, v.a. S. 47–120.

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 Statt eines Resümees: Goethe – Rheinland – Rochusfest

Entwicklung im Sinne der eigenen Konfessionskultur propagierte.41 In den Jahrzehnten um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert setzte sich im publizistisch dargestellten und damit öffentlich wahrnehmbaren Verhältnis der Konfessionen zueinander somit längerfristig die polemische auf Kosten der irenischen Haltung durch.42 Die versöhnliche Stimme Johann Wolfgang von Goethes, der werkimmanent und lebenspraktisch den Erhalt einer Vielfalt von Konfessionsräumen befürwortet hatte, fand in dieser auf Polarisierung ausgerichteten Situation trotz ihrer Prominenz keinen Widerhall.43

41 Über die Nachwirkungen des aufgeklärten Katholizismus unter den veränderten kirchenpolitischen Bedingungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts insbesondere im Untersuchungsraum des Mittelrheingebiets vgl. Christoph Weber, Aufklärung und Orthodoxie am Mittelrhein 1820–1850, München u.a. 1973. Einzelaspekte werden ebenfalls in verschiedenen Aufsätzen in folgendem Sammelwerk beleuchtet: Isnard W. Frank (Hrsg.), Toleranz am Mittelrhein, Mainz 1984 (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, Bd. 50). 42 Vgl. Friedrich Wilhelm Kantzenbach, „Polarisierung“. Von der Begegnung der Konfessionen zur Profilierung des kirchlich-politischen Gegensatzes (1785–1820), in: Schwaiger, Polemik, S. 68–101. 43 Der protestantische Abwehrreflex auf die Darstellung von Katholischem in der Weimarer Klassik ging sogar so weit, dass im 19. Jahrhundert bei Aufführungen von Schillers Drama „Maria Stuart“ aus kirchlichen Rücksichten einzelne allzu katholisch wirkende Szenen, wie etwa eine angedeutete Messfeier, gänzlich gestrichen werden mussten, vgl. Pitroff, Goethe, S. 319.

6 Schluß Durch die Erfahrung kultureller und religiöser Differenz wird der einzelne Mensch stets in ein Spannungsverhältnis gesetzt. Der Anspruch des Eigenen und des bislang Fremden auf Geltung und Normativität werden vom Individuum miteinander in Beziehung gesetzt und verlangen auch in existentieller Sicht nach Bewertung. Nicht nur fremd, auch gänzlich überholt erschienen vielen aufgeklärten Reisenden des 18. Jahrhunderts die Zustände in der freien Reichsstadt Köln. Der Einfluss der katholischen Geistlichkeit galt hier als gezielt antiaufklärerisch, einem imaginierten „finsteren“ Mittelalter verhaftet. Die Prognose für die städtische Ökonomie war verheerend, da in Köln katholische „Muße und Verschwendung“ vorherrschten statt zeitgemäßer „Industria“. Der Bildungsstand der Bevölkerung wurde als ebenso defizitär und rückständig empfunden. Das Stadtbild selbst wirkte unordentlich und unsauber. Spätestens wenn man bei der Lektüre derartiger Reiseberichte auf die abschätzige Bemerkung einiger Reisender stößt, dass ein Teil der Kölner Frauen noch Kopftuch trüge – womit auch durch die Kleidung die antiemanzipatorische Verhaftung im Vergangenen zum Ausdruck komme – erkennt man, dass vor über zweihundert Jahren angewandte Wahrnehmungs- und Argumentationsmuster bis in die Gegenwart nicht aus der Mode gekommen sind. Was Manuel Borutta als bewusste „Exotisierung“ des Katholischen beschreibt, ist eine Form perfider Stereotypenbildung von langer Dauer. Thilo Sarrazins Reden vom „Kopftuchmädchen“, von der ökonomisch angeblich lediglich im Gemüsehandel aktiven türkisch-stämmigen Bevölkerung und von deren Bildungsferne diente in jüngster Zeit argumentativ dazu, diesen Teil der bundesdeutschen Bevölkerung als nicht-integrierbar darzustellen. Damals wie heute gründet die „Diagnose“ für die ursächlichen Zusammenhänge so gearteter Integrationsprobleme vor allem auf der Feststellung einer fundamentalen Differenz: dem religiösen Bekenntnis. Gilt Sarrazin der Islam als „rückständiges Umfeld“, das alle Teilbereiche der muslimischen Einwanderergesellschaft negativ kontaminiert, so war der Katholizismus für die meisten Reisenden gerade des „aufgeklärten“ 18. Jahrhunderts Ursprung allen Übels; er galt als Grund für die völlige kulturelle und gesamtgesellschaftliche Andersartigkeit in den betreffenden Gebieten – bis hin zu einer konfessionell besonders geprägten Physiognomie (!). Der Vergleich beider Phänomene soll nicht überanstrengt werden. Er macht jedoch deutlich, dass die Wahrnehmung und Beschreibung von Differenz, in analytischer Verkürzung betrieben, eine Eigendynamik entwickelt, in der das Stereotyp zu einem einfach zu gebrauchenden und universal einsetzbaren Mittel wird, um Andersartigkeit als solche zu diskreditieren – damals wie heute. Pluralität hat in dieser Sicht auf die Dinge keinen Platz, trotz stetiger Behauptung aufgeklärter

246 

 Schluß

Toleranz. Dabei scheint ein gewisses elitäres Selbstbewusstsein mitzuschwingen. Sulpice de Boisserée hatte Johann Wolfgang von Goethe darauf aufmerksam gemacht, dass von der katholischen Volksfrömmigkeit, wie er sie aus Köln kannte, etwas Egalitäres und damit gesellschaftlich Verbindendes ausgehen konnte. Die Formensprache katholischer Frömmigkeit war bunt und vielfältig, aber gerade deshalb auch für die Einfältigen erfahrbar und offen zur Beteiligung. Goethes Beschreibung des Rochusfestes ist auch in dieser Perspektive zu deuten. Blicken wir auf die historische Genese der Quellengattung „Reiseliteratur“, so wurde die elitäre und dadurch selbstdefinitorische Nutzung der Differenzerfahrung bereits in den stilbildenden, aus dem 17. Jahrhundert stammenden britischen Reiseberichten vom Festland deutlich. Hier erhielt die Feststellung von Andersartigkeit eine nationalreligiöse Bedeutung, mittels der die eigene Entwicklung den Landsleuten als scheinbar alternativlose Fortschrittsgeschichte dargestellt werden konnte. Im Zuge der nationalromantischen transkonfessionellen Annäherungen gegen Ende des Alten Reichs stellte die Feststellung von konfessionell bedingter kultureller Differenz ein konkret zu lösendes Problem dar. Als gemeinsame Norm gesellschaftlichen Miteinanders konnte nur eine Konfessionskultur akzeptiert werden, die den rationalen Maßstäben der Aufklärung gerecht würde. Dies galt für den Katholizismus – so zumindest die Darstellung im Medium der Reiseberichte – allenfalls insoweit, als er sich dem Entwicklungsstand des Protestantismus annäherte, besser noch anpasste. Das 19. Jahrhundert wurde geprägt durch die einseitige Betonung konfessioneller Differenzen und daraus resultierende (kirchen-)politische Konflikte. Basierend auf den bereits gängigen konfessionellen Stereotypen, wurden die bestehenden Gräben weiter vertieft, wodurch eine Auseinandersetzung mit dem anderen nur aus der Distanz geführt werden konnte. Dabei geriet nicht nur der Blick auf die Gemeinsamkeiten ins Abseits, vielmehr galt Differenz – motiviert auch durch selbstdefinitorische Abgrenzung – per se als negativ. In der Unterschiedlichkeit ebenso die jeweiligen Stärken des Anderen sehen und anerkennen zu können, ist erst den ökumenischen Gesprächen und Initiativen des 20. Jahrhunderts vermehrt gelungen. Um diese Entwicklung konstruktiv weiterführen zu können, bedarf es selbstbewusster Dialogpartner, die bereit sind, die tragende Grundlage ihrer Identität im Bereich einer gemeinsamen konfessionellen Schnittmenge zu suchen und nicht in der Betonung des Trennenden. Dies gilt umso mehr in Zeiten, in denen das Personal der meinungsbildenden Medien der Öffentlichkeit – anders als bei den Verfassern der Reiseliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts – selbst überwiegend konfessionslos ist.

Anhang: Die Autoren der Rheinreiseberichte 1648–1815 Name

Lebensdaten Beruf

Herkunft/ Lebensmittelpunkt

Konfession

Ahlefeld, Charlotte Alpen, Heinrich Simon van Annoni, Hieronymus Arndt, Ernst Moritz Assmuth, Eduard Johann Baggesen, Jens

1777–1849 Schriftstellerin 1761–1830 –

Weimar - Schleswig –

e –

1697–1770 evang. Geistlicher

Basel – Basel

e

1769–1860 Historiker, Uni-Prof. 1792–1853 livländischer, evang. Geistlicher 1764–1826 dän. Schriftsteller

e e

Bandemer, Susanne von Becker, Agnes Sophie Becker, Johann Nikolaus Beckford, William

1751–1828

e

1754–1789 1773–1809 1760–1844

Bertòla, Aurelio de’ 1753–1798 Giorgio Björnstahl, Jakob 1731–1779 Jonas Blainville, Jean de – Boclo, Ludwig von Bode, Johann Joachim von Bodmann, Ferdinand Boisserée, Sulpiz

1783–? 1731–1793 1787–1822

Rügen – Bonn Kosch (Estland) – Reval, Torma Korsør, Seeland – Paris, Kiel, Kopenhagen Schriftstellerin Berlin – Frankfurt a.M., Koblenz, Stettin Schriftstellerin Mitau (Lettland) – Halberstadt Jurist, Schriftsteller Beilstein – Paris, Koblenz, Simmern Schriftsteller, Politiker Fonthill (GB) – London, Genf ital. Benediktiner u. Rimini – Portici, Rom, Gelehrter Rimini schwed. Orientalist Rotarbo – Lund, Thessaloniki Hofmeister, – Gesandtschafter Reiseschriftsteller – Musiklehrer, Verleger Braunschweig – Hamburg, Weimar franz. Beamter Mainz

1783–1854 Gemäldesammler, Historiker

Boswell, James 1740–1895 Schriftsteller, Jurist Braunschweig1636–1687 Prinz von BraunLüneburg Bevern, schweig WolfenbüttelFerdinand Albrecht Bevern

Köln – Hamburg, München, Heidelberg, Bonn Edinburgh – London Braunschweig – Bevern

e

e e (?) e (angl.?) k e – – e – k

e (presb.) e

248 

 Anhang: Die Autoren der Rheinreiseberichte 1648–1815

Breton, Jean Bap- 1769–1822 franz. Militär tiste Breval, John Durant 1680 (?) – Schriftsteller 1738 Browne, Edward 1644–1708 Mediziner Brun, Friederike 1765–1835 Schriftstellerin Sophie Christiane Burckhardt, Johann 1756–1800 evang. Geistlicher Gottlieb Burnet, Gilbert 1643–1715 Bischof von Salisbury

Byron, Lord George 1788–1824 Schriftsteller Campe, Joachim Heinrich Camus, ArmondGaston Carr, John Chun, P.P. Cogan, Thomas

1746–1818 Schriftsteller, Pädagoge 1740–1804 franz. Militär, Jurist, Archivar 1723–1807 Architekt – Pädagoge 1736–1818 Mediziner, presb. Geistlicher

Coryat, Thomas Cranz, August Friedrich De Croy, Emanuel

1577–1617 Schriftsteller 1737–1801 Schriftsteller

Demian, Johann Andreas Dielhelm, Johann Hermann Diez, Franz

1770–1845 Schriftsteller

1718–1784 Militär

1702–1784 Perückenmacher, Gewässerkundler 1767–1851 Postbeamter

Maximilian Drais von 1755–1830 Badischer Beamter, Sauerbronn, Carl Hofrichter Wilhelm Ludwig Friedrich von Dreyssig, Christoph 1750–1805 Kunsthändler F. Droysen, Johann 1770–1814 Mathematiker Friedrich Dupuis, Karl – Hofbeamter in Bonn

Euilly (Ardennen) – Hannover, Sedan Cambridge, Paris

k (?)

Norwich – Cambridge, London Thüringen – Kopenhagen Leipzig – London

e (angl.)

Edinburgh – Aberdeen, Glasgow, London, Utrecht Aberdeenshire – Cambridge, Genf Deensen – Braunschweig Paris

e (angl.)

Wakefield Homburg auf der Höhe London – Den Haag, Rotterdam, London, Bath Somerset – London Marwitz – Berlin

e (angl.) e (?) e (Presb.)

Condé-sur-l’Escaut – Paris Preßburg

k

Frankfurt am Main

e

Eisenach

e

Ansbach – Freiburg, Bruchsal

e

Halle

e

Greifswald

e

Bonn

k

e (angl.)

e e

e (angl.) e k (?)

e (angl.) e

k (?)



 249

Anhang: Die Autoren der Rheinreiseberichte 1648–1815  

Eber, Christoph – – Ludwig Effinger von – – Wildegg, Sophie von Eggers, Christian 1758–1813 Ökonom, Jurist Ulrich Detlev von Ehrmann, Theophil 1762–1811 Reiseschriftsteller Este, Charles .A. Fick, Johann Fokke, Arend Forster, Georg

– 1763–1821 1755–1812 1754–1794

– Lektor, Schriftsteller Schriftsteller Schriftsteller

Freschot, Casimir

1640–1720 franz. Benediktiner

Frisch, Pauline 1764–1814 Schriftstellerin Dorothea Fürst, Georg von – – Garampi, Giuseppe 1725–1792 Kardinal, Historiker Gardnor, John 1729–1808 angl. Geistlicher, Maler Genlis, Félicité de 1746–1830 Hofdame, Schriftstellerin Gercken, Philipp 1722–1791 Historiker Wilhelm Geuns, Steven J. 1735–1817 Mediziner van Gilbert, Ludwig 1769–1824 Physiker Wilhelm Göchhausen, Ernst 1740–1824 Geheimer Kammerrat August Anton von Göchhausen, 1752–1807 Hofdame Louise von Goeckingk, Leopold 1748–1828 Preuß. Beamter Friedrich Günther von Goethe, Johann 1749–1832 Schriftsteller Wolfgang von Grävemeyer, Molly 1756–1849 – von Gray, Robert 1762–1834 Bischof von Bristol Grimm, Johann 1737–1821 Mediziner Friedrich Carl









Holstein

e

Straßburg – Stuttgart, Weimar – Sattelgrund – Erlangen Amsterdam Nassenhuben – Mainz, Wilna, Paris Franche-Comté – versch. ital. Klöster Kopenhagen



– Rimini – Rom London

– k e (angl.)

Autun – Paris

k

Salzwedel – Halle, Leipzig Groningen – Utrecht

e

Berlin – Leipzig

e

Halle, Eisenach, Weimar Eisenach – Weimar

e e

– e e (?) e k e

e (ref.)

Gröningen – Halle, Magdeburg, Berlin

e

Frankfurt am Main – Weimar –

e

London – Bristol Eisenach – Gotha

e (angl.) e

e

250 

 Anhang: Die Autoren der Rheinreiseberichte 1648–1815

Günderode, 1747–1785 Jurist, Beamter Friedrich Justinian von Halem, Gerhard 1752–1819 Schriftsteller, Jurist Anton von Hamilton, William 1730–1803 Diplomat, Naturforscher Heinen, Wilhelm – – Joseph Heinzmann, Johann 1757–1802 Schriftsteller Georg Henss, Adam 1780–1848 Buchbindermeister Hermann, Johann 1744–? Jurist, Amtmann Heinrich Gottlieb Heun, Karl Gottlieb 1771–1854 Jurist, Beamter Samuel Hirsching, 1762–1800 Lexikograph Friedrich Carl Gottlob Horstig, Carl 1763–1835 evang. Geistlicher Gottlieb Howard, John 1726–1790 Politiker, Arzt Huber, Therese 1764–1829 Schriftstellerin Marie Humboldt, 1769–1859 Naturforscher Alexander von Hume, David 1711–1776 Philosoph, Ökonom Ives, Edward – – Jefferson, Thomas 1743–1826 Politiker Karamsin, Nicolai

1766–1826 Schriftsteller

Keyssler, Johann Georg Klebe, Friedrich Albrecht Klingemann, August Knigge, Adolph von Knoblauch, Karl von Kotzebue, August von Kratter, Franz

1693–1743 Hauslehrer, Reiseschriftsteller 1769–1842 Mediziner 1777–1831 Schriftsteller, Theaterregisseur 1752–1796 Schriftsteller 1756–1794 Jurist, Beamter 1761–1819 Schriftsteller 1758–1830 Jurist

Gießen – Karlsruhe

e

Oldenburg – Eutin

e

Henley-on-Thames – London –

e (angl.)

Ulm – Basel

e

Mainz – Weimar Salzungen

k e (?)



Dobrilugk – Göttingen, e Leipzig Uffenheim – Erlangen e

Reinswalde – Bückeburg, Heidelberg London Göttingen – Mainz, Wilna, Tübingen Berlin

e

Edinburgh – Charlottesville – Washington Michailowka – St. Petersburg Thurnau – Halle, Zarrentin Barnburg – Gotha, München Braunschweig

e (presb.) – e (episk.)

e (angl.) e (?) e

orth. e e (?) e

Bredenbeck – Bremen Dillenburg

e e

Weimar – Jena, Duisburg, Mannheim Oberdorf (Öst.) – Lemberg

e k



Krebel, Gottlob Friedrich Krieger, Johann Justus Friedrich Küttner, Karl Gottlob La Roche, Marie Sophie von Ladoucette, Jean Charles Francais Lafontaine, August Lampadius, Wilhelm August Lang, Josef Gregor Laukhard, Friedrich Christian Lavater, Johann Caspar Lehr, Friedrich August Lembcke, J. (Anonym) Liebeskind, Johann Heinrich Lippe, Pauline zur Luc, Jean André de Marshall, Joseph MecklenburgStrelitz, Luise Auguste Wilhelmine Meermann, Johann Meiners, Christoph Merck, Johann Heinrich Mercy, Joseph Aloys

Anhang: Die Autoren der Rheinreiseberichte 1648–1815  

– –





– –





Wiedemar – Leipzig

e

1755–1805 Jurist, Journalist 1730–1807 Schriftstellerin

Kaufbeuren – Speyer, Koblenz 1772–1848 Politiker, Schriftsteller Nancy – Paris

e

1758–1831 Schriftsteller 1772–1842 Chemiker

Braunschweig – Halle Hehlen – Freiberg

e e

1755–1834 kath. Geistlicher 1758–1822 Militär, evang. Theologe 1741–1801 reformierter Pfarrer

Koblenz Wendelsheim – Gießen, Göttingen Zürich

k e

1771–1831 Kurarzt

Wiesbaden

e





Bayreuth – Göttingen, Eichstätt Ballenstedt – Detmold Genf – London – Hannover – Berlin

e

Den Haag Warstade – Göttingen Darmstadt

e e e

Bodenseeregion – Berlin – –

k

Genf – Berlin

e

Lyon – London

e

– – 1768–1847 Jurist 1769–1820 1727–1817 – 1776–1810

Fürstin zu Lippe Geologe – Königin von Preußen

1753–1815 nl. Historiker, Politiker 1747–1810 Philosophieprof. 1741–1791 Naturforscher, Publizist 1764–1833 Jurist

Meyer, Andreas – – Meyer, Christian ?–1834 preuß. Kriegsrat Friedrich Minutoli, Johann 1772–1846 preuß. Generalmajor Heinrich Carl Freiherr Menu von Misson, François ca. 1650– franz. Schriftsteller Maximilien 1722

k (?)

e

e e – e

– e

 251

252 

 Anhang: Die Autoren der Rheinreiseberichte 1648–1815

Moltke, Adam Gottlob Detlef von Moncony, Balthasar Montagu, Mary Wortley Moore, John Münter, Frederik

1765–1848 Freiherr, Historiker

Odensee – Lübeck

e

1611–1665 franz. Diplomat 1689–1762 Schriftstellerin

Lyon London

k e (angl.)

1729–1802 schott. Arzt 1761–1830 dän. Bischof

Glasgow Gotha – Kopenhagen

e (presb.) e

Neeb, Johannes

1767–1843 kath. Geistlicher, Mainz Schriftsteller, Politiker 1764–1822 Reiseschriftsteller Dillenburg – Hamburg

k

1610–1670 kath. Geistlicher

Paternó – Rom

k

1767–1822 Schauspieler,

Mainz – Wien

k

Antwerpen

k

Paris Mallersdorf – Wien

k (?) k

Tassullo – Venedig

k

Bodvel Hall – London Issum (Kurköln) – Wien, Berlin Diethart – Karlsruhe

e (angl.) e

London

e (angl.)

Black Notley (Essex)

e (angl.)

Sugenheim – Erlangen, Mainz, Trier – –

k

Höchst – Mainz, Salzburg, Wien Paris

k

Bury St. Edmunds – London

e (angl.)

Nemnich, Philipp Andreas Nicolosi, Giovan Battista Ochsenheimer, Ferdinand Papebroch, Daniel

1628–1714

Patin, Charles Pezzl, Johann

1633–1693 1756–1823

Pilati, Carlo Antonio di Tassulo Piozzi, Esther Lynch Pöllnitz, Karl Ludwig von Preuschen, August Gottlieb von Radcliffe, Ann Ward Ray, John

1733–1802

Schmetterlings­ forscher Kirchenhistoriker, Jesuit Arzt, Numismatiker Schriftsteller, Bibliothekar Jurist, Publizist

1741–1821 brit. Schriftstellerin 1692–1775 Hofbeamter 1734–1803 evang. Theologe, Kartograph 1764–1823 Schriftstellerin 1627–1705 angl. Theologe u. Naturforscher 1768–1824 Publizist

Rebmann, Georg Friedrich Reith, Bernhard von – – Richter, Johann – – Jakob Riesbeck, Johann 1754–1786 Jurist, Schriftsteller, Kaspar Schauspieler Robineau, Louis1746–1823 Dramatiker, Bertrand Übersetzer Robinson, Henry 1775–1867 Jurist Crabb

e

e

k –

k



Rosenwall, P. (= Rauschnick, Gottfried Peter) Rotenstein, Gottfried von Roth, Eberhard Salzmann, Christian Gotthilf Sander, Heinrich

1778–1835 Arzt, Schriftsteller

– Reiseschriftsteller 1646–1715 Historiker, Schulrektor 1744–1811 evang. Geistlicher, Pädagoge 1754–1782 Lehrer, Schriftsteller

Schäffer, Jacob 1752–1826 Arzt Christian Schinkel, Karl 1781–1841 Architekt Friedrich Schlegel, Friedrich 1772–1829 Philosoph, Schriftsteller Schmidt, Christian Gottlieb Schopenhauer, Johanna Schreiber, Aloys Wilhelm Schultz, Stephan Schulz, Joachim Christoph Friedrich Schulz, Johann Christoph Friedrich Schulz, Johann Gottlob Sherlock, Martin

 253

Anhang: Die Autoren der Rheinreiseberichte 1648–1815  

1755–1827 evang. Geistlicher 1766–1838 Schriftstellerin 1761–1841 Historiker, Schriftsteller – evang. Geistlicher 1762–1798 Historiker, Schriftsteller – evang. Theologe

Historiker Schriftsteller 1750–1797 angl. Geistlicher u. Reiseschriftsteller Sierstorpff, Kaspar 1750–1842 Politiker Heinrich von Sneedorff, Frederik 1760–1792 Historiker Staël, Anne Louise 1766–1817 Schriftstellerin Germaine de Steinbrenner, 1759–1831 evang. Theologe Wilhelm Ludwig Steinkopf, Karl 1773–1859 evang. Geistlicher Friedrich Adolph Stiehl, Maximilian – – Stolberg1750–1819 Dichter, Jurist Stolberg, Friedrich Leopold zu

Königsberg – Leipzig

e

Pressburg



Bissingen – Ulm Sömmerda – Dessau, Schnepfenthal Köndringen – Karlsruhe Regensburg

e e

Neuruppin – Berlin

e

Hannover – Leipzig, Köln, Dresden

e/k

Bernsdorff – Leipzig, Weißenfels Danzig – Hamburg, Weimar, Bonn Bühl – Heidelberg

e

Halle Magdeburg – Mittau

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Gießen

e

Leipzig

e

Dublin

e (angl.)

Hildesheim – Braunschweig Göttingen Paris

k

e e

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e –

Petersaurach – e Erlangen Ludwigsburg – London e – Bramstedt – Osnabrück

– e/k

254 

 Anhang: Die Autoren der Rheinreiseberichte 1648–1815

Stövesandt, Johann Christoph von Taylor, James Tobler, Johann Torlitz, Johann Heinrich Anton Uffenbach, Johann Friedrich Armand von Vogt, Niklas Wackerbart, Joseph Ludwig August von Wagener, Samuel Christoph Walker, Adam Weikard, Melchior Adam Weitzel, Johannes Wendelstadt, Georg Friedrich Christian Wening, Johann Adam Werdum, Ulrich von Westen, Leopold Willebrand, Johann Peter

– –





– – 1732–1808 evang. Geistlicher 1777–1834 Pädagoge

– Zürich Skolemand – Itzehoe

e (angl.) e e

1687–1769 Musiker

Frankfurt am Main

e

1756–1836 Historiker, Politiker

Mainz, Frankfurt am Main Koschendorf – Radebeul Sandau – Potsdam

k

1770–1850 Historiker 1763–1845 evang. Theologe, Schriftsteller 1731–1821 Erfinder 1742–1803 Arzt

e e

Patterdale – London e (angl.) Bad Brückenau – Fulda –

1772–1837 polit. Schriftsteller 1774–1819 Arzt

Mainz – Wiesbaden –

k –

1735/48– 1800 1632–1681 1750–1804 1719–1786

kath. Geistlicher

Dachau – Straubing

k

Adliger Militär, Ingenieur Jurist, Beamter

Werdum Bamberg Rostock – Kopenhagen, Hamburg – – Brüssel – Stuttgart

e – e

Witte, Selma – – Wölfling, Christian – evang. Theologe Württemberg, Carl 1728–1793 Herzog von Eugen von Württemberg

– e e

Quellen- und Literaturverzeichnis Gedruckte Primärquellen Ahlefeld, Sophie Louise Wilhelmine von, Briefe auf einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Sommer 1808, Altona 1810. Alpen, Heinrich Simon van, Geschichte des fränkischen Rheinufers, was es war und was es itzt ist, Köln 1802. Annoni, Hieronymus, Dem rechten Glauben auf der Spur. Eine Bildungsreise durch das Elsaß, die Niederlande, Böhmen und Deutschland. Das Reisetagebuch des Hieronymus Annoni von 1736, herausgegeben von Johannes Burkhardt/Hildegard Gantner-Schlee/Michael Knieriem, Zürich 2006. [Anonym], Der getreue Reiß-Gefert durch Ober- und Nieder-Teutschland: das ist: Grundrichtige und ausführliche Abhandlung derer jenigen Residenzien, Städte, Schlösser, Vestungen, Städtlein und nahmhafften Markflecken, welche so wol in Ober- als Nieder-Teutschland, einem Reisenden sich hin und wieder vorstellig machen und zwar solcher Gestalt, daß darinn derer Ursprung, Aufnahm, Fortification, Raritäten, herzliche Gebäue, und Glückund Unglücks-Fälle bis auf gegenwärtige Zeit fortgesetzt enthalten; dabey auch noch über das ein absonderlicher kurz-gefasster Weegweiser angehänget zu finden, worinnen klärlich zu sehen, wie viel Meilen ein Ort von dem andern entlegen; alles aus denen bewährtesten Scribenten hervorgesuchet, zum Nutz-Ergötzen mitgetheilet, Nürnberg 1686. [Anonym], Eine deutsche Reise Anno 1708, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Irene Schrattenecker, Innsbruck 1999. Originaltitel: Anonimo Veneziano: Viaggio di un anonimo da Venezia per la via di Germania in compagnia di Gustavo Adolfo Aman (1708). [Anonym], Aus einem Brief am Rhein. Den 16.10.1795, in: Der Genius der Zeit. Ein Journal 6 (1795), S. 531–535. [Anonym], Briefe eines Reisenden über Frankreich im Jahr 1801, in: Journal des Luxus und der Moden, April 1802, S. 169–202. [Anonym], Reise von Mainz nach Kölln im Frühjahr 1794, in Briefen. Nebst Beilagen, die Franzosen in Deutschland, den D. Bahrdt in Marschlinz und den Pater Simplicianus Haan in Kölln betreffend, Rostock 1795. [Anonym], Reise eines Vaters mit seinen beiden Söhnen durch ganz Deutschland. Ein interessantes, aufklärendes und das Herz veredelndes Lesebuch für deutsche Kinder; zur Kenntniß des Vaterlandes, der weisen Einrichtungen in der Natur, des Schöpfers etc. etc., 3 Bde., Frankfurt am Main 1797/1798/1800. [Anonym], Die Gegenden des Rheins von Speyer bis Mayntz nebst der Situation laengst der Bergstraße zwischen dem Rhein und dem Odenwald, dem Mayn und Neckar, Nürnberg 1775. [Anonym], Ausführliche und grundrichtige Beschreibung des ganzen Rheinstroms, Nürnberg 1690. [Anonym], Meine wirkliche Reise unter die Franzosen, und zu den Leuten, wo sie sind und wo sie waren. Durch die deutschen Länder, nach Paris, Italien und Holland in den Jahren 1800 und 1801. Was sagen die Leute?, Leipzig 1801. Arndt, Ernst Moritz, Ernst Moritz Arndts Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 und 1799, 6 Bde., Leipzig 1801–1803.

256 

 Quellen- und Literaturverzeichnis

Assmuth, Eduard Johann, Reise durch Deutschland und die Schweiz 1815/16. Bearbeitet von Elisabeth Klein/Peter Wolfgang Klein, Marburg 1976. Baggesen, Jens, Das Labyrinth oder Reise durch Deutschland in die Schweiz 1789, Altona/ Leipzig 1795. Originaltitel: Labyrinten, Kopenhagen 1792. Bandemer, Susanne von, Die Badereise von Berlin nach Aachen und Spaa im Jahr 1792, Koblenz 1821. Becker, Agnes Sophie, Briefe einer Curländerin, Berlin 1791. Becker, Johann Nikolaus, Ueber Mainz. In Briefen an Freund R. auf einer Rheininsel 1792, Frankfurt am Main 1792. Ders., Beschreibung meiner Reise in den Departamentern vom Donnersberge, vom Rhein und von der Mosel im sechsten Jahr der französischen Republik. In Briefen an einen Freund in Paris, Berlin 1799. Beckford, William, Dreams, Waking Thoughts, and Incidents, London 1783. Bertòla de‘ Giorgi, Aurelio, Malerische Rhein-Reise von Speyer bis Düsseldorf, Mannheim 1796. Originaltitel: Viaggio sul reno e ne’ suoi contorni, Rimini 1795. Björnstahl, Jakob Jonas, Jakob Jonas Björnstahls Briefe aus seinen ausländischen Reisen, Leipzig/Rostock 1780–1782. Originaltitel: Resa til Frankricke, Italien, Sweitz, Tyskland, Holland, Angland, Turkiet och Grekeland, Stockholm 1780. Blainville, Jean de, des Herrn von Blainville... Reisebeschreibung durch Holland, Oberdeutschland und die Schweiz, besonders aber durch Italien... nunmehr in das Deutsch uebersetzt... von Johann Tobias Koehler, 5 Bde., Lemgo 1764–1767. Originaltitel: Travels through Holland, Germany, Switzerland, and other Parts of Europe; But especially Italy, London 1742. Boclo, Ludwig von, Fussreise aus der Gegend von Cassel über den Vogelsberg nach Heidelberg und Coblenz, von da zurück über einige Bäder des Taunus im Nachsommer 1813, Darmstadt 1815. Bode, Johann Joachim Christoph von, Journal von einer Reise von Weimar nach Frankreich im Jahr 1787, herausgegeben von Hermann Schüttler, Neuried 1994. Bodmann, Ferdinand, Statistisches Jahrbuch für das Departement vom Donnersberg. Jahr 1811. Von Ferdinand Bodmann, Divisionschef bei der Prefektur Mainz, Mainz 1811. Boisserée, Sulpiz, Tagebücher, herausgegeben von Hans-J. Weitz, 6 Bde., Darmstadt 1978. Boswell, James, Journal of a Tour through the Courts of Germany, herausgegeben von Frederik A. Pottle, London 1953. Braun, Georg, Das Rheintal. Eine Reiseidylle in sechs Gesängen, Mainz 1828. Braunschweig-Lüneburg-Bevern, Ferdinand Albrecht von, Wunderliche Begebnüsse und wunderlicher Zustand In dieser wunderlichen verkehrten Welt. Meistentheils auß eigener Erfahrung und dann gottseliger/ verständiger/ erfahrner Leute Schrifften Wunderlich heraußgesucht. Durch den in der Fruchtbringenden Gesellschaft so genannten Wunderlichen im Fruchtbringen, 2 Teile, Bevern 1678–1680. Breton, Jean Baptiste, Voyage dans le cidevant Belgique et sur la rive gauche du Rhin, 2 Bde., Paris 1802. Breval, John Durant, Remarks on several parts of Europe: relating chiefly to the history, antiquities and geography, of those countries through which the author has traveled: as France, the Low Countries, Lorrain, Alsacia, Germany, Savoy, Tyrol, Switzerland, Italy and Spain, 2 Bde., London 1726. Browne, Edward, Durch Niederland/ Teutschland/ Hungarn/ Servien/ Bulgarien/ Macedonien/ Thessalien/ Oesterreich/ Steirmarck/ Kärnthen/ Carniolen/ Friaul ec. gethane gantz





Gedruckte Primärquellen 

 257

sonderbare Reisen/ Worbey tausenderley merckwürdige Seltsamkeiten/ verschiedener Königreiche/ Länder/ ober- und unter-irdischer verwunderlicher Gebäue/ Städte/ Bäder/ Brünnen/ Flüsse/ Berge/ wie auch Gold-Silber-Kupffer-Bley- und Queck-Silber-Minen und anderer Mineralien ec. benebenst einem woluntersuchten Unterschied vielerley Völcker/ deren Religionen/ Sprach-Arten/ Kleidung/ Leibs- und Gemüths-Beschaffenheit: Fremder Thiere/ Früchte ec. auf das eigentlichst-deutlichst- und lebhaffteste vorgestellet werden. Auf eine recht ungemeine/ gelährte/ in andern deßfals ausgegebenen Schrifften nichtbefindliche Weise/ mit durch und durch beygebrachten hochvernünftigen Anmerckungen anfangs in Englischer nachgehends in Holländischer Sprach beschrieben/ Nunmehr aber aus der letzern in die Hoch-Teutsche übersetzet/ und dem gemeinen Besten zu Nutz/ auch denen sonst Neuigkeits-Lieb-Gesinnten zu verhoffentlich mercklichem Gefallen/ als ein stattliches mit einigen netten Kupfferblatten ausgeziertes/ auch einem nöthigen Register erläutertes Werck/ auf vieler Verlangen/ durch offentlichen Druck gemein gemacht, Nürnberg 1686. Originaltitel: A brief account of some travels in divers parts of Europe, London 1673. Brun, Friederike Sophie Christiane, Episoden aus Reisen durch das südliche Deutschland, die westliche Schweiz, Genf und Italien in den Jahren 1801, 1802, 1803. Nebst Anhängen vom Jahr 1805, 2 Bde., Zürich 1806–1809. Burckhardt, Johann Gottlieb, Bemerkungen auf einer Reise von Leipzig bis London an eine Freundin, Leipzig 1783. Burnet, Gilbert, Des berühmten Englischen Bischoffs zu Salisbury Gilberti Burnets / Durch die Schweitz / Italien / auch einige Oerter Deutschlandes und Franckreichs vor wenig Jahren gethane Reise / Und derselben Curieuse Beschreibung / Worinnen die neuesten Im Geist- und Weltlichen Staat entstandene Revolutiones enthalten; Nebenst einem Anhang / In welchem ausführlich von dem QVIETISMO, Lebens-Beschreibung Molinos, und vielen andern Italien betreffenden Begebenheiten gehandelt wird / Anfänglich in Englischnachgehends Frantzosisch - ietzo aber in deutscher Spreche beschrieben / und in dieser dritten Edition nach dem Englischen mit Fleiß übersehen und verbessert, Leipzig 1693. Originaltitel: Some letters containing an account of what seemed most remarkable in traveling through Switzerland, Italy, some parts of Germany etc. in the year 1685 and 1686, London 1689. Byron, Lord George, Child Harolds Pilgrimage, Genf 1816. Campe, Joachim Heinrich, Reise des Herausgebers von Hamburg bis in die Schweiz im Jahre 1785. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibungen, Wolfenbüttel 1786. Camus, Armond-Gaston, A. G. Camus, Mitglieds des Nazional-Instituts und Staats-Archivars, Reise in die Departemente des ehemaligen Belgiens und des linken Rheinufers, und in die vom Niederrhein, Norden, Pas du Calais und der Somme, am Ende des Jahres 10 der Republik. [Aus dem Französischen] Uebersezt von Dr. Aug. Christian Borheck, 2 Bde., Köln 1803. Originaltitel: Voyage fait dans les départemens nouvellement réunis et dans les départemens du Bas-Rhin, du Nord, du Pas-de-Calais et de la Somme, à la fin de l‘an X, Paris X (1803). Carr, John, A Tour through Holland along the right and left banks of the Rhine, to the South of Germany, in the summer and autumn of 1806, Philadelphia 1807. Chun, P. P., Reise der Chunischen Zöglinge durch einige Gegenden am Main- und Rheinstrome in die Bäder Wißbaden und Schwalbach, Frankfurt am Main 1791. Cogan, Thomas, Freye Bemerkungen auf einer Reise in den Rheingegenden. [Aus dem Englischen übersetzt.], Leipzig 1797. Originaltitel: The Rhine, or a journey from Utrecht to

258 

 Quellen- und Literaturverzeichnis

Franckfort, chiefly by the borders of the Rhine and the passage down the river from Mentz to Bonn. Described in a series of letters, 1791 and 1791, 2 Bde., London 1793–1794. Coryate, Thomas, Coryat’s Crudities, London 1611. De Croy, Emanuel, Erinnerungen meines Lebens: eine Reise durch den Westen des Heiligen Römischen Reiches 1741/42, Münster 1999. Demian, Johann Andreas, Statistisch-politische Ansichten und Bemerkungen einer Reise durch einen Teil der neuen Preussischen Provinzen aus Nieder- und Mittelrhein, Köln 1815. Dielhelm, Johann Hermann, Rheinischer Antiquarius, Oder Ausführliche Beschreibung des Rheinstroms, von seinem Ursprung an, mit allen seinen Zuflüssen, und daran gelegenen Oertern, bis er sich endlich wieder nach und nach verlieret, 3. verbesserte Auflage Frankfurt am Main 1776. Diez, Franz Maximilian, Allgemeines Postbuch und Postkarte von Teutschland und einigen angränzenden Ländern, Frankfurt am Main 1795. Dodd, Charles Edward, An Autumn near the Rhine; or Sketches of Courts, Society, Scenery, etc. in some of the German States bordering on the Rhine, London 1818. Drais von Sauerbronn, Carl Wilhelm Ludwig Friedrich von, Geographisch-politische Bruchstükke auf einer Reise durch verschiedne Gegenden des oberrheinischen Kreises gesammelt zur Zeit des zweiten Einbruchs der Franzosen in Deutschland, Frankfurt am Main 1795. Dreyssig, Christoph F., Bemerkungen auf einer Reise durch Sachsen nach Mainz, Halle 1796. Droysen, Johann Friedrich, Dr. Johann Friedrich Droysen‘s Lehrer der Mathematik und Physik auf der Königl. Universität zu Greifswalde Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801, Göttingen 1802. Dupuis, Karl, Malerische Ansichten aus den merkwürdigsten Gegenden von Niederdeutschland, Neuwied 1789. Eber, Christoph Ludwig, Geographisches Reise= Post= und Zeitungslexicon von Teutschland, Jena 1756. Effinger von Wildegg, Sophie von, Aus dem Tagebuch des Schlossfräuleins von Wildegg, herausgegeben und bearbeitet von James Schwarzenbach, Zürich 1951. Eggers, Christian Ulrich Detlev von, Bemerkungen auf einer Reise durch das südliche Deutschland, den Elsaß und die Schweiz in den Jahren 1798 und 1799, 6 Bde., Kopenhagen 1801–1806. Ehrmann, Theophil, Briefe eines reisenden Deutschen an einen Bruder in H... über verschiedene Länder und Gegenden von Europa, insbesonderheit auch über Deutschland, Frankfurt am Main 1789. Este, Charles A., Journey in the Year 1793, through Flanders, Brabant and Germany to Switzerland, London 1795. Fick, Johann, Neues Handbuch für Reisende jeder Gattung durch Deutschland und die angränzenden Länder, oder der treue Führer auf allen deutschen und den Hauptstraßen der benachbahrten Länder von Dr. Joh. Christ. Fick. Nebst einer großen Postkarte, Nürnberg 1809. Fokke, Arend, Beknopte Beschrijving van den Rhijn-Stromm, benevens de Steden, Amsterdam 1796. Forster, Georg, Ansichten vom Niederrhein von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich, im April, Mai und Junius 1790. Mit einem Nachwort herausgegeben von Gerhard Steiner, Leipzig 1979.



Gedruckte Primärquellen 

 259

Freschot, Casimir, Remarques historiques et critiques, Faites dans un Voyage d’Italie en Hollande dans l’Annee 1704. Contenant les Moeurs, Interêts, & Religion, de la Carniole, Carinthie, Baviere, Autriche, Boheme, Saxe, & des Electorats du Rhin. Avec une Relation des Differens qui partagent aujourd’hui les Catholiques Romains dans les Pais-Bas, Köln 1705. Frisch, Pauline Dorothea, Reise durch Teutschland, Holland, Frankreich, die Schweitz und Italien in den Jahren 1797, 1803 und 1804. Nach dem Tode der Verfaßerin, herausgegeben für Verwandte und Freunde, Altona 1816. Fürst, Georg von, Eines beruehmten Cavaliers curieuse Reisen durch Europa, Sorau 1739. Garampi, Giuseppe, Viaggio in Germania, Rom 1889. Gardnor, John, Views taken on and near the river Rhine at Aix la Chapelle and on the river Maese, London 1788. Genlis, Félicité de, Handbuch für Reisende, Leipzig 1804. Gercken, Philipp Wilhelm, Reisen durch Schwaben, Baiern, angränzende Schweiz, Franken und die Rheinischen Provinzen etc. in den Jahren 1779–1782 nebst Nachrichten von Bibliotheken, Handschriften etc., 3 Bde., Stendal 1786. Geuns, Steven J. van, Tagebuch einer Reise mit Alexander von Humboldt durch Hessen, die Pfalz, längs des Rheins und durch Westfalen im Herbst 1789, herausgegeben von Bernd Kölbel/Lucie Terken/u.a., Berlin 2007. Gilbert, Ludwig Wilhelm, Ludewig Wilhelm Gilberts Handbuch für Reisende durch Deutschland, enthaltend 1.) Regeln für Reisende; 2.) Einen topographisch-statistischen Abriß von Deutschland; 3.) Eine ausführliche Darstellung des Deutschen Münzwesens; 4.) Eine Darstellung des deutschen Postwesens und 5.) Vollständige, tabellarische, Post-und Reiserouten von jeder größeren Stadt Deutschlands zu allen übrigen, 3 Bde., Leipzig 1791–1795. Göchhausen, Ernst August Anton von, Meine Wanderung durch die Rhein- und Mayn-Gegenden und die preussischen Kantonnirungsquartiere im Februar 1794, Frankfurt am Main/Leipzig 1794. Göchhausen, Louise von, Reisebericht aus Mainz 1792, in: Seuffert, Bernhard, Der Herzogin Anna Amalia Reise nach Italien. In Briefen ihrer Begleiter, in: Preußische Jahrbücher 65 (1890), S. 535–565. Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von, Rheinfahrt von Maynz bis Coblentz, in: Journal von und für Deutschland, Bd. 1 (1784), S. 225–229. Goethe, Johann Wolfgang von, Sankt Rochus-Fest zu Bingen, Tübingen 1817. (Zitiert wird nach dem Text der Hamburger Ausgabe, Bd. 10). Grävemeyer, Molly von, Auszüge aus dem Tagebuch eines Frauenzimmer von einer im Juli und August 1779 gemachten Reise, in: Deutsches Museum Bd. 2 (1780), S. 547–550. Gray, Robert, Letters during the Course of a tour through Germany, Switzerland and Italy in the years 1791 and 1792, London 1794. Grimm, Johann Friedrich Carl, Bemerkungen eines Reisenden durch Deutschland, Frankreich, England und Holland in Briefen an seine Freunde, 3 Bde., Altenburg 1775. Günderode, Friedrich Justinian von, Beschreibung einer Reise aus Teutschland durch einen Theil von Frankreich, England und Holland, 2 Bde., Breslau 1783. Halem, Gerhard Anton von, Blicke auf einen Theil Deutschlands, der Schweiz und Frankreichs bey einer Reise vom Jahre 1790, Hamburg 1791.

260 

 Quellen- und Literaturverzeichnis

Hamilton, William, Über einige Spuren von Vulkanen an den Ufern des Rheins. Dt. Übersetzungen, in: Sammlungen zur Physik und Naturgeschichte, Leipzig 1781, St. 4, S. 453ff. Hermann, Johann Heinrich Gottlieb, Bemerkungen auf einer Reise von Gotha nach Mainz bei Gelegenheit der Kaiserkrönung Leopolds II., Frankfurt am Main/Leipzig 1791. Heinen, Wilhelm Joseph, Der Begleiter auf Reisen in Deutschland. Frei nach dem Französischen bearbeitet, mit einer Vorrede und Zusätzen, 2 Theile, Köln 1808. Heinzmann, Johann Georg, Beobachtungen und Anmerkungen auf Reisen durch Deutschland. In Fragmenten und Briefen, Leipzig 1788. Henß, Adam, Wanderungen und Lebensansichten des Buchbinder-Meisters Adam Henß, Stadtältesten und Landtags-Abgeordneten der Stadt Weimar, Jena 1845. Heun, Karl Gottlieb Samuel, Carls vaterländische Reisen in Briefen an Eduard, Leipzig 1793. Hohenhausen, Elise von, Natur, Kunst und Leben. Erinnerungen gesammelt auf einer Reise von der Weser bis zum Rheine und auf einem Ausfluge an das Gestade der Nord- und Ostsee, Altona 1820. Horstig, Carl Gottlieb, Reise nach Frankreich, England und Holland zu Anfange des Jahres 1803 gemacht und beschrieben von C.G. Horstig, Berlin 1806. Howard, John, Ueber Gefängnisse und Zuchthäuser. Ein Auszug aus dem Englischen des William [!] Howard. Mit Zusätzen und Anmerkungen und Kupfern von Ludolf Wilhelm Köster, Leipzig 1780. Huber, Therese, Bemerkungen über Holland aus dem Reise-Journal einer deutschen Frau von Therese H., Leipzig 1811. Humboldt, Alexander von, Die Jugendbriefe 1787–1799, herausgegeben von Ilse und Fritz Lange, Berlin 1973. Hume, David, Reisejournal aus dem Jahr 1748, als Anhang in: Streminger, Gerhard: David Hume. Der Philosoph und sein Zeitalter, München 2011, S. 603–625. Ives, Edward, A voyage from England to India, in the year MDCCLIV. and an historical narrative of The Operations of the Squadron and Army in India, under the Command of Vice-Admiral Watson and Colonel Clive, in the Years 1755, 1756, 1757; including a Correspondence between the Admiral and the Nabob Serajah Dowlah. Interspersed with Some interesting Passages relating to the Manners, Customs, & c. of several Nations in Indostan. Also, a Journey From Persia to England, by an unusual route. With an appendix, Containing an Account of the Diseases prevalent in Admiral Watson’s Squadron: A Description of most of the Trees, Shrubs, and Plants, of India, with their real, or supposed, medicinal Virtues: Also a Copy of a Letter written by a late ingenious Physician, on the Disorders incidental to Europeans at Gombroon in the Gulph of Persia. Illustrated with a Chart, Maps, and other Copper-Plates. By Edward Ives, Esq; Formerly Surgeon of Admiral Watson’s Ship, and of his Majesty’s Hospital in the East Indies, London 1773. Karamsin, Nicolai, Briefe eines russischen Reisenden, Leipzig 1801. Keyßler, Johann Georg, Johann Georg Keyßlers Neueste Reise durch Teutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien, und Lothringen, Hannover 1740. Klebe, Friedrich Albrecht, Reise auf dem Rhein durch die Deutschen Staaten, von Frankfurt bis zur Grenze der Batavischen Republick, und durch die Französischen Departemente des Donnersbergs, des Rheins und der Mosel und der Roer im Sommer und Herbst 1800 in zwei Teilen mit Kupfern, Frankfurt am Main 1802.



Gedruckte Primärquellen 

 261

Klingemann, August, Eine Fahrt auf dem Rheine (Fragment eines Schreibens an einen Freund), in: ders., Kunst und Natur. Blätter aus meinem Reisetagebuch, Bd. 1, Braunschweig 1819, S. 209–256. Knigge, Adolph von, Der Roman meines Lebens. In Briefen herausgegeben, 4 Teile, Riga 1781–1783. Knoblauch, Karl von, Reise in die Rheinländer im Frühling des Jahres 1793, in: Minerva 7 (1793), S. 17–31. Kotzebue, August von, Meine Flucht nach Paris im Winter 1790, Leipzig 1791. Kratter, Franz, Bemerkungen, Reflexionhen, Phantasien, Skizzen von Gemälden und Schilderungen auf meiner Reise durch einige Provinzen Oberteutschlands, Brünn 1791. Krebel, Gottlob Friedrich, Die vornehmsten Europäischen Reisen wie solche durch Deutschland, die Schweitz, die Niederlande, England, Portugall, Spanien, Frankreich, Italien, Dännemark, Schweden, Ungarn, Polen, Preussen und Rußland, auf eine nützliche und bequeme Weise anzustellen sind, mit Anweisung der gewöhnlichsten Post- und Reise-Routen, der merkwürdigsten Oerter, deren Sehenswürdigkeiten, besten Logis, gangbarsten Münzsorten, Reisekosten etc., Hamburg 1783. Krieger, Johann Justus Friedrich, Reise durch das hessische Gebiete, Freistadt 1780. Küttner, Karl Gottlob, Wanderungen durch die Niederlande, Deutschland, die Schweiz und Italien in den Jahren 1793 und 1794, 2 Bde., Leipzig 1796. Ladoucette, Jean Charles Francais, Voyage fait en 1813 et 1814. Dans le pays entre Meuse et Rhin, suivi de notes, avec une carte géographique, Paris 1818. Lampadius, Wilhelm August, Die Reise zu den sieben Schwestern am Rhein und an der Weser: im Jahre 1810, in Briefen an einen Freund, Freyberg 1811. Lang, Joseph Gregor, Reise auf dem Rhein, 2 Bde., Koblenz/Frankfurt am Main 1789 und 1790. (Zitiert wird nach der Edition von Willy Leson, Köln 1975 bzw. 1976). La Roche, Marie Sophie von, Tagebuch einer Reise durch Holland und England von der Verfasserin von Rosaliens Briefen, Offenbach 1788. Laukhard, Friedrich Christian, Briefe eines preußischen Augenzeugen über den Feldzug des Herzogs von Braunschweig gegen die Neufranken im Jahre 1792, 7 Teile, (Germanien) 1793–1796. Lavater, Johann Kaspar, Reisetagebücher, herausgegeben von Horst Weigelt in Zusammenarbeit mit Roland Deinzer/Tatjana Flache-Neumann/Esther Haas/Renate Kleiber-Müller, 2 Teile, Göttingen 1995–1997. Lehr, Friedrich August, Versuch einer kurzen Beschreibung von Wiesbaden und seiner warmen Mineralquellen, Wittlich 1799. Lembcke, J., Bemerkungen auf einer Reise durch einen Theil von Teutschland, der Schweiz, Italien und Frankreich im Jahre 1806, Königsberg 1809. Liebeskind, Johann Heinrich, Rükerinnerungen von einer Reise durch einen Theil von Teutschland, Preußen, Kurland und Liefland, während des Aufenthaltes der Franzosen in Mainz und der Unruhen in Polen, Straßburg 1795. Lippe, Pauline zur, Eine Fürstin unterwegs. Reisetagebücher der Fürstin Pauline zur Lippe 1799–1818, bearbeitet von Hermann Niebuhr, Detmold 1990. Luc, Jean André de, Physikalische und moralische Briefe über die Geschichte der Erde und des Menschen an I. M. die Königin von Großbritannien, 2 Bde., Leipzig 1781/1782. Originaltitel: Lettres physiques et morales sur les montagnes, et sur l’histoire de la terre et de l’homme, 6 Bde., Haag 1778–1780.

262 

 Quellen- und Literaturverzeichnis

Marshall, Joseph, Reisen durch Holland, Flandern, Deutschland, Dänemark in den Jahren 1768, 1769 und 1770. Aus dem Englischen übersetzt, 4 Bde., Danzig 1774–78. Originaltitel: Travels through Germany, Russia, and Poland, 1769–1770, London 1772. Marxen, Georg, Eindrücke eines jungen Holsteiners von einer Reise an den Rhein im Jahre 1821, herausgegeben von Dietrich Kausche, in: Landeskundliche Vierteljahresblätter 24 (1978), Heft 1, S. 28–35. Mecklenburg-Strelitz, Luise Auguste Wilhelmine, Die Reise an den Niederrhein und nach Holland 1791. Das Tagebuch der späteren Königin von Preußen. Übersetzt und mit einem Kommentar von Guido de Werd herausgegeben von Paul Hartig, München 1987. Meermann, Johann, Johann Meermanns Freyherrn von Dalem Reise durch Preußen, Oesterreich, Sicilien und einige an jene Monarchien grenzende Länder, Braunschweig 1794. Meiners, Christoph, Kleinere Länder- und Reisebeschreibungen. Von C. Meiners KöniglichGroßbritannischem Hofrath, und ordentlichem Lehrer der Weltweisheit in Göttingen, 3 Bde., Berlin 1791–1801. Merck, Johann Heinrich, Eine mahlerische Reise nach Cöln, Bensberg und Düsseldorf , in: Teutscher Merkur Bd. III (1778), S. 113–128. Mercy, Joseph Aloys, Reise einer Französischen Emigrantin durch die Rhein-Gegenden in Briefen an einen Deutschen Domherrn. Als Nebenstück von Forsters Ansichten. Herausgegeben von Erduin Julius Koch, Prediger an der Marien-Kirche zu Berlin (= Pseudonym für Mercy), Berlin 1793. Meyer, Andreas, Briefe eines jungen Reisenden durch Liefland, Kurland und Deutschland, Erlangen 1777. Meyer, Christian Friedrich, Ansichten einer Reise durch das Clevische und einen Theil des Holländischen über Crefeld, Düsseldorff und Elberfeld, mit einigen dabei angestellten ökonomischen Betrachtungen im Jahr 1794. Nebst einer zweiten ökonomischen Bereisung der Rheingegenden von Wesel bis Coblenz im Juni 1794. Von Christian Friedrich Meyer, Königl. Preuß. Kriegs- Domainen- und Forstrath, Mit-Director der ökonomischen Gesellschaft zu Verbesserung der Oekonomie, [...] [Nebentitel:] Eine zweite Oekonomische Bereisung der Rheingegenden von Wesel bis Coblenz im Juni 1794, Düsseldorf 1797. Meynier, Johann Heinrich, Rinaldo‘s Reisen durch Deutschland. Ein Unterhaltungsbuch für die Jugend zur Beförderung der Vaterlandskunde, 2 Bde., Leipzig 1823. Minutoli, Johann Heinrich Carl Freiherr Menu von, Reise durch einen Theil von Deutschland, Helvetien und Ober-Italien im Sommer 1803. In Briefen an einen Freund, 2 Bde., Berlin 1804. Misson, François Maximilien, Herrn Maximilian Missons Reisen aus Holland durch Deutschland in Italien, Leipzig 1701. Originaltitel: Nouveau voyage d‘Italie, Den Haag 1691. Moltke, Adam Gottlob Detlef von, Reise nach Maynz, 2 Bde., Altona 1794. Moncony, Balthasar, Des Herrn de Monconys ungemeine und sehr curieuse Beschreibung Seiner In Asien und das gelobte Land/ nach Portugall/ Spanien/ Italien/ in Engelland/ die Niederlande und Teutschland gethanen Reisen : Worinne Er allerhand artige und nicht gemeine/ so chymische als medicinische mechanische und physicalische Experimenta, seine besondere Conversation mit ... gelehrten Leuten/ einige relationes von ... Thieren/ wie auch Pflantzen/ nebst andern Curiositaeten von alten Müntzen ... abgezeichnet hat / Alles mit schönen Kupffern versehen/ und anjetzo zum erstenmahl aus der Frantzösischen in die Hochteutsche Sprache übersetzt, Leipzig 1697. Montagu, Mary Wortley, Briefe aus dem Orient, bearbeitet von Dr. Irma Bühler nach der Ausgabe von 1784 in der Übersetzung von Prof. Eckert, Stuttgart 1962. Originaltitel: Letters





Gedruckte Primärquellen 

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... written during her travels in Europe, Asia and Africa ..., London 1763. Additional volume, London 1767. Moore, John, A View of Society and Manners in France, Switzerland and Germany, London 1779. Münter, Frederik, Frederik Münters Reise nach Mainz 1791, bearbeitet von Helmut Mathy, in: Mainzer Zeitschrift 62 (1967), S. 56–80. Neeb, Johannes, Meine Reise von Niedersaulheim nach Mainz am 17. Dezember 1811, in: ders., Vermischte Schriften, Teil 2, Frankfurt am Main 1817, S. 27–36. Nemnich, Philipp Andreas, Tagebuch einer der Kultur und Industrie gewidmeten Reise, 8 Bde., Tübingen [ab Bd. 7:] u. Stuttgart 1809–1811. Neumayr von Raamssla, Johann Wilhelm, Johann Wilhelm Neumayrs von Ramßla Wahrhaftige Beschreibung der Reise, Welche Der weyland Durchlauchtigste Hertzog von Sachsen Weimar Johann Ernst der Jüngere genandt In Franckreich, Engelland und Niederland innerhalb Jahres Frist von den 27. Mertz 1613 bis den 19. Mertz 1614 glücklich hinterleget, Wegen ihrer Seltenheit von neuem wieder heraus gegeben, Und mit einer Vorrede Von dieses Durchlauchtigsten Printzens höchstrühmlich-geführten Lebenslauf und einigen hieher gehörigen Nachrichten und Anmerckungen ach Nothdurft versehen von M. Johann Gerhard Pagendarm, Lubec. V.D. Min. & Consist. Hoenl. Nebst einem dahingehörigen Register wird an statt eines Anhanges zugleich von des Editoris Conatibus Historicis Nachricht ertheilet, Jena 1734. Nicolosi, Giovan Battista, Deutschlandreise des Giovan Battista Nicolosi. Deutsche Übersetzung und historischer Kontext, Rheinfelden 1998. Ochsenheimer, Ferdinand, Streifereien durch einige Gegenden Deutschlands 1792, Leipzig 1795. Papebroch, Daniel, Kunstdenkmäler zwischen Antwerpen und Trient: Beschreibungen und Bewertungen des Jesuiten Daniel Papebroch aus dem Jahre 1660; Erstedition, Übersetzung und Kommentar von Udo Kindermann, Köln/u.a. 2002. Patin, Charles, Relations historiques et curieuses de Voyages, Amsterdam 1695. Pezzl, Johann, Faustin oder das aufgeklärte Jahrhundert, o.O. 1784. Pilati di Tassulo, Carlo Antonio, Voyages en differens pays de l’Europe en 1774, 1775 & 1776, o.O. (Schweiz) 1779. Piozzi, Esther Lynch, Bemerkungen auf einer Reise durch Frankreich, Italien und Deutschland. Aus dem Englischen mit Vorrede und Anmerkungen von G. Forster, Frankfurt 1790. Originaltitel: Observations and Reflections made in the Course of a Journey through France, Italy and Germany, London 1789. Pöllnitz, Karl Ludwig, Nachrichten des Baron Carl Ludwig von Pöllnitz; Enthaltend, was derselbe auf seinen Reisen besonders angemerkt, nicht weniger die Eigenschaften, dererjeniger Personen, woraus die vornehmste Höfe in Europa bestehen. Aus dem Französischen neu verbessert und um ein ansehnliches vermehrten zweiten Edition ins Deutsche übersetzt, 4 Teile, Frankfurt am Main 1735. Originaltitel: Mémoires contenants les observations qu’il a faites dans ses voyages et le caractère des personnages qui composent les principales cours de l’Europe, 3 Bde., Lüttich 1734, 4 Bde., London 1735. Preusschen, August Gottlieb von, Denkmäler von alten physischen und politischen Revoluzzionen in Deutschland besonders in den Rheingegenden, Frankfurt am Main 1787. Radcliffe, Ann Ward, A Journey made in the Summer of 1794, through Holland and the Western Frontier of Germany, with a Return down the Rhine: to which are added Observations during a Tour to the Lakes of Lancashire, Westmoreland, and Cumberland, London 1795.

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 Quellen- und Literaturverzeichnis

Ray, John, Travels through the Low countries, Germany, Italy and France, with curious observations, natural, topographical, moral, physiological, & c. Also, a catalogue of plants, found spontaneously growing in those parts, and their virtues, London 1738. Rebmann, Georg Friedrich, Blick auf die vier neuen Departamenter des linken Rheinufers in Hinsicht auf Kunstfleiß, Sitten und auf die Massregeln, welche zu ihrem Glücke erforderlich seyn möchten, Koblenz und Trier Jahr 10 (= 1802). Ders., Kosmopolitische Wanderungen durch einen Teil Deutschlands, (Original: Leipzig 1793), herausgegeben und eingeleitet von Hedwig Voegt, Frankfurt am Main 1968. Reith, Bernhard von, Historisch-Politische Briefe nebst dem Versuch einer Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Mainz, Mannheim 1789. Richter, Johann Jakob, Erinnerungen von meiner Reise auf dem Neckar und Rheine nebst Bemerkungen, Andernach im Jahr 13 (1805). Riesbeck, Johann Kaspar, Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland, 2 Bde., o.O. 1784. Robineau, Louis-Bertrand, Voyage sur le Rhin depuis Mayence jusqu’à Dusseldorf, Neuwied 1791. Robinson, Henry Crabb, H.C. Robinson in Germany (1800–1805). Extracts from his Correspondence. Edited by Edith L. Morley, London 1929. Rosenwall, P. (= Rauschnick, Gottfried Peter), Malerische Ansichten und Bemerkungen auf einer Reise durch Holland, die Rheinlande, die Schweiz und Württemberg, Mainz 1818. Roth, Eberhard, Memorabilia Europae, Oder denckwuerdige Sachen/ Welche Ein Reisender in den fuernehmsten Staedten Europæ heutiges Tages zu observiren und in Acht zu nehmen hat. Nunmehro aber/ zum sechsten mahl/ An vielen Orten Vermehret und verbessert, Ulm 1688. Rotenstein, Gottfried von, Lustreise in die Rhein-Gegenden. In Briefen an Fr. J. v. Pf., Frankfurt am Main/Leipzig 1791. Salzmann, Christian Gotthilf, Reisen der Salzmannischen Zöglinge, 6 Bde., Leipzig 1784–1793. Sander, Heinrich, Heinrich Sanders, Professors am Gymnasium illustre in Carlsruhe, der Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin, und der Fürstlichen Anhaltischen deutschen Gesellschaft in Bernburg Ehrenmitgliedes Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien; in Beziehung auf Menschenkenntnis, Industrie, Litteratur und Naturkunde insonderheit, 2 Teile, Leipzig 1783–1784. Schäffer, Jacob, Briefe auf einer Reise durch Frankreich, England, Holland und Italien in den Jahren 1787 und 1788 geschrieben von D. Iacob Christian Gottlieb Schaeffer, Fürstl. Thurn und Taxischem Leibarzte und Hofrath, 2 Bde., Regensburg 1794. Schinkel, Karl Friedrich, Reisen in Deutschland, herausgegeben von Carl von Lorck, Essen 1956. Schlegel, Friedrich, Briefe auf einer Reise durch die Niederlande, Rheingegenden, die Schweiz und einen Teil von Frankreich, in: ders., Poetisches Taschenbuch für das Jahr 1806, Berlin 1806, S. 257–390. Schmidt, Christian Gottlieb, Von der Schweiz. Journal meiner Reise 1786/1787, herausgegeben von Theodor und Hanni Salfinger, Bern 1985. Schopenhauer, Johanna, Ausflucht an den Rhein und dessen nächste Umgebungen im Sommer des ersten friedlichen Jahres, Leipzig 1818. Schreiber, Aloys Wilhelm, Bemerkungen auf einer Reise von Strasburg bis an die Ostsee im Sommer 1791, Leipzig 1794.



Gedruckte Primärquellen 

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Schultz, Stephan, Der Leitungen des Höchsten nach seinem Rath auf den Reisen durch Europa, Asia und Africa. Aus eigener Erfahrung beschrieben; und auf vieles Verlangen dem Druck übergeben von M. Stephanus Schultz vormaligen zwanzigjährigen reisenden Mitarbeiter bey dem Callenbergischen Instituto Iudaico, jetzigen Prediger bey St. Ullrich in Halle, und Director der besagten Anstalt, 3 Teile, Halle 1771–1775. Schulz, Joachim Christoph Friedrich, Litterarische Reise durch Deutschland, Leipzig 1786. Schulz, Johann Christoph Friedrich, Briefe aus Mainz während der Restaurationsfeierlichkeiten der Universität vom 15. bis 19. November 1784 geschrieben, Frankfurt am Main 1784. Schulz, Johann Gottlob, Wanderungen, Kreuz- und Querzüge an den Ufern des Rheins mit Episoden, Altenburg 1805. Schwager, Johann Moritz, Bemerkungen auf einer Reise durch Westphalen, bis an und über den Rhein, Leipzig 1804. Seyffarth, Woldemar, Meine Reisetage in Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz, 4 Teile, Leipzig 1832. Sherlock, Martin, Neue Briefe eines Engländers auf seiner Reise nach Italien, Genf, Lausanne, Strasburg... aus dem Französischen, Leipzig 1782. Originaltitel: Lettres D‘Un Voyageur Anglois, Paris 1781. Sierstorpff, Kaspar, Bemerkungen auf einer Reise durch die Niederlande nach Paris im eilften Jahre der grossen Republik, 2 Teile, Hamburg 1804. Sneedorff, Frederik, Briefe eines reisenden Dänen; geschrieben im Jahr 1791 und 1792 während seiner Reise durch einen Theil Deutschlands, der Schweiz und Frankreichs, Züllichau 1793. Originaltitel: Breve fra Gottingen og Leipzig i Aarene 1783–86 og Breve paa en Reise igiennem Tydskland, Schweitz, Frankerige og Engeland i Aarene 1791, Kopenhagen 1792. Staël, Anne Louise Germaine de (= Madame de Staël), Über Deutschland. Vollständige und neu durchgesehene Fassung der deutschen Erstausgabe von 1814, herausgegeben von Monika Bosse, Frankfurt am Main 1985. Originaltitel: De l’Allemagne, Paris 1813. Stein, Christian Gottfried, Reise über den Harz nach Cassel, Frankfurt, Mainz, Coblenz, Trier, Cöln, Düsseldorf und durch Westphalen, Leipzig 1827. Steinbrenner, Wilhelm Ludwig, Bemerkungen auf einer Reise durch einige teutsche, Schweizer und französische Provinzen in Briefen an einen Freund. Von Wilhelm Ludwig Steinbrenner, Prediger zu Grosbodungen im Fürstenthum Schwarzburg-Sondershausen, und Mitglied des Instituts der Moral und der schönen Wissenschaften zu Erlangen, 3 Bde., Göttingen 1791–1792. Steinkopf, Karl Friedrich Adolph, Reisebriefe. Europa 1812. Im Auftrag der Deutschen Bibelgesellschaft übersetzt, eingeleitet und herausgegeben von Ulrich Fick, Stuttgart und Neuhausen 1987. Originaltitel: Letters relative to a Tour on the Continent, undertaken at the request of the Committee of the British and Foreign Bible Society, in the Year 1812, London 1813. Stiehl, Maximilian, Reisen der Meywerkschen Zöglinge durch verschiedene Kreise von Teutschland auf einige der vornehmsten Universitäten, Frankfurt am Main und Leipzig 1792. Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu, Reise in Deutschland, der Schweiz, Italien und Sicilien. Von Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, 4 Bde., Königsberg und Leipzig 1794. Stövesandt, Johann Christoph von, Anmerkungen von einer dritten Reise am Rhein die ich anno 1769 bloss in der Absicht zum Besten meines Sohnes getan habe, in: Heinrich Schrohe, Bilder aus der Mainzer Geschichte, Mainz 1922, S. 23–49.

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 Quellen- und Literaturverzeichnis

Taylor, James, Remarks on the German Empire. With an historical account of the Towns of the Rhine and the operations of the campaign, 1743, London 1745. Tobler, Johann, Einiche Blätter aus den Reisetabletten eines Schweizerischen Geistlichen, Zürich 1790. Torlitz, Johann Heinrich Anton, Reise in der Schweiz und einem Theile Italiens, im Jahre 1803, Kopenhagen und Leipzig 1807. Originaltitel: Schweizer-Reise i Aaret 1803, Kopenhagen 1805. Uffenbach, Johann Friedrich Armand von, Die musikalischen Reisen des Herrn von Uffenbach. Aus einem Reisetagebuch des Johann Friedrich Armand von Uffenbach aus Frankfurt am Main 1712–1716, herausgegeben von Eberhard Preußner, Kassel/Basel 1949. Vogt, Niklas, Mahlerische Ansichten des Rheins von Mainz bis Düsseldorf, Frankfurt am Main 1806. Wackerbart, August Joseph Ludwig von, Rheinreise, Halberstadt 1794. Wagener, Samuel Christian, Ueber die Pfalz am Rhein und deren Nachbarschaft 1794, Brandenburg 1795. Ders., Reise durch den Harz und die Hessischen Lande. Besonders in Hinsicht auf Naturschönheiten, Anbau und Alterthümer. Von dem Verfasser der Briefe: Ueber die Pfalz am Rhein und deren Nachbarschaft, Braunschweig 1797. Walker, Adam, Bemerkungen auf einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich, Berlin 1791. Originaltitel: Ideas suggested on the spot in a late Excursion through Flanders, Germany, France, and Italy, London 1790. Wasa, Wladyslaw, Die Reise des Kronprinzen Wladyslaw Wasa in die Länder Westeuropas in den Jahren 1624 und 1625. Mit 91 zeitgenössischen Kupferstichen. Herausgegeben und aus dem Polnischen übertragen auf der Grundlage der von Adam Przybos besorgten polnischen Ausgabe von Bolko Schweinitz, Leipzig 1988. Weikard, Melchior Adam, Denkwürdigkeiten aus seiner Lebensgeschichte, Frankfurt/Leipzig 1802. Weitzel, Johannes, Bruchstücke einer Rheinreise, in: Rheinisches Archiv, Bd. 1, 3. Heft, S. 223–241, Bd. 3, 8. Heft. S. 31–65, Bd. 3, Heft 10., S. 159–176, Bd. 4, Heft 1, S. 56–72 (alle 1810), Bd. 4, Heft 4, S. 361–381 (1811). Wendelstadt, Georg Friedrich Christian, Rheinreise von Mainz bis Neuwied im July 1812, Hadamar 1813. Wening, Johann Adam, Leben, Reisen und Schicksale Georg Schweigharts, 3 Bde., Salzburg 1791–1792. Werdum, Ulrich von, Das Reisejournal des Ulrich von Werdum (1670 bis 1677), herausgegeben von Silke Cramer, Bamberg 1986. Westen, Leopold, Ein Reisebericht von 1786, in: Mainzer Zeitschrift 81 (1986), S. 117–121. Willebrand, Johann Peter, Des Herrn Johann Peter Willebrand Königl. Dänischer wirkl. Justitzrath in der Regierung zu Glückstadt, Historische Berichte und practische Anmerkungen auf Reisen in Deutschland, in die Niederlande, in Frankreich, England, Dännemark, Böhmen und Ungarn, Leipzig 1769. Witte, Selma, Selma Wittes Reisetagebuch. Erlebnisse und Gedanken einer Zwölfjährigen zur Biedermeierzeit auf der Reise zwischen Reval und Mannheim, herausgegeben von Volker und Uwe Lorentzen, Schönkirchen 2001. Wölfling, Christian, Reisen durch Thüringen, den Ober- und Niederrheinischen Kreis, 2 Teile, Dresden/Leipzig 1795.



Weitere benutzte gedruckte Quellen 

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Württemberg, Carl Eugen von, Tagebücher seiner Rayßen nach Prag und Dresden, durch die Schweiz und deren Gebürge, nach Nieder Sachßen und Dännemarck, durch die angesehensten Clöster Schwabens, auf die Franckforter Messe, nach Mömpelgardt, nach den beiden Königreichen Franckreich und Engelland, nach Holland und manch anderen Orten in den Jahren 1783–1791 vom Herzog Carl Eugen selbsten geschrieben und seiner liebsten Freundin und Gemahlin Franziska von Hohenheim gewidmet zum Andencken seiner Hochachtung, herausgegeben von Robert Uhland, Tübingen 1968. Zeiller, Martin, Tractatus De X. [decem] Circulis Imperii Romano-Germanici, Oder Von den Zehen deß H. Römischen Teutschen Reichs-Kraisen/ Darinn nicht allein/ welche Stände zu einem jeden derselben gehörig; Sondern auch die Vornemste/ und Bekanteste in solchen belegene Landschafften/ Städt/ und Oerter/ kürzlich erzehlet; Auch andere Sachen mehr/ und darunter sehr vieler Regenten Geschlecht-Registerlein/ und jedes Stands ReichsAnschlag/ und Cammer-Gebühr/ auff gegenwertige Zeit (wie auß der vorigen und jetzigen Neuen Vorrede zu ersehen) gerichtet/ mit eingebracht werden/ Durch Martin Zeillern. Die Andere Edition. Jetzo wider fleißig übersehen/ mit einem Neuen Anhang biß ietzige Zeit vermehrt/ und einer schönen Carten der X. Kraiß geziret, Ulm 21665.

Weitere benutzte gedruckte Quellen [Anonymous], Tour through Germany. Containig full directions for travelling in that interesting Country: with Observations on the State of Agricultura and Policy of the Different States; very particular Descriptions of the Courts of Vienna and Berlin, and Coblentz and Mentz, London 1794. Arndt, Ernst Moritz, Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht seine Gränze, Leipzig 1813. Ders., Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn von Stein, Berlin 1858. Arnim, Bettina von, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, herausgegeben von Heinz Härtl, Berlin 1986. Batty, Robert, Scenery of the Rhine, London 1826. Bayer, Josef (Hrsg.), Köln um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts (1770–1830). Geschildert von Zeitgenossen, Köln 1912. Becker, Johann Nikolaus, Actenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beyden Ufern des Rheins, Köln 1804. Beckmann, Johann, Litteratur der älteren Reisebeschreibungen. Nachrichten von ihren Verfassern, von ihrem Inhalte, von ihren Ausgaben und Uebersetzungen. Nebst eingestreueten Anmerkungen über mancherley gelehrte Gegenstände, 4 Bde., Göttingen 1807–1809. Boddington, Mary, Slight reminiscences of the Rhine, Switzerland and a Corner of Italy, Philadelphia 1835. Brühl, Heinrich, Mainz geschichtlich, topographisch und malerisch dargestellt, Mainz 1829. Burckhardt, Johann Gottlieb, Vollständige Geschichte der Methodisten in England, Stuttgart ND 1995. Burgdorf, Wolfgang (Hrsg.), Kritik der deutschen Reichsverfassung [Anonymer Verfasser = Johann Nikolaus Becker], Erstes Bändchen Kritik der Regierungsform des deutschen Reichs, Zweites Bändchen Kritik der Kriegsverfassung des deutschen Reichs, Drittes

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 Quellen- und Literaturverzeichnis

Bändchen Kritik der staatswirtschaftlichen Verfassung des deutschen Reichs 1796–1798, Hildesheim 2009. Cooper, James Fenimore, Gleanings in Europe: The Rhine. Historical Introduction by Ernest Redekop/Maurice Geracht. Text Established with Explanatory Notes by Thomas Philbrick/ Maurice Geracht, Albany 1986. Ders., The Heidenmauer, or, The Benedictines: A Legend of the Rhine, Philadelphia 1832. Dennis, John, Views in the Savoy, Switzerland and on the Rhine. From Drawings made upon the Spot, London 1820. Dethlefs, Gerd/Kloosterhuis, Jürgen (Bearb.), Auf kritischer Wallfahrt zwischen Rhein und Weser. Justus Gruners Schriften in den Umbruchsjahren 1801–1803, Köln, Weimar, Wien 2009 (= Veröffentlichungen aus den Archiven preußischer Kulturbesitz, Bd. 65, zugleich Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XIX, Westfälische Briefwechsel und Denkwürdigkeiten Bd. 11). Distling, Johann Gerhard, Die Rheinfahrt. Ein didactisches Gedicht, Frankfurt 1824. Engelmann, Wilhelm (Hrsg.), Bibliotheca Geographica. Verzeichnis der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zu Ende des Jahres 1856 in Deutschland erschienenen Werke über Geographie und Reisen mit Einschluss der Landkarten, Pläne und Ansichten, Amsterdam 1965 (ND der Ausgabe von 1857). Goethe, Johann Wolfgang von, Sämtliche Werke, 14 Bde., Hamburg 1948–1960 (= Hamburger Ausgabe). Heinsius, Wilhelm, Enslin, Theodor Christian Friedrich, Bibliotheca historico-geographica oder Verzeichniss aller brauchbaren, in älterer und neuerer Zeit, besonders aber vom Jahre 1750 bis zur Mitte des Jahres 1824 in Deutschland erschienenen Bücher über Geschichte, Geographie und deren Hülfswissenschaften, Berlin 1825. Howell, James, Instructions for Forraine Travell, London 1642. Hugo, Victor, Der Rhein, herausgegeben von Annette Seemann, Berlin 2010. Jung, Rudolf (Hrsg.), Goethes Briefwechsel mit Antonie Brentano 1814–1821, Weimar 1896 (ND Bern 1970). Kraus, Johannes, Der wunderbare, wunderthätige und wundersame Luther. Den Luthrischen Glaubens-Genossen für das zweyte luthrische Jubel-Fest zum Geschäncke zu einiger Illumination ans Liecht gestellet, Prag 1716. Lavater, Johann Caspar, Aussichten in die Ewigkeit in Briefen an Johann Georg Zimmermann, Zürich 21770. Ders., Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, 4 Bde., Leipzig/Winterthur 1775–1778. Löwenthal, Maximilian, Skizzen aus dem Tagebuche einer Reise durch Frankreich, Großbritannien und Deutschland, 2 Bde., Wien 1825. Mayr, Beda, Etwas an Herrn Nikolai, Buchhändlern in Berlin, und seinen Rezensenten in der allgemeinen Literaturzeitung, Nr. 94, 95 für Herrn Dr. und Prof. Sailer in Dillingen, von keinem Exjesuiten und keinem Proselytenmacher, o.O. 1786. Meiners, Christoph, Bemerkungen auf einer Reise von Göttingen nach Cuxhaven, in: Göttingisches Historisches Magazin Bd. 2 (1788), S. 495–539. Ders., Kurze Vergleichung des Nördlichen, und Südlichen Teutschlandes, in: Göttingisches Historisches Magazin Bd. 4 (1789), S. 193–234. Menschenfreund, Christian Friedrich, Warum ist der Wohlstand der protestantischen Länder so gar viel größer als der katholischen?, Salzburg und Freisingen 1772. Moser, Friedrich Carl von, Von dem deutschen Nationalgeist, o.O. 1765.



Weitere benutzte gedruckte Quellen 

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Nicolai, Friedrich, Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781. Nebst Bemerkungen über die Gelehrsamkeit, Industrie, Religion und Sitten, 12 Bde., Berlin 1783–1795. Nikolai, Christian, Wichtige Entdeckungen auf einer gelehrten Reise durch Deutschland und aus Eifer für die christliche, vornehmlich evangelische Kirche durch den Druck bekannt gemacht, Bebenhausen 1788. Pilati di Tassulo, Carlo Antonio di, Reflexionen eines Italiäners über die Kirche überhaupt, über die regulare und seculare Geistlichkeit, über die Bischöfe und Römischen Päpste, und über die kirchlichen Rechtsamen der Fürsten: Aus dem Italiänischen übersetzt, Freyburg 1768. Reinhardt, Lina, Die graue Führerin junger Pilger und Pilgerinnen durch die Thäler und über die Berge des Rheingaus. Der Jugend gewidmet, Nürnberg 1835. Rheinisches Wörterbuch, bearbeitet und herausgegeben von Josef Müller, ab Bd. VII von Karl Meisen/Heinrich Dittmaier/Matthias Zender, 9 Bde., Bonn/Berlin 1928–1971. Richter, Paul Emil (Hrsg.), Bibliotheca Geographica Germaniae. Litteratur der Landes- und Volkskunde des Deutschen Reichs, Leipzig 1896. Schlegel, Friedrich, Grundzüge der Gotischen Baukunst; auf einer Reise durch die Niederlande, Rheingegenden, die Schweiz, und einen Teil von Frankreich. In dem Jahre 1804 bis 1805, in: ders., Sämtliche Werke, Wien 1823, Bd. 6, Nr. II, S. 221–300. Schlözer, August Ludwig, Ueber den Unterschied in der GesichtsBildung katholischer und protestantischer Einwoner in Deutschland, unter den niederen VolksClassen, in: Schlözer’s Stats-Anzeigen 10, Heft 39, Nr. 35 (1787), S. 338–344. Schulz, Johann Gottlob, Beschreibung der Stadt Leipzig, Leipzig 1784. Ders., Geschichte des Sachsenlandes und seiner Regenten, Leipzig 1795. Schumann, Clara, Jugendbriefe von Robert Schumann. Nach den Originalen mitgeteilt, Leipzig 2 1886. Spencer, Edmund, Skizzen über Deutschland und die Deutschen mit Bemerkungen über Oestreich, Ungarn, Polen und die Schweiz von einem in Deutschland wohnenden Engländer, 2 Bde., Leipzig 1837. Originaltitel: Sketches of Germany and the Germans, with a glance at Poland, Hungary, & Switzerland, 2 Bde., London 1836. Stein, Christian Gottfried, Reise über d. Harz, nach Cassel, Frankfurt, Mainz, Coblenz, Trier, Cöln, Düsseldorf u. durch Westphalen, Leipzig 1827. Stoehr, Coelestin, Physiognomik oder Kunst die Menschen aus dem Gesichte zu beurtheilen, Coburg 1804. Stuck, Gottlieb Heinrich, Verzeichnis von aeltern und neuern Land- und Reisebeschreibungen. Ein Versuch eines Hauptstücks der geographischen Litteratur mit einem vollstaendigen Realregister, 2 Bde., Halle 1784 und 1787. Tomblesone, William, Views of the Rhine, London 1832. Uhde, Hermann (Hrsg.), Erinnerungen und Leben der Malerin Louise Seidler, Berlin 21875. Weber, Max, Die protestantische Ethik, 2 Bde., neu herausgegeben von Johannes Winckelmann, Gütersloh 71984. Ders., Wissenschaft als Beruf, herausgegeben von Wolfgang J. Mommsen/Wolfgang Schluchter, Tübingen 1994 (= Studienausgabe der Max Weber-Gesamtausgabe, Bd. I/17). Zschokke, Heinrich, Meine Wallfahrt nach Paris, 2 Bde., Zürich 1796–97.

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Abbildungsverzeichnis Diagramm 1 Diagramm 2 Diagramm 3

Jahr der Reise  36 Jahr der Publikation  37 Sprache der Erstveröffentlichung  39

Abb. 1

Aurelio de’ Giorgi Bertòla: Malerische Rheinreise von Speier bis Düsseldorf, Mannheim 1796  2 Landesherrschaften im Rheinland 1789 (Landschaftsverband Rheinland, Bonn)  4 Karl Gottlob Samuel Heun: Carls vaterländische Reisen in Briefen an Eduard, Leipzig 1793  10 Anonym [Johann Gottlob Schulz]:Wanderungen, Kreuz- und Querzüge an den Ufern des Rheins mit Episoden, Altenburg 1805 (Exemplar der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Mainz, Signatur Mz 805/29 (R))  49 f. William Tomblesone: Views of the Rhine, London 1832  77 John Dennis: Views in the Savoy, Switzerland and on the Rhine. From Drawings made upon the Spot, London 1820  78 Edmund Spencer, Skizzen über Deutschland und die Deutschen mit Bemerkungen über Oestreich, Ungarn, Polen und die Schweiz von einem in Deutschland wohnenden Engländer, 2 Bde., Leipzig 1837  157 Johann Caspar Lavater, Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschen-kenntniß und Menschenliebe, 4 Bde., Leipzig/Winterthur 1775–1778, hier Bd. 3  165 Louise Seidler: St. Rochus (Rochuskapelle Bingen)  241

Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4, 5, 6

Abb. 7, 8 Abb. 9, 10 Abb. 11

Abb. 12, 13

Abb. 14

Personenregister Ahlefeld, Charlotte von  46, 247 Alpen, Heinrich Simon van  247 Andre, Christian Carl  138 Annoni, Hieronymus  42, 216, 247 Aristoteles  17, 161 Arndt, Ernst Moritz  87, 96, 119, 178–180, 182, 189, 202, 218–221, 226, 242, 247 Arnim, Achim von  92 Assmuth, Eduard  43, 247 Bacon, Francis  20 Bacon, Roger  161 Baggesen, Jens  41, 167–171, 186, 247 Bandemer, Susanne von  46, 247 Basedow, Johann Bernhard  43, 127, 134f, 160, 238 Batty, Robert  75 Becker, Agnes Sophie  46, 247 Becker, Johann Nikolaus  41f, 122, 127, 171–177, 182, 186, 197, 211, 247 Becker, Peter Jörg  47 Beckford, William  37, 45, 247 Bellarmino, Roberto Francesco  197 Bertòla, Aurelio de’ Giorgi  1f, 7, 41, 43, 99f, 206, 247 Bibra, Philipp Anton von  147 Björnstahl, Jakob  41, 149, 208, 247 Blainville, Jean de  40, 90, 118, 193, 214f, 227, 247 Boclo, Ludwig von  45, 96, 247 Boddington, Mary  75 Bode, Johann Joachim von  198, 247 Bodmann, Ferdinand  42, 154, 247 Boisserée, Melchior  231 Boisserée, Sulpiz  95, 229–244, 246, 247 Bonifatius (Hl.)  115 Borutta, Manuel  182, 245 Boswell, James  73, 247 Braunschweig-Lüneburg Bevern, Ferdinand  247 Breidbach-Bürresheim, Emmerich Josef von  197, 204 Brenner, Peter  51 Brentano, Antonie von  231, 240 Brentano, Bettina von  235f

Brentano, Clemens von  92 Breton, Jean-Baptiste  40, 248 Breval, John  248 Browne, Edward  39, 44, 61, 215, 248 Brühl, Heinrich  205 Brun, Friederike  41, 46, 180, 248 Burckhardt, Johann Gottlieb  13, 42, 84, 120, 185, 248 Burnet, Gilbert  40, 43, 62, 248 Byron, Lord George  74, 248 Campe, Johann Heinrich  45, 127, 135–139, 248 Camus, Armond-Gaston  40, 133, 155f, 248 Carr, John  71f, 248 Christoph (Hl.)  64, 119 Chun, P.  81, 141–143, 198, 248 Clairvaux, Bernhard von (Hl.)  62 Clemens XV.  204 Cochem, Martin von  117, 200 Cogan, Thomas  40, 43, 69f, 73, 82, 248 Cooper, James Fenimore  76, 217 Coryate, Thomas  61f, 248 Cramer, Ludwig Wilhelm  237 Cranz, August Friedrich  248 Dalberg, Karl Theodor von  113f De Croy, Emanuel  248 Demian, Johann  248 Dennis, John  75, 78 Dielhelm, Johann  248 Diez, Franz  248 Drais von Sauerbronn, Carl Wilhelm  42, 248 Dreyssig, Christoph Friedrich  88, 248 Droysen, Johann Friedrich  122, 213f, 248 Dupuis, Karl  42, 149f, 248 Eber, Christoph  249 Effinger von Wildegg, Sophie von  214, 249 Eggers, Christian Ulrich Detlev  42, 88, 249 Ehrmann, Theophil  249 Erthal, Friedrich Karl Joseph von  130, 140, 198, 200, 204f Este, Charles  82, 104, 249 Fick, Johann  249 Fokke, Arend  249

Personenregister 

Forster, Georg  40, 42, 46, 94, 122, 153, 191, 196, 199, 202, 204, 210, 221f, 226, 249 Freschot, Casimir  43, 215, 249 Frisch, Pauline Dorothea  46, 249 Fürst, Georg von  104, 249 Garampi, Giuseppe  41, 44, 215, 249 Gardnor, John  43, 45, 69, 71, 75, 249 Geertz, Clifford  52 Genlis, Félicité de  40, 249 Gercken, Philipp Wilhelm  120, 154, 213, 218, 224, 249 Geuns, Steven van  44, 83, 117, 194, 198, 219, 227, 249 Gilbert, Ludwig  249 Göchhausen, Ernst August von  84, 249 Göchhausen, Louise von  249 Goeckingk, Leopold Friedrich von  42, 249 Görres, Joseph  95, 123 Goethe, Johann Wolfgang von  9, 30, 43, 134, 159f, 202, 229–244, 246, 249 Grävemeyer, Molly von  249 Gray, Robert  43, 67, 249 Griep, Wolfgang  33 Grimm, Johann Friedrich Carl  44, 100, 115, 200, 219, 249 Gruner, Justus  32 Günderode, Friedrich Justinian von  41f, 219, 250 Halem, Gerhard Anton von  42, 250 Hamilton, William  44, 250 Harbsmeier, Michael  14, 52f Hardenberg, Karl August von  233 Haustein, Jörg  102 Heimes, Valentin  131, 238 Heinen, Wilhelm Joseph  177, 224, 250 Heinzmann, Johann Georg  221, 250 Henß, Adam  45, 200f, 250 Hermann, Johann Heinrich Gottlieb  42, 250 Hersche, Peter  149, 219 Heun, Karl Gottlob Samuel  10, 41, 250 Hilgers, Franz Jakob Josef  223 Hippokrates  161 Hirsching, Friedrich  250 Holzhauser, Bartholomäus  97 Hoppe, Felicitas  57 Horstig, Carl Gottlieb  43, 250 Howard, John  44, 250

 291

Huber, Therese  42, 46, 250 Hugo, Victor  225 Humboldt, Alexander von  44, 83, 117, 250 Hume, David 25, 66, 250 Ives, Edward  250 Jefferson, Thomas  250 Karamsin, Nicolai  114, 200, 250 Keyßler, Georg  193, 250 Klebe, Friedrich Albrecht  44, 87, 122f, 127, 180f, 204, 213, 222, 224, 250 Klingemann, Ernst August  96, 250 Knigge, Adolph von  182, 195, 250 Knoblauch, Karl von  250 Kotzebue, August von  250 Kratter, Franz  28, 131f, 250 Kraus, Johannes SJ  104 Krebel, Gottlob  251 Kremer, Georg Adam  131 Krieger, Johann  251 Küttner, Carl Gottlob  45, 81, 117, 251 Kutter, Uli  15 Ladoucette, Jean  251 Lafontaine, August  42, 251 Lampadius, Wilhelm August  41, 251 Lang, Josef Gregor  40, 44, 95, 101, 117, 128, 177, 188, 210f, 219f, 251 La Roche, Marie Sophie von  46, 90–92, 251 Laukhard, Friedrich Christian  41, 43, 251 Lavater, Johann Caspar  9, 43, 114, 134, 159–167, 171, 176, 186, 238, 251 Lehne, Friedrich  229 Lehr, Friedrich August  44, 251 Lembcke, J.  90, 251 Liebeskind, Johann Heinrich  41, 99, 251 Link, Manfred  14, 23 Lippe, Pauline zur  251 Lips, Johann Heinrich  164 Löwenthal, Maximilian  76 Lombard, Jean Pierre  202 Loyola, Ignatius von (Hl.)  164 Luc, Jean André de  44, 98, 208f, 251 Ludwig XIV.  36 Luther, Martin  70, 102–107, 164, 196 Marshall, Joseph  40, 213, 251 Marxsen, Georg  105, 212 Maurer, Michael  52, 55, 57 Meermann, Johann  251

292 

 Personenregister

Meiners, Christoph  25, 41, 81, 216, 219, 251 Mecklenburg-Strelitz, Luise Auguste von  251 Menschenfreund, Christian Friedrich  147 Merck, Johann  251 Mercy, Josef Aloys  152, 181, 209, 251 Meyer, Andreas  251 Meyer, Christian Friedrich  42, 152, 251 Meynier, Johann Heinrich  145 Minutoli, Johann Heinrich von  251 Misson, Maximilien  103, 251 Moltke, Adam von  252 Moncony, Balthasar  252 Montagu, Mary Wortley  46, 64, 252 Moore, John  44, 67f, 252 Moser, Friedrich Carl von  26, 188, 243 Münster, Sebastian  17 Münter, Frederik  43, 252 Neeb, Johannes  252 Nemnich, Philipp Andreas  156f, 252 Neutsch, Cornelius  15, 55 Nicolai, Friedrich  27f, 32, 47, 51, 83f, 131, 148f, 151, 158, 166f, 170, 176f, 182, 186, 188, 242 Nicolosi, Giovan Battista  41, 44, 215, 252 Nipperdey, Thomas  243 Nolde, Dorothea  55 Ochsenheimer, Ferdinand  45, 183, 211, 221, 252 Papebroch, Daniel    44, 195f, 227, 252 Patin, Charles  44, 252 Paul, Vinzenz von (Hl.)  164 Pezzl, Johann  46f, 170, 182, 194, 252 Pilati, Carlo Antonio  41, 46, 146f, 152, 226, 252 Piozzi, Esther Lynch  40, 46, 252 Pöllnitz, Karl Ludwig von  252 Preuschen, August Gottlieb von  43, 45, 252 Radcliff, Ann Ward  46, 73f, 252 Ramus, Petrus  17f Rauschnick, Gottfried Peter  44, 110, 253 Ray, John  43f, 61, 252 Rebmann, Georg Friedrich  106, 252 Reith, Bernhard  252 Richter, Johann Jakob  181, 252 Riesbeck, Johann Kaspar  46, 116f, 150f, 196, 222, 252 Robineau, Louis-Bertrand  40, 252

Robinson, Henry  252 Rotenstein, Gottfried von  45, 108f, 253 Roth, Eberhard  253 Rousseau, Jean-Jaques  121, 126, 134 Rulffs, August Friedrich  198, 201 Sailer, Johann Michael  164 Salzmann, Christian Gotthilf  41, 43, 127, 135, 139, 144, 253 Sander, Heinrich  41, 213, 253 Sarrazin, Thilo  245 Sartori, Joseph von  148 Schäffer, Jacob  44, 253 Schinkel, Karl  253 Schlegel, Dorothea  231 Schlegel, Friedrich  92f, 95, 217, 225f, 231f, 234, 253 Schlözer, August Ludwig  25, 166, 172, 178, 181, 186 Schmidt, Christian Gottlieb  43, 106, 253 Schmoll, Georg Friedrich  160 Schönborn, Johann Philipp von  97 Schopenhauer, Johanna  46, 207, 210–212, 253 Schreiber, Aloys Wilhelm  42, 85, 132f, 176, 199, 201, 253 Schultz, Stephan  43, 253 Schulz, Johann Christoph Friedrich  43, 130f, 188, 204, 253 Schulz, Johann Gottlob  48–50, 194, 253 Schumann, Robert  158 Servière, Pauline  240 Seyffarth, Woldemar  124, 201 Sherlock, Martin  43, 253 Sierstorpff, Kaspar Heinrich von  42, 156, 224f, 253 Sneedorf, Frederik  41, 198, 253 Sömmering, Samuel  113, 204 Staël, Anne Louise Germaine de  40, 46, 125f, 253 Stagl, Justin  17 Stein, Heinrich Friedrich Karl vom und zum  233, 242 Steinbrenner, Wilhelm Ludwig  43, 105, 109, 253 Steinkopf, Karl Friedrich  43, 82f, 253 Sterne, Laurence  22, 167, 242 Stiehl, Maximilian  253

Personenregister 

Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu  41, 46, 121, 253 Stövesandt, Johann von  254 Taylor, James  66f, 80, 254 Tobler, Johann  43, 85f, 105, 111–114, 132, 254 Tomblesone, William  75, 77 Torlitz, Johann  41, 93, 254 Turler, Hieronymus  17f Uffenbach, Johann  254 Ursula (Hl.)  64, 114–117 Vives, Juan Luis  17 Vogt, Nicolaus  91, 96, 254 Wackerbart, August Joseph Ludwig von  41, 182–184, 207, 222, 254 Wagener, Samuel Christian  42, 105, 183, 193, 254 Walker, Adam  40, 70f, 254

 293

Weber, Max  148, 187 Weikard, Melchior Adam  44, 254 Weitzel, Johannes  254 Wendelstadt, Georg Friedrich  44, 93, 254 Wening, Johann Adam  44, 254 Werdum, Ulrich von  254 Westen, Leopold  254 Willebrand, Johann Peter  42, 254 Willemer, Marianne u. Johann Jakob  234f Witte, Selma  254 Wölfling, Christian  43, 254 Württemberg, Karl Eugen von  128, 254 Zeiler, Martin  214 Zelter, Karl Friedrich  237 Zimmermann, Johann Georg  161 Zwinger, Theodor  17f

Ortsregister Aachen  50, 185 Altenburg  48 Altona  41 Andernach  73, 150, 205 Angers  20 Aschaffenburg  142 Athen  18 Bacharach  71, 73, 193 Bad Ems  159f Bad Homburg  205 Baden  42 Bamberg  166 Basel  17f, 42 Berlin  26, 40f, 46, 48, 129, 152, 158, 213 Bingen  3, 9, 90, 96, 148, 229–244 Bonn 42, 74, 81, 92, 133, 227 Boppard  69, 72, 74, 98, 122, 145, 183 Bornhofen  69, 101 Bourges  20 Brabant  208 Brandenburg  41 Braunschweig-Wolfenbüttel  41, 156 Bremen  33, 198 Bristol  67 Brünn  28 Bückeburg  43 Dachau  44 Danzig  40 Dessau  159 Donnersberg  50 Dresden  26 Düsseldorf  1, 160, 193 Eichsfeld  6, 79 Eisenach  41, 44, 100 Elberfeld  44 Engers  205 England  43, 58, 156 Erfurt  113 Erlangen  43 Eutin  33f Frankfurt am Main  40, 42, 48, 132, 136, 143, 159, 219, 230, 234, 240 Frankreich  60, 87, 96, 129, 167, 178 Freiburg i. B.  232

Fulda (Stadt)  44, 82, 84 Fulda (Bistum)  82 Genf  44, 208 Gießen  43, 148 Göttingen  24f, 32, 41, 43, 46, 48, 54, 57f, 129, 168, 171f, 175, 207 Gotha  135 Halle  41–43, 48, 129, 175 Hamburg 46, 48, 136 Hannover  26, 41 Heidelberg  61, 83, 121, 194, 230, 232, 242 Hessen-Rheinfels  3 Hessen-Darmstadt  3 Hildesheim  136 Höchst  141, 150, 197 Holland  60, 156 Holstein  41 Irlich  205 Italien  17, 60, 116 Jena  48, 168, 175 Johannisberg  75, 77, 96 Karlsruhe  45, 205 Kassel  26 Kaub a. Rh.  70, 82, 193 Koblenz  3, 40, 61, 69, 87, 90, 95, 99f, 123, 128, 132, 145, 158, 171f, 173, 177 Köln (Stadt)  7, 9, 47f, 61, 64f, 67, 72, 76, 80f, 94f, 110, 115–118, 127f, 133, 149f, 152–154, 160, 178–180, 191, 195, 213–225, 226f, 229, 231–233, 239, 242, 245 Köln (Kurfürstentum, bzw. Erzbistum)  3, 57, 133, 136, 149f, 205, 213–225 Königsberg  110 Königstein  99 Kopenhagen  41, 167 Kurpfalz  3, 8, 9, 49, 63, 70f, 144, 152, 191–195, 207, 227 Lahnstein  3 Laubenheim  75 Leipzig  40–43, 46, 48f, 168 Lemgo  40 London  40, 42f, 48, 74, 82 Lorsch  132

Ortsregister 

Mainz (Stadt)  9, 45, 48, 50, 63, 67f, 70, 73, 80f, 84, 85, 88f, 93f, 95, 111f, 113–116, 120, 124, 127, 130–134, 136f, 139–143, 151, 160, 167–171, 172, 176, 182f, 191, 195–205, 229, 234 Mainz (Kurfürstentum, bzw. Erzbistum)  3, 9, 50, 57, 68, 70, 82, 133, 150f, 191, 195–205 Mannheim  1, 63, 68, 70, 80–82, 108f, 172, 205 Maria Laach (Kloster)  128 Mittelrheintal  1, 8, 30, 38, 60, 92, 96 München  44 Neustadt a.d.W.  207 Neuwied  9, 81, 99, 149, 157f, 175f, 191, 205–213, 226f Nonnenwerth (Kloster) bei Rolandseck  75,78 Nürnberg  64–66, 215 Oberwesel  91 Offenbach  111 Oldenburg  42 Oppenheim  78, 137 Orléans  20 Paris  18, 231 Padua  18, 20 Paternó  41 Portugal  17, 117 Prag  175 Pressburg  108 Preußen  41, 243 Rastatt  205 Regensburg  66 Remagen  119, 121 Rheingau  91f, 96, 145, 181, 236f

 295

Rimini  1, 41 Rom  26, 138, 243 Rostock  41, 48 Rüdesheim  3, 77 Sachsen  41, 49, 82 Salisbury  62 Schleswig  41 Schweiz  60, 93, 136, 166f Siegburg  100 Siena  20 Spanien  17, 116 Speyer  2, 7, 61f, 144, 194 St. Goar  143, 181, 193 Straßburg  232 Stockholm  41 Tassullo  41 Trient  41 Trier (Kurfürstentum, bzw. Erzbistum)  3, 57, 69, 133, 150, 205 Tübingen  43 Übersee  16, 27, 31f Weimar  41, 45, 200, 230–232, 235, 239 Weisenau (Mainz)  88, 119 Wendelsheim  43 Westfalen  67 Wetzlar  42, 93 Wied (Grafschaft)  10 Wien 26, 159 Wiesbaden  44, 141, 234, 236 Wittenberg  106f Worms  63, 103–107, 143, 191, 195 Würzburg  44 Züllichau  41 Zürich  1, 41, 43