Kommentare zu Rubens [Repriont 2011 ed.] 9783111503615, 9783111136943

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Kommentare zu Rubens [Repriont 2011 ed.]
 9783111503615, 9783111136943

Table of contents :
RUBENS IN VALLADOLID (1603/1604) – Kunst am Hofe
1. Der weinende Heraklit und der lachende Demokrit
2. Die erste Begegnung mit der Staatsräson
3. Das Reiterbildnis des Herzogs von Lerma
PATHOS UND APATHEIA – Rubens und die Neo-Stoa
1. Tod, Trauer und Trost
2. Liebe und Ehe
3. Justus Lipsius und seine Schüler
KUNST UND POLITIK – Rubens im Absolutismus
1. ›necessità‹ und ›capriccio‹
2. Bürgertum und Adel
3. Anpassung
4. Dissimulatio
5. Im Umgang mit der Staatsräson
ANMERKUNGEN
ABKÜRZUNGEN
ANHANG I: ›Ex Rubenio. De Imitatione statuarum‹
ANHANG II: Ausgewählte Begriffe aus Rubens’ Korrespondenz
LITERATURVERZEICHNIS
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ABBILDUNGEN

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M. WARNKE · KOMMENTARE ZU RUBENS

KOMMENTARE ZU RUBENS

von

MARTIN WARNKE

1965

W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. / B E R L I N VORMALS G.f.GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J.GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J . T R U B N E R - VEITÄ.COMP.

Archiv-Nr. j 54 56 51 ©

1965 by Walter de Gruyter& Co., vormals C. J. Göschen'sche Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer - Karl J.Trttbnei · Veit&Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13 (Printed in Germany]

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie] zu vervielfältigen. Satz und Druck: Otto von Holten, Berlin 30 D 188

FUR FREYA

VORWORT Den hier vorgelegten Studien zu Rubens ist deutlich anzumerken, daß sie aus einer eingehenderen Beschäftigung mit dem Briefwechsel des Künstlers hervorgegangen sind. Warum den Briefen von Rubens über ihren biographischen Nutzwert hinaus bisher nicht die Beachtung zuteil wurde, die sie verdienen, mag Gründe haben, die nicht allein aus zufälligem Vergessen sich erklären. Seit Wilhelm Heinse ist Rubens und seine Kunst — sofern nicht disziplinierte Kennerschaft am Werke war — zumeist ein Phänomen, dem sprachlich nur mit dem Vokabular des Enthusiasmus beizukommen war, und das, vom Genialischen durchströmt, aller klärenden Reflexion sich zu widersetzen schien. Der daraus erwachsene Vorrang des Unmittelbaren gegenüber dem Vermittelten führte zu dem Empfinden, daß die nüchterne und einfache Sprache der Rubensbriefe eine prosaische Ablagerung jener Sphären sei, in denen der Künstler malend sich bewegte. Seine Sprache trieb die Wellen nicht höher, welche seit Heinse die Charakterisierungen seiner Kunst trugen. Trotz des grundsätzlichen Unterschiedes zwischen Werk und Brief eines Künstlers ist doch vieles von dem, was im Gemälde dem Wort zugänglich sein kann, zumindest die Ikonographie, von den Briefen her erreichbar und prüfbar. Zur Umschreibung des Horizontes von Rubens' Bewußtsein, zur Bestimmung der Grenzen des im Werk Gedachten, möchten die folgenden Studien nur einige Orientierungsmittel vorschlagen, welche aus der riesigen geistigen Landschaft, die durch Rooses' und Ruelens' monumentale Edition der Dokumente zu Rubens' Leben und Werk ausgebreitet worden ist, sich gewinnen ließen. Die fast lückenlose Brieffolge, die aus der Zeit von Rubens' Aufenthalt in Valladolid 1603/1604 erhalten ist, erlaubt die Ergiebigkeit von brieflichen Aussagen durch Konfrontation mit einer zeitlich und örtlich, wie auch kunsthistorisch und politisch begrenzten Situation zu erproben. Das ausschnitthafte biographische Modell, welches die Darstellung der Valladolider Zeit von Rubens anstrebt, verweist darauf, was den beiden folgenden Studien mangelt und in welcher Richtung sie anregen möchten. Einer veränderten historischen Grundlage erwächst Rubens' kritische Stellung zum Neo-Stoizis-

mus eines Justus Lipsius. In Form und Thematik kehrt Rubens gegen die stoische Apathie das fordernde Pathos. Diesem entspricht der anti-absolutistische Affekt und die Hinwendung zur politischen Tätigkeit. Obwohl meine Gedankengänge, die Rubens vom geistesgeschichtlichen Zugriff befreien, nicht ihn diesem zuführen wollen, den Grundmotiven von Rubens' Biographie zu folgen sich bemühen, bleibt doch zu vieles vom Gesamtschaffen des M a l e r s unberücksichtigt, als daß meine Arbeit mehr als der Versuch einer Fragestellung sein könnte. Dank schulde ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Hans Kauffmann. Er hat nicht nur durch einen souveränen Aufsatz im Wallraf-Richartz Jahrbuch 1955 den Anstoß zu meiner Dissertation gegeben, die im Wesentlichen diesen Studien zugrunde liegt; er hat vor allem die freie Atmosphäre vermittelt, in der allein die Fragen dieser Arbeit sich stellen und entfalten konnten. Berlin, im August 1964 Martin Warnke

INHALTSVERZEICHNIS RUBENS IN VALLADOLID (1603/1604) - Kunst am Hofe . . .

i

1. Der weinende Heraklit und der lachende Demokrit . . .

3

2. Die erste Begegnung mit der Staatsräson

8

3. Das Reiterbildnis des Herzogs von Lerma

n

PATHOS UND APATHEIA - Rubens und die Neo-Stoa

. . .

19

1. Tod, Trauer und Trost · . -

21

2. Liebe und Ehe

28

3. Justus Lipsius und seine Schüler

33

KUNST UND POLITIK - Rubens im Absolutismus

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1. >necessita< und >capriccio
Ex Rubenio. De Imitatione statuarum
concordia discorsutilitas< zu organisieren begann. Zunächst zeigt die selbstbezichtigende Rückzugsbereitschaft, die eingestandene Unerfahrenheit, das ängstliche Grübeln über Gründe und Gegengründe, und im Briefstil das nervöse Hin und Her der Argumentation, einen Künstler, der im Umgang mit der politischen Instanz sich noch unsicher fühlt. Es ist Listigkeit darin, aber auch ein wenig Naivität, wenn nach einer Audienz beim Großherzog der Toskana, während die Expedition in Florenz pausierte, Rubens wegen des Großherzogs genauer Informiertheit über Einzelheiten seiner Mission Spionage wittert und schreibt: »Vielleicht aber ist es meine Einfältigkeit (simplicita), die mich wundern (maraviglia) läßt, wo es sich um gängige Hofpraktiken handelt«.26 Umso bestimmter und unerbittlicher zeigt sich dann Rubens, wenn ihm seine Kompetenz im Bereich der Kunst in Frage gestellt erscheint. Die Abwehr aller Einschränkungen seiner Reputation als Künstler vollzieht sich in heftiger Polemik und nicht ohne Selbstlob, das ja aber — nach einer kanonisch gewordenen Bemerkung Plutarchs — im Falle eines unberechtigten Angriffs und in der Not der Verteidigung statthaft ist.27 Rubens' eingeflochtene Mitteilung nach Mantua, der Großherzog der Toskana habe sich im Gespräch mit ihm über seine Person und Herkunft, aber auch über seinen Beruf — »und meinen Rang in ihm« — genau informiert gezeigt, erweist Rubens' defensive Stellung ebenso wie die Andeutungen, sein Ruhm sei in Spanien nicht unbekannt und der König von Frankreich suche allenthalben tüchtige Maler,· und nie wieder wird in der Korrespondenz von Rubens so hartnäckig oft auf Würdigkeit und Unwürdigkeit (>degno< oder >indegno de meWir würden fortfahren das, was sich gleich Kriegsfronten einander bekämpft, harmonieren zu wollenindifferentia< und die Furcht und Trauer, die Abhängigkeit vom Anderen in Freud oder Leid, beruhten auf einer falschen Meinung, nicht auf einem klaren Wissen vom Wesen des Lebens wie des Todes. Die Schüler des Lipsius, des zu seiner Zeit profiliertesten Vertreters dieser Todesphilosophie, rankten um das Ende ihres Lehrers die Erzählung, Lipsius selbst habe auf dem Sterbelager diese stoischen Ideale abgeschworen: An die stoische Constantia erinnert, soll der Sterbende abgewinkt haben mit den Worten: »Vana sunt ista.«84 Die Todesstunde des Philosophen sollte zugleich die seiner Lehre werden. Ähnlich war in Frankreich mit dem Tode 23

Montaignes, des Brieffreundes von Lipsius, verfahren worden.85 Dieser Gegenwendung der Schüler, der das Mantuaner Freundschaftsbild zugehört, erwächst die freie Offenheit nach außen, die Abwehr gegen die Apathie zugunsten einer geselligen Sympathie, die es für eine Schuldigkeit ansieht — wie Philipp Rubens es formuliert —, »dem Gesetz der Natur, welches besondere Liebe von denen verlangt, die sie durch besonderen Glanz und durch besondere Bande verbunden hat«, sowie einem »Gemeingut aller Völker, welches fordert, Gleiches mit Gleichem zu erwidern«, zu entsprechen.86 Dieser >appetitus societatisVIRT .. .< Damit präsentiert sich die heiligste stoische Vokabel im Angesicht des Todes als ein unverständliches Wortstück.99 Im Jahre 1623 starb Rubens' älteste Tochter, die zwölfjährige Klara Serena. Während ihn der französische Gelehrte Peiresc um diese Zeit als einen zweiten Plutarch sich vorstellt, der aus der Erkenntnis von der Schlechtigkeit irdischen Lebens den Tod seiner Tochter freudig begrüßt, muß Rubens 26

das Florentiner Bildnis Isabella Brants gemalt haben, das die Mutter gramverzehrt, sichtlich gealtert, in Trauerstellung verharrend zeigt, die eine Hand zur Brust zurückgenommen, in der anderen das Büchlein haltend, — wie der Bürgermeister Rockox auf dem Seitenflügel zum Thomasaltar, der für das Epitaph des Antwerpener Bürgermeisters bestimmt war.100 Zu dem Eindruck, welcher der Tod seiner Frau am 20. 6. 1626 auf ihn gemacht haben muß, ist als direktes Zeugnis der eingangs zitierte Brief erhalten, den Rubens einen Monat nach dem Ereignis geschrieben hat, und den man als sein anti-stoisches Manifest bezeichnen kann. Der Brief ist eine Antwort auf ein Beileidsschreiben des Richelieu-Beraters Pierre Dupuy. In gleicher Absicht wie Dupuy hatte der spanische Minister Olivares dem Künstler geschrieben, und wie von jener so erging auch von dieser Seite an Rubens die Forderung des Gehorsams und der Einstimmung in das Verfügte: »In solchen Fällen«, schrieb Olivares, »ist es eher angebracht, seine Constantia und seine Ergebung in das von Gott Verfügte zu bewahren als nach Trostgründen zu suchen«.101 In seinem Brief an Dupuy verwirft Rubens nicht nur die Schicksalsergebenheit und die stoische Apathie, sondern gibt zugleich zwei Trostgründe an, die er suchen will: Freunde in Paris und Reisen. Gegen das Reisen als ein Trostmittel hatte Seneca eingewandt: »Du wunderst dich darüber als etwas Neues, daß du durch eine so lange Reise und so vielfachen Wechsel des Ortes dennoch den Trübsinn und die Schwermut deines Gemütes nicht gescheucht hast . . . Zu einem, der ganz dasselbe klagte, sagte Sokrates: >Was wunderst du dich, daß deine Reisen dir nichts nützen, da du dich selbst mit herumschleppst?wie jene Dido einsam sich grämte und sich aufs verlassene Lager niederwarfdaß ich mit mir wandere und mich selbst mit herumtrage< «.103 Wie mit der Freundschaft hat Rubens auch mit dem Reisen den Vorrat eudaimonistischer Techniken, die, als Trostgründe gebraucht, aus stoischer Sicht das Leid überspielen, nicht aber überwinden, bejaht.

2. Liebe und Ehe Die eindringliche Analyse der Affekte, wie sie zuletzt systematisch von Caspar Scioppius (1606) vorangetrieben worden war, die feinsinnige Erschließung des menschlichen Seelenlebens, der Anstoß zur Psychologie, der dadurch möglich wurde, diente doch den Stoikern, bis hin zu Descartes und Spinoza, zugleich zur Ausschaltung der seelischen Bewegungen. — Roger de Piles hat noch ein Buch von Rubens in Händen gehabt, das »eine sehr merkwürdige Auslese der hauptsächlichsten Leidenschaften enthielt, die aus Beschreibungen von Dichtern genommen waren, mit Federzeichnungen nach den besten Meistern, besonders nach Raffael, um den Wert des einen durch die Poesie des anderen zu erhöhen«. Auch auf diese Notiz hat Dilthey seine Vermutung gegründet, daß Rubens »die starken Bewegungen, die Affekte der Seele, die daraus entspringenden starken Handlungen auf eine neue Weise nachempfand, schätzte und zergliederte«.104 Ein solches Interesse an den Affekten konnte nur aus der Abwehr gegen die stoische Affektenlehre sich ergeben. Im Sinne des Neostoizismus hat Francis Bacon den Satz des Plutarch: »Es ist unmöglich zu lieben und weise zu sein«, zitiert und hinzugefügt: »Man kann feststellen, daß unter allen großen und verehrungswürdigen Menschen, deren Andenken, ob aus dem Altertum, ob aus der Neuzeit, bestehen bleiben wird, sich nicht ein einziger befindet, der sich von der Liebe bis zur Unsinnigkeit hätte hinreißen lassen«.105 Jedoch unter dem Lemma: >Amor vincit omnia< war es seit langem üblich, die ehrwürdigsten Geisteshelden in die Verstrickungen Amors sich fangen zu lassen. Im Spätmittelalter war als Spitze gegen die Scholastik die Mär vom alten Aristoteles aufgekommen, auf dem die Phillis erbarmungslos ritt. Petrarcas »Trionfo d'amore« hat dem Themenkreis des Philosophen als Liebhaber neue Stoffe zugeführt.106 In Alciatis Emblemata ist ein Bild dem zur Voluptas abgeglittenen Gelehrten gewidmet, gleichsam als Parodie des alten Schemas vom Herkules am Scheidewege.107 Daniel Heinsius hat sein Hochzeitsgedicht für Peter Paul Rubens in diesem Sinne gestaltet, den Künstler als denParrhasius der Neuzeit, der mutig die Antlitze unerreichter Helden und göttlicher Könige zu malen wagte, besungen und triumphiert darüber, daß er »nun dem unbedeutenden Amor 28

weicht — doch wer wiche ihm nicht? — und zum Spielball zarter Jungfräulichkeit wurde«.108 Dieser Tradition, wonach der größte Held vor der Macht der Liebe in die Knie geht, hat Rubens das Thema seiner Bilder entnommen, die der Geschichte von Simson und Delila gewidmet sind, am deutlichsten in der Kölner Fassung des Vorwurfs, die den Helden kniend, den Kopf in Delilas Schoß gelegt, im Schlafe zeigt, während ihm herangeschlichene Philister die Haare scheren. In der Wandnische gibt eine Marmorgruppe von Venus und Amor den Zusammenhang an, dem das Bild zuzuordnen ist.109 Die moralistische Literatur, das Drama und die Poesie hatten das Thema in dem bedauernden Sinne des spanischen Sprichwortes gepflegt: »Der stärkste war Simson und doch besiegte ihn die Liebe«.110 Erst allmählich konnte das Thema von der moralisierenden Beschränkung als ein Exemplum für die Schlechtigkeit der Voluptas befreit werden; Rubens' Bild liegt an dem Wendepunkt, da die Liebe als ein Affekt >citra reprehensionem< bejaht und dem Zugriff rigoroser Tugendhaftigkeit entzogen wurde.111 Philipp Rubens hat, nach alter Gewohnheit, das Schicksal Simsons mit dem des Herkules verglichen: »Simson, der das menschliche Geschlecht durch seine Kraft überragte, wurde dennoch von den Anschlägen einer Frau besiegt. So fand auch die Kraft des Herkules an Frauenkunst und -list ihre Grenze«.112 Herkules, der Prototyp der stoischen Tugend, ist auch von Peter Paul Rubens als ein recht kläglicher Held der Frauenmacht konfrontiert worden. Im Kreise der Mädchen läßt er ihn Wolle krempelnd sitzen, ein Gespött der Omphale, die ihn von hoheitsvollem Postamente her am Ohre zupft.113 In Senecas Tragödie >Hercules Furiens< spottet Lycus, daß Herkules seine Keule und sein Löwenfell einem Mädchen zum Geschenk von seiner Schulter herabfallen und sich von Mädchen schminken ließ, so daß seine starrenden Haare von Nardenöl troffen. Die Verteidigung, die Seneca dem Amphitryon in den Mund legt, klingt verlegen: »Nach vielen Werken pflegt Tapferkeit sich zu entspannen«.114 Seit Lactantius war die christliche Verlästerung des Herkules üblich und noch Cervantes weiß, Herkules sei geil und weichlich gewesen. Van Veens Versuch, dem spinnenden Herkules aus der Schlinge zu helfen, bleibt bei einer vagen Ausrede: »Amor lehrt die Künste«.115 Als Geselle der Liebe galt der Wein. Als Philipp Rubens 1601 nach Rom kam, fand er dort Caspar Scioppius emsig und eifrig das System der stoischen Philosophie ausklügelnd. Philipp berichtet Lipsius von der Zurückgezogenheit des jungen Gelehrten vielleicht nicht ohne gezielte Ironie. Lipsius aber erhebt 29

den Zeigefinger und antwortet: »Was du über Scioppius schreibst, höre ich gern, besonders jenes Hingegebensein an das Studium und die Enthaltsamkeit vom Weine und von jeder Ausschweifung; er möge nur so fortfahren, ich bejahe das«.118 Peter Paul Rubens hat in seiner Kunst Herkules gerne trunken den Weg links abtorkeln lassen: »Man sieht ihn, geführt von einem Pan und einem Pansweib und verspottet von einer hinterdreintanzenden Nymphe,· ein Putto hat sich seiner Keule bemächtigt und reitet auf derselben hinterdrein, indem er sich nach einem Panther umsieht, welcher nach der Keule tappt; rechts hat ein Silen die Löwenhaut des Heros übergezogen und streckt heimlich die Zunge heraus; dies alles aber bewegt sich wie ein Spottriumph schräg durch das Bild«.117 Kaum ein anderes Thema hat Rubens in seiner Malerei so sehr beschäftigt wie das des Silen und seines bacchantischen Kreises. Der Lehrer des Dionysos, der stets betrunken, doch tiefe dunkle Sprüche tat und selbst Könige durch die Beschreibung arkadischen, sorglosen Inseldaseins rühren konnte, dieses von »unstillbaren Leidenschaften« verzehrte Wesen verkörpert den Antitypus des stoischen Weisen. Deshalb mußte ein strenger Moralist wie Perez de Moya die weisen Züge des Silen übersehen und ihn zum Schreckbild dafür machen, »welche Schäden der Wein anrichtet«; deshalb aber kann dem niedergeschlagenen Don Quijote der auf dem Esel triumphierende Silen eine tröstende Erinnerung werden: »der gute alte Silen, der Pfleger und Erzieher vom glücklichen Gotte des Lachens«.118 Wie der stoische Held so erscheint bei Rubens auch der stoische Weise vom seelischen Zwang befreit; ihren Sinn finden beide erst, wenn sie unter der Maske stoischer Tugendathletik ihre humane Natur hervorkehren. Die positive Bewertung der Affekte führt zu einem Ehebegriff, der den Bereich der Gefühle umschließt und in Anspruch nimmt. »Es war ein glücklicher Augenblick als mein Bruder sich entschloß, die Tunica abzulegen und sich Cupidos Kult zu weihen.« Steht schon dieser Kommentar von Peter Paul Rubens zur Hochzeit seines Bruders Philipp im Widerspruch zu aller stoischen Askese, so vollends die anschließende Bemerkung: »Ich weiß aus Erfahrung, daß solche Dinge nicht kalt, sondern mit großem Feuer behandelt sein wollen.«119 Montaigne und Lipsius hatten empfohlen, die >nuptiarum vincla< möglichst zu meiden. Nach strengster stoischer Lehrtradition kann die Ehe als Erfüllung einer nützlichen Bürgerpflicht gutgeheißen werden; jedoch darf sie sich nicht auf eine affektive Zuneigung, allenfalls auf ein Freundschaftsemp30

finden gründen; sie sollte die Neutralität eines Vertrages, einer zweckdienlichen Konvention, einer >mutua obligatio ad usum< bewahren.120 Rubens' Geißblattlaube ist das erste einer langen Reihe von Zeugnissen, die der Maler zu seinem eigenen Ehebegriff beigebracht hat: Die freie Zuneigung, die das Zusammensein in dem Bilde begründet; die spielerischen Reize, die zu kurzer dreimaliger Berührung des Paares führen; die ikonographischen Erinnerungen aus dem Spätmittelalter, die wie gegen stoische Strenge, aber ebenso gegen tridentinische Sakramentalität ins Bild gebracht scheinen; die Umsetzung gesellschaftlicher Normen in eine »innere Lebensordnung, der die beiden Bildgestalten gehorchen, indem sie sie in Freiheit vollziehen«121; die Konstituierung der Ehe aus den spontanen Regungen der menschlichen Natur: dies sind die Hauptmerkmale, mit denen sich dieses Bild einer neu entstehenden Ehevorstellung zureiht. Von Dupuy darum gebeten, hat Rubens nach einem geeigneten Thema zum Lob der Gattenliebe gesucht. Schon eine Woche nach Dupuys Anfrage teilt ihm Rubens das Ergebnis seiner Überlegungen mit. Er hatte sich nicht weit umzusehen brauchen; denn die Beispiele der »coniugum commorentium< waren in der moralistischen Literatur reichlich ausgebreitet.122 Aber Dupuy hatte einen »besonderen Fall« im Auge, von dem Rubens meinte, daß er »in sich sehr kalt ist«, weil in ihm »ohne äußere Anzeichen ein trauernder, treu das Gedenken der Gattin bewahrender Witwer vorkommen soll«. Das aber, so stellt Rubens fest, »kann in der Malerei schwerlich dargestellt werden«; es sei besser, wenn eine »eindrucksvollere Handlung« gezeigt werden könne: wie die des Mohren Benxamut, der mit großer Bravour seine Frau von den Portugiesen befreit hatte, oder wie die Geschichte von jenem Neapolitaner, »der ins Meer geworfen werden sollte, sich aber solange an dem Piratenschiff, in welchem seine Frau zurückgehalten wurde, festklammerte, bis man ihn wieder an Bord holte, wo er es vorzog, mit seiner Frau in elender Knechtschaft, als ohne sie in Freiheit zu leben«.123 Unter diesem Aspekt, der die Bewegung sucht, reichert sich auch die Geschichte an: Aus einer Anzahl von Münzen und Kuriositäten, die der Archäologe Peiresc zur Begutachtung Rubens zugeschickt hatte, sprang dem Künstler der Gegenstand einer aktuellen Lebensform in die Augen: »Unter all den Dingen fand ich die Eheringe am schönsten, so herrlich beschriftet, daß Venus selbst mit all ihren Grazien es nicht hätte besser vollbringen können,· sie sind einen Schatz wert und nach meinem Urteil überhaupt unbezahlbar.«124 Und das

emotional bestimmte Interesse an historischen Dokumenten befähigte Rubens, an dem antiken Fresko der Aldobrandinihochzeit den »nachdenklichen und melancholischen Blick« der Braut wahrzunehmen und Verständnis zu finden für die Situation des Bräutigams, »der, ungeduldig wegen der Verzögerung, gleichsam listig sich nach der Braut umsieht und erlauscht, was die Frauen miteinander besprechen«.125 Der Ehebegriff, in den der Liebesaffekt gleichsam entlassen ist, bezeichnet mit der Richtung gegen den kalten stoischen zugleich eine gesellschaftliche Stellung. Die stoische Ehedefinition ist die bürgerliche Ideologisierung dessen, was die Ehe auf politisch-dynastischer Ebene wirklich war: das Ergebnis kühler Rechnung, worin die höfischen Interessen sorgsam abgewogen waren. Die vom Gefühl entleerte Ehe bot sich dem Spiel politischer Kalkulationen wehrlos dar. An den gängigen Spekulationen über mögliche dynastische Verbindungen durch Eheschließungen hat auch Rubens sich gerne beteiligt. Die Auflösung der Ehe zwischen Heinrich IV. von Frankreich und Margarethe von Valois durch den Papst Clemens VIII. jedoch bezeichnet Rubens als einen »zweifelhaften Dispens«, welcher dem pontifikalen Ansehen großen Schaden zugefügt habe. Die Pamphlete zu diesem Dispens hatte Rubens gelesen.128 Gegen solche höfischen Manipulationen, gegen die autoritäre Öffentlichkeit, entfaltete das Bürgertum im Verlauf seiner wirtschaftlichen Emanzipation und nach dem gescheiterten Versuch politischer Partizipation seine Zivilsozietät; diese beruft sich auf die Spontaneität menschlicher Beziehungen und »mit den Erfahrungen einer intimisierten Privatsphäre im Rücken, bietet sie der etablierten monarchischen Autorität die Stirn,· in diesem Sinne hat sie von Anbeginn privaten und polemischen Charakter zugleich«.127 Dieser polemische Aspekt bürgerlicher Eigenständigkeit leuchtet stolz auf in Rubens' Bemerkung, daß der General Spinola sich wohl nochmals verheiratet hätte, »wenn die Großen in Spanien nach eigenem Gutdünken und ohne Erlaubnis des Königs heiraten dürften«.128 Die kritische Spitze begleitet nicht nur implizit alle sinnlichen und spontanen Intentionen Rubensscher Kunst. Der verhältnismäßig offiziöse Habitus der Geißblattlaube wird sich bis zu den späten Ehebildern von Rubens in eine noch intimere, autobiographisch verschlüsseitere, fast esoterisch in sich zurückgezogene Atmosphäre wandeln. Bei solchem Rückzug jedoch hat sich der kritische Impuls nur verschanzt. In einer Stelle aus einem späten Brief kommt das deutlich zum Ausdruck: »Ich habe mich entschlossen«, 32

schreibt Rubens 1634 an Peiresc, »wieder zu heiraten, weil ich mich zu der Abstinenz eines Zölibates noch nicht fähig fand; auch wenn man der Tötung der Affekte die erste Stelle einräumt, so genießt man doch mit großem Dank die zugestandene Lust.« Und, so fügt der Künstler hinzu, entgegen dem Rat mancher seiner Freunde habe er die bürgerliche Frau einer Adligen vorgezogen, weil er den »Schatz der kostbaren Freiheit« nicht für die Umarmung einer Frau preiszugeben gedachte.129 3. Justus Lipsius und seine Schüler »Seneca war für viele jetzt noch mehr, als er es für Montaigne gewesen war, der Führer ihrer Lebensphilosophie. Das Bild der vier Freunde von Rubens im Palazzo Pitti mit dem Kopf des (angeblichen) Seneca im Hintergrund, ist ein schönes Zeichen der Zeit.«130 Mit diesen Worten hat Wilamowitz das Bild der »Vier Philosophen den Philologen vorgestellt; sein Seitenblick verweist darauf, daß es sich um ein humanistisches Bild handelt, in dem Rubens sein Verhältnis zur Stoa wohl malend zu gestalten und zu formulieren versucht hat (Abb. 9). In wohlüberlegter Parataxe bieten sich die vier um einen quadratischen Tisch versammelten Philosophen dar. Zwei von ihnen sitzen rechts vor einer festen, geschlossenen Wandarchitektur,· die beiden anderen links hinterfängt ein Vorhang, der, vor einer Säule eingerafft, den Ausblick in eine weite Landschaft freigibt. Die links sind die Gebrüder Rubens, jene rechts Justus Lipsius und Wowerius. Ihre Köpfe sind paarweise auf den Seiten einer zum Zickzack gebrochenen Diagonalen gegenübergestellt. Die beiden rechts haben ihre Bücher aufgeschlagen. Lipsius hat sich an einer Stelle, auf der er mit dem linken Zeigefinger verharrt, festgebissen,· mit der Geste der rechten Hand doziert er dem unbestimmten Ziel des konzentrierten Blickes nach und entschwindet dem auch vom Hund gleichsam abberufenen Wowerius in andauerndem, einsamem Monolog. Die Gebrüder Rubens haben inzwischen vielleicht ihre Folianten zusammengeschnürt und sie an der vorderen Kante des Tisches aufgebaut wie eine Schanze, hinter der sie den Betrachter des Bildes direkt anblikken. Schon durch seine Handbewegung, die sich, im Schreiben innehaltend, mit der von Lipsius kreuzt, nimmt Philipp Rubens die Gedankenflüge seines Lehrers gleichsam zurück, hält sie an, um sie durch den Blick in die Gegenwart umlenken zu können. Peter Paul ist, wie von einem Ausspruch angeregt, aufgestanden, blickt sich im Gehen nochmals um, als wisse er, was zu tun 33

sei. Gegenwärtigkeit und Zurückgezogenheit, Weltoffenheit und Gelehrsamkeit, das >publice et privatim«, stehen sich in dem Bild gegenüber und bestimmen sich gegenseitig: Hier Lipsius' Mopsulus, sein geliebter Hund, dort die Palatinlandschaft; hier die glatte stoische Säule, dort die umrankte, belebte,· hier Senecas Büste, dort die aktuellen Bedürfnisse,· hier wie die zwei geschlossenen, dort wie die zwei geöffneten Tulpen. Das Bild hat außerdem das Gewicht eines Vermächtnisses. Denn als es gemalt wurde, waren Justus Lipsius und Philipp Rubens bereits gestorben; sie bilden den zweiteiligen Kern des Bildes. Peter Paul Rubens und Jan Wowerius, die jenen Kern umklammern, haben lange versucht, Theorie und Praxis, Meditation und Aktion, öffentliches und Privates zu vereinen.131 Justus Lipsius diente die stoische Philosophie vor allem dazu, innerhalb der öffentlichen Wirren, der politischen Stürme dem Ich den friedlichen Geisteshafen zu sichern und diesen zu decken. Das Leben ist ihm ein ständiger Kampf um das Refugium der Seele: >Vivere militare estsemper idemfirmitas animisummum bonumturbis politicis< abgeraten hatte.135 Wenn Jan Brant in seiner Lebensbeschreibung von Philipp Rubens postum dessen Verzicht auf den Löwener Lehrstuhl aus seiner angeborenen Bescheidenheit (>modestiaI1 Principe< (i6io).14e Rubens steht als Künstlerdiplomat auch persönlich an 4i

dieser geschichtlichen Wende, in der auch die Kunst in der Politik das Wort ergreift. Diese Neuorientierung ergab sich aus der gesellschaftlichen Entwicklung in fast allen europäischen Staaten, worin dem Bürgertum seine primäre ökonomische und politische Funktion verloren zu gehen drohte. Hatte es ursprünglich selbst, finanziell und ideologisch, an der Errichtung des monarchischen Absolutismus mitgewirkt, so geriet es nunmehr — nicht zuletzt nach dem Zusammenbruch der Antwerpener Börse — diesem gegenüber allzusehr ins Hintertreffen und in eine kaum mehr einzuholende Abhängigkeit.147 Lipsius noch hat unbekümmert Machiavell verteidigt. Denn die von dem Florentiner dem Fürsten zugebilligte und zu einer unabdingbaren Notwendigkeit (necesslta) erklärte Souveränität deckte sich lange mit dem eigensten Interesse des handeltreibenden Bürgertums. Lipsius selbst erarbeitete mit Hilfe des stoischen Gedankenguts dem fürstlichen Absolutismus das ideologische Fundament und verlieh ihm die göttliche Legitimation: Wiewohl das Fatum als eine »occulta lex« alles Sein und Tun determiniere, sei doch der Fürst Statthalter des Schicksals in der Welt; als ein Gott auf Erden gebühre allein ihm im Bereich der >vita civilis< und deren Grundformen — der Herrschaft (imperium) und dem Handel (commercium) — die unbeschränkte Autorität.148 Die dem König neu verliehene Dignität spiegelt das bürgerliche Vertrauen darein wider, daß die eigenen Interessen bei einem starken, nur an den objektiven Notwendigkeiten des Warenverkehrs gebundenen Herrscher am besten aufgehoben seien. Seitdem jedoch—wie in zunehmenden Maße in den spanischen Niederlanden — das kommerzielle Interesse mit dem theokratischen Anspruch eines Königs kollidierte, verlor die Gleichsetzung der allgemeinen >necessita< mit der des Fürsten ihre Gültigkeit. Wie die königlichen Interessen von den bürgerlichen, so schied sich eine öffentliche >necessita< von einer privaten, eine äußerliche von einer inneren ab. Das Bürgertum entwickelte einen Bereich eigener Notwendigkeiten und damit das Bedürfnis einer selbständigen politischen Aktivität; der positive Ausdruck für eine solche innere Notwendigkeit war >libertaad jus usurpandumnecessita< den Einzelnen auch gegen den Fürsten entscheiden lassen kann. Immer wieder beruft sich Rubens während seiner Fahrt nach Valladolid bei Entscheidungen, gegen die er Einwendungen vermutet, auf die >inexcusabilinevitabil< oder >inesorabil necessitanecessita< ihn zwinge, sein »freies Studium« aufgeben und »anderswo etwas Ertragreiches (utile) suchen« zu müssen.153 Die Emanzipation aus obrigkeitlicher Vormundschaft hat durchaus auch einen künstlerischen Bezug. Den Hochaltar für Santa Mana in Vallicella scheint Rubens ganz im Vertrauen auf seine künstlerische Autonomie geschaffen zu haben — so sehr, daß er das Bild ohne Rücksicht auf die örtlichen Bedingtheiten, in denen es zu wirken hatte, malte. Denn bevor es enthüllt wurde, stellte sich heraus, daß das Licht so ungünstig auf das Bild fiel, daß es ungenießbar wurde: »Da ich nun dieses Werk«, schreibt Rubens nach Mantua, »das doch gut ist, so schlecht angebracht sehe, und die Ehre, die meiner Mühe entsprechen würde, nicht erhoffen kann, wenn man es doch nicht sehen kann, so gedenke ich es nicht zu enthüllen, sondern von hier zu entfernen und irgendwo einen Platz dafür zu suchen«.154 Rubens bot das Gemälde dem Herzog von Mantua für dessen Privatgalerie an mit der Begründung, daß »obwohl alle Figuren Heilige sind, sie doch keine Attribute oder Zeichen haben, die nicht auch irgendwelchen anderen gleichrangigen Heiligen zukommen könnten«.165 Diese Unabhängigkeit von einer lokalen und auch devotionalen Umgebung entspricht auch die stilistische Stellung dieses Gemäldes, das aus einem »Wettbewerb und aus der Konkurrenz mit den besten Malern Roms« siegreich hervorgegangen war: die individualistische Emphasis schuf sich im Bilde selbst die architektonische Umrahmung, welche die Wirkung der Figuren erforderte, und die nach deren Maß ebenso 43

durchbrochen werden konnte. Wie sehr Rubens den Wert des Bildes nach seiner unwiederbringlichen Einzigkeit maß, geht aus seiner Weigerung hervor, das Bild auf anderem Material einfach zu kopieren: »Ich halte es meiner Reputation nicht für angemessen, daß es in Rom zwei gleiche Bilder von meiner Hand gibt.« Er gewinnt den Patres der Kirche die Erlaubnis ab zu der »Freiheit (liberta), nach meinem Willen (capriccio) zu variieren«.158 Aus diesem fast ungestümen Freiheitsdrang erwächst die Affinität zu Caravaggio. Als die Patres von Santa Maria della Scala das Bild Caravaggios, das den Tod Mariae darstellte, als unziemlich ablehnten, hat Rubens sich um das Schicksal des Bildes selbst gekümmert und festgestellt: »Das Bild ist in nichts dadurch diskreditiert, daß die Kirche, für welche es bestellt war, es abgewiesen hat.«157 Diese Herauslösung des Kunstwerkes aus dem thematischen, lokalen, durch die Auftragssituation vorbestimmten Zusammenhang, setzt den sicheren Verlaß auf eine souveräne innere Notwendigkeit voraus; daß diese aber nicht nur ihren Antrieb aus der Person erfährt, sondern ihre politisch-gesellschaftliche Bedeutung hat, zeigt die Art und Weise, wie Rubens sich von seinen Verpflichtungen gegenüber Mantua losreißt. Seine Freunde in Antwerpen hatten versucht, über den Erzherzog Albrecht den Herzog Vincenzo Gonzaga zu einer offiziellen Freigabe von Rubens zu bewegen. Als dies nicht gelingen wollte, griffen sie zu dem Mittel der >necessitanecessita< aufzubauen, die eine Rücksicht auf äußere Verbindlichkeiten außer Kraft setzte. Rubens jedenfalls berief sich auf diese innere Notwendigkeit und ist sich ihres problematischen Charakters wohl bewußt gewesen, als er, schon auf dem Pferde, nach Mantua schrieb: »Notwendigkeit (necessita) zwingt mich, fast eine Ungehörigkeit (impertinenza) zu begehen.«158 Dieses unter den bürgerlichen Intellektuellen neu erwachte Selbstbewußtsein, das sich auf eine >necessita< zu stützen wußte, führte zu einer ebenso eigenen politischen Verantwortung. In den Niederlanden hat die daraus entwickelte politische Aktivität zu einem nicht unbedeutenden politischen Intermezzo geführt. Es ist bekannt, wie sehr das städtische Bürgertum und nicht zuletzt Philipp Rubens, seine Freunde in den südlichen und nördlichen Niederlanden, und vielleicht auch schon Peter Paul Rubens, in Verbindung mit dem General Ambrosio Spinola und einem wohlgesonnenen Regentenpaar, aber 44

gegen den Widerstand der spanischen Krone, an dem Abschluß eines zwölfjährigen Waffenstillstandes im Jahre 1609 nicht nur interessiert, sondern auch aktiv beteiligt war. Die neu entfalteten politischen Energien dieser bürgerlichen Kreise hatten sich mit dem Waffenstillstandsabkommen eine glänzende Bestätigung errungen. 2. Bürgertum und Adel Die politische Aktivität auch in Kreisen der niederländischen Humanisten bezog ihre Willenskraft jedoch nicht allein aus einer diplomatisch erspähten Möglichkeit, sondern ebenso aus der Abwehr und aus dem Ringen gegen einen mehr und mehr wieder hochkommenden traditionellen Kontrahenten: die Aristokratie. Die absolutistischen Fürsten, im Maße sich ihre Machtstellung konsolidierte, versuchten sich ihrer bürgerlichen Handlanger wieder zu entledigen, indem sie eine politische Wiederaufwertung des Adels betrieben. Diesem ward mit dem königlichen Hof eine zwar scheinhafte, aber doch auch bedeutsame Plattform geschaffen. In zahlreichen Bemerkungen hat Rubens seine abfällige Meinung vom Hofleben kundgetan. Dessen von dem Künstler immer wieder notierte nichtsnutzige Stagnation und Rubens' Äußerung, er müsse sich, da er kein Prinz sei, sein Geld mit eigener Hände Arbeit verdienen und könne sich deshalb nicht mitten im Hausbau erlauben, »für eine Spielerei die Grenzen des guten Wirtschafters zu überschreiten«, zeigt ihn dem Leistungsprinzip des entstehenden modernen Bürgertums tief verpflichtet.159 Alle psychologischen und ideologischen Momente, welche die Spannungen der damaligen Gesellschaft begleitet haben, leben zwischen den Zeilen jener Schilderung auf, mit der Rubens die Ständekämpfe in Genua kommentiert hat: »Der Genueser Aufstand ist furchtbar... Die Gründe für die Unzufriedenheit des Volkes sind, wie mir mehrere sehr gemäßigte Bürger zugegeben haben, sehr berechtigt. Man wird nicht eher nachgeben, als bis die Republik entweder verändert oder aber ruiniert ist. Denn die Aristokratie maßt sich eine tyrannische Herrschaft an, welche gegen Abmachungen und Verträge verstößt, die vom Volke wie von der Aristokratie nach langem und grausamem Kampf feierlich beschworen worden waren. Die Bedingungen hatten darin bestanden, daß alljährlich eine bestimmte Anzahl der angesehensten Bürgern in den Adelsstand versetzt werden sollten; denn auf diese Weise wünschte das Volk an der Administration und an den öffentlichen Geschäften beteiligt zu werden. Doch durch eine schändliche Intrige von Seiten der Aristokratie wurde man um diesen Vorteil geprellt. Dadurch nämlich, daß von der Aristokratie verhindert wurde, daß die nötige Anzahl von Stimmen

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oder Wahlzettel für diese Kandidaten zusammenkamen. Das Ergebnis war, daß über Jahre hin kein einziger gewählt wurde, und daß das Volk von allen Ehren und politischen Ämtern ausgeschlossen blieb und um alle Früchte seines mühsam erkämpften Abkommens gebracht wurde. Es muß allerdings festgestellt werden, daß die Neuadligen, die vom Volke gewählt und kraft des Abkommens von vornherein dem alten Adel gleichgestellt worden waren, nun diejenigen sind, die am eifrigsten die Übernahme dieser Würde durch ihresgleichen hintertreiben wollen. Denn sie hoffen, daß ihr eigener Adel mit der Zeit ausreife und sie sich zum alten Adel rechnen könnten: dieser nämlich dünkt sich höher im Rang und gesellt sich nicht gerne zu jenem.«180

Den Drang der Genueser Bürger, ihre wirtschaftliche Macht in politische Münze umsetzen zu wollen, erkennt Rubens als ein von der geschichtlichen Entwicklung legitimiertes Recht an. Allenthalben in Europa jedoch wurde das Bürgertum um diesen Anspruch geprellt. Die zur absoluten Macht gelangten Fürsten erhoben sich über die ständischen Partikularinteressen sowohl des Bürgertums wie des Adels und versuchten jenes in die ökonomische Sphäre zurückzudrängen, während sie mit diesem ihren glanzvollen Hofstaat errichteten, ihn als wahre Stütze des Königtums propagierten und ihn eine neue Werthierarchie gegen die des Bürgertums begründen ließen. In solcher Entfaltung erscheint der Adel dem Bürgertum eitel, selbstherrlich und übermütig. Rubens hat zweimal in seiner Korrespondenz den Satz des Sallust zitiert: »Inest illi contemptor animus et commune nobilitatis malum, superbia.«161 Überheblich pocht der Adel auf die alten Formen, die ihn als Institution neu legitimieren sollten; dazu dient die Idee des Blutadels ebenso, wie, beispielsweise, die Idee der Tugend. Diese war dem Bürgertum zur Tüchtigkeit zusammengeschrumpft, welche zur Stütze eines die Entbehrung glorifizierenden Wirtschaftsethos diente, während die prunkvolle aristokratische Tugend als ein adliges Privileg die bürgerliche Skepsis auf sich zog. Das zeigt sich deutlich an Rubens' Stellungnahme zum Duell. Die rigorosen Maßnahmen Richelieus gegen die Duellsucht des Adels hat Rubens, der sonst nur sehr selten der Politik dieses französischen Ministers beipflichtete, rückhaltlos bejaht als »das einzige Mittel, gegen solch eine unverbesserliche Kampfeswut«.182 Man hat gesagt, am Untergang des Duells ließe der Aufstieg des Bürgertums sich messen.183 Schon Montaigne hatte sich gegen das Duellieren gewandt und zudem durch die unerbittliche Frage nach den Motiven der Tapferkeit und Tugendhaftigkeit den aristokratischen Ruhmesbegriff scharfen Zweifeln unterzogen.164 Rubens kennt diesen Unterschied zwischen Motiv und Ergebnis, zwischen Fama und Wirklichkeit, denn er verurteilt das 46

Duell nicht nur, weil es den »blühenden Adel Frankreichs« zugrunde richtet, sondern weil »diese sonderbaren Anfälle durch bloßen Ehrgeiz und durch eine falsche Ruhmesliebe bewirkt werden«; Spinola, der Genuesische Kaufmann und General, und die Infantin Isabella, sagt Rubens, wüßten solchen Kampfeseifer sinnvolleren Zwecken zuzuführen.165 Dennoch berechtigen solche Urteile noch nicht dazu, auf eine revolutionäre bürgerliche Front anti-feudalen Bewußtseins zu schließen, in die Rubens sich ohne weiteres einreihen ließe. Denn das Entstehungsstadium des Absolutismus läßt den scharfen Antagonismus noch nicht zutage treten. In dem gleichen Maße, wie das Bürgertum souverän aus der Not der Distanz eine Tugend machte, konnte es sich ausgeschlossen oder hintergangen fühlen; konnte es herabsinkendes Kulturgut sich aneignen oder sich hochschwingen, um verächtlich zurückzublicken. Rubens hat das am Genueser Neuadel nicht ohne Bitterkeit beschrieben. Die wild umsichgreifende Mode der Nobilitierung von Bürgern unterhöhlte die bürgerliche Resistenz; auch Rubens hat sich dem Ritterschlag, als er ihm 1630 angetragen wurde, nicht entzogen.186 Und Rubens hat im Jahre 1622 eine Stichsammlung mit Grundrissen und Fassaden Genueser Adelspaläste herausgegeben und sie in einem klugen Vorwort seinen Mitbürgern ausdrücklich zur Nachahmung empfohlen,· er selbst hatte sein eigenes Haus halb danach eingerichtet.167 Wenn so die Grenzen zwischen Bürgertum und Aristokratie fließend waren und die Gegensätze sich nicht unwiederruflich zuspitzten, so blieb doch immer ein Konflikt lebendig. Während das Bürgertum in Holland sich neben dem Adel gut behaupten konnte, war es in den südlichen Niederlanden gegenüber seiner glorreichen Vergangenheit im 16. Jh. verhältnismäßig zurückgekommen. Der spanische Zentralismus würdigte Adel und Bürgertum gleichermaßen zu einer dienenden Rolle herab. Es klingt bitter und resigniert, wenn der Präsident des flämischen Staatsrates, der stolze Herzog von Aerschot, bei der Infantin Isabella um ein Hofamt für seinen Diener nachkommt und dieses Gesuch mit dem Hinweis bekräftigt, »daß doch vor nicht langer Zeit ein ähnlicher Posten einem Maler, einem Diener von Rubens zugebilligt worden ist«."8 Mit diesem Herzog von Aerschot hat Rubens im Jahre 1633 seinen vielleicht härtesten menschlichen Zusammenstoß erlebt: Während einer Durchreise nach Holland hat der Herzog in Antwerpen zwanzig Stunden auf Rubens gewartet, bis dieser ihm wenigstens einen Zettel mit vagen Ausreden überbringen ließ. Aerschot hat seine Antwort an Rubens allenthalben publik 47

gemacht: »Es würde mich freuen, wenn Sie für die Zukunft lernen würden, wie Menschen Ihres Ranges einem meines Ranges zu schreiben haben.«169 3. Anpassung Der Anspruch eines bürgerlichen Individualismus, wie er im Umkreis von Rubens wieder lebendig geworden war, hatte sich mit dem Waffenstillstand in den Niederlanden in einem neuen politischen Rahmen zu konkretisieren vermocht. Damit war seinem fordernden Pathos eine objektive Erfüllung zuteil geworden und die Bewegung konnte sich in greifbaren, klaren Formen beruhigen. Der politische Ausgleich, die Idee einer harmonischen Ordnung konnte in einer ausgeglichenen künstlerischen Form ihren adäquaten Ausdruck finden. Die Kunst diente zugleich der Stabilisierung dieses Zustandes. Rubens hat sich in den Jahren zwischen 1610 und 1620 durch seine Tätigkeit als Buchillustrator, als Stecher und auch als Architekt um eine über die Grenzen seiner Provinz hinausreichende Publizität und Wirksamkeit seiner Kunst bemüht.170 Der Ausgleich der Gegensätze, das Reich der Mitte, hat in der Kunst als Korrelat den Ausgleich zwischen Hell und Dunkel, die Zusammenstimmung der Extreme, das leidenschaftslose Geltenlassen der partikularen Ansprüche. Die Verwirklichung eines Freundschaftsideals im politischen Bereich, die Toleranz der andersartigen geistigen und materiellen Interessen — dies alles erzeugte Hoffnungen, die für Rubens allein in den Jahren nach 1610 eine objektive Chance hatten. Doch wie die >klassizistische< Stilphase der Rubenschen Kunst, so war auch ihre politische Umrahmung nur eine Episode. In Spanien und Holland waren die ideologischen und wirtschaftlichen Ansprüche absolut und duldeten grundsätzlich keine Konzession. An den Mauern des Radikalismus' hatten sich alle Strömungen des Ausgleichs erst brechen müssen und in ihrem Schatten war jeder Vermittlungsversuch als Labilität diskreditiert. In radikaler Sicht blieb hüben wie drüben der Krieg der einzige legitime Ausdruck der Spannungen.171 Die rege Tätigkeit der Friedensparteien konnte die Fronten nicht aufweichen und nicht verhindern, daß in beiden Lagern die Kriegsparteien die Oberhand behielten. In Spanien bemerkte man, daß die Erhaltung der Truppen nicht nur ebenso kostspielig wie in Kriegszeiten, sondern für den Bestand des Regimes auch gefährlich werden konnte. Der Friede bedeutete der spanischen Krone eine Demütigung ihrer Macht, und der religiöse Fanatismus, der in Brüssel durch den Kardinal de la Cueva 48

vertreten war, durch jenen spanischen Botschafter, den Rubens den »einzigen, der felsenhart ist«, genannt hat, drängte zum Entscheidungskampf.172 In Holland hatte die »kalvinistische Diktatur« bis zum Jahre 1618 die Friedensstifter, die zumeist der arminianischen Partei angehörten, entweder enthauptet, eingesperrt oder eingeschüchtert.173 Grotius wurde ins Gefängnis geworfen, entkam aber auf abenteuerliche Weise über Antwerpen nach Paris. Mit der Vernichtung der arminianischen Partei war zugleich ein radikaler politischer Kurs zur Herrschaft gelangt. Als der Waffenstillstand im Jahre 162,1 abgelaufen war, trat man hüben wie drüben wieder zum lange schon vorbereiteten Kriege an. Nach diesem Zusammenbruch der innerniederländischen Beziehungen sind wohl zuerst um Ambrosio Spinola die Gedanken aufgekommen, daß nur durch Druck von Außen, nämlich durch einen Vertrag zwischen den beiden Großmächten, welche auf die Regierungen der beiden Provinzgruppen den größten politischen Einfluß ausübten, zwischen Spanien und England, auch für die Niederlande ein sicherer Friede erreicht werden könne. Die politischen Beziehungen zwischen Spanien und England hatten sich nach dem kränkenden Ausgang der Werbefahrt des Prinzen von Wales, des späteren Karl L, nach Madrid (1623) sehr verschlechtert. Der englische Prinz heiratete die Schwester Ludwigs XIII. von Frankreich, und Jacob I. von England schloß im Dezember 1625 mit Holland und Dänemark ein anti-habsburgisches Bündnis. Gegen dieses hatte die belgische Diplomatie vor allem zu arbeiten, wenn sie eine Annäherung zwischen England und Spanien zustande bringen wollte. Schon bei Gelegenheit der Hochzeit des Prinzen von Wales mit HenrietteMarie in Paris, im Mai 1625, glückten Rubens die ersten Schritte. Sein Verhandlungspartner in London, der Maler Gerbier, der die Gunst des allmächtigen Ministers Buckingham genoß, wußte ein Zusammentreffen zwischen Rubens und dem Günstling einzufädeln, bei dem Rubens nicht nur ein Reiterbildnis beginnen, sondern dem Minister auch von der Friedensliebe der Infantin Isabella und des Ambrosio Spinola erzählen sollte. Buckingham wies zwar auf den tief beleidigten Brautwerber, den Prinzen von Wales, hin, entmutigte aber die beiden Künstlerdiplomaten nicht ganz. Sie hatten es ohnehin sehr schwer. Neben den Feindseligkeiten, die der englisch-dänischholländische Traktat zur Folge hatte, hatten die Befürworter einer spanischenglischen Allianz den Tod des Conde de Gondomar, der einer der geschick49

testen spanischen Diplomaten war, und der seine Agilität immer für die englisch-spanischen Beziehungen eingesetzt hatte, zu beklagen. Rubens hat sich politische Ideen dieses Mannes zueigen gemacht.174 Jedoch erst nach dem Scheitern einer Festlandinvasion bei Cadiz, welche dem Winterkönig die Pfalz zurückerobern sollte, und erst nach dem mißglückten Einsatz der englischen Flotte vor La Rochelle, neigte auch König Karl I. von England zu einem Ausgleich mit den europäischen Mächten und erinnerte sich Buckingham seiner Beziehungen zu den beiden Künstlerdiplomaten.1Tß Zur gleichen Zeit, da Rubens und Gerbier erneut Hoffnung schöpfen konnten, arbeitete in Madrid der Minister Olivares, der von den Friedensbesprechungen gehört hatte, eine Denkschrift für seinen König aus, in der er die Richtlinien für die spanische Außenpolitik des bevorstehenden Jahres 1627 festzulegen versuchte. Darin stellt Olivares fest: »Es muß als eine Staatsmaxime, die keine Ausnahme duldet, weil sie nicht nur Staatsmaxime, sondern auch Naturgesetz ist, hingestellt werden, daß es unmöglich jemanden gibt, der den Frieden mit Spanien wünscht, ohne daß ihn eines der folgenden zwei Motive oder Absichten, oder auch beide zugleich, leiten: die Gemeinsamkeit der Interessen, oder auch der Respekt, wenn nicht die Angst vor der Macht. Denn es gibt kein Tier, das mit dem Löwen in Freundschaft lebt — und doch kämpft keiner mit ihm, keiner der es verantworten könnte; das aber kommt nicht aus Liebe zum Löwen, sondern aus Respekt und Furcht vor ihm... Unsere Monarchie wird keine Freunde finden wenn nicht solche, die aus Angst oder aus Interessensgemeinschaft die Freundschaft wünschen. Daraus folgt zwangsläufig, daß man Frieden schließen wird, nicht um uns zu gefallen, sondern weil man dazu gezwungen ist.«

Von diesen Grundsätzen ausgehend, schlägt Olivares vor, man solle überall Verhandlungen aufnehmen, um den »Feind zu beschäftigen und einzuschläfern«, bis dieser sich in einer Situation befinde, in der ihm die Bedingungen aufgezwungen werden könnten. Am wichtigsten seien die Kontakte zu Holland und England. Dabei müsse man Frankreich gegen England ausspielen, indem man »den Engländern zu verstehen gibt, daß wir die Augen für einen Frieden nicht geschlossen, den Franzosen, daß wir die Hand und das Herz für die Rache an England offen halten«. Im übrigen empfiehlt Olivares, zu solchen Verhandlungen »keine auffälligen Persönlichkeiten einzusetzen, sondern freie und schlaue Leute, die wenig kosten aber viel leisten«.178 Es ist bekannt, daß das politische Denken und Handeln des großen Gegenspielers von Olivares, Richelieus, ganz entsprechenden Grundsätzen gefolgt ist.177 Rubens ist während seiner diplomatischen Tätigkeit auf dieses Denken eingegangen und hat sich in seinen Normen zu bewegen versucht. Mit Gerbier 50

war er sich darin einig, daß »nichts die wahren Maximen, welche für einen Staat gut sind, zu ändern vermag, ebensowenig wie der Lauf der Gestirne gegensätzliche Elemente zusammenbinden kann«.178 Nur wo im Namen des Interesses der Fürsten gefordert werden konnte, bestand Aussicht auf Erfolg, denn nach dem Diktum des Herzogs von Rohan »befehlen die Fürsten den Völkern und das Interesse den Fürsten«.179 In der Berücksichtigung solcher Gedanken ist ein grundsätzlicher Wandel des politischen Selbstbewußtseins des Bürgertums vorauszusetzen. Wenn Rubens sagt, ein Friede zwischen England und Spanien sei der »Schlüssel zu allen europäischen Beziehungen«180, so zeigt sich darin nicht nur eine Erweiterung des politischen Horizontes an, sondern auch das Bewußtsein der Abhängigkeit, wonach — wie Rubens gelegentlich vermerkt — »das Schicksal der Großen alles übrige mitsichzieht«.181 Die Verzahnung aller politischen Verhältnisse setzt dem individuellen Willen deutlich Grenzen: »Ich glaube, wenn Seine Hoheit und der Marchese Spinola in den öffentlichen Dingen nach ihrer Weise und nach ihrem Willen (sua sponte) disponieren könnten, daß dann alles sehr glücklich verlaufen würde, weil doch heute alle Interessen der Welt miteinander verknüpft sind.«182 Aus diesem Satz spricht deutlich die Erkenntnis, daß der politische Wille allein des Bürgertums nicht mehr ausreichte, um sich eine eigene politische Atmosphäre zu schaffen; daß zugleich der fürstliche Absolutismus sich von seinem ehemaligen Partner so weit freigemacht hatte, daß er über Partikularinteressen sich unbeschadet hinwegsetzen konnte. Politische Forderungen, sofern sie überhaupt noch zur Geltung kommen wollten, mußten sich der Interessenslage der Fürsten anpassen, um sie möglicherweise für die eigenen Ziele nutzbar zu machen. In dem Maße die Abhängigkeit der eigenen Lebensgrundlage, des Friedens, von den absoluten Fürsten ins Bewußtsein drang, tauchte der politische Freiheitsbegriff des Bürgertums, um sich zu bewahren, in die Spielregeln der absolutistischen Politik unter. Rubens hat diese Konsequenz bis in die persönliche Verhaltensweise hinein realisiert. Was er sich vor einigen Jahren als »Spiel« (capriccio) noch hat erlauben dürfen: die Antikensammlung, verkaufte er 1625 an Buckingham, nicht zuletzt, um sich ein Alibi für politische Gespräche mit Gerbier zu verschaffen. Über den Verkauf der Antiken hat der Archäologe Peiresc den Kopf geschüttelt. Rubens seinerseits versteht dessen »Seelenruhe« (tranquilita d'animo) nicht mehr; er spöttelt nun über die Beschäftigung mit dem Perpetuum Mobile, und die Bearbeitung von Münzen, die Peiresc ihm anvertrauen möchte, 51

lehnte Rubens als eine »Liebhaberei« (negocio de gusto) ab.183 Die Abwendung von persönlicher Empfindlichkeit findet darin ihren deutlichsten Ausdruck, daß Rubens die Korrespondenz mit Peiresc zugunsten einer sehr regelmäßigen mit dem politisch kundigen Dupuy aufgibt. Er begründet dieses Verhalten mit dem Hinweis auf die Beanspruchung durch die politische Tätigkeit: »Die Notwendigkeit (necessita) der Reisen im Dienste meiner Fürstin duldet keine Ausnahme.«184 Die innere Notwendigkeit ist ausgelöscht im Zwang der äußeren: »Meine Tätigkeit erlaubt mir nicht, all meinen Wünschen (capricci) nachzugeben und meinen Freunden, wie ich es wohl gerne möchte, zu dienen.«185 Diese Anpassung des Subjekts an die objektiven Gegebenheiten betrifft durchaus auch Rubens' Kunst. Schon in der zweiten Fassung des Bildes für den Hochaltar von Santa Maria in Vallicella hatte Rubens seine Fähigkeit gezeigt, in hohem Maße sich dem Gesamtkunstwerk einzufügen.186 Die Dringlichkeit, mit der er sich dann in Antwerpen im Jahre 1614 an den Erzherzog Albrecht wendet, um ein mit großem Elan geplantes, dann aber wieder abbestelltes Bild für den Hochaltar von St. Bavo zu Gent doch noch zu retten, zeigt doch auch, daß Rubens nicht mehr, wie noch 1606, das Bild sich an beliebigem Ort vorstellen konnte.187 Die Briefe um das Tauschgeschäft mit Carleton zeigen Rubens geschickt hin und her spielend zwischen der Möglichkeit, Kunst als eine Beschäftigung aus eigenem >gusto< zu verstehen und der Notwendigkeit, diese auf den Markt zu tragen und dessen Gesetzen zu unterwerfen. Daß Rubens nicht, wie er beteuert, einer gängigen Praxis folgt, »den Preis der Ware nach dem Rang des Käufers zu bestimmen«188, glaubt man ihm gerne,· aber er hat sein genau abgestuftes Preissystem, das der Organisation seines Werkstattbetriebes folgt, für Kopien oder Originale, für Bilder, die ganz von ihm selbst — >con amore< —, ganz oder teilweise von Schülern gemalt wurden. Rubens versäumt auch nicht, Carleton darauf aufmerksam zu machen, wie mühsam sein Handwerk ist, wie der Künstler die trocknende Sonne ersehnt, und daß die Taxierung von Werken der Malerei, nicht wie die der Weberei, nach Maßen sich richtet, sondern nach der Qualität und dem Gegenstand und nach der Menge der Figuren, die er erfordert.189 Während der Verhandlungen um das Stichprivileg für Holland im Jahre 1619 spricht Rubens aus, daß das Gedeihen der Kunst immer den Schutz der Regierungen braucht, und auch hinsichtlich der Umgebung für die Kunstwerke zeigt er sich konzessionsbereit: »Alle Dinge sind von größerer Wirksamkeit 52·

innerhalb einer ihnen gemäßen Umgebung.«1*0 Seine Bemühungen um die Rahmenpilaster, um Symmetrien und Proportionen, um die Transportmöglichkeiten für seinen Midiaelsaltai der Jesuitenkirche in Neueburg hat nichts mehr von der Unbekümmertheit, mit der er an den Auftrag von Santa Maria in Vallicella herangegangen war. Ähnlich wie Bernini benutzt Rubens für die Macht der äußeren Bedingtheiten den Begriff von der »Notwendigkeit des Ortes« (necessita del si to), in dem sich die Bereitschaft anzeigt, auf die Forderung der Außenwelt einzugehen, die Ansprüche des Subjekts innerhalb der objektiven Gegebenheiten zur Geltung zu bringen.191 Rubens wird sich immer sehr genau über die Wünsche und Absichten der Auftraggeber erkundigen — immer jedoch auch, um die eigene Bewegungsfreiheit abschätzen zu können.192 Schon vor, vor allem aber in den zwanziger Jahren streben die Rubensschen Kompositionen nach einem hohen Maß an Vereinheitlichung. Gruppen und Figuren werden nach übersichtlichen Gesamtordnungen organisiert. Es scheint so, als verliere alles Einzelne sein Eigenrecht zugunsten einer funktionalen Zuordnung. Nicht mehr partiell von Einzelstudien, wie sie Zeichnungen, sondern total, von übergeordneten Prinzipien her, wie sie die Skizzen erlauben, wird die Genesis des Bildes aufgebaut.193 Nur die Farbe entzieht sich der Zusammenziehung; sie löst sich frei und leuchtend mehr und mehr, wie ein desintegrierendes Moment ab: Sie ist die künstlerische reservatio mentalis gegenüber dem Zwang der Notwendigkeit. 4. Dissimulatio In Rubens' Korrespondenz taucht einmal ein Begriff auf, der die Ambivalenz seiner Stellung als Künstler und Diplomat, als Bürger und Politiker, als Privatmann und Hofmaler bewußt zum Ausdruck bringt und diesen Zwiespalt zu einem kunsttheoretischen Begriff erhebt. Den Besuch des französischen Königs, Ludwigs XIII., im Luxembourgpalast, wo er sich den eben vollendeten Medicizyklus ansah, hat Rubens mit folgenden Sätzen kommentiert: »Seine Majestät zeigte vor unseren Bildern seine volle Zufriedenheit. Das wurde mir von allen, die dabei gewesen sind, berichtet, besonders von dem Herrn von San Ambrosio, der als Interpret der Gemälde diente, wobei er eine recht künstliche Verdrehung und Verschleierung des wahren Sinnes trieb (ehe servi d'interprete degli soggietti con una diversione e dissimulatione del vero senso molto artificiosa).«194 53

Daß der Herr von San Ambrosio, der maßgebend an der Programmierung des Zyklus beteiligt war, eine geschickte >dissimulatione< treiben konnte, besagt nicht schon, daß er selbst den >vero senso< ganz gewußt habe, wenn es auch wahrscheinlich ist; er kann dissimulieren, weil die Dissimulatio eine Qualität des Werkes selbst ist. Cicero hatte den Begriff der Dissimulatio in die Rhetorik eingeführt, ihn jedoch noch nicht in einheitlicher Bedeutung verwandt. Er kann nach Cicero die geheuchelte Ansicht eines Redners meinen, sei es negativ im Sinne von >ambiguitascaptatio benevolentiae< in Form eines Witzes oder einer freundlichen Unterstellung. Quintilian hat sodann Ciceros Dissimulatio-Begriff aufgenommen, ihn jedoch in einem weiteren Sinne benutzt und, indem er ihn in einen systematischen Zusammenhang brachte, erst eigentlich zu einem Terminus der literarischen Rhetorik gemacht.195 Quintilian ordnet die Dissimulatio dem >inopinatum< unter: Als eine unvermutete Verheimlichung der eigenen Meinung bezeichnet die Dissimulatio im rhetorischen Parteienkampf die Möglichkeit, den Gegner vor dem Publikum als lächerlich und unglaubwürdig erscheinen zu lassen, indem dessen Denk- und Wertkategorien aus sich selbst ihrer Irrelevanz überführt werden. Als Meister der Dissimulatio galt Sokrates, der es trefflich verstanden hatte, ohne sich selbst zu kompromittieren, seinen Gesprächspartner an die Grenzen seiner scheinbaren Selbstsicherheit zu treiben. In dieser Verwendung gehört die Dissimulatio in die Skala der Stärkegrade von Ironie.198 Blieb so die Dissimulatio in der literarischen Rhetorik an die Polemik gebunden und verlangte er dem Zuhörer die Fähigkeit dialektischer Differenzierung ab, so verflachte der Begriff in der Kunsttheorie zum Sinn eines bloßen Verschönerungsmittels. Lomazzo gebraucht den Begriff im Zusammenhang seiner Erwägungen über die rechte Art und Weise, Fürsten zu porträtieren: »Bedenke, daß es dem Maler ziemt, im Antlitz die Grandezza immer zu vergrößern und die Majestät zu steigern, indem er die natürlichen Fehler verdeckt, wie man es bei den antiken Malern beobachten kann, welche stets die Unvollkommenheit der Natur zu verbergen und zu verstecken pflegten.«197 Entsprechend kommt dann Lucio Faberio zu seinem Lob auf Agostino Carracci: »Er dissimulierte und verdeckte die Unvollkommenheiten der Natur und deren Mängel mit Geschick und liebenswürdiger Handfertigkeit.«198 Und Tasso gar tauft den Künstler vom >imitator< zum >dissimulator< um und meint: »Das Verstecken, der Betrug und, um es so zu sagen, die Dissimulatio 54

in der Kunst erfordern höchstes Können.«198 Für die Umdeutung des Dissimulatiobegriffs vom polemischen Stachel zum panegyrischen Euphemismus hatte Machiavell das Stichwort geliefert, als er dem Fürsten ans Herz legte: »Es ist notwendig, seine Natur gut zu färben (colorire) und ein großer Versteller und Verschleierer zu sein (simulatore et dissimulatore).« Der Technik und Praxis der Verschleierung hatte der Florentiner ein ganzes Kapitel seines >I1 Principe< gewidmet.200 Schon von Seneca angedeutet, galt die Dissimulatio seit Tacitus als ein Charakteristikum von Herrschaft: Tiberius war ihm so sehr die Verkörperung der Dissimulatio, daß er sie noch sterbend praktizierte: »lam Tiberius vires et corpus, non dissimulatio deserebant.«201 Alle Praktiken, die Tacitus erbittert registriert hatte: die tückische und listige Verstellung, die blendende Vortäuschung von Milde und Glanz, Pracht und Frömmigkeit, waren den theoretischen Bahnbrechern des Absolutismus Merkmale einer souveränen Politik. Nach Machiavell hat auch Lipsius sie allesamt den Herrschern als Instrumente ihrer Machtausübung empfohlen,· die Dissimulatio gilt ihm nur als eine >fraus levisapparenza< und >sostanza< wie beim Angebot seiner Kunstwerke nach denen von Qualität und Quantität.212 Die Dissimulatio war die Rückzugstaktik, in der die bürgerliche Intelligenz unter der Maske der Einstimmung an ihrer Wahrheit festhielt. Das Bewußtsein der Scheinhaftigkeit fürstlicher Repräsentanz und zugleich die Rolle des distanzierten Beobachters treten scharf in Rubens' Bemerkung über den höfischen Aufwand hervor: »Gli artifici di questa corte no sono per noi, ma per il vulgo.«213 Diese Erkenntnis trägt dem Dissimulatio-Begriff wieder etwas von seinem ursprünglichen Sinn zu: Er wird zum ironischen Vehikel der Kritik, die selbst noch in den Formen der Panegyrik zur Geltung kommen will. Eine Kunst, die auf der Ebene dieses Bewußtseins bleiben und weder apologetisch sich erschöpfen, noch asketisch sich zurückziehen wollte, mußte auch auf die Gefahr hin, daß »die Herrschenden das Stoffliche für die Gesinnung nehmen« konnten214, ihre Wahrheit innerhalb der festgesetzten Normen aufbewahren. Diese Aporie freilich war seit eh und je in der Definition von Allegorie berücksichtigt worden. Ihr entstammt denn auch der Begriff vom >vero sensoUmkehrung< übersetzt, sagt etwas anderes dem Wortlaut nach, und etwas anderes dem Sinne nach, bisweilen sogar das Gegenteil.«215 Der christlichen Allegorese, die auf der stoischen fußt, erschloß sich der >sensus altior< als historische, allegorische, tropologische und anagogische Bedeutung, — noch Perez de Moya hat die antike Mythologie nach diesem Stufenprinzip durchinterpretiert. Ursprünglich ein hermeneutisches Prinzip, wird die Allegorese in der Gelehrtendichtung der Renaissance zur Grundlage auch der poetischen Praxis; Ronsard dankt seinem Lehrer das Erlernen »d'esguiser la verite des choses«.218 In diese von der Dichtungstheorie offengehaltene Möglichkeit hat die bürgerliche Kunst, je mehr der entste56

hende Absolutismus den Rückzug in die Esoterik erzwang, ihre politische Intention hineingeschmuggelt. Wie sehr schon nur das Erscheinen von Kunst als ein politischer Meinungsfaktor gelten konnte, lehrt die Beteuerung von Rubens, daß die Stichwerke, die er 1619 nach Holland absetzen wollte, keine »ambiguita o senso mistico« enthielten.217 Was Rubens jedoch diesen Werken abspricht, hat er den Bildern des Medicizyklus ausdrücklich zugebilligt: daß in ihnen eine Wahrheit verborgen sei, die dadurch, daß sie dem König verhüllt werden mußte, ihren politischen und polemischen Charakter anzeigt. Dem Herrn Morisot, der bald ein Poem auf den Medicizyklus verfaßt hat, hält Rubens vor, »er sei nicht gut unterrichtet gewesen über alle Einzelheiten der Gegenstände, die schwerlich aus bloßer Anschauung, ohne irgendeine Instruktion des Künstlers erkannt werden können . . . Er hat die Gegenstände in einen anderen Sinn (alium sensum) verwandelt, verdreht und verändert, — obwohl ich mich auch wundere, daß er soviel durch den reinen Augenschein hat entdecken können.«218 Der Herr von San Ambrosio hat Rubens' Weigerung, die Skizzen zum Medicizyklus vorzeitig nach Paris zu schicken, entgegenwirken wollen mit der Versicherung, man wolle die Arbeiten nur auf ihre politische Zuverlässigkeit, nicht auch auf ihre künstlerische Güte hin prüfen,· man denke im übrigen nicht daran, dem Künstler »die Freiheit, die Plazierung und die Anordnung der Figuren zu bestimmen«, streitig zu machen.219 Dazu, wie Rubens von dieser verbleibenden Freiheit ganz offensichtlich Gebrauch gemacht hat, nur ein Beispiel: Das sechzehnte Bild aus dem Medicizyklus stellt die Übergabe der Regierung durch Maria Medici an ihren Sohn Ludwig XIII. dar. Die ikonographischen Elemente, aus denen die Szene sich zusammensetzt, sind den Gattungen künstlerischer Panegyrik entnommen: Das Staatsschiff, das auf dem Gewässer von rudernden Tugenden und von dem das Steuer übernehmenden jugendlichen Herrscher vorangetrieben wird.220 Von Anfang an hatte Rubens der Figur, die in dem Bilde das >Regnum Galie< repräsentieren sollte, eine hervorragende Rolle zugedacht: Eine erste Federzeichnung im Louvre zeigt die Gestalt mit Szepter und Lilienkugel auf dem erhöhten Heck des Schiffes stehend, wie sie den Akt der Regierungsübergabe unter ihr gleichsam kontrolliert.221 Von diesem ersten groben Entwurf bis zur Endfassung hin hat Rubens die Stellung dieser Figur im Sinne ihrer absoluten Dominanz in der Komposition abgewandelt: Sie rückt groß und mächtig vor den Mast des Schiffes, von wo sie Maria Medici verdrängt hat und die Szene der Regie57

rungsübergabe fast zu einem Randereignis werden läßt. Sie ist nicht nur Zentrum und Träger des Bildgeschehens, sondern zugleich ein Angelpunkt des ganzen Zyklus, indem ihre Position aus dem gegenüberliegenden Bilde, das die Ankunft der Maria Medici in Marseille wiedergibt, sowie aus dem Mittelbilde, wo sie die Übergabe der Regentschaft an Maria Medici vollzieht, aufgenommen und bestätigt wird.222 — In einer solchen Stellung der Francia erfährt in keiner Weise »der Anspruch der absoluten Monarchie seine herrlichste symbolische Rechtfertigung«, wie O. G. von Simson es dem ganzen Zyklus unterschieben wollte, sondern wird im Gegenteil eine politische Theorie ins Spiel gebracht, deren Hauptvertreter: Hugo Grotius, Rubens damals in Paris wiedergesehen hat, und welche die absolute Verfügungsgewalt des Monarchen durch die Bindung an den Willen des Volkes beschränkt wissen wollte.223 Die Plazierung der Francia im sechzehnten Bild des Medicizyklus nimmt sich aus wie eine Illustration eines Passus' aus den einflußreichen >Vindiciae contra tyrannos< (1579), für deren mutmaßlichen Verfasser — Duplessis Mornay — Rubens ein waches Interesse bekundet hat: »Vergleicht man, wie üblich, den Staat mit einem Schiff, so ist der König der Steuermann, das Volk der Schiffsherr. Solange also der König auf das Gesamtwohl bedacht ist, leistet ihm das Volk willig Gehorsam,· das ändert aber nichts daran, daß er als Diener des Staates, wie jeder andere Richter oder Beamte zu gelten hat und sich von diesen Staatsdienern nur durch die größeren Lasten und Gefahren seines Amtes unterscheidet.«224 Als das Bild für den Medicizyklus, das die Flucht der Königin aus Paris darstellte, zurückgewiesen worden war und Rubens an seiner Stelle eine Allegorie gemalt hatte, welche das »Glück ihrer Regierung« (Felicita della sua Regenza) vorführen sollte, schrieb Rubens darüber an Peiresc: »Dieses Sujet, das keine Staatsräson (ragione di stato) der gegenwärtigen Regierung berührt, bezieht sich auf kein Individuum,· es hat sehr gut gefallen und ich glaube, daß die ändern Bilder, hätte man sich ganz auf uns verlassen, besser und ohne Skandal und Murren beim Hofe durchgegangen wären.«225 In diesen Sätzen, in denen sowohl die Loslösung vom Individuum, d. h. von der Person des Herrschers, wie auch die Befreiung von der Staatsräson als ein latentes Programm des ganzen Zyklus postuliert ist, liegt auch die Richtung beschlossen, in welcher der >wahre Sinn< selbst in dissimulierter Form als Forderung gültig bleiben will: Felicita.226

5- im Umgang mit der Staatsräson Wenn Rubens der Infantin Isabella schreibt, es sei seit Heinrich IV. eine Staatsmaxime Frankreichs geblieben, durch die Schürung des Krieges in den Niederlanden Spanien zu schwächen, so stellt er sich auf den Boden jener Theoretiker, die eine Individualisierung der Staatsräson propagiert hatten, indem sie diese nicht mehr, wie noch Machiavell, auf anthropologische Prämissen gründeten, sondern allein aus den Partikularinteressen der einzelnen Staaten abzogen und nach deren geographischer und politischer Konstitution festzulegen versuchten.227 So mußte die Forderung nach einem Frieden zwischen Spanien und England sich herleiten aus dem säkularen Gegensatz zwischen Frankreich und Spanien, dem »kalten Krieg des 17. Jahrhunderts«228, einer Rivalität, die, wie Rubens sagte, »von Natur und von der Staatsräson her« gegeben war. Zugleich mußte Spaniens Staatsräson so interpretiert werden, daß die Staatsmaximen unweigerlich auf die Notwendigkeit des Friedens mit England hinwiesen; es kam darauf an, »die Interessen der beiden Kronen miteinander zu verbinden«.229 Rubens' Briefwechsel mit Olivares zielte immer auch darauf ab, diesen mit machtpolitischen, wirtschaftlichen und religionspolitischen Argumenten davon zu überzeugen, daß allein ein Friede mit England (nicht der mit Frankreich, um den gleichzeitig Verhandlungen liefen) dem Interesse Spaniens entspreche. Denn in der Verkettung der spanischen und englischen Interessen sah Rubens eine Lösung der niederländischen Frage mit einbeschlossen, weil Holland seinerseits mit England »sowohl hinsichtlich der Religion als auch hinsichtlich der Staatsräson verbunden ist«.230 Je unabweisbarer eine Interessengemeinschaft zwischen England und Spanien glaubhaft gemacht werden konnte, desto leichter — so durfte man hoffen — mußte es der spanischen Krone werden, einen eventuellen Prestigeverlust gegenüber Holland in Kauf zu nehmen. In dem Bestreben, die Dringlichkeit und den Nutzen einer spanisch-englischen Allianz herauszustellen, ist Rubens zuweilen auf scheinbar zynische Ratschläge verfallen: Er empfiehlt Olivares, die Rückgabe der Pfalz an den Winterkönig England nur scheinbar zu konzedieren, sie aber in Wirklichkeit nie, oder nur vorübergehend stattfinden zu lassen. Es ist auf die Infantin Isabella verwiesen worden bei den Sätzen, welche diesem Vorschlag folgen: »Ich bitte Sie, mir zu glauben, daß dieser Gedanke nicht ganz von mir stammt, sondern zum größten Teil von einem Menschen, auf den Eure Hoheit sich verlassen kann, und dessen Ansichten und Ratschläge er schätzen sollte.«231 59

In der entschuldigenden Abwehr und in dem Deckungsversuch verrät sich zugleich das bürgerliche Gewissen. Dem Grundsatz Richelieus, daß die >prudentia politica< und >prudentia civilis< zwei verschiedene Tugenden seien232, konnte Rubens auf offizieller Ebene gerade noch treu bleiben,· die kühle Distanz, wie sie der reife Absolutismus verlangen wird, hat Rubens innerlich nie gewonnen,· zumal in seinem heftig drängenden Briefstil, der nie die glatte Sachlichkeit eines routinierten Diplomaten erreicht, zeigt sich das persönliche Engagement. Die Spannung zwischen fürstlichem Staatsinteresse und bürgerlichem Privatinteresse lebt in Rubens' politischer Korrespondenz weiter als die Spannung zwischen eigentlicher und uneigentlicher politischer Überzeugung. War die Staatsräson im diplomatischen Briefwechsel von Rubens eine absolute, aller Rücksichten enthobene Instanz, so erscheint sie in der Privatkorrespondenz des Künstlers in recht kritischer Sicht. Von den Schriften des Jacques de la Fernere sagt Rubens, daß der Verfasser sie »mit dem Blick auf die gegenwärtige Regierung und auf die reine Staatsräson von Frankreich geschrieben hat, ohne Rücksicht zu nehmen und ohne sich zu beziehen auf den Katholizismus, was mich sehr betrübt, um so mehr, wenn ich die Eleganz des Stiles und die zügige Argumentation bedenke«.233 Wie hier im Namen der Staatsräson partikulare Kräfte ignoriert werden, so kann dort in ihrem Namen die politische Taktik auch die Rücksicht auf das Einzelschicksal fordern: »Die Verteidigung von Bouteville und Chapelles bietet Argumente an, die weniger überzeugend als pathetisch sind; das ist gewöhnlich so bei einem hoffnungslosen Fall, dessen Diskussion nicht mehr möglich ist. Die Rettung des Angeklagten hängt allein noch von der Gnade des Königs ab. Dieser wird sich vielleicht von der Staatsräson leiten lassen, die zwar der öffentlichen Staatsräson entgegensteht, die aber verhindern kann, daß noch einmal so viel böses Blut entsteht wie bei zurückliegenden Fällen, und die hilft, durch eine Angelegenheit allein sich den Bruder und viele Fürsten mitsamt dem Adel zu verpflichten«.232

Daß Richelieu dennoch die beiden Duellanten töten ließ, kann Rubens an seiner Beobachtung nicht irre gemacht haben, daß man es in Frankreich wohl verstünde, sich der »Leidenschaften anderer zu bedienen, um sein eigenes Fatum zu schmieden«.2a5 Solche kritischen Vorbehalte gegen das Prinzip der Staatsräson nähren sich aus der Umdeutung, die das Prinzip durch die bürgerliche Staatstheorie erfahren hatte. Es war der Begriff einer >guten Staatsräson geschaffen worden, durch den sie dem allgemeinen Wohl, der >publica utilitaviolenza< des Kardinals, schreibt Rubens, befinde sich der Herzog von Orleans in einer >necessitaSennoneide Ira< scripsit, aliquoties Stobaeo citatos, in quo hoc ipsum fragmentum: >Sapientibus irae loco, Heraclito quidem lacrimae, Democrito vero risus oboriebatur.In vitam humanamPugnantia secum .. .< stammt, wie Magum, 33, angeben konnte, aus HORAZ, Sermones I, i, 102. — Dort heißt es: »Pergis pugnantia secum / frontibus adversis componere«, und zwar einfach als Vorwurf des einen Gesprächspartners an den ändern, er fahre fort, die Dinge auf den Kopf zu stellen (bei dem Gespräch geht es um die >avaritiapergis< pluralisch und >cornibus< statt >frontibus< erinnert, sondern dies Zitat auch auf das Gesetz der formalen Einheit eines Kunstwerkes übertragen. Das lag vor allem im Hinblick auf den Anfang der horazischen >Ars Poetica< nahe,· an ihn mag Rubens hier gedacht haben. Auch Quintilian beruft sich auf den Anfang der >Ars Poeticavitium< verurteilt, wenn der Dichter Altes mit Neuem vermischt (Institutio Oiatoiia VIII, 3, 60, ed. Butler, London/Cambridge 1959, 244). Rubens' Stellungnahme mag auch eine Absage an einen Eklektizismus einschließen, wie er von Lomazzo vertreten wurde (vgl. A. BLUNT, Artistic Theory in Italy 1450-1600, Oxford 1956, issff·). - Ausführlich ist die Künstlergruppe am damaligen Valladolider Hof behandelt und Rubens' Erscheinen als ein »suceso providencial« für die Valladolider Malerei gewürdigt bei AGAPITO y REVILLA, La Pinttua en Valladolid a.a.O., I, aiaff. und 226ff. — Über die antimanieristischen Tendenzen vgl. W. FRIEDLAENDER, Der antimanienstisAe Stil um 1590 und sein Verhältnis zum Übersinnlichen, in: Vorträge der Bibliothek Warburg 1928/1929. 31 Seit A. L. MAYER, El Gieco, Berlin/Leipzig T93r, 104 ist immer wieder ein Zusammen-

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hang zwischen beiden Bildern gesehen worden. Über den jetzigen Stand der Diskussion vgl. J. HELD, 127, s. Anmerkungen 56, 67. 32 So H. SOEHNER, Die Herkunft dei Bodegones des Velazquez, in: Varia Velazquefia, I, 235, Madrid 1960. Zwischen den Aposteln Grecos und denen des Rubens sieht im gleichen Bd I der Varia Velazquena, 319, J. Prevost-Auzas Beziehungen. Diese waren allerdings auch schon bei G. GLÜCK, Van Dycks Apostelfolge, in dem Sammelband: >Rubens, van Dyck und ihr KreissoldadoDiccionario de Historia de EspafiaArte Flamenco en las Collecciones EspanolasEquile in quo omnis generis generosissimorum equorum ex variis orbis partibus insignis delectusPassionHistona de Felippe IV', Barcelona 1634, 4 über Lerma: »unico, grande y general fue para todos su favor, su dulcedumbre de palabras, pecho magnanimo, presencia y cortesia singular«. Auch Iberti bescheinigt dem Herzog eine »natura benigna« (am 8. 7. 1603, CDR I, 168). — Berühmt geworden ist die Charakterisierung QUEVEDOS a.a.O., 761: »Tuvo persona autorizada no sin gala, mocedad venerable, y vejez pulida, rostro con caricia risuena, halagüeno, manoso mas que bien entendido; de voluntad imperiosa con otros, y postrada para si: no generoso sino derramado; antes perdido que liberal, no sin advertencia y nota, pues daba lo que recibia«. - MALVEZZI a.a.O., 22f. stellt - taciteisch - die Ansichten von Freund und Feind gegenüber: Jene sagen ihm Großmut, Freundlichkeit, Freigiebigkeit, Klugheit, Milde, Edelmut, Güte und Friedensliebe nach, diese hingegen Neid, Ehrgeiz, Feigheit, Großtuerei und Angebertum. Sehr positiv auch die Charakterisierung bei R. WATSON, The history of the Reign of Philip the Third, King of Spain, Basel 1792,1, 43,· II, 146. — Zum Tode der Herzogin von Lerma schreibt CABRERA a.a.O., 104, keinem Sterblichen, auch nicht einer Heiligen, sei je eine so prunkvolle Bestattung zuteil geworden wie der Herzogin von Lerma. Iberti allerdings traute dem Aufwand nicht; er berichtet am 6. 7. 1603 nach Mantua: »La mattina seguente della venute, ando il Sr. Duca di Lerma a visitar il sepolcro della moglie et ad un' altar vicino nel medesimo luogo sot-

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teraneo udi due messe con molte lagrime, il die ha continuato dopoi quasi ogni di, sempre con maggior sentimento, ma non ostante queste dimostrazione non cessa 1'opinione die non sia piu tosto apparente ehe vero, et die al fine sia per rimaritarsi . . .« (CDR I, 159). Solchen Gerüchten einer neuen Vermählung des Herzogs hatte Iberti schon am 7. 6., CDR I, 151 Glauben geschenkt wegen der »complessione assai fresca del Duca« und wegen der »dissegni alti di propagar la sua casa«. Allerdings berichtet Iberti noch am 18. 7., der Herzog sei nichts mehr als nur »divotione, religione e retiratezza da ogni gusto mondano« (CDRI, 172). 65 CABRERA a.a.O., 211. Zur Neigung der Tyrannen zur Melancholie und ihre Heilung durch Musik vgl. G. BANDMANN, Melancholie und Musik, Köln-Opladen 1960, i8ff. — Neben dem engeren Kreis seiner Familie wurde bald Rodrigo Calderon der mächtigste und in der Öffentlichkeit verhaßteste aller Günstlinge des Herzogs. Doch litt Lerma sehr, wenn Calderon abwesend war: vgl. hierzu BUSTAMANTE a.a.O., 61, 79,· DAVIES a.a.O., 206,· PFANDL a.a.O., 47ff. 66 Vgl. LOMAZZO a.a.O., II, 9, 214: Der Melancholiker müsse »in loco conveniente, como sotto qualche arbore ombroso« gestellt werden. Vgl. dazu Th. Overbury (1614): »Man findet den Melancholiker selten irgendwo anders als im Sdiatten eines Wäldchens . . .« Vgl. L. L. SCHÜCKING, in: GRMIV, 1912, 334. — Die von Juan de Arfe gegossenen Orantenfiguren des Herzogs und seiner Frau, heute in der Kapelle des Museo Nacional de Escultura zu Valladolid, waren damals noch in Arbeit. Arfe war damit 1602 beauftragt worden, ohne daß er sie selbst je fertiggestellt hat, vgl. J. J. MARTIN GONZALES, Guia historico aitistica de Valladolid y su Piovincia, Valladolid o J., 2. Aufl., 72f., und B. G. PROSKE, P. Leoni, New York 1956, 38f. Ein anderes Lermabildnis befindet sich im Madrider Instituto Valencia de Don Juan: vgl. den Katalog von F. J. Sanchez Canton, Madrid 1923, Nr. 33, 78f. - Evers II, 105 spricht im Angesicht des Rubensbildes von der »Auffassung des stolzen melancholischen Charakters«, LORENTE a.a.O., 187 von dem »aspecto flemätico«. Über die Möglichkeit farbig die Melancholie wiederzugeben vgl. LOMAZZO a.a.O., VI, 9 310/ sowie PACHECO, Arte de la Pintma (1641), 1866, I, i, 19. Man könnte auch das Temperament des Pferdes bestimmen, denn die hippologische Literatur verbindet mit jedem Merkmal des Pferdes eine Charaktereigenschaft: Vgl. PEDRO AGUILAR, Tiatado de la Cavalleria de la Gineta, Malaga 1600, Kapitel II: »Si toman del elemento de la tierra mas que de los otros, seran melancolicos, terreros, pesados, y viles, como suelen ser los marzillos. Y si toman mas del elemento del agua, serän flematicos, blandos y tardios, como suelen ser los blancos. Y si toman mas del elemento del ayre, seran sanguinios, alegres, y ligeros y de templado movimiento, como suelen ser los castanos. Y si toman mas del elemento del fuego, seran colericos, ardientes, y veloces, como suelen ser los alzanos. Mas el cauallo que con la deuida proporcion, participare de todos quatro, este tal sera perfecto«. Vgl. auch CESARE FIASCHI, Tiatado dell' imbngliaie, maneggiare, et feriaie cavalli, Bologna 1556, VII und GRISONE a.a.O., S. IV. Interessant ist auch die Bestimmung bei GIULIO CARPACCIO, Delle Impiese, Neapel 1592, Buch II, Kapitel n, 27: »ma il bianco ancor ehe dimostra guerra, pur significa un'altra volta il giogo, onde Virgilio ragionando de Caualli bianchi: »Bello armantur equi, bellum haec armenta minantur. / Sed tarnen ijdem olim curru succedere sueti / Quadrupedes et fraena iugo concordia ferre / Spes est pacis ait«; und ebd. 28: »i Caualli bianchi anticamente, megliori eran tenuti, o per ehe i Vincitori nel Trionfi da bianchi Caualli eran tirati,- o per questa qualita di Caualli era tenuta per piü felice. Horatio, »Durus homo, atque odio qui possit vincere Regem. / Considens, tumidusque adeo sermonis amari, / Sisenuas, Barros ut equis praecurreret albis«. 67 Zur Verbindung mit dem Hl. Martin von el Greco siehe oben Anm. 31. Alle, welche die Verbindung mit Greco sehen, berücksichtigen nicht genügend, daß die Frontalität der 82

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Reitergruppe sich schon lange mit diesem Thema verbindet: Vgl. Baidungs Holzschnitt (Ausstellungskatalog Hans Baidung Grien, Karlsruhe 1959, Nr. 57); ob das von Burchard erwähnte, verschollene Reiterbild Tintorettos einen Hl. Martin darstellte, ist ungewiß; Held aber hat auf Darstellungen des Hl. Martin von Pordenone hingewiesen (vgl. Gius. Fiocco, II Poidenone, Padua 1943, Abb. 42, noch deutlicher als diese Zeichnung vom gleichen Künstler der Hl. Martin in Venedig, Chiesa di San Rocco, Fiocco a.a.O., Abb. 130). Siehe auch oben Anm. 56. In Mantua selbst befindet sich noch heute in der Kathedrale ein frontales Reiterbild des Hl. Martin von Pado Farinati (vgl. CH. PERINA, Apunti sulla pittuia mantovana della seconda metä del Cinquecento, in: Commentari, XIII, 2,1962, Tafel XXXVI, flg. 10). Ein Bild von Pier Franc. Sacchi im heutigen Wilhelmvon-Bode-Musv Berlin-Ost, Katalog-Nummer (1931) 116. In Spanien selbst hatte Greco einen Vorläufer in P. Campana, hl. Martin (St. Anna, Sevilla [vgl. W. S. COOK, in: Gaz. des Beaux-Arts, 1944, 72, Fig. 4] vgl. aber auch schon ein Valencianisches Bild gegen 1430, Abb. 45 bei A. L. MAYER, Spanische Malerei, Leipzig 1922, 60. — Vgl. auch einen nach L. van Leyden gemachten Holzschnitt von J. de Negker, in Hollsteins Corpus Bd. X, 221. EMIL KIESER, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 13, 1950, 139, in seiner Rezension von Evers I, gegen dessen Glorifizierung des Typus seine Bemerkung mit Recht gerichtet ist. Vgl. PLATO, Staat IX, 6. - PLUTARCH, Politische Lehren, in der Ausgabe von B. Snell >Von der Ruhe des Gemütes und andere philosophische SchriftenLaus Stultitiae< gipfelt der Angriff gegen den »Erzstoiker Seneca« in dem Satz: »Imo ut apertius dicam, marmoreum hominis simulacrum constituit, stupidum et ab omni prorsus humano sensu alienum«. D. ERASMI Opera omnia, Leyden 1703, IV, 43oA. Vgl. ähnlich auch MONTAIGNE, Essais III, 4. Zur Geschichte des Apathie-Begriffes vgl. M. POHLENZ, Die Stoa: Geschichte einer geistigen Bewegung, Göttingen 1949, 376; sowie 411 (Justin und Markion); 431 (Clemens von Alexandrien, der die Apathie bejaht); 428 (Origines, der sogar sagt, durch die Apathie könne man Gott ähnlich werden); 433, 464 (die Aufnahme der stoischen Apathie durch das Mönchtum); 444 (Lactanz, der die Apathie gleichsetzt mit dem geistigen Tod). Vgl. auch H. FRIEDRICH a.a.O., aiaff. Zu Alberti vgl. A. BLUNT a.a.O., 5. Das Bild der Niobe erscheint auch bei MONTAIGNE, Essais I, 2. Vgl. auch ALCIATI, Emblemata, wo Niobe als Sinnbild fraulicher Superbia erscheint (Embl. LXVII). Neben Diltheys Arbeiten zur Geistesgeschichte des 17. Jh., welche den Blick zuerst auf den Neostoizismus lenkten, vgl. über Lipsius J. L. SAUNDERS, Justus Lipsius, New York 955; sowie G. OBSTREICH, Antiker Geist und modemer Staat bei Justus Lipsius, Habilitationsschrift vom 26. s· 1954, F. U. Berlin (Maschinenschrift). Zur stoischen Constantia vgl. POHLENZ a.a.O., I4iff. und W. WELZIG, Constantia und barocke Beständigkeit, in: D. Vjs. 35. Jg. 1961, H. 3. Vgl. CICERO, Tusc.l, 30,· PLUTARCH, Epikars Grundsätze a.a.O., 73; MONTAIGNE, Essais I, 20. Vgl. K. GERSTENBERG, Rubens im Kreis seiner römischen Gefährten, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, I, 1932,, 89 und den Nachtrag in II, 1933, 220. Wie Gerstenberg hat auch L. BURCHARD an eine Entstehung des Bildes im Jahre 1606 in Rom geglaubt: in Anmerkungen zu G. Glück, Rubens, van Dyck und ihr Kreis, a.a.O., 393. Erst Evers hat aus der Tatsache, daß eine Mantuaner Landschaft den Hintergrund einnimmt, schließen wollen, es käme für die Entstehung des Bildes »nur der Sommer 1602« in Frage. Wenn aber Evers zugleich die Landschaftsansicht auf einer Karte vom Jahre 1575 wiederfindet, und auch, wenn er von einer »symbolischen Ortsangabe« spricht, liefert er doch selbst die vorauszusetzenden Argumente dafür, die Datierung des Werkes von der örtlichkeit des Hintergrundes und eines damit zusammenhängenden Aufenthaltes des Künstlers unabhängig sein zu lassen. Vgl. H. G. Evers II, 327. Evers II, 323. Ich möchte folgende Variationen des Trauergestus bei Rubens unterscheiden: i) Beide Hände sind zusammengepreßt über die Brust gelegt, ähnlich dem Reuegestus (Adonisklage, Paris; Beweinung Christi, Wien,· Maria Medici im Mittelbild des Medicizyklus, da sie die Nachricht vom Tode Heinrichs IV. entgegennimmt). Dieser Trauergestus kann zum Klagegestus intensiviert werden, wenn die zusammengeklammerten Hände bei ausgestreckten Armen vor dem Schoß erscheinen (Adonisklage, Paris,· Le coup de lance, Antwerpen, woher auch van Dyck das Motiv übernommen hat). — 2) Die Trauernde faßt »oben mit der rechten Hand den vom Haupt niederfallenden Schleier«, eine »kostbare Einzelaussage«, wie sie auf griechischen und römischen Grabsteinen und bei Michelangelo (Medicigräber) vorgebildet waren, und wie sie Jacob Burckhardt, bei Rubens aufgefallen sind: vgl. J. BURCKHARDT, Erinnerungen aus Rubens, a.a.O., 45. (Die hl. Frauen am Grabe Christi, Wien; Ceresstatue, Leningrad; in der Endfassung, noch nicht in der Leningrader Skizze des Ildefonsoaltars, Wien). — 3) Eine Hand ist, wie auf unserm Bilde, quer über die Brust gelegt (Bürgermeister Rockox auf dem linken Flügel des Thomasaltars, Antwerpen; Zeichnung eines Mädchens in den Uffizien zu Florenz, welche

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als Hl. Margarcthe — nach J. Held als Hl. Appollonia — auf dem Gemälde für den Hochaltar der Augustinerkirche zu Antwerpen erscheint: vgl. GLÜCK-HABERDITZL, Die Handzeichnungen von Peter Paul Rubens, Berlin 1928, Nr. 113.) Dieser Gestus kehrt auch wieder bei der Hl. Magdalena auf demjenigen Bild, das Rubens selbst für seine Grabkapelle bestimmt hatte, sowie beim Johannes des oben erwähnten Bildes in Paris von van Dyck. — Leider erfährt man bei E. PANOFSKY, Hercules am Scheidewege, Leipzig/Berlin 1930 nichts darüber, warum dieser Gestus gerade in dem von ihm bearbeiteten Themenkreis öfters vorkommt (vgl. die Abbildungen 53: G. di Benvenuto,· Abb. 54: Rubens,· Abb. 58: Veronese,· Abb. 66: Hesperidenrelief der Villa Albani). Panofsky beschreibt den Gestus zweimal: »die linke Hand fromm gegen die Brust erhoben« (100, Anm. 2} und auf S. 112: »die eine Hand empfindungsvoll zur Brust erhoben«; offenbar versteht er ihn als einen Frömmigkeitsgestus. — In Verbindung mit dem Trauergestus erscheint, soweit ich sehe, im Oeuvre von Rubens der Consolatiogestus nur einmal: im Hochaltar für die Augustinerkirche zu Antwerpen. L. Burchard hat in einem Brief an den ehemaligen Besitzer des Bildes zuerst auf Mantegnas Werk hingewiesen, das sich heute im Prado zu Madrid befindet. Der Brief ist abgedruckt bei Evers II, 322, Anm. 7. — Burchard ging allerdings auch davon aus, daß Rubens vielleicht dasselbe Zimmer im Mantuaner Palast bewohnte wie Mantegna, woraus die Aussicht auf die Landschaft sich beiden von selbst angeboten habe. Zu Rubens und Mantegna vgl. H. KAUFFMANN, in: Köln und der Nordwesten, Köln 194r. Das Zitat aus der Ilias XVIII, 22. Zu der Metapher, daß der heitere Himmel der Seelenruhe des Philosophen vergleichbar sei, vgl. POHLENZ a.a.O., 310. Vgl. den Spruch auf dem Epitaph des Philipp Rubens: »Bonis bene apprecare manibus viator / Et cogita; praeivit ille, mox sequar«. CDR VI, 334. - Rubens schreibt am 15. 9. 1629 an Gevartius: »Unum hoc miserandum solatii genus addam, quod in ea tempora incedimus, quibus ut expeditior quisque sine sarcinulis ad natandum ita et ad vivendum est«. CDR V, 197. — Vgl. auch PLUTARCH, Tiostschieiben an Appollonia, a.a.O., 47: »Denn die Trauer sänftigt sich ja durch einen heiteren, munteren Körper, wie die Meereswellen durch schönes Wetter«. — Vgl. CICERO, Cato d. Ä. XIX, 70: »Je mehr ich mich dem Tode nähere, desto mehr glaube ich Land zu sehen und nach langer Seefahrt endlich einmal in den Hafen zu kommen«. Vgl. auch QUEVEDO, Nombie y descendencia de la dotnna estoica, Obras completas, Madrid 1958, I, 958: »Moriräs. Con el propio contento quien navega llega al puerto«. Diese Version von Lipsius' Tod ist verbreitet worden von AUBERTUS MIRAEUS, Vita Justi Lipsii, Antwerpen 1609. S. auch Lipsi Opera omnia, I, 26. Da Miraeus Lipsius auch das Material für die heftig umstrittene Schrift über die >Virgo Hallensis«, die Lipsius vor der Kirche als katholisch und rechtgläubig ausweisen sollte, geliefert hatte (vgl. CDR I, 266), wird er auch für die religiöse Ausschmückung von Lipsius' Tod verantwortlich sein, wonach Lipsius beim Sterben auch nach dem Kruzifix verlangt haben soll. Auch der Jesuit Scribanus hat sich ja um eine Rehabilitierung von Lipsius gegenüber der Kirche bemüht. — B. Moretus hat einen Band mit Naenien aus der Feder holländischer und belgischer Humanisten herausgebracht, wozu auch Philipp Rubens ein Gedicht beigesteuert hat (vgl. CDR I, 343). In dem Gedicht von Grotius heißt es: »Flebimus immixti pariter, solumque manebit / Certamen tangat quos magis iste dolor.« Vgl. HUGONI GROTII Poemata, London r639, 289f., sowie DANIELIS HEINSII Poemata, Leiden 1613, I49ff. — Zu Lipsius' Todesphilosophie vgl. SAUNDERS a.a.O., I74ff. und die Stelle in LIPSIUS' Manuductio ad stoicam philosophiam III, 22, Opera Omnia IV, 808: »Caussae communes, quia Vita haec inter Indifferentia est, itemque ipsa mors.« Vgl. H. FRIEDRICH a.a.O., 37if.

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86 PHil. Rubens an P. P. Rubens, am 12. 6.1601 nach Italien, wirbt um die Freundschaft des Bruders: »Debes hoc naturae legi, quae praecipuam ab iis diligentiam exigit; quos praecipuo quodam titulo vinculoque conjunxit: debes communi gentium, quae mutuum pari modo rependi jubet.« CDRI, 6. 87 Rubens am 25. n. 1627 an P. Dupuy: »Questo libro ch'io per suggestione di V. S. portai ultimamente da Pariggi mi ha piacciuto tanto ehe non potendo goder solo di tanta contentezza il prestai ad un amico mio intimo.« CDR IV, 327. Es handelt sich um die Biographie Bacons über Heinrich VII. von England, die Rubens versehentlich dem Roger, statt dem Francis Bacon zuschreibt. — Zum >appetitus societatis< vgl. P. OTTENWÄLDER, Zur Natuueditslehie des Hugo Grotius, Tübingen 1950, nf., . 88 Die Gastfreundschaft seines Bruders rühmt Philipp Rubens in einem Brief vom 15. 7. i6o2; CDR I, 54. 89 Rubens am 14. i. röir an J. Faber über Elsheimers Tod: »ne guardaro giamai con occhio d'amico costoro ehe l'hanno ridotto a si miserabil fine«. CDR VI, 327. — Die Antwort auf den Beileidsbrief von Dupuy vom 15. 7.1626 im CDR III, 444f. — Rubens am 15. 9.1629 an Gevartius: ». . . si qua solatia a philosophia speranda sunt« . . . »Ick vreese te vermaenen van het verlies van U. E. lieve huysvrouwe, welck myn devoir was terstont te doene, ende nu sal wesen niet anders, quam extortum et intempestivum officium et importuna doloris tui refricatio.« CDR V, 197. — Übrigens findet man ironische Bemerkungen gegen die Philosophie auch in den Briefen an Peiresc vom 10. 8. 23, CDR III, 229, und vom 5. i. 26, CDR IV, 9. Über diese Skepsis gegen den Trostwert der Philosophie vgl. auch B. BOYCE, The stoic >Consolatio< and Shakespeare, in: PMLA LXIV, 1949, 77iff. 90 » per me non stimo d'esser mai stato maggiormente trafitto al cuor da dolore ehe con questa nova ...« Am 14. i. n an Faber, CDR VI, 327. — Der Brief nach Mantua vom 28. 10.1608, CDR I, 427. Ich finde die Ausführungen, die M. DE MAEYER, Rubens' teiugkeer uit Italie Antwerpen, in: Gentse Bijdragen tot de Kunstg. Nr. n (1945—1948) macht, überzeugend. Vgl. dagegen Magurn, s8ff. — Zu den Todesfällen um Rubens vgl. die Tabelle bei Evers II, 13:6. Sie registriert nicht den Tod eines Dieners während der Fahrt 1603 nach Valladolid. Vgl. dazu den Brief von Rubens an Chieppo am 24. 5.1603, CDR 1,146. 91 R. OLDENBOURG, P. P. Rubens, München/Berlin 1922, 8r ; Evers I, 94. - J. JAFFE, in: Burl. Mag., 99, 1957, 432 datiert in die Jahre 1601/1602 ein Bild, das Seneca und Nero darstellen soll, und für das Rubens bereits den Kopf der Farnese-Sammmng benutzt hat, von dem er sich eine Marmorkopie und nach dem er später Stiche hat anfertigen lassen. Den gleichen Kopf, bzw. die Kopie danach, hat Rubens in einer Nische über dem Eingang zum Atelier in seinem Haus anbringen lassen. Er hat ihn als Kopf des Münchener Seneca und als Nischenplastik in dem Florentiner Bild der >Vier Philosophen< wieder verwendet. — Evers II, I33f., Abb. 34, hat die Zeichnung der Slg. Wrangham, die in weiträumig angelegter Szenerie Senecas Tod darstellt, Rubens zugeschrieben und sie in die Jahre der Entstehung der Antwerpener Kreuzabnahme datiert. — Zu der Senecazeichnung der Leningrader Eremitage und ihre Verwendung in der Endfassung des Gemäldes von den Wundern des Hl. Ignatius vgl. HELD, 161, Nr. 165. — Für die Senecaausgabe von Lipsius (für die zweite Auflage von i6r5) hat Rubens den Kopf des Seneca für das Titelblatt zur Verfügung gestellt. Im Vorwort der Ausgabe heißt es: »Alteram quam spectas effigiem (Senecae), e prototype marmoreo idem Rubenius expressit: quod Roma allatum, in elegantissimo Museo suo asservat.« CDR II, 193, und HELD a.a.O., 148, Nr. I4r. 92, Vgl. TACITUS, Annalen XV, 60—65, und , 42. Ferner F. BACON, Essays, hg. von L. L. Schücking, Wiesbaden o. J., 115, 164. — Über die Seneca-Depravierung seit Dion Cassius vgl. H. FRIEDRICH a.a.O., 8iff. 93 Vgl. LOHENSTEIN, Epidians, Vers 350. Freundl. Hinweis von Christof Römer. — Zur stoi86

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sehen Selbsmordphilosophie vgl. POHLENZ a.a.O., 323!!. — Vgl. auch LIPSIUS' Stellungnahme in seiner Manuductio ad stoicam philosophiam, III, 22. Vgl. A. CORSANO, Per la stona del Pensiero del tardo Renascimento: 11 Caidano e la histona, in: Giom. Critico della Filosofia Italiana, Vol. XV, 1962, 3, 499ff. — Zur Indentität des stoischen Weisen mit dem Tyrannen vgl. auch W. BENJAMIN, Ursprung des deutschen Trauerspiels, Gesammelte Schriften, I, Frankfurt M. 1955, 191. — Vgl. auch QUEVEDO a.a.O., 975: »Aqui estä el sabio en tormentos, y no padece; aqui padece el tirano que atormenta.« Vgl. PLUTARCH a.a.O., 65 und i ; LUKIAN, Vergnügliche Gespräche und burleske Szenen, Leipzig 1960, 172, wo Chrysipp ein Wortspiel vorführt zwischen Steinhaftigkeit und Körper; ERASMUS a.a.O., 43oA; QUEVEDO a.a.O., 971, 976, 1002,· AUGUSTIN, Civitas Dei XV, 9, und XIX, 4, sowie IX, 4—5; zu Philipp Rubens siehe oben Anmerkung 3. »... in opprobrium naturae, dum pro carne marmor coloribus tantum repraesentant ... Lumine etiam ab omni humanitate alienissimae differunt, lapideo splendore et aspera luce superficies magis elevante ac par est, aut saltern oculos fascinante« (s. Anhang I). — Vgl. hierzu auch PLUTARCH a.a.O., 160: »Die Lehren der Philosophen wollen nicht wie Bildhauer leblose Statuen schaffen, die, um mit Pindar zu reden, unverrückbar auf ihrem Postamente stehen, nein, sie wollen beleben, tätig und wirksam machen ...« Noch HUIZINGA hat die >Ataraxia< als »das Vorrecht aller großen Skulptur« betrachtet: Herbst des Mittelalters, Stuttgart 1961, 376. — Vgl. PANOFSKY, Gelileo as a critical of art, a.a.O., 8. — Die dem Senecabild zugrundeliegende Statue steht heute im Louvre und wird als Darstellung eines Fischers gedeutet. Zu Rubens' Zeichnungen nach der Plastik vgl. V. MIESEL, Rubens's Study drawings after ancient sculpture, in: Gaz. des Beaux-Arts, LXI, 1963, 3i2ff. Zu dem Todesurteil gegen den Dichter Th. Viau schreibt Rubens an den Rand seines Briefes: >La morte ehe leva la maschara alle Simulationen Am 15.10.1626 an P. Dupuy. Dieser Brief ist von Magurn gefunden und S. 424 veröffentlicht worden. Zu Lipsius' seelischer Konstitution vgl. WILH. DILTHEY, Die Funktion der Anthropologie in der Kultur des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Gesammelte Schriften, Leipzig/Berlin 1940, II, 445: »Eine zarte und zugleich leidenschaftliche, zur Melancholie geneigte Natur.« Vgl. auch OBSTREICH a.a.O., 24, der von der »großen Ängstlichkeit, die man allen Bildern von ihm ansieht«, spricht. Ähnlich auch SAUNDERS a.a.O., 57 und 219. Über die Schnelligkeit dieser Notarii vgl. den gelehrten Exkurs in JUSTI LIPSI Epistolamm Selectaram ad Beigas, Antwerpen 1602, Cent. I, XXVII, 23ff. — Rubens' Figur ist eine Zusammenziehung zweier Raffaelmotive: Vom Schreiber der Disputa del Sacramento stammt die Schreibpose sowie Körperstellung, von dem im Parnass die Kopfwendung zum Philosophen hin. — Zu dem Bild vgl. M. ROOSES, L'oeuvre a.a.O., Nr. 812, wo es in das Jahr 1606 datiert wird. Vgl. auch den Katalog der Älteren Pinakothek München. 1936, Nr. 305, und Evers I, 92ff. — Der Münchener Katalog bemerkt: »Unten 0,17 m ursprünglich, rechts seitlich 0,18 m spätere Anstückung.« R. OLDENBOURG a.a.O., 81, nimmt eine spätere Erweiterung des Bildes um die Folianten, die erhöhte Form des Beckens und um den Spieß des Soldaten für um das Jahr 1620 an. Sicher zu weit geht H. MÜLLER, P. P. Rubens, Leipzig 1959, 192, mit dem Urteil: »Das Bild wurde später durch Hinzufügen des Beckens von fremder Hand verändert.« Zur Stellung des Bildes in der ikonographischen Tradition vgl. W. SAUERLÄNDER, J.-A. Houdon: Voltaire, Stuttgart 1963, 7-, vgl. auch W. FISCHER, Claude Vignon, in: Nederl. Kh. Jb., 14, 1963, 137. K. d. K. 282. - Zu den verschiedenen Fassungen des Florentiner Bildes im Zusammenhang mit der Londoner Zeichnung vgl. Held, r37. Die Bilder sind beschrieben bei W. SCHÖNE, Die Geißblattlaube von P. P. Rubens, Stuttgart 1956, i8ff. Bisher sind die Bilder immer im Schatten des Todes von Isabella selbst gesehen worden. Da es sich um

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die letzten Bildnisse Isabellas handelte, sah man in ihnen gerne den Tod vorausgeahnt und datierte die Bildnisse entsprechend nahe an das Todesjahr 1625. Abgesehen davon, daß Isabella wahrscheinlich nicht von einer nagenden Krankheit, sondern unvorhersehbar von der Pest dahingerafft wurde, liefert Held ein weiteres Argument dafür, das Bild erst gegen 1623 entstanden zu denken, wenn er die Londoner Vorzeichnung zu dem Bild »circa 1622« datiert; vgl. auch GORIS/HELD, Rubens in America, New York 1947, 3.6, Nr. i. — Vgl. den Brief Peiresc' an Rubens am n./ia. 2. 24, CDR III, 268: »V. S. non e di quelli ehe hanno bisogno di consolatione, poi ch' ella sä la fragilita del genere humano, et la gracia ehe ci fa Iddio, levandoci ben spesso la pargola per farla beata et per non lasciarla esposta a gli accident! li lungue infirmita et sinistra fortuna ehe sarebbono degni di maggior compassione paterna, ehe la morte in quell'eta d'innocenza.« Vgl. dazu das Trostschreiben des Plutarch an Appollonia. Was Peiresc über Isabella schreibt, antwortet doch wohl auf Äußerungen von Rubens: »Stimando ehe la participatione della sua amatissima consorte habbia accresciuto assai la sua afflictione di lei havendo V. S. da aggiongere al sentimento della sua perdita, il rammarico di vederne affligere ancora la madre.« Olivares an Rubens am 8. 8.1626, CDR III, 453: »En casos tales es mas proposito observar su constantia y conformidad con lo que Dios dispone, que procurar motivos de consuelo.« Lipsius a.a.O., Cent. I, r, schrieb nach dem Tode seiner Frau am 7. 7.1591 an G. Brugelius: »In studiis non cessamus, et CONSTANTIAM nostram iam videris ...» Vgl. auch MONTAIGNE, Essais I, 20, und EPIKTET, Handbüchlein der Moral, cap. 3. HORAZ, Caimina H, 16. - Zu SENECA ep. 28 und ep. 33. - Über das Weiterleben dieser Wendung vgl. H. Friedrich a.a.O., 318. Rubens am 15. 7.1626 an P. Dupuy, CDR III, /\ Asterii ... Homiliaefruimur licita voluptate cum gratiarum actione< etc., e presi una moglie giovine di parenti honesti pero cittadini benche tutti volevano persuadermi di casarme in corte ma io temeva >commune illud nobilitatis malum superbiam praesertim in illo sexuContubernales< in Rom (a.a.O., Cent. I, 44, 41—55) liefert Lipsius eine gelehrte Kulturgeschichte des Hundes, seiner Charaktereigenschaften und Tugenden, und fügt drei Carmina über seine eigenen Hunde hinzu,· möglich, daß Rubens auf dem Bilde Lipsius' >Mopsus< meint, zugleich aber auch auf den stoischen Gedanken anspielt, daß in der Treue des Hundes die naturgegebene Neigung zur Gemeinschaft sich manifestiere,· der Hund wäre also als ein Argument für das Naturrecht ins Spiel gebracht (vgl. POHLENZ a.a.O., 115). Als >amicitiaphilosophia communicata< der Hund auch bei RIPA und J. P. VALERIANUS. — OBSTREICH läßt die vier Philosophen »in einer Halle, der Stoa« sitzen und nach ihm ist »in der bildenden Kunst die Standhaftigkeit als die tragende Tugend der Stoa, der Philosophie der Säulenhalle, durch eine Säule dargestellt zu finden« (a.a.O., 8 und 81). Unsicher ist Evers' Vermutung, »die Säule in der Mitte dürfte auf Justus Lipsius, als eine Säule der Wissenschaft sich beziehen« (II, 327). Die u m r a n k t e Säule kann aber auch ein Todesmotiv sein im Sinne des Grabgedichtes des SIMONIDES auf Anakreon und das abgewandelte Motiv aus ALCIATI, Emblem CLIX: >Amicitia etiam post mortem durans.< — Das auffallende Motiv der zwei geöffneten und zwei geschlossenen Tulpen hat Evers sicher richtig darauf bezogen, daß zwei der vier Philosophen noch lebend, zwei bereits gestorben waren. Vgl. auch NIC. CAUSSINUS, Polyhistor symbolicus, Paris 1618, Lib. X, Nr. LXXVIII. 595f.: »Tulipa ad solem. Dicitur de fauore superioris potestatis inferiora: sic anima Christiana hominis Tulipae explicat, ijsdem absentibus contristatur. Tune enim terra est inanis, et vacua, et tenebrae super faciem abyssi.« — Über die Senecabüste vgl. oben Anm. 20; sowie den Katalog der Staatl. Kunsthalle Karlsruhe, Fläm. Meister, Karlsruhe 1961, Nr. 5. — Zur Landschaft im Hintergrund, die Rubens auch sonst gelegentlich verwendet hat, vgl. Evers II, 327. — Eine wichtige Seite des Bildes bliebe noch zu erklären: Die Herkunft der Komposition und ihre Tradition in derDarstellung von Lehrer-Schülerszenen. Man findet sie ähnlich auf antiken Sarkophagen, den sogenannten Philosophensarkophagen, auf mittelalterlichen Elfenbeintafeln,· in der Malerei kommt dem Kompositionstypus die Darstellung der Jünger mit Christus in Emaus wohl am nächsten. Über Antikeneinfluß vgl. KIESER, Antikes ... a.a.O., 128. 132 Die beste Definition dieser stoischen Geisteshaltung finde ich bei QUEVEDO a.a.O., 973: »El intento de los estoicos fue despreciar todas las cosas que estan en ajeno poder, y esto sin despreciar sus personas con el desalino y vileza; seguir la virtud, y gozarla por virtud y por premio; poner el espiritu mäs allä de las perturbaciones; poner al hombre encima

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de las adversidades, ya que no puede estar fuera, por ser hombre; establecer por la insensibilidad la paz del alma, independiente de socorros forasteros y sediciones interiores; vivir con el cuerpo, mas no para el cuerpo; contar por vida la buena, no la larga«. »Sibi soli canere odiosum est«. Emblemata FLORENTII SCHOONHOVII ... Couda 1618,175—177, wo ausführlich dafür eingetreten wird, »non solum nobis natos esse, sed ortos nostri parte patriam partem amicos sibi vindicare«. Vgl. auch die Laus Ciceronis von PHILIPP Rubens im Anhang der Asterii Homiliae a.a.O., 192, wo vor allem auf Ciceros verantwortungsbewußten staatsmännischen Einsatz hingewiesen wird. Als »das Haupt der Anti-Ciceronianer« im humanistischen Stil-Streit ist Lipsius dargestellt bei E. NORDEN, Die antike Kunstpmsa, Darmstadt I9585 II, 773. Als theoretischer Bahnbrecher des absolutistischen Staates ist Lipsius dargestellt bei G. OBSTREICH, Antiker Geist a.a.O., sowie G. OBSTREICH, Justus Lipsius als Theoretiker des neuzeitlichen Machtstaates, in: Historische Zeitschrift 181,1956. Vgl. den Brief von Lipsius an Philipp Rubens Sept. 1599 LIPSI Epist. I, 37: »Otio, non otio: sed ut Homeri similitudine utar, >Sicut qui torrem cinerum sub tegmine celat, Longinquis in agrorum et ubivicinia rara est, Ignis conservans sibi seminasterilita< des Hofes am 1.10.1626, CDR III, 472 und am 22. i. 1627, CDR IV, 28. Über den Londoner Hof am 21. 10. 1627, CDR IV, 319 und am 21. 7. 1629, CDR V, 116. Über die Tücken des Madrider Hofes am 20. 7.1628, CDR IV, 446. Brief vom 19. 5.1628 an Peiresc, CDR IV, 422. Am 20. r. 1628, CDR IV, 354 und am 18. 12. 1634, CDR VI, 82. Vgl. SALLUST, /ug. 68 und VIRGIL, Aen. XI, 341. Brief vom 2.4.1626, CDR III, 434. — Zur aristokratischen Denkform vgl. C. J. BURCKHARDT, Richelieu, o. O. 1959, 208—222,· C. f. FRIEDRICH, Das Zeitalter des Barock, Stuttgart 1954, 47ff., und A. HAUSER, Sozialgeschichte dei Kunst und Literatur, München 1953,1,47if. G. CLARK, War and Society in ijth Century, Cambridge 1958,48. MONTAIGNE, Essais II, 27. Über die geistesgeschichtliche Einordnung der Ruhmeskritik Montaignes vgl. H. FRIEDRICH a.a.O., igöff. — Zum Ruhmesbegriff der Renaissance vgl. PANOFSKY, Herkules am Scheidewege a.a.O., 165. — Übrigens hatte D. Carleton, mit dem Rubens freundschaftlich korrespondierte, im Haag zwischen 1616 und 1619 gegen die Duellsucht gepredigt: vgl. CLARK a.a.O., 40. Brief vom 26.12.1625, CDR III, 411: «... poiche tutti questi humori eterocliti sono causati di mera ambitione et un falso amore di gloria.« Vgl. auch Brief vom 20. 5. 1627, CDR IV, 258. Am 3. 3.1630 wird Rubens in Whitehall von König Karl I. von England zum Ritter geschlagen und empfängt Degen, Diamantenring und Diamantenkette. Am 16.7.1631 folgt die Erhebung zum Ritter durch König Philipp IV. von Spanien; der Rat von Flandern befürwortet am 29. 9.1631 die kostenlose Ausfertigung des Ritterdiploms. — Über die damals grassierende Nobilitierungstendenzen vgl. die statistischen Angaben bei W. SOMBART, Der moderne Kapitalismus, München/Leipzig 1921,1, 8520. Die Ausgabe der >Palazzi di Genova con le lore piante ed alzati ... raccolti e desegnati da Pietro Paulo Rubens< erschien in erster Auflage r622 in Antwerpen. Das kluge Vorwort, in dem auch auf die aristokratische Lebensformen und Finanzierungsmöglichkeiten als Voraussetzungen dieser Palazzi hingewiesen wird, ist auch abgedruckt im CDR II, 422ff.

168 Am Ende einer langen Bittschrift Aerschots heißt es: »V. S. sgait aussy que luy ay recommande l'homme de chambre de mon fils desia par plusieurs fois, affin d'obtenir une place d'Archer, estant de fort honnests parens, ayant depuis peu de temps semblable place este conferee a Un peintre valet de Rubens.« Isabella hat dazu eigenhändig an den Rand geschrieben: »Yo vero lo que aura lugar en esto, y en lo que toca a de Rubens os an enganado, que a mas de tres anos se le auia concedido.« Die Bittschrift befindet sich unter den beschlagnahmten Akten des Herzogs von Aerschot im Archiv von Simancas, Estado, Legajo 2871. Mir ist nicht bekannt, daß diese Notiz bisher veröffentlicht ist.

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169 Aerschot am 30.1.1633 an Rubens, CDR VI, 35^. - Aersdiot hat diese seine Antwort auf Rubens' Zettel (CDR VI, 34) im Haag veröffentlicht. Über die Reaktion Gerbiers darauf vgl. CDR VI, 321, über die Oldenbarnevelts CDR VI, 42, 36, 4of. - Die Auseinandersetzung steht im Zusammenhang mit neuen diplomatischen Versuchen um eine Friedensregelung zwischen den südlichen und nördlichen Niederlanden, in denen der Staatsrat die Einmischung der Zentralregierung, und sei es über Rubens, abwehren wollte. 170 Vgl. hierzu J. HELD, yif. — R. OLDENBOURG, Die Nadiwiikungen Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt a.a.O., sSff., hat zuerst den Wandel von Rubens' Stil vom barocken Individualismus zu einer klassischen Normierung festgestellt und ihn begründet aus Rubens' »Nötigung, seine Leistungskraft extensiv zu steigern«, also aus der Organisation der Werkstatt, die eine reproduzierbare und den Mitarbeitern einsichtige, nicht individuell beschränkte Formensprache erforderte. Evers' Versuche, die Stilwandlungen des Künstlers wieder der ringenden Seele des Künstlers zuzuschlagen und seine Einwände gegen Oldenbourgs Erklärung, als sei diese ein Sakrileg, stellen auch wissenschaftsgeschichtlich einen Rückschritt dar. Man darf heute wieder unbefangener an Oldenbourg anknüpfen, da Kandinskis Ausspruch: »Schön ist, was einer inneren Notwendigkeit entspricht«, von L. L. SCHÜCKING, Soziologie der literarischen Geschmacksbildung, Bern/München 1961, 21, mit Recht als »der Gipfel der Begriffsverwirrung« bezeichnet werden konnte. — Einen Parallelfall zu Oldenbourgs Gedankengang bietet MAHON a.a.O., 54, wo Guercinos Stilwandel vom Caravaggismus zum Klassizismus, sowohl aus dem Consensus mit dem Auftraggeber erklärt wird »and secondly, a classic style, in which the principal figures are sharply differentiated from the background, lends itself more readily to the studio assistance which a large output would doubtless call for«. 171 Vgl. W. J. STANKIEWICZ, Politics and Religions in seventeenth century France, Berkeley and Los Angeles 1960, 18: »... and intolerance continued to inspire both parties with the idea that war was the only solution.« — Die Friedensbestrebungen erscheinen, offenbar nicht ohne Anspielung, als >Labilität< apostrophiert bei J. HASHAGEN, Das Zeitalter der Gegenreformation und der Religionskriege, Konstanz o. J., 6. 172 Über Cueva vgl. Rubens' Brief vom 10. 8.1628, CDR IV, 452: »II cardinal della Coeva solo sta duro e mantiene questa sua erronea opinione, ne viedeatur errasse.« 173 Vgl. J. HUIZINGA, Holländische Kultur a.a.O., 26. - Peiresc berichtet Gevartius von der Ermordung Oldenbarnevelts am 1.10.1617, CDR II, 232, »et que Mr. Grottius n'a este" que banny ...« 174 Vgl. den Brief von Rubens an Dupuy vom 5. n. 1626, CDR IV, 8: »Der Conde de Gondomar ist in Biscaya gestorben . . . Eines seiner Hauptziele war der Frieden zwischen Spanien und England und ich glaube, daß er, wenn er den Hof gesund erreicht hätte, diesen Frieden energisch vorangetrieben haben würde. Aber der Herzog von Olivarez, der dort ebenso absolut regiert wie es der Kardinal bei Ihnen tut, ist den Engländern sehr feindlich gesonnen, insbesondere dem Herzog von Buckingham. Mit Gondomars Tod glaubt man, daß auch die Friedensgespräche abgebrochen werden.« 175 Für den Verlauf der Verhandlungen vgl. die oben in Anm. i angegebene Literatur, aber auch die entsprechenden Abschnitte in Evers' Rubensbiographie. Es wird im folgenden das politische Denken von Rubens im wesentlichen nur unter dem Aspekt der Staatsräson gesehen. Es soll aber darauf hingewiesen werden, daß andere, weniger durchgreifende Gesichtspunkte zu dem gleichen Resultat führen würden: So die Meinung des Künstlers über Holland und Spanien, die das Problem der Auseinandersetzung des demokratischen mit dem monarchischen Prinzip impliziert, und die keineswegs eindeutig sich darstellt: Rubens' Äußerung, daß die Propaganda der Holländer »scherzi di un stato popolare, per mantener la plebe in buon hurnore« (am 29.10.1626, CDR IV, 2), steht 96

jene andere gegenüber: »Gli artifici di questa corte no sono per noi, ma per il vulgo« (am 22.4.1627, CDR IV, 244), sowie die über die Berechtigung der Genueser Bürger, am Regiment der Stadt teilhaben zu wollen. Über H o l l a n d vgl. folgende Stellen: Am 4.1.1619, CDR II, 194: Rubens erkundigt sich, inwieweit ein Stichprivileg »sarebbe de rispetto in quei paesi cosi liberi«. — Am 12. 2.1626, CDR III, 424: Rubens berichtet über die Grausamkeit der Holländer im Krieg: »Gli Ollandesi, col solito lor vigore.« Dasselbe wieder am 22. ro. 1626, CDR III, 480. — Rubens erwähnt öfters holländische Zeitungen und Flugschriften: Am 18.10.1625, CDR III, 392; am 29.10.1626, CDR IV, 2; 23. 3.1628, CDR IV, 381. - Am 19. 5.1628, CDR IV, 422, deutet Rubens die Ignorierung der Niederlage in La Rochelle durch die holländischen Zeitungen als eine religiöse Hartnäckigkeit, die zugleich der Fanatismus der Rebellen und Königshasser sei. Über den Einfluß der Religion auf die holländische Politik am ir. 5. 1628, CDR IV, 402, wo Rubens aber zugleich feststellt, die Holländer ließen sich allein von ihrem Haß gegen die Spanier treiben. - Bewunderung hat Rubens immer der Seetüchtigkeit der Holländer gezollt: Am 23. 9.1627, CDR IV, 308, gibt er seine Meinung kund, daß auch Frankreich und Spanien gemeinsam Holland nicht zu bezwingen vermöchten, »denn zur See sind sie die tüchtigsten··; vgl. auch am 7. 7.1627, MAGURN, 424, und am 21.10.1627, CDR IV, 318. Am 29. 6.1628, MAGURN, 426, berichtet Rubens von neuen Entdeckungsfahrten der Holländer,· vgl. auch am 15. 9.1629, CDR V, 198, und am 21. 9.1629, CDR V, zrof., wo Rubens Olivares die Seemacht der Holländer schildert. Über die Leidenschaft der Holländer im Kampf gegen die Spanier vgl. i. 6.1628, CDR IV, 426. - Am 15. 9.1629, CDR V, 198, schreibt Rubens, die Holländer könnten sich ob ihrer Erfolge fast mit Recht das auserwählte Volk nennen: »Nos autem populus tuus et oves pascuae tuae.« Rubens' literarische und künstlerische Beziehungen hat ausführlich behandelt J. G. GELDER, Rubens in Holland in de 17. euuw, in: Nederl. Kunsthist. Jaarb. III, 1950/5r. Über ihre Beliebtheit in den südlichen Niederlanden haben sich die Spanier selbst schon keinen Illusionen mehr hingegeben (Vgl. den Bericht von Colonna, abgedruckt bei R. VILLA, Ambiosio Spinola, Madrid 1905, 5640.) —- Rubens über S p a n i e n : Am r. 10. r626, CDR III, 473, und am 22.10.1626, CDR III, 480, spricht Rubens vom »mal governo de Spagnioli«. — Am 6. 5.1627, CDR IV, 252, vom spanischen Stolz, der sich »accomodar alia raggione« müsse. — Am 24. 9.1627, CDR IV, 136, berichtet Gerbier an den Lord Conway, Rubens habe ihm gesagt, er freue sich über eine Seeniederlage der Spanier »affin que la fouge du Comte d'Olivares saissast et donnast moien de faire bien«. Vgl. auch am 23. 9. 1627, CDR IV, 308. — Am 13.4.1628, CDR IV, 387, äußert Rubens seine Skepsis gegenüber dem Erfolg Spinolas am spanischen Hof, denn wie er selbst diesen (»genio di quella Corte«) kennengelernt habe, werde sich eine eventuelle spanische Zustimmung bald wieder ins Gegenteil kehren. Am 7.4.1628, CDR IV, 396: Spinola »non potra mutar la tardita e stilo naturale di quella natione, ehe con arte augmenta ancora questo suo vicio originale«. Am n. 5.1628, CDR IV, 404: Spinola »gia e prattico del humor spagnuolo essendo accostumato alia lor tardanza ...« Am 20. 7.1628, CDR IV, 446: »ma io credo ehe gli Spagnioli pensavano usar con questo huomo sagaci como sogliono gabbar tutti ehe vanno a quella corte ...·< — Vgl. auch am 20. 6.1628, Magurn, 272. Am 20. 7., CDR IV, 446, über die Lethargie der spanischen Regierung. Am 22. 4.1629, CDR V, 30: »resurghare del suo laetargo«. Alle diese Urteile aus der Privatkorrespondenz von Rubens verwandeln sich in der diplomatischen Korrespondenz mit Olivares in Töne höchster Devotion,· es hieße dem spanischen Absolutismus sich auch heute noch unterwerfen, wollte man diesen offiziösen Äußerungen den Vorrang geben. Meine Arbeit läßt bewußt das Verhältnis von Rubens zur K i r c h e beiseite. Seine engen Beziehungen zu den Jesuiten werden immer zitiert als Beweis der engen Beziehung auch seiner Kunst zu einer militanten Gegenreformation. Doch wie diese selbst, ist auch

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das Bild von den Jesuiten viel zu pauschal gesehen. Es deutet manches darauf hin, daß die historische Forschung ein sehr spezifisches und ganz anders geartetes Bild von den belgischen Jesuiten entwickeln wird als es die gängige Meinung bisher will. Das Buch des spanischen Jesuiten JUAN MARIANA: »Discurso de las Enfermedades de la Compania de Jesus« durfte nur in Frankreich erscheinen. Am i. 4.162,6, CDR III, 434., berichtet Rubens Valavez, daß ihm das Exemplar von Marianas Streitschrift abhanden gekommen sei: und zwar habe ein Provinzial es Adreas Schott, dem er, Rubens, es ausgeliehen hatte, entrissen — nicht ohne ihn zu rügen. Rubens bittet Valavez darum, ihm ein neues Exemplar zu beschaffen. Mariana polemisiert in dem Buch vor allem gegen die Zentralisierung des Jesuitenordens, wendet also seinen politischen Anti-Absolutismus gegen den Jesuitenorden selbst und seine Organisation. — Über die politische Funktion der Religionen vgl. Rubens' Brief vom n. 5.1628, CDR IV, 402,· über die Jesuiten den Brief vom 2,. 4.1626, CDR III, 433f. Über den Papst, den Rubens gerne als diplomatischen Vermittler einsetzen wollte, vgl. den Brief vom 30. 6.1629, CDR V, 50. Rubens' politische L e k t ü r e könnte Hinweise geben für seine politischen Anschauungen. Die Schriften von Plutarch und vor allem von Tacitus, dessen Werke eine Art politologisches Brevier für das 17. Jh. bildeten, hat Rubens selbstverständlich in der neuesten Ausgabe des Lipsius gelesen (vgl. Evers I, 31, 160). Macchiavell wird von Rubens nur einmal erwähnt, und zwar so beiläufig, daß man die Kenntnis der verfemten Schriften des Florentiners als selbstverständlich annehmen darf: Am 9. 8.1629, CDR V, 153: »Der Philosoph Drebbel... ist wie jene Dinge, von denen Macchiavell sagt, daß sie größer aus der Entfernung als aus der Nähe erscheinen.« Bei MONTAIGNE, Essais l, 20, wird die gleiche Beobachtung Caesar in den Mund gelegt. Von den neueren Schriftstellern hat Rubens mit großer Anteilnahme Francis Bacons >Heinrich VII< gelesen. Auch von Duplessis-Mornays Schriften berichtet Rubens gelegentlich, daß sie ihm bekannt seien. Die Kenntnis der Schriften des Lipsius und derer, die ihm folgten: Marselaer, Scribanus, Petrasancta darf als sicher angenommen werden. Ein besonderes Desiderat ist eine Untersuchung der Beziehungen zwischen Grotius und Rubens. In ihrem Briefwechsel erwähnen sie sich gegenseitig oft. Gelegenheiten zu persönlichen Begegnungen gab es in den Friedensjahren bis 1618 und nach seiner abenteuerlichen Flucht aus dem Gefängnis machte Grotius zuerst in Antwerpen Station, bevor er nach Paris ging. Dort hat Rubens ihn während der Arbeiten am Medicizyklus sicher mehrfach gesehen. Grotius' Apologie hat Rubens sich geheim nach Antwerpen kommen lassen. — Bezeichnend scheint auch Rubens' Interesse für den zum Tode verurteilten Satiriker Th. Viau: Am 12. 12. 1614, Magurn, 98, dankt Rubens Valavez für die Zusendung der Werke des Viau: »Vor allem bin ich neugierig auf den >SatiriconSatiricon< nicht bekommen zu haben, im übrigen weiß er von Viau, daß man ihn für einen Atheisten hielt. Eine merkwürdige wirtschaftspolitische Äußerung von Rubens sei noch zitiert. Brief vom 22.4.1627, CDR IV, 245: »Ma per tornar alia penuria de' principi io non posso imaginarmi altro, se non ehe le richezze del mondo devono esser ripartite nelle mani de' particolari, et ehe la poverta publica e causata di questo, siccome un fiume benche grandissimo, diviso e ridotto in piü rivoli, resta a secco. Oltra ehe l'economia di quasi tutti gli principi e tanto mala, e si inveterate e il disordine ehe difficilmente si po rimettere in buon stato, come un mercante o quäl si voglia padre de famiglia, >cuivis rationes semel sunt perturbatae, raro emergit, sed aeris alieni ponderi succumbens pessumdatur«, crescendo a proportione della imminutione del credito parimente la grandezza dell' usura.« - Dieser Aussage liegt gewiß eine mir unbekannte Stelle aus der zeitgenössischen wirtschaftspolitischen Literatur zugrunde. Wer mit solcher Distanz über 98

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die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Fürsten reflektiert, kann schwerlich »im Herzen monarchisch« (Evers) gesinnt gewesen sein. Vgl. die Denkschrift vom 16.12.1626: >Parecer de Su Exa. el Conde Duque sobre las pretenciones que conbendra hazer en Mar y Tierra para los Effectos que conbiene executar el ano que entra.< Im Archiv von Simancas, Estado, Legajo 2040, fo. 43: »Conbiene assentar por maxima de estado que no padece exeption ninguna, y no solo de estado, sino tambien por regla de la misma naturaleza que es imposible que aya ninguno que tenga amistad con V. Magd, que no nazca de uno de dos fines y razones, o, de entrambas juntas, conueniencia de interes, o, recato del poder, per no dezir miedo. Porque no ay animal ninguno que sea amigo del Leon, y no todos pelean con el, ni ninguno que lo pueda escusar, y no naze esto del Amor que le tienen, sino del respeto y del temor ...« Vgl. R. v. ALBERTINI, Das politische Denken in Frankreich zur Zeit Richelieus, Marburg 1951. Gerbier am 18. 2.1628 an Rubens, CDR IV, 175: »... sachant bien que le Concert que les deux Roys avoient pris ne fait pas changer les vrayes maximes, et le cours des Astres ny ne peut accorder les Elements contraires.« Vgl. ALBERTINI a.a.O., 178, und MEINECKE a.a.O., igjff. Am 24. 5.1629, CDR V, 177: »ma ben considero de quanta consequenza sia questa pace, ehe mi pare il nodo della catena de tutte confederacioni d'Europa ...« Brief vom 10.1.1625 an Valavez, CDR III, 320: »Mais estant esvanouye cette amitie, en general, s'est aussy reffroidy le commerce des particuliers comme la fortune des grandz tire avec soy tout le reste.« Brief vom 20.7.1628, CDR IV, 446. - Vgl. am 11.5.1611, CDR II, 36: »ic weet wel datmen met Princen niet altyt en can tot effect brenghen synen goeden wille ...« Über den Verkauf und seine Abwicklung vgl. CDR IV, 23f. — Zu Peirescs Reaktion CDR IV, 26. — Rubens im Brief vom 22. 6.1628, CDR IV, 435: »Peyresc ... il quäle fra tanti negocij (de que mi maraviglio) persevera nella sua curiosita antiquaria.« Vgl. auch am 10. 8.1630, CDR V, 312, wo vom »animo tanto reposato« angesichts der »calamita publica» die Rede ist. Und im Oktober 1630, CDR V, 339: »II (Peiresc) na jamays perdu son bon goust en matiere dantiquite par les calamitez publiques de sä patrie ...« — Am 19.9.1625, CDR III, 387, über die von Peiresc erbetene Bearbeitung der Münzen: »... perche in ogni modo sono negotii de gusto et quando ci andasse la mia vita, io non potrei farsi altro, con questi impediment! di tanto viaggiare ...« Brief vom 19. 9.1625, CDR III, 387: »ma la necessita di questi viagij per servicio della mia Principessa no soffrisce eccettione alcuna ...« Brief vom 24.4.1626, CDR III, 440: »le mie occupation! non mi permettono di cavarmi tutti gli mei capricci ne di servire quando pur vorrei gli Amici con quella puntualitä ehe converrebbe al obligo mio y la qualita loro«. Vgl. Evers I, 5 iff., sowie — vor allem für die Genesis des Bildes — Evers II, io7ff. und jetzt J. MÜLLER-HOFSTEDE, in; The Burl. Magazine, Oct. 1964, Nr. 739. Brief vom 19. 3.1614 an Erzherzog Albert, CDR II, 69f. Der Briefwechsel mit Carleton vom März 1618 bis Juni 1618 im CDR II, isoff. — Am 28. 4.1618, CDR II, 136, bietet Rubens Carleton Bilder an, die er »di gusto mio« gemacht haben will. — Das Zitat vom Range des Käufers im Brief vom 28.4.1618, CDR II, 135. Vgl. Brief vom 12. 5.1618, CDR II, 1490. Brief vom 28. 5.1619, CDR II, 215: »Poiche tutte le cose sono di maggior efficazia sotto il suo proprio clima.« Die Briefe an den Herzog von Neueburg vom n. 10.1619, CDR II, 227; vom 7.12.1619, CDR II, 337; vom 20.7.1620, CDR II, 252; Anfang Januar 1621, CDR II, 266. — Am 24.7.1620, CDR II, 252: »Parve a tutti quelli que videro questi quadri in casa mia, essere

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la loro proportieme troppo svelta et die sarebbono comparse meglio le fatidie impiegativi in minor altezza, pur la necessita del sito scusa questo.« — Zu dem Begriff bei Bemini vgl. H. KAUFFMANN, Beminis Tabernakel, in: Münchener Jahrbuch der bid. Kunst, 3. Folge, 6,1955, 222. - Es ist dies die überlieferte ästhetische Distinktion zwischen dem >decorum< und dem >utileLivesDe Simulationen darin auf Seite 252 obiges Zitat. 207 Das sagt Burmann von Lipsius, was dieser bestätigt mit seinem Wort: »Scaenae serviendum est, quamdiu ego in hoc Theatro, sed verum sensum meum brevi aperiam magis et diffundam.« Ep. misc. II, 8. Vgl. SAUNDERS a.a.O., 20, Anm. 7. — Zu Richelieu vgl. W. ANDREAS, Richelieu, Berlin/Frankfurt 1958, 36. 208 FR. MARSELAER,Keryiceion sive Legationum insigne in duos libws distributum, Antwerpen i6r8, Diss. X, 138. 209 Zu Fajardo vgl. IRIBARNE a.a.O., 31. Bekannt war auch das Sprichwort: »Qui nescit dissimulare, nescit regnare.« — Weitere spanische Stimmen zur Dissimulatio (Quevedo, Mariana, Rivadaneira, B. Felipe) bringt D. W. BLEZNICK, Machiavellianism and Spain, in: Journal of the History of Ideas, XIX, 1958, Nr. 4, S. 548. — Vgl. auch den erbitterten >Dialogo: Adulation y verdad< von CRIST. DE CASTILLEJO, Clasicos Castellanos 91, Madrid 1958, 93ff. Dieser Dialog aus dem Jahre 1545 bringt bereits alle wünschbaren Dissimulatio-Motive. aro GROTIUS, De jure belli ac pads a.a.O., § 40, 40; QUEVEDO, Obias completas a.a.O., 207. 2ii Rubens am 18. 9. 1627, CDR IV, 130 an Gerbier: »aussi ne dissimulent ils nullement leur opinion . . . « Am 30. 3. 1628, CDR IV, 199 an Spinola: »Como si V. E. se hubiese olvidado o dissimulase saber propuestas hechas por su parte . . . « Am 2. 3. 1628, CDR IV, 368: »pur mi dubito ehe ben poco durera questa simulatione . . .Livesonore< und >utile< steckt das ciceronianische >utile< und >honestum< (de officiis III, r9—33). Vgl. Rubens am 20. 5. 1618, CDR II, 162: »piu al onore ehe al utile«. Brief vom i. 8. 1631, CDR V, 404: »Se io dovessi far il calculo secondo gli interessi di persona privata, rimeterei in dubio il negocio: ma considerando ehe gli gran precipi devono fundar le lor raggioni di Stato nella reputatione e buona opinione appresso tutto

il mondo, non veggo die per questo conto . . . Certo die habbiamo nella eta nostra un esempio diiaio quanto possa far del male un privato die si muove piu per 1'ambicion propia die per il ben pubblico et il servicio del suo re, et a die signo si lascia trasportar un buon principe mal informato a violar gli obligj della natura verso la madre et il propio sangue.« 244 Brief vom . 8. 1631, CDR V, 405: »Che mi pare la peggior raggione di Stato die si possa pratticar nel mondo, poiche nel solo credito si funda ogni comercio del gener humano.« Vgl. audi schon den Brief vom 30. 3. 1628, CDR IV, 198 und vom 30. 6. 1629, CDR V, 82: ». . . non si possono fidar piu in alcuna promessa fide del Re di Francia sendo state ingannati tante volte.« 245 »La societe humaine est un corps, dont tout les membres ont une Sympathie.« Zitiert nach Albertini a.a.O., lyoff., wo auch als möglidi hingestellt wird, daß Grotius von Cruce beeinflußt ist. Über den Einfluß der spanischen Naturrech.tsleb.rer vgl. E. REIBSTEIN, Job. Althusius als Fortsetzer der Schule von Salamanca, Karlsruhe 1955. 246 Im Brief vom 17. 2.1628, CDR IV, 361 an Dupuy sagt Rubens, daß die Freundsdiaften unter Fürsten »meri ignes suppositi cineri doloso« seien. Vgl. HORAZ, Caimina II, i, 8. Bei Horaz allerdings wird dies nidit von der >amicitias principum< gesagt, sondern von den Gesdiiditssdireibern des Bürgerkrieges: »Fractas et incedis per ignis / Suppositos cineri doloso.« Vgl. auch Rubens am 10. i. 1625, CDR III, 320 an Valavez: ». . . mais estant esvanuye cette amitie, en general, s'est aussy reffroidy le commerce des particuliers comme la fortune des grandz tire avec soy tout le reste.« Vgl. ähnlich BACON, Essays a.a.O., 222 über die Freundschaft: »In Wirklichkeit kommt sie nur zwischen Hoch und Niedrig vor, weil da nämlich das Schicksal des einen das des anderen miteinsdiließt.« Den Spruch von der »tyrannischen Maxime«: »pereant amici, dum inimici intercidant« zitiert Rubens öfters; er ist ihm wohl das Leitmotiv seiner Zeit gewesen: Briefe vom . . 1626, CDR III, 472; 28. 5- 1627, CDR IV, 265; 10. 8. 1627, CDR IV, 452. Magurn gibt als Quelle, ohne nähere Angaben, Cicero, der Thesaurus Linguae Latinae ein anonymes Tragödienfragment an. Es drückt sich darin deutlidi das bürgerliche Ressentiment gegen die Fürsten aus. 247 So Rubens nach einem Rapport des Gerbier über »Discours tenus entre le Sr. Rubens et Gerbier sur un traitte lequel se proposait entre eux des l'an 1625 Judith und Holofernes< war. — Peiresc am 4. 8. 1622, CDR III, 12: »artifici dell invidia«.-Rubens am 30.9.1623, CDR III, 253 über eine politische Denksdirift: »parendo 108

impossibile di poter variare con piu artificio un medesimo soggietto in tanti modi come si e fatto«. — Rubens am 30. 9. 1623, CDR III, 253: »ma questi esser artificii e cavillationi conquisite per romper il trattato«. — Rubens am 15. 3. 1625, CDR III, 337: Richelieu versuche einen Nebenbuhler um die Gunst Ludwigs XIII. »con ogni sorte d'artificii« sich zu verpflichten. — Rubens am 13. 5. 1625, CDR III, 354: »una diversione e dissimulatione del vero senso molto artificiosa«. — Rubens am 18. 9. 1627, CDR IV, 129 an Buckingham über die Friedensbemühungen der belgischen Regierung: »il n'y a point d'artifice en leur procedure«. - Rubens am 22. 4. 1627, CDR IV, 244 an P. Dupuy: »gli artifici di questa corte non sono per noi, ma per il vulgo«. - Rubens am 25. n. 1627, CDR IV, 327: »Ho ricevuto le lettere di Philarcho contra Narcisso et havendone letto buona parte, le trovo bellissime et intieramente a mio gusto, si per il bei langaggio, la maniera ironica a confutar et mordere l'adversario, come ancora per la chiarezza et brevita del stilo et lartificio di tenere il lettore in continuo diletto et attentione.« — Rubens am 24. 8. 1629, CDR V, 170: »artificios y machinas de la parte contraria«. — Rubens in einem Fragment aus dem Jahre 1630, CDR V, 291 über eine römische Gemme, die Peiresc ihm zugeschickt hatte: sie sei »dun artificio sovrano«. — ebda.: »dun artificio esquisito«. — Rubens am i. 8. 1631, CDR V, 408 von den Machenschaften Richelieus: »artificij del Cardinal«. — Rubens am 18. 12. 1634, CDR VI, 83 an Peiresc über eine römische Münze: »artificio assai rozza«. ebd., 85: »fatta d'argento con tal artificio«. — Rubens am 10. 4. 1609, VI, 323: »con ehe artificios cusar tanta tardanza«. — Rubens am 16. 3. 1636, CDR VI, 154: »archi non sono naturali ne artificiali«. Capriccio (vgl. dazu oben S. 4iff.): Rubens am 28.2.1608, CDR I, 412, über die Zweitfassung des Bildes für Sta. Maria in Vallicella: »liberta di variare alquanto segondo il capriccio mio la copia da esso«. — Rubens am 12. 5.1618, CDR II, r49: »excedere per un capriccio li termini di buon economo«. — Rubens am 23. i. 1619, CDR II, 199: »fare ... gran valenthuomo secondo lor Capriccio«. Rubens am 30.4.1622, CDR II, 399: »per il Capriccio del mio intagliatore (Vorsterman)«. — Rubens am 12. 12.1625, CDR III, 403: »II Capriccio di Mr. Vandemont.« — Rubens am 26. 12.1625, CDR III, 411: »Capriccio et alterezza de Bockingham«. — Rubens am 20. 2. 1626, CDR III, 428, über die jungen Fürsten, die besser Freundschaft untereinander halten sollten »ehe mettere in travaglio tutta la christianita per gli lor capricij; ma bisogna credere quello esser destino del cielo et bisogna acquietarsi sopra la volunta divina«. — Rubens am 24. 4.1626, CDR III, 440: »le mie occupation! non mi permettono di cavarmi tutti gli mei capricci ne di servire quando pur vorrei gli Amici con quella puntualita ehe converrebbe al obligo mio y la qualita loro«. Rubens am 15. 6.1628, CDR IV, 43r: »mi venne Capriccio d'esclamare«. concetto: Rubens am 13. 9. i62t, CDR II, 286: »Mais comme vous dites tres bien telles choses ont plus de grace et vehemence en un grand tableau qu'un petit. Je voudroy bien que ceste peinture pour la Gallerie de Monseigr le Prince de Galles fust de proportion plus grand pour ce que la capacite du tableau nous rend beaucoup plus de courage pour expliquer bien et vraysamblablemente nostre concept.« - Am 28. 4.1622, CDR II, 390: »corrispondere alii suoi concetti«. Am 20.7.1625, CDR III, 379: »le cose ehe lui proponeva erano diverse del nostro concetto«. — Am 26.12.1625 über ein Buch des Goltzius: »la decima parte del suo concetto«. — Am 24. 7.1626, CDR III, 448, über die Pläne eines Kanalbaues: »Questi concetti, venando a mettersi man a l'opera.« — Am 29. 10.1626, CDR IV, i, über das Gedicht über den Medicizyklus: »della cui bonta toccante gli versi non appartiene a me il giudicio ma a persone di quella professione. La vena mi par generosa e fluente et ha le parole et le frasi in pronto per esplicar il suo concetto.« — ebd.: »concetti delle pitture«. — Am 28. . 627, CDR IV, 30: »Questo concetto e nobile.« — Am 9. 4. 1627, CDR IV, 238: »avocando lanimo a cose . . . de maggior concetto«. — Oft als: »politischer Plan, Absicht». — Am 18. 12. 1634, CDR IV, 82: »per linventione e varieta di concetti novita di dissegni e proprieta della applicatione«. — Am 17. 4. 1640, CDR VI, 271: »concetto delle mie obligation! per li modelli mandatimi«. 109

disegno: Rubens am 19. 3. 1614, CDR II, 69: »laltar maggiore ... secondo il mio disegno«. — ebd.: »dissegno colorito di mia mano«. — Am n. 10.1619, CDR II, 227: »meter en opera ... con mio dissegno«. — Am 24. 7.1620, CDR II, 232: »far un disegno secondo la mia fantasia«. — Am 30.4.1622, CDR II, 400: »li dissegni sono piu finiti e fatti con piu diligenza die le stampe li quali dissegni io posso mostrare ad ogniuno«. - Am 24. 7. 1626, CDR III, 448: »dissegno« = Projekte für den Kanalbau. — Am 9.9. 1627, CDR IV, 303: »Ho ricevuto con gusto il dissegno (benche mal fatto) del cameo di Mantova.« — Am 27.1.1628, CDR IV, 357: »dissegni« zur Heinrichsgalerie. — Am 25. 2.1628, CDRIV, 3164: »chel Principe havesse qualque dissegno«. - Am 8. 8.1629, CDR V, 148: »diversione del dissegno« (Reiseplan). - Am 9. 8.1629, CDR V, 152: »contra il filo degli mei dissegni«. — Am 24. 8.1629, CDR V, 170: »particolar disegno o interes«. — Am 21. 9.1629, CDR V, 204: »con disegno et spressa commissione del Cardenal de Richelieu« geschah Überfall englischer Schiffe. — Am 10. 8.1630, CDR V, 310: »disegno de Jove Pluvio«. — Am 10. 8.1630, CDR V, 311, der Hinweis auf die Zeichnung eines Dreifußes am Briefrand: »comprendera dal disegno«. — ebd., 312: »disegni sono esquisitamente ben fatti«. - Am 18.12.1634, CDR VI, 82: »novita di dissegni«. - Am 4. 9.1636, CDR VI, 165: »dissegno colorito«. Am 12. 3.1638, CDR VI, 208: »disegno in carta«. fa turn: (vgl. fortuna - sorte): Am 9. 12. 1627, CDR IV, 334: Die südlichen Niederlande »di quali ... lui (Spinola) portara il Fato in mano«. — Am 15. 9.1629, CDR V, 197: »fatis imputare«. — Am 10. 8.1630, CDR V, 3T2. — Am T4.1.1611, CDR VI, 327: »in summa ostenderunt terris hunc tantum fata«. — Am 15. 7.1626, CDR III, 444. — Am 23. 9.1627, CDR IV, 308. — Am 24. 5.1603, CDR 1,144. felicitä: Am 17. 3. 1618, CDR H, 130: »le prego del cielo ogni felicita et contentezza«. Dies ist eine von Rubens oft gebrauchte Schlußformel seiner Briefe, z.B.: Am 23.9.1627, CDR VI, 309,· am 10.8.1630, CDR V, 312,· am 17.4.1640, CDR VI, 271: »lunga vita et felicita,· am 14.1.1611, CDR VI, 328. — Am 13. 5.1625, CDR III, 354: Über das 15. Bild aus dem Medicizyklus »ehe significa la felicita della sua Regenza ed il fiore del Regno di Francia, colla resuscitatione delle scienze ed arti per la liberalita e splendore de S. M.«. — Am 9. 9.1629, CDR V, r53: »ehe sara la maggior felicita ehe mi possa accedere in questo mondo«. — Am 1.8.1631, CDR V, 405: »sincerita et felicita dal suo regno« (von Olivares). — Am 16. 8.1633, CDR VI, 128: »ehe il Sigre. Iddio trovara qualche temperamento alle nostre calamita e mi concedera la felicita di poder fruire della dolcissima conversatione di V. S. per via di lettere per molti anni«. — Am 9. 5.1640, CDR VI, 281: »wenschen Ul. ... alle geluck ende volkomen langduring contentement in den houwelycken staet, nyt ganscher harten«. fortuna: Am 12. ir. 1626, CDR IV, 15: »di questa (sc. richezza) dipende la fortuna di Spagna«. — Am 18. 9.1627, CDR IV, 129 an Buckingham: »nonobstant le succes du tout contraire ils perseverent en leur opinion et ne changent d'advis a discretion de la fortune«. — Am 22. 4.1627, CDR IV, 246, über Philipp IV: »per la phisionomia et modi di fare tanto obligante, oltra l'altre sue virtu solide, esser... capace d'ogni gran fortuna«. — Am 14.10.1627, CDR IV, 316, über Buckingham: »egli mi pare ridotto per la sua temerita a termine di vincere o di morire gloriosamente, ma di sopravivere a qualche mal successo, non sarebbe altro ehe servire de ludibrio alia fortuna, et d'irrisione agli suoi nemici«. — Am n. ir. r627, CDR IV, 325: »antivedendo come prattichi chi la fortuna imminente«. — Am 15. 6.1628, CDR IV, 431: »effetti piu tosto della fortuna ehe del suo valore«. — Am 29.12.1628, CDR V, 16: »suae potius stultitiae et negligentiae imputent quam fortunae«. - Am 29.12.1628, CDR V, 16: »fortunae et imperil capax«. ebd.: »fortunae reduci vocis cotidie sacrifica«. — Am 30. 6.1629, CDR V, 81: Cottington sei im Begriff »di far la sua fortuna«, welche er nicht »lasciarsila scappar delle mani«. - Am 8. 8.1629, CDR V, 148: »Mi dispiacce chel Saldino al quäle habbiamo l'obbligo della publicatione e del comentario s'aparte dalla contemplatione et >immiscet se turbis politicis< ehe mi pare professione tanto aliena del nobilissimo suo genio et essatissima dottrina, ehe manco deve acusar fortuna se per contumacia populäre, provocando HO

regis indignatis iram 1'ha gettato in una carcere con altri parlamentarij.« — Am 9. 8.1629, CDR V, 153: Wenn »fortuna« mir gestattet nadi Italien zu fahren. — Im Oktober 1630, CDR VI, 340: »je feroys mon comte davoir perdu ma fortune en France«. — Am 18.12.1634, CDR VI, 81: »Experti sumus invicem fortuna et ego«. — Am 14. n. 1611, CDR VI, 317, über Elsheimer: »poteva colle proprie mani fabricar una si gran fortuna«. - Vgl. s o r t e r Am 17. 5· 1603, CDR I, 128. »spero ehe la bona sorte m'havera conceduta si non Integra almanco in parte qualque satisfattione sua«. Am 2. 12. r6o6, CDR I, 354: »prevalermi della mia sorte«. Am 22. 4.1629, CDR V, 30: »piu sorte ehe valore«. genio: Am 25. n. 1627, CDR IV, 327: »cosa di suo genio«. — Am 29. 12. 1628, CDR V, 16: »Deorum Genibus.« — Am 24.4.1629, CDR V, 30: »attribuire a qualque occulta proprieta del suo Genio overo alia fatal nostra socordia«. — Am 9. 8.1629, CDR V, 152: »qual genio buono malo«. - Am ro. 8. r63o, CDR V, 312: »una certa emphasi nel sembiante ehe mi pare propria del Genio di V. S.« (über Peiresc). — Im Oktober r63O, CDR V, 340: »puissance de son genie«. Am 27. 3.1631, CDR V, 367: »e pare die qualque buon genio mi habbia ritenuto a non imbarcarmi piu avanti«. — Am 18.12.1634, CDR VI, 82: »defrando il mio genio rubbandoli alcune höre notturne«. — Am 16.3.1636, CDR VI, 153: »contra il mio genio a Bruxellas«. — Am i. 8.1637, CDR VI, 180: »Genio suo quisque indulgens.« — Am 12. 3.1638, CDR VI, 208: »angelatto genio«. - Am 23. 3.1628, CDR IV, 38r, über Spinola: »ehe le feste e triunfi non lo rendono negligente piu del solito, ne le grandezze causano alcuna mutatione nel suo genio«. - Am 13.4.1628, CDR IV, 387: »genio di quella corte«. - Am 27.4.1628, CDR IV, 396: »sendo de genio assai mercuriale«. — Am 15. 6.1628, CDR IV, 431: »Genio di quel stato.« - Am 29.12.1628, CDR V, 13: »meo praeceteris genio indulgeam«. Vgl. auch den Essay über die Nachahmung der Plastik, Anhang I, S. 106. gusto: Am 29. 7. 1606, CDR I, 346: »commandanni cose di suo gusto«. — Am 2. 2. 1608, CDR I, 403: »godere l'esquisitezza«. — Am 24. 4. 1618, CDR II, 390: »quadri di gusto mio«. — Am 24. 7.1620, CDR II, 250: »con molto mio gusto«. - Peiresc am 1.12.1622, CDR III, 86: Rubens müsse sich in seinen Bildern dem »gusto di questa natione« anpassen. — Rubens am r3. 5. r625, CDR III, 351: »mi ha levato il gusto di quella festa«. — Am 19.9.1625, CDR III, 387: »perche in ogni modo sono negotii de gusto et quando si andasse la mia vita, io non potrei farsi altro, con questi impedimenti di tanto viaggiare«. — Am 22.4.1627, CDR IV, 246: »si gli grandi di Spagna potessero maritare a lor gusto y senza licenza del re«. — Am 25. n. 1627, CDR IV, 327: Das Buch »le trovo bellissime et intieramente a mio gusto«. — Am 10. 8.1630, CDR V, 312, an Peiresc: »si maraviglianno tutti ehe V. S. in tanta calamita publica stia col animo tanto reposato ehe possa col gusto solito continuar la sua nobilissima curiosita nella osservacione >rerum antiquarumftuna tcrrnjit E>t fti/pcstus bonus, jjtmttnt nutunis ornus Ipsu tiK , iW/fr tcutu, et iu tuj orifior Imperium, vitemij) t&i , JvrmtJote rym. · 5

/. Stradanus, Caesar, M nchen, Graph. Sammhing

Tafel V

6

Titelblatt von Olivicro »La Alcmcmna«

Tafel VI

7 P. P. Rubens, Der Künstler im Kreise, seiner Freunde. Köln, Walhaf-Richartz-Museum

Tafel VII

H

P. P. Rubens, Der Tod des Seneca. München, Alte Pinakothek

Tafel VIII

9 P. P. Rubens, Justus Lipsius im Kreise seiner Schüler. Florenz, Palazzo Pitt;