Ökolabel konstruieren Markenprodukte als nachhaltig.Markensysteme erhöhen durch Ökolabel ihre Kommunikationserfolge und
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German Pages VII, 281 [287] Year 2020
Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VII
Komplexe Einkäufe und der Aufbau dieser Arbeit (Tobias Schnell)....Pages 1-9
Grundlagen der Markensoziologie (Tobias Schnell)....Pages 11-72
Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille? (Tobias Schnell)....Pages 73-236
Ökolabel und Markenprodukte (Tobias Schnell)....Pages 237-250
Back Matter ....Pages 251-281
Tobias Schnell
Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe Eine markensoziologische Organisationsanalyse am Beispiel von Konsumgütern aus dem Lebensmittelsektor
Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe
Tobias Schnell
Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe Eine markensoziologische Organisationsanalyse am Beispiel von Konsumgütern aus dem Lebensmittelsektor
Tobias Schnell Sozialwissenschaften, Fach Soziologie Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Kiel, Deutschland
ISBN 978-3-658-32162-8 ISBN 978-3-658-32163-5 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-32163-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Carina Reibold Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Inhaltsverzeichnis
1 Komplexe Einkäufe und der Aufbau dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Grundlagen der Markensoziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Soziologischer Forschungsstand: Markensoziologie und Nachhaltigkeitslabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ein Überblick über die Geschichte der Warenzeichen . . . . . . . . . . 2.3 Marken und Label: Definitionen und Verständnisse . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Eine Definition von Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Eine Definition von Labeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Theoretische Vorannahmen der gestalttheoretischen Markensoziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Grundannahmen sozialer Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille? . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Wesenwille und Kürwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Die Marke als wesenwillige Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Label und Willensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die Markengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Labelgemeinschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Marken als hyperorganische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Label als Hyperorganismen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Gestalt und ihre Komposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Die Marke als einmalige Gestaltkomposition . . . . . . . . . . . 3.4.2 Label als einmalige Gestalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 21 33 33 45 56 66 73 75 83 89 96 106 121 127 129 140 146 156 160
V
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Inhaltsverzeichnis
3.5 Selbstähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Marken als selbstähnliche Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Selbstähnlichkeit von Labeln als Komplexitätsreduktionsmechanismus? . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Ideenorganismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Marken als Ideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Label im Kampf der Ideenorganismen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Öffentliche Meinung und positive Vorurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 Vertrauensgewinnung als Ziel der Marke . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2 Vertrauensbildung durch Label? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Resonanz – das Echo des guten Rufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.1 Resonanzenergien und Markenkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.2 Label als Katalysatoren von Resonanzfeldern? . . . . . . . . . 3.9 Zwischenfazit: Marken sind keine Label – Label sind ein bisschen Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9.1 Zusammenfassung: was sind nun eigentlich Marken? . . . . 3.9.2 Ein gestalttheoretisches Verständnis von Labeln und Greenwashing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
164 168 171 174 179 181 186 192 197 202 209 213 218 218 227
4 Ökolabel und Markenprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Ökolabel im Markensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe . . . . . .
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Glossar Markensoziologie – Alphabetisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur und verwendete Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
2.1 2.2 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14
Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
3.15 3.16 3.17 4.1
Einordnung der Markensoziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Einordnung der Label . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Willensarten nach Tönnies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dichtezonen der Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinschaft und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Governance-Idealtypen nach Wenzel (2016) . . . . . . . . . Merkmale von Gemeinschaft, Gesellschaft und Markengemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marken und Label als Bündnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrebenenmodell der Label . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollstufen von Labeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kürwillige Assoziationstypen der Label . . . . . . . . . . . . . Dichtezonen der Marke – erweitert . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell der wesenwilligen Labelnutzung . . . . . . . . . . . . Markenzelle als System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was ist eine Marke – Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Marken und Labeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enges und weites Verständnis von Warenzeichen . . . . . Wahrnehmung und Wahrgebung von Labeln . . . . . . . . . Was sind Label? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Markenzelle – Ökolabel auf Markenprodukten . . .
63 64 82 85 100 104 118 124 143 145 182 191 202 224 226 231 232 233 235 239
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Komplexe Einkäufe und der Aufbau dieser Arbeit
Wir alle kennen das: man geht in einen durchschnittlichen Lebensmitteleinzelhandel und möchte eigentlich nur ein paar Dinge für das Abendessen kaufen. Man hat kaum das Obst und Gemüse hinter sich gelassen und steht schon vor Regalschluchten voller Produkte, die in mehreren Etagen übereinanderstehen und nur darauf warten, von hungrigen Konsument*innen1 entdeckt zu werden. Jedes dieser Produkte ist meist vollständig verpackt und wir müssten es erst kaufen, um wirklich zu wissen, ob uns etwa ein Käse auch so nussig schmeckt, wie es auf der Verpackung angegeben ist. Die aufgedruckten Inhaltsstoffe auf der Packung bringen uns in dieser Hinsicht auch nicht sehr viel weiter. Man kann die zeitgenössische Einkaufssituation ohne Übertreibung als unübersichtlich bezeichnen. Die komplexe Alltagssituation des Einkaufs kann dadurch schnell zum verwirrenden Labyrinth aus Waren, Inhaltsstoffen und einer grundlegenden Überauswahl nicht bekannter Hersteller*innen werden. Zur Orientierung in den LabyrinthSchluchten aus Verkaufsregalen haben die Hersteller*innen der Produkte uns Konsument*innen zum Glück einen roten Ariadnefaden gespannt. Gemeint sind die Warenzeichen, die uns Orientierung beim Einkauf geben sollen. Insbesondere die Markenzeichen dienen vor allem dazu, Produkte einer bestimmten Hersteller*in auf dem Markt identifizierbar zu machen (vgl. Fezer 2006: 430). Während die Markenzeichen also noch die Übertragung von Vertrauen und Erwartungen erlauben, wird die Situation spätestens dann wieder komplizierter, wenn man
1 Die
Arbeit entscheidet sich aus Platz- und Formulierungsgründen für den GenderAsterisk*. In einzelnen Beispielen, bei feststehenden Fachbegriffen, aus Gründen der historischen Vollständigkeit und in Grafiken können auch nicht gegenderte Formen vorkommen. Hier wird sich um Ausgleich weiblicher und männlicher Formen bemüht, sofern dieser adäquat umsetzbar ist. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 T. Schnell, Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32163-5_1
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Komplexe Einkäufe und der Aufbau dieser Arbeit
nachhaltige Produkte kaufen möchte. Hier ist man wieder mit demselben Ausgangsproblem konfrontiert: der Komplexität des Überangebotes von Labeln, auf einem Überangebot an Waren. Ein einzelner Schnittkäse kann somit gerne einmal drei verschiedene Siegel von ganz unterschiedlichen Stellen, mit ganz unterschiedlichen Aussagen tragen. So kann der Käse etwa das EG-Biosiegel tragen, von Demeter zertifiziert worden sein und zusätzlich einen Qualitätsnachweis eines Prüfinstituts aufgebracht haben. Offenbar wird hier mit vielen Mitteln versucht, ein Produkt als nachhaltig zu kommunizieren, dessen Eigenschaften wir als Konsument*innen gar nicht direkt prüfen könnten, selbst wenn wir wollten. Manche würden nun einfach mit den Schultern zucken, das Produkt in den Korb legen, weil schon alles seine Richtigkeit haben wird und weiter einkaufen. Für die Soziologie kann diese simplifizierende Reaktion jedoch keinesfalls ausreichen. Denn Warenzeichen kommunizieren offenbar Bedeutung. Marken sind sogar für sich betrachtet eine Form der kommerziellen Kommunikation (vgl. Fezer 2006: 430, 432; vgl. auch Hölscher 1998: 204 f.) und für Label ist dieser Status ebenfalls anzunehmen. Dies zeigt sich bereits deutlich, wenn man etwa Ökolabel und ihre strukturierende Funktion des Sozialen etwas genauer betrachtet. Denn Ökolabel sind überall. Wir begegnen ihnen wie beschrieben beinahe täglich, insbesondere beim Einkauf von Lebensmitteln. Label vermitteln Informationen und haben daher das Potential, als eine echte Entscheidungshilfe im Einkauf zu gelten (vgl. Csigéné Nagypál et al. 2015: 210 f.). Angesichts tausender von Artikeln, die ein durchschnittlicher deutscher Lebensmittelmarkt führt, ist diese Orientierung auch zwingend notwendig, um eine zufriedenstellende Einkaufsentscheidung zu fällen. Insbesondere gilt es, in Anbetracht der fehlenden direkten Verbindung von Produzent*innen und Verbraucher*innen, die große Unsicherheit in einer von Skandalen durchzogenen Branche zu reduzieren (vgl. etwa Barlösius 2016: 267–273). Etwa 90% aller deutschen Konsument*innen sehen Lebensmittel als ein potentielles Sicherheitsrisiko an (vgl. SGS Germany 2016: 6). Ein Label ist womöglich in der Lage, diese verlorene Sicherheit und das fehlende Vertrauen wiederherzustellen oder überhaupt erst zu erzeugen. Dabei erweitern Label gleichermaßen durch ihre zusätzlichen Informationen den sozialen Raum, in welchem die Herstellermarken bereits agieren. Auch aus diesem Grund handelt es sich bei Labeln unter anderem um eine Interaktion zwischen Organisationen und Verbraucher*innen (vgl. Prieto-Sandoval et al. 2016: 810 f.), so wie auch Marken einen Dialog zwischen Unternehmer*innen und Verbraucher*innen ermöglichen (vgl. Fezer 2006: 432). Warenzeichen fungieren hier also eindeutig als ein kommunikativ interpretiertes Symbol und Kommunikation
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besteht per Definitionem erst dann, wenn man sich gegenseitig wie intendiert verstehen kann (vgl. Abels 2010: 259, 261). Die sozial erworbenen Bedeutungen der Gesten müssen für ein gegenseitiges Verstehen folglich übereinstimmen (vgl. Blumer 1998: 10; vgl. auch Hölscher 1998: 48 ff.). Obwohl die Frage danach, wie Label in das soziale Leben von Menschen eingebettet sind, eine eindeutig soziologische Fragestellung ist, schweigt sich die Soziologie zu diesem Thema derzeit aus. Lediglich einzelne und eher explorative Studien existieren zu Ökolabeln, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der ökologischen Innovation und des nachhaltigen Konsums. Dabei ist auch ein sozialer Zusammenhang einer anderen Art augenfällig: Ökolabel kommen fast ausschließlich nur im Verbund mit Marken vor. Insofern gibt es eine nicht zu leugnende Verbindung beider Warenzeichen in ihrem Definitionszusammenhang während der Einkaufssituation (vgl. dazu auch Hölscher 1998: 178 f.). Somit besteht die Möglichkeit, auch Marken und den Forschungsstand zu ihnen in Betracht zu ziehen. Denn in Bezug auf Marken, hat sich tatsächlich bereits eine kleine spezielle Soziologie herausgebildet, die sich explizit den sozialen Aspekten und soziologischen Aspekten von Marken widmet. Ausgangspunkt und Begründung der Markensoziologie ist die soziale Funktion und die soziale Einbettung der Warenzeichen in die Gesellschaft. So sind Warenzeichen immer als Kommunikation anzusehen, dienen der Distinktion und Identifikation von Waren und Menschen gleichermaßen, sind Gegenstand öffentlicher Meinung und öffentlichen Vertrauens oder können sogar als eigene soziale Systeme angesehen werden (vgl. etwa Hellmann 2003; vgl. etwa Hüllemann 2007; vgl. etwa Deichsel et al. 2017; vgl. etwa Hölscher 1998). Wenn wir über Warenzeichen sprechen, dann behandeln wir damit also ein Kernthema der Soziologie, welches alltäglich ist, unser soziales Leben ordnet und darüber hinaus eine große Bedeutung für die gesamte Gesellschaft und ihre soziale Ungleichheit besitzt. Die wirtschaftlichen Bezüge sind ebenfalls offensichtlich und auch die Wirtschaft ist ein soziologisches Kernthema, handelt es sich bei ihr doch um einen kommunikativen Austauschprozess von Menschen (vgl. Errichiello 2019: 22, 31 f., 35). Die soziale Ungleichheit der Gesellschaft geht dabei sogar noch über die ökonomische Dimension von Ungleichheit hinaus, denn sie thematisiert zusätzlich auch soziale Identitäten und Distinktionsschemata (vgl. dazu Hölscher 1998: 301 f.).2 Mit den Kernthemen der Kommunikation und der sozialen Ungleichheit identifizierte daher auch der im Bereich der Markensoziologie habilitierte Soziologe
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dieser Arbeit wird soziale Ungleichheit vor allem im organisationalen Sinne als gesellschaftliche Asymmetrie von verschieden ausgestatteten Akteuren verstanden (vgl. auch Coleman 1982).
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Kai-Uwe Hellmann (2003: 446–449) die zentralen Forschungslücken der Markensoziologie, welche er in seiner Schrift schemenhaft anreißt und die er als Frage noch zentral der Wirtschaftssoziologie zuordnet. Der naheliegende Zugang zur Frage nach der Kommunikation von Produkteigenschaften durch Warenzeichen ist demnach also die Markensoziologie. Nicht zuletzt drehen sich doch die spezifischen, kommunikativ ausgehandelten und situationsdefinierenden Symbole der Warenzeichen insbesondere um die omnipräsenten Marken, die mittlerweile in allen Lebensbereichen anzufinden sind (vgl. dazu Hölscher 1998: 48 ff.). Marken im Sinne von Warenzeichen gelten als eine international verständliche Sprache des Handels (vgl. dazu etwa Hellmann 2003: 17 f.). Je nach Definition sind Marken jedoch aufgrund ihres sozial bedingten Charakters nicht allein als Warenzeichen anzusehen. Auch Orte, Personen und Zugehörigkeitssymbole können den Status von Marken annehmen, so dass es kaum einen Bereich irgendeiner Gesellschaft gibt, in welchem Marken als soziale Ausprägung nicht vorkommen würden. Menschen gestalten ihr Leben demnach weltweit um Marken herum, etwa wenn sie einen distinktiven Habitus und Markentreue über Markenkleidung ausleben (vgl. Hölscher 1998: 16, 60; vgl. dazu auch Hellmann 2003: 230–233) oder sich mit gleichgesinnten Freunden der Lieblingsmarke in einer Markengemeinschaft austauschen (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004). Die vorliegende Arbeit setzt an diesen Themenfeldern an, indem sie sich mit der zuvor angedeuteten Fragestellung beschäftigt: wie werden Markenprodukte durch Ökolabel als nachhaltig konstruiert? Hierin befinden sich gleich mehrere soziologische Implikationen. Zum einen muss über einen alternativen Kommunikationsbegriff nachgedacht werden, der laut dem Nachwort von Hellmann (2003: 446 f.) bislang noch vage ist und insbesondere in jüngeren Forschungen mittelbar an Luhmanns Verständnis von Systemkommunikation angeknüpft wurde (vgl. dazu etwa Hüllemann 2007; vgl. etwa auch Reinbacher 2018). Dadurch wurden weitere mögliche Theorien über Kommunikation bislang nicht berücksichtigt, wodurch auch weitgehend die Möglichkeit der Markensoziologie eingeschränkt wird, die Markensymbole in ihrer identitätsstiftenden Kommunikationsleistung stärker zu berücksichtigen. Diese Betrachtung hätte jedoch eine große soziologische Relevanz, da Kommunikation und soziale Konstruktion nicht ausschließlich nur über Marken stattfinden, sondern auch durch sie (vgl. Hölscher 1998: 16, 178 f.; vgl. auch Hellmann 2003: 449). Marken sind in dieser Perspektive gleichermaßen Bedeutungsträger und ein soziales Verhandlungsgut, wie sie Teil einer Systemkommunikation sind. Marken sind also nicht ausschließlich ein funktionales Vehikel von Informationen, sondern tragen als verhandeltes Medium eine formative soziale Bedeutung in sich. Dieser vielschichtige Charakter von Marken
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als Kommunikationsmedien bringt es auch mit sich, dass Marken unterschiedlich verstanden werden können. So muss die interpretierte Bedeutung der Empfänger nicht zwingend mit der vermittelten Information des Senders übereinstimmen (vgl. Hölscher 1998: 45 f., 52 f.; vgl. dazu auch Kühn 2011: 24). Hinzu kommt, dass im Falle von modernen Warenmärkten der Sender in aller Regel während der Rezeption des Mediums Marke auch gar nicht persönlich anwesend ist und dadurch keinen direkten und wechselseitigen Einfluss auf den Rezeptionsprozess nehmen kann (vgl. dazu Coleman 1982; vgl. dazu Maletzke 1978; vgl. auch Hartmann 2017; vgl. auch McQuail 2010). Aufgrund der fehlenden persönlichen Verständigung ist die nichtsprachliche Kommunikation auf Märkten für die Effizienz der Informationsaufnahme entscheidend (vgl. Errichiello 2019: 91). Sobald wir über Kommunikation in Märkten sprechen, ergibt sich dadurch also auch ganz automatisch eine kommunikative Asymmetrie von Organisationen und Konsument*innen, die selbst wiederum einen Aspekt sozialer Ungleichheiten darstellt. Auch in sozialer Ungleichheit existiert laut Hellmann (2003: 448 f.) eine Verbindung mit dem Thema der Marke. Die vorliegende Arbeit liefert einen Beitrag zur Füllung dieser beiden zentralen Forschungslücken, indem sie die symbolische Bedeutungskommunikation von Warenzeichen betrachtet und ihre sozial konstruierenden Wechselwirkungen miteinander analytisch begreifbar macht. Konzeptionell verbindet die Arbeit dabei die Erkenntnisse der Mediensoziologie, der Organisationssoziologie, der Soziologie sozialer Ungleichheiten, der Lebensstilforschung und der Markensoziologie. Vor allem, da Hölscher (1998) in ihren Forschungen bereits den Symbolcharakter von Marken, ihre Kommunikationsfunktion für Status, Image, Prestige und deren Relevanz für soziale Ungleichheit im Sinne von Distinktionsschemata und sozialen Identitäten nachgewiesen hat, versteht sich diese Arbeit als Erweiterung ihrer Grundlagenforschung und deren Verflechtung in die Markensoziologie. Während Hölscher (1998) also das was in der Kommunikation näher beleuchtet, fokussiert diese Arbeit das wie und betrachtet die Warenzeichen stärker als Kommunikations- und Konstruktionsmedien. Wo Hölscher (1998) die Verwendung von Marken durch subkulturelle Gruppen und Individuen behandelt, stellt diese Arbeit insbesondere die Organisationen hinter den Marken in den Vordergrund. Eine wesentliche Erweiterung ergibt sich dabei durch die Hinzuziehung von Labeln, die bislang hier keine Beachtung erfahren haben. Insofern ergänzen sich hier beide Konzepte inhaltlich, ohne sich unmittelbar zu gleichen. Daraus ergeben sich weitreichende Implikationen für die Markensoziologie und deren Einbindung in weitere soziologische Teilbereiche. Insofern lautet die Forschungsfrage der Arbeit: Wie werden Markenprodukte durch Ökolabel als nachhaltig konstruiert?
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Ferner besitzt die Forschungsarbeit demnach eine Reihe von Unterfragen, die während des Verlaufes der Arbeit beantwortet werden. Aus noch darzustellenden Gründen lauten die Unterfragen folgendermaßen: Wie lässt sich der gestalttheoretische Ansatz der Markensoziologie zusammenführen? Wie lassen sich Label markensoziologisch begreifen? Diese Unterfragen werden einerseits innerhalb dieses Projektes erarbeitet und liefern andererseits auch wesentliche Beiträge zur Beantwortung der Leitfrage, wie Markenprodukte durch Ökolabel als nachhaltig kommuniziert werden. Die restliche Arbeit ist in drei Oberkapitel untergliedert, die ihrerseits eine spezifische Funktion für die Arbeit und zur Beantwortung der Unterfragen besitzen. Wie schon zuvor angedeutet, bedarf die Herangehensweise zur Beantwortung des Forschungsinteresses einiger Vorarbeit. Da die Markensoziologie bislang nur eine sehr fragmentierte Forschungslandschaft besitzt, ist eine überblickshafte Zusammenfassung der Ansätze und Forschungsstränge der notwendige erste Schritt in dieser Arbeit. Insofern folgt auf diese Einleitung zunächst eine kleine Aufarbeitung des sehr fragmentierten Forschungsstandes im Kapitel 2, sowie die begründete Auswahl eines der Forschungsstränge für das weitere Vorgehen. Dem Verständnis von Label und Marke wird daher hier zuerst eine kleine Geschichte der Warenzeichen vorweg gestellt (2.2), an welche eine Definition von Marken und Labeln angeknüpft wird (2.3). Hierbei wird bereits ersichtlich, dass sich Marken und Label gemeinsame Wurzeln und Charakteristika teilen, in anderen Bereichen jedoch weit auseinander liegen. Schließlich werden noch einmal überblickshaft die theoretischen Grundannahmen der gestalttheoretischen Markensoziologie besprochen (2.4), bevor die eigentliche Analyse stattfindet. Im Abschnitt 2.4 wird der gestalttheoretische Ansatz auch in seiner Gesamtheit umrissen, wo an dieser Stelle nur Aspekte aufgezählt werden können. Schließlich wird in Abschnitt 2.5 die Grundannahmen sozialer Konstruktion in dieser Arbeit diskutiert, die zur Beantwortung der Forschungsfrage hinführen. Kapitel 3 führt erstmals den ansonsten fragmentierten gestalttheoretischen Ansatz3 der Markensoziologie zu einem größtmöglich integrierten Ganzen zusammen und grenzt im selben Zuge, vor dem Hintergrund des bisherigen Status Quo der Forschung, die Label von den Marken ab. Insofern werden die erste und zweite Unterfrage der Arbeit hier beantwortet, indem der gestalttheoretische Ansatz zusammengeführt und ein markensoziologisches Verständnis von Labeln 3 An
bestimmten Stellen des Textes sind besonders zentrale Begriffe und Worte kursiv hervorgehoben, um ihre Bedeutung vom restlichen Wort- und Lesefluss des Satzes abzuheben. Es existieren keine weiteren Anwendungsregeln für kursive Begriffe in diesem Skript, so dass situativ einige zentrale Begriffe an bestimmten Stellen kursiv hervorgehoben sind und an anderen nicht.
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angestrebt wird. Es geht im Kern also zunächst darum, die Grundzüge gestalttheoretischer Markensoziologie analytisch zusammenzuführen, um von diesen Grundzügen ein markensoziologisches Verständnis von Labeln abzuleiten. Die Arbeit begeht daher hier bereits zum Teil Neuland, da eine Integration des gestalttheoretischen Ansatzes unter rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten einerseits noch nicht in dieser Form geschehen ist, andererseits Label bislang aus der markensoziologischen Forschung geradezu gänzlich ausgeschlossen wurden. Singulär werden sie bislang den Marken gegenübergestellt und als Instrument des Marketings betrachtet (vgl. Errichiello/ Zschiesche 2017: 19). In dieser Arbeit wird jedoch argumentiert, dass Label und Marken gleichermaßen bedeutungstragende Symbole sind und Label daher nicht ausschließlich als Instrumente des Marketing zu begreifen sind. Der gewählte markensoziologische Ansatz setzt vor allem bei den Begriffen von Ferdinand Tönnies (1991) an, dem ersten deutschen Soziologen. Zunächst werden aufgrund ihrer Bedeutung für den Ansatz daher die Willensarten nach Tönnies besprochen (3.1), welche die Grundlage seiner Sozialtheorie darstellen, um anschließend auf die darauf aufbauenden sozialen Assoziationen der Gemeinschaft und Gesellschaft einzugehen (3.2). Auch die gestalttheoretische Systemtheorie baut auf Tönnies (1991) und dessen sozialer Assoziation der reinen Gemeinschaft auf, so dass die gestalttheoretische Auslegung von Systemen dann im anschließenden Abschnitt 3.3 kurz besprochen wird. Schließlich wird auf zwei spezifische Aspekte gestalttheoretischer Systeme eingegangen, welche für die Theorie namensgebend, zentral und prägend sind: Gestalt (Abschn. 3.4) und Selbstähnlichkeit (Abschn. 3.5). Daran anschließend wird auf stärker interpretative Aspekte des gestalttheoretischen Ansatzes eingegangen, wie die Ideenorganismen (Abschn. 3.6), die öffentliche Meinung (Abschn. 3.7) und die Resonanz (Abschn. 3.8). Das dritte Kapitel schließt mit einer Zusammenführung des gestalttheoretischen Ansatzes, sowie einer Evaluation der teils dialektischen Gegenüberstellung von Marken und Labeln hinsichtlich weiterer Forschungsimplikationen für die Entwicklung eines integrierenden Modells von Warenzeichen ab (Abschn. 3.9). Die Zusammenfassung zeigt dabei gleichermaßen auch Anregungen für den potentiellen Entwicklungsbedarf des gestalttheoretischen Ansatzes auf und legt eine Grundlage für die Entwicklung eines adäquaten Kommunikationsverständnisses innerhalb der gestalttheoretischen Forschungsergebnisse. Das ist deshalb notwendig, weil einerseits der gestalttheoretische Ansatz mit seiner eher sozialphilosophischen und rein wesenwilligen Betrachtungsweise nur Anteile von Marken betrachten kann, andererseits der Ansatz aber dadurch in seinen Grundzügen auch dialektisch unvollständig ist. Der Kapitel 3 bemüht sich folglich um die konsequente Weiterentwicklung des gestalttheoretischen Ansatzes,
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um eine Analyse von Warenzeichen als Bedeutung kommunizierende Symbole überhaupt möglich zu machen. Dieses überbrückt dabei konzeptionelle Erklärungsprobleme des bestehenden gestalttheoretischen Ansatzes, wie er hier in der Arbeit hergeleitet wird. Schließlich wird das entwickelte Modell im Kapitel 4 anhand eines praktischen Beispiels angewandt, um die Forschungsfrage danach zu beantworten, wie Markenprodukte durch Ökolabel als nachhaltig konstruiert werden. Zunächst werden hierfür Ökolabel innerhalb des Markensystems analysiert, um Rückschlüsse über deren Eingliederung im markensoziologischen Modell aus Kapitel 3 zu erlauben (4.1). Diese Rückschlüsse werden dann unmittelbar auf die Beantwortung der Forschungsfrage ausgerichtet, indem geprüft wird, wann ein Ökolabel als Instrument des Greenwashing und wann es als echte Entscheidungshilfe gelten kann (4.2). Auf die Beantwortung der Fragestellung folgen ein Glossar mit zentralen Definitionen (Kap. 5) und die Quellen der Forschungsarbeit (Kap. 6). Neu innerhalb der wissenschaftlichen Debatte ist hier dabei einerseits die Zusammenführung des gestalttheoretischen Ansatzes in ein integriertes Modell, welches stark an andere soziologische Forschungsbereiche anschlussfähig ist, so etwa an die Lebensstilforschung, soziale Ungleichheit, Wissenssoziologie, Mediensoziologie, Wirtschaftssoziologie, Organisationssoziologie oder Konsumsoziologie. Ferner erlaubt das Modell das Begreifen von Warenzeichen in ihrer Wechselwirkung zueinander und miteinander, was Erkenntnisse über die soziale Konstruktion von Markenprodukten erlaubt. Das Begreifen von Warenzeichen als sinntragende Symbole öffnet eine interpretativ soziologische Betrachtungsweise, wo vorher die Systemtheorie dominierte. Diese gesammelten Erkenntnisse wiederum ermöglichen andererseits das effiziente Gestalten von Marken und Labeln zur Erreichung von Kommunikationszielen. Angesichts des anthropogenen Klimawandels sind insbesondere Ziele der Nachhaltigkeit ein zentrales Desiderat der Menschheit und effizient gestaltete Ökolabel können bei der Eindämmung dieses Problems womöglich einen Anteil leisten (vgl. dazu auch United Nations 2019: sustainabledevelopmentgoals.un.org). Der Ariadnefaden der Arbeit spannt sich demnach entlang des gestalttheoretischen Ansatzes der Markensoziologie, über den die Leser*innen im nächsten Kapitel mehr erfahren und führt über dessen Aufarbeitung zur praxisnahen Beantwortung der Forschungsfrage. Die hier aufgestellten Konzepte liefern einen Beitrag zur Füllung diverser Lücken im markensoziologischen Diskurs. Ausgangspunkt hierfür ist die bisher sehr fragmentierte Forschungslandschaft der Markensoziologie, die insbesondere im gestalttheoretischen Ansatz Marken nur unter dem sozialphilosophischen Aspekt reiner Gemeinschaft betrachtet hat. Ein
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vollwertiger Ansatz muss jedoch die Vermittlung zwischen beiden Willensarten nach Tönnies (1991) anstreben, was im Laufe dieser Arbeit geschehen wird. Daneben ergeben sich auch praktische Implikationen der Arbeit, denn die Warenzeichen als Symbole zu begreifen die Bedeutungen kommunizieren, erlaubt deren effiziente Gestaltung als Massenkommunikationsmedium, sowie die wissenschaftliche Anbindung an weitere soziologische Teildisziplinen wie die soziale Ungleichheit, die Organisationssoziologie, die Mediensoziologie und die Konsumsoziologie. Insofern folgt diese Arbeit auch den Grundzügen der soziologischen Disziplin, deren Praxisbezug ein stetes Element soziologischen Schaffens ist (vgl. Schnell 2018). Schließlich liefert das Konzept auch Hinweise darauf, inwieweit es sich bei Labeln um eine kommunikative Überwindung der Asymmetrie in modernen Warenmärkten handelt, die Markenprodukte symbolisch als nachhaltig definiert und so das Entscheidungsproblem der Konsument*innen, unter Risiko einer Täuschung, verringert.
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Grundlagen der Markensoziologie
Das zweite Kapitel der Arbeit behandelt die Grundlagen der gestalttheoretischen Markensoziologie, mitsamt ihrer Prämissen und Vorannahmen (2.4), dem Forschungsstand (2.1), gängigen Definitionen von Marken und Labeln (2.3) und der historischen Herleitung von Warenzeichen (2.2). Insofern ist das zweite Oberkapitel der ersten Unterfrage gewidmet, die sich mit der Zusammenführung des gestalttheoretischen Ansatzes beschäftigt. Ziel ist es in einer vergleichenden Gegenüberstellung von Marken und Labeln, sich durch eine analytische Zusammenführung gestalttheoretischer Prinzipien dem komplexen Thema der bislang soziologisch kaum erforschten Label zu nähern. Wo die Betrachtung durch gestalttheoretische Prinzipien nicht möglich erscheint, wird eine Erweiterung des Ansatzes angestrebt. In diesem Sinne behandelt das zweite Kapitel ebenfalls die zweite Unterfrage, wie sich Label markensoziologisch begreifen lassen. Zuvor müssen jedoch einige allgemeine Grundlagen der Warenzeichen zusammengeführt werden, da viele verschiedene Fächer auch viele verschiedene Herangehensweisen an das Thema hervorgebracht haben. Andererseits können die Warenzeichen, wie viele soziale Problemlösungsstrategien, vor allem aus ihren historischen Ursprüngen begriffen werden. Um diese Erkenntnisse zu erzielen, wird nach dem Forschungsstand (2.1) einerseits ein Blick auf die Geschichte der Warenzeichen geworfen (2.2), als auch andererseits eine auf der Geschichte und dem Forschungsstand aufbauende, allgemeine Definition von Marken und Labeln angestrebt (2.3). Schließlich wird auch auf die Grundzüge des Konstruktionsverständnisses in dieser Arbeit eingegangen (2.5), ohne welche die Forschungsfrage nicht zu beantworten wäre. Die im zweiten Oberkapitel aufgestellten Charakteristika von Labeln sind aus markensoziologischer Sicht für die Analyse des dritten und vierten Kapitels zentral, da bislang kein zuverlässiger markensoziologischer Forschungsstand zum © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 T. Schnell, Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32163-5_2
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Grundlagen der Markensoziologie
Thema der Label existiert. Ebenfalls muss zuvor der hier als gestalttheoretischer Ansatz bezeichnete Forschungsstrang aus seinen fragmentierten Bezügen zu einer in sich geschlossenen Theoriekonzeption geformt werden. Nur über diese beiden analytischen Teilschritte ist es möglich, ein integratives Verständnis von Warenzeichen und deren Leistung als Kommunikationsmedien zu entwickeln, welches für dieses Forschungsvorhaben zentral ist. Insofern legt das zweite Kapitel der Forschungsarbeit die Grundlagen für die Untersuchung dieser bislang als distinkt behandelten sozialen Ausformungen von Kommunikationsmedien und beginnt die Beantwortung der ersten beiden Unterfragen der Forschungsarbeit.
2.1
Soziologischer Forschungsstand: Markensoziologie und Nachhaltigkeitslabel
Wer sich zum ersten Mal mit der Markensoziologie befasst, der steht schnell vor einem ähnlichen Problem wie die Einkäufer*in aus dem vorigen Kapitel. Denn der Forschungsstand der Markensoziologie ist stark fragmentiert und besteht aus einer großen Zahl kleiner Einzelpublikationen, die sich an große Monographien reihen, welche das Feld konzeptionell dominieren. Ein roter Faden ist erst einmal nicht erkennbar und wird nur bei genauer Recherche schrittweise greifbarer, was jedoch nicht heißt, dass auch zwei Publikationen zwingend einem spezifisch gleichen Ansatz folgen würden. Viel mehr müsste hier also von markensoziologischen Ansätzen gesprochen werden. Für Label fällt dieses Urteil sogar noch drastischer aus, weil sie bislang in der Soziologie bestenfalls randständig betrachtet wurden. In der Markensoziologie, die sich naheliegender Weise mit Markenzeichen befasst, fehlt eine Analyse dieser Warenzeichen sogar völlig. Eine Position hierzu muss demnach zunächst einmal aus Ergebnissen von Nachbardisziplinen heraus in die Soziologie überführt werden. Bevor aber der Blick auf die Ökolabel geworfen werden kann, ist also ein Abgleich mit den bisherigen Forschungsergebnissen zu diesem Thema in der Soziologie sinnvoll. Sukzessive erweitert wird dieser Abgleich durch den Stand der Nachhaltigkeitslabel aus interdisziplinärer Perspektive, an welchen dann spezifisch die markensoziologischen Erkenntnisse und Forschungsstränge geknüpft werden. Dieses Kapitel leistet daher eine erste kurze Übersicht über die markensoziologische Forschung, aber auch über weitere soziologische Betrachtungen des Themas der Nachhaltigkeitslabel, welche im Laufe der Arbeit Beachtung finden sollen. Erst einmal ist demnach auf die Warenzeichen der Label zu sehen. Vorwegzustellen ist hier, dass sich unmittelbar zum Thema der Label, die im deutschen
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Sprachgebrauch auch nicht selten als Siegel bezeichnet werden, kaum soziologische Publikationen finden lassen. Mittelbar finden sich jedoch Texte aus den Bereichen der Markensoziologie, der Konsumsoziologie und der Ernährungssoziologie, die allerdings thematisch noch zielgerichtet interpretiert werden müssten, weil das Thema der Label hier im Grunde keinen eigenen Stellenwert einnimmt. Der begrifflich ähnlich gelagerte labeling approach (vgl. dazu Lamnek 2013: 223– 244), in welchem der Begriff Label ja immerhin vorkommt, ist dagegen eher kriminalsoziologisch angelehnt und bietet somit mehr einen Hinweis, als eine Hilfestellung zur Erschließung eines soziologischen Verständnisses von Labeln auf Produkten. Neben explorativen Ansätzen der Soziologie unter dem Gesichtspunkt der ökologischen Innovation (vgl. Csigéné Nagypál et al. 2015), ist der Forschungsstand zu Labeln vor allem im internationalen und interdisziplinären Bereich zu suchen. Tatsächlich lässt sich in internationalen wissenschaftlichen Journalen eine Vielzahl von Publikationen identifizieren, die eine potentielle Relevanz für das Thema besitzen. Dort läuft der Forschungsstand, welcher für diese Arbeit eine Relevanz besitzt, vor allem unter dem Begriff eco-label oder zu Deutsch Ökolabel. Insbesondere die Zeitschrift Food Quality and Preference, sowie das Journal of Cleaner Production liefern zum Thema der so genannten Ökolabel eine Vielzahl an wertvollen Beiträgen. Während die Zeitschrift Food Quality and Preference in erster Linie auf Lebensmittel bezogen ist und vor allem die Fächer der Ökotrophologie und der Psychologie bedient, finden sich im Journal of Cleaner Production insbesondere technische und ökonomische Artikel zu diesem Thema. Häufig werden die Themen der Konsumentenwahrnehmung, der Konsumentenpräferenzen und der Zahlungsbereitschaft (Willingness-to-pay, WTP) in verschiedenen Studien behandelt. Eine explizite Grundlagenbetrachtung der Label bleibt, abseits eines obligatorischen Definitionsblocks, jedoch in der Regel aus. Diese Blöcke sind in der Summe jedoch ergiebig genug, um die Ökolabel zumindest konzeptionell umreißen zu können, damit sie anschließend in die Soziologie überführbar sind. Dennoch wird dadurch ebenso offensichtlich, dass hier ein Bedarf an Grundlagenforschung in einem relativ jungen Forschungsbereich existiert, der in der gesellschaftlichen Wirklichkeit keinesfalls als marginal einzustufen ist. Einen Ausgangspunkt liefern dabei die erstmaligen Studien zum Thema Label von Rubik (1995), sowie von Hemmelskamp und Brockmann (1997), welche sich insbesondere mit dem deutschen Blauen Engel in vergleichender internationaler Perspektive befasst haben. Über den Ausgangspunkt der Forschung gehen beide Studien jedoch nicht hinaus. Die Vielzahl der Artikel enthält insgesamt durchaus einige tragfähige Argumente für die soziologische Betrachtung von Labeln als Bedeutung kommunizierende Symbole, obwohl
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Grundlagen der Markensoziologie
die Ergebnisse der Nachbarfächer mit von der Soziologie abweichenden Zielsetzungen erreicht wurden. Während Ökolabel in ihrer eigentlichen wörtlichen Verwendung in der EU rechtlich kodifiziert sind, wird im Großteil der wissenschaftlichen Publikationen nicht ausschließlich von normativ fixierten Symbolen ausgegangen. Die weitere Auseinandersetzung hierüber ist im Abschnitt 2.3.2 zu finden, ebenso wie die Auseinandersetzung mit Greenwashing. Da das Thema der Nachhaltigkeitslabel somit ganz offenbar von den Rändern der bestehenden Forschung her ausgedehnt werden muss, soll hier als Ariadnefaden die nahe liegende Markensoziologie fungieren, welche sich bereits umfassend mit der sozialen Dimension von Marken auseinandergesetzt hat. Im nächsten Schritt wird die Literatur dann um eine interpretative Komponente erweitert, die, wie der labeling approach nahelegt, zur Analyse der sozialen Dimension der Label notwendig sein wird (vgl. dazu auch Lamnek 2013: 223 ff.). Soweit benötigt, wird diese allgemeine Betrachtung durch ernährungs- und konsumsoziologische Quellen erweitert, um die Label zu Ökolabeln spezifizieren zu können. Auch die Diskussion des weiteren Forschungsstandes gliedert sich somit in diese drei Schritte. Obwohl sich mit der sozialen Dimension der Warenzeichen bereits viele Bindestrichsoziologien implizit auseinandergesetzt haben, wie die Wirtschafts-, Konsum- und Mediensoziologie, ebenso wie die gemeinsamen Klammern der allgemeinen Soziologie und der sozialen Ungleichheit, sticht in der Tiefe der Analyse insbesondere die Markensoziologie hervor. Diese kleine, maßgeblich deutschsprachige Teildisziplin, beschäftigt sich insbesondere mit dem sozialen Phänomen der Marke und dessen systemischem und gemeinschaftlichem Charakter.1 Den Höhepunkt fand der Diskurs um Markensoziologie vor allem in den 1990er Jahren und zu Beginn der 2000er, während der Forschungs- und Beratungstätigkeit des Instituts für Markentechnik Genf . Dessen Mitglieder, allen voran der nunmehr emeritierte Hamburger Soziologieprofessor Alexander Deichsel, standen maßgeblich hinter der Herausgabe des Jahrbuchs Markentechnik, welches von 1995–2012 als hauptsächliches Sprach- und Diskussionsmedium für markensoziologische Fragestellungen in Deutschland angesehen werden kann. Neben markentechnischen und eher wirtschaftlich orientierten Beiträgen, fanden sich dort zahlreiche Diskussionen zur Markentheorie und Markensoziologie, sowie umfangreiche Forschungsberichte zum Thema Marken, Markentechnik und Marketing. Auch Primärtexte und Auszüge relevanter Theoretiker wie Gabriel Tarde (2001), Hans Domizlaff (1995, 1997) und Ferdinand Tönnies (2004, 2010) 1 Die
wissenschaftlichen Grundannahmen der Markensoziologie werden ausführlicher in Abschnitt 2.4 diskutiert.
2.1 Soziologischer Forschungsstand: Markensoziologie und Nachhaltigkeitslabel
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wurden abgedruckt. Gesäumt sind diese Beiträge jenseits der Jahrbücher von Einzelpublikationen zahlreicher Autoren, die oft direkt mit dem Institut für Markentechnik Genf verbunden waren. Zu nennen ist hier etwa die grundlegende und umfangreiche Dissertationsschrift von Thomas Otte (2015), in welcher er die Perspektive auf Marken als selbstähnliche Systeme für den gestalttheoretischen Ansatz grundlegend definierte. Die Betrachtung selbstähnlicher Systeme floss mit den Ausführungen des Begründers Alexander Deichsel zu Monadologie (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008), Resonanz (vgl. Deichsel 2001) und Gestalt (vgl. Deichsel 1997) ineinander und bildet somit, zusammen mit den Erkenntnissen von Domizlaff (1995, 1997) und Tönnies (2004, 2010), das Gerüst des hauptsächlichen Ansatzes der Markensoziologie. Dieser Ansatz der Markensoziologie, in den eine Vielzahl weiterer Aspekte eingegangen sind, wird hier fortan als gestalttheoretischer Ansatz bezeichnet. Die Benennung als gestalttheoretischer Ansatz geht maßgeblich auf die Selbstbezeichnung des Ansatzes durch Oliver Carlo Errichiello (2013: 87 f.) zurück, als er in seiner Dissertationsschrift den von Deichsel begründeten Ansatz von den Forschungsideen Hellmanns (2003) abgrenzte. Zwar bezeichnet Errichiello (2013: 87 f.) den gestalttheoretischen Ansatz auch als markensoziologische Schule nach Deichsel, doch würde diese personale Benennung der eigentlichen Pluralität der Theoretiker in diesem Ansatz nicht vollends gerecht werden. Deshalb wird sich hier an seiner Äußerung über gestalttheoretische Markenforscher orientiert und der Ansatz gemäß seines dominanten Differenzkriteriums als gestalttheoretischer Ansatz der Markensoziologie benannt (vgl. dazu Errichiello 2013: 87 f.). In seiner modernen Prägung ist der gestalttheoretische Ansatz demnach normativ und soll praktische Implikation als Managementlehre besitzen, wohingegen der Ansatz von Hellmann (2003) als lediglich wissenschaftlich zurückgewiesen wird – mit Ausnahme seines Kommunikationsverständnisses (vgl. Errichiello 2013: 86 ff.). Die Übereinstimmung von Errichiello (2013: 86 ff.) und Hellmann (2003) zeigt deutlich, dass Kommunikation das Potential besitzt, markensoziologische Ansätze miteinander zu verbinden. Der gestalttheoretische Ansatz ist durch eine Vielzahl von Aspekten und auch hinsichtlich vieler Elemente seiner Gesamtkonzeption normativ. So sind etwa Gestalten und holistische Systeme in dem Sinne normativ, dass sie nicht mehr oder nur schwer änderbar sind und so genannte Gestaltvorgaben formulieren (vgl. dazu etwa Errichiello 2013: 13, 62, 87). Auch sind hyperorganische Wesen im Sinne von Tönnies (1991: 147 f.) normativ, weil die Theorie der reinen Gemeinschaft normativen Charakter aufweist (vgl. dazu auch Schneidereit 2010: 73, 85 ff.). Schließlich sind Marken auch rechtlich fixierte Gebilde und das System des Registermarkenrechts ist als ein System mit normativen Bedingungen anzusehen (vgl. Fezer 2006: 435). In diesem dreifachen
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Sinne, handelt es sich bei der Markensoziologie in der gestalttheoretischen Prägung um eine Forschung zu normativen Sozial- und Systembedingungen auf Basis der Übernahme von vor allem sozialphilosophischen Konzepten in die Soziologie. Von einem einzelnen gestalttheoretischen Ansatz zu sprechen ist indes irreführend. Tatsächlich handelt es sich beim gestalttheoretischen Ansatz eher um mehrere, vor allem implizit miteinander verbundene gestalttheoretische Ansätze. In Anteilen sind diese manchmal schwer ineinander überführbar und betrachten das Soziale potentiell einseitig gemeinschaftlich. Insofern muss für eine konsequente Nutzung gestalttheoretischer Forschungsergebnisse zunächst einmal ein einheitlicher gestalttheoretischer Ansatz herausgearbeitet werden, bevor weitere soziologische Verständnisse berücksichtigt werden könnten. Dies ist auch einer der Gründe dafür, dass sich diese Arbeit insbesondere auf gestalttheoretische Konzepte stützt und weitere Forschung zum Thema Marketing und Marke nicht umfangreich berücksichtigen kann. Ein weiterer Grund für die Auswahl ist die hohe Publikationsstärke und Differenzierung des gestalttheoretischen Ansatzes der Markensoziologie. In dieser Arbeit soll daher am Stand der gestalttheoretischen Vorarbeiten angesetzt werden, indem die bisher häufig fragmentiert auftretenden Ansätze und Argumente unter dem Oberbegriff des gestalttheoretischen Ansatzes zu tatsächlich einem Ansatz integriert werden. Angesichts der Zielsetzung dieses Vorgehens wird daher auch in dieser Arbeit im Singular vom gestalttheoretischen Ansatz geschrieben. Dieser bildet dann die Grundlage für eine konsequente und explizit soziologische Weiterentwicklung der gestalttheoretischen Markensoziologie, die wie eingangs geschrieben, derzeit keine einheitliche Prägung besitzt. Mit dem Verweis auf die Pluralität der gestalttheoretischen Ansätze und mit der Formulierung des Ziels ihrer Vereinigung soll nun weiter auf deren inhaltliche Entwicklung geblickt werden. Der gestalttheoretische Ansatz hat hier zwei maßgebliche Entwicklungsphasen. Die erste Phase ist durch die Tätigkeit des Instituts für Markentechnik Genf geprägt und lässt sich zeitlich von 1993–2010 einordnen. Die Tätigkeit der ersten Phase macht damit die Masse der Publikationen zum Thema der Marke aus. Auch die wegbereitenden und konzeptionellen Publikationen des gestalttheoretischen Ansatzes sind hier zu verorten. Die zweite, noch andauernde Phase, besteht maßgeblich aus einer verstärkt praktisch-wirtschaftlichen Ausrichtung der Publikationen und der zunehmenden Übernahme des Ansatzes durch die Deichsel-Schüler Arnd Zschiesche und Oliver Carlo Errichiello. Die beiden Hamburger Markenberater publizieren dabei vor allem deutlich praxisbezogene Texte, die einen Anwendungsbezug für den unternehmerischen Alltag aufweisen (vgl. etwa Zschiesche/ Errichiello 2013, 2015; vgl. auch Errichiello/ Zschiesche
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2013, 2017). Dies deckt sich mit der nach eigenen Angaben normativen Ausrichtung des Ansatzes als Führungslehre zur Stärkung von Wirtschaftskörpern (vgl. Errichiello 2013: 87). Wohl auch deshalb weist die letzte Ausgabe des Jahrbuchs Markentechnik keine wesentlichen theoretischen Diskussionen mehr auf (vgl. dazu Deichsel/ Schmidt 2010). Das jüngste und stärker soziologische Werk der Autoren Deichsel, Errichiello und Zschiesche (2017) enthält vor allem die zentralen Ergebnisse der ersten Phase, die durch die Autoren in eine geschlossene Form, also in eine Gestalt, gebracht wurden. Aus der zweiten Phase stammt auch das Buch von Errichiello und Zschiesche (2017) zur grünen Markenführung, welches als bislang einziger Text auf das Thema der Label eingeht, wenngleich diese hier nur implizit am Rande behandelt werden. Kernaussage ist dabei, dass es sich bei Labeln nicht um Marken handle, sondern eher um ein Marketinginstrument (vgl. Errichiello/ Zschiesche 2017: 19). Aufgrund des thematischen Schwerpunktes, sind die hier von Errichiello und Zschiesche (2017) aufgestellten Prinzipien der grünen Markenführung zunächst einmal als Abgrenzungskriterium für Nachhaltigkeitslabel wegweisend. Auch die Forschungen aus Errichiellos (2013) Dissertationsschrift zum Thema der Markensoziologischen Werbung sind ein wichtiger Anknüpfungspunkt, sobald es um die Analyse von Resonanzfeldern geht. Da die Inhalte dieser Titel aber noch Gegenstand näherer Betrachtung sein werden, wird hier nicht weiter darauf eingegangen. Der mögliche Beginn einer dritten Phase zeichnet sich durch das individuelle Wirken von Errichiello ab. Dieser veröffentlichte zuletzt auch wieder stärker wissenschaftlich orientierte Texte zum Thema der Geschichte und Philosophie der Marke (vgl. Errichiello 2017) und einen stark sozialpsychologisch ausgerichteten Text zum Thema der Einsamkeit (vgl. Errichiello 2019). Wenngleich der noch immer aktuelle, gestalttheoretische Ansatz am breitesten diskutiert und ausformuliert worden ist, gibt es auch alternative Ansätze zum Thema der Markensoziologie, die insbesondere in den jüngeren Jahren an Bedeutung gewonnen haben. Sehr umfangreiche Forschungsideen zum Thema der Soziologie der Marke lassen sich in der Habilitationsschrift des Soziologen Kai-Uwe Hellmann (2003) finden. Hellmann (2003: 445) stellt in dieser Arbeit eine Reihe an interdisziplinären und disziplinären Schriften zum Thema Marke aus einer dezidiert wirtschaftssoziologischen Perspektive zusammen, um eine mögliche wissenschaftliche Grundlage einer Markensoziologie aufzuzeigen, jedoch ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder empirische Umsetzbarkeit zu erheben. Ergänzt werden die Ideen an einzelnen Stellen durch Perspektiven der Luhmann’schen Systemtheorie, der Ungleichheitsforschung und der Marktforschung. Die dargelegten Ideen sind an vielen Schnittstellen unvereinbar mit dem gestalttheoretischen Ansatz, dessen systemtheoretische Konzepte Hellmann
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(2003: 433–436) scharf zurückweist. Auch grenzt sich Hellmann (2003: 77– 106) vom gestalttheoretischen Ansatz ab, indem er dem zweiten Paradigma der Marke als Persönlichkeit (v.a. auch nach Domizlaff) einen überholten Charakter einräumt und sich selbst im Rahmen der Marktforschung einem dritten Paradigma zuordnet, dessen Fokus auf der Kommunikation liegt. Allerdings relativiert Hellmann (2003: 156–160) an späterer Stelle die Aussagekraft einer reinen Marktforschung zu Gunsten der sozialen Einbettung von Menschen. Insbesondere die Marktforschung gilt jedoch im gestalttheoretischen Ansatz als nahezu unmögliches Kriterium für die Analyse von Marken, da die Leistungsäußerungen selbst und nicht deren versuchsweise statistisch erfasste Wahrnehmung der zentrale Wesenszug von Marken und deren Erforschung seien (vgl. dazu Errichiello/ Zschiesche 2017: 82 f., 90 f.; vgl. auch Deichsel et al. 2017: 221 f.). Vielmehr sei die Erfassung der Wahrnehmung gar nicht erst möglich. Insofern könne die Marktforschung Marken nicht vollständig abbilden (vgl. dazu etwa Errichiello/ Zschiesche 2017: 144). Es ist also festzuhalten, dass es erhebliche Differenzen zwischen dem gestalttheoretischen Ansatz und den Ideen von Hellmann (2003) gibt. Diese Dissonanzen veranlassten Errichiello (2013: 86 ff.) wohl auch dazu, sich explizit vom Ansatz Hellmanns abzugrenzen, welchen er als lediglich wissenschaftsorientiert und theoretisch zurückweist. Da mit weiterer Diskussion der Differenzen aber kein Erkenntnisgewinn verbunden wäre, sollen sie nicht weiter thematisiert werden. Eben jene Dissonanzen liefern jedoch einen weiteren Grund dafür, in dieser Arbeit den gestalttheoretischen Ansatz zentriert zu betrachten und weitere Verständnisse nur am Rande zu behandeln. Die Integration aller Verständnisse ineinander wäre eine Forschungsarbeit für sich und das gilt umso mehr, wenn dann auch noch die Systemtheorie von Luhmann als Ausgangspunkt eines Kommunikationsverständnisses genommen würde, wie im Folgenden deutlich wird. Ein explizit systemtheoretisches Verständnis nach Luhmann verfolgt die Betrachtung der Marke als System von Niko Hüllemann (2007). Inhaltlich baut Hüllemann (2007) auf bisherigen soziologischen und wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen auf und ergänzt sie um systemtheoretische Perspektiven und zusätzliche theoriebasierte Betrachtungen. Somit realisiert Hüllemann (2007) eine grundständige systemtheoretische Betrachtung von Marken und liefert ein in sich stimmiges und geschlossenes Analysekonzept. Ein ebenfalls systemtheoretisches Verständnis enthält die fallbasierte Betrachtung der sozialen Konstruktion von Marken von Katharina Sophie Kühn (2011). Kühn schafft es dabei, die Schnittmengen der sozialwissenschaftlich dominanten Ansätze zu finden und übersichtlich darzustellen. Die als wesentlich identifizierten Gemeinsamkeiten sind dabei insbesondere die Rolle des Vertrauens und der systemische Charakter
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von Marken als solche (vgl. Kühn 2011: 83–90). Insofern scheinen die gestalttheoretischen Ansätze, sowie jene von Hellmann und Hüllemann, an einigen Punkten zumindest vereinbarer und ähnlicher, als zunächst von selbigen dargestellt. Vergleichbare Wege beschreiten verwandte systemtheoretische Forschungen zur Marketingsoziologie (vgl. Reinbacher 2018), welche sich jedoch stärker auf Aspekte der Markenkommunikation konzentrieren und in diesem Sinne mehr an die Markensoziologie anknüpfen, als sich ihr zuzuordnen. Zusammenfassen ließen sich diese alternativen Verständnisse auch unter dem Oberbegriff systemtheoretischer Markenforschung Luhmann’scher Prägung, wobei dies hinsichtlich des gestalttheoretischen Systembegriffes auch missverständlich sein kann. Einige gestalttheoretische Vertreter bedienten sich etwa bei Luhmann, wenn ein Begriff von Vertrauen oder Kommunikation benötigt wurde, die lange Zeit, und im Falle von Kommunikation sogar bis heute, in der gestalttheoretischen Markensoziologie fehlten. Einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung von Brand Communities oder Markengemeinschaften lieferten Muniz und O’Guinn (2004), in Deutschland aber auch Wenzel (2016). Diese an den gestalttheoretischen Ansatz anschließbare Forschung widmet sich der Untersuchung von Gemeinschaften um spezifische Marken herum und liefert so gewichtige Anregungen zur Untersuchung von soziologischen Markenaspekten, sozialer Ungleichheit und der Identitätsbildung durch Marken. Ein alternativer Blick auf Marken lässt sich in der Forschung zu Lebensstilen feststellen, die kein eigentlicher Teil der Markensoziologie ist, aber eine Vielzahl von Schnittstellen teilt. Hier leitet Barbara Hölscher (1998) in ihrem Text zu Lebensstilen durch Werbung die Bedeutung von konsumtiven Symbolen des Lebensstils für die Erfassung sozialer Ungleichheiten her. Das mesosoziale Modell sozialer Ungleichheit, aber auch das Begreifen von Marken als konsumtive Symbole sozialer Identitäten und Distinktionsschemata mit einem spezifischen sozialen Image sind hochgradig auf die Markensoziologie übertragbar und bieten breite Implikationen für eine konzeptionelle Erweiterung der Markensoziologie. In Bezug auf die Forschungsfrage dieser Arbeit bietet die Betrachtung von Hölscher (1998) sogar noch einen weiteren Anknüpfungspunkt. Während Hölscher (1998) darstellt, was durch Markensymbole kommuniziert wird, widmet sich diese Arbeit vor allem der Frage danach, wie diese Dinge kommuniziert werden und welche Unterschiede sich dabei für die verschiedenen Warenzeichen ergeben.
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Während Hölscher (1998) den Fokus der Mesoebene aber vor allem auf subkulturelle Gruppen legt, liegt er in dieser Arbeit auf den Organisationen. Insofern ergänzen sich hier beide Forschungsvorhaben.2 Alles in allem lässt sich für die Markensoziologie festhalten, dass sich durchaus zumindest zwei Forschungstraditionen klar identifizieren lassen, die deutlich ausformulierter und normativer einerseits in den gestalttheoretischen Ansatz eingehen, andererseits systemtheoretisch maßgeblich durch Luhmann beeinflusst wurden. Die gemeinsame Klammer ist hier jedoch noch sehr grob gespannt und bedürfte weiterer Detailarbeiten, da die Ansätze mitunter weit auseinander liegen. Für den gestalttheoretischen Ansatz liefert diese Arbeit einen Beitrag zur Herausbildung klarer Strukturen. Explizit mit dem Thema Label wurde sich dabei bislang soziologisch nicht beschäftigt, wobei sich bei Errichiello und Zschiesche (2017) implizit wichtige Anregungen zum Thema der Nachhaltigkeit finden lassen. Bevor also ein eigenes Verständnis entwickelt werden kann, muss zunächst eine Aufarbeitung der Grundlagen stattfinden, die idealerweise mit der historischen Entstehung der Warenzeichen beginnt und sich dann über die Konzepte der gestalttheoretischen Markensoziologie zu einer Lösung vorarbeitet. Das zweite und dritte Kapitel folgt diesem Schema. Anknüpfend an bislang vorgebrachte Argumente für die Verwendung der gestalttheoretischen Markensoziologie lassen sich noch einige weitere hinzu formulieren. So ist auch der Abstand beider Forschungstraditionen ein wichtiger Ansatzpunkt zur Verfolgung nur eines einzelnen der beiden Ansätze. Ein wichtiger inhaltlicher Gesichtspunkt wurde darüber hinaus auch noch nicht angesprochen. Denn Luhmanns eher funktionalistisches Verständnis von Kommunikation und Systemen ist zwar zweifelsohne zutreffend, eignet sich für die Beantwortung der zugrunde liegenden Forschungsfrage dieser Arbeit jedoch kaum. Tatsächlich zentriert die Arbeit die Bedeutungsübermittlung durch Warenzeichen als Symbole in einem asymmetrischen Kommunikationsprozess und befindet sich damit an der mesosozialen Schnittstelle von Funktionalismus und holistischen Systemen mit interpretativen Theorien. Die sozialpsychologische Auslegung der gestalttheoretischen Markensoziologie durch Errichiello (2019) eröffnet hier einen Korridor, die Warenzeichen unter den bislang nicht weiter vertieften Gesichtspunkten interpretativer soziologischer Theorien zu betrachten. Insofern ist dabei auch die Arbeit von Hölscher
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Hellmann (2003: 377–392) zog eine Verbindung von Marken und Lebensstilen, verblieb dabei inhaltlich jedoch im Wesentlichen bei den Erkenntnissen von Hölscher (1998), weshalb sich hier im Folgenden weiter auf Hölscher (1998) bezogen wird. Die Überschrift des Kapitels „Lebensstile durch Markenwerbung?“ (Hellmann 2003: 377) deutet die Ähnlichkeit zu „Lebensstile durch Werbung?“ (Hölscher 1998) bereits an.
2.2 Ein Überblick über die Geschichte der Warenzeichen
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(1998) zu Lebensstilen durch Werbung hochgradig an gestalttheoretische Erkenntnisse anschlussfähig. Hieraus speist sich eine weitere und inhaltlich ausgerichtete Begründung, weshalb diese Arbeit am Stand des gestalttheoretischen Ansatzes anknüpft. Insofern wurde der gestalttheoretische Ansatz ausgewählt, weil er inhaltlich für die notwendigen theoretischen Konzeptionen der Soziologie zur Beantwortung der zugrunde liegenden Forschungsfrage geeignet ist. Zudem ist die Debatte innerhalb des Ansatzes am umfangreichsten und er besitzt eine hohe Aktualität, die gleichermaßen die Richtung der Forschung eingrenzt. Ergänzt wird die Literatur durch organisationssoziologische Texte wie jene von Preisendörfer (2015, 2016), Pohlmann und Markova (2011), Sekundärliteratur wie etwa von Münch (2007) oder Abels (2004, 2009, 2010) oder einzelnen Publikationen aus dem Bereich der Symbol- und Netzwerkforschung wie von Beetz und Franzheld (2017) oder von Stegbauer (2016). Auch ein Modell der Massenkommunikation ist erforderlich und wird hier primär bei Maletzke (1978) und sekundär etwa bei Jäckel (2011) gefunden. Flankiert werden diese Abhandlungen von primären Texten interpretativer oder soziostruktureller Theoretiker wie Blumer (1998), Berger und Luckmann (2016) oder Coleman (1982, 1991, 1992). Nachdem nun also der umfangreiche Forschungsstand zum Thema der Marken und Label hier umrissen wurde, soll die Analyse des komplexen Themengebietes gewagt werden. Der rote Faden ist nun also befestigt und die Reise durch das kommunikative Labyrinth der Warenzeichen kann beginnen. Zunächst werden dabei die Grundlagen analytisch aufgearbeitet, ohne die kein eigenes Verständnis der Warenzeichen entwickelt werden kann – nämlich die Erkenntnisse zu Marken und Labeln im gestalttheoretischen Ansatz und in interdisziplinären Arbeiten.
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Ein Überblick über die Geschichte der Warenzeichen
Alle Menschen kennen kleine Warenzeichen aus dem alltäglichen Leben. Fast jede*r hat eine Lieblingsmarke und fast jede*r hat beim Einkauf bereits auf die Kennzeichnung von Produkten durch Label geachtet. Während wir aber annehmen, dass die Warenzeichen irgendwie zu unserer heutigen Konsumkultur dazu gehören, denken wir selten daran, wie Menschen in den Zeiten vor uns das Problem der Komplexität im Alltag und auf den Warenmärkten gelöst haben. Man könnte indes annehmen, Marken seien in erster Linie ein modernes oder sogar postmodernes Thema, weil sie im heutigen Leben beinahe untrennbar mit der Werbung, dem Konsum und, so ein Vorwurf, schwindenden Aussagegehalten verbunden sind. Die eigentliche Geschichte der Warenzeichen ist jedoch ungleich
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komplexer als diese hier aufgestellte Alltagsannahme. Anders ausgedrückt reichen die Wurzeln der Warenzeichen tief in die Geschichte von Gesellschaften zurück und begleiten die Menschheit seit jeher. Bevor also in dieser Arbeit der zeitgenössische Blick auf die Grundlagen der Markensoziologie (2.4) und einen allgemeinen Begriff von Marken (2.3) geworfen wird, soll in diesem Kapitel kurz die historische Entwicklung der Warenzeichen aus soziologischer Perspektive geschildert werden. Aufgrund der stark historischen Prägung des Themenfeldes soll an dieser Stelle aber eingangs darauf verwiesen sein, dass die Arbeit keine vollwertige geschichtswissenschaftliche Betrachtung dieser Entwicklung leisten kann und sich die Evolution der Warenzeichen zweifelsohne nicht in den hier vorgenommenen Schilderungen erschöpft. Dennoch ist für ein allgemeines Verständnis der Ausgangsproblematik hinter den Warenzeichen die historische Darstellung unabdingbar, die hier maßgeblich auf Basis der Untersuchungen und Erkenntnisse der beiden Markensoziologen Errichiello (2017) und Hellmann (2003) vorgenommen wird. Zu Beginn der kleinen Geschichte der Warenzeichen soll vermerkt sein, dass es für Menschen schon immer überlebenswichtig war, Zeichen deuten zu können (vgl. Hellmann 2003: 40 f.). Etwa beim Sammeln von Nahrung mussten Menschen schon immer auf bestimmte Zeichen der Genießbarkeit oder der Gefahr achten, weshalb es seit jeher auch Markenzeichen gibt (vgl. dazu Hellmann 2003: 40 f.). Gleichermaßen wird häufig die Marke Synonym mit Zeichen verwendet (vgl. Hellmann 2003 41 f.), weshalb im Folgenden wiederkehrend, aber nicht ausschließlich, bei Zeichen gleichermaßen von Markenzeichen gesprochen wird. Warum die grundsätzliche Gleichsetzung von Marken und Zeichen an vielen Stellen soziologisch jedoch zu kurz greift, wird im Laufe der Argumentation des Kapitels deutlich. Zunächst einmal gilt es zu erklären, inwiefern Menschen schon immer Marken kannten und weshalb Zeichen eine zentrale Rolle für Menschen spielten. Illustrieren lässt sich dies vortrefflich, wenn man eine gedankliche Reise in die Anfänge der menschlichen Gesellschaft unternimmt. Praktischer kann man sich das hier angeführte frühmenschliche Beispiel also an einem Szenario vorstellen. Als die frühen Menschen in einer ursprünglichen Natur mit nur wenigen Werkzeugen überleben mussten, entschied das Deuten von Zeichen regelmäßig über die Überlebenschancen der Gruppe. Man stelle sich etwa Troglodyten vor, die wie die Neandertaler in Spanien und Südfrankreich von Höhle zu Höhle zogen, wie es wohl auch überall auf der Welt nicht selten der Fall war. Höhlen boten Schutz vor der Witterung und waren kontrollierbarer als die freie Fläche. Menschen, ob nun Homo sapiens, Homo neanderthalensis oder andere, waren allerdings nicht die
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einzigen, die die Vorteile von Höhlen kannten. Höhlenbären und andere Landraubtiere ließen sich im Winter auch sehr gerne in solchen natürlichen Unterkünften nieder. Wohngemeinschaften mit Menschen standen bei Höhlenbären nicht auf der Tagesordnung, aber mit ihren beinahe 3,5 m Körpergröße hatten die Bären auch kein Problem damit, Eindringlinge körperlich abzuwehren.3 Für die frühen Menschen mag es also eine Frage von Leben und Tod gewesen sein, ob man die Zeichen richtig deuten und Bären in der Umgebung annehmen konnte. Bären markieren ihre Reviere nämlich, wie viele andere Tiere auch, mit Zeichen an Bäumen oder ähnlich markanten Punkten. Ebenso nimmt man an, dass frühe Jägergesellschaften sich in andere Tiere hineinfühlen mussten, um einen Jagderfolg haben zu können (vgl. Serpell 2003: 175 ff.). Auch dies hat sehr viel mit Zeichendeutung zu tun, weil andere Tiere meist anders kommunizieren und agieren als Menschen, wodurch es nicht ausreicht, seine eigene Verhaltenserwartung auf andere Spezies auszudehnen. Nicht zuletzt kennt auch jede*r Pilzsammler*in heute noch das Problem, die essbaren Pilze erkennen zu müssen, um sie von lebensbedrohlich giftigen Varianten zu unterscheiden. Ein grüner Knollenblätterpilz zwischen den Champignons kann beim Verzehr durch Menschen eine lebensgefährliche Bedrohung darstellen. Eine Marke, so viel lässt sich aus Gründen des Verständnisses vorwegnehmen, existiert dann, wenn etwas viele gleichartige Vorurteile auf sich vereint (vgl. dazu etwa Deichsel et al. 2017: 10 f.). Ein Fliegenpilz ist eine Marke, wenn viele Menschen ihn als giftig erkennen, was aufgrund seines auffälligen Äußeren auch leicht ist. Ein Markenzeichen ist in dieser Hinsicht wie ein signifikantes Symbol nach Mead einzuschätzen, also ein Zeichen, dessen Bedeutung von vielen Menschen geteilt wird (vgl. dazu etwa Abels 2010: 261). Eine lebenserhaltende Ernährung ist stets auf die Erkennung von Zeichen angewiesen, selbst wenn es sich dabei lediglich um das Rezeptwissen4 handelt, dass man in Deutschland den Typ ‚roter Apfel‘ in der Regel gesundheitlich unbedenklich verzehren kann (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 33 f, 44). Markenzeichen, im weiteren Sinne, sind also seit jeher ein Thema der Menschheit und mehr noch: des menschlichen Überlebens.
3 Wohngemeinschaften
früher Menschen mit anderen Tieren waren keineswegs ausgeschlossen oder selten, wie die frühe Existenz des Hundes nahelegt (vgl. dazu DeMello 2012: 85 f.). Allerdings gab es geeignete und eher ungeeignete Spezies für eine derartige Wohngemeinschaft und eine mögliche Domestikation. 4 Rezeptwissen ist nach Berger und Luckmann (2016: 44) das für die Bewältigung des Alltags notwendige, aber ansonsten unvollständige Wissen. So reicht es etwa als Rezeptwissen aus, eine E-Mail schreiben und senden zu können, aber man muss dafür nicht wissen, wie das Internet funktioniert.
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Grundlagen der Markensoziologie
Der eigentliche Beginn der Warenzeichen wie wir sie heute kennen und verstehen, beginnt jedoch deutlich später. Der belegte kulturelle Anfang der Warenzeichen führt in die Antike, in welcher bereits eine Frühform des globalen Handels existierte und in der sogar ein Dolmetscherwesen etabliert war (vgl. Errichiello 2017: 15). Eurozentrisch gedacht sind sowohl die Griechischen Poleis, wie auch später das Imperium Romanum, von einem Handelsnetz umspannt, welches weit über die Ränder des Mittelmeeres hinaus reichte. Waren kamen aus allen Teilen der damals in Europa bekannten Welt und unzählige Sprachen und Kulturen trafen in den großen Handelszentren der Antike aufeinander. Mit dem Handelsnetz kam jedoch das Problem der Differenzierung oder umgangssprachlich ausgedrückt: die Qual der Wahl. Wenig verwunderlich ist daher, dass bereits erste Merkmale zur Abgrenzung der Waren zu finden waren, die eine genauere Identifikation erlaubten. Bei den Anhängern des gestalttheoretischen Ansatzes wird sehr gerne auf ein römisches Qualitätssiegel verwiesen – sine cera – welches versicherte, dass die Tonwaren nicht mit Wachs abgedichtet wurden und insofern keine Risse aufwiesen (vgl. Brandmeyer et al. 1995: 6). Interpretiert wird dieses Zeichen entsprechend als Symbol für leistungsernste Aufrichtigkeit, die sogar in den Sprachgebrauch – etwa im englischen sincere – Einzug gehalten habe (vgl. Brandmeyer et al. 1995: 6).5 Mit Verweisen auf bestimmte Produktcharakteristika in Form nichtsprachlicher Symbole, sind somit allgemein gehaltene Qualitätssiegel bereits in der Antike feststellbar. Das ist auch nicht verwunderlich, bedenkt man die antiken Bestrebungen nach Perfektion und die relativ ausdifferenzierten politischen und rechtlichen Systeme der großen Reiche dieser Zeit. Auch Regional- und Herkunftszeichen sind nachweisbar. So kennzeichneten vor rund 4000 Jahren bereits Töpfer aus Kanaan und Steinmetze aus Ägypten ihre Waren mit einem Herkunftssiegel (vgl. Hüllemann 2007: 87). In eigens nach Zünften geordneten Gassen besaßen selbst die Ladenbesitzer bereits mit Fackeln beleuchtete Schilder vor ihren Geschäften (vgl. Errichiello 2017: 13 f.). Beides – die inhaltliche Ordnung und die Ausweisung der Dienste – trugen zweifelsohne zu einer Orientierung der Käufer*innen in stetig wachsenden Städten bei. Ebenfalls dokumentiert ist, dass Produkte aus fernen Regionen auf dem Markt von Ausrufer*innen und an Alben (Anschlagtafeln) besonders angepriesen wurden, was gleichermaßen auch die Unterscheidung der angebotenen Waren erlaubte (vgl. Errichiello 2017: 13 f.). Wenngleich dieses Angebot in der Antike keiner besonders institutionalisierten Ordnung folgte, wurden hier 5 Das
Siegel sine cera ist ebenfalls auf Publikationen des Instituts für Markentechnik Genf zu finden, wie etwa dem Jahrbuch für Markentechnik. Es ist, wenn man so will, zum Markenzeichen des gestalttheoretischen Ansatzes nach Deichsel et al. geworden.
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bereits einige Grundprobleme komplexer Märkte sichtbar, für die Warenzeichen eine Lösung darstellten. Zum einen bedeutet ein größeres Warenangebot einerseits größere Komplexität für die Verbraucher*innen, andererseits erleichtert diese nun stattfindende Verschleierung der Herkunft gleichermaßen Täuschung und Betrug, also auch die Chance auf einen Fehlkauf. Es entstand also das bis heute andauernde Problem der räumlichen und zeitlichen Asymmetrie der Warenmärkte (vgl. dazu auch Coleman 1982). In der Antike war daher eigentlich noch ein anderes Verhältnis von Produzent*innen und Konsument*in üblich. Hierbei standen der individuelle Auftrag und dadurch das persönliche Vertrauen in die Hersteller*innen im Vordergrund, welches mit einem eigenen Herkunfts- und Herstellerstempel bekräftigt wurde (vgl. Errichiello 2017: 13). Auch Hausbesuche von Handwerker*innen und Händler*innen sind dokumentiert und trugen sicherlich zu einem persönlichen Verhältnis bei (vgl. Errichiello 2017: 14). Diese persönlichen Bindungen bewirkten die Reduktion von Komplexität und den Aufbau von Vertrauen, so dass vielleicht ein gewisser Bedarf, allerdings noch keine umfassende Notwendigkeit für ein größer angelegtes Symbolsystem der Warenzeichen existierte. Mit dem Zusammenbruch des Imperium Romanum, den Umwälzungen der Völkerwanderung und der Etablierung des Christentums, brach auch die Warenwelt der Antike in sich zusammen. Vorübergehende Isolation der Städte und Regionen prägten das Mittelalter und das mittelalterliche Wirtschaftsleben. Städte bildeten sich aus und legten fest, wer innerhalb ihrer sicheren Mauern leben und arbeiten darf. Harte körperliche Arbeit, Krankheiten, Feudalismus und die große Macht des Klerus, der Kirche und der Religion prägten das alltägliche Leben im Mittelalter. Kriege und Invasionen anderer Gebiete fanden regelmäßig statt und ein großer Teil des Wissens der Antike musste mühsam wiederentdeckt oder vor der Vernichtung durch religiös-dogmatische Kräfte verborgen werden. Das in Grundzügen aufgebaute System der antiken Warenkennzeichnung erhielt sich jedoch in wesentlichen Zügen – trotz oder gerade wegen dieser widrigen Bedingungen. Tatsächlich änderte sich die Praxis der Warenkennzeichnung auch im Mittelalter zunächst kaum, denn es existierten weiterhin große und überregionale Handelsnetze, wie die Beispiele der Wikinger6 , der Hanse und des Stadtstaates Venedig eindrucksvoll demonstrieren (vgl. dazu Errichiello 2017: 16 f.). In Deutschland selbst war die wirtschaftliche Landschaft vor allem vom Feudalismus, durch lokale selbstversorgende Märkte mit eigenen Marktordnungen und 6 Der
Handlungsradius der Wikinger zu Zeiten des Königs Harald Blauzahn (ca. 910–987) erstreckte sich bis nach Damaskus (vgl. dazu Seewald 16.04.2018: welt.de).
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Marktpreisen, sowie einer Städtewirtschaft oder einer Klosterwirtschaft bestimmt (vgl. dazu Errichiello 2017: 15–19; vgl. auch Hellmann 2003: 43–46). Innerstädtische und außerstädtische Waren wurden räumlich und zeitlich durch verschiedene Marktplätze und Markttage getrennt, um so die heimische Wirtschaft zu fördern (vgl. Hellmann 2003: 44 f.). Gleichermaßen wurde das wirtschaftliche Leben durch die Handwerkszünfte bestimmt, die untereinander Kartelle bildeten und Preise wie auch Qualitätsstandards festlegten (vgl. Hellmann 2003: 43). Ursprünglich sind diese Gilden, Brüderschaften, Hansen oder Kompagnien entstanden, um eine Gewinnverteilung nach Einlagen zu gewährleisten, Schutz zu bieten, als Einkaufsgemeinschaft zu fungieren oder aber schlicht den Interessensaustausch zu befördern (vgl. Errichiello 2017: 17 f.). Die mittelalterlichen Interessensverbände entwickelten sich aber schnell zu einem relevanten Machtfaktor in ihren Städten und darüber hinaus. Zünfte und Gilden erließen Verordnungen und Produktionsvorschriften für die Produktion und die Qualität von Waren, welche sie im Gegenzug mit entsprechenden Gütesiegeln verifizieren konnten (vgl. Hüllemann 2007: 86 f.). Insofern gab es im Mittelalter auf den Märkten einerseits die ausgezeichneten Zunftwaren und andererseits freie Waren, die nicht als zünftig ausgezeichnet und nicht nachprüfbar waren (vgl. Hellmann 2003: 44). Zunftwaren konnten sich in der Folge maßgeblich gegen die unsicheren freien Waren durchsetzen, weil die Zunftzeichen als Signal der Erwartungssicherheit nicht nur als eine Abgrenzung von abweichenden Produktionspraktiken, sondern auch als ein Zeichen für außerordentliche Qualität zu verstehen waren (vgl. Hüllemann 2007: 87). Die Macht der Zünfte erwuchs demnach vor allem aus ihrer Marktund Definitionsmacht. Gilden und Zünfte waren durch ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluss folglich zentrale städtische Machtfaktoren ihrer Zeit. Mit ihnen stand und fiel das lokale Wirtschaftsleben und damit auch eine notwendige Einnahmequelle der Städte. Auch den einzelnen Handwerkern gegenüber waren die Gilden und Zünfte die bestimmenden Kräfte. Ihr Kontrollsystem war dementsprechend überaus weitreichend. So fand die Produktion der zünftigen Handwerkswaren stets sichtbar statt, etwa in offenen Werkstätten, was jederzeit eine zusätzliche Kontrolle der Zunftregeln durch die Öffentlichkeit ermöglichte (vgl. Errichiello 2017: 18). Bevor ein Produkt mit dem jeweiligen Zunft-Signet als eine Zunftware ausgezeichnet wurde, musste es zudem durch andere Angehörige der Zunft in einer Warenschau freigegeben werden (vgl. Hellmann 2003: 42 ff.; vgl. auch Errichiello 2017: 18). So wurden einerseits die Qualitätsstandards der Zunft sichergestellt und diese andererseits mit einem Zunft- oder Schauzeichen sichtbar bekräftigt. Ursprung haben diese Markierungen auch in der gewerblichen Gesetzgebung, die eine zusätzliche Absicherung der Produktion gegen den teils
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willkürlichen feudalen Adel ermöglichte und erstmals im England des 13. Jahrhunderts dokumentiert worden ist (vgl. Errichiello 2017: 19). Dort wurden durch die gewerbliche Gesetzgebung die öffentlichen Aushängeschilder, sowie die Verwendung von Zunft- und Innungszeichen, zur Pflicht erhoben (vgl. Errichiello 2017: 19). Um eine zusätzliche individuelle Identifikation mit dem Hersteller zu erlauben, konnte der Handwerker zusätzlich sein eigenes Meister- oder Hauszeichen auf die Ware aufbringen (vgl. Hellmann 2003: 42 f., 45 f.).7 Gleichermaßen schützten diese identifizierenden Zeichen vor Diebstahl und Kopie, da eine Zunft den benachteiligenden Umgang mit ausgezeichneten Waren kollektiv und individuell reglementieren konnte. Zusätzlich abgesichert wurden die nun entstandenen Marken durch ein zum Teil bereits existierendes Städte- und Markenregister, in welches die Marken eingetragen werden konnten (vgl. Hellmann 2003: 43). Die Regulierung durch die Zünfte selbst ging mitunter so weit, dass auf Märkte unkooperativer Städte keine Zunftwaren mehr geliefert wurden, betrügerische Mitglieder der Zünfte drakonisch bestraft werden konnten und im Falle der Lübecker Hanse sogar bei Zuwiderhandlung der Handelsbestimmungen ein kollektives Handelsembargo drohte (vgl. dazu Errichiello 2013: 55). Der durch Zunftzeichen erteilte Schutz galt also gleichermaßen für Produzent*innen wie Konsument*innen und fungierte als Schutz vor Benachteiligung und Betrug auf beiden Seiten. Kurz gesagt: Zunftzeichen schufen Sicherheit, sowie Identifizierbarkeit und erlaubten so den Aufbau von Vertrauen. Wie die Zunftzeichen, so erlaubten auch die Städtezeichen eine Nachverfolgbarkeit der Waren. Diese wurde insbesondere durch den wachsenden Handel zwischen den Städten und Regionen notwendig, um sich von den freien Waren abgrenzen zu können und Transparenz zu schaffen. Da sich die Städte in ihrer Produktion zunehmend spezialisierten, wurde so aber auch gleichzeitig allein über die Regionalzuweisung eine Aussage über die Qualität der Waren getroffen. Bekannt sind bis heute etwa die Eisenwaren aus Solingen, deren Ursprung in dieser Zeit liegt (vgl. Hellmann 2003: 43). Früher wie heute erfüllten die Regionalzeichen die wichtige Rolle der Nachverfolgbarkeit und ergänzten damit das Portfolio der bereits existierenden Siegel. Die Funktion der Siegel wird in ihrer Gesamtheit insbesondere deutlich, wenn man sich eine historische Marktsituation vorstellt, in der regionale Handwerker ihre Zunft- und Meisterwaren anboten, deren nicht standardisierte Produktion man selbst beschauen konnte. Hier sind gleich mehrere Absicherungsmechanismen enthalten, die Komplexität reduzieren und Vertrauen 7 Hellmann
(2003: 42) weist auch darauf hin, dass diese Zeichen früher keine primäre ökonomische Bedeutung besaßen, Marken demgegenüber jedoch schon, weshalb die Begriffe daher nicht unmittelbar synonym zueinander seien.
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schaffen. An einem anderen Markttag werden dagegen auswärtige Waren angeboten und hier finden sich nun neben den markierten Zunft- und Meisterwaren aus der Nachbarstadt auch die freien Waren aus allen Ecken der Region und vielleicht auch darüber hinaus. Auch hier wird die Funktion der Siegel deutlich, denn die Regeln der Zunft sind auch in der Nachbarstadt gleich, wohingegen über die Produktion der freien Waren kein Vorwissen existieren kann. Auch kein Name bürgt für die Qualität der freien Waren, so dass sich neben dem Risiko des Nichtgefallens und dem Problem, sich nirgendwo persönlich beschweren zu können, auch eine Erhöhung der Komplexität durch fehlendes Vorwissen diagnostizieren lässt. Erneut lässt sich feststellen, dass Wissen in Bezug auf Warenzeichen eine zentrale Kategorie darstellt. Zwar zielt diese Forschungsarbeit in markensoziologischer Perspektive zentral auf die soziale Konstruktion von Markenprodukten durch Ökolabel (Symbole) ab, doch soll gelegentlich und an offensichtlich relevanten Stellen ein kleiner wissenssoziologischer Exkurs unternommen werden. Denn auch hier lässt sich wieder ein Rezeptwissen nach Berger und Luckmann (2016: 44) attestieren, welches den Ablauf der Alltagswelt dadurch ermöglicht, dass ein gewisser und für die Handlung ausreichender Wissensbestand über mittelalterliche Warenmärkte und ihre Zertifizierungspraktiken existierte. Man musste kein Handwerker der Zunft sein, um zu wissen, dass die Waren nach bestimmten Regeln und mit gewissen Qualitätsstandards produziert wurden, wenn sie das Zunftzeichen trugen. Den meisten Menschen dieser Zeit waren die Details zünftiger Produktion sicher nicht klar und für den Kauf mussten sie diese auch nicht kennen. Dabei handelt es sich zunächst einmal um eine Typisierung des Wissens, um sich nicht jedes Mal von vorn mit den Standards der Zunft auseinandersetzen zu müssen (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 33 ff.). Sie machten die Interpretation über die soziale Tatsache, dass Zunftwaren nach bestimmten Standards produziert wurden, an dem Symbol des Zunftzeichens fest. Dieses Rezeptwissen habitualisierte sich mit der Zeit zur Institution und wurde als Wissen durch viele Menschen des Mittelalters geteilt (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 56– 61, 64 f., 70). Das dazugehörige Wissen selbst entspringt dabei jedoch mehr einer symbolischen Sinnwelt aller gesellschaftlich objektivierten und subjektiv wirklichen Sinnhaftigkeit (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 102–106), als deren Platzhalter und Verweis hier das Symbol der Zunftsiegel fungiert. Die Ware wird durch einen symbolischen Verweis auf dieses Wissen und die dahinterstehende gesellschaftliche Ordnung legitimiert, also auch subjektiv sinnhaft gemacht und legitimiert diese Dinge gleichermaßen selbst, indem sie sie bestätigt (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 98–102). Ersichtlich wird hier also auch: ein Siegel steht für einen Sinngehalt außerhalb der unmittelbaren Situation und dieser Sinn hilft
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den Menschen bei der Bewältigung ihres Alltags, welcher mit dem Handlungsproblem der räumlichen und zeitlichen, aber auch der Informationsasymmetrie auf den Warenmärkten versehen ist (vgl. dazu Beetz/ Franzheld 2017: 26; vgl. dazu auch Coleman 1982). Die übergreifende Rolle der Zeichen für die Ordnung von Märkten wird bekräftigt, wenn man sich international weitere Beispiele ansieht. Interessant ist in diesem Kontext nämlich, dass offenbar auch andere Ständegesellschaften vergleichbare Problemlösungsstrategien herausbildeten. So entwickelte sich etwa in Japan, dessen Ständegesellschaft grundlegend anders geordnet war,8 ein vergleichbares System der Gilden und Zünfte, sowie der Regionalzeichen. Gleichermaßen existierten die freien Waren von Straßenhändlern, den so genannten tekiya, welche heute als Traditionslinie der originären kriminellen Organisationen Japans (yakuza) gelten (vgl. dazu Hill 2010: 36 f.). Es scheint so zu sein, dass der gute Ruf in Ständegesellschaften während des Mittelalters vergleichbar bedeutsam war und dies einer der Gründe für den Vormarsch der Warenzeichen in diesen Gesellschaftstypen darstellt. Die Entwicklung hin zu den Warenzeichen war dabei durch interessensgebundene Zusammenschlüsse erleichtert, was auch heute noch in ehemaligen Ständegesellschaften anhand zahlreicher Wirtschaftsverbände sichtbar ist (vgl. dazu etwa Fourcade-Gourinchas/ Schofer 2001). Die Bedeutung des Vertrauens für diese Entwicklung in Gesellschaften wird eigens in 3.7 ausführlicher diskutiert. Bis heute hat Japan ein System, in welchem die takumi, die Handwerker, eine besondere gesellschaftliche Wertschätzung für ihre an Exzellenz ausgerichtete Produktion erfahren. Gleichermaßen ist Japan heute auch das Land, welches die höchste Dichte an Labeln aufweist. Da die hohe Dichte an Labeln in Deutschland und Japan vergleichbar ist, wäre hier Potential für zukünftige Forschung vorfindbar, insbesondere in Hinblick auf Aspekte des Vertrauens in beiden Ländern. In diesem Forschungsvorhaben sollen der internationale und der wissenssoziologische Exkurs jedoch an dieser Stelle enden. Die nächste größere Revolution der Warenzeichen zeichnete sich in Deutschland 1440 durch die Erfindung des Buchdrucks ab. Der Buchdruck stellte die gesellschaftliche Ordnung buchstäblich auf den Kopf. Erstmals waren Ideen und Texte schnell reproduzierbar und dadurch leichter in allen Teilen des Landes und der Gesellschaft zu verbreiten. Zu lesen wurde erschwinglich und war nicht mehr ausschließlich ein Privileg der oberen Stände. Die Menschen konnten sich in Zeitungen und Anzeigeblättern informieren und sich Meinungen bilden. Durch die 8 So
gab es im feudalen Japan vier Stände, die absteigend wie folgt geordnet waren: Samurai (Ritter), Bauern, Handwerker, Händler (vgl. Shire 2010: 168). Ein möglicher Grund für die stark auf Organisationen aufbauende Sozialstruktur ist auch eine hohe Soziabilität (vgl. dazu auch Fukuyama 1995: 46 ff.).
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nunmehr problemfreie Verbreitung der Trägermedien entstand eine wahre Flut von Reklame und Werbung, die schließlich gesetzlich eingedämmt wurde (vgl. Errichiello 2017: 19 f.). Die leichtere Verbreitung der Medien ermöglichte auch erstmals Markenwerbung, wenngleich sich diese Form der Kommunikation in der Frühphase des Buchdrucks noch nicht durchsetzen konnte. Die aber wohl größte Revolution in der Wirtschaftsordnung und bei den Warenzeichen ergab sich durch die Industrialisierung. Die Frühphase der Industrialisierung war geprägt von Pauperismus, Landflucht, ungehemmter Umweltverschmutzung, einem Leben im Takt der Maschinen und nicht zuletzt zahlreichen technologischen Errungenschaften. Die große Umwälzung, die auch die Soziologie hervorgebracht hat, erlaubte erstmals die Massenproduktion von Waren, mit all ihren gravierenden Folgen für das Verhältnis zwischen den Produzent*innen und den Konsument*innen. Gleichermaßen ging die Zunftwirtschaft nun zur Marktwirtschaft über (vgl. Hellmann 2003: 47 f.), in welcher Gewerbefreiheit herrschte (vgl. Errichiello 2017: 24). Die fortan dominante Massenware lässt keinen unmittelbaren Rückschluss auf ihre Produktion zu, die in arbeitsteiligen Schritten zerlegt, in einer oder mehreren Fertigungsanlagen, außerhalb der Sichtbarkeit durchgeführt wird und keine individuelle persönliche Sonderanfertigung mehr darstellt (vgl. dazu Errichiello 2017: 26; vgl. auch Hellmann 2003: 47 f.). Die „gemeinsame Ideenwirklichkeit“ (Hüllemann 2007: 88) von Kund*in und Produzent*in ging verloren und mit ihr die Warenkenntnis, Vertrautheit, Erwartungssicherheit, Mitbestimmung und Handlungskontrolle früherer Zeiten. Insofern entstand hierdurch eine Entgrenzung von Produktion und Verkauf, sowie eine Verschiebung der horizontalen Kommunikationslinie (Hersteller*in → Händler*in → Kund*in) zu einer vertikalen Kommunikationslinie (Hersteller*in → Akteure), mitsamt dem dadurch einhergehenden Kontaktverlust zu den Hersteller*innen (vgl. Errichiello 2017: 25 f.). Um es mit den Gedanken von Marx zu unterfüttern, erlaubt die Massenproduktion die Entfremdung der Menschen von der Arbeit und voneinander (vgl. dazu Rosa et al. 2013: 44–49). Gleichermaßen sorgten der erhöhte Output und die effizientere Technik bei der Konservierung und dem Transport der Waren für eine kontinentale, wenn nicht globale Verbreitung der Produkte (vgl. dazu auch Errichiello 2017: 23). Ein klassisches Beispiel hierfür sind etwa die Schlachterzeugnisse aus Chicago, die mit dem eigens ausgebauten Bahnnetz und den neu erfundenen Kühlwagen in die ganzen USA transportiert werden konnten (vgl. DeMello 2012: 132 f.). Gesellschaftliche Umwälzungen und der Aufstieg der Bürger*innen sorgten für eine Veränderung der Gewohnheiten und den Beginn des Massenkonsums auf Massenmärkten, welcher sich in festen Konsum- und Lebensstilritualen der gesellschaftlichen Statusgruppen äußerte (vgl. Errichiello 2017: 24 f.). In diesem Kontext ist der
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radikale Wandel des Mensch-Tier Verhältnisses ebenfalls nennenswert, in welchem nun erstmals das Halten von Haustieren in allen Gesellschaftsschichten zur Mode gehörte (vgl. Taylor 2013: 44–49), gleichermaßen aber auch die unsichtbare, industrielle Schlachtung von Tieren vorangetrieben worden ist (vgl. DeMello 2012: 132 ff.). Das Mensch-Tier-Verhältnis folgt bis heute diesem Schema. Mit der industriellen Massenfertigung von Waren veränderten sich also die Gesellschaften, wie auch die Konsumgewohnheiten. Es konnte zu Wettbewerbspreisen über den lebenserhaltenden Bedarf hinaus konsumiert werden, mit viel geringeren regionalen Einschränkungen als noch im Mittelalter. Es wurde flächendeckend für Produkte geworben und Reklame betrieben. Die Menschen hatten erstmals in den meisten Teilen der Gesellschaft Freizeit und eine Möglichkeit, diese Freizeit zu verbringen (vgl. dazu Errichiello 2017: 24 ff.; vgl. auch Hellmann 2003: 47 ff.). Dies taten sie etwa mit ihren neuen tierlichen (Haustier-)Mitbewohnern, die ihrerseits besondere Bedürfnisse hatten. Die Probleme der Antike aber blieben in ihrem Kern bestehen und entwickelten sich zum Teil in ihrer Ausdehnung ebenfalls weiter. In der schier endlosen Flut neuer Waren – einem echten Überangebot – und den ständig und überall vorhandenen Reklame- und Werbebotschaften, erwies sich die Auswahl und das Nachvollziehen der Produkte als zunehmend unmöglich. Die Folge des Verlustes persönlicher Sicherheit durch den direkten Kontakt zu den Produzent*innen war ein breiter Vertrauensverlust (vgl. dazu Hellmann 2003: 49 f.; vgl. dazu auch Errichiello 2017: 27). In diese Lücke traten wie die Lösung zum Problem, wie Hellmann (2003: 50) es ausdrückt, die ersten Herstellermarken. Dem könnte man an den wissenssoziologischen Exkurs angelehnt hinzufügen, dass der Mechanismus zur Bewältigung dieses Problems durch legitimatorische Symbole und Rezeptwissen schon in der Antike und im Mittelalter vorhanden war. Sie erlaubten wie die mittelalterlichen Hausmarken die Identifizierung der Produkte, wodurch sie gleichermaßen auch für eine bestimmte und vergleichbare Qualität der Markenwaren einstanden (vgl. auch Hellmann 2003: 45 f.; vgl. dazu auch Vogl 1995: 115). Die Herstellermarken ermöglichten ihrerseits Bekanntheit der Produzent*innen und durch werbeinduzierte Bekanntheit schließlich auch Vertrauensaufbau in die Leistung der Marken (vgl. Errichiello 2017: 27). Entsprechend erlaubten sie auch den Aufbau von Wissen über die Produkte und deren Hersteller*in. Die erste Marke, die dabei Markenwerbung mit Markenware verband, war das 1892 auf den Markt gebrachte Mundwasser Odol von Carl August Lingner (vgl. dazu Hellmann 2003: 53–62). Bis heute gelten der Kommunikationsstil, als auch die Schöpfung des Markenartikels Odol an sich, als wegweisend (vgl. dazu Errichiello 2017: 26 f.). Festzuhalten ist, dass für die Problematik des
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Überangebots und der fehlenden Prüfbarkeit der Produkte die besonderen Warenzeichen der Marken als Lösung dienen können. Marken stehen dabei für geistiges Gedankengut, ersetzen aber ebenso auch die historisch unmittelbare Bindung von Produzent*innen und Konsument*innen. Marken treten damit in symbolischen Bezügen direkt an die Stelle der offenen Produktion der Antike und des Mittelalters und vermitteln zwischen dem Produkt und den Konsument*innen als Intermediär (vgl. dazu Coleman 1991: 232 ff.). Marken ermöglichen Vertrauen, Wissen und Erfahrung durch klare signifikant symbolische Kennzeichen. Der Industrialisierung schlossen sich noch weitere Entwicklungen an, wie der Ausbau der Werbung zur Werbewirtschaft und die Erkundung der Konsument*innen durch die Marktforschung (vgl. dazu etwa Errichiello 2017: 29–33). Gleichermaßen erlaubte die in den Jahren ab 1995 auftretende Netzwirtschaft erstmals wieder direkte Kommunikation zwischen Konsument*innen und Produzent*innen, jedoch auch die globale Auslagerung der Produktionsstätten (vgl. Errichiello 2017: 33 f.). Zum Zwecke dieser Forschung soll an dieser Stelle die Betrachtung der Geschichte der Warenzeichen jedoch geschlossen werden. Denn konkret für die Warenzeichen, lässt sich bereits eine erste Vorannahme für das Verhältnis von Label und Marke aufstellen. Während das Label ein geistiger Nachfolger der Qualitätssiegel und der Zunft- wie Regionalzeichen ist, lässt sich die Marke allen voran den Meister- und Hausmarken zuordnen. Beide Zeichen gehören jedoch zur Gruppe der Warenzeichen und stehen als Symbol für einen sozialen Sinnzusammenhang jenseits der Situation (vgl. dazu Abels 2010: 261). Label und Marken erfüllen dadurch gemeinsam die Funktion der Information und der Vertrauensbildung, wobei sich der Gehalt der Informationen in den meisten Fällen deutlich unterscheiden lässt. Während Marken die unmittelbare Garantie und Verantwortung einer konkreten Person oder eines Betriebes kennzeichnet, stehen die Label für die Qualität und die Herkunft des Gutes ein. Label stehen damit für eine zugrundeliegende Ordnung der Produktion und des Gutes, die möglicherweise auch mit bestimmten gesetzlichen Regeln oder doch zumindest gesellschaftlichen Normen und Werten in Einklang steht. Label bezeugen damit auch bestimmte Charakteristika von Waren, die einerseits durch die Produzent*innen selbst in einer symbolischen Variante effizienter und größtenteils nonverbaler Kommunikation, andererseits aber auch von prüfenden Dritten vergeben werden können. Im Zusammenspiel bestätigt und erweitert das Label die Kernaussagen hinter der Marke, was im Idealfall zu einer völligen Übereinstimmung des Vorwissens über ein Produkt mit dem Produkt selbst resultiert, Vertrauensaufbau und Erfahrung ermöglicht und den Marken auf fremden Märkten die Leistungsdarstellung erleichtert. Diese Annahme des Verhältnisses
2.3 Marken und Label: Definitionen und Verständnisse
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von Label und Marke wird in den folgenden Kapiteln auf ihre Tragfähigkeit anhand der einzelnen markensoziologischen Charakteristika von Marke und Label geprüft. Begonnen wird diese Prüfung mit allgemeinen zeitgenössischen Definitionen der Warenzeichen.
2.3
Marken und Label: Definitionen und Verständnisse
Nachdem nun im vorigen Kapitel deutlich geworden ist, dass sich Label und Marken historisch eine gemeinsame Wurzel teilen, werden sie doch in der heutigen Zeit durchweg als distinkte Symbole wahrgenommen. Dies mag zum Teil darin begründet sein, dass frühe wissenschaftliche Betrachtungen beinahe zeitgleich, nämlich ab 1995, in eine wissenschaftliche Debatte eingingen, die entweder nur Label oder nur Marken berücksichtigte. Insofern liegen nicht nur zwei distinkte Forschungsstränge vor, sondern gleichermaßen zwei distinkte Definitionsdebatten. Diese sind jedoch in aller Regel von den historischen Wurzeln der beiden Warenzeichen abgekoppelt. Daher geht das Abschnitt 2.3, von den vorigen Erkenntnissen losgelöst, der Frage nach den zeitgenössischen Definitionen von Marken und Labeln nach, um so gleichermaßen ein wissenschaftliches Arbeitsverständnis der Warenzeichen zu entwickeln. Dadurch eröffnet sich auch die Perspektive eines markensoziologischen Labelverständnisses, welches in folgenden Kapiteln durch die Markensoziologie stetig weiter abgegrenzt und erweitert wird. Zunächst wird demnach hier ein möglichst einheitliches Verständnis von Marken (2.3.1) herausgearbeitet, an welches dann eine Diskussion über Label (2.3.2) angeknüpft wird. Suggeriert werden soll hier nicht, dass in der Markensoziologie oder gar im gestalttheoretischen Ansatz von vornherein eine einheitliche Definition von Marke vorläge. Diese muss zunächst aus einer Vielzahl von nicht harmonisierten Einzeldefinitionen herausgearbeitet werden. Das Abschnitt 2.3 liefert damit einen direkten Beitrag zur Definition von Marken und Labeln, ohne die weder der gestalttheoretische Ansatz zusammengeführt werden könnte, noch Label aus markensoziologischer Sicht zu betrachten wären.
2.3.1
Eine Definition von Marke
Wenn man nun davon ausgeht, dass die Geschichte der Warenzeichen bereits die soziale Bedeutung von Marken abbildet, dann irrt man. Bislang wurde lediglich geklärt, woher Marken eigentlich stammen und welchen Problemen sie als Überwindungsstrategien entwachsen sind. Die soziale Dimension von Marken ist
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jedoch ungleich komplexer und vielschichtiger, als eine rein funktionale Betrachtung der Marke als Form gesellschaftlicher Komplexitätsreduktion nahelegt. Denn auch unsere soziale Welt ist einem stetigen Wandel unterworfen, so dass auch die Bedeutung von Marken stetig formativ ausgehandelt wird. Diese Aushandlung spiegelt sich daher in der Pluralität der hier besprochenen Definitionen wider. Der kurze historische Abriss der Warenzeichen aus dem vorigen Kapitel gibt bereits einen kleinen Eindruck darüber, in welchem sozialen Problemfeld Marken agieren und wie sie historisch verstanden wurden. Da es jedoch Ziel dieser Arbeit ist, etwas über das aktuelle Verständnis von Ökolabeln mit Hilfe eines aktuellen Markenverständnisses auszusagen, soll hier in diesem Kapitel nun eine zeitgenössische Definition von Marke vorgenommen werden. Diese Definition und das daraus erwachsende Arbeitsverständnis von Marke erlaubt dann auch den Übergang zum folgenden Oberkapitel, in welchem explizit auf die Annahmen und Grundlagen der gestalttheoretischen Markensoziologie eingegangen wird. Die in diesem Kapitel geleistete kleine Definition der Marke hat, wie der Verlauf des Kapitels zeigen wird, weder den Anspruch auf Vollständigkeit, noch auf Allgemeingültigkeit. Weder kann diese Arbeit den umfassenden Begriff der Marke vollständig erklären, noch alle fachlichen Debatten hierzu zusammenfassen oder alle Konzepte markensoziologischer Analyseweisen darlegen. Tatsächlich bewegt sich die zeitgenössische Bedeutung von Marke im Spannungsfeld unzähliger Perspektiven, von denen einige ausgewählte im Folgenden angesprochen und in Bezug auf die konstruktionsorientierte Forschungsfrage ausgewertet werden. Vor den wissenschaftlichen Definitionen von Marke soll zunächst einmal der Fokus auf den Begriff als solchen gelegt werden. Hierzu lohnt es sich, den Blick in die Datenbank des Duden zu wagen, welcher mit korpusanalytischen Verfahren die aktuelle Bedeutung und Gebrauchsweise von Worten auswertet (vgl. Dudenredaktion o. J. c: duden.de). So steht das Wort Marke in seiner ersten Bedeutung für Erkennungsmarke, Dienstmarke, Garderobenmarke, Lebensmittelmarke, Beitragsmarke oder Briefmarke (vgl. Dudenredaktion o. J. a: duden.de). Es handelt sich dabei primär erst einmal um Dinge, die zur Identifikation genutzt werden, ohne dabei einen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen aufzuweisen. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man die Herkunft des Wortes aus dem französischen marque bedenkt, was Kennzeichen bedeutet (vgl. Dudenredaktion o. J. a: duden.de). Die eigentlich wirtschaftliche Bedeutung findet sich im Duden erst unter 2a, wo von einer Warensorte die Rede ist, die unter einem bestimmten Warenzeichen oder Namen hergestellt wurde (vgl. Dudenredaktion o. J. a: duden.de). In dieser Bedeutung wird der Bezug zu den historischen Hersteller-, Haus- und Meisterzeichen deutlich, wie sie bereits im vorigen Kapitel diskutiert wurden. Marke kann jedoch
2.3 Marken und Label: Definitionen und Verständnisse
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auch begrifflich für Menschen verwendet werden, wenn jemand ein „(salopp) seltsamer Mensch“ (Dudenredaktion o. J. s: duden.de) ist. In einer dritten Bedeutung ist im Duden dann schließlich von einem als Messpunkt angebrachten Zeichen die Rede (vgl. Dudenredaktion o. J. s: duden.de). Zum Zwecke dieser Arbeit ist klar, dass vor allem Bedeutung 2 a von großer Bedeutung ist, welche einen wirtschaftlichen und historisch-wirtschaftlichen Bezug aufweist. Deutlicher wird dieser Bezug, sobald auch die Synonyme von Marke mit einbezogen werden. Unmittelbar auf die wirtschaftliche Bedeutung des Wortes bezogen, finden sich hier Fabrikat, Firmenzeichen, Handelsmarke, Hersteller, Label, Logo, Markenzeichen, Schutzmarke, Signet, Typ, Warenzeichen, Brand, aber auch Erkennungszeichen, Markierung, Merkmal, Zeichen und Signum (vgl. Dudenredaktion o. J. a: duden.de). Marke besitzt folglich eine regelrechte Flut an synonymen Bedeutungen, deren Bandbreite von unmittelbaren Anwendungsbezügen bis hin zu allgemeinen Zeichen reicht. Während insbesondere der historische Bezug in Synonymen wie Signum, Signet und Zeichen vorzufinden ist, beziehen sich vor allem Firmenzeichen, Logo, Handelsmarke, Markenzeichen, Schutzmarke und Warenzeichen/ Brand auf die aktuelle wirtschaftliche Verwendungsweise. Diese Synonyme führen jedoch lediglich geringfügig weiter. Somit ist eine Marke begrifflich primär ein Erkennungszeichen, welches auf Waren aufgebracht werden kann, um deren Identifikation zu erlauben. Faszinierend ist im Duden die synonyme Verwendung des Begriffes Label, wenn Label markensoziologisch doch lediglich Instrumente des Marketing, jedoch keine Marken sind (vgl. dazu Errichiello/ Zschiesche 2017: 19). Folgt man dem Duden (2018 b: duden.de), so handelt es sich bei Labeln werbesprachlich gebraucht um ein auf die Verpackung oder ein Produkt aufgebrachtes Etikett, die Produktlinie einer Firma (Marke) oder eine kategorisierende Benennung im Sinne eines Schlagwortes. Die Synonyme Aufkleber, Etikett, Fabrikat, Marke, Plakette, Signet und Zeichen weisen eine große Ähnlichkeit zu den synonymen Bedeutungen von Marke auf (vgl. dazu Dudenredaktion o. J. a, b: duden.de). Im besonderen Sinne wird durch Signet und Zeichen wieder die historische Linie zu den Vorformen der Warenzeichen gezogen, jedoch lassen diese Bedeutungen noch keinen Rückschluss auf die im vorigen Kapitel aufgestellte Entwicklungsthese der Zeichen zu. Sprachlich fixiert fällt dabei auf, dass Label und Marke sich begrifflich nur geringfügig unterscheiden und durchaus synonym zueinander verwendet werden können. Der inhaltliche Vergleich von Marken und Labeln, welcher in diesem und dem nächsten Oberkapitel fortlaufend durchgeführt wird, erscheint auf Basis der Nähe beider Warenzeichen zueinander aus markensoziologischer Sicht also durchaus als begründet. Die sprachliche Definition allein kann jedoch nicht ausschlaggebend für die soziologische Analyse und Definition der Marke sein, da
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viele Interpretationen außerhalb des sprachlichen Gebrauchs in der alltäglichen sozialen Praxis verborgen liegen. Somit erscheinen weitere Definition als Grundlage eines Arbeitsverständnisses von Marken als erforderlich, die auch die soziale Dimension der Warenzeichen einschließen. Da Marken, wie im Duden beschrieben, auch große Schnittmengen zur Wirtschaft aufweisen, muss zusätzlich zu soziologischen und sprachlichen Verständnissen auch ein wirtschaftliches Verständnis von Marken näher geprüft werden. Hier bietet Gablers Wirtschaftslexikon eine recht allgemeingültige Definition an. Laut Gablers Wirtschaftslexikon kann unter einer Marke „die Summe aller Vorstellungen verstanden werden, die ein Markenname oder ein Markenzeichen bei Kunden hervorruft bzw. beim Kunden hervorrufen soll, um die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“ (Burmann et al. 19.02.2018: wirtschaftslexi kon.gabler.de).
Somit enthält die vorliegende Definition einen klaren interpretativen Bezug, welcher bis in die Sphäre des Wissens reicht und der Unterscheidung des Angebots dienen soll. Dieser Bezug deckt sich weitgehend mit dem wissenssoziologischen Exkurs des vorigen Kapitels, befindet sich die Summe der Vorstellungen doch in einer symbolischen Sinnwelt oder ist zumindest Gegenstand einer inneren Kommunikation (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 33, 64 f., 103 ff.; vgl. dazu auch Blumer 1998: 5, 10, 16; vgl. auch Hölscher 1998: 48 ff.). Ausgelöst und erhalten werden diese Vorstellungen durch „Begriffe, Zeichen, Logos, Symbole oder Kombinationen dieser zur Identifikation und Orientierungshilfe“ (Burmann et al. 19.02.2018: wirtschaftslexikon.gabler.de). Ein Zeichen ist dabei ein wechselseitiger, intersubjektiver Nachrichtenübermittler, der eine sozial standardisierte Übersetzung von Bewusstseinsvorgängen ist und Ausdruck in Zeichenkonfigurationen wie der Sprache findet (vgl. Hölscher 1998: 45 f., 48). Festgemacht und ausgelöst werden die Vorstellungen der Definition demnach insbesondere über Symbole, die auf einen Sinnzusammenhang jenseits der konkreten Situation verweisen – eine Definition, die sowohl Blumer, als auch Berger und Luckmann gemein ist (vgl. dazu auch Abels 2009: 40 f., 46; vgl. auch Abels 2010: 261). Während Zeichen damit vor allem Informationen transportieren, verweisen Symbole auf etwas abwesendes, als eine appräsentative Verbindung verschiedener Wirklichkeitsbereiche (vgl. Hölscher 1998: 48 f.). Auch Symbole kommen in Konfigurationen vor, die (teil-) vergesellschaftete Verweise auf (teil) objektivierte Ordnungsschemata der Sozialwelt darstellen (vgl. Hölscher 1998: 49 f.). Als solche bieten Marken sinnstiftende Funktionen wie die Schaffung von
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sozialen Identitäten und Distinktionsschemata, die Einordnung in subkulturellen Gruppen, persönliche Orientierung in einer sozialen Ordnung und die beobachtbare idealtypische Expression von Lebensphilosophien (vgl. Hölscher 20, 25, 49 f.). Als Identifikationsschema führt der Konsum von Marken durch eine Übertragung des Markenimages auf Personen daher zur Selbst- und Fremdverortung von Personen in Gruppen und Lebensstilen (vgl. Hölscher 1998: 52 f., 67 f., 73, 189, 200 f.). Für die Konsument*innen stellt eine Marke daher verdichtete Informationen dar, die Vertrauen, Orientierung, Emotionen und Abgrenzungen schafft, gleichzeitig aber auch Zusatzinformationen über das Produkt vermittelt (vgl. Burmann et al. 19.02.2018: wirtschaftslexikon.gabler.de). Gleichermaßen erlaubt die Marke einem Unternehmen vor allem Differenzierung, Kundenbindung und Akzeptanz zu erzeugen (vgl. Burmann et al. 19.02.2018: wirtschaftsl exikon.gabler.de). Marken sind in diesem Sinne soziokulturelle und konsumtive Symbole, die habitualisiert ein Ausdruck sozialer Identitäten, (sub-) kultureller Differenzierungen und ästhetischer Einstellung sind, was in ihrer sinnhaften Konfiguration zu einer Selbst- und Fremdverortung von Personen in der Sozialstruktur führt (vgl. dazu Hölscher 1998: 20, 52 f., 67 f.). Ferner handle es sich bei der Marke um ein „[z]u den gewerblichen Schutzrechten zählendes Kennzeichnungsrecht“ (Burmann et al. 19.02.2018: wirtschaf tslexikon.gabler.de). Hieraus stemmt sich auch der normative Charakter vieler Markenperspektiven, denn das System des Registermarkenrechts, ist als ein System von Normativbedingungen anzusehen (vgl. Fezer 2006: 435). Die juristische Definition ist hier jedoch insbesondere hinsichtlich der Problemstellung der Forschungsarbeit zu vernachlässigen. Relevant ist hier nur zu betonen, dass es sich bei schutzfähigen Marken nicht nur um Symbole, sondern auch um Namen, Buchstaben, Zahlen, Töne, Abbildungen und sogar geographische Angaben handeln kann (vgl. Burmann et al. 19.02.2018: wirtschaftslexikon.gabler.de). Somit sind alle zulässigen Kommunikationszeichen zulässige Markenformen und sollen als Unterscheidungszeichen im Marktwettbewerb dienen (vgl. Fezer 2006: 430 f.). Besonders soziologisch wertvoll an dieser eigens erweiterten lexikalischen Definition von Marke ist der geschaffene Bezug zur Interpretationsbedürftigkeit von Markensymbolen, die stets bestimmte Vorstellungen transportieren sollen. Insbesondere auf diesen symbolischen Gehalt der Marke wird im Kapitel 3 zurückzukommen sein. Eine Marke ist somit einerseits ein rechtlich geschütztes Zeichen, welches andererseits bestimmte Vorstellungen beinhaltet und sowohl Identität, Differenzierung, als auch Orientierung ermöglicht. Von Bedeutung für dieses Forschungsvorhaben ist ebenfalls der Gedanke, dass es sich bei Markenzeichen um Kommunikations- und Unterscheidungszeichen handelt, welche jedoch normativ durch rechtliche Vorgaben gebunden sind. Marken sind ferner in diesem
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Sinne kommerzielle Kommunikations- und Unterscheidungszeichen zur Identifizierung von Produkten auf Warenmärkten und dadurch dynamische Systeme der Kommunikation (vgl. Fezer 2006: 430 ff., 439). Auch das Institut für Markentechnik Genf hat eine Markendefinition erstellt, die einen eher wirtschaftlichen Bezug aufweist und bis heute von den gestalttheoretischen Vertretern verwendet wird. Laut dem Institut ist „[d]ie Marke […] ein Wirtschaftskörper, der die Leistungen der gesamten Wertschöpfungskette integriert und sie auf die Kundschaft ausrichtet“ (Schmidt 2004: 249). Ferner existiere die Marke erst dann, wenn durch die Unternehmensleistung eine Kundschaft gebildet wurde (vgl. Schmidt 2004: 249). Die Leistung besteht dabei aus Produktleistung, Distributionsleistung, Kommunikationsleistung, sowie Namen und Zeichen mit Aussagekraft (vgl. Schmidt 2004: 249). Marken sind dabei als Energiesysteme zu verstehen, deren Leistungsstrukturen sich in Lebensäußerungen widerspiegeln und dadurch Kundschaft generieren (vgl. Deichsel/ Simon 2004: 169). Deutlich erkennbar wird in dieser Definition von Marke, dass alle Leistungen in die Marke eingehen müssen, bevor sich eine Kundschaft um die Marke versammeln kann. Erst durch diese Versammlung von Menschen wird die Marke zur Marke. Leistung und Kundschaft werden dadurch gleichermaßen zu Ursache und Wirkung der Marke. Das Verhältnis ist dabei synchron und kausal, sowie zirkulär und kausal, nicht aber im strikten Sinne Descartes‘ linear-kausal (vgl. dazu Otte 2015: 22 f.). Etwas weiterentwickelt schildern diesen Gedanken noch einmal Errichiello und Zschiesche (2013: 34 f.), wenn sie hervorheben, dass die zentralen Aspekte von Marken das Vertrauen der Kundschaft in das Unternehmen und seine Leistung darstellen. Dabei werden die Leistung und der Name eines Unternehmens untrennbar miteinander verbunden, was auch eine der Hauptaufgaben der Produktmarken darstellt (vgl. Errichiello/ Zschiesche 2013: 34 f.). Besonders in der Definition des Instituts für Markentechnik Genf ist also ersichtlich, dass Marken häufig als Systeme verstanden werden, welche sich jedoch zentral auf Kommunikation und Symbole als Sinnverweise stützen. Ein wenig anders drücken es an anderer Stelle die Hauptvertreter des gestalttheoretischen Ansatzes aus, wenn sie konstatieren, dass „Marke ein soziales Phänomen ist, das betriebswirtschaftliche Auswirkungen hat“ (Errichiello/ Zschiesche 2013: 12), dies jedoch nicht andersherum sei. Diese primär markensoziologische Definition macht dabei deutlich, dass sich Marken, insbesondere aus der Perspektive der Soziologie, nicht rein ökonomisch beschränken lassen, sondern im Kern soziale Ursachen besitzen. Eine weitere Definition der Autoren besagt, dass eine Marke erst dann entsteht, wenn sie es schafft, kollektive positive Vorurteile für sich in einer Vielzahl von Menschen zu verankern (vgl. etwa Deichsel et al. 2017: 10 f.). Insofern muss, interpretativ soziologisch gewendet, die Marke den
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Status eines signifikanten Symbols oder einer Institution annehmen, um den Status einer Marke zu erlangen (vgl. dazu Blumer 1998: 8 f., 16 f.; vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 64 f.; vgl. dazu auch Hölscher 1998: 192 f.). Die Marke sei überdies ein Gestaltsystem mit eigenen Erfolgsregeln und internen Gesetzen, welches sich aus einer individuellen Historie heraus entwickle und im Idealfall der Sender einer Botschaft sei (vgl. Deichsel et al. 2017: 21, 26). Implizit finden sich in dieser Definition von Marken nicht nur ein weiteres Systemverständnis, sondern durch den Senderstatus der Marke auch ein impliziter Bezug zu Kommunikation. Durch diese zusätzliche Erweiterung der Definition, wird auch ein interpretativ soziologischer Zugang zu Marken sichtbar. Dies soll aber keineswegs als Beliebigkeit verstanden sein, da Deichsel, in Anlehnung an Leibniz, der Marke den Status einer abgeschlossenen und einzigartigen Monade zuweist (vgl. etwa Leibniz/ Deichsel 2008: 435). Wenngleich interpretationsbedürftig, sieht er die Marke dadurch als etwas Lebendiges und Unteilbares an, eben als ein in sich geschlossenes Ding (vgl. dazu Deichsel 1997: 226). Die Marke ist dabei vor allem im Sinne von Tönnies auch dadurch gekennzeichnet, dass sie ein willentliches Bündnis darstellt (vgl. Deichsel et al. 2017: 51 ff.). Insofern ließe sich auch markensoziologisch schlussfolgern: „Das Wertschöpfungssystem Marke ist ein willentliches Bündnis zwischen Menschen, die sich durch Leistungen das Leben erleichtern, sich fördern und positiv aufeinander beziehen wollen.“ (Deichsel et al. 2017: 53)
Als interpretationsbedürftig sieht auch Springinsfeld (1997: 265) eine Marke, die er als Sonderfall eines dialektischen Zusammenspiels von soziokulturellem Dasein, kollektivem Bewusstsein und symbolischer Repräsentanz, beziehungsweise Interaktion, einordnet. Im Anschluss formuliert der Autor fünf Ursachen der Marke, die er mit Produkt, Bewusstsein, Werbung, Differenz und Selbstähnlichkeit benennt, wobei diese in physikalische Wirkungsursachen und gestaltbildende Formursachen geteilt werden könnten (vgl. Springinsfeld 1997: 267). Er verweist darauf, dass Kommunikation, etwa Werbung, aufgrund dieser Ursachen nur symbolisch gesehen werden könne (vgl. Springinsfeld 1997: 274). Markenkommunikation als symbolische Kommunikation einzuordnen, ist indes ein wichtiger Hinweis für ein Kommunikationsverständnis von Marken, die bereits in vorigen Definitionen als symbolhaft umschrieben wurden. Laut Blumer (1998: 10) und bei Berger und Luckmann (2016: 36–48) etwa, ist alle Kommunikation symbolisch. Hellmann (2003: 17 ff.) geht bei Marken hingegen in erster Linie von Symbolen als soziale Tatsachen aus, die fast überall auf der Welt verstanden werden können und damit eine globale Sprache darstellen. Auch hier ist der Bezug zu
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interpretativen Verständnissen der Soziologie offenbar. In Anlehnung an Rolf Lindner und Eugen Buss weist Hellmann (2003: 23, 25) ebenfalls darauf hin, dass die Warensymbolik als soziales Symbol auch ein Bedeutungsträger und ein Gegenstand der Selbstdarstellung ist. Dies deckt sich auch mit den Erkenntnissen von Hölscher (1998). Entsprechend handelt es sich bei Marken auch um bedeutungstragende Symbole, ähnlich wie Burmann et al. (o. J.: wirtschaftslexikon.gab ler.de) es in Gablers Wirtschaftslexikon formuliert und es weitere Definitionen andeuten. Generell lassen sich bei der Erforschung der Marken laut Hellmann (2003) drei Paradigmen identifizieren, die je andere Prämissen verfolgen. Als erstes Paradigma nennt Hellmann (2003: 69–77) jenes der Marke als Technik, in welchem versucht wurde, Marken klassifikatorisch erfassen und steuern zu können (vgl. dazu Hellmann 2003: 70). Dieser Phase ordnet Hellmann (2003: 73 ff.) die Markentechnik9 zu, welche als gedanklicher Bezugspunkt für den gestalttheoretischen Ansatz gilt. Insbesondere die Idee der technischen Steuerbarkeit von Marken weist Hellmann (2003: 74 f.) aber entschieden zurück. Ein zweites Paradigma identifiziert Hellmann (2003: 77–88) mit der Marke als Persönlichkeit. Geprägt sei dieses Paradigma durch ein psychologisches Interesse am Phänomen Marke und der psychologischen Aufladung der Marke (vgl. Hellmann 2003: 80 ff.). Die Persönlichkeit, so Hellmann (2003: 88), soll dabei Vertrauen und Glaubwürdigkeit vermitteln, wobei sie zeitgleich als Idealtyp, Chiffre und Leitbild erfolgreicher Markenpolitik fungiere. Das dritte und aktuellste Paradigma weist Hellmann (2003: 88–106) der Marke als Kommunikation zu. In diesem Paradigma sieht Hellmann (2003: 88 ff.) die Marke insbesondere in ihrer Kommunikationsleistung begründet, was neue Wege zu Zielgruppen eröffne. Kernfrage sei daher, wie man die Kommunikation von Marken erfolgreich gestalten könne (vgl. Hellmann 2003: 106). Um dieser Frage näher zu kommen, die immer stärker an die Verbraucher gekoppelt sei, sei die Berücksichtigung der Verbraucher- und Marktforschung unumgänglich (vgl. Hellmann 2003: 106). Marke als Kommunikation bedeutet in diesem Sinne auch, dass der Analysefokus der Markenforschung von der Herstellerseite (Marke als Technik) zur Verbraucherseite (Marke als Kommunikation) gewechselt hat. Eine Marke kann der Argumentation von Hellmann (2003) folgend also wissenschaftlich unter dem Gesichtspunkt der Technik, der Persönlichkeit oder als Gegenstand der Kommunikation verstanden werden. 9 Wortschöpfung
von Hans Domizlaff aus Technik (rational) und Marke (lebendig), welche die Marke als Gegenstand von Naturgesetzen begreift und innerhalb der Markentechnik in gewissen Anteilen steuerbar macht (vgl. Sumerauer-Bodensoh 1995: 79). Eine Marke ist jedoch nicht im eigentlichen Sinne beherrschbar. Hellmann (2003: 69–106) ordnet Domizlaff allen drei Paradigmen zu.
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Ein eher sprachliches Grundverständnis von Marke ist zunächst bei Hüllemann (2007) vorzufinden. So weist der im Sinne von Wittgenstein darauf hin, dass der Gebrauch die Bedeutung eines Wortes bestimme und das Wort Marke eigentlich von Mark herstamme (vgl. Hüllemann 2007: 81). Dies ist eine unmittelbare Abweichung von der im Duden angegebenen Wortherkunft aus dem französischen marque10 (vgl. Dudenredaktion o. J. a: duden.de). Im Rückgriff auf ein Wörterbuch der Gebrüder Grimm von 1984, gibt Hüllemann (2007: 81) als primäre Bedeutung von Mark die Worte Zeichen, Geldstück, Gewichtsstück, Land und Grenze an. In der Verwendung soll Mark entweder als Grenzzeichen oder Kennzeichen zu verstehen sein (vgl. Hüllemann 2007: 81). Entsprechungen des Begriffes ließen sich allerdings in sehr vielen Sprachen finden, so auch in Latein, Sanskrit und der Mehrzahl der romanischen Sprachen (vgl. Hüllemann 2007: 81 f.). Marke als solches repräsentiert als Begriff einen Gegenstand und weist diesen aus, wobei stets eine semantische Verbindung zur Qualität bestünde (vgl. Hüllemann 2007: 82). In neuerer Zeit sei zudem eine ökonomische Prägung des Begriffes nicht von der Hand zu weisen (vgl. Hüllemann 2007: 83). Somit wäre eine Marke in erster Linie ein Begriff, welcher einen Gegenstand bezeichnet, ausweist und abgrenzt. Hüllemann (2007: 83– 86) diskutiert jedoch auch bestehende Markendefinitionen wie das traditionelle Markenverständnis, das merkmalsbezogene Markenverständnis, das wirkungsbezogene Markenverständnis, das identitätsorientierte Markenverständnis und das systemische markentechnische Markenverständnis. Hüllemann (2007: 86) kommt dabei zum Ergebnis, dass all diese Positionen miteinander übereinstimmen, Marke im Bereich der wirtschaftlichen Kommunikationszusammenhänge zu verorten. Der allgemeinen und bislang sprachlichen Definition wäre hier also der Aspekt des Ökonomischen hinzuzufügen. Marken kommen als Kommunikation in dieser Lesart ausschließlich innerhalb von Sinnsystemen vor (vgl. Hüllemann 2007: 89), was den Begriff direkt für die Systemtheorie nach Luhmann öffnet. Eine weitere systemtheoretische Definition, welche noch Gegenstand des Kapitels 3.3 sein wird, liefert Otte (2015) in Anlehnung an Domizlaff: „Marke ist eine Verbindung sehr vieler – mikroskopischer – Elemente zu einem makroskopisch geordneten und ordnenden Wesen“ (Otte 2015: 62). Marken sind also überdies als Ordner anzusehen, die im holistischen Sinne mehr darstellen als die Summe ihrer Teile. Eine ebenfalls markensoziologisch ausgerichtete Definition von Marke liefert Errichiello (2017: 37 ff.) mit dem Anspruch, historisch konstante Merkmale von Marke identifiziert zu haben. Als jene Merkmale nennt er als Leistung 10 Er verweist allerdings dennoch auf die später im Kontext mit Warenkennzeichnung (17. Jhd.) vorherrschende Bezeichnung marque (vgl. Hüllemann 2007: 82).
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wahrnehmbaren Willen, eine individuelle Gestaltungskomposition, ein zeitlich stabiles Beharrungsbegehren auf Leistung, einen Verknüpfungszusammenhang von Leistung und Namen, ein soziales Verpflichtungsnetzwerk der kollektiven Erwartungsübertragung auf den Anbieter und schließlich die über ein ästhetisches Urteil verbundene Leistungsgemeinschaft (vgl. Errichiello 2017: 38). Als Resultat dieser Merkmale sieht Errichiello (2017: 38) ein kollektiv verankertes positives Vorurteil vorliegen. Gleichermaßen bilden sich um diese Leistungen herum dann geistig-ideelle Bündnisse,11 die kollektiven Vorstellungen aufbauen, welche immer wieder durch Erfahrungen bestätigt werden müssen (vgl. Errichiello 2017: 38 f.). In dieser Definition sind, ähnlich den vorangegangenen Definitionen, wieder die Aspekte der Orientierungshilfe und der an Marken gebundenen Vorstellungen vorzufinden, welche allerdings einen zeitlich stabilen Charakter aufweisen müssen. Über Bestätigung der Erfahrungen mit der Leistung der Marke festigen sich die kollektiven Vorurteile in geistig ideellen Bündnisformen. Insofern werden sie, interpretativ soziologisch gedreht, zu Institutionen oder definierten formativen Handlungen (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 64 f.; vgl. dazu Blumer 1998: 16 ff., 70 ff.). In der reinen Definition des Begriffes Marke erschöpft sich die Beschreibung Errichiellos (2017) jedoch nicht. Denn als ganz universell verständlich können Marken nicht grundsätzlich gelten. So weist er in Bezug auf Markenartikel darauf hin, dass diese normierten Mengenartikel zwar eigentlich universelle Botschaften vermitteln sollten und so die Differenzierung ermöglichen könnten, jedoch faktisch kaum ein Mensch noch die Produktionsstufen eines Produktes überschauen kann (vgl. Errichiello 2017: 51 f.). Dies gilt in besonderem Maße selbst für die Hersteller*innen, wodurch es notwendig wird, die verlorene Beziehung von Hersteller*in und Verbraucher*in wieder neu herzustellen – mittels Marken (vgl. Errichiello 2017: 52 ff.). Dies sehe man auch daran, dass in immer anonymeren Märkten die (vermeintliche) persönliche Verbindung bei Gelegenheiten wie Hoffesten zelebriert werde und somit längst ein fester Bestandteil von Produktgestaltungen geworden sei (vgl. Errichiello 2017: 54, 59, 61). Insofern begegneten uns Marken wie Menschen (vgl. Errichiello 2017: 52). Diese Aussagen decken sich auch mit den historischen Erkenntnissen des vorigen Kapitels und machen einen weiteren Charakter von Marken deutlich – jenen der Beständigkeit und
11 Die gestalttheoretische Markensoziologie geht wie Tönnies davon aus, dass Menschen Bündnisse auch mit Dingen eingehen können. Diese Annahme wird im folgenden Kapitel ausführlicher thematisiert.
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Nähe (vgl. dazu Errichiello 2017: 59, 73, 75). Als käufliche Differenz bieten Marken die Möglichkeit zur Selbstdarstellung als massenhaft verständliche Symbole des Lebensstils (vgl. Errichiello 2017: 58, 65, 67, 69). Zu den Aspekten der Vorurteile lassen sich Ergebnisse der Lebensstilforschung hinzufügen. Wie eingangs im Kapitel beschrieben, sind Marken auch Symbole der sozialen Identität, die ein Image vermitteln. Als soziales Image gilt bei Hölscher (1998: 116) „[…] das lebensstiltypisch verschieden bewertete, soziale Ansehen von Personen oder Gruppen.“ Images bilden sich aus teilvergesellschafteten Lebensphilosophien und enthalten gruppentypische Normen und Werte, in denen sich Akteure durch Sanktionen gegenseitig verstärken (vgl. Hölscher 1998: 116). Insofern spiegeln Images auch Vorurteile wider. Aus der Perspektive der Lebensstilforschung wird ein Produkt dann zur Marke, wenn es erfolgreich ein unterscheidbares Image aufbaut (vgl. Hölscher 1998: 178, 192). Wenn Menschen das Produkt nun konsumieren, versuchen sie sich damit häufig auch das Image zu übertragen (vgl. Hölscher 1998: 189). Konsument*innen zeigen in dieser Hinsicht ein „[e]xpressives Konsumverhalten durch imageorientierte Verwendung der Imagemarke als sozial distinktives Lebenssymbol“ (Hölscher 1998: 178), welches ihnen in der Folge den Aufbau einer sozialen Identität erlaubt. Ferner kann eine Marke so zu einem Statussymbol werden, dessen Image in der Alltagswelt gewusst wird (vgl. Hölscher 1998: 179, 193). Hierbei ist auch die Art der Markenprodukte von entscheidender Bedeutung. So sind kurzlebige Konsumartikel wie Lebensmittel für das Image kaum relevant und lehnen sich vor allem an die Dachmarken an, während langlebige Gebrauchsgüter hochgradig ungleichheitsrelevant auf eine Statusorientierung des Wählenden hindeuten (vgl. Hölscher 1998: 196 f., 200 f.). Während die Nutzung von Dachmarken vor allem eine Statusorientierung erkennen lässt, spricht die Nutzung diversifizierter Marken insbesondere für eine Imageorientierung (vgl. Hölscher 1998: 193 f., 197). Noch deutlicher und ausführlicher als es hier gefasst wurde, beschäftigten sich bislang unzählige Wissenschaftler*innen mit dem Thema und Phänomen der Marke. Für ein erstes begriffliches Arbeitsverständnis sollen die hier genannten Perspektiven jedoch ausreichen und nun erst einmal zusammengefasst werden. Die Marke dient demnach in erster Linie als ein rechtlich geschütztes, normatives Erkennungs- und Grenzzeichen, welches in seiner ökonomischen Verwendungsweise Waren und Dienstleistungen kennzeichnet und so deren Differenzierung ermöglicht. Insofern handelt es sich bei Marken immer auch um Kommunikationszeichen. Sie besitzen dabei einen immateriell symbolhaften Charakter, welcher eine Vielzahl sozialer Interpretationen, Identitäten, Distinktionen, Images und Vorurteile zulässt. Das sozial gewollte Symbol muss stets mit der Leistung eines konkreten Angebots verbunden sein, was schließlich die
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Bündnisbildung einer Kundschaft mit der Marke erlaubt und so die Hersteller*inVerbraucher*in Beziehung ersetzt. Als soziales Bündnis existiert eine Marke nur, sobald eine derartige Verbindung der Kundschaft mit einer Leistung zeitstabil vorliegt. Die soziale Dimension der Marke steht in ihrer Bedeutung somit vor der ökonomischen Dimension, beide Ausprägungen sind voneinander jedoch häufig nicht klar trennbar. Eine Marke ist demnach immer als Symbol zu verstehen, welches auf einen Zusammenhang jenseits der konkreten Situation verweist. Geht man noch einen Schritt weiter, kann man an dieser Stelle ein enges und ein weites Verständnis von Marken an diese allgemeine Beschreibung anknüpfen. In seinem engen Verständnis handelt es sich bei Marken um (kommerzielle) Differenz- und Kommunikationszeichen, die eine Identifikation von Produkten auf Warenmärkten ermöglichen. Als Symbole verweisen sie auf einen Sinnzusammenhang jenseits der konkreten Situation und erlauben so die effiziente Kommunikation der Leistungen und Charakteristika der Marke, sowie die sinnhafte Vereinnahmung durch Konsument*innen. In einem weiten Verständnis hingegen, handelt es sich bei Marken um eigenständige soziale Systeme, welche nichtsdestoweniger symbolisch mit ihrer Umwelt kommunizieren. Augenfällig ist, dass insbesondere das weite Verständnis Gegenstand markensoziologischer Diskussion wurde, was gleichermaßen zu einer Einschränkung der Forschungsperspektiven führte (2.4). Auf das weite und das enge Verständnis von Marken wird nach der Evaluation des gestalttheoretischen Ansatzes in Abschnitt 3.9 noch ein kritischer Blick geworfen. Für ein erstes Arbeitsverständnis der Marken im zweiten und dritten Kapitel wird daher der vorangehende Definitionsblock herangezogen. Während also eher zu viele abweichende Definitionen von Marken vorhanden sind, existiert bislang kein etablierter Begriff für Label in der soziologischen Forschung. Lediglich die Definition des Dudens verweist auf eine teils synonyme Verwendung zu Marke und zeigt eine prinzipielle Entwicklungsherkunft mit Marke auf (vgl. dazu Dudenredaktion o. J. b: duden.de). Markensoziologisch aber, sind Marken keine Label und allein durch den fehlenden Leistungsaspekt der Label in der Grundsubstanz verschieden (vgl. dazu auch Errichiello/ Zschiesche 2017: 19). Dieser Umstand macht das Vorhaben dieser Forschungsarbeit in seiner Relevanz deutlich, diese klaffende Lücke des sozialen Alltags zu schließen und der Markensoziologie eine Analysemöglichkeit der allseits vertretenen Label als verwandte Warenzeichen zu verschaffen. Um das Ziel der Vermittlung jedoch zu erreichen, muss zunächst abgegrenzt werden, inwiefern und inwieweit sich Marken und Label unterscheiden. Dies wird in den folgenden Kapiteln vorgenommen.
2.3 Marken und Label: Definitionen und Verständnisse
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Abschließend sieht man also deutlich, dass Marken mehr sind als ein einfaches Zeichen auf Papier und mehr noch, als die simple Information, wer für ein Produkt rechtlich verantwortlich ist. Marken sind vielmehr eine Grundeinheit des modernen sozialen (Wirtschafts-)Lebens und stehen für weit mehr soziale Informationen, als es auf den ersten Blick scheint. Sie sind Teil tagtäglicher, überlebensnotwendiger Komplexitätsreduktion und dadurch ein fester und aktiver Bestandteil der sozialen Wirklichkeit aller Gesellschaftsmitglieder. Gleichermaßen stehen sie als Symbole in einem Kommunikationsprozess für eine Vielzahl sozialer Zusammenhänge, wie Gruppenzugehörigkeit, Identität, Distinktion und Image. Aufgrund der gemeinsamen Geschichte der Warenzeichen wäre es schlüssig anzunehmen, dass dasselbe auch für Label gilt. Dies soll nun anhand einer Definition von Labeln hinterfragt werden.
2.3.2
Eine Definition von Labeln
Beginnend mit der im vorigen Kapiteln bereits angesprochenen werbesprachlichen Definition von Labeln, handelt es sich bei ihnen um ein „Etikett, das auf ein Produkt oder dessen Verpackung aufgeklebt wird“ (Dudenredaktion o. J. b: duden.de). Alternativ kann ein Label auch als „Produktlinie einer Firma; Marke“ (Dudenredaktion o. J. b: duden.de) verstanden werden, was eine Brücke zum vorigen Kapitel schlägt. Synonyme des Labels sind „Aufkleber, Etikett, Fabrikat, Marke, Plakette, Signet, Zeichen“ (Dudenredaktion o. J. b: duden.de), wodurch eine direkte Verbindung zur Historie der Warenzeichen entsteht, in welcher Signets vielfältig als Qualitätszeichen verwendet wurden. Mit diesen sprachlichen Herangehensweisen ist jedoch keineswegs geklärt, wie sich die soziale Dimension von Labeln beschreiben lässt, welche soziologischen Charakteristika ein Label tatsächlich aufweist, noch, was Label und Marke nun faktisch unterscheidet. Dieser Frage soll nun in diesem Kapitel nachgegangen werden. Denn auch Label sind mehr, als nur reine Aufkleber auf Produkten. Label sind im sozialen Alltag nicht weniger präsent als Marken und sind mittlerweile auch auf immer mehr Produkten zu finden. Sie signalisieren Qualität, Merkmale, Prüfung, einen Biostatus oder dass ein Produkt fair gehandelt wurde. Aufgrund dieser schieren Masse an potentiellen Ausdrucksmöglichkeiten von Labeln, konzentriert sich diese Arbeit und das vorliegende Kapitel insbesondere auf die Kategorie der Ökolabel aus Lebensmitteln, wobei sich die Masse der hier erzielten Erkenntnisse auch auf Label im Allgemeinen übertragen lässt. Sucht man nach Definitionen von Ökolabeln, so ist das Bild weit weniger divers, als es noch bei Marken im vorigen Kapitel der Fall war. Tatsächlich gibt
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Grundlagen der Markensoziologie
es im fragmentierten und interdisziplinären Forschungsstand zu Ökolabeln sogar eine gewisse Einigkeit über die definitorischen Grundzüge von Labeln. So liefern Ökolabel etwa Informationen über Produkte, die dadurch nachhaltigere Entscheidungen der Konsument*innen ermöglichen (vgl. etwa Csigéné Nagypál et al. 2015: 210; vgl. auch Rex/ Baumann 2007: 567; vgl. auch Hemmelskamp/ Brockmann 1997: 67).12 Ökolabel sind dabei gemeinhin als ethische Label einzuordnen (vgl. Grunert et al. 2014: 178 f.). Die häufigsten Ökolabel im Lebensmittelbereich sind wiederum die Biolabel und diese besitzen dieselbe Zielstellung wie Ökolabel im Allgemeinen (vgl. van Loo et al. 2014: 138; vgl. auch van Loo et al. 2015: 215). Die Begriffe Öko- und Bio-, sowie die daran anschließenden Logos und Kennzeichnungen, sind in der EG-Öko-Basisverordnung vom 28.06.2007 rechtlich im gesamten Gebiet der Europäischen Union kodifiziert (vgl. Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007, Titel I, Art. 1). So darf mit den Begriffen Öko- und Bio-, sowie daran angelehnten Bezeichnungen und Logos, inklusive des Gemeinschaftslogos, nur bezeichnet werden, was den besonderen Produktionsund Verarbeitungsbestimmungen dieser Verordnung entspricht (vgl. Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007, Titel I, Art. 1, Art. 2, Art. 23, Art. 24, Art. 25). Ein Ökolabel wäre in diesem rechtlich eng kodifizierten Sinne eine Kennzeichnung gemäß der EG-Öko-Basisverordnung. Spielraum existiert hierbei vergleichsweise wenig, da ausschließlich Produkte gekennzeichnet werden dürfen, die auch die Bedingungen der Verordnung erfüllen, wohingegen die Vortäuschung der Erfüllung in Kennzeichnungen und Werbepraktiken explizit verboten ist (vgl. Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007, Titel I, Art. 23, Art. 24, Art. 25). Bei der Vortäuschung der Erfüllung wäre in diesem Sinne von Greenwashing zu sprechen, welches umgangssprachlich als „Versuch (von Firmen, Institutionen), sich durch Geldspenden für ökologische Projekte, PR-Maßnahmen o. Ä. als besonders umweltbewusst und umweltfreundlich darzustellen“ (Dudenredaktion o. J. i: duden.de) definiert ist und in Bezug auf Bio- und Öko- in der EG-Verordnung vor allem im Titel I, Artikel 23 (2) geregelt wird. Greenwashing läge demnach in Kombination beider Definitionen in Bezug auf Label dann vor, wenn eine Werbung oder eine Kennzeichnung den Konsument*innen suggeriert, dass ein bestimmtes Produkt Bio oder Öko ist (vgl. dazu Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007, Titel I, Art. 23 (2); vgl. auch Dudenredaktion o. J. i: duden.de). Mitverantwortlich für die mögliche Suggestion ist auch die umgangssprachliche Definition von Ökolabeln, die selbst
12 Identisches
gilt für Ernährungslabel (vgl. Hartmann et al. 2018: 377).
2.3 Marken und Label: Definitionen und Verständnisse
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in der Wissenschaft mehrheitlich Verwendung findet. So handelt es sich bei Ökolabeln um einen „Aufkleber oder Aufdruck auf (der Verpackung) einer Ware, der anzeigt, dass sie umweltverträglich hergestellt wurde“ (Dudenredaktion o. J. j: dud en.de). Insofern gelten Ökolabel gemeinhin nicht als die in der EG-Verordnung rechtlich kodifizierten Zeichen, sondern schlicht als ein Nachweis von Nachhaltigkeit. Sind die Ökolabel rechtlich kodifiziert, so stehen sie an der Grenze zur Marke, wie an späterer Stelle ausgeführt wird. Daher wird hier zunächst mit dem allgemeineren, umgangssprachlichen und wissenschaftlichen Verständnis von Ökolabeln weitergearbeitet, nicht aber mit dem rechtlich-normativem Begriff im Sinne der EG-Öko-Basisverordnung. Dies deckt sich auch mit der Definition von Ökolabeln im Gabler Wirtschaftslexikon. Dieses sieht Ökolabel als Subtyp von Warenkennzeichnungen an (vgl. Hennig et al. 16.02.2018: wirtschaftslexikon.gabler.de). Ökolabel sind hier als „solche Produktkennzeichnungen zu verstehen, bei deren Vergabe zumindest auch ökologische Qualitätsmerkmale eine Rolle gespielt haben“ (Hennig et al. 16.02.2018: wirtschaftslexikon.gabler.de). Ausgangspunkt hierfür ist dabei das wachsende Umweltbewusstsein der Bevölkerung, wobei die Label unterschiedlichen Aussagegehalt besäßen (vgl. Hennig et al. 16.02.2018: wirtschaftslexikon. gabler.de). Da hier von Nachhaltigkeit die Rede ist, sollte auch darauf kurz eingegangen werden. Seinen Ursprung hat der Begriff der Nachhaltigkeit als ein ressourcenökonomisches Prinzip in einer Abhandlung über die Forstwirtschaft von Hans Carl von Carlowitz (1645–1714), in welcher er eine beständige Bewirtschaftung von Wäldern fordert (vgl. Uekötter 2014: 10; vgl. auch Pufé 2014: 16). Erweitert wurde der Begriff 1987 durch den Brundtland-Bericht, der einen Erhalt der Lebensgrundlagen für künftige Generationen hinzu ergänzte (vgl. Pufé 2014: 16). Insbesondere im wirtschaftlichen Bereich wurden diese Forderungen in ein Verständnis des umwelt- und sozialverträglichen Wirtschaftens übernommen (vgl. Pufé 2014: 16). Gemeinhin existiert für Nachhaltigkeit bis heute keine einheitliche Definition (vgl. Pufé 2014: 16). Nachhaltigkeit wird daher in der Wissenschaft sogar häufig als eine inhaltsleere Begriffshülse begriffen (vgl. Uekötter 2014: 9, 15). Es haben sich aber mittlerweile einige Charakteristika etabliert, welche den meisten Nachhaltigkeitsdefinitionen gemein sind. So wird in den dominanten Modellen der Nachhaltigkeit in eine ökologische, ökonomische und soziale Dimension von Nachhaltigkeit unterschieden, die als interdependent zu verstehen sind (vgl. Pufé 2014: 17 f.). Sichtbar ist dies im drei Säulen Modell, wo jede Säule gleichberechtigt das Dach der Nachhaltigkeit trägt (vgl. Pufé 2014: 17 f.). Ebenso zeigt sich diese Aufteilung auch im Dreiklang-Modell und im Nachhaltigkeitsdreieck (vgl. Pufé 2014: 17 f.). Ökolabel sind in diesem Sinne
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Grundlagen der Markensoziologie
als eine Verbindung der ökologischen und ökonomischen Säule der Nachhaltigkeit zu verstehen. Nachhaltigkeit selbst ist dabei eine Sache der Aushandlung und hat insofern keinen definierten Begriffskern. Ökolabel können eine Vielzahl von Funktionen für verschiedene Akteure erfüllen. Für die Politik eröffnen Ökolabel explizit die Möglichkeit, den Markt durch Anreize zu verändern, für NGOs eröffnen sie die Möglichkeit, die öffentliche Debatte zu beeinflussen und Druck auf Firmen oder Konsument*innen auszuüben und sie bieten die Möglichkeit für Unternehmen, sich durch Label einen Marktvorteil zu verschaffen (vgl. etwa Rex/ Baumann 2007: 570; vgl. auch Hemmelskamp/ Brockmann 1997: 67; vgl. auch Brécard et al. 2009: 116). Auch durch eine rechtliche Kodifizierung sollen insbesondere das Vertrauen der Verbraucher*innen gewahrt und Verbraucherinteressen geschützt werden (vgl. Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007, Titel I, Art. 1 (1)). All diese Perspektiven eröffnet ein Ökolabel dadurch, dass es bestimmte Kommunikationsinhalte sichtbar macht. Denn das Grundproblem hinter den nachhaltigen Konsumentscheidungen ist mehr als offenbar, wenn man bedenkt, dass die eigentliche Nachhaltigkeit von Produkten den Konsument*innen stets verborgen ist (vgl. etwa Rex/ Baumann 2007: 571). Die Eigenschaften der Produkte sind nicht direkt erfahrbar und müssen demnach erst einmal kommuniziert werden. Ökolabel bieten insofern eine Lösungsmöglichkeit an, um diese intrinsischen Produktqualitäten sichtbar zu machen, über sie zu informieren und Firmen Glaubwürdigkeit für ihre Umweltbemühungen einzuräumen (vgl. etwa Yenipazarli 2015: 275, 283; vgl. auch Magnier et al. 2016: 132 f.; vgl. auch Vecchio/ Annunziata 2015: 335). Allgemein handelt es sich damit bei Labeln um Qualitätszeichen für Produkte, die nach bestimmten Kriterien getestet wurden (vgl. Hemmelskamp/ Brockmann 1997: 67). Im Kern jedes Labels liegt demnach ein bestimmter Standard, der dem Zweck, dem Inhalt, der verifizierenden Stelle oder den verschieden hohen Lizenzgebühren unterworfen sein kann (vgl. dazu Yenipazarli 2015: 275). Unabhängig davon, stellt ein Label jedoch immer ein Kommunikationszeichen dar. Zweck der Umweltlabel ist es demnach auch, die Aufmerksamkeit der Verbraucher*innen auf ein relativ umweltfreundliches Produkt zu lenken (vgl. Hemmelskamp/ Brockmann 1997: 69, vgl. auch Magnier et al. 2016: 132 f.). Als Medium dient hierfür in aller Regel ein visuelles Symbol auf dem Produkt oder der Verpackung, das entweder textuell, graphisch oder piktoral gestützt ist (vgl. Hemmelskamp/ Brockmann 1997: 69; vgl. auch van Loo et al. 2014: 137 f.). Insofern unterscheiden sich Label hier nicht von Marken. Symbole bieten als Medium dabei den Vorteil, dass sie prinzipiell leichter von Menschen verstanden werden können und somit auch die Kaufentscheidung weniger aufwendig beeinflussen als andere Maßnahmen, sofern diesen aufgebrachten Symbolen
2.3 Marken und Label: Definitionen und Verständnisse
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vertraut wird (vgl. dazu Hartmann et al. 2018: 377 ff.). Welche anderen Maßnahmen hier jedoch gemeint sind, bleibt an dieser Stelle offen. Entscheidend für den Erfolg des Labels ist dadurch vor allem die Glaubwürdigkeit der Information, sowie die Interpretationsbereitschaft und das allgemeine Umweltbewusstsein der Konsument*innen (vgl. Hemmelskamp/ Brockmann 1997: 69). Denn Label sind auch Marker mit psychologischen Konsequenzen, die in der Lage sind, die Bewertung eines Produktes mit einem halo effect zu verbessern (vgl. Sörqvist et al. 2016: 82; vgl. auch Ellison et al. 2016: 141; vgl. Lee et al. 2013: 37). Entsprechend vermitteln Label mehr als nur Information und beeinflussen Akzeptanz und Kaufabsichten (vgl. Samant/ Seo 2016 b: 49). In dieser Hinsicht deckt sich die Definition der Label mit wesentlichen Bestandteilen des Symbolischen Interaktionismus nach Blumer (1998), wie etwa die Interpretationsbedürftigkeit von Symbolen und ihrer Bedeutung, sowie eine bedeutungsbasierte Handlung gegenüber signifikanten und einfachen Symbolen. Produzent*innen können daher mit den auf Produkten und Verpackungen als Schrift oder Symbol aufgebrachten Zeichen auch die Konsument*innen beeinflussen, wobei viele der Konsument*innen heute den Labeln gegenüber eher skeptisch eingestellt sind (vgl. Csigéné Nagypál et al. 2015: 210). Die bevölkerungsrepräsentative Studie der SGS Germany (2014: 27) bestätigt diese Aussage für Deutschland insofern, als dass sich 43% der Befragten schon über Güte- und Prüfsiegel mit unklarer Bedeutung geärgert haben. Daher gilt die Bedingung, dass sich die Konsument*innen über die womöglich unklaren und inakkuraten Informationen der Symbole im Klaren sein müssen, um sie erfolgreich interpretieren und nutzen zu können (vgl. Csigéné Nagypál et al. 2015: 210). Tatsächlich achten in Deutschland sogar 67% der bevölkerungsrepräsentativ Befragten beim Lebensmitteleinkauf auf Prüfsiegel, aber bei schätzungsweise 1400 verschiedenen Siegeln und fehlenden gesetzlichen Regelungen ist eine exakte Kenntnis aller Labelinhalte fraglich (vgl. dazu SGS Germany 2016: 19 ff.). Insgesamt herrscht wenig Praxiswissen über die Bedeutung der Symbole in der Bevölkerung vor, auch weil sehr viele verschiedene Label auf dem Markt sind (vgl. Csigéné Nagypál et al. 2015: 221). Umso deutlicher werden die Kommunikationsrollen der Label, nämlich aufmerksam zu machen, aber auch zu manipulieren oder wirkliche Informationen zu vermitteln (vgl. Csigéné Nagypál et al. 2015: 218 f.). Allgemein haben sich Ökolabel daher zu einem der dominanten Kommunikationswege entwickelt, um so genannte green credentials von Produkten zu vermitteln (vgl. Rex/ Baumann 2007: 574). Trotz allem gilt im klassischen Marketing das Label als Teil der technischen Information auf dem Produkt und wird so ebenfalls nur als ein Teil des Produktes angesehen, statt ihm einen eigenen Status einzuräumen (vgl. Rex/ Baumann 2007: 573; vgl. auch Bleda/ Valente 2009: 513). Die Informations- und
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Grundlagen der Markensoziologie
Kommunikationsrolle steht demnach im Vordergrund der Label, jedoch kann nicht jedes Label beliebig und ohne weiteres aufgedruckt werden. Meist steht vor einem Label ein langwieriger Zertifizierungsprozess. Bei allen potentiellen Informationsvorteilen ist ein Zertifizierungsprozess immer auch kostenaufwändig und erhöht so auch potentiell die Preise von Produkten (vgl. Csigéné Nagypál et al. 2015: 218 f.). Je nach Standard des Labels steigen oft gleichermaßen die Kosten der Lizensierung an, so dass es für Unternehmen nicht selten günstiger ist, niedrige Standards zu setzen und diese durch ein Eigenlabel zu zertifizieren, statt ein unabhängiges Prüfinstitut mit der zertifizierenden Kontrolle zu beauftragen (vgl. dazu Yenipazarli 2015: 276). Hier eröffnet sich jedoch eine kritische Schnittstelle zum so genannten Greenwashing und dies stellt die jeweilige Situierung des Labels in den Vordergrund. Faktisch entstehen über die Arten und Standards von Labeln ein marktwirtschaftlicher Kampf der so genannten graduellen Label, die mit unterschiedlichsten Standards, Kosten und Stufen in einen ökonomischen Wettbewerb zueinander treten (vgl. dazu Li/ van ‘t Veld 2015: 164). Insofern fungieren Label in dieser Rolle tatsächlich als ein Element des Marketings (vgl. dazu Errichiello/ Zschiesche 2017: 19). Es lassen sich also grundsätzlich verschiedene Arten von Ökolabeln unterscheiden. Label können somit komplett freiwillig oder von außen vorgeschrieben sein, sich monothematisch orientieren, Informationen über das Produkt an Konsument*innen und Geschäftspartner*innen vermitteln, von der ersten oder einer dritten Partei stammen, rechtlich anerkannt oder marktwirtschaftlich-privat reguliert sein oder eventuell auch dem ISO13 Standard entsprechen (vgl. Rubik 1995: 3 f., vgl. auch Csigéné Nagypál et al. 2015: 210). Es gibt also nicht nur eine Vielzahl von Arten der Label, sondern gleichermaßen ebenso viele Modi, in welchen sie auftreten können. Generell lässt sich aber eine Trennlinie ziehen, zwischen unregulierten, freiwilligen Selbstauskünften und vorgeschriebenen, rechtlich regulierten Bestätigungen durch Dritte. Zu diesen abgesicherten Labeln zählen Zeichen von Prüfinstituten ebenso, wie etwa das staatliche Biosiegel. Die SGS Germany (2014: 18) definiert ihre Label daher folgendermaßen: „Güteoder Prüfzeichen sind dafür da, Produkteigenschaften und Herstellungsverfahren unabhängig zu untersuchen und zu bestätigen.“ Im Fokus stehe dabei die 13 In der Literatur wird ISO I als Ökolabel, ISO II als selbsterklärte Umweltziele und ISO III als quantifizierte Informationen beschrieben (vgl. Rex/ Baumann 2007: 570). Aufgrund der seltenen Verwendung im deutschen Lebensmittelsektor werden die ISO Standards hier nicht vertiefend betrachtet. In anderen Produktgruppen besitzt ISO einen deutlich höheren Einfluss. Zudem sind Ökolabel ein freiwilliges Instrument, welches in seinen Dimensionen auch Testberichte und Handelszeichen abdeckt, welche von ISO explizit ausgeklammert sind (vgl. dazu Rubik 1995: 4).
2.3 Marken und Label: Definitionen und Verständnisse
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prinzipielle Unabhängigkeit vom Auftraggeber, die eine Glaubwürdigkeit bei den Konsument*innen erreiche, insbesondere gegenüber den als Marketinginstrumenten erkannten Eigenlabeln (vgl. SGS Germany 2014: 18). Dies bestätigen auch über ein Jahrzehnt zuvor bereits Hemmelskamp und Brockmann (1997: 75), die ein glaubwürdiges Label als durch neutrale Dritte vergeben und in seinen Standards als wissenschaftlich fundiert ansehen. Insofern greift auch die rechtliche Zertifizierung oder die Überprüfung durch Dritte auf die Kommunikationsrolle der Informationsvermittlung zurück, wohingegen implizit den unregulierten Labeln die Rolle der Manipulation und Aufmerksamkeitsgenerierung zugeschrieben wird. Allen Arten der Label ist dadurch aber gemein, dass sie Informationen vermitteln sollen, welcher Art auch immer diese sind. Unterschiedlich ist vor allem der soziale Kontext, in welchem diese Label aufgebracht werden. So sind unterschiedliche Akteure in die Vergabe eingebunden und auch der thematische Schwerpunkt, wie der Informationsgehalt, divergieren stark. Dies mögen einige der Gründe sein, weshalb es immer mehr Label gibt, die jedoch kaum mehr vergleichbar sind. Gemeinhin wird in diesem Kontext auch von einer Labelflut gesprochen. So weist Hellmann (2013: 48) etwa darauf hin, dass sich allein im nachhaltigen Warenkorb über 50 verschiedene Label befänden, wobei hier Eigenlabel von der Zählung ausgeschlossen seien. Derzeit sind 39 Label gelistet (vgl. Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE)/ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH o. J.: nachhaltiger-warenkorb.de). Die Überlastung mit werblichen Informationen ist dabei nicht neu. Die stetige Zunahme von werblichen Informationen wurde bereits gegen Ende der 1990er Jahre für eine Überlastung von Menschen im Alltag verantwortlich gemacht (vgl. dazu Hölscher 1998: 193, 199). Auch in Bezug auf Werbung führte das qualitativ angeglichene, stetig wachsende Warenangebot aufgrund des Wahlzwangs zu einem Bedarf nach Informationen, der dann oft nur durch Werbung erfüllt werden konnte (vgl. dazu Hölscher 1998: 198 f.). Angesichts der Labelflut und der Unklarheit der vermittelten Informationen, wird der besondere Zweck der durch unabhängige Dritte überwachten Labelsysteme deutlich. Die überwachten Label informieren Verbraucher*innen und eröffnen Unternehmen die Möglichkeit als legitime Corporate Social Responsibility (CSR) wahrgenommen zu werden (vgl. dazu Csigéné Nagypál et al. 2015: 211). Freiwillige und eigene Label sind hingegen sehr viel offener für Greenwashing und dienen mehr oder minder lediglich als Instrument des Marketings (vgl. dazu Csigéné Nagypál et al. 2015: 211). Insofern bestätigt sich die Annahme der SGS Germany (2014: 18) hier. Gleichermaßen gilt durch die Masse der Prüfzeichen auch der Leitsatz, dass man sich aufgrund der Menge der im Umlauf befindlichen Symbole, nur noch über die Summe vieler verschiedener auf dem
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Grundlagen der Markensoziologie
Produkt aufgebrachter Label von der Konkurrenz abheben kann (vgl. Yenipazarli 2015: 284). Es reicht demnach nicht mehr aus, lediglich ein Biolabel zu besitzen, wenn das Produkt zudem auch noch sichtbar Fair Trade und klimafreundlich sein könnte. Diese Herangehensweise trägt ihrerseits jedoch wieder zur Verbreitung und quantitativen Zunahme von Labeln bei, was die Verwirrung der Konsument*innen über die Inhalte der Label mutmaßlich nur noch vergrößert. Insbesondere die Überlappung von Inhalten und Lücken in der Erklärung der Inhalte verwirren laut Studien die Konsument*innen (vgl. Grunert et al. 2014: 177). Entscheidend für das Verständnis der Aussage eines Labels ist das Wissen der Konsument*innen um seine Bedeutung. In Studien wurde ermittelt, dass Personen mit einem hohen objektiven Wissen über Label den Aussagen der Label mehr vertrauten und ihre Kaufentscheidung maßgeblich daran ausrichteten (vgl. Samant/ Seo 2016 b: 53 f.). Entsprechend achten Menschen mit hohem Wissen über Label verstärkt auf dessen Aussagen (vgl. Samant/ Seo 2016 b: 54). Auch hier besitzt Wissen als eine Kategorie eine augenscheinliche Bedeutung. Trotz allem bevorzugen die meisten Konsument*innen unabhängig von ihrem Wissen gelabelte Produkte gegenüber ungelabelten Varianten (vgl. Brécard 2014: 66). Dies liegt auch darin begründet, dass Menschen mit geringem Labelwissen verstärkt auf die Erscheinung des Labels achten und dieser äußeren Form dann vertrauen (vgl. Samant/ Seo 2016 b: 54). Die Menschen folgen demnach ihrem Rezeptwissen, dass Ökolabel eine positive nachhaltige Grundaussage beinhalten (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 44). So sehen viele Konsument*innen ein Ökolabel als Indikator für Umweltqualitäten von Produkten, wobei für sie gelabelte und ungelabelte Produkte vertikal differenziert erscheinen, wohingegen die einzelnen Label lediglich als horizontal differenziert betrachtet werden (vgl. Brécard 2014: 66). Faktisch ist diese wahrgenommene Differenzierung oft jedoch nicht an den tatsächlichen Standards der Produkte festzumachen, die sich primär entlang technischer Achsen differenzieren. Hinzu kommt, dass viele Konsument*innen ihr Verständnis von Labeln deutlich überschätzen (vgl. Samant et al. 2016: 146). Hier öffnet sich eine weitere Perspektive auf Greenwashing, weil die unsichtbaren Standards der Label nicht direkt wahrgenommen werden können und das reine Vorhandensein eines Labels bereits einen Marktvorteil bietet (vgl. Brécard 2014: 79). Dabei erhalten die günstigeren Eigenlabel einen kleinen Vorteil gegenüber Labeln mit hohen Standards, der sich jedoch wie oben ausgeführt dann relativiert, wenn eine dritte Partei das höherwertige Label ausstellt, die selbst ein hohes eigenes Vertrauen genießt. Hinzu kommt, dass Label und Marken in aller Regel nur zusammen auftreten. Es gibt kaum mehr ein verarbeitetes Produkt, welches keine Marke trägt und viele verarbeitete Produkte tragen zumindest ein Label. Daher ist auch das Verhältnis
2.3 Marken und Label: Definitionen und Verständnisse
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von Marke und Label hier von Interesse. Tatsächlich rangieren beim Einkauf von Lebensmitteln laut einer Studie der SGS Germany (2014: 23) Label und Marken, wenn von Konsument*innen eine Orientierung gesucht wird, an beinahe gleicher Stelle. Trennt man jedoch nach Geschlechtern, orientieren sich Frauen mit 39% deutlich stärker an Labeln, als an Marken, die mit nur 29% als Orientierungsmerkmal genannt wurden (vgl. SGS Germany 2014: 23). Bei den Männern nannten je 31% Marken und Label als relevantes Orientierungsmerkmal (vgl. SGS Germany 2014: 23). Tatsächlich kann zwischen Labeln und Marken sogar ein positives Wechselverhältnis angenommen werden. Eine Marke wurde so etwa in einer anderen Studie in ihrer Vertrauenswürdigkeit umso positiver wahrgenommen, wenn sie ein zusätzliches Biolabel auf der Produktverpackung hatte (vgl. Ellison et al. 2016: 146). Für die Stärke dieser Veränderung war allerdings die Produktgruppe entscheidend, da ein Biolabel bei als ungesund geltenden Produkten wie Keksen durchaus eine Verschlechterung der Wahrnehmung zur Folge haben konnte (vgl. Ellison et al. 2016: 141, 148). Auf den ersten Blick stützt die sich hieraus eröffnende Perspektive auf Label den Gedanken des reinen Marketinginstruments, insbesondere hinsichtlich der nachgewiesenen Wahrnehmungsveränderung von Produkten durch Label. Klar ersichtlich ist indes, dass Label oft einen positiven Einfluss auf die gesamte Definition eines Produktes oder einer Marke besitzt (vgl. dazu Blumer 1998: 16 ff.). Eine gänzlich abweichende Definition wurde hier bislang nicht diskutiert. Ökolabel können als Prozess einer zyklischen ökologischen Innovation betrachtet werden (vgl. Prieto-Sandoval et al. 2016: 810). Vollständig formuliert die Autorengruppe auf Basis umfangreicher Analysen bisheriger Publikationen Ökolabeling als: „cyclical eco-innovation process in which consumers, firms, governments and institutions interact. Its final purpose is to contribute to the development of sustainable and ecological ways of production and consumption. In this process, consumers‘ environmental expectations are met; firms increase their created and captured value and enhance their sustainability, and governments and institutions foster cleaner production and consumption. Finally, this process is tangible in the products through the awarding of ecolabels, which are visibly displayed on goods and services. “ (Prieto-Sandoval et al. 2016: 811)
In dieser umfassenden Definition lassen sich eine Vielzahl von Punkten bisheriger Definitionen wiederfinden, jedoch wird der Fokus hier stark auf den Innovationsprozess gelegt. Die soziologisch wesentliche Neuerung gegenüber bisherigen Definitionen liegt eindeutig in der Interaktion verschiedener Akteure miteinander,
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Grundlagen der Markensoziologie
um Umwelterwartungen der Konsument*innen zu erfüllen oder die Produktionsweisen von Firmen zu verbessern. Im Kern geht es aber auch in dieser Definition um die sichtbare Darstellung spezifischer intrinsischer Eigenschaften von Gütern und Dienstleistungen, um so nachhaltigen Konsum zu ermöglichen. Insbesondere die Interaktion und Zusammenarbeit zwischen einzelnen Akteuren scheint für Label dabei von zentraler Bedeutung zu sein. So schildert Williams (2004: 11) Ökolabeling als erfolgsentscheidenden Kombinationsmechanismus von sozialen und ökonomischen Kräften über den Markt und verortet das Thema so harmonisiert in der Sozio-Ökonomik. Relevante Akteure dieser Interaktion sind in der Regel Konsument*innen, Produzent*innen, Umweltorganisationen und der Staat (vgl. dazu Rubik 1995: 9). Zentraler Zweck ist auch bei Williams (2004: 11, 14) die Information der Konsument*innen zur besseren nachhaltigen Entscheidung. Ferner definiert die Autorin vier analytische Aspekte von Ökolabeln. Bei Ökolabeln handelt es sich damit, erstens, um ein marktbasiertes Umweltmanagement, welches über die Zahlungsbereitschaft und andere Marktprinzipien umwelteffiziente und nachhaltige Prinzipien im Produktkreislauf implementiert (vgl. Williams 2004: 13). Zweitens können Ökolabel als soziales Phänomen angesehen werden, welches gesellschaftliche Normen, Werte, Wahrnehmungen und Beziehungen von Gesellschaft und Umwelt in den Vordergrund rücken (vgl. Williams 2004: 13). Diese Dimension von Ökolabeln dürfte auch die in der Soziologie relevanteste sein. Drittens handelt es sich bei Ökolabeln um ökonomische Anreize, erwünschtes und insofern nachhaltiges Marktverhalten zu erwirken (vgl. Williams 2004: 13). Die vierte Perspektive, und dieser Ansatz ist bislang in der Diskussion nicht aufgekommen, definiert Ökolabel als Marke, die als leistungsernste Umsetzung nachhaltiger Prinzipien viel Konkurrenz durch kapriziöse Marketing-Label erhält und als Teil der Kultur einer Gesellschaft angesehen werden kann (vgl. Williams 2004: 14). Alle Label haben somit prinzipiell die Möglichkeit, negative, neutrale oder positive Inhalte zu vermitteln, wobei negative Informationen hier als Warnungen vor schlechten Umwelteigenschaften verstanden werden sollen (vgl. Williams 2004: 31). Als Beispiel für eine negative Information kann bei einer Ampelkennzeichnung die rote Ampel gelten, die vor als schlecht eingestuften Charakteristika warnt. Insgesamt betrachtet sei ein Ökolabel frei übersetzt ein zusätzliches Label auf Produkten und Dienstleistungen, welches die Natur der Beziehung zwischen Produkt und Umwelt anzeigt, wodurch Ökolabel einen Evolutionsschritt zur holistischen Produktinformation darstellen (vgl. Williams 2004: 28). Insofern handelt es sich bei Ökolabeln tatsächlich um Instrumente der produktorientierten Umwelt- und Informationspolitik (vgl. dazu Rubik 1995: 3, 7).
2.3 Marken und Label: Definitionen und Verständnisse
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Was ist also abschließend in dieser Arbeit nun das Arbeitsverständnis eines Labels. Hierzu muss der Forschungsstand zu Ökolabeln zunächst konzeptionell geöffnet werden, um eine Verallgemeinerbarkeit erreichen zu können. Ein Label ist ein zusätzliches, auf Produkten und Dienstleistungen aufgebrachtes, piktorales, textuelles oder graphisches visuelles Symbol, welches über spezifische intrinsische Merkmale des Produktes oder der Dienstleistung informieren soll, um so die Kaufentscheidung der Konsument*innen zu Gunsten dieser intrinsischen Merkmale zu beeinflussen. In diesem Sinne handelt es sich bei Labeln um kommerzielle Kommunikationszeichen. Die Standards dieser Warenzeichen können dabei variieren und durch eine erste oder dritte Partei bestimmt sein, was sich auch in verschiedenen Kosten des Zertifizierungsprozesses und in ihrem divergierenden Aussagegehalt widerspiegelt. Als Instrument einer produktorientierten Informationspolitik stellen Label einen Teil der direkten Interaktion von Organisationen mit den Konsument*innen dar, wobei sie stets im Kontext zu gesellschaftlichen Normen, Werten und Interpretationsmustern stehen. Im Gegensatz zu Marken, sind Label nicht ausschließlich normativ rechtlich fixiert und können in diesem Zuge die Merkmale eines reinen Marketinginstruments annehmen. Ein Label kann ferner demnach aber auch den Charakter einer kulturprägenden Marke annehmen, wie etwa im Rahmen der EG-Öko-Basisverordnung, allerdings stellt der Markenstatus für Label keinesfalls den Regelfall dar. Ein Ökolabel ist demnach ein Label im obenstehenden Sinne, welches Inhalte der Nachhaltigkeit kommuniziert, die im Wesentlichen eine Sache der gesellschaftlichen Aushandlung sind. Ökolabel können somit auch zur Konsument*innentäuschung verwandt werden. Insofern ist Greenwashing als der Versuch anzusehen, mit Hilfe gesellschaftlicher Normen, Werte und Interpretationsmuster eine Entscheidung zu Gunsten eines Produktes oder einer Dienstleistung zu beeinflussen, ohne die tatsächlichen technischen Standards des vorliegenden Produktes oder der Dienstleistung zutreffend zu kommunizieren. Dies soll schlussendlich zu einem Imagegewinn der kommunizierenden Partei führen, welche nun als ein Akteur der Nachhaltigkeit wahrgenommen werden könnte. Anders als bei den Marken, lassen sich hier keine fundierten engen und weiten Verständnisse ableiten, weil in den Definitionen kaum Aussagen über die sozialen Aspekte von Labeln getroffen werden. Die einzige Ausnahme bildet hier der Aspekt der Interaktion. Anders sähe es überblickshaft für ein enges Verständnis aus. Label sind tatsächlich in allen gängigen Definitionen primär als ein Element der Kommunikation anzusehen. Dies ist wenig verwunderlich, bedenkt man doch die historischen Wurzeln der Label als Qualitätszeichen. Auffallend ist, dass Label und Marken zwar gleichermaßen als Kommunikationsinstrument und in erster Linie als Symbol gesehen werden können, die Label jedoch im Gegensatz zu
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Grundlagen der Markensoziologie
Marken oft nicht rechtlich fixiert sind. Insofern lässt sich die Aussage von Errichiello und Zschiesche (2017: 19) insoweit bestätigen, dass sich Marken und Label zunächst einmal in manchen Aspekten eines engen Verständnisses unterscheiden. Inwieweit dies bei einem weiten Verständnis der Fall sein kann, muss die Analyse von Labeln anhand der markensoziologischen Prinzipien aufzeigen und erst dann lässt sich begründet ein markensoziologisches Verständnis von Labeln aufstellen. Mit diesem begrifflichen Vorverständnis soll nun im folgenden dritten Kapitel auf Basis der gestalttheoretischen Markensoziologie ein markensoziologisches Labelverständnis entwickelt werden, welches die soziale Dimension von Labeln stärker berücksichtigt, als es hier verallgemeinert der Fall ist. Dazu wird zunächst einmal auf die Grundlagen und Prämissen der gestalttheoretischen Markensoziologie eingegangen, die dann schrittweise erweitert werden.
2.4
Theoretische Vorannahmen der gestalttheoretischen Markensoziologie
Während das vorige Kapitel zunächst einmal eine allgemeine und soziologische Definition von Marke angestrebt hat, soll in diesem Kapitel die Ergänzung des Definitionsversuchs durch die Grundlagen und Prämissen der Markensoziologie vorgenommen werden. Die Argumentation bezieht sich dabei schwerpunktmäßig vor allem auf den gestalttheoretischen Ansatz, da dieser, wie bereits im Forschungsstand besprochen, bislang am umfangreichsten diskutiert worden ist. Nichtsdestoweniger werden auch Bezugspunkte zu den anderen Ansätzen gesucht und dargelegt. Schließlich werden im vorliegenden Kapitel auch eigene Bewertungen und Einordnungen vorgenommen, um den Grundlagen des Forschungsstandes eigene Gedanken hinzuzufügen. Dies erscheint besonders notwendig, da bislang keine explizite Betrachtung der Label innerhalb markensoziologischer Forschung durchgeführt wurde und der Forschungsstand selbst im gestalttheoretischen Ansatz als extrem fragmentiert erscheint. Daher ist eine vorige Harmonisierung teils widersprüchlicher Konzeptionen des Ansatzes unbedingt von Nöten, um eine analytische Klarheit zu ermöglichen und die ersten beiden Unterfragen der Arbeit zu beantworten. In Teilen wird hier also auch der Forschungsstand aus Abschn 2.1 spezifisch erweitert und hinsichtlich seiner Gemeinsamkeiten evaluiert. Aus der vorangegangenen Definition von Marke ist hervorgegangen, dass Marke im Wesentlichen zwei Dimensionen besitzt: die enge ökonomische, kommunikative Dimension und die weite systemisch-soziale Dimension. Die Markensoziologie konzentriert sich explizit derzeit auf die weite systemisch-soziale
2.4 Theoretische Vorannahmen der gestalttheoretischen Markensoziologie
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Dimension von Marken und stellt diese ganz klar vor den kommunikativökonomischen Nutzen (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 6 ff.). Gleichermaßen erscheinen jedoch Markenführung und Unternehmensführung als untrennbar verbunden, wodurch die soziale und die ökonomische Dimension der Marken in dieser Schnittstelle vereint werden (vgl. Deichsel et al. 2017: 6). Die Auffassung von Marke als soziales und ökonomisches Thema teilen alle großen Ansätze der Markensoziologie. Abhängig von der je spezifischen Perspektive wird jedoch der Untersuchungsgegenstand von den einzelnen Autoren unterschiedlich umrissen. So schildern etwa Deichsel, Errichiello und Zschiesche (2017: 7), dass eine Marke ein Bündnis ist und die Soziologie als Wissenschaft der Bündnisse verstanden werden kann. Insofern ist das Thema der Marke im Kernbereich der Soziologie zu verorten und nicht etwa primär in den Wirtschaftswissenschaften. Das Verständnis der Soziologie im gestalttheoretischen Ansatz ist hier ganz im Sinne von Tönnies interpretiert, der das soziale Bündnis mit Menschen und auch das soziale Bündnis mit Dingen als eine Grundeinheit der Gesellschaft begriff (vgl. etwa Deichsel 2004: 352). Die Erweiterung der Soziologie um Dinge entwickelt in der Erforschung der Marken auch deshalb eine hohe Relevanz, da hierdurch die soziale Bedeutung von materiellen Objekten miteinbezogen werden kann. Vertreter des gestalttheoretischen Ansatzes betonen jedoch, dass eine Marke in erster Linie nicht materiell, sondern ihrem Wesen nach geistig-ideell ist (vgl. etwa Deichsel et al. 2017: 28, 53 ff., 187 ff.; vgl. auch Otte 2015: 24). Otte (2015: 39) definiert es daran angelehnt wie folgt: „Die Marke ist eine gedanklich-gefühlshafte Verbundenheit vieler Menschen um ein reales Ding oder eine Dienstleistung herum.“ Ein Bündnis entsteht dabei jedoch nicht aus sich selbst, sondern benötigt eine Vorbedingung. Entscheidend ist hier sowohl für das Bündnis, als auch den materiellen und immateriellen Charakter von Marken, dass ebenfalls eine spezifische Willensform zum Bündnis vorliegen muss (vgl. dazu Deichsel 2004: 352). In diesem Sinne baut die gestalttheoretische Markensoziologie auf den Erkenntnissen zu sozialen Willensarten von Ferdinand Tönnies (1991) auf und betont insbesondere den sozialen Bündnischarakter der Marken, der auf dem sozialen Willen der Menschen zum Bündnis beruht. Ergänzt wird die Einordnung des Themas Marke in die Soziologie später durch Errichiello (2013: 86 f.), wenn er Marken zusätzlich als Kommunikation und als Teil der Wirtschaft ansieht, die beide jeweils Austauschprozesse zwischen Menschen in den Vordergrund heben (vgl. auch Errichiello 2019: 31 f.). Erweitert wird der gestalttheoretische Ansatz auch durch eine markentechnische Perspektive nach Hans Domizlaff. Neben der praktischen Anwendungsorientierung der Markentechnik erhält der gestalttheoretische Ansatz durch die Domizlaff’sche Idee der Steuerbarkeit von Marken seinen in Teilen normativen
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Charakter (vgl. dazu Sumerauer-Bodensoh 1995: 79). Domizlaff (1995, 1997) begriff im soziologischen Sinne die Marken als Ideenorganismen, die Massen anziehen und dann buchstäblich in ihrem Bann halten. Massen sind dabei immer als freiwillige Verbindungen zu verstehen, die nicht über Zwang aufrechterhalten werden können (vgl. Deichsel 1997: 236). Insofern greift Domizlaff den Grundgedanken von Tönnies (2004) zur öffentlichen Meinung und hyperorganischen Lebewesen auf, die ebenfalls einen gewichtigen Anteil im gestalttheoretischen Ansatz darstellen (vgl. dazu auch Otte 2015: 41, 61). Der gestalttheoretische Ansatz erschöpft sich darüber hinaus nicht in einer reinen Bündnishaftigkeit von Marken. Neben einer implizit vorhandenen interpretativen Komponente dieses Ansatzes, erhält die Marke auch einen systemischen Charakter, welcher allen großen Ansätzen der Markensoziologie bislang zu eigen ist. Marken sind im gestalttheoretischen Ansatz demnach Energie-, aber auch Interpretationssysteme mit eigenen Lebensregeln (vgl. etwa Otte 2015: 65 f.; vgl. auch Brandmeyer/ Schmidt 1999: 273 ff.). Die Beziehung zwischen Marke und Kundschaft ist innerhalb des Systems symbiotisch (vgl. Deichsel et al. 2017: 14 f.). Deutlich ausführlicher schildert dies Otte (2015), welcher maßgeblichen Einfluss auf die Ausformung des funktionalistischen Systembegriffs im gestalttheoretischen Ansatz genommen hat. Otte (2015) schildert homolog zu naturwissenschaftlichen Betrachtungen organischer Lebewesen die Marken als lebende Systeme. Zentral ist dabei der Erhalt des Systems durch Autopoiesis14 , die hier von Otte als Selbstähnlichkeit benannt wird (vgl. etwa Otte 2015: 85, 89). Die selbstähnliche Anpassung des Systems erlaubt ihm eine Weiterentwicklung zu Gunsten äußerer Bedingungen, bei gleichzeitig fortdauernder Identifizierbarkeit des Systems (vgl. Otte 1995: 47 ff.). Insbesondere die Identifizierbarkeit ist, wie im vorigen Kapitel herausgestellt, eines der zentralen Elemente und ein Desiderat einer Marke. Abweichende systemtheoretische Verständnisse sind in Ansätzen bei Hellmann (2003), ausführlich bei Hüllemann (2007) und übersichtlich bei Kühn (2011) zu finden. Damit ist der Systemcharakter von Marken als Gesamtheit ein
14 Autopoiese bezeichnet die Fähigkeit zur Selbstherstellung und Selbsterhaltung biologischer Systeme, welche auf Selbstorganisation beruht (vgl. Lindemann 2019: 64). Lebende Systeme bilden dabei ein Netzwerk von internen und zirkulär verwobenen Produktionsprozessen, die seine Bestandteile selbst erzeugen (vgl. Pörksen 2015: 9). Bei nicht biologischen Systemen wird dagegen in der Regel von Selbstreferentialität ausgegangen (vgl. Lindemann 2019: 66). Autopoiesis ist ebenfalls ein zentrales Element der Systemtheorie nach Luhmann (vgl. dazu Rosa et al. 2013: 181–188). Inwieweit es sich hier um eine Übernahme oder eine Neufassung handelt, ist unbekannt.
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wiederkehrendes und allgemein anerkanntes Prinzip der bisher systemtheoretischen Markensoziologie. Der Systemcharakter von Marken ist dadurch auch als ein konstituierendes Teilelement einer weiten Markendefinition anzusehen. Ebenso prominent ist im gestalttheoretischen Ansatz das Studium der so genannten Markengemeinschaften. In erneuter Anlehnung an Tönnies (2010), widmet sich die Erforschung der Gemeinschaften um eine Marke einerseits den spezifischen sozialen Ausformungen der sozialen Bindungen unter den Mitgliedern, jedoch andererseits auch den sozialen Bindungen zur (Gemeinschafts)Marke der Wahl (vgl. dazu Muniz/ O’Guinn 2004). Von Interesse sind in dieser Forschungsrichtung jedoch auch weitere Aspekte, wie der mit einer Marke verbundene Lebensstil, die Distinktion und die soziale Ungleichheit hinter den Gemeinschaften, aber auch Aspekte wie Sozialkapital, Vertrauen und die kollektiven Wissens- und Vorurteilsbestände der Gemeinschaften. Den ersten und zentralen Beitrag zur Brand Community Forschung lieferten Muniz und O’Guinn im Jahr 200415 mit einer konzeptionellen Beleuchtung von Gemeinschaften um die Marken Macintosh (Apple) und Saab. Wesentlich ausführlicher und fundierter widmet sich Wenzel (2016) dieser Fragestellung am Beispiel verschiedener Automobil-Markengemeinschaften. Es ist insgesamt Konsens der Ansätze und Herangehensweisen, dass sich die Markensoziologie auch mit Aspekten der Ungleichheitsforschung, der Sozialkapitalforschung, der Vertrauensforschung, der Gemeinschaftsforschung und der Vorurteilsforschung befasst. Insbesondere auf der makrosoziologischen Ebene ist es für viele markensoziologische Autoren mit systemtheoretischer Ausrichtung von Interesse, wie Marken das Wirtschaftsleben ordnen (vgl. Deichsel et al. 2017: 7). Marken seien in dieser Hinsicht „die wirtschaftliche Brennzelle unserer modernen Gemeinwesen“ (Deichsel et al.: 239). Mit dieser Aussage verknüpfte Fragen beschäftigen sich etwa mit dem Abbau von Komplexität und der Wirkung der Marken als Katalysatoren des Vertrauens (vgl. etwa von Weizsäcker 2001, 2010). Vertrauen stellt sich dabei als zentraler Aspekt in der gesamten markensoziologischen Forschung heraus. Die Gewinnung und Wahrung von Vertrauen sind daher die primären Ziele der Marke (vgl. Meyer 1999: 353). Spezifischer wird sich in diesem Sinne auch mit dem markensoziologischen Konsum auseinandergesetzt, welcher sich dann stark in dem Aspekt der individuellen oder kollektiven Markentreue widerspiegelt. Typisch für dieses Forschungsinteresse ist unter anderem auch die Erforschung der so genannten Dichtezonen der Marke, in welchen sich verschieden treue und dauerhafte Konsumentengruppen einordnen lassen (vgl. etwa Deichsel 1999 b). 15 Das angegebene Jahr 2004 bezieht sich auf die hier verwendete deutsche Übersetzung. Die englischsprachige Erstveröffentlichung geschah bereits 2001.
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Da es große Schnittstellen zwischen Marken und Werbung gibt, ist auch die Untersuchung diverser Medien und Kommunikationsstile in Bezug auf die Markenthematik nicht verwunderlich. Besonders augenfällig ist dabei der Fokus auf markensoziologische Werbung (vgl. etwa Errichiello 2013) oder die Idee der Marke als Kommunikation (vgl. dazu etwa Hellmann 2003: 88–106). Auch hier mischt sich das Studium der kollektiven Vorurteile und sogar die sogenannte Gestalttheorie mit hinein. Gestalt ist dabei ein maßgeblich von Deichsel (1997) in die Debatte eingeführter Begriff, der, im Gegensatz zum markensoziologischen Identitätsverständnis als vollkommene Kopie, eine je individuelle Komposition aus einzelnen Gestaltelementen vorsieht. Insofern eine Marke ihre je einmalige Gestalt besitzt, muss diese auch durch alle Leistungsäußerungen des Systems wiedergegeben sein (vgl. etwa Otte 2015: 63; vgl. dazu auch Deichsel et al. 2017: 139 ff.). Die Gestaltanalyse stellt damit auch eine besondere Variante einer markensoziologischen Medienanalyse dar, die jedoch noch an ein weiteres Konzept geknüpft ist: die kollektiven Vorurteile resonieren mit bestimmten symbolischen Schlüsselelementen und lassen sich somit werblich aktivieren. Die so genannte Resonanzanalyse macht damit einen zweiten großen Anteil des impliziten markensoziologischen Kommunikationsverständnisses aus (vgl. etwa Deichsel 2001; vgl. auch Errichiello 2013). Entsprechend ausgerichtet ist daher auch die allgemeine Definition von Markensoziologie, die Errichiello exemplarisch für den gestalttheoretischen Ansatz aufstellt: „Der Begriff Markensoziologie beschreibt das sozialbindende System um eine spezifische Gestaltidee. Die Markensoziologie behandelt demnach die sozialimmanenten Strukturen und Dynamiken einer Marke.“ (Errichiello 2013: 10)
Entsprechend dieser eher philosophisch-psychologischen Ausrichtung und Definition von Gestalt und Resonanz, ergibt sich aus dem gestalttheoretischen Verständnis kein eigener Kommunikationsbegriff. Auch die Systemkommunikation findet hier nur mittelbar und implizit als selbstähnliche Signalstruktur statt. Insofern wird auch hier ein Forschungsbedarf deutlich. Würde man die Markensoziologie nun zu den anderen speziellen Soziologien stellen, so ergäben sich eine Reihe an Schnittmengen zu vielen größeren Bindestrichsoziologien. Wie das Kapitel deutlich gemacht hat, ist ein primärer Zugang einiger Ansätze die wirtschaftssoziologische Frage danach, wie Marken das Wirtschaftsleben ordnen (v.a. Hellmann 2003). In Bezug auf die Marke ist die Wirtschaftssoziologie eher makrosoziologisch einzuordnen. In der Wirtschaft wird jedoch auch konsumiert. Die Fragen von Marken und Konsum sind daher ebenso untrennbar miteinander verbunden und eröffnen darüber eine Schnittstelle
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zur Lebensstilforschung und der sozialen Ungleichheit. Der markensoziologische Konsum hat dabei das Potential alle Ebenen des Sozialen zu bedienen, jedoch muss in Bezug auf den gestalttheoretischen Ansatz bedacht werden, dass dort stark zwischen individueller und gesellschaftlich-organisierter Ebene unterschieden wird. Wenn die Wirtschaft in dieser Perspektive als makrosoziologisch einzuordnen wäre, fände der Konsum hier vor allem auf der Mikroebene statt und besäße Ausformungen auf der Mesoebene. Insbesondere die lebensstilrelevanten Gruppen und Subkulturen sind dabei auf der Mesoebene zu verorten (vgl. Hölscher 1998: 16, 276, 301 f.). Diese sind dann aus der Verbindung zum Konsum abzuleiten. Konsumangebote müssen in modernen Warenmärkten jedoch auch kommuniziert werden. Wie Konsum und Werbung zusammengehören, so ist auch die Markensoziologie mit der Mediensoziologie eng verbunden. Kommunikation ist eines der zentralen Elemente des Themas Marke, etwa in Form von Werbung, PR, der Kommunikation der Kundschaft untereinander und in unzähligen weiteren Kontexten. Im gestalttheoretischen Ansatz ist diese Perspektive besonders in der Resonanz sichtbar, aber auch in den so genannten Leistungsäußerungen des Systems, die den Vertrauensaufbau befördern sollen. Die Mediensoziologie hätte aus diesem Grund durch ihre Rolle als verbindender Intermediär vor allem die Mesoebene für sich vereinnahmt, besäße jedoch auch gesellschaftliche und individuelle Ausprägungen auf der Mikro- und Makroebene. Nicht unmittelbar sichtbar ist hingegen die Schnittstelle zur Organisationssoziologie. Die Organisation stellt allerdings einen der primären Zugänge der Markensoziologie dar, insbesondere im gestalttheoretischen Ansatz (vgl. dazu etwa Errichiello 2013: 79 f.). Historisch lässt sich dies daraus ableiten, dass die Haus- und Meisterzeichen ein Vorgänger der Herstellermarken waren und dadurch zuerst einmal eine Organisation hinter einer wirtschaftlichen Marke steht (vgl. dazu Hellmann 2003: 42 f., 45 f.). Ein anderer Aspekt der Organisationssoziologie ist hier eine mögliche dauerhafte Ausformung von Gemeinschaften, welche dann maßgeblich aus der Ebene des mikrosoziologischen Konsums hervorgeht. Damit ist klar, dass auch die Organisationssoziologie eine markensoziologische Rolle als Intermediär zwischen Wirtschaft und Konsum erfüllt und somit vor allem der Mesoebene zuzuordnen ist. Insbesondere werbetreibende Unternehmen bestimmen durch ihre imageorientierte Life-Style-Werbung auf der Mesoebene mit, wie soziale Gruppen ein bestimmtes soziales Image für sich vereinnahmen können (vgl. Hölscher 1998: 166 f., 171, 177, 204 f.). Auch hier ergeben sich durch unterschiedlich große Systeme oder Akteure zusätzliche Ausprägungen auf der Mikround Makroebene. Organisationen stehen in einem klassischen Sender-Empfänger Modell dabei häufig auf der Seite des Senders von Botschaften. Aus diesem
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Grunde betonen Errichiello und Zschiesche (2017: 83) auch, dass sich gestalttheoretische Markensoziologie in erster Linie mit der Wahrgebung von Marken befasse, nicht jedoch mit der kaum messbaren Wahrnehmung von Marken durch die Menschen. Wie im Verlauf dieser Arbeit aufgezeigt wird, ist diese am Sender orientierte Beschäftigung mit Kommunikation durchaus möglich, jedoch bietet der gestalttheoretische Ansatz hierfür kein eigenes Konzept an und verbleibt in diesem Sinne unvollständig und ohne ein eigenes Kommunikationsverständnis. Über diese inhaltliche Beschränkung gibt es innerhalb der Markensoziologie Dissens, wie im vorigen Kapitel diskutiert wurde. Hellmann (2003: 88 ff., 105 f.) wies den wahrgebungsorientierten Zugang der Marke als Persönlichkeit als unzeitgemäß zurück und erklärte das auf Marktforschung und Wahrnehmung basierende Paradigma der Marke als Kommunikation zum zeitgemäßen markensoziologischen Ansatz. Marktforschung aber könne im gestalttheoretischen Ansatz Menschen und ihre Meinungen nicht adäquat abbilden, da die Befragten sich ihrer eigenen Denkmuster nicht vollends bewusst seien.16 Unstrittig ist bei beiden Positionen lediglich die Bedeutung der Organisation für Marken und insofern auch die Bedeutung organisationssoziologischer Konzepte. Grafisch dargestellt, ergibt sich bei der Einordnung der Markensoziologie in die Soziologie folgendes Bild (Abbildung 2.1): Die Marke(-nsoziologie) nimmt dabei ebenfalls die Position des Intermediär ein und vermittelt zwischen Makro- und Mikroebene, sowie den Teilgebieten der Soziologie, die hier dem Forschungsstand folgend mit Wirtschafts-, Organisations-, Medien- und Konsumsoziologie identifiziert wurden. Umgeben sind diese Teilgebiete durch die allumfassenden Aspekte der allgemeinen Soziologie, der sozialen Ungleichheit, der Sozialstruktur, des Wissens und spezifischer auch der Markt- und Lebensstilforschung. Marken erscheinen dadurch folglich primär als ein Grundelement des Sozialen, dessen Teil auch die Wirtschaft ist, in welcher Marken häufig vorkommen. Würde man nun aufgrund des Alltagswissens und bisher diskutierter Definitionen versuchen, Label innerhalb der Grafik einzuordnen, so würden sie die Mittelposition der Marke einnehmen, jedoch eher zur Ebene des Konsums tendieren. Wie bereits dargelegt, stellen Label eine spezifische Form der Interaktion zwischen Konsument*innen und Organisationen dar und dienen somit als Medium einer Botschaft. Die primäre Wirkung entfalten Label demnach als Informationsträger, also als Medium, innerhalb der Kommunikation zwischen 16 Hier sei besonders auf den Begriff der Masse zu verweisen, der zentral von Domizlaff (1997) verwendet wird (vgl. dazu auch Deichsel et al. 2017: 82–90). Die Masse ist des Denkens unfähig.
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Abbildung 2.1 Einordnung der Markensoziologie. (Quelle: eigene Darstellung)
Unternehmen (Organisation) und den Verbraucher*innen (Konsum). Da das Forschungsvorhaben hier jedoch maßgeblich vom makrosoziologisch ausgelegten, gestalttheoretischen Ansatz seinen Ausgangspunkt nimmt, ist die vollständige Einordnung des Themas auf der hier mikrosoziologischen Konsumebene praktisch unmöglich darstellbar. Daher verbleiben die Label ebenfalls in der Mitte des Modells, als Intermediär zwischen Organisation, Medien und Konsument*innen. Dort ist auch die so genannte Wahrgebung zu lokalisieren, die ein Wechselspiel aus den Bereichen der Organisation und der Medien darstellt. Dies soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Label nach wie vor in ihren Ausläufern
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Grundlagen der Markensoziologie
den Konsum betreffen und in abstrakteren Ausmaßen ein Teil der Wirtschaft bleiben. Somit soll für die folgenden Kapitel festgehalten sein, dass der primäre Fokus der Betrachtung zwar auf der Wahrgebung durch Organisationen und Medien liegt, dieser jedoch themenspezifisch auf die Konsum- oder Wirtschaftsebene verlagert werden kann, sofern dies dem Erkenntnisinteresse dient. Um die Ebene des Konsums zu bedienen, werden zudem Ergebnisse der Konsument*innenforschung hinzugezogen. Selbst der gestalttheoretische Ansatz lehnt die unterstützende Verwendung von Ergebnissen der Marktforschung nicht ab, sofern diese in erster Linie nur der Ergänzung des Vorhabens dienen (vgl. Errichiello/ Zschiesche 2017: 90 f.; vgl. auch Deichsel et al. 2017: 221 f.). Insofern sollte sich aus dieser Erweiterung der Betrachtungsebenen um Ergebnisse aus der Konsument*innenforschung kein konzeptionelles Problem ergeben. Grafisch angepasst sähe die Einpassung der Label dann folgendermaßen aus (Abbildung 2.2):
Abbildung 2.2 Einordnung der Label. (Quelle: eigene Darstellung)
2.4 Theoretische Vorannahmen der gestalttheoretischen Markensoziologie
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Was nun abschließend bleibt, ist die allgemeinen Grundannahmen und Prämissen der Markensoziologie zusammenfassend darzustellen. Allen markensoziologischen Ansätzen ist gemein, dass die Marke als ein soziales Thema und Kernelement des Sozialen verstanden werden muss und daher zweifelsfrei eine soziologische Relevanz besitzt. Eine zentrale Rolle nimmt dabei in allen Ansätzen das Vertrauen ein, welches als Ankerpunkt und Katalysator der Marke dient. Ebenfalls teilen sich alle derzeitigen markensoziologischen Ansätze den systemischen Gedanken, wenngleich die systemtheoretischen und hyperorganischen Ansätze nach Autoren mitsamt vieler Prämissen variieren. Umstritten ist die Rolle der Marktforschung, sowie die Bedeutung der medialen Analysen, wenngleich eine Verbindung mit Organisation, Konsum, Wirtschaft und Medien als unstrittig von allen Autor*innen akzeptiert und geteilt wird. Auch die Bezüge zu Kommunikation und Wirtschaft gelten als allumfassende Klammer aller Ansätze, wenngleich die Perspektiven hierauf verschieden diversifiziert auftreten (vgl. Errichiello 2013: 86 f.; vgl. Errichiello 2019: 32 f.). Hieran lässt sich ebenfalls anknüpfen, dass eine implizite Klammer aller Themen immer die soziale Ungleichheit darstellt. Demgegenüber besitzt der gestalttheoretische Ansatz das spezifische Verständnis der Soziologie als Wissenschaft der Bündnisse und thematisiert stärker als die teils ausschließlich systemtheoretischen Perspektiven die Rolle von Willen, Gemeinschaft, Vorurteilen, Gestalt, Resonanz und Ideen. Aufgrund der interpretativen Offenheit der Prinzipien von Resonanz, Gestalt und der Ideenorganismen, stellt sich der gestalttheoretische Ansatz auch inhaltlich als die geeignetere Wahl für die Erforschung von Labeln dar. In Verbindung mit der Dominanz des gestalttheoretischen Ansatzes innerhalb des Forschungsstandes, wird die besondere Relevanz der Auswahl dieser spezifischen Lesart für das hier verfolgte Forschungsprojekt deutlich. Die folgenden Kapitel behandeln die hier herausgestellten Charakteristika von Marken nach dem gestalttheoretischen Ansatz, welche den Charakteristika von Labeln gegenübergestellt werden. Dies soll erlauben, anhand der markensoziologischen Modelle ein adäquates Labelverständnis zu entwickeln (Abschn 3.9), welches interpretativ deutbar ist (Kapitel 4) und die Analyse von Ökolabeln im Wechselspiel mit Markenprodukten ermöglicht. Ebenfalls liefern die hier erzielten Ergebnisse Antworten auf die Unterfragen, wie sich der gestalttheoretische Ansatz zusammenführen lässt und wie sich Label markensoziologisch begreifen lassen. Wir sehen abschließend also deutlich, dass sich mit der Markensoziologie eine große Bandbreite an sozialen und soziologischen Themenfeldern rund um das zunächst als simpel erscheinende Warenzeichen der Marke entfaltet. Eine Marke
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Grundlagen der Markensoziologie
ist demnach weit mehr als das reine Warenzeichen. Viel eher ist sie eine Grundeinheit des Sozialen unserer aktuellen Zeit und sogar schon weit davor. Wenig verwunderlich ist es daher, dass es eine Vielzahl von möglichen theoretischen Perspektiven auf das Thema gibt, von denen einige sogar aus der Anfangsphase der deutschen Soziologie stammen. Insofern basiert die Markensoziologie zum Teil auf den Grundpfeilern der Soziologie selbst. Dem Kieler Soziologen Ferdinand Tönnies kommt indes eine besonders hervorgehobene Rolle zu, wie das nächste Oberkapitel aufzeigen wird. Zuvor sollen hier jedoch einige Vorannahmen zum Verständnis sozialer Konstruktion in dieser Arbeit erläutert werden.
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Grundannahmen sozialer Konstruktion
Bevor hier argumentativ fortgeschritten werden kann, ist es notwendig, die Grundannahmen sozialer Konstruktion innerhalb dieser markensoziologischen Arbeit darzulegen. So wird zwar oft implizit eine soziale Konstruktion von Marken angenommen, ein explizit soziologisch-konstruktivistischer Erklärungsansatz bleibt bislang aber aus. Stattdessen wird indirekt an den systemtheoretischen Konstruktionsbegriff angeknüpft oder aber gänzlich dem Begriff der Gestaltkomposition (3.4) gefolgt. Diese Arbeit versteht soziale Konstruktion im Sinne von Berger und Luckmann (2016) und knüpft gleichermaßen an systemtheoretische Traditionen an. Im Zuge dieses Kapitels werden dazugehörige Grundlagen und Komponenten in Bezug zur markensoziologischen Forschungslandschaft näher betrachtet und dargelegt. Eingangs ist dabei auf die Grundannahmen des Konstruktivismus als wissenschaftliche Denkrichtung einzugehen. Entgegen einer Weltsicht die objektive und stets intersubjektive Tatsachen zum Mittelpunkt menschlichen Erlebens macht, geht Konstruktivismus von der Subjektivität der Welt und ihrer Wahrnehmung durch die Menschen aus (vgl. dazu Lindemann 2019: 17). Relevant sind demnach also nicht objektive Realitäten, sondern individuelle und subjektive Sinnwelten von Menschen, um diese herum sich Alltag, Gesellschaft und Erleben konstituieren (vgl. dazu Lindemann 2019: 17). Konstruktivismus nimmt folglich an, dass eine Welt ontisch17 gegeben ist, wir sie aber epistemologisch18 nicht klar beschreiben können (vgl. Lindemann 2019: 26, 30). Im Sinne von Humberto 17 Ontologie ist die Lehre des Seins und der Existenz und behandelt die Frage danach, was ist (vgl. Lindemann 2019: 22). 18 Epistemologie ist die Lehre des Erkennens und stellt als Erkenntnistheorie die Frage danach, wie man Wissen erlangen kann (vgl. Lindemann 2019: 22).
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Maturana könnte man hinzufügen, dass jede Aussage nur von eine*r Beobachter*in getroffen werden kann, welche*r die eigene Welt dadurch konstruiert (vgl. dazu Lindemann 2019: 30, 35 f.; vgl. auch Pörksen 2015: 4). Bei Konstruktivismus handelt es sich um eine Denkrichtung, welche in einer Vielzahl von Fächern beheimatet ist, aber keine eigene Wissenschaftsschule ausbildet (vgl. Lindemann 2019: 17). Zu den fachlichen Anknüpfungspunkten zählen neben der Soziologie allen voran die Psychologie, die Politikwissenschaft, die Philosophie, aber auch die Neurowissenschaften (vgl. Pörksen 2015: 4 f.). Jede Disziplin hat dabei verschiedene Ansatzpunkte und Forschungsbereiche des Konstruktivismus, welche sich in zwei Hauptströmungen gliedern lassen: naturalistische und kulturalistische Epistemologien (vgl. Pörksen 2015: 5). Während naturalistische Konstruktivismen vor allem das Gehirn, die Kognition und das Bewusstsein in den Vordergrund der Betrachtung rücken, behandeln kulturalistische Ansätze vor allem Sprache, Kommunikation, Medien, Kultur und Gesellschaft (vgl. Pörksen 2015: 5; vgl. auch Weber 2010: 173). Wenngleich es also mehrere Varianten von Konstruktivismus gibt, teilen sie sich das konstruktivistische Kernproblem, wie sich die Entstehung von Wirklichkeit prozessual verstehen lässt (vgl. Pörksen 2015: 5). Kerninteresse des Konstruktivismus ist es dabei, epistemologische Wie-Fragen zu beantworten, wobei in der Antwortsuche keinesfalls von absoluten Wahrheitsvorstellungen ausgegangen wird (vgl. Pörksen 2015: 11 f.; vgl. auch Weber 2010: 171). Stattdessen werden Ontologie und Epistemologie getrennt, da keine Aussage eine*r Beobachter*in den Anspruch darauf erheben kann, mit der ontischen Realität im Einklang zu stehen (vgl. Lindemann 2019: 30 ff.). Weil nichts in der ontischen Realität als gegeben angesehen werden kann, findet in der konstruktivistischen Betrachtung ein Wechsel vom deterministischen ‚Sein‘ der äußeren Umstände hin zum ‚Werden‘ der Beobachter*innen statt (vgl. Pörksen 2015: 11; vgl. auch Weber 2010: 171). Konstruktivistische Denkweisen orientieren sich aufgrund der Subjektivität der Wirklichkeit an den Beobachter*innen und betrachten Wirklichkeit als ein Ergebnis von nicht planund steuerbaren Konstruktionsprozessen (vgl. Pörksen 2015: 11). Der Begriff der Wirklichkeit als konstruierte und subjektive Wirklichkeit ersetzt hierbei den Begriff der wahrnehmungsunabhängigen Realität (vgl. Lindemann 2019: 17, 33; vgl. auch Weber 2010: 174). Diese können wir nur subjektiv beobachten und zu einer von uns wahrgenommen Wirklichkeit konstruieren, indem wir sie beschreiben (vgl. Lindemann 2019: 17, 33; vgl. auch Weber 2010: 174). Wenngleich im Konstruktivismus als Minimalanforderung also von der Nicht-Erkennbarkeit der Realität ausgegangen wird, handelt es sich bei Konstruktivismus keinesfalls um
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Grundlagen der Markensoziologie
Solipsismus19 , da die Existenz der wahrnehmungsunabhängigen Realität nicht geleugnet wird (vgl. Lindemann 2019: 22 f., 31). Zu den Kernthesen des Konstruktivismus zählen laut Lindemann (2019: 45) der ontologische Skeptizismus, die Annahme der Subjektivität von Wissen, die Annahme einer internen Ordnung der Konstruktionen, die Voraussetzung der Viabilität von Konstruktionen, die Annahme der Pluralität von Denken und Handeln, die Anerkennung der Verantwortung des Subjekts für die eigenen Konstruktionen und die Anwendung des Konstruktivismus auf die Beobachter*innen selbst. Aufgekommen ist das konstruktivistische Kernproblem dabei durch eine Überlegung des Neurowissenschaftlers Humberto Maturana, welcher auch zusammen mit Francisco Varela maßgebliche Beiträge zur Systemtheorie geleistet hat. In seinem 1970 erschienenen Text Biology of Cognition betrachtet Maturana den Menschen als lebendes System, welches selbst zu den Objekten gehört, die er studieren will (vgl. Pörksen 2015: 3). Da alles, was gesagt wird, von Beobachter*innen gesagt wird, ist eine Beobachtung demnach immer auch eine soziale Konstruktion (vgl. Pörksen 2015: 4). Die Sichtweise von Maturana war insbesondere in der Soziologie recht einflussreich, da sie maßgeblich in verschiedene Systemtheorien eingegangen ist. Einen anderen Ansatz verfolgten demgegenüber Peter L. Berger und Thomas Luckmann (2016), die soziale Konstruktion als ein Produkt des gesellschaftlichen Gefüges begriffen (vgl. dazu Pörksen 2015: 10). Im Fach Soziologie haben sich somit vor allem zwei Strömungen des Konstruktivismus maßgeblich durchgesetzt: der Sozialkonstruktivismus und die Systemtheorie. Nachfolgend soll auf beide Strömungen näher eingegangen werden. Die Systemtheorie folgt den konstruktivistischen Kernthesen, dass eine ontische Realität zwar existiert, sie aber unerkennbar ist (vgl. Lindemann 2019: 29 f.). Im Mittelpunkt steht dabei die Erkenntnis von Maturana, dass eine Konstruktion immer aus der Beschreibung von Beobachter*innen wächst, welche selbst ein lebendes System darstellen und damit zu den Objekten gehören, die sie studieren wollen (vgl. dazu Pörksen 2015: 3 f.). Beobachter*innen erzeugen dabei verschiedene Grade von Konstruktionen, die dann als Konstruktion erster und zweiter Ordnung bezeichnet werden. Im Fokus systemtheoretischer Konstruktion steht die systeminterne Konstruktionsleistung, welche von außen weder steuerbar, noch vorhersagbar ist (vgl. Pörksen 2015: 10). Bei der Beobachtung erster Ordnung beobachtet die Beobachter*in etwas und konstruiert es in ihrem Inneren (vgl. Lindemann 2019: 35). Bei der Beobachtung zweiter Ordnung beobachtet 19 Solipsismus geht davon aus, dass die Welt nur im Kopf des jeweiligen Subjekts existiert und zweifelt dadurch auch durch vollkommene Subjektivität die Existenz einer wahrnehmungsunabhängigen Realität an (vgl. Lindemann 2019: 22 f.).
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ein*e Beobachter*in eine*n andere*n Beobachter*in und betrachtet, wie jemand beobachtet (vgl. Lindemann 2019: 35). Es handelt sich also um die Beobachtung des Beobachters, die auch in der Wissenschaft den häufigsten Konstruktionsmodus darstellt (vgl. Lindemann 2019: 35, 41). Die Konstruktionslogik der Systemtheorie ist demnach also zirkulär, da Beobachter*in und Beobachtetes untrennbar miteinander verflochten sind (vgl. Pörksen 2015: 8 f.). Das Subjekt der Beobachtung wird dabei zum System (vgl. Reinfandt 2015: 280). Das Objekt der Beobachtung wird zur Umwelt konstruiert (vgl. Reinfandt 2015: 280). System und Umwelt trennt dabei eine Grenze, die eine Beobachtung überhaupt erst ermöglicht. Von zentraler Bedeutung sind in systemtheoretischer Konstruktion damit auch die Unterscheidungen (vgl. dazu Pörksen 2015: 11). Denn in systemtheoretischer Denkart setzt Erkenntnis als eine interne Konstruktion die Negativfolie eines Äußeren, einer Umwelt, voraus, von dem sie das Innere abgrenzen kann (vgl. Lindemann 2019: 30). Die Unterscheidung ermöglicht dabei, ganz im Sinne Luhmanns, die Anschlussfähigkeit von Kommunikation durch Bezeichnung und die Komplexitätsreduktion der Wirklichkeit durch vereinfachende Konstruktionen (vgl. Lindemann 2019: 38, 56 f.; vgl. auch Pörksen 2015: 11). Eine Unterscheidung ist dabei stets selbst als Konstruktion anzusehen (vgl. Lindemann 2019: 108). In der Markensoziologie wird systemtheoretisch häufig eher implizit mit einer Konstruktionsannahme umgegangen. Zwar ist definitorisch unter anderem festgehalten, dass es sich bei Marken um Unterscheidungen handelt (vgl. Hüllemann 2007: 238 f.), dennoch behandeln abgesehen von Hüllemann (2007) und Kühn (2011) keine weiteren Autor*innen Marken im systemtheoretischen Sinne als konstruiert. Dies liegt auch in der Pluralität der Systemansätze begründet, wie in Abschnitt 3.3 noch näher vorgestellt wird. Stattdessen werden oft, ganz gemäß den Beobachtungsregeln für lebende Systeme (vgl. dazu Lindemann 2019: 60 ff.), entweder systeminterne Prozesse behandelt, oder eine äußere Beobachtung der Systeme in ihrer Interaktion mit der Umwelt angestrebt. Strenggenommen und im Sinne eines systemtheoretischen Konstruktivismus behandelt die gestalttheoretische Markensoziologie damit auch Konstruktionsprozesse, jedoch ohne diese explizit einzuordnen. Wie auch in folgenden Kapiteln an verschiedenen Beispielen dargelegt, ist dies maßgeblich auf die vergleichsweise schwache Begriffsund Definitionsarbeit bisheriger markensoziologischer Konzepte im gestalttheoretischen Zugang zurückzuführen. Zusammenfassend kann man also sagen: die gestalttheoretische Markensoziologie konstruiert beobachtete Markensysteme ohne die Konstruktionsleistung der eigenen Beobachtung deutlich zu machen. Ähnlich verhält es sich mit dem Sozialkonstruktivismus.
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Grundlagen der Markensoziologie
Der Sozialkonstruktivismus nach Berger und Luckmann (2016: 18 ff.) stützt sich maßgeblich auf die theoretischen Grundlagen der Phänomenologie nach Alfred Schütz und auf den Symbolischen Interaktionismus nach George Herbert Mead, aber auch auf Max Weber und Emile Durkheim. Der Ansatz ist dem interpretativen Paradigma zuzuordnen. Er geht davon aus, dass Menschen ihre Welt aus dem ihnen zugänglichen Wissen in ihrem Inneren und in gegenseitiger Interaktion, also gesellschaftlich, konstituieren (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 1). Wirklichkeit entsteht in diesem Sinne also im Gefüge der Gesellschaft (vgl. Pörksen 2015: 10). Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit vollzieht sich dabei als eine Umbildung der Weltoffenheit der Menschen in eine relative Geschlossenheit ihrer Weltverhältnisse (vgl. Loenhoff 2015: 135). Zentral beschäftigt sich der Ansatz mit der Frage, wie subjektiv gemeinter Sinn zu objektiver Faktizität wird und ferner, wie es möglich ist, dass menschliches Handeln eine Welt von Sachen hervorbringt (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 20). Wichtig ist dabei die Doppelperspektive, dass ein Produkt gesellschaftlicher Konstruktion immer auf die Produzent*innen zurückwirkt und sie gleichzeitig konstituiert (vgl. dazu Loenhoff 2015: 136 f.). Zwar ist bereits schon zuvor in dieser Arbeit auf einige Grundzüge der Theorie von Berger und Luckmann Bezug genommen worden, doch sollen hier in ihrer Prozesshaftigkeit noch einmal wesentliche Aspekte der sozialen Konstruktion ihrer Abfolge nach dargestellt werden. Dies ist auch hinsichtlich der Fragestellung der Arbeit notwendig, da explizit die soziale Konstruktion von Markenprodukten untersucht wird. Der Prozess der sozialen Konstruktion und Ursprung der Institutionen wird bei Berger und Luckmann (2016: 56 ff.) als ein Prozess der Habitualisierung begriffen (vgl. auch Loenhoff 2015: 136). Dabei werden mithilfe von wiederholten, ständig reziproken Handlungen soziale Strukturen herausgebildet, welche von anderen wahrgenommen werden können, nachgeahmt werden und sich so schließlich zu allgemein in der Gesellschaft vorliegenden Typen verdichten (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 31). Der Prozess zur Bildung dieser sogenannten Typen wird auch als Typisierung bezeichnet (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 33 f.). Ein Typus ist eine übereinstimmend verdichtete Wissensstruktur einer Vielzahl von Menschen, die im Zuge von Sozialisations- und Verständigungsprozessen nun unter dem jeweiligen Typus dasselbe verstehen (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 36, 58, 139 ff.). Ausgangspunkt einer Typisierung ist dabei die sogenannte Objektivierung, bei der ein subjektiv wahrgenommener Gegenstand der objektiv bereits vorliegenden Welt im Inneren zu einem Objekt deklariert wird, über das nun Kommunikation stattfinden kann (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 22, 24 ff., 36, 38). Am Ende des Austauschprozesses stehen dann gemeinsame Objekte, in diesem Sinne: gemeinsame Typen. Die gesellschaftliche Wirklichkeit der Alltagswelt stellt dabei ein
2.5 Grundannahmen sozialer Konstruktion
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kohärentes und dynamisches Gebilde von eben jenen Typisierungen dar (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 36). Wird in der gesamten Gesellschaft unter einem Typ schließlich dasselbe verstanden, so wird dieser Typus zur Institution, die historisch vererbt und durch stetigen Gebrauch beständig weiterentwickelt wird (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 58). In ebenjener sozialen Akzentuierung von Institutionen wird auch der Schlüssel für sozialen Wandel bei Berger und Luckmann (2016: 64) gesehen. Eine Institution ist dabei als eine objektive Wirklichkeit anzusehen (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 64, vgl. auch Loenhoff 2015: 136). Sozialkonstruktion nach Berger und Luckmann (2016) besteht also aus der Objektivierung von Dingen, dem daran anknüpfenden Prozess der Verständigung über die Inhalte dieser Objekte, also dem Prozess der Typisierung, sowie schlussendlich der Behandlung der sozialen Welt als eine Zusammensetzung von sozialen Institutionen. Als wichtige Klasse unter den Objektivationen fungieren Zeichen und Zeichensysteme, die sich zu Symbolen verdichten können (vgl. dazu Loenhoff 2015: 134). Diese fungieren als Sinnbilder von sozialen Institutionen und sind dabei als Hinweis auf einen Sinngehalt außerhalb der konkreten Situation zu verstehen (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 38 ff., 75, 80 f., 103). Sprache stellt hier das Musterbeispiel eines hochgradig institutionalisierten Symbolsystems von Sinnhaftigkeiten dar, und ermöglicht daher auch den effizienten Austausch komplexer Inhalte (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 40 ff., 73 f.). Insofern reduziert die erfolgreiche Institutionalisierung von Wissen die Komplexität der Alltagswelt (vgl. Loenhoff 2015: 135). Im gestalttheoretischen Ansatz wird, ähnlich wie bei Berger und Luckmann, von einer symbolhaften Zusammensetzung der sozialen Welt ausgegangen. Ein konkreter Konstruktionsbegriff hat sich jedoch auch hier nicht herausgebildet. Dies mag auch daran liegen, dass die Annahmen und Begriffe im gestalttheoretischen Ansatz oft nicht trennscharf herausgebildet wurden. Maßgeblich gibt es hier dennoch zwei große Ansatzpunkte für den Sozialkonstruktivismus. Statt von Symbolen wird im gestalttheoretischen Ansatz etwa von komponierten und insofern ebenfalls im Inneren konstruierten Gestalten (3.4) ausgegangen. Auch gesellschaftliches Wissen spielt dabei eine Rolle und ist Gegenstand der sogenannten Resonanzen (3.8), die an gesellschaftliche Institutionen anknüpfen und dabei explizit durch gesellschaftlich bekannte Symbole aktiviert werden können. Auf diese theoretischen Anknüpfungspunkte zum Konstruktionsverständnis nach Berger und Luckmann (2016) wird im weiteren Verlauf näher eingegangen. Von diesen beiden Aspekten jedoch abgesehen, lässt sich bislang kein Ansatz sozialer Konstruktion in der bisherigen gestalttheoretischen Markensoziologie auffinden. Auch daher soll diese Lücke hier mit dem kompatiblen Ansatz nach Berger und Luckmann aufgefüllt werden.
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Grundlagen der Markensoziologie
Angesichts der Pluralität der möglichen Herangehensweisen an die soziale Konstruktion von Markenprodukten soll in Anlehnung an bisherige gestalttheoretische Erkenntnisse der konstruktivistische Zugang nach Berger und Luckmann (2016) weiterverfolgt werden. Der systemtheoretische Zugang zu Konstruktivismus, den Niko Hüllemann (2007) mustergültig aufarbeitet hat, wird hier dagegen nicht weiterverfolgt. Dies liegt vor allem darin begründet, dass es sich einerseits bei Labeln nicht zwingend um Systeme handeln muss (Abschn. 3.3.2), andererseits jedoch auch die systemtheoretischen Verständnisse in der Markensoziologie mitunter weit auseinandergehen (Abschn. 3.3). Der Ansatz nach Berger und Luckmann (2016) erscheint vor diesem Hintergrund weniger voraussetzungsreich und besser an gestalttheoretische Teilaspekte anschlussfähig. Somit eignet er sich auch zur Beantwortung der Forschungsfrage. Eine systemtheoretische Konstruktionsperspektive auf Ökolabel wäre hingegen ein geeigneter Gegenstand zukünftiger Forschungen. In dieser konzeptionellen Aufarbeitung der Lücken der gestalttheoretischen Markensoziologie zeigt sich eine weitere Leistung der vorliegenden Forschungsarbeit, da die vielfach vorkommenden impliziten Konstruktionsverständnisse einmal in ein konsistentes Konstruktionsverständnis überführt werden müssen, um an die konstruktivistische Debatte anzuschließen. Hieraus eröffnet sich erst die Möglichkeit, die soziale Konstruktion von Markenprodukten durch Label vollends zu begreifen und damit die zugrundeliegende Forschungsfrage zu beantworten. Die Erweiterung des gestalttheoretischen Verständnisses erfolgt dabei sukzessive im weiteren Verlauf dieser Arbeit.
3
Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Die Grundlagen der gestalttheoretischen Markensoziologie wurden im zweiten Kapitel schemenhaft umrissen. Das dritte Kapitel widmet sich darauf aufbauend der detaillierten Diskussion markensoziologischer Charakteristika nach dem gestalttheoretischen Ansatz. Von ihnen werden im jeweils nächsten Teilschritt die potentiellen Charakteristika von Labeln abgeglichen und abgegrenzt. Zugrunde liegt diesem Vorgehen die Annahme, dass sich aufgrund des vergleichbaren Ursprungs beider Warenzeichen (2.2) die markensoziologischen Erkenntnisse in weiten Teilen auch auf Label übertragen lassen. Ziel des Vergleichs ist es ferner, schließlich ein markensoziologisches Verständnis von Labeln zu erreichen, welches auch gleichermaßen die Aspekte berücksichtigt, welche nicht aus dem gestalttheoretischen Ansatz erklärbar sind (3.9). Insofern setzt das dritte Kapitel die Beantwortung der bereits aufgeworfenen Unterfragen fort, wie sich der gestalttheoretische Ansatz zusammenführen lässt und welches alternative Verständnis von Labeln sich hieraus ergibt. Entsprechend des formulierten Zieles, folgt der weitere Verlauf des dritten Kapitels den Grundzügen des gestalttheoretischen Ansatzes, wie sie der Verfasser dieser Arbeit identifiziert. Ergänzt werden diese Ansätze stellenweise durch die Erkenntnisse von Hölscher (1998), Hellmann (2003), Hüllemann (2007) und Wenzel (2016), die nicht zum gestalttheoretischen Ansatz der Markensoziologie gezählt werden können, aber wesentliche Beiträge zum Thema Marke geliefert haben. Insofern werden hier auch einzelne relevante Ergebnisse in Bezug zu Marken berücksichtigt, wobei der Anspruch stets bleibt, insgesamt die gestalttheoretische Lesart von Marke zu verfolgen. Vor allem Hölscher (1998) wird aufgrund ihrer hohen Passung der Lebensstilforschung mit dem gestalttheoretischen Ansatz und wegen ihrer Analyse des Symbolcharakters von Marken, in Hinführung auf das vierte Kapitel der Arbeit, häufig herangezogen. Ebenso werden aber auch an © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 T. Schnell, Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32163-5_3
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
notwendigen Schnittstellen kleinere Ergänzungen durch das Ideengut von Blumer (1998), Berger und Luckmann (2016), sowie von Coleman (1982, 1991, 1992) vorgenommen. Zunächst werden die Grundzüge der Theorie von Tönnies (1991), also die Themen Wesenwille und Kürwille (3.1), sowie Gemeinschaft und Gesellschaft (3.2) diskutiert, da sie die Grundlage des gestalttheoretischen Ansatzes bilden. Spezifisch angewandt werden diese Kapitel, wie auch alle folgenden des Oberkapitels, je in einem Unterkapitel auf Marken und auf Label. Insbesondere die Markengemeinschaft (3.2.1) spielt eine tragende Rolle zur Begründung des gestalttheoretischen Systembegriffes. Dieser spezifische und holistisch-funktionalistische Systembegriff findet in seinen Grundzügen im Abschnitt 3.3 eine kurze Erklärung. Dabei dürfen zwei spezifische Aspekte dieser Systeme nicht unbeachtet bleiben: die für den Ansatz namensgebende Gestalt (3.4) und die Selbstähnlichkeit (3.5), aus welchen sich auch maßgeblich die systemische Normativität des Ansatzes speist. Eine etwas andere und deutlich sozialpsychologischere Ausrichtung des Themas ergibt sich durch die Ideenorganismen nach Domizlaff (1995), die in Abschnitt 3.6 behandelt werden. Nah am Thema der Kommunikation sind schließlich die gestalttheoretischen Bestandteile der öffentlichen Meinung, der positiven Vorurteile (3.7) und der Resonanz (3.8), welche eine spezifische Ausformung eines wissenssoziologischen Ansatzes enthält. Zwar besitzt der gestalttheoretische Ansatz im eigentlichen Sinne keinen eigenen Kommunikationsbegriff, er weist jedoch durchaus ein gewisses implizites Kommunikationsverständnis auf, welches sich insbesondere anhand der öffentlichen Meinung und der Resonanz diskutieren lässt. Da diese Forschungsarbeit auf eine soziale Konstruktion von Markenprodukten durch Symbole abzielt, ist die Diskussion hierüber unabdingbar. Das Oberkapitel schließt, wie oben bereits angedeutet, mit einer kurzen Evaluation des gestalttheoretischen Ansatzes hinsichtlich seiner Tragfähigkeit für die Fragestellung der Arbeit, den Implikationen für ein an Symbolen ausgerichtetes Kommunikationsverständnis und mit einem erweiterten Arbeitsverständnis von Marken und Labeln (3.9). Das dritte Kapitel enthält dabei ein fiktives Beispiel, welches sich an den realen Organisationen Demeter e. V. (o. J.: demeter.de) und Alnatura (2019 a: alnatu ra.de) orientiert. Beide Organisationen besitzen strenge Richtlinien zur nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln, die in vielen Aspekten über die europäischen Verordnungen zur Bio-Produktion hinausgehen (vgl. dazu auch Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007). Ziel des Beispiels ist es dabei, das Verständnis von Greenwashing und inhaltsernster Besiegelung weiter auszubauen und zu schärfen, sowie die einzelnen Aspekte markensoziologischer
3.1 Wesenwille und Kürwille
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Organisationsanalysen in der sozialen Alltagswelt aufzuzeigen. Das hier zum Beispiel konstruierte Unternehmen ist dabei als Wirtschaftsunternehmen, sowie als Genossenschaft konstituiert, in welcher die Mitglieder weitreichende Entscheidungsrechte ausüben können. Die Mitglieder produzieren Lebensmittel, welche dann vom Unternehmen mit dem Markenlogo ausgezeichnet und im Lebensmitteleinzelhandel vertrieben werden. Die vertriebenen Produkte sind dabei sehr divers und reichen von weit verarbeiteten Getränken, Fleisch- und Wurstwaren, so wie Käse, bis hin zu nicht verarbeiteten Produkten wie Kartoffeln, Obst und Gemüse. Das Unternehmen soll hier „Unser Naturhof “ heißen und ist, das soll hier wiederholt werden, rein fiktiv an realen Fällen für die vorliegende Analyse konstruiert.
3.1
Wesenwille und Kürwille
Uns allen ist es schon untergekommen, dass wir etwas Bestimmtes unbedingt gewollt haben. Wir wollen manchmal einen bestimmten Urlaub machen, wir wollen unser Lieblingsgericht kochen oder wir wollen nicht zu bestimmten unangenehmen Veranstaltungen gehen. In diesen allgemeinen Aussagen verbirgt sich ein tieferer soziologischer Sinn, denn Wollen, eher der Wille hinter dem Wollen, ist in einer fast vergessenen Lesart eine Grundkategorie des Sozialen. Der Wille, und mehr noch, der soziale Wille, stellt die Grundeinheit schlechthin dar, auf der Ferdinand Tönnies seine Erklärung des Sozialen aufbaut. Der menschliche Wille ist dabei ein inhärenter Grundbaustein unserer Einheit von Körper und Geist. Er kann bewusst oder unbewusst sein, aber er formt unser Leben Tag für Tag. Was unser Leben aber formt, das formt auch wie wir es leben. Während die dauerhaften Assoziationen unseres Lebens im Abschnitt 3.2 diskutiert werden, soll hier erst einmal der Blick auf den zugrunde liegenden Willen gerichtet werden. Denn der soziale Wille ist die Basis des Gedankenguts von Ferdinand Tönnies. Da man über viele Themen in Gemeinschaft und Gesellschaft bereits für sich genommen eine sozialphilosophische Doktorarbeit verfassen könnte, man blicke hierbei allein auf Schneidereit (2010), begnügt sich diese soziologische Arbeit mit der reinen Darstellung der Willensarten nach Tönnies (1991) als Grundlage des gestalttheoretischen Ansatzes. Die Erklärung, Einordnung und Relevanz dieser Willensarten für die Markensoziologie werden schwerpunktmäßig ab dem Abschnitt 3.2 vorgenommen. Als Grundlage der gestalttheoretischen Markensoziologie fungiert, wie zuvor beschrieben, vor allem dieses Gedankengut von Ferdinand Tönnies. Jede Marke
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
wird dabei als spezifische Willensform angesehen, also als ein Bündnis der Willen und der Wille zum Bündnis (vgl. dazu Deichsel 2004: 352). Eingegangen wird dieses Bündnis von den Verbraucher*innen mit einer bestimmten Leistung und dem dahinterstehenden Unternehmen. Bei der bislang ökonomischen Verwendung der Bündnisse wird dabei ausgeklammert, dass sowohl die Bündnisformen, als auch die Willensformen, universal in der sozialen Sphäre zu verorten sind. Menschen gehen Bündnisse miteinander, aber auch Bündnisse mit Dingen ein (vgl. Deichsel et al. 2017: 52). Dadurch sind die Willensformen das zentrale Element in der Erklärung der Gesellschaft, man sollte sagen, von Gemeinschaft und Gesellschaft, durch Ferdinand Tönnies (1991). Entsprechend widmet sich dieses Kapitel den beiden Bündnisformen Wesenwille und Kürwille, die ebenfalls zentral für die Konstitution von Marken (3.1.1) sind. In einem zweiten Schritt werden die gesammelten Erkenntnisse auf Label (3.1.2) angewandt, um über die hier gesammelten Fragmente des markensoziologischen Wissens ein eng oder weit gefasstes, markensoziologisch geprägtes Labelverständnis zu entwerfen (3.9). Insofern ist die Darstellung der Willensarten zentral zur Beantwortung der ersten beiden Unterfragen. Den Begriff des Willens selbst entlehnte Tönnies an der Philosophie Schopenhauers und der Politiktheorie von Hobbes (vgl. Korte 2017: 82). Insofern befindet sich im Werk von Tönnies neben einer soziologisch-empirischen Komponente eine sozialphilosophische Fundierung, die auch dem gestalttheoretischen Ansatz eine sozialphilosophische Prägung verleiht. Zu Beginn sei gesagt, dass bei Tönnies jeder sozialen Verbindung ein soziales Wollen zugrunde liegt (vgl. auch Errichiello 2013: 27). Der menschliche Wille kann dabei laut Tönnies (1991: 73) im doppelten Sinne verstanden werden, da er gleichermaßen als Ursache und Disposition von Tätigkeiten gedacht werden kann. Der Wille ist also demnach Vorbedingung und Rahmen einer Handlung. Ein sozialer Wille liegt dann vor, wenn mehrere Menschen einen einheitlichen Willen teilen (vgl. Otte 2015: 39). Aus dieser Gemeinsamkeit der Willen erwachsen dann soziale Wesenheiten,1 die außerhalb der Individuen existieren und es gibt im Umkehrschluss auch nichts Soziales, das nicht gewollt ist (vgl. Korte 2017: 82). Der soziale Wille lässt sich letztlich in zwei dialektisch wirkende Willensarten differenzieren: den Wesenwillen und den Kürwillen. Umgangssprachlicher und mit den Worten von Tönnies (1991: 102) gesagt, unterscheidet man die Arten wie Herz und Kopf. Als Wesenwille gilt die leiblich gewachsene Willensform, in welcher die Gefühle über dem Denken stehen, in welchem Denken also nur anteilig vorhanden ist (vgl. etwa Otte 2015: 35). Tönnies (1991: 73 f.) bezeichnet diese Form 1 Mehr
dazu ist in nachfolgenden Kapiteln zu finden.
3.1 Wesenwille und Kürwille
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als psychologisches Äquivalent des Leibes, also als Willen, sofern darin Denken enthalten ist. Zum Wesenwille gehört der Instinkt und jener ist geprägt durch eine Einheit von Mittel und Zweck (vgl. Korte 2017: 83). Tönnies (1991: 73) beschreibt diesen Umstand als Prinzip der Einheit des Lebens, welches real und natürlich ist. Der Wesenwille beruht in der Vergangenheit und muss aus ihr erklärt werden, beinhaltet dabei jedoch auch gleichermaßen den Keim der Zukunft (vgl. Tönnies 1991: 73). Tönnies (1991: 74) beschreibt ferner, dass sich der Wesenwille zur Tätigkeit wie die Kraft zur Arbeit verhält, er ist also der Bewegung immanent. Gleichermaßen stellt der Wesenwille eine psychische Wirklichkeit und Kausalität dar, die eine Koexistenz und Sukzession von Daseins-, Trieb und Tätigkeitsgefühlen begründet (vgl. Tönnies 1991: 74). Problematisch ist für den Wesenwillen allerdings, dass er aufgrund seiner organischen Natur so mannigfaltig ist, wie das organische Leben selbst (vgl. Tönnies 1991: 74).2 Kurz gesagt ist der Wesenwille also die emotionale, gefühlte Komponente des Willens. Der Wesenwille ist dabei noch weiter ausdifferenziert in verschiedene untergeordnete oder eher beinhaltete Willensformen. Um diese jedoch verstehen zu können, muss hier zunächst ein Exkurs zu den impliziten philosophischen Grundannahmen der organischen Willensform durchgeführt werden. Wie auch Aristoteles vor ihm,3 geht Tönnies von einer Dreiteilung des Lebens aus. So unterscheidet Tönnies zwischen einem inneren vegetativem, einem äußeren animalischen und schließlich einem mentalen Leben und Willen (vgl. Tönnies 1991: 76). Im Tierwillen sind dabei etwa der vegetative und animalische Wille miteinander verbunden und einander bestimmend gedacht, im menschlichen Willen ist jedoch zusätzlich der mentale Wille enthalten (vgl. Tönnies 1991: 76). Der vegetative Wille basiert in dieser Lesart auf der Verarbeitung empfundener und empfangener stofflicher Reize (vgl. Tönnies 1991: 76). Der animalische Wille hingegen basiert auf der sinnlichen Wahrnehmung und der Bildempfindlichkeit, sprich auf sensitiven Bewegungsreizen (vgl. Tönnies 1991: 76). Der mentale Wille 2 Wichtig
ist an dieser Stelle, dass Durkheim und Tönnies ein je umgekehrtes Verständnis von organisch und mechanisch hatten (1988: 156; vgl. dazu auch Endreß 2012: 27 f.). Wo Tönnies von organisch spricht, spricht Durkheim von mechanisch. Wo Durkheim von mechanisch spricht, spricht Tönnies von organisch. 3 Tönnies bezieht sich in seinem Text nicht explizit auf Aristoteles. Das vegetative, animalische und mentale Leben erinnert in dieser Nennung jedoch stark an die Seelenlehre von Aristoteles, welche bis heute modifiziert im westlich-rationalistischem Wissenschaftsmodell nach Descartes vorherrschend ist (vgl. dazu Margreiter 2017: 133). Aristoteles unterteilte die Seelen in die vegetative, die animalische und die vernunftbegabte Seele (vgl. Margreiter 2017: 127). In dieser Lesart bezeichnet Tönnies damit ein Verhältnis, welches noch grundlegender ist als die menschlichen Instinkte, weil es eine Einheit von Körper und Geist beinhaltet.
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aber basiert auf Gedanken und Wortempfindungen und reagiert damit auf intellektive und geistige Reize (vgl. Tönnies 1991: 76). Im menschlichen Wesenwillen sind diese drei Arten des Willens gemeinsam als eine Einheit zu denken (vgl. Tönnies 1991: 77). Der bereits erwähnte organische Wille, in welchen Motive und die mentale Richtung eingehen, ist hier als animalisch-mentaler Wille zu verstehen (vgl. Tönnies 1991: 77). Das bedeutet zusammengefasst auch, dass der mentale Wille durch den animalischen Willen bedingt ist und der animalische Wille durch den organischen und den mentalen Willen (vgl. Tönnies 1991: 77). Insofern geht Tönnies hier von mehreren ineinander verschränkten und sich gegenseitig bedingenden Bestandteilen des Willens aus, die er den unterschiedlichen existierenden Lebensformen zuweist. Allerdings verfügt nur der Mensch dabei über den mentalen Willen und damit auch über rationale Vernunft. Der Mensch besitzt zudem auch die grundlegende Reizverarbeitung aller Lebewesen (vegetativer Wille) und die sinnliche Wahrnehmung (animalischer Wille). Die drei Willensarten sind in ihrer Komplexität aufsteigend hierarchisch gestuft, was eine Grundlage für die weitere Theorie der Willensarten von Tönnies bildet. Entsprechend der Vereinigung der drei Willensarten im menschlichen Wesenwillen, unterscheidet Tönnies auch drei hierarchische Willensformen des Wesenwillen. Die erste Willensform ist jene des Gefallens, die eine angeborene Lust zu gewissen Gegenständen und Tätigkeiten bezeichnet (vgl. Tönnies 1991: 78). Der Gesamtwille stellt Fragen durch die Sinne an Gegenstände und prüft diese dann auf Gefallen und Nichtgefallen (vgl. Tönnies 1991: 79). Am ehesten ließe sich die Form des Gefallens auf eine vegetative Willensform zurückführen. Die zweite Form des Wesenwillen ist die Gewohnheit, die als animalische Art des Wesenwillen gedacht wird (vgl. Tönnies 1991: 80). Gewohnheit ist als Erfahrung zu denken, also die aus Erfahrung entstandene Lust oder der aus Erfahrung entstandene Wille (vgl. Tönnies 1991: 80). Die Gewohnheit ist dabei stark an Wiederholung und Willensimpulse gebunden. Das, wozu eine ursprüngliche Neigung treibt, wird eher zu einer Gewohnheit, aber Tönnies (1991: 80) weist ebenfalls darauf hin, dass auch unangenehme Dinge bei Wiederholung zu einer angenehmen Gewohnheit werden können. Als etwas Substanzielles des Geistes, setzen Gewohnheiten sinnliche Wahrnehmung voraus und sind als eigentliches Prinzip des Könnens eine Form des aktiven Willens (vgl. Tönnies 1991: 81). Menschen besitzen dabei immer gleich mehrere Gewohnheiten, die wie durch sich kreuzende Fäden verbunden sind (vgl. Tönnies 1991: 81). Die dritte Form und die Entsprechung des mentalen Willens, dem spezifischen Merkmal des menschlichen Wesenwillen, ist das Gedächtnis (vgl. Tönnies 1991: 82). Das Gedächtnis löst dabei die Gewohnheit
3.1 Wesenwille und Kürwille
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ab und bedarf daher des Erlernens durch Erfahrung und Nachahmung (vgl. Tönnies 1991: 82 f.).4 Gedächtnis, als eine besondere Evolution der Gewohnheit, ist zu verstehen als Fähigkeit zur Reproduktion von Eindrücken und zweckmäßigen Tätigkeiten, wobei Eindrücke hier gleichermaßen auch als Tätigkeiten zu verstehen sind (vgl. Tönnies 1991: 82 f.). Als wahren Schatz des Gedächtnisses sieht Tönnies (1991: 83) die Fähigkeit an, zu wissen was Richtig und Gut ist, es zu lieben und zu tun. Insofern zählen auch die Kenntnisse von Werten und Normen bei Tönnies zum Gedächtnis. Neben einem allgemeinen Pflichtgefühl, resultiert aus dem Gedächtnis daher auch das Wissen, wie etwas getan werden muss (vgl. Tönnies 1991: 83, 103 f.). In ihrer Gesamtheit besitzen die drei Formen des Wesenwillen auch Entsprechungen, denen sie zugeordnet werden können. So verhält sich etwa Verstand zu Gewohnheit, wie Sinnlichkeit zu Gefallen und Vernunft (Fähigkeit der Sprache, des Denkens) zu Gedächtnis (vgl. Tönnies 1991: 84). Gedächtnis ist ferner als ein mentales Gefallen und als Gewohnheit anzusehen, die Gewohnheit als animalisches Gedächtnis und der Gefallen als elementares, allgemein organisches Gedächtnis (vgl. Tönnies 1991: 84). Tönnies spezifiziert die Formen des Wesenwillen noch weiter als hier dargestellt. Zum Zwecke dieser Arbeit soll die Schilderung des Wesenwillen hier jedoch beendet und an späterer Stelle fortgesetzt werden. Die zentralen Begriffe sind dabei am Ende des Kapitels noch einmal in einem übersichtlichen Schaubild zusammengestellt. Dem Wesenwillen gegenüber steht der selbst hervorgebrachte Kürwille, in welchem das Denken die zentrale Rolle einnimmt, Gefühle aber nur anteilig vorhanden sind (vgl. etwa Deichsel et al. 2017: 68 f.). Diese Willensformen beschreibt Tönnies als Denken, sofern darin Willen enthalten ist und somit auch als ein Gebilde des Denkens (vgl. Tönnies 1991: 73). Zum Kürwillen gehört das rechnerische Kalkül, welches sich in reiner Zweckrationalität ausdrückt (vgl. Korte 2017: 83). Insofern ist der Kürwille seinem Charakter nach ideell und gemacht, als eine Wirklichkeit die nur in Bezug auf deren Urheber, das eigentliche Subjekt des Denkens, eine Geltung besitzt (vgl. Tönnies 1991: 73). Der Kürwille geht der Tätigkeit voraus und bleibt außer ihr, so dass sich der Kürwille auf die Zukunft bezieht und nur aus dieser heraus verstanden werden kann (vgl. Tönnies 1991: 73 f.). Während der Wesenwille die Zukunft im Keime enthält, enthält der Kürwille sie im Bilde (vgl. Tönnies 1991: 73 f.). Dadurch ist der Kürwille lediglich ein in Gedanken gesetztes Dasein, wodurch sich die Tätigkeit zu ihm als Verwirklichung verhält und damit das menschliche Ich abbildet (vgl. Tönnies 4 Nachahmung
wird von Tönnies‘ Zeitgenossen Gabriel Tarde (2001) sogar als das zugrunde liegende Prinzip der Gesellschaft begriffen.
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1991: 74). Als solcher setzt die Möglichkeit des Kürwillens allerdings schon die fertige Gestalt des menschlichen Organismus Willens als Bedingung voraus (vgl. Tönnies 1991: 90), was eine direkte Verwobenheit mit dem Wesenwillen begründet. Spezifischer schildert Tönnies (1991: 91), dass man annehmen könne, der auf die Zukunft gerichtete Kürwille ginge als Seele dem Körper voraus. Diese Kausalität jedoch verneint er und verweist stattdessen auf die Einheit von Körper und Seele (vgl. Tönnies 1991: 91). Da er auch keine direkte Bejahung der Mitwesen enthalten kann, die aus der Gesinnung, dem Gemüte oder dem Gewissen entspränge, steht der Kürwille allein der Wirklichkeit gegenüber und kann keiner Wirklichkeit des Wesens Mensch angehören (vgl. Tönnies 1991: 99). Dies liegt insbesondere daran, dass das reine Denken immer wieder nach dem Grund und Zweck fragen muss, wodurch sich immer wieder auf die eigene Wahl rückbezogen wird und das Fremde keinen Sinn hat (vgl. Tönnies 1991: 99). Da der Kürwille vom Zweck bestimmt wird, ordnet er alle Tendenzen und Kräfte in Form von Systemen an und alle Zwecke ordnen sich den anderen Zwecken unter (vgl. Tönnies 1991: 90). Insofern beinhalten die Gesamtformen des Kürwillen Systeme von Gedanken, Absichten, Zwecken und Mitteln, die von den Menschen als Apparate im Kopf getragen werden und so erlauben, die Wirklichkeit aufzufassen (vgl. Tönnies 1991: 93 f.). Kurz gesagt ist der Kürwille also das rationale Denken. Wie auch der Wesenwille besitzt der Kürwille drei spezifisch hierarchische Ausprägungen. So bezeichnet Tönnies (1991: 91 f.) ein freies Verhalten im Allgemeinen oder in Bezug auf einen bestimmten Gegenstand als Bedacht. Durch die Tätigkeit des Denkens wird durch Bedacht in Bezug auf ein vorzunehmendes Werk die Trennung von Zweck und Mitteln verwirklicht (vgl. Tönnies 1991: 92). Auf bestimmte, einzelne Handlungen gerichtet, spricht Tönnies vom Belieben, wobei ein über seine Grenzen hinausdenkendes Ich die Grundvoraussetzung für die Vereinigung der Zwecke im Belieben darstellt. Die dritte Form des Kürwillens ist laut Tönnies (1991: 93) der Begriff, welcher in Bezug auf das Denken realisiert, was Belieben und Beschluss für Handlungen bedeutet. Gemeint ist ein bindendes Urteil über den Gebrauch von Wörtern, was die Verständigung, die Anpassung und den Maßstab in der Kommunikation und im Denken prägt (vgl. Tönnies 1991: 93). Auch die drei Ausprägungen des Kürwillens haben dabei eine Entsprechung. So muss man, um Bedacht zu verstehen, die Absichten und Gründe hinterfragen, um Belieben zu verstehen nur die Gründe kennen und um schließlich den Begriff zu verstehen, muss der Zweck zu dem er gebildet sein mag verstanden werden (vgl. Tönnies 1991: 93). Es liegt also auch hier wieder eine Verschränkung der einzelnen Stufen ineinander vor. Wichtig für diese Arbeit ist aber insbesondere die hierarchische Stufung, welche in einer Grafik noch einmal zusammengefasst wird.
3.1 Wesenwille und Kürwille
81
Grundsätzlich sind in realen sozialen Situationen in aller Regel beide Willensformen anteilig vorzufinden, wie Tönnies (1991: 87) in seiner angenommenen Einheit von Körper und Geist stets immer wieder betont. Ein Mensch wird demnach auch von beiden Willensarten geleitet. Wesenwille und Kürwille sind als normaltypische Willensformen zu verstehen, die in ihrer Reinform keine reale Entsprechung besitzen und lediglich in ihren Mischformen anzutreffen sind.5 Innerhalb dieser Mischformen lässt sich dabei aber auch ein Wandel der Willensarten zu einer Zeitdiagnose verdichten. Allgemein lässt sich hier festhalten, dass mit der Zeit der Wesenwille tendenziell abnimmt und in den Kürwillen übergeht. In der Veränderung vom Wesenwillen hin zum Kürwillen, bildet Tönnies mit seinen Willensarten daher auch eine Form der westlichen Rationalisierung ab (vgl. Korte 2017: 83). Gleichzeitig beschreibt Tönnies (1991: 73) aber auch einen impliziten Modernisierungsprozess, wenn er schildert, dass der Wesenwille die Zukunft im Keim und der Kürwille die Zukunft im Bilde enthält. Während der Wandel der Willensarten für die Forschungsfrage von großer Bedeutung ist, ist die Zeitdiagnose und die hierin enthaltene Modernisierung von nachgeordneter Relevanz. Die im vorliegenden Kapitel geschilderte Komplexität der Idee von Tönnies (1991) zu seinen Willensarten, lässt sich auf die zentralen Inhalte reduziert in einem einfachen Schaubild deutlich machen (Abbildung 3.1): Jede der genannten Willensformen, hat außerdem spezifische Bündnisformen, welche sich aus ihnen ausbilden. Als Willensausdrücke, wirken diese Verbindungen nach innen und außen (vgl. Tönnies 2010: 266 f.). Das Ganze besteht dabei immer aus dem kleineren Ganzen, was eine Art Aggregatszustand der Bündnisse begründet, deren Moleküle die Körper darstellen (vgl. Tönnies 2010: 268 f.). Entsprechend der Willensformen sind laut Tönnies dabei auch zwei homologe Bündnisformen vorherrschend: Gemeinschaft und Gesellschaft. Auf sie soll in Abschnitt 3.2 näher eingegangen werden. Wir sehen abschließend also, dass es eine Sache ist, etwas zu wollen. Denn der menschliche Wille ist dem Menschen inhärent. Etwas anderes ist es aber, wie etwas gewollt wird. Gefällt das Gewollte etwa, so wird es bald zur Gewohnheit und geht in der Sphäre der alten Erinnerungen unseres Gedächtnisses über. Vielleicht wollen wir es im Gegensatz dazu aber auch, weil es uns zweckmäßig erscheint. Tönnies realisiert mit seinen Willensformen hier zweierlei: einerseits trennt er Körper und Geist normaltypisch, andererseits verbindet er beide Normaltypen zu einer untrennbaren Einheit. Das eine kann ohne das andere nicht 5 Krossa
(2018: 15) weist wie Tönnies (1991: XLII, XLIV) darauf hin, dass es sich bei den beiden Willensformen um so genannte Normaltypen handelt, die den Idealtypen von Weber als Vorlage dienten. Entsprechend sind Normaltypen und Idealtypen synonym zu verstehen.
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Abbildung 3.1 Willensarten nach Tönnies. (Quelle: eigene Darstellung)
3.1 Wesenwille und Kürwille
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existieren und liegt daher anteilig ineinander vor. Dabei beschreibt Tönnies auch, wie sich unser Verhältnis zu Dingen und Menschen ändern kann. Je länger und intensiver wir etwas auf bestimmte Art wollen, desto mehr wird es Teil von uns selbst, umso mehr wird es zur Sitte oder gar zum Begriff. Was hieraus erwächst, das sehen wir deutlich in 3.2, wenn wir die Assoziationen betrachten, die sich aus dem gemeinsamen Wollen der Vielen ergeben. Bevor man jedoch über Assoziationen nachdenken kann, stellt sich eine zentrale Frage: wie wollen wir Marken und Label?
3.1.1
Die Marke als wesenwillige Verbindung
Die Überschrift des Kapitels legt nahe, dass der Marke eine spezifische Willensform zugrunde liegt. Was man hier scheinbar ganz einfach abtun könnte, weil man das Ergebnis an den Anfang stellt, kann allerdings nicht den Prozess des Wollens abbilden. Wir haben erfahren, dass auch ein Wille eine Entwicklung durchmacht. Wichtiger noch als zu fragen: wie wollen wir Marken, ist es also, den Prozess des Wollens näher zu beleuchten. Dies geschieht in diesem Kapitel. Anders ausgedrückt: bevor sich den Labeln gewidmet werden kann, soll zunächst einmal festgehalten werden, inwiefern Wesenwille und Kürwille, sowie deren Wechselspiel, Marken sozial konstituieren. Da beide Willensformen im gestalttheoretischen Ansatz als zentral für Marken angesehen werden, soll an dieser Stelle zunächst darauf eingegangen werden, wie die beiden Willensformen mitsamt ihrer gebündelten Ausprägung definiert sind. Hier ist noch einmal darauf zu verweisen, dass Soziologie in der gestalttheoretischen Markensoziologie als die Lehre der Bündnisse verstanden wird. Diese Bündnisse können dabei auch mit Dingen eingegangen werden, so auch als eine spezifische „Dingverbundenheit“ mit Marken (vgl. Deichsel et al. 2017: 52 f., 59). Da es in der Gesellschaft nichts gibt, das nicht gewollt wird (vgl. Korte 2017: 82), trifft dies folglich auch auf das soziale Bündnis mit einer Marke zu. Dadurch wird eine Marke sozial aufgeladen, was ihr in der beschriebenen Perspektive ein Eigenleben verschafft. Eine Marke ist demnach ein soziales Lebewesen, welches aus Willen besteht, aber es handelt sich gleichermaßen auch um ein Bündnis (vgl. Deichsel et al. 2017: 28, 51 ff.). Die soziale Aufladung der Marke besteht also in der Einschreibung eines sozialen Willens in das Bündnis. Dies soll jedoch derart allgemein formuliert nicht bedeuten, dass die Willensform selbst dabei keine Rolle spiele. Tatsächlich ist die Art des Wollens innerhalb der Markensoziologie ein entscheidender Faktor für die Erforschung der Markenbündnisse. Überdies ist im Sinne von Tönnies (1991: 105) hinzuzufügen, dass die Assoziation
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
der Ideen gleichermaßen der Assoziation der Menschen entspricht. Insofern ist zunächst zu untersuchen, welche Form von Willen hier eigentlich vorliegt. Denn für die gestalttheoretische Markensoziologie haben die beiden normaltypischen Willensformen einen quasi paradigmatischen Charakter. Dies liegt daran, dass der gestalttheoretische Ansatz das Ziel verfolgt, eine wesenwillige Bindung der Menschen zur Marke zu erreichen (vgl. Deichsel et al. 2017: 32 f., 78). Denn während wesenwillige Verbindungen stabil sind und in der Sitte und dem Brauchtum münden, sind kürwillige Verbindungen rational, vertraglich und dem Charakter nach kündbar (vgl. Deichsel et al. 2017: 69 f.). Stabilität ist für Marken jedoch der zentrale und erwünschte Faktor, wohingegen die rationale Beliebigkeit zu vermeiden ist. Insofern ist auch die Analyse im gestalttheoretischen Ansatz strikt auf wesenwillige Aspekt fokussiert. Die beschriebenen Unterschiede zeigen sich auch in den so genannten Dichtezonen der Marke. Diese bilden anhand der Nähe zur Marke ab, welche Willensform in der Dingverbundenheit zur Marke vorherrschend ist. Generell gilt dabei, dass eine Verbindung umso wesenwilliger ist, je stabiler sie sich um eine Marke herum gruppiert. Schließlich werden die ermittelten Unterschiede in verschieden gestuften sozialen Kategorien ausgedrückt. Während etwa die so bezeichneten Konsument*innen6 noch vor allem kürwillig Preise prüfen und Produkte vergleichen, haben die Kund*innen bereits ein wesenwilliges Verhältnis zur Marke entwickelt (vgl. Deichsel 1999 b: 336 f.). Insofern liegen in den Dichtezonen der Marke aufsteigend die Konsument*in, ungebunden oder fremd eingebunden, die Käufer*in, mit einem Erstkontakt und fragilem Verhältnis zur Marke, Kund*innen,7 die eine Verbundenheit mit der Marke besitzen und schließlich die Kundschaft, die schon einen eigenen sozialen Lebensraum darstellt, vor (vgl. Deichsel 1999 b: 336 ff.). Einen Sonderfall stellen die Kenner*innen dar, die eine positive Einstellung zur Marke besitzen, diese jedoch nicht selbst kaufen oder kaufen können (vgl. Deichsel 1999 b: 338). Da sowohl die Kundschaft, als auch die Kenner*innen für Markengemeinschaften eine tragende Rolle spielen, werden diese ausführlicher im Abschnitt 3.2.1 diskutiert. Wichtig ist anzumerken, dass sich in diesem Modell, entgegen der Schilderung von Tönnies (1991), aufsteigend ein Wandel von Kürwille zu Wesenwille vollzieht. Zudem ist hier eine 6 Die
originale Konzeption von Deichsel (1999 b) verwendet keine Gendersprache. Diese wurde als Anpassung an die gendersprachlichen Standards an der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel entsprechend modifiziert. 7 Kund*innen sind von einem Doppelverhältnis geprägt, da sie etwas geben und gleichzeitig zu bekommen trachten (vgl. Reinbacher 2018: 91 f.). Sie sind König*in und Knecht/ Magd (soziale Dimension), führen und folgen (sachliche Dimension), sie nehmen und geben (zeitliche Dimension) (vgl. Reinbacher 2018: 94).
3.1 Wesenwille und Kürwille
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Einschränkung vorzunehmen. Theoretisch gesehen, angelehnt an die Genfer Markendefinition (Schmidt 2004: 249), liegt eine Marke erst mit dem Bestehen der Kundschaft vor (vgl. Deichsel 1999 b: 336). Daher lassen sich Dichtezonen der Marke lediglich für bereits vollendet bestehende Marken nachzeichnen. Aufgrund ihrer offensichtlichen Nähe zu den Ausprägungen des Wesenwillen, ließen sich die Dichtezonen dabei aufsteigend um die drei Formen des Wesenwillen erweitern, nämlich Gefallen, Gewohnheit und Gedächtnis. Grafisch dargestellt sähe dies so aus:
Abbildung 3.2 Dichtezonen der Marke. (Quelle: Darstellung in Anlehnung an Deichsel 1999 b, eigene und erweiterte Darstellung)
Es wird deutlich, weshalb in der gestalttheoretischen Markensoziologie das wesenwillige Verhältnis der Sitte8 und dadurch auch das Erlangen einer Kundschaft als Ziel angestrebt wird. Gegenüber den kritischen Konsument*innen und den unsteten Käufer*innen, stehen die stabilen und unkritischen Bindungen der Kenner*innen, der Kund*innen und der Kundschaft. Erst eine Stabilität des Willens erlaubt es, langfristig eine Idee in den Köpfen der Menschen zu verankern, welche auch generational vererbt und multipliziert werden kann. Diese Verankerung spart Energie und Ressourcen, da der Kommunikationsaufwand verringert und der Erfolg der Kommunikation wahrscheinlicher gemacht wird. Entsprechend gewichtig wirkt die Sitte, die sozialen Willen verkörpert, gegenüber beispielsweise dem zweckrationalen Vertrag (vgl. Deichsel et al. 2017: 75 f.). Die Sitte 8 Sitte
und Brauch sind wesenwillige Formen und stellen eine empfundene Gewohnheit sozialer Bündnisse und Handlungsweisen dar (vgl. Deichsel et al. 2017: 33, 75 f.). Sitten sind der animalische Wille menschlicher Gemeinschaft und setzen die Wiederholung von Tätigkeiten voraus, wohingegen die Bräuche in erster Linie ein symbolischer Ausdruck der Sitten sind (vgl. Tönnies 1991: 186 f.).
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
ist daher für Marken innerhalb des Ansatzes die fundamentale Art das Soziale zu ordnen (vgl. Deichsel et al. 2017: 75 f.). Eine Sitte ist maßgeblich durch stabile Gewohnheiten geprägt, die den Grund in sich selbst besitzen, weshalb sie letztlich in einem festen Bündnis mündet (vgl. Deichsel et al. 2017: 75 f.). Während der Mensch in einem kürwilligen Vertragsverhältnis als rationales Subjekt auftritt, erscheint er in der wesenwilligen Sitte in erster Linie als unkritisches Objekt, mitsamt dem damit einhergehenden Verlust an Autonomie (vgl. Deichsel et al. 2017: 76). Dies ergibt sich auch daraus, dass etwas, das intuitiv gefällt, bei stetiger Wiederholung langsam zur Gewohnheit wird und als Gewohnheit dann in der Regel nicht mehr kritisch hinterfragt wird. Ist die Gewohnheit im Gedächtnis angekommen, so wird sie schnell als gut und angenehm empfunden, wenn man der Schilderung von Tönnies (1991) folgt. Entsprechend wird auch die Erinnerung weniger kritisch hinterfragt, als etwa der Bedacht der bewussten Individuen innerhalb der Kategorie der Konsument*innen. Bewusstsein, hier als Kenntnis von Kräften und Mächten verstanden, sorgt im bewussten Individuum für die Verschmähung von Gefühlen, Vorurteilen und Ahnungen, aber für die Bevorzugung von Plänen, Begriffen, Urteilen und Bewusstheit (vgl. Tönnies 1991: 94 f.). Kurz gesagt, lehnt das bewusste Individuum wesenwillige Willensformen ab und bevorzugt kürwillige Entscheidungen. Durch die Vorherrschaft des Denkens steigert sich theoretisch gleichermaßen die Kritikfähigkeit des Individuums, welches sich dann nicht mehr assoziieren möchte. Innerhalb der gestalttheoretischen Markensoziologie soll aus dem bewussten Individuum durch schrittweise Nutzung der Marke letztlich ein Mitglied der wesenwilligen Masse werden, die viele Handlungen dann nicht mehr kritisch hinterfragt und der Marke treu bleibt. Insofern gilt es, den Kürwillen zu reduzieren und den Wesenwillen zu fördern. Weniger normativ betrachtet, bildet sich hierin ein umgekehrter Modernisierungsprozess im Sinne von Tönnies (1991) ab. In diesem Sinne könnte man die Dichtezonen der Marke auch als Prozessmodell der Kundschaftsbildung betrachten und begreifen. Entsprechend dieser normativen Aufgabenstellung des gestalttheoretischen Ansatzes verwundert auch die Aufteilung der Willensformen auf die markensoziologischen Interessensgegenstände nicht. Eine Marke löst in gestalttheoretischer Lesart kürwillige Prozesse aus, die zu wesenwilligen Verbindungen führen (vgl. Deichsel et al. 2017: 70). Eine Marke ist daher als Ergebnis von Gefallen, Gewohnheit und Gedächtnis zugleich zu verstehen (vgl. Otte 2015: 40). Dieser soziale Wesenwille bedingt eine normative Handlungsstruktur mit eigenen Ge- und Verboten (vgl. Otte 2015: 40). Während die Marke im Ergebnis als wesenwilliges Verhältnis zu beschreiben ist, steht demgegenüber das rein kürwillige Produkt (vgl. Deichsel et al. 2017: 76 f.; vgl. auch Otte 2015: 31). Wo für
3.1 Wesenwille und Kürwille
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den Kauf eines Produktes nach rationalen Gesichtspunkten abgewogen und entschieden wird, schalten Marken im normativen Idealfall auf Basis von positiven Vorurteilen, Erwartungen und Bündnissen die Kritik im Individuum ein Stück weit aus (vgl. Deichsel et al. 2017: 99). Diese Transformation bedarf jedoch mehr als nur einer einzelnen Willensform, wie im weiteren Verlauf von Kapitel 3 noch ausgeführt wird. Sie ist in erster Linie das Ergebnis eines langfristig angelegten Prozesses, der von gestalttheoretischen Vertretern oft aber durch eine sozialphilosophische Theorie der reinen Gemeinschaft abgekürzt wird. Eine besondere Erwähnung verdienen an dieser Stelle die beiden hybriden Formen der Markenprodukte und der Markentechnik. Beginnend mit der Markentechnik sei noch einmal auf die Wortschöpfung von Domizlaff hingewiesen, die eine steuerbare, technische Komponente und eine lebendige Markenkomponente verbindet (vgl. Errichiello 2013: 11). Passend hierzu, stellt die Markentechnik eine Verbindung von Kürwillen und Wesenwillen dar, wodurch eine vollständige Betrachtung und Analyse aller Aspekte einer Marke eröffnet wird (vgl. dazu Deichsel 2004: 354). Ähnlich verhält es sich mit der Wortschöpfung des Markenprodukts. Der Markenartikel löst den Widerspruch von Individualität und Masse auf (vgl. dazu Errichiello/ Zschiesche 2017: 84)9 und verbindet dadurch Wesenwille und Kürwille in Form eines Markenprodukts, in dem Vertrauen und Prüfung gleichermaßen vorhanden sind. Weiter heißt es: „Aufgabe der Produktmarke ist es, mit ihrem Namen für eine bestimmte Leistung zu bürgen […]“ (Errichiello/ Zschiesche 2013: 34). Bei Produktmarken geht es also zudem um die Erkennbarkeit von Leistungen, sowie auch um das spezifische Eintreten für jene Leistung durch einen verantwortlichen Akteur. Diese Bürgschaft ermöglicht den Aufbau von Vertrauen. Begrifflich umgebaut stellt das Markenprodukt damit den Intermediär dar, zwischen einem kürwilligen Produkt und einer wesenwilligen Marke, zwischen den Konsument*innen und der Kundschaft, zwischen Unternehmen und Verbraucher*innen, während es gleichzeitig eine spezifische Leistung vermittelt. Das Markenprodukt birgt dadurch auch das Potential, die Asymmetrie auf modernen Warenmärkten und in der Gesellschaft zu überwinden (vgl. dazu auch Coleman 1982). Auch die Beispiel-Marke „Unser Naturhof “ ist als Ergebnis eines Wollens anzusehen. Denn einerseits verwirklicht sie das soziale Wollen der Genoss*innen der Genossenschaft, die sich in teils wesenwilligen, teils kürwilligen Aspekten auf ein gemeinsames Ziel hin vereinen. Dieses Ziel ist rational kalkuliert im wirtschaftlichen Sinne, wie auch durch einen gemeinsamen Kontrakt bekräftigt. Es ist wesenwillig gefühlsmäßig im Sinne der gemeinsamen Normen und Werte, die 9 Ausführlicher
wird diese Frage im Abschnitt 3.2 diskutiert.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
in der Charta der Genossenschaft festgehalten sind und nachhaltige, naturnahe Produktions- und Wirtschaftsweisen als gut und gewollt festschreiben. Dies entspricht dem Ansatz der Ressourcenzusammenlegung nach Coleman (vgl. dazu Preisendörfer 2016: 19 ff.). Insofern ist „Unser Naturhof “ durch gemeinsames Wollen ein korporativer Akteur und eine Organisation (vgl. dazu Coleman 1982; vgl. auch Coleman 1992), sofern man hier auf der mikrotheoretischen und individuellen Ebene verbleibt. Gleichermaßen ist es essentiell für das Überleben der Markenorganisation, dass sie auch von den Konsument*innen gewollt wird und sie ihre Produkte kaufen. Wesenwillige Verhältnisse sind dabei für Marken, wie bereits gezeigt wurde und auch weiter ausgeführt wird, erheblich viel potenter, als es kürwillige Verhältnisse sein können. Insofern liegt hier der andauernden Existenz einer Marke ein doppeltes Wollen zugrunde, das im Idealfall wesenwillig und insofern normativ-gefühlsmäßig begründet ist. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei einer Marke um sozialen Willen handelt (vgl. Deichsel et al. 2017: 28, 51 f.), der idealerweise prozessual eine wesenwillige Form annimmt. Erst eine wesenwillige Verbindung erlaubt soziale Stabilität und eine Reduktion der Kritikfähigkeit des Individuums, wie in 3.2 noch ausführlich diskutiert wird. Demgegenüber steht die rationale, kürwillige und ungebundene Prüfung von Produkten. Hinsichtlich der Geschichte der Warenzeichen, ist diese Gliederung auch schlüssig, wurden doch die regionalen und markierten Waren gegenüber den unüberprüfbaren freien Waren bevorzugt. Es ist bezüglich dieser Verbindung zur Historie fraglich, welche Willensformen in Labeln vorherrschend sind. Dieser Frage soll im folgenden Kapitel nachgegangen werden. Ersichtlich wird also am Ende dieses Kapitels, dass wir Marken nicht nur wollen, sondern dass Marken selbst soziales Wollen sind. Wie auch der Wille an sich, sind Marken kürwillig und wesenwillig zugleich. Wirklich nützlich sind Marken im ökonomischen Sinne jedoch erst, wenn sie wesenwillig gewollt werden. Denn nur dann reduzieren sie die Alltagskomplexität, zu deren Reduktion sie bereits in der Geschichte geschaffen worden sind. Eine idealtypische Reinform des Wesenwillen kann es indes in der Wirklichkeit natürlich aber nicht geben. Viel eher liegen die Willensformen auch in Marken gemischt vor. Ähnliches dürfte für Label gelten. Bedenkt man die Historie der Marken erscheint es jedoch als möglich, dass Label genau auf einen anderen Aspekt des Willens hinauslaufen: Bedacht.
3.1 Wesenwille und Kürwille
3.1.2
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Label und Willensformen
Folgt man den bisherigen Ausführungen der vorangegangenen Kapitel, sticht deutlich hervor, dass es sich bei den Nachfolgern der Zunftzeichen zweifelsohne um Prüfzeichen handelt. Noch heute sehen wir diese Bezeichnung in deutlicher Verbindung zu Labeln. Denn Prüfzeichen wie das Siegel des TÜV sind ein: „amtlich vorgeschriebenes Kennzeichen (2a) für Kraftfahrzeugteile, elektrische Geräte o. Ä., deren Bauart gesetzlichen Vorschriften entsprechen muss“ (Dudenredaktion o. J. g: duden.de). Der Fall scheint klar zu sein: Label sind kürwillig, denn prüfen ist ein Teil des Kürwillens. Vertrauen entlastet hingegen von der anstrengenden Prüfung der Produkte (vgl. Deichsel 2004: 359 f.). Folgt man nun der gestalttheoretischen Markensoziologie wäre auch klar: Marken wandeln Kürwillen in Wesenwillen um, schaffen so Vertrauen und stehen in expliziter Opposition zu den Prüfsiegeln, die eigens für die kürwillige Prüfung entworfen wurden. Tatsächlich bieten sie beim Einkauf ja eine Information über die Produkteigenschaften an, die erst dechiffriert werden muss, also ebenfalls explizit kürwillig auftritt. In Realiter ist die Angelegenheit der Willensarten in Labeln weit weniger klar und eindeutig, als es hier auf der Basis bisheriger theoretischer Arbeit der Markensoziologie erscheinen mag. Zunächst ist es hilfreich, sich die Definitionen des Wesen- und Kürwillen noch einmal vor Augen zu führen. Laut Tönnies ist der Kürwille das Denken, sofern in ihm Willen enthalten ist und sein Gegenpart, der Wesenwille, der Wille, sofern in ihm Denken vorkommt (vgl. Tönnies 1991: 73 f.). Beide Aspekte des Willens sind, ähnlich der Marke, ineinander untrennbar verschränkt und werden lediglich zu analytischen Zwecken getrennt. Im Folgenden ist nun also zu klären, welcher Form oder Verschränkung des Willens die Label eher zuneigen. Dabei ist auch noch an die Definition von Labeln zu erinnern, die Label unter anderem als Teil der spezifischen Interaktion zwischen Organisation und Konsument*innen bezeichnet. Dieser Aspekt ist für die Zuweisung der Willensarten von besonderer Bedeutung. Denn offenbar handelt es sich bei den Warenzeichen der Label um eine gewollte Interaktion. Ein Wille ist demnach als Grundbestand eines sozialen Verhältnisses hier erst einmal positiv anzunehmen. Da ein Label über intrinsische Informationen von Produkten informiert, ist zweifelsohne das Denken ein Teil des Labels. Somit sind beide Grundbestandteile des Wesenwillen und des Kürwillen grundlegend in Labeln vorhanden. Es handelt sich folglich um eine Form des sozialen Willens, in welcher sich zwei Akteure, hier eine Organisation und die Konsument*in, in gemeinsamer Willensabsicht aufeinander beziehen. Die Organisation will informieren, die Konsument*in will informiert werden. Das Label ermöglicht ein aufeinander bezogenes Handeln der Akteure, auch ohne den
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
unmittelbaren und persönlichen Austausch am Ort des Verkaufs. Angesichts des Wandels in der Warenwelt ist diese reduzierte und zeitlich unabhängige Kommunikationsform auch besonders notwendig, da, wie im Abschnitt 2.2 dargelegt wurde, der persönliche Kontakt zu einer fachkundigen Händler*in stetig abnimmt. Insbesondere angesichts der heutigen Warenmassen, vor allem im Lebensmitteleinzelhandel, ist es weder zu erwarten, dass die Händler*in genaue Angaben machen kann, noch, dass die Konsument*innen genau wissen, wie die fertigen und in der Regel weit verarbeiteten Endprodukte produziert worden sind. Weder die Händler*innen, noch die Konsument*innen, sind üblicherweise am Produktionsprozess beteiligt oder können ihn ohne weiteres persönlich prüfen. Am Beispiel von Fleisch ist es ersichtlich. Man weiß vielleicht wo der Hof steht, auf welchem die Tiere lebten, aber in den Stall darf man aufgrund hygienischer Bestimmungen nicht ohne weiteres. Selbes gilt für den Schlachthof, der die Tiere tötet und ihr Fleisch verarbeitet. Dem Fleisch selbst sieht man schließlich nicht mehr an, woher es kommt oder wie es verarbeitet wurde. Man muss sich folglich auf die Richtigkeit der Kontrollinstanzen, die Auskunft durch Händler*innen und die durch sie vermittelten Informationen verlassen. Nachdem nun geklärt ist, dass es sich bei Labeln ganz offenbar ebenfalls um etwas Gewolltes, insofern um sozialen Willen handelt, bliebe noch auszuloten, welche Willensform oder welche Verschränkung hier vorliegt. Dazu ist es entscheidend zu betrachten, wie Label eigentlich verwendet werden, mit dem Kopf oder mit dem Herzen. Hier soll an die Ergebnisse einiger Studien erinnert werden, die untersucht haben, inwieweit sich Wissen auf die Nutzung von Labeln auswirkt (vgl. dazu etwa van Loo et al. 2014; vgl. auch Rousseau 2015; vgl. auch Samant/ Seo 2016 b). Objektives Labelwissen ist im Allgemeinen gering ausgeprägt und hängt massiv vom Grad des allgemeinen Umweltbewusstseins eines Menschen ab (vgl. dazu Samant/ Seo 2016 b: 49, 53 f.; vgl. auch Grunert et al. 2014: 187; vgl. auch Laureati et al. 2013: 7). Das subjektive Labelwissen ist hingegen bei allen Studienpersonen stets hoch (vgl. Samant/ Seo 2016 b: 54; vgl. auch Samant et al. 2016: 146 f., 152 f.). Viele Menschen meinen also, die via Label vermittelten Botschaften verstehen zu können, interpretieren diese aber nicht vollumfänglich in Bezug auf die insgesamt vermittelbaren Informationen eines Labels aus. Dabei zeichnete sich innerhalb der Studien ab, dass Menschen mit hohem objektiven Labelwissen die Label gerne prüfend für ihre Kaufentscheidung herangezogen haben (vgl. Samant/ Seo 2016 b: 53 f.; vgl. auch Samant et al. 2016: 146 f., 152 f.). Diejenigen mit niedrigem objektivem Labelwissen aber, orientierten sich lediglich an der Erscheinung des Labels (vgl. Samant/ Seo 2016 b: 54; vgl. auch Samant et al. 2016: 146 f., 152 f.). Verglichen wurde diese Nutzungsweise in der Forschungsarbeit bereits mit dem Rezeptwissen nach Berger und Luckmann
3.1 Wesenwille und Kürwille
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(2016: 44). In Bezug zu den Willensarten gesetzt, ergibt sich dabei ein deutliches Bild. Menschen möchten beim Einkauf gerne über das Essen informiert sein, welches sie kaufen (vgl. van Loo et al. 2014: 146). Wenn nun aber stets ein hohes subjektives Labelwissen vorherrscht, fühlen sich Personen womöglich auch dann informiert, wenn ihr objektives Wissen eigentlich niedrig ausgeprägt ist. Label lösen demzufolge scheinbar beide Willensarten gleichermaßen aus. Einerseits reagieren Menschen mit Bedacht auf die Label und verwenden sie, um kürwillige Kaufentscheidungen über Produkte zu fällen. Anderseits lösen die Label auch Gefallen aus, weil sie ohne eingehende Prüfung als gut empfunden wurden. Dies lässt sich sogar noch vertiefen. Die Konsument*innenstudien der SGS Germany (2014, 2016) unterstützen diese Annahme zusätzlich. 23% bis 36% der Befragten achteten demnach beim Lebensmitteleinkauf auf Label und orientierten sich an ihnen (vgl. SGS Germany 2014: 17). In einer neueren Studie wird sogar davon ausgegangen, dass ganze 67% der Befragten beim Lebensmitteleinkauf auf Prüfsiegel achten (vgl. SGS Germany 2016: 19 f.). Dies ist ein vergleichsweise großer Anstieg innerhalb von zwei Jahren, der den identifizierten Trend der Studie von 2016 bestätigt (vgl. dazu SGS Germany 2016). Laut dem Ernährungsreport des BMEL achteten grundsätzlich 64% der Befragten beim Lebensmitteleinkauf auf Siegel und Etiketten (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2017 a: 14 f.).10 Speziell auf Biosiegel achteten in einer aktuellen Befragung 50% der Befragten, auf Tierwohllabel immerhin 42 % (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2019: 16). Damit decken sich die jüngsten Ergebnisse der SGS im Wesentlichen mit denen des BMEL, wobei hier die Unterschiede in der Operationalisierung zu Fehlinterpretationen führen können. Dass nämlich auf Label und Siegel geachtet wird, soll nicht heißen, dass sie auch kaufentscheidend wirken, wenngleich sie zweifelsohne die Wahrnehmung von Produkten positiv beeinflussen. Laut BMEL orientieren sich zwar 64% bei der Informationssuche an Etiketten und Siegeln, jedoch sind die Warenzeichen für nur 35% der Befragten beim Einkauf für die Kaufentscheidung wichtig (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2017 a: 12 ff.). In einer neueren Studie im Auftrag des BMEL sind es 54% und 41% der Befragten (vgl. forsa Politik- und Sozialforschung GmbH 13.11.2017: 14, 16). Dies legt den Schluss nahe, dass es sich bei Etiketten und Siegeln zwar um ein geschätztes Informationsangebot handelt, welches jedoch nicht im eigentlichen Sinne kaufentscheidend ist, also keine 10 Mittlerweile existieren neuere Versionen des Ernährungsreports. Aufgrund der Erhebungsjahre der Studien der SGS Germany, wird hier aus Gründen der Konsistenz jedoch der Ernährungsreport 2017 herangezogen.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Bindungskräfte wie eine Marke entwickelt. Demzufolge müsste das Angebot der Label dort am ehesten genutzt werden, wo es am meisten Informationsbedarf gibt. Tatsächlich lässt sich diese Annahme auch so bestätigen. Innerhalb der Lebensmittelgruppen unterscheidet sich die Intensität der Beachtung von Verpackung und Label zum Teil zutiefst, was auch mit dem Vertrauen und der empfundenen Sicherheit der Warengruppen zu tun hat, wie im Laufe der Arbeit weiter ausgeführt wird. So achteten 64% der Befragten bei abgepacktem Fleisch oder abgepackter Wurst auf die Verpackungsangaben (vgl. SGS Germany 2014: 29). Während 77% vor dem Lebensmittelregal Unsicherheit und Zweifel erleben, sind vor allem Fleisch und Wurstkauf eine Vertrauensangelegenheit (vgl. SGS Germany 2014: 5, 7, 13, 15). Hier sei jedoch noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Label lediglich einen Teil der gesamten Verpackung ausmachen, die für sich genommen bereits viele relevante Informationen bereithält. Allerdings deuten die Studienergebnisse von Magnier, Schoormans und Mugge (2016: 139) darauf hin, dass der Haupteffekt der sozialen Konstruktion des Produktes über Label geschieht und die Produktverpackung dem Effekt der Label nichts positives mehr hinzufügt.11 Eine gewisse Orientierungsfunktion der Label ist demnach anzunehmen, wenngleich die Art des Willens dahinter hier noch unklar bleibt. Die Orientierung an den Labeln ist jedoch nicht immer erfolgreich. 43% der Befragten ärgerten sich nämlich schon einmal über eine unklare Bedeutung von Labeln (vgl. SGS Germany 2014: 27). Hier zeichnet sich wieder die Diskrepanz zwischen objektivem und subjektivem Wissen ab, die offenbar mit dem Wunsch verbunden ist, beide Wissensarten in Einklang zu bringen. Leider ist angesichts der Operationalisierung der obenstehenden Frage vollkommen unklar, ob es sich bei diesem Ärger um ein singuläres Ereignis gehandelt hat. Ferner wäre es ja ohnehin fraglich, ob die Befragten selbstständig den Unterschied zwischen der objektiven Ausdeutung und ihrer subjektiven Interpretation eines Labels bewerten könnten, auch wenn sie über die daraus entstehenden Diskrepanzen informiert wären. Für die alltägliche Nutzung von Labeln ist diese Diskrepanz für die individuellen Akteure nicht zwingend von Bedeutung, da Rezeptwissen in der Durchführungspraxis des Einkaufs ausreichend ist (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 44). Insofern stellt sich generell die Frage inwiefern es überhaupt objektives Wissen geben kann, da menschliches Wissen als soziale Kategorie stets eine
11 Gleichwohl gilt die Produktverpackung mit rund 74% als wichtigste Informationsquelle beim Lebensmitteleinkauf (vgl. SGS Germany 2014: 28). Es ist anzunehmen, dass ein Label die Informationssuche vereinfacht und deshalb schneller Beachtung findet, wenn es auf der Produktverpackung aufgebracht ist. Die Annahme müsste jedoch empirisch belegt werden.
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subjektive und interpretierte Komponente beinhaltet (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 36 f., 54 ff., 70 f.). Bezieht man jedoch die ebenfalls stattfindende Wahrnehmungsverschiebung durch Label mit ein, wird eine Richtung deutlicher. So empfanden in anderen Studien die Proband*innen verschiedene Lebensmittel als nachhaltiger und gesünder, wenn auf ihnen ein Label aufgebracht war, ob die Personen das Label nun erfolgreich identifizieren konnten oder nicht (vgl. etwa Hartmann et al. 2018; dazu auch Magnier et al. 2016: 133, 139). Zudem verbesserte sich in vielen Fällen der wahrgenommene Geschmack der Lebensmittel zum Teil erheblich (vgl. etwa Sörqvist et al. 2016: 82; vgl. auch Ellison et al. 2016). Sollte diese Wahrnehmungsverschiebung nun durch eine kürwillige Prüfung entstanden sein, so wäre diese höchst willkürlich am einzigen Unterscheidungsmerkmal orientiert – dem Label. Tatsächlich wird daher von einem halo effect des Labels ausgegangen, der die Bewertung eines Lebensmittels verbessert (vgl. dazu Sörqvist et al. 2015; vgl. auch Sörqvist et al. 2016: 82; vgl. auch Lee et al. 2013). Ganz offenbar wird also das Label anhand des eigenen Wissensbestandes gedeutet und eine Erwartung im Sinne einer Typisierung zur Institution aufgebaut (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 33 f., 36, 58, 77 f.). Marken operieren, wie im vorigen Kapitel dargelegt, nahezu identisch. Beide Warenzeichen prägen die Erwartung der Konsument*innen bezüglich des Produktes. Im Falle der gelabelten Lebensmittel ist festzustellen, dass die gelabelten Produkte den Proband*innen in den meisten Fällen mehr gefielen als die ungelabelten, einfach nur, weil sie das Label trugen (vgl. Brécard 2014: 66). Bedacht und Gefallen gehen hier also Hand in Hand. Die Beispiele demonstrieren ebenfalls eindrucksvoll, wie Symbole die Wahrnehmung der umgebenden Welt formen können. Hierauf wird im vierten Kapitel zurückzukommen sein. In Rückgriff auf die Willensformen ist hier anzunehmen, dass es sich mit Labeln wie mit Marken verhält. Zunächst müssen Label kürwillig und bedächtig ausgedeutet werden, gefallen den Menschen dann aber schlussendlich wesenwillig vor dem Hintergrund eines vermeintlichen Gedächtnisses oder Wissens. Am Ende wird auch bei Labeln häufig auf Basis von Gefallen, Gewohnheit und Gedächtnis entschieden, was die Ursprungsproblematik der Komplexität in Entscheidungssituationen reduzieren kann. Ähnlich wie bei Marken ist die Problematik in der aktuellen Zeit für Konsument*innen auch dadurch besonders groß, dass der Produktionsprozess vieler Produkte unsichtbar ist. Das Label transportiert hier aber spezifische intrinsische Merkmale und schafft, wie die Marke, eine Erwartungshaltung und womöglich sogar Vertrauen. In jedem Fall reduziert das Label durch theoretisch leicht verständliche Informationen die zugrunde liegende Komplexität der intrinsischen Werte. Man könnte also angelehnt an Tönnies (1991) behaupten,
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dass erst der Kopf abwägt, bevor das Herz entscheidet. Die Studien suggerieren aber auch eine andere Interpretationsmöglichkeit. Bei Menschen mit hohem Umweltbewusstsein ist das Label ein direktes Orientierungsmerkmal beim Einkauf, welches sorgfältig geprüft wird (vgl. dazu etwa Grunert et al. 2014: 187). Zur Gruppe der sicherheitsbewussten Konsument*innen zählen in Deutschland etwa 40% der Bevölkerung (vgl. SGS Germany 2016: 10 f.). Für diese Gruppe besitzen die Prüfsiegel einen klaren Mehrwert (vgl. SGS Germany 2016: 11). Hier liegt eine andere Deutung nahe, als sie bislang diskutiert wurde. Dieser bewussten Gruppe gefallen zuerst die Label, weil das nachhaltige Ziel hinter ihnen als gut erachtet wird, woraufhin dann aber auch genau geprüft wird, ob die vermittelten Informationen auch zutreffend oder ausreichend sind. Damit würden in dieser Konstellation erst das Herz und dann der Kopf entscheiden. Man kann hier jedoch keineswegs davon ausgehen, dass es sich dabei um eine exklusive Umkehr der prozessualen Dichtezonen handelt, die nur auf Label zutrifft. Bewusste Konsument*innen wurden in der Markensoziologie bislang nach bestem Wissen des Verfassers nicht untersucht, wodurch völlig unklar ist, inwieweit diese Gruppe auch Marken kürwillig prüft. Hinzu kommt die Relativierung durch Vertreter des gestalttheoretischen Ansatzes, dass eine Marke idealerweise Kürwillen in Wesenwillen umwandelt (vgl. Deichsel et al. 2017: 70). Es handelt sich damit also bei der Richtung der Willenswirkung nicht um eine allumfassende und generalisierbare Wirkungsaussage. Viel eher sind mehrere Entwicklungsprozesse und Richtungen denkbar, jedoch wurde im gestalttheoretischen Ansatz bislang nur spezifisch die Entwicklung von Kürwillen zu Wesenwillen untersucht. Wieder auf das fiktive Beispiel der Lebensmittelmarke „Unser Naturhof “ bezogen wird hier deutlich, dass die Organisation durch ihre Markierung zweierlei realisiert: einerseits zeigt sie die gemeinsamen Werte und Standards ihrer Produktionsgemeinschaft auf, andererseits bietet sie damit rational und kürwillig prüfbare Standards an, die bewusste Konsument*innen dann zur Entscheidungsfindung nutzen können. Insbesondere, da die Genoss*innen der Organisation die Produkte nach wie vor auch mit ihrem je eigenen Namen vertreiben, hat die Marke „Unser Naturhof “ gleichermaßen einen besiegelnden Charakter, der die Zugehörigkeit zu bestimmten Normen und Produktionsweisen bekräftigt. Da die Organisation höhere Produktionsstandards voraussetzt als etwa die EU für die Vergabe des EU-Biosiegels (vgl. Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007), wird den bewussten und kritischen Konsument*innen hier ein klares Entscheidungsinstrumentarium an die Hand gegeben. Durch die zusätzliche Aufbringung des EU-Biosiegels auf Produkten wird dies nur zusätzlich bekräftigt, wobei die Besiegelung für sich genommen jedoch keine Aussagen über die
3.1 Wesenwille und Kürwille
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Marke selbst trifft, sondern ausschließlich über die einzelnen Produkte. Aus diesem Grunde entstehen auch nur kürwillige Entscheidungen für ein Produkt, jedoch keine konkrete Bindung zu einer Marke. Sofern die Label demgegenüber jedoch einfach nur wesenwillig gefallen, erreicht „Unser Naturhof “ durch diese doppelte Besiegelung auch eine hohe Attraktivität bei denjenigen, deren Umweltwissen nur gering ausfällt und die das normative Ziel der „Nachhaltigkeit“ inhaltlich teilen. Denn durch die Markierung als Teil der Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft „Unser Naturhof “ einerseits und die Einhaltung der strikten Vorgaben der EG-Öko-Verordnung andererseits, wird im doppelten Sinne der Resonanzraum der Nachhaltigkeit geöffnet, der wesentliche Beiträge zur sozialen Konstruktion positiver Vorurteile über „Unser Naturhof “ eröffnet und somit kürwillig und wesenwillig zum Erfolg der Marke beiträgt. Kürwillige und wesenwillige Aspekte erzeugen demnach folglich in beiden Normaltypen soziale Anschlussfähigkeit, die nur durch das Zusammenspiel von Marke und Label realisiert werden können. Was lässt sich folglich nun abschließend für Label und Willensarten feststellen. Hier ist zu verzeichnen, dass die beiden verwandten Warenzeichen der Marken und Label einen sozialen Willen enthalten, der in aller Regel zunächst kürwillig geprägt ist, dann jedoch zunehmend wesenwilliger wird. Insofern handelt es sich bei Labeln nicht in erster Linie um eine kürwillige Verbindung, sondern ebenfalls um eine primär wesenwillige Ausformung. Demzufolge ist zwischen beiden Warenzeichen erst einmal kein Unterschied feststellbar, wenn man nur die Willensarten nach Tönnies (1991) betrachtet. Es wurde jedoch deutlich aufgezeigt, dass die Deutung der Label maßgeblich bestimmt, wie ein Produkt wahrgenommen wird. Dies ist eine auffällige Verbindung zum Thomas Theorem, da hier Menschen offenbar die Konsequenzen einer als real definierten, allerdings vollkommen konstruierten, Verkostungssituation spürten. Dieser Umstand zeigt noch einmal die Relevanz des Vorhabens auf, eine auf Symbolen aufbauende Theorie der Warenzeichen zu entwickeln, die den Aspekt der sozialen Konstruktion durch Warenzeichen stärker berücksichtigt. Diese ist auch aufgrund eines anderen Umstands von großer Bedeutung. Denn alle Menschen in den Studien schienen ein subjektives Wissen über Warenzeichen zu besitzen, aber nur die bewussten Konsument*innen konnten dieses auch mit objektivem Wissen verbinden. Dies legt ebenfalls den Schluss nahe, dass sich die Interpretationen der Symbole unterscheiden, wobei noch zu klären wäre, warum und worin genau dieser Unterschied besteht. Bis jetzt ist anzunehmen, dass ein Warenzeichen erst dann im Sinne der gestalttheoretischen Markensoziologie wirkt, wenn es in der Lage ist, den Kürwillen einer Person zu reduzieren und durch Wesenwillen zu ersetzen. Die Dichtezonen der Marke illustrieren dies am Beispiel der Kundschaftsbildung (vgl. dazu etwa Deichsel 1999 b). Trotz der unterschiedlichen Befundlage ist dabei
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davon auszugehen, dass die Verknüpfung von objektivem Wissen und Kürwillen beide Warenzeichen gleichermaßen betrifft und keine Besonderheit von Labeln darstellt. Dieser spezifischen Frage wird in den folgenden Kapiteln noch genauer nachzugehen sein. Schlussendlich gibt es auf Basis bestehender Konzepte keine deutlichen Unterschiede zwischen den Willensarten in Labeln und Marken. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich spätestens bei der Assoziationsform der Willensformen, Gemeinschaft und Gesellschaft, starke Unterschiede zwischen den Warenzeichen attestieren lassen.
3.2
Gemeinschaft und Gesellschaft
Gemeinschaften und Gesellschaften begegnen uns täglich. Meist ist es uns jedoch nicht bewusst. So sprechen wir zwar von Ehegemeinschaften, Einkaufsgemeinschaften und Handelsgesellschaften, doch denken wir dabei in erster Linie nicht an die wissenschaftlichen Definitionen die der Soziologe Ferdinand Tönnies vor über hundert Jahren hierzu aufgestellt hat. Diese Unkenntnis macht dabei dann auch viele Formen der Gemeinschaft förmlich unsichtbar. So würden viele zustimmen, wenn sie eine freiwillige Feuerwehr als Gemeinschaft bezeichneten, ohne jedoch zu hinterfragen, ob nicht etwa die deutschen Briefmarkensammler oder Taubenzüchter des Landkreises eine ähnliche Art von Bündnis pflegen. Denn Gemeinschaft hängt nicht unbedingt nur an einer räumlichen Gebundenheit, wenngleich die meisten Gemeinschaften räumlich eng gebunden sind. Ebenso wenig bezeichnet Gesellschaft ein reines Makrophänomen gegenüber einer Mikroebene der Gemeinschaft. Viel eher handelt es sich bei Gemeinschaft und Gesellschaft um zwei geradezu dialektische Struktur- und Bündnisformen, die in ihren Bedingungen so ähnlich sind, wie sie verschiedenen verstanden werden können. Über das wissenschaftliche Verständnis dieser Begriffe, soll dieses Kapitel Auskunft geben. Im vorigen Kapitel wurden die Willensformen nach Tönnies dargestellt. Diese bilden die Grundlage eines individuellen Wollens, welches dann zu einem sozialen Wollen wird, sobald viele Personen den Willen teilen. Diese Personen gehen dann miteinander ein Bündnis ein. In ihrer Ausprägung als Bündnisform haben die beiden Willensformen nach Tönnies, der Kürwille und der Wesenwille, die Gesellschaft und die Gemeinschaft zur Folge. Diese beiden grundverschiedenen Bündnisformen sind dabei auch für die Markensoziologie von einer besonderen Bedeutung, wie zuvor dargelegt wurde. Vor allem die Gemeinschaft nimmt hier eine herausgehobene Stellung ein. So ist das Erreichen einer gemeinschaftlichen Verbindung von Konsument*innen zu einer Marke zum Teil sogar das Ziel
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
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markentechnischer Bemühungen. Bevor jedoch wieder der spezifische Blick auf die Markengemeinschaften (3.2.1) gelegt wird, um daran markensoziologische Aspekte für Label zu prüfen (3.2.2), sollen hier zunächst die allgemeinen Charakteristika von Gemeinschaft und Gesellschaft festgehalten werden. Nur so lässt sich auch später ein vermitteltes Verständnis von Gemeinschaft und Gesellschaft entwickeln, welches auch laut Tönnies (1991: XLII ff.) selbst zentral ist. Vorwegzustellen sei hier eine Bemerkung zur Verwendung von Gemeinschaft und Gesellschaft. Als sozialphilosophische Denkfiguren sind beide Begriffe und Ausprägungen strikt zu trennen, da sie keine empirische Sozialformen beschreiben (vgl. Opielka 2004: 31). Als Strukturkategorien liegen sie oberhalb der Organisationsformen Gemeinschaft und Gesellschaft, welche koexistent vorkommen und real verschränkt sind (vgl. Opielka 2004: 24, 31). Gemeinschaft und Gesellschaft besitzen dementsprechend eine empirische und eine sozialphilosophische Dimension, welche je verschiedene Kriterien besitzen. In den Organisationsformen wird ferner zwischen Verbindungen und Bündnissen unterschieden, wobei Bündnisse eher lose und Verbindungen eher feste Assoziationen von Menschen beschreiben, die auf mehreren Ebenen des Sozialen verortet werden können. Insofern leiten sich aus der Theorie auch zwei Perspektiven ab. Die eine Perspektive beschreibt eine sozialphilosophische Strukturidee und eine empirisch losgelöste holistische Systemperspektive. Sie wird vom gestalttheoretischen Ansatz überwiegend eingenommen und wird in dieser Arbeit zum Zwecke der begrifflichen Differenzierung als reine Gemeinschaft oder reine Gesellschaft beschrieben. Die gestalttheoretischen Vertreter differenzieren in ihrer Theorie die einzelnen Stufen von Gemeinschaft und Gesellschaft nicht, sondern schreiben manchmal von Gemeinschaft und manchmal von Bündnis, wodurch sich philosophische und empirische Aspekte miteinander vermischt haben. Wenn in dieser Arbeit von gemeinschaftlichen, beziehungsweise gesellschaftlichen Bündnissen oder Verbindungen, sowie allgemein von Gemeinschaft und Gesellschaft geschrieben wird, dann sind damit stets die empirisch koexistenten Organisationsformen bezeichnet, die eine spezifische Handlungsorientierung der Akteure kennzeichnen (vgl. dazu Opielka 2004: 21 f., 24, 31). Auf den Gedanken, dass Tönnies eigentlich eine Handlungstheorie entworfen hat (vgl. dazu Opielka 2004: 21 f., 24, 31), kann hier aus Platzmangel nicht im Detail eingegangen werden. Die handlungstheoretische Grundlage von Tönnies ist allerdings für eine mesosoziale Verortung der Markensoziologie relevant, die in Kapitel 4 weiterverfolgt wird. Zunächst soll aber die allgemeine Perspektive von Tönnies unter besonderer Berücksichtigung der gestalttheoretischen Lesart von Gemeinschaft und Gesellschaft aufgeschlüsselt werden.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Sozialphilosophisch sind diese Begriffe demnach zunächst zu trennen, sobald eine Theorie der reinen Gemeinschaft und eine Theorie der reinen Gesellschaft angenommen wird. Jede dieser beiden Formen bildet sich isoliert betrachtet nur dann aus, wenn viele übereinstimmende Willen einen sozialen Willen kumulieren, in dem entweder zentral der Wesenwille oder der Kürwille vorherrscht (vgl. dazu Gertenbach 2014: 133). Dies beruht auf der Annahme von Tönnies (1991: 105), dass sich die Assoziation der Ideen wie die Assoziation der Menschen verhält, wonach Gedankenverbindungen des Wesenwillen die Gemeinschaft und jene des Kürwillen die Gesellschaft zur Folge haben. Es handelt sich dabei jedoch immer um Normaltypen, die in ihrer Reinheit keine Entsprechung in der Realität besitzen (vgl. dazu Tönnies 1991: XLII ff.). In Anlehnung an das vorige Kapitel soll dabei noch herausgestellt werden, dass die spezifischen Formen des Wesen- und Kürwillen auch für gemeinschaftliche und gesellschaftliche Verbände charakteristisch sind und sich daher übertragen lassen (vgl. Tönnies 1991: 105). Auch für die Organisationsformen gilt daher, dass anteilig eher Wesenwille vorliegen muss, damit man eine Gemeinschaft annehmen kann. Sozialphilosophisch gewendet, darf ausschließlich Wesenwillen in der Assoziation vorkommen, um als reine Gemeinschaft zu gelten. Während sich mittlerweile die soziologische Debatte um die Begriffe von Tönnies längst weiterentwickelt hat (vgl. dazu Gertenbach 2014), ist innerhalb der gestalttheoretischen Markensoziologie noch die ursprüngliche Prägung nach Tönnies vorherrschend, weshalb hier im Folgenden explizit nur auf diese klassische Lesart eingegangen wird. Die erste hier vorgestellte Assoziationsform ist die der Gemeinschaft. Der Willensausdruck der Gemeinschaft wird von Tönnies als alt, vertraut, heimlich und ausschließlich beschrieben (vgl. Tönnies 2010: 267 f.). Es handelt sich bei dieser wesenwilligen Verbindung von Menschen um reales, organisches Leben, in welcher eine vollkommene Einheit der menschlichen Willen herrscht (vgl. Tönnies 2010: 267, 271). Die geschlossene Einheit der Menschen ist zunächst als eine Verbindung zu verstehen (vgl. Tönnies 1991: 168). Die Wurzel ihrer Einheit liegt dabei im Zusammenhang des vegetativen Lebens12 durch die Geburt begründet, also in der leiblichen Konstitution und der Abstammung eines Menschen (vgl. Tönnies 2010: 271). Man wird also bereits in eine Gemeinschaft hineingeboren, in welcher Menschen einen gemeinsamen Willen teilen. Das historische Zeitalter der Gemeinschaft war demnach durch Eintracht und eine gemeinsame Gesinnung
12 Hier sei spezifisch auf die Form des Wesenwillen hingewiesen, die Tönnies als Gefallen bezeichnet.
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
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geprägt, so dass als eigentliches Subjekt dieser Zeit das Volk angesehen werden kann (vgl. Tönnies 2010: 274).13 Insofern unterscheidet Tönnies auch drei Arten der Gemeinschaft: die Gemeinschaft des Blutes (Verwandtschaft etc.), die Gemeinschaft des Ortes und die Gemeinschaft des Geistes (Freundschaft etc.), die je von Reziprozität, emotionaler Bindung, häufiger Interaktion, der Einheit des Differenten und der Abgrenzung nach außen geprägt sind (vgl. Wenzel 2016: 76). Die Gemeinschaft basiert also dem Wesenwillen entsprechend auf gefühlter Zusammengehörigkeit. Ausprägungen dieser Zeit der Gemeinschaft sind nach Tönnies (2010: 274 f.) das einträchtige Familienleben (Gesinnung, Volk), das gesittete Dorfleben (Gemeinwesen, Gemüt) und das religiöse städtische Leben (Religion, Kirche und Gewissen). Es handelt sich demnach um Formen des Zusammenlebens, in welchen Verwandtschaft, die Einheit des Ortes und die Einheit der Meinungen im Vordergrund stehen. In der gemeinschaftlichen Sphäre verortet Tönnies (2010: 275) überdies die Geisteshaltungen des Gefallens, des Verständnisses, der Normen, der Gewohnheiten, der Bräuche, der Zusammenarbeit, der Gedächtnisse, des Glaubens und des künstlerischen Willens. Das organische Zusammenleben der Menschen wird in der Gemeinschaft noch durch Überzeugungen bestimmt, ist nicht entfremdet und beruht auf dem inneren Antrieb, statt auf äußerer Fremdbestimmung (vgl. Korte 2017: 81 f.). Daher gilt Gemeinschaft als Inbegriff der Freundschaft und Vertrautheit, sowie als Instanz der Wärme und Geborgenheit (vgl. Gertenbach 2014: 131). Gleichermaßen wird Gemeinschaft in der Regel entweder als etwas Vergangenes angesehen oder als das Desiderat einer bevorstehenden Gemeinschaftsform im Sinne einer sozialen Ordnung (vgl. dazu Gertenbach 2014: 131). Dem gegenüber steht die Gesellschaft, die eine kürwillige Bündnisform darstellt. Insofern ist die Gesellschaft ein auf rationalem Kalkül basierendes Zusammenleben von Menschen. Gesellschaft wird von Tönnies (2010: 268) ihrem Charakter nach als eine vorübergehende, scheinbare Verbindung beschrieben und sie ist insofern als ein mechanisches Aggregat oder als ein rein mechanisches Artefakt zu betrachten. Gesellschaft wird demnach ideell und mechanisch gebildet und ihr Zeitalter ist geprägt durch den sozialen Willen als Konvention, Politik oder als öffentliche Meinung, was ihre Entsprechung in der Öffentlichkeit und der Welt begründet (vgl. Tönnies 2010: 267, 271). Freie Subjekte kommen in der Gesellschaft also über einen Kontrakt zu einem Zweck zusammen und 13 Der Volksbegriff von Tönnies und seine Gemeinschaft des Blutes (Verwandtschaft) führten zu einer Übernahme und reduzierten Lesart durch nationalistische Kräfte. Auch kommunistische und sozialistische Lesarten der Gemeinschaft existieren. Tönnies hat diese Vereinnahmung seiner Begriffe stets vehement abgelehnt.
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bilden zunächst ein loses Bündnis (vgl. Tönnies 1991: 168). Begründet ist die Gesellschaft dabei durch ein wesentlich getrenntes nebeneinander leben und eine negative Haltung zueinander, die für alles Handeln eine Gegenleistung erwartet (vgl. Tönnies 2010: 271). Menschen agieren hier also nutzenmaximierend und egoistisch. Als Ausprägungen bildet die Gesellschaft das großstädtische Leben als Konvention, Gesellschaft und Bestrebungen, das nationale Leben als Politik, Staat und Berechnung, sowie das kosmopolitische Leben als öffentliche Meinung, Bewusstheit und Gelehrten-Republik aus (vgl. Tönnies 2010: 275). Sie alle basieren maßgeblich auf vertraglichen oder anderweitigen juristischen Verhältnissen. Mit der Gesellschaft verbundene Geistesrichtungen sind laut Tönnies (2010: 276) demnach der Handel, Bedacht, Kontrakt, Industrie, Beschlüsse, Satzungen, Wissenschaft, Begriffe und öffentliche Meinungen. In all diesen Geistesrichtungen ist die Rationalität vorherrschend. Die Beziehungen der Menschen sind in der mechanischen Gesellschaft somit in erster Linie von äußeren Einflüssen bestimmt und auch das entfremdete Handeln der Menschen untereinander ist in erster Linie an Zwecken und Interessen ausgerichtet (vgl. Korte 2017: 82). Aus diesem Grunde wird Gesellschaft häufig als Gegenwartsbegriff genutzt, der mit Kälte und Sachlichkeit verbunden wird (vgl. Gertenbach 2014: 131). Eine Gegenüberstellung der vorherrschenden Formen in den jeweiligen Bündnis- und Willensarten, wurde von Deichsel (2004: 363) unternommen (Abbildung 3.3):
Abbildung 3.3 Gemeinschaft und Gesellschaft. (Quelle: Deichsel 2004: 363, eigene Darstellung)
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
101
Wenngleich offensichtlich ist, dass sich die reine Gemeinschaft und die reine Gesellschaft grundlegend unterscheiden, sieht Tönnies (2010: 268, 276) auch einen grundlegenden Wandel von alten Formen der Gemeinschaft hin zu neuen Formen der Gesellschaft vorliegen. Dieser Wandel kann dabei homolog zum Wandel der Willensarten verstanden werden (vgl. dazu Tönnies 1991: 73 f.). Die Gemeinschaft bleibe dabei jedoch trotz ihres Wandels immer ein Teil der sozialen Wirklichkeit und des sozialen Lebens, wodurch ihre Formen nur anteilsmäßig abnähmen und sich qualitativ erhielten (vgl. dazu Tönnies 2010: 276). Somit enthalten die Normaltypen von Tönnies gleichermaßen einen Modernisierungsbegriff, welcher den Übergang von einer traditionell-feudalen Gemeinschaftsordnung hin zu einer modernen bürgerlichen Gesellschaft beschreibt (vgl. dazu Korte 2017: 81). Insofern vollzieht sich in gemeinschaftlichen Verbindungen ein Wandel hin zu den losen Bündnissen (vgl. Tönnies 1991: 168). Diese nun entstandenen gemeinschaftlichen Bündnisse des Geistes, wie Kirchen, Gilden und Zünfte, orientieren sich aber weiterhin an der Familie als ihr Urbild und bleiben dadurch im Wesentlichen ein Teil der Gemeinschaft (vgl. Tönnies 1991: 170). Aus diesem sozialen Wandel der Gemeinschaft von der Verbindung zum Bündnis, lässt sich in Rückgriff auf die Historie der Markenzeichen (2.2) gut herleiten, weshalb die gestalttheoretische Markensoziologie das gemeinschaftliche Bündnis als ein normatives Ideal anstrebt. Markenzeichen entstammen ursprünglich gemeinschaftlichen Bündnissen, in welchen quasi-familiäre Strukturen und damit starke soziale Bindungen vorherrschen. Eine einseitige Richtung des sozialen Wandels gibt es jedoch bei Tönnies nicht. Innerhalb der gesellschaftlichen Assoziationen kann sich dieser Wandel daher anders vollziehen. Hier verdichten sich die modernen Formen immer weiter zu gemeinschaftsartigen Gebilden. So bilden die anfangs freien und durch einen Kontrakt verbundenen Personen schließlich große und künstliche, juristische Personen heraus, die nach Zwecken, Kräften und Mitteln geordnet sind (vgl. Tönnies 1991: 168, 171). Insofern entstehen aus den losen Bündnissen in der Gesellschaft heraus zunehmend die geschlossenen Verbindungen. In diesem Sinne handelt es sich bei Organisationen, also künstlichen Personen, bereits um gesellschaftliche Verbindungen, aber nicht mehr um ein Bündnis (vgl. dazu Tönnies 1991: 168, 171). Zusammengefasst bedeutet es, dass sich die Gemeinschaft von der Verbindung zu Bündnissen auflöst, sich die Gesellschaft aber von den Bündnissen zu den Verbindungen hin verdichtet (vgl. Tönnies 1991: 168). Der soziale Wandel besitzt also je nach Art des zugrunde liegenden Willens eine je andere Wirkungsrichtung. Gleichermaßen begründet diese Wirkungsrichtung jedoch auch die allmähliche Vermischung der reinen Assoziationen von Gemeinschaft und Gesellschaft in den gemeinschaftlichen Bündnissen und den gesellschaftlichen Verbindungen. Daher
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sind im empirischen Sinne die Formen der sozialen Assoziation immer nur vermischt und anteilig anzutreffen, wo sie sozialphilosophisch als reine Begriffe noch getrennt sind (vgl. dazu etwa Tönnies 1991: XLII ff., 168, 172; vgl. auch Errichiello 2019: 51). Die Bündnisformen drücken dabei jedoch einen weiteren sozialen Aspekt aus, der sich im Verhältnis von Einzelperson und einem Bündnis abspielt. Tönnies (1991: 34) betont etwa das bloße Nebeneinander innerhalb der Gesellschaft als Form des Zusammenlebens, wodurch sich ein gewisser Individualismus freier Personen begründet. Zusammen mit der vorherrschenden kürwilligen Handlungsform, liegt damit ein freies und prüfendes, bewusstes Individuum vor, welches in den Dichtezonen der Marke als Konsument*in eingeordnet werden kann (vgl. dazu Abschnitt 3.1.1). Innerhalb der Gemeinschaft sind dagegen die Dinge überindividuell geregelt, meist über den Eintritt qua Geburt und Tradition. Hier liegt dann der Wesenwille vor und auch die Einzelpersonen bewegen sich zwischen Kund*innen, Kenner*innen und Kundschaft hin und her. Auch hier wandelt sich die Rolle der Einzelnen mit der Zeit. Ein vergleichbarer Gedankengang lässt sich bei Domizlaff (1997) finden, welcher sich ebenfalls mit dem Verhältnis von Massen und dem Einzelnen beschäftigt hat. Zu diesem Gedankengang gehört auch der Ideenorganismus, der hier ausgeklammert wird und in Abschnitt 3.6 nähere Betrachtung erfährt. Dennoch ist bereits hier ein kleiner Exkurs zu der Übernahme des Gedankens durch Domizlaff angebracht. Vorwegzustellen ist, dass Domizlaff (1997: 289) in seiner Markentechnik zwischen der Individualpsyche und der Massenpsyche unterscheidet. Während Individuen dabei rational agieren und in gewissem Maße abwägen können, ist die Massenpsyche als denkfaul charakterisiert und hat gegenüber den Individuen kein grundlegendes Erinnerungsvermögen (vgl. Domizlaff 1997: 290 ff.). Wird ein Mensch schließlich Teil einer freiwilligen Masse, verliert er auch einen Teil seines Intellekts als einzelnes Individuum, wobei jeder Mensch gleichzeitig Mitglied mehrerer Massen sein kann (vgl. Domizlaff 1997: 293). Wo das Individuum noch kritisch prüft und sich mehr durch Inhalte beeinflussen lässt, begeistert sich die Masse eher für Formen, Farben und Theatralik (vgl. Domizlaff 1997: 290 ff.). Rückbezogen auf Tönnies (1991: 95) Willens- und Bündnisformen, findet man das Individuum demnach im Kürwillen, der Gesellschaft und den Konsument*innen vor, wohingegen die Masse im Wesenwillen, der Gemeinschaft und der Kundschaft vorliegt. Diese Reduktion der Kritikfähigkeit von Menschen ist gleichermaßen auch der Grund dafür, dass die gestalttheoretische Markensoziologie eine gemeinschaftliche Einbindung der Menschen in ein Markenbündnis anstrebt. Das lose Bündnis selbst fungiert dabei als Übergang von Gesellschaft
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
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zu Gemeinschaft und Gemeinschaft zu Gesellschaft. In ihm begegnen sich beide Willensarten vermittelt. Die Begriffe von Tönnies sind jedoch innerhalb der Gemeinschaftsforschung für sich genommen heute nicht mehr zeitgemäß, da sie nur auf wenige zeitgenössische Erscheinungen anwendbar sind (vgl. Wenzel 2016: 99, 141 f.). Zudem fokussiert Tönnies insbesondere zwischenmenschliche Beziehungen, wodurch es zu Verwechslungen mit anderen sozialen Bündnisformen kommen kann (vgl. Wenzel 2016: 104–111). Zu diesen Bündnisformen zählt etwa das Netzwerk, welches ebenfalls aus losen zwischenmenschlichen Beziehungen besteht. Das Netzwerk sollte dabei aber nicht mit einer Gemeinschaft verwechselt werden. Für den Unterschied eines Netzwerkes zu einer Gemeinschaft ist maßgeblich, dass eine Gemeinschaft zudem ein übersummenhaftes, emergentes Phänomen darstellt, wo ein Netzwerk lediglich die Verbindung atomistischer Individuen kennzeichnet (vgl. Wenzel 2016: 10, 72 ff., 79 f., 83 f., 98 ff., 120 f.). Zwar sind Beziehungen für eine Gemeinschaft notwendig, aber nicht für ihre Erklärung und Kennzeichnung ausreichend (vgl. Wenzel 2016: 160). Um eine Gemeinschaft als eine eigenständige soziale Form zu begreifen, sei es in diesem Sinne notwendig, die kollektive Identität nach Durkheim (1988: 128 f.) in das Konzept einzufügen (vgl. Wenzel 2016: 79 f., 100, 102). In diesem Sinne erweitert sie die Sicht von Tönnies, welcher noch die Beziehungen und Normaltypen in den Mittelpunkt stellte, um die kollektive Identität nach Durkheim (vgl. Wenzel 2016: 93, 98, 139, 151). Für Wenzel (2016: 139) ist daher: „Gemeinschaft […] eine Akteurskonstellation, ein Typ sozialer Ordnung, der sich zwingend und primär auf Basis kollektiver Identität konstituiert.“ Eine Gemeinschaft ist damit eine graduelle und dynamische Erscheinung, mit einem Zentrum-Peripherie Verhältnis und einer steigenden Verdichtung zum Kern der kollektiven Identität hin (vgl. Wenzel 2016: 118 f.). Wenzel (2016: 104) stellte die Unterschiede der Formen in Bezug auf Governance-Strukturen einmal exemplarisch zusammen (Abbildung 3.4): Deutlich wird aus der Grafik insbesondere, dass im gestalttheoretischen Ansatz, der sich maßgeblich auf Tönnies und somit auf Beziehungen stützt, im Falle gemeinschaftlicher Bündnisse insbesondere zeitgenössische soziale Assoziationen und Netzwerke behandelt werden, die sich zwar zur Gemeinschaft verdichten können – aber nicht müssen. Auf diesen Aspekt wird insbesondere im folgenden Kapitel noch näher einzugehen sein. Hier sei festgehalten, dass der organisationale Gemeinschaftsbegriff von Tönnies potentiell an soziale Assoziationen und Netzwerke anschlussfähig ist, da er die Beziehung zwischen Menschen thematisiert und auf ihnen aufbaut. Dies zeigt sich auch am Netzwerkgedanken des Vertrauens, der Verwendung des Begriffes soziale Assoziation und an der impliziten Asymmetrie der gestalttheoretischen Theorie. Im zeitgenössischen
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Abbildung 3.4 Governance-Idealtypen nach Wenzel (2016). (Quelle: Wenzel 2016: 104, eigene Darstellung)
104 Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
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Sinne müsste man jedoch für eine Gemeinschaft, in Abgrenzung zu Tönnies, zusätzlich eine kollektive Identität annehmen. An praktischen Beispielen lässt sich das Thema der Gemeinschaft und Gesellschaft im organisationalen Sinne von Tönnies treffend illustrieren. Eine Gemeinschaft lässt sich, auch im Sinne einer Kundschaft, sehr gut an der Genossenschaft „Unser Naturhof “ demonstrieren. Diese hat bereits Eigenschaften einer Markengemeinschaft, die im nächsten Unterkapitel diskutiert wird, was hier jedoch nicht davon abhalten soll, die Genossenschaft als Beispiel darzustellen. Man stelle sich einen nachhaltigkeitsorientierten Menschen vor, der aber noch nicht Teil einer bestimmten Produktionsgemeinschaft ist. Dieser Mensch kauft nun ein Produkt der Genossenschaft und wird damit zum Käufer. Der kürwillige Bedacht steht dem Wesenwilligen Gefallen gegenüber. Was einem gefällt, das wiederholt man gern und der Mensch wird aus Gewohnheit zum regelmäßigen Kunden der Genossenschaft. Nun möchte sich der Mensch aber auch über seine Lebensmittelproduzent*innen austauschen. Er findet andere Menschen, die ebenfalls nachhaltigkeitsbegeistert sind, in einem Unterstützer*innenclub der Genossenschaft und wird Mitglied, sozusagen ein Teil der Kundschaft. Hier wird sich dann über die Genossenschaft ausgetauscht und das gemeinsame Gedächtnis gepflegt, etwa in der Art: erinnerst du dich noch an das Hoffest im letzten Jahr? Das müssen wir wieder machen! Die Mitglieder der Fangemeinschaft erkennen sich gegenseitig indes an gemeinsamen Symbolen wie Anstecknadeln der Genossenschaft und nehmen auch bislang fremde Personen mit den Produkten ihrer Genossenschaft in die Gesprächsrunde in der Stammkneipe auf. Auch bei der Arbeit erlebt das neue Clubmitglied Gemeinschaft, denn seine Kollegin ist eine absolute Kennerin nachhaltiger Lebensmittel, auch wenn sie selbst keine Produzent*innen aktiv unterstützt. Mit ihr kann er sich in der Mittagspause immer über die Produkte seiner Genossenschaft austauschen. Wie in diesem Beispiel kann man sich eine Gemeinschaft vorstellen, wenngleich es auch unzählige andere Beispiele und Formen für sie gäbe. Ein Beispiel für eine organisationale Gesellschaft ist indes anders gelagert. Man erkennt es vortrefflich an der Kultur, die viele Firmen prägt. Firmenfeste und Teamworkshops verbessern das Arbeitsverhältnis zueinander, aber es bleibt im Kern ein vertraglich geregeltes und dadurch kürwilliges Arbeitsverhältnis. Hier herrscht das Kalkül vor und nicht in erster Linie die Geborgenheit einer Familie. Dies gilt vor allem für die deutsche Unternehmenskultur, wohingegen etwa in Japan ein gemeinschaftliches Verhältnis der Arbeitnehmer*innen zu ihrem Unternehmen, uchi no kaisha, angestrebt wird (vgl. dazu auch Lippert 2014; vgl. dazu auch Pohl 2014). Demgegenüber ist ein deutsches Arbeitsverhältnis vor allem durch rechtliche Regularien bestimmt, aller Bemühungen der Integration einer
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
gemeinschaftlichen corporate culture zum Trotz. Dadurch stehen, anders als in der Gemeinschaft, insbesondere die einzelnen Individuen im Vordergrund, die nebeneinander arbeiten und eigentlich nicht wirklich viel übereinander wissen. Auf unser Beispiel zurückbezogen, erlebt der Fan in seinem Leben beides: im Unterstützer*innenclub lebt er die Prinzipien der Gemeinschaft, in seiner Firma aber, ist er das bewusste Individuum und ein Teil einer Gesellschaft. Spricht er mit seiner Kollegin, so ist er beides zugleich. Das macht die Vermittlung von Gemeinschaft und Gesellschaft im realen sozialen Leben der Menschen aus.
3.2.1
Die Markengemeinschaft
Wie am Beispiel des Fanclubs geschildert, sind Markengemeinschaften überall. Wir sehen sie als Autoclubs, Fanclubs von Musikstars und auch als Cosplay-Gruppen auf den Conventions.14 Marken bestimmen unser wirtschaftliches Konsumleben und noch viel mehr über dieses hinaus. Insofern verwundert es nicht, dass Marken auch die gemeinschaftlichen Formen unseres Zusammenlebens prägen. Was hier als einfacher Rückschluss auftritt, ist in Wahrheit jedoch ungleich komplexer. Dies fällt direkt ins Auge, wenn man sich die Frage stellt, was nun eigentlich der Kern dieser spezifischen empirischen Gemeinschaften sei. Folgte man den begrifflichen Spuren von Tönnies, so wären Markengemeinschaften in erster Linie eine Assoziation der Menschen mit einer Marke, in welcher der Wesenwille überwiegend vorhanden ist. Die Art der Assoziation wäre dabei als fortschrittlich zu betrachten und beschriebe in diesem Sinne ein loses gemeinschaftliches Bündnis. Die vorherrschenden Formen des Wesenwillen, also was auch das Bündnis mit der Marke bei den Gestalttheoretikern kennzeichnet, sind demnach Gefallen, Gewohnheit und Gedächtnis. Die Menschen finden Gefallen an einer bestimmten Marke, nutzen sie wiederholt und erlangen so eine Nutzungsgewohnheit. Schließlich wird die Marke zu einem elementaren Teil des Gedächtnisses der Menschen, wodurch ihre Nutzung als richtig und gut angesehen wird. Die Marke ist nun aus innerem Antrieb heraus ein zentraler Bestandteil des Lebens der Menschen. Gleichzeitig reduziert das wesenwillige Bündnis auch den Kürwillen der Menschen, also auch Bedacht, Beschluss und Begriff, weshalb in einer Markengemeinschaft dann auch weniger bewusste Individuen vorzufinden wären, als in einer gesellschaftlichen Verbindung. Somit herrschten 14 Aus Costume und Play. Ursprünglich japanischer Verkleidungstrend mit zunehmender Etablierung in Europa. Ziel der Darstellung ist meist die möglichst detailgetreue Wiedergabe fiktiver Charaktere (vgl. dazu auch Martin 24.11.2018: japantimes.co.jp).
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
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in der Markengemeinschaft Freundschaft und Vertrautheit als primäre Formen des Zusammenlebens vor. Markengemeinschaften wären dadurch allerdings auch ein Inbegriff von etwas Vergangenem und zutiefst organisch gebunden. Dies alles wären Markengemeinschaften, wenn man allein Tönnies folgte. Wenngleich aber Tönnies die Grundlage für die gestalttheoretische Markensoziologie darstellt, wurden Markengemeinschaften doch als Forschungsgegenstand bereits sehr viel weiter ausdifferenziert und haben sich mittlerweile weitgehend von Tönnies emanzipiert. Es lohnt sich also, einen vertiefenden Blick auf die markensoziologische Forschung zum Thema der brand communities zu werfen. Tatsächlich charakterisieren die Hauptvertreter des gestalttheoretischen Ansatzes die Markengemeinschaft zunächst einmal als ein Bündnis, wie es soeben beschrieben wurde (vgl. Deichsel et al. 2017: 51 ff.). Weiter fassen es Muniz und O’Guinn (2004: 307), wenn sie schreiben: „Eine Markengemeinschaft ist eine spezialisierte, geografisch nicht gebundene Gemeinschaft, die auf einer Reihe von sozialen Beziehungen zwischen den Verwendern einer Marke basiert.“
Anders als es noch Tönnies in den meisten seiner Beispiele angenommen hat, ist eine Markengemeinschaft damit in erster Linie geographisch ungebunden. Hinzufügen sollte man dieser Aussage dabei auch die Relativierung, dass Tönnies (1991) selbst nicht nur von einer unmittelbaren geographischen Bindung ausgeht, aber dafür seine Beispiele des Dorflebens, Stadtlebens und Familienlebens als Gemeinschaften des Ortes und des Blutes immer einen impliziten Raumbezug aufweisen. Dass die Markengemeinschaft eine spezialisierte Gemeinschaft von Verwender*innen der Marke darstellt, verwundert indes nicht. Schließlich ist die Verwendung der Marke die bindende Idee hinter der Markengemeinschaft. Interessant ist jedoch, dass Muniz und O’Guinn (2004) hier in erster Linie von sozialen Beziehungen zwischen Verwender*innen ausgehen, wo doch der gestalttheoretische Ansatz auch von einer Dingverbundenheit spricht (vgl. Deichsel et al. 2017: 59). Dies bedarf genauerer Analyse. Für Vertreter des gestalttheoretischen Ansatzes stellt die reine soziale Existenz als Marke für sich genommen bereits ein Bündnis dar. So heißt es: „Das Wertschöpfungssystem Marke ist ein willentliches Bündnis zwischen Menschen, die sich durch Leistungen das Leben erleichtern, sich fördern und positiv aufeinander beziehen wollen.“ (Deichsel et al. 2017: 53). Das Bündnis ist dabei gerichtet und bejahend (vgl. Deichsel et al. 2017: 53), ganz im Sinne von Tönnies (1991: 3). Gekennzeichnet wird die Markengemeinschaft durch Ungleichheit, Markengestalt, Einmaligkeit, Totalität, Vertrauen und eine historisch-biographische
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Markenkonstellation (vgl. Otte 2015: 29). Gemeinschaft wird dabei als ganzheitlich begriffen und als das energetischste Reservoir des Sozialen bezeichnet (vgl. Deichsel et al. 2017: 71 f.). Hier gilt, je stärker die Marke ist, desto stärker sind auch die wesenwilligen Verbindungen zu ihr (vgl. Deichsel et al. 2017: 72). Die Mitglieder der Gemeinschaft bilden in dieser Lesart eine unaufhebbare Willenseinheit, die durch eine einmalige Sitte miteinander verbunden ist (vgl. Deichsel et al. 2017: 72). Die Sitte, welche durch Gewohnheiten geprägt und in sich selbst begründet ist, ist als sozialer Wille eine fundamentale Art das Kollektive zu ordnen (vgl. Deichsel et al. 2017: 75 f.). In Gemeinschaften macht die Sitte Menschen zu ihrem Objekt und wird in täglicher Sprache gelebt und bestätigt (vgl. Deichsel et al. 2017: 75 f.). Gewohnheiten konstituieren dabei stabile soziale Bindungen und erlauben so den Aufbau von Vertrauen in eine Leistung, welches sich schließlich zum Vorurteil verfestigen kann (vgl. Deichsel et al. 2017: 76, 78, 80).15 Markengemeinschaften erlauben somit stabile Bindungen über Gewohnheiten und die Integration in das tägliche Leben via etablierter Sitten. Über den daran anknüpfenden Aufbau von Vertrauen werden schließlich Vorurteile gebildet und verfestigt, die, wie schon häufig erwähnt wurde, vom bewussten Individuum verabscheut werden (vgl. dazu Tönnies 1991: 95). Kurz gesagt, gehen die gestalttheoretischen Markensoziologen von einer Markengemeinschaft aus, die sich stark am originalen Konzept von Tönnies orientiert und dabei ein rein wesenwilliges Bündnis von Menschen darstellt. Im Kern stehen dabei gemeinsame Vorurteile, Sitten und Gewohnheiten. Entsprechend wenig verwunderlich ist die Verknüpfung des Gemeinschaftsgedankens mit den Dichtezonen der Marke, also mit dem Prozessmodell der Entwicklung von der Konsument*in zur Kundschaft. Ohne näher auf den Aspekt der Aggregatszustände von Meinungen einzugehen (3.7), gibt es auch einige explizite Verknüpfungen der Kundschaft mit dem Begriff der Gemeinschaft. Hier bildet die Markenleistung den Kristallisationspunkt eines Geflechtes von Menschen (vgl. Deichsel et al. 2017: 91; vgl. auch Zschiesche/ Errichiello 2008: 357). Als Kristallisationspunkt bewirkt die Markenleistung ein Zusammenwirken der individuellen Wesenwillen zu einem sozialen Wesenwillen, welcher als soziale Assoziation auch den willentlichen Inhalt der Gemeinschaft bildet (vgl. Deichsel 1999 b: 335). Schrittweise entwickelt sich über den wiederholten Genuss der Markenleistung der Gefallen an ihr zur Gewohnheit weiter und bildet sich schließlich zum Gedächtnis in vielen Menschen aus, die dann als Kund*innen der Marke anzusehen sind (vgl. Abbildung 3.2). Otte (2015: 26 ff.) betont dabei, 15 Hierbei ist der Übergang zur öffentlichen Meinung relevant, die in Abschnitt 3.7 nähere Betrachtung erfährt.
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dass zunächst rational erworbene Produkte bei vielfacher Benutzung zunehmend gemeinschaftliche Bindungen erzeugen. Eine besonders verdichtete Form der Kund*innen ist dabei die so genannte Kundschaft. In der Kundschaft herrscht völlige Einigkeit über die positive Wertung der Markenleistung, so dass sich das entstandene positive Vorurteil durchgesetzt hat (vgl. Deichsel 1999 b: 337). Als ein stabiler sozialer Zusammenhang ist die Kundschaft durch Brauch und Sitte geprägt, welche sich durch soziale Verpflichtung und ein öffentliches Vertrauen in die Marke kennzeichnen (vgl. Deichsel 1999 b: 337). Der wohl wichtigste Aspekt, vor allem hinsichtlich der öffentlichen Meinung (3.7), ist die Multiplikator*innenfunktion der Kundschaft. Diese kommuniziert die inneren, empfundenen positiven Vorurteile nach außen und vererbt die nicht personengebundenen Ideen um eine Marke weiter (vgl. Deichsel 1999 b: 338). Auch die Kenner*innen sind der gemeinschaftlichen Verbindung im weiteren Sinne zuzurechnen, da sie ebenfalls eine positive Bindung zur Markenleistung besitzen (vgl. dazu Deichsel 1999 b: 338). Für eine Marke ist der Aufbau einer Markengemeinschaft im Sinne einer Kundschaft dabei für das soziale Fortbestehen fundamental, wie die Genfer Markendefinition zeigt, die das Vorhandensein einer stabilen Kundschaft sogar an den Beginn einer Marke setzt (vgl. Schmidt 2004: 249). In diesem Sinne ist eine Markengemeinschaft auch ein zentrales soziales Charakteristikum von Marken. Der Aufbau einer Markengemeinschaft gehört demnach auch zu den normativen Zielen des gestalttheoretischen Ansatzes. In der gestalttheoretischen Auslegung sind Markengemeinschaften folglich stabile Bündnisse16 um den Kristallisationspunkt einer Markenleistung. Durch Wiederholung des Markenkonsums ergibt sich eine Gewohnheit, die als Grundlage der Sitten und Bräuche von Markengemeinschaften dient. In Form von Kundschaft werden letztlich nicht nur Vorurteile über die Marke konserviert, sondern gleichzeitig die soziale Grundlage für Marken geschaffen. Hierüber rechtfertigt sich auch die eingangs im Kapitel erwähnte Dingverbundenheit der Menschen mit einer Marke (vgl. Deichsel et al. 2017: 59). Insofern ist es sicher anzunehmen, dass es sich bei der Kundschaft um einen erweiterten und spezialisierten Begriff einer Markengemeinschaft im Sinne von Tönnies handelt. Die Markengemeinschaft als solche ist bei gestalttheoretischen Lesarten jedoch noch größer angelegt, da sie gleichermaßen zusätzlich Kund*innen und Kenner*innen einbeziehen dürfte, welche ebenfalls wesenwillige Bindungen zur Marke aufweisen. Eine Bindung liegt in Anwendung von Tönnies (1991) jedoch erst 16 Tönnies (1991: 168) selbst beschreibt auch wesenwillige Bündnisse als lose und offen, daher ist es insofern fraglich, ob die gestalttheoretischen Vertreter nicht eher geschlossene Verbindungen meinen.
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dann vor, wenn diese Personen sich auch mit anderen Interessent*innen austauschen und darüber ein sozialer Wesenwille entsteht. In dieser Hinsicht liegt der gestalttheoretische Ansatz nahe bei Tönnies. Gleichermaßen berücksichtig die gestalttheoretische Lesart aufgrund der Betrachtung einer reinen Gemeinschaft keine kürwilligen Aspekte in Markengemeinschaften. Diese sind jedoch zweifelsohne vorhanden, wie im Laufe des Kapitels noch dargelegt wird. Die gestalttheoretische Markengemeinschaft hat darüber hinaus ein gewisses Modernisierungsproblem, welches deutlicher ersichtlich wird, sobald man modernere Ansätze heranzieht, die sich explizit mit den Markengemeinschaften befassen. Zu diesen Ansätzen zählt der originäre Beitrag über Markengemeinschaften von Muniz und O’Guinn (2004). Diese wählen einen ähnlichen Einstiegspunkt bei ihrer Beschreibung der Markengemeinschaften. Der Kerngedanke ist dabei ebenfalls die besondere Wertzuweisung eines bestimmten Konsums (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 308). Gleichermaßen schränken die Autoren die Bedeutung des Konsums jedoch ein, da im Rahmen dieses Konsums die zwischenmenschlichen Bindungen in Markengemeinschaften den zentralen Stellenwert für die Mitglieder einnehmen (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 309). Somit weisen Markengemeinschaften die drei definierenden Elemente von Gemeinschaften auf, welche die Autoren mit Zugehörigkeitsgefühl, Ritual oder Tradition und Verantwortungsbewusstsein angeben (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 309). Im Mittelpunkt der Markengemeinschaften stehen hier also eindeutig die sozialen Verbindungen über den Markenkonsum, welcher aber für sich allein genommen nur den gemeinsamen Rahmen der sozialen Beziehungen vorgibt. Dies drückt sich dann auch in der Legitimation der Mitglieder aus: denn die Mitglieder legitimieren sich maßgeblich über die, wenn man so will, sittenhafte Kenntnis und Verwendung der Marke, wohingegen auf der anderen Seite eine falsche Verwendung und falsche Gründe für die Nutzung der Marke im Widerspruch zur Gemeinschaft stehen (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 309 ff.; vgl. auch Deichsel et al. 2017: 202 f.). Obwohl die Markengemeinschaften potentiell also für alle Menschen offen sind und ein wirGefühl besitzen, verfügen sie dennoch auch über Statushierarchien, die sich durch die Wertschätzung der Kultur, Geschichte, Traditionen, Rituale und Symbole der Marke konstituieren (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 309, 311). Die Mobilität innerhalb der Hierarchien wird entsprechend durch den richtigen Konsum eröffnet. So findet etwa der Wechsel eines Mitglieds von der Peripherie zum Status eines Insiders einerseits durch die zunehmende Erfahrung mit dem spezifischen Konsum der Marke statt, andererseits erhöht sich durch den Wechsel gleichzeitig auch die potentielle Konsumerfahrung des jeweiligen Mitglieds (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 315). Der Aufstieg eines Mitglieds in den inneren Zirkel der Gemeinschaft ist mit dessen Erfahrung folglich wechselseitig verschränkt.
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Die Rituale und Traditionen der Markengemeinschaft reproduzieren die Bedeutung in ihr und die Deutung über sie, was zu einer gemeinschaftsstärkenden Opposition und Ablehnung anderer Marken und Gemeinschaften führen kann (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 312 f.). Gleichermaßen erhalten und reproduzieren die Gemeinschaften auch die Markenkultur, indem sie sich mit der spezifischen Geschichte der Marke auseinandersetzen (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 314). Dies findet beispielsweise in Form von Erlebnissen mit der spezifischen Marke statt, die sich anschließend von den Mitgliedern gegenseitig erzählt werden und so zu einer bedeutungsvollen Kohärenz der Mitglieder führen (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 315). Die Markengeschichten machen sich dann in aller Regel die Werbetexte und Werbesymbole der Marken zu eigen, was schließlich zu dem Verständnis führt, Marken seien eigentlich das gemeinschaftliche Eigentum der Markengemeinschaft (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 316 ff.). Vor allem die gemeinsame und als richtig geltende Interpretation der empfundenen Markenwerte wird dabei von den Mitgliedern in ihrer Marke bewahrt (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 317). Somit stehen Marken in Markengemeinschaften gleichermaßen für bestimmte gemeinschaftliche Werteordnungen, die durch die Markengemeinschaft reproduziert, gefördert und bewahrt werden. Dies kann auch zu Problemen führen, sobald die Unternehmen hinter den Marken Änderungen an jenen vornehmen, die nicht mit den empfundenen Werten der Markengemeinschaften übereinstimmen (vgl. dazu etwa Muniz/ O’Guinn 2004: 311 ff., 317 f.). Die Folge sind dann oft Vertrauensverlust und das Gefühl der Markengemeinschaften, es handle sich nicht mehr um dieselbe, nicht mehr um ihre Marke (vgl. dazu Muniz/ O’Guinn 2004: 317 f.). Begründet ist diese Einstellung in der gemeinsamen sozialen Verantwortung in Markengemeinschaften, die dem Individuum und der Gruppe gegenüber gleichermaßen gelten und welche die Marke zum gemeinsamen Bezugsrahmen sozialer Beziehungen macht (vgl. dazu Muniz/ O’Guinn 2004: 318). Wird mit den überlieferten Traditionen der Markengemeinschaft gebrochen, ist es demnach die Aufgabe der Mitglieder, diesen Bruch zu sanktionieren – jenseits juristischer Zuständigkeiten. Explizit gegenüber den Mitgliedern übernimmt die Gemeinschaft daher auch die Aufgabe der Integration und Bindung von Mitgliedern, sowie der Unterstützung von Personen hinsichtlich der angemessenen Verwendung der Marke (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 318). Der Umstand, dass Markengemeinschaften geographisch ungebunden sind, bedeutet in diesem Fall, dass eine Markengemeinschaft keinen spezifischen Ort für ihre Konstitution benötigt (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 310). Ein Apple User in Kanada kann über das Internet einem Apple User in Japan helfen, ohne dass diese sich persönlich begegnet sind. Beide sind dennoch Mitglieder der Markengemeinschaft Apple (vgl. dazu auch Muniz/ O’Guinn 2004).
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Dies heißt natürlich nicht, dass es nicht auch physische Treffen geben kann, wie etwa Autoclubs es regelmäßig demonstrieren (vgl. dazu etwa Muniz/ O’Guinn 2004: 310). Das gegenseitige Hilfeleisten von Autofahrer*innen bestimmter Marken ist darüber hinaus ein Beleg für das verbindende Element der Marke, wenn sich auch die Autofahrer*innen persönlich gar nicht kennen (vgl. dazu Muniz/ O’Guinn 2004: 319 ff.). Muniz und O’Guinn (2004: 321) schlussfolgern daraus, dass Markengemeinschaften in erster Linie eine Form der menschlichen Beziehungen darstellen, die sich aber innerhalb eines Konsumzusammenhangs bewegen. Als soziale Kollektive wirtschaftlicher Art, welche die Marke in ihren Mittelpunkt stellen, sind Markengemeinschaften somit als eine besondere Art der Verbraucherorganisation anzusehen (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 321). Laut Muniz und O’Guinn (2004) stehen also die sozialen Bindungen der Mitglieder zueinander im Vordergrund der Markengemeinschaften. Diese Aussage ist dabei nah an der Grundaussage von Tönnies, welcher ebenfalls zwischenmenschliche Beziehungen fokussiert. Die Gemeinschaften bilden dabei ein Austausch- und Reproduktionsforum von Sitten und Bräuchen, welches durchaus den Charakter einer Verbraucherorganisation annehmen kann. Kernpunkt der sozialen Bindung ist dabei eine spezifische Konsumerfahrung mit einer Marke, die auch ein Gegenstand der sozialen Interaktionen von Gemeinschaftsmitgliedern untereinander ist. Dies führt gleichermaßen jedoch auch zur Vereinnahmung der Marke und der in sie interpretierten Werte durch die Markengemeinschaft, die sich daraufhin herausnimmt, bestimmte Veränderungen von oder Umgangsweisen mit der Marke als richtig oder falsch zu bewerten. Somit stellt der richtige Umgang mit der Marke die Legitimationsgrundlage und auch die Einstiegshürde für Markengemeinschaften dar. Diese Ansicht ist ebenfalls vergleichbar mit der Schilderung über Bräuche und Sitten nach Tönnies (1991: 186 f.). Beiden hier vorgestellten Lesarten von Markengemeinschaften sind also die besondere Hervorhebung von Marken als Mittelpunkt der Gemeinschaften und die zugrunde liegende bejahende Bindung gemein. Gleichsam unterschiedlich verhält es sich mit der Art der Bindungen, die einerseits ein primäres Bündnis mit der Marke, andererseits eine primäre Bindung der Mitglieder untereinander annehmen. Unstrittig ist der Umstand, dass sowohl das Bündnis mit der Marke, als auch die Bindung der Mitglieder miteinander, konstituierend für Markengemeinschaften sind. Insofern handelt es sich hier lediglich um eine Frage der Gewichtung beider Kernaspekte. Die Marke und die damit verbundene Konsumerfahrung stellt in beiden Fällen den sozialen Bezugsrahmen dar. Ebenfalls beschreiben beide Definitionen die zentrale Rolle, die Markengemeinschaften bei der Aufrechterhaltung, Vererbung und Reproduktion von Sitten und Bräuche der Marken
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spielen. Dies führt allerdings auch zur Vereinnahmung der Marke durch die Markengemeinschaften als ihre Marke, was stützende oder konflikthafte Reaktionen auf Veränderung von Marke und Markengemeinschaft bedingen kann. In jedem Falle ist in Markengemeinschaften der wesenwillige Charakter des Gefallens, der Gewohnheit und des Gedächtnisses ein zentraler Aspekt, welcher in stabilen und vertrauensvollen Bindungen von Marke und Menschen mündet. Insofern findet sich in diesen Ansätzen Tönnies‘ Gedankengut als zentral wieder. Was hier von Muniz und O’Guinn (2004) geschildert wurde, lässt sich auch aus der Perspektive der Lebensstilforschung weitgehend bestätigen, die eine Vereinnahmung von Symbolen durch Gruppen schon einige Jahre früher untersucht hat (vgl. dazu Hölscher 1998). Hier werden die Markengemeinschaften viel allgemeiner als subkulturelle Gruppen aufgefasst, die in sich weitgehend homogen, untereinander aber weitgehend heterogen sind (vgl. Hölscher 1998: 16). Da sie soziale Identitäten und soziale Distinktionsmuster schaffen, sind sie hochgradig ungleichheitsrelevant (vgl. Hölscher 1998: 16, 52). Diese auf der Mesoebene angesiedelten subkulturellen Gruppen besitzen stets ein spezifisches Fachwissen, welches soziostrukturell und gruppenspezifisch verschieden interpretiert wird (vgl. Hölscher 1998: 43 f., 58, 60). Ferner geben Bezugsgruppen an Leitidealen innenorientiert jene Attributkonfigurationen vor, die dann privat und sozial als sinnstiftende Lebensführung gelten (vgl. Hölscher 1998: 157). Im Zentrum der subkulturellen Gruppen stehen dabei also stets spezifische Symbolkonfigurationen, die als sinnstiftende, bedeutungsvolle Elemente zur Selbst- und Fremdverortung von einzelnen Personen dienen (vgl. Hölscher 1998: 49 f., 52, 60). Ausdruck findet die Symbolkonfiguration auf der Mesoebene oft im Bedeutungs- und Bewertungsschema des Stils, der als Identifikationskriterium subkultureller Gruppen mit der Zeit gefestigt wird (vgl. Hölscher 1998: 64 f.). Bei diesen Identifikationskriterien handelt es sich dabei nicht selten um die von Werbetreibenden vermarkteten Markenartikel, die ebenfalls als teilvergesellschaftete Erfahrungen begriffen werden können (vgl. Hölscher 1998: 166 f.). Im Zentrum steht dabei das soziale Markenimage, welches häufig durch LifeStyle-Werbung gefestigt wird (vgl. Hölscher 1998: 193).17 Diese Ausführungen machen in Anlehnung an die vorige Zusammenfassung deutlich, dass das Konzept der gestalttheoretischen Markengemeinschaften auch für Perspektiven der Lebensstilforschung tragfähig ist. Aus Sicht der Lebensstilforschung sind Markengemeinschaften mit ihren distinktiven und identitätsbildenden Elementen um Imagesymbole als gegeben und sozial ungleichheitsrelevant anzusehen. Vor allem aber ergibt sich aus den Schilderungen von Hölscher (1998) eine Perspektive auf 17 Ausführlicher
wird dieser Gedanke in den Abschnitten 3.4 und 3.8 diskutiert.
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Marken als Imagesymbole der Mesoebene und insofern eine potentielle Erweiterung der Markengemeinschaften um den Symbolcharakter der Marken. Hierauf wird im vierten Kapitel noch weiter einzugehen sein. Die Idee der Markengemeinschaft ist in ihrer klassischen Prägung jedoch nicht unumstritten. Hellmann (2011, 2013) kritisiert den Ansatz der brand community und insbesondere die hier vorgestellte Konzeption von Muniz und O’Guinn (2004) scharf. Wenzel (2016: 112, 153) lehnt die Kritik von Hellmann (2011, 2013) dabei aber als nicht ausreichend empirisch validiert, undefiniert und wenig praktikabel ab. Der Verfasser der Arbeit bemängelt insbesondere die verkürzte Lesart von Tönnies durch Hellmann (2011, 2013) und schließt sich in diesem Sinne Wenzel (2016) an. Lediglich der Feststellung, Muniz und O’Guinn (2004) fehle es in ihrem Text an Definitionen und einer fundierten, kritischen Aufarbeitung des Forschungsstandes, ist hier zuzustimmen (vgl. dazu Hellmann 2011: 46, 55 ff.; vgl. auch Wenzel 2016: 112, 153). Diese Lücke wird durch Wenzel (2016) maßgeblich geschlossen. Insofern wird hier nun kurz auf die Erweiterung und empirische Prüfung der Markengemeinschaften durch Wenzel (2016) eingegangen, die dadurch eine moderne und soziologisch tragfähigere Konzeption der Markengemeinschaften entworfen hat. Diese definiert Markengemeinschaften als eine spezifische Gemeinschaft auf Basis kollektiver Identitäten und als ein emergentes Phänomen nach Durkheim (vgl. Wenzel 2016: 72 f., 120 f., 130, 139, 151). In ihrer empirischen Studie zu Automobil-Markengemeinschaften stellt Wenzel (2016: 151) ferner fest, dass „[…] eine Markengemeinschaft als eine auf eine bestimmte Marke spezialisierte Interessengemeinschaft zu verstehen“ ist. Als spezialisierte Fangemeinschaft ist ihr kollektiv geteiltes, wahrgenommenes Merkmal die kollektive Begeisterung für eine spezifische Marke (vgl. Wenzel 2016: 149). Obwohl es zweifelsfrei richtig ist, dass Markengemeinschaften sich um kollektive Identitäten herum gruppieren, wie es schon Hölscher (1998: 20, 157 f., 301) für Lebensstile formulierte, ist dieses Oberkapitel aufgrund seines gestalttheoretischen Bezugspunktes vor allem an den Erkenntnissen zu Tönnies interessiert. Die Erweiterung durch Durkheim muss hier in diesem Sinne zunächst, auch in ihrer Herleitung, zurückgestellt werden, während insbesondere die kollektive Identität in Kapitel 4 übernommen wird. In Bezug auf Tönnies kommt Wenzel (2016: 141 f.) zu dem Ergebnis, dass eine Markengemeinschaft, die sie als brand community benennt, gleichermaßen Kennzeichen von Gemeinschaft und Gesellschaft enthält. Dies ist aus empirischer Sicht wenig verwunderlich. Tatsächlich herrscht ein dynamisches Verhalten zwischen den Begriffen der Gemeinschaft und der Gesellschaft, die lediglich als Tendenzen verbundener Einheiten verstanden werden sollen (vgl. Krossa 2018: 16; vgl. auch Tönnies 1991: 91; vgl. auch Tönnies 2010: 276). Empirisch nennt Tönnies (1991: XLII) Organisationen mit diesen gemischten Charakteristika auch Samtschaften.
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Sozialphilosophisch sind beide Begriffe allerdings dialektisch zu trennen. Wie zuvor bereits beschrieben wurde, fokussiert der gestalttheoretische Ansatz insbesondere die reine Gemeinschaft und nicht die empirische Organisation der Gemeinschaft. Um also dem empirischen Charakter der Markengemeinschaft als Organisation in der Soziologie Rechnung zu tragen, ist der Kürwille in die Konzeption miteinzubeziehen und mit dem dominierenden Wesenwillen zu vermitteln. Dies hat weitreichende Folgen für die Definition der enthaltenden sozialen Strukturen in Markengemeinschaften, zu deren Beschreibung unterschiedliche modernere Ansätze formuliert wurden. Als Lösungsvorschlag für die Inkonsistenz der Definition von brand communities nach der ursprünglichen Konzeption von Muniz und O’Guinn (2004) empfiehlt Hellmann (2011: 60 ff.) stattdessen von brand networks zu sprechen. Diese Netzwerke seien als vorübergehende Vergemeinschaftungen18 zu verstehen, die von markentreuen Kund*innen durch Konsum entstünden (vgl. Hellmann 2011: 61 ff.). Die Idee eine Gemeinschaft als ein reines Netzwerk zu begreifen ist allerdings abzulehnen, weil ein Netzwerk eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung für Gemeinschaft darstellt (vgl. Wenzel 2016: 74, 83, 100, 107 f., 112, 153, 160). Kollektive treten immer übersummenhaft auf und zumindest die postmodernen Gemeinschaften konstituieren sich auf Basis kollektiver Identität, für die Beziehungen eine Ausgangsbedingung darstellen (vgl. Wenzel 2016: 10, 83, 100, 120 f., 139, 169). Insofern stellt Wenzel (2016: 160) zurecht fest, dass eine Gemeinschaft auch immer ein Netzwerk ist, aber dies andersherum nicht automatisch der Fall sein muss. Insbesondere auf die empirisch vorzufindenden Fälle trifft diese Aussage zu, da etwa eine Markengemeinschaft immer als Mischform von Gemeinschaft und Gesellschaft und insofern auch als Assoziation und Netzwerk begreiflich ist (vgl. Wenzel 2016: 104, 106–111, 141 f.). Die kollektive Identität der Gemeinschaft setzt jedoch voraus, dass die Mitglieder der Gemeinschaft untereinander starke Bindungen aufbauen (vgl. Wenzel 2016: 116, 120 f.). Die Idee der starken Bindungen ist dabei der Netzwerkanalyse nach Mark Granovetter (1973) entlehnt und stellt somit eine Ausgangsbedingung für eine in sich vermittelte Markengemeinschaft dar. Die Gedanken von Granovetter (1973) zur Netzwerkanalyse seien an dieser Stelle daher noch einmal kurz erläutert. Konzipiert ist die Netzwerkanalyse nach Granovetter (1973: 1360) darauf, die Mikro- und Makroebene miteinander 18 Vergemeinschaftung basiert auf subjektiv gefühlter traditionaler und affektueller Zusammengehörigkeit, wohingegen etwa Vergesellschaftung auf wert- oder zweckrationalen Interessen basiert (vgl. Weber/ Winckelmann 1976: 21 f.). Dass Weber implizit Tönnies übernommen hat (vgl. dazu Tönnies 1991: XLIV), übersieht Hellmann (2011, 2013) völlig. Hier stützt sich der Eindruck, dass Tönnies selbst kaum in die Kritik einfloss.
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zu verbinden. Insofern eignet sie sich auch dafür, Individuum und Gesellschaft miteinander zu harmonisieren. Ausgangspunkt der Analyse bildet dabei die Verbindung zwischen Individuen, welche eine unterschiedliche Stärke aufweist. Als Stärke einer Verbindung bezeichnet Granovetter (1973: 1361) die Kombination von Zeit, emotionaler Intensität und gegenseitig bestätigender Intimität, welche die reziproken Dienste der Verbindung kennzeichnen. Entsprechend dieser gestuften Kombination von Charakteristika, kann eine Verbindung stark (strong), schwach (weak) oder abwesend (absent) sein (vgl. Granovetter 1973: 1361). Menschen besitzen dabei eine Vielzahl schwacher Verbindungen und eine gewisse Anzahl starker Verbindungen, aus denen sich jeweils das individuelle Netzwerk eines Menschen bildet. Insoweit ist jeder Mensch auch Mitglied mehrerer Netzwerke zugleich. Die starken Verbindungen bilden dichte Netzwerke, die schwachen Verbindungen hingegen weniger dichte Netzwerke (vgl. Granovetter 1973: 1370). Granovetter (1973: 1364) diagnostiziert daher, dass schwache Verbindungen in der Lage sind, aufgrund ihrer geringeren Dichte als Brücken zwischen unterschiedlichen Netzwerken zu fungieren. Mit Hilfe dieser Brücken findet auch ein Austausch von Informationen und Ideen zwischen den verschiedenen, unterschiedlich situierten Netzwerken statt (vgl. Granovetter 1973: 1370 f.). Insofern ist eine Markengemeinschaft von Netzwerken durchzogen, die insbesondere aus starken Verbindungen bestehen, die zum Rand hin schwächer werden und so auch Brücken zu anderen Markengemeinschaften bilden können. Hier sei aber auch noch einmal betont, dass ein reines Netzwerk aufgrund seiner fehlenden kollektiven Identität nicht ausreicht, um eine Markengemeinschaft zu begründen. Die theoretische Konzeption des brand networks ist für sich allein betrachtet also wenig tragfähig. Die Überlegung zeigt sich als eine Grundlage von Gemeinschaften in vielen Beziehungen jedoch als hilfreich, da sie in der Lage ist, eine problematische Lücke der Markengemeinschaften zu füllen, die durch die Betrachtung reiner Gemeinschaft nach Tönnies entsteht. So beschreiben gestalttheoretische Vertreter zwar die netzwerkhaften Dichtezonen der Marke und eine Verdichtung der Personen um eine Marke herum, ohne diese jedoch konzeptionell weiter zu unterfüttern (vgl. Deichsel et al. 2017: 91; vgl. auch Zschiesche/ Errichiello 2008: 357). Hier eignet sich der Ansatz von Mark Granovetter (1973) ideal, um starke und schwache Verbindungen der unterschiedlich markentreuen Kund*innen anzunehmen, welche ja auch laut O’Guinn und Muniz (2004: 309) und Wenzel (2016: 116, 120 f.) konstitutiv für Markengemeinschaften sind. Auf diese Verbindung gestalttheoretischer Gedanken mit einem Netzwerkbegriff soll im Abschnitt 3.9 dieser Arbeit dafür noch einmal genauer eingegangen werden.
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
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Ob es sich hier nun bei Markengemeinschaften tatsächlich um begrifflich scharfe Gemeinschaften im Sinne Tönnies handelt, ist eine ganz andere Diskussion, da die traditionellen Gemeinschaftsbegriffe nur noch für sehr wenige Fälle zutreffend sind (vgl. Wenzel 2016: 99, 141 f.). Da es in den Markengemeinschaften aber zentral um die zwischenmenschlichen Bindungen geht, ist die Annahme eines netzwerkhaften Charakters der Gemeinschaften zutreffend, wenn auch nicht ausreichend (vgl. etwa Wenzel 2016: 160). Unklar bleibt in der Tat die empirische Grenze der Gemeinschaft, die von der gestalttheoretischen Theorierichtung sehr niedrig gelegt ist, wenn im Sinne von Tönnies von der schlichten Existenz eines Bündnisses ausgegangen wird (vgl. dazu etwa Deichsel et al. 2017: 52 f., 68, 71 f.). Übertragbar sind die Netzwerkimplikationen zum Teil jedoch auch auf den Gesamtaufbau des Markensystems, wie abschließend im Abschnitt 3.9.1 noch einmal dargelegt wird. Hier findet sich eine Deckungsgleichheit des Netzwerkes mit den Schilderungen von Verdichtung der Kundschaft nach gestalttheoretischen Prinzipien. Diese gilt insbesondere, da eine Gemeinschaft eine soziale Bündnisform ist, in welcher der Wesenwille überwiegt (vgl. dazu Tönnies 2010: 105, 267 f.). Lediglich der Absolutheitsanspruch von Gemeinschaften wurde hier bislang nicht diskutiert. Dieser ist als unzeitgemäß einzustufen und trifft heute auf nur wenige Formen des Sozialen zu (vgl. Wenzel 2016: 99, 141 f.) Das liegt auch daran, dass Gemeinschaften zwar stets einen gewissen Totalitätsanspruch besitzen, sie in der Tat empirisch jedoch nie alleinstehend vorkommen. Insofern dürften empirisch gesehen Mischformen mit relativem Alleingeltungsanspruch eher die Regel als die Ausnahme sein. Die Charakteristika von klassischen Gemeinschaften und Gesellschaften nach Tönnies haben Raabe und Wenzel (2009) der Markengemeinschaft exemplarisch gegenübergestellt, wobei Gemeinschaft und Gesellschaft hier im Sinne der sozialphilosophischen Strukturkategorien nach Tönnies zu verstehen sind (Abbildung 3.5). Was sind abschließend nun also Markengemeinschaften. Markengemeinschaften sind netzwerkartige soziale Bündnisse von Menschen, die sich um eine spezifische Konsumerfahrung mit spezifischen Marken herum gruppieren. In diesem Zuge bilden die Mitglieder eine kollektive Identität aus, die auf starken Bindungen der Mitglieder zueinander fußt. Die Marken selbst haben als konsumtive und distinktive Symbole des Lebensstils den Charakter spezifischer sinnstiftender Symbolkonfigurationen. Die empfundenen Werte und Traditionen des Markenimages geben dabei den Korridor vor, in welchem die sozialen Beziehungen gerahmt sind. Die Marke erfüllt hier gleichermaßen also die Funktion eines sozialen Katalysators für Austausch und Vertrauen, wobei es zentral auf eine aus Sicht der Gruppe angemessene Verwendung der Marke durch die Mitglieder ankommt. Die Verwendung der Marke bestimmt dabei zentral über den Status
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Abbildung 3.5 Merkmale von Gemeinschaft, Gesellschaft und Markengemeinschaften. (Quelle: Raabe/ Wenzel 2009, zitiert nach Wenzel 2016:142; eigene Darstellung)
der Mitglieder innerhalb der Markengemeinschaften oder über die Opposition zu anderen Markengemeinschaften. Allgemein lässt sich sagen, je sittenhafter und gewohnter die Konsumerfahrung mit der Marke ist, desto stärker ist die Bündnisfähigkeit des Mitglieds mit der Markengemeinschaft. Praktisch lassen sich Markengemeinschaften in fast allen Lebensbereichen finden. Besonders augenfällig sind die Markengemeinschaften um Automobile und um Technik herum, insbesondere aber im Fall von Unterhaltungselektronik. Markengemeinschaften besitzen dort einen relativen Alleinvertretungs- und Geltungsanspruch in den von ihnen besetzten Bereichen des sozialen Lebens.
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
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An einem anderen praktischen Beispiel lassen sich die Grundsätze und Prinzipien von Markengemeinschaften gut begreifen. Man stelle sich eine CosplayConvention vor. Cosplayer verkörpern durch Verkleiden dabei in erster Linie fiktive Charaktere, vor allem aus den Bereichen Manga, Anime und aus Videospielen.19 Hinter Cosplay steht immer eine spezifische Lebensphilosophie und die Verwendung besonderer Symbolkonfigurationen. Einige der Cosplayer sind dabei als Otaku20 anzusehen und verwenden beinahe ihre gesamte Freizeit auf das Entwerfen und Erstellen von Kostümen. Für unser Beispiel müssen die Cosplayer ein bestimmtes Anime- oder Manga-Universum als ihre Marke wählen. Hier gehen wir einmal davon aus, das Cosplay dreht sich um Naruto.21 Bei den großen Conventions ist dann ein interessantes Phänomen zu beobachten. Charaktere aus dem Naruto-Universum finden sich zusammen und es wird insbesondere darauf geachtet, wie gut die Cosplayer ihren gewählten Charakter stilistisch mit dem Kostüm und ihrem Schauspiel verkörpern. Sie ordnen sich also mit Hilfe von Symbolen (Kostüm) selbst zu und werden auch entsprechend fremdverortet. Hier findet also eine Würdigung der Menschen, die sich häufig vorher gänzlich unbekannt sind, auf Basis ihres angewandten Markensonderwissens statt. Das Wissen um die richtige Verkörperung der Charaktere muss sich nämlich zunächst durch den langwierigen Konsum von Manga und Anime des jeweiligen Universums angeeignet werden. Unterstützung und Rücksicherung erhalten die Cosplayer dann auch jenseits der Conventions in sozialen Medien, wo sie sich gegenseitig bewerten und ihre Kostüme planen und zur Schau stellen. Eingang in die Gemeinschaft der Cosplayer findet indes jede*r, der sich mit der Materie auseinandersetzt und die
19 Manga bezeichnet ein ursprünglich japanisches Genre grafisch-sequenzieller Erzählungen. Manga werden daher häufig mit Comics als synonym angesehen. In Japan in der gesamten Gesellschaft verbreitet, sind Manga in Deutschland eher im Bereich der Populärkultur verortet. Die oft auf Manga basierenden animierten Serien und Filme werden dagegen als Anime bezeichnet. 20 Japanischer (früher abwertender) Begriff für Menschen, die sehr viel Energie, Zeit und Geld für ihre Hobbies und Tätigkeiten aufwenden. Otaku sind häufig dem Vorwurf ausgesetzt, von ihrem Gebiet obsessiv besessen zu sein (vgl. dazu Martin 24.11.2018: japantimes.co.jp). Aufgrund der engen Anbindung vieler Cosplayer zur japanischen Populärkultur, wird der Begriff Otaku auch zunehmend in Deutschland etabliert. 21 Naruto ist ein von Masashi Kishimoto entworfenes Manga-Universum, welches mittlerweile weltweit sehr erfolgreich in Anime, Filmen, Videospielen und Merchandise vorzufinden ist. Die fiktive Geschichte handelt überwiegend von einem Ninja/ Shinobi namens Naruto Uzumaki, sowie dessen Entwicklung von einem kindlichen Außenseiter zu einem gefeierten Helden und Anführer seines Dorfes.
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Arbeit an den Markeninhalten entsprechend zur Schau stellend würdigt. Cosplayer gruppieren sich um die spezifische Konsumerfahrung bestimmter Manga und Anime. Sie sind dabei aber nicht regional gebunden. So fließen japanische Populärkultur und deutsche Populärkultur ineinander, regionale, nationale und europaweite Conventions lösen die engen räumlichen Grenzen auf und Internetforen wie auch social media sorgen für einen weltweiten Austausch der Cosplayer. Jedes Universum hat dabei eigene Sitten und Bräuche, eigene Ge- und Verbote, die durch die Kenntnis des entsprechenden Universums erst erworben werden müssen. Die Cosplayer unterstützen sich beim Erwerb dieses Wissens, ziehen jedoch gleichermaßen eine enge Linie der Distinktion gegenüber falschen Aneignungen und einer zu kommerziellen Vermarktung ihres Universums. Ob sie dabei tatsächlich echte, starke Verbindungen im Sinne eines Netzwerkes aufbauen, das kann im Einzelnen als fraglich angesehen werden. Conventions sind insofern gleichermaßen auch als nicht dauerhaft anzusehen. Anders sieht es auf lokaler Ebene und im social network aus, wo sich tatsächliche und dauerhafte Verbindungen betrachten lassen. Auch hier stellt sich also die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen von Markengemeinschaften. Sichtbar werden aber wieder Verbindungen zum Thema der Lebensstile. Im durchgängigen Beispiel, der Organisation „Unser Naturhof “, zeigt sich die Markengemeinschaft in Form gemeinschaftlicher Werte um die Produkte der Genossenschaft herum. Im Kern der Markengemeinschaft steht die kollektive Identität durch die Lebensphilosophie der Wertecharta von „Unser Naturhof “, die sich den Prinzipien der Nachhaltigkeit und des nachhaltigen Konsums verschrieben hat. Durch den Unterstützer*innenclub erhält die Markengemeinschaft den Charakter einer Konsument*innenorganisation, in welcher sich Produzent*innen mit Konsument*innen, beziehungsweise der Kundschaft, unter gemeinsamen Prämissen zusammenschließen. Sie sind dabei räumlich insoweit nicht gebunden, als dass beide Teilorganisationen keinen konkreten Ort für sich besitzen. Innerhalb gestalttheoretischer Konzeptionen sind Markengemeinschaften ähnlich aufgebaut wie die vielfach verwendeten Markensysteme, die in dieser Arbeit im Abschnitt 3.3 ausführlicher behandelt werden. Während die Markengemeinschaften den sozialen Aspekt von Marken und das Bündnis um Marken in den Vordergrund rücken, behandelt der Systembegriff der Marke dabei spezifischer das Wechselspiel zwischen der Kundschaft und der Marke. Das folgende Oberkapitel soll den markensoziologischen Systembegriff daher näher betrachten, nachdem aber zuvor eingehend geprüft wurde, inwieweit man davon ausgehen kann, dass Labelgemeinschaften existieren. Insbesondere weil Label ebenfalls die beiden Willensarten nach Tönnies zentral wiedergeben können, ist diese Frage
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
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fundamental für ihre Einordnung entlang gestalttheoretischer Konzeptionen, die sich im Kern um den systemischen Charakter reiner Gemeinschaft gruppieren.
3.2.2
Labelgemeinschaften?
Die Markengemeinschaften machen es deutlich: Menschen gruppieren sich um gemeinsame Erfahrungen herum. Sie wollen einen bestimmten Gegenstand, entwickeln um ihn Rituale und Traditionen, die sie schließlich in eigens mit anderen Verwender*innen aufgebauten sozialen Beziehungen überliefern. Dies ist der unumstrittene Kern der zwischenmenschlichen Beziehungen um eine spezifische Konsumerfahrung herum und der Mittelpunkt ihrer kollektiven Identität. Wie im Abschnitt 3.1.2 nahegelegt wurde, unterscheiden sich Marken und Label nicht wesentlich, wenn man die beiden Willensarten nach Tönnies (1991) zugrunde legt. Folglich liegt die Schlussfolgerung nahe, dass auch bei der spezifischen Assoziation der Willen eine vergleichbare Ausformung entsteht wie bei der Markengemeinschaft. Forschung gibt es nach dem besten Wissen des Verfassers hierzu bislang nicht, so dass die sozialen Assoziationsformen der Willen um Label herum hier erst eingehend geprüft werden müssen. Dabei lohnt es sich das Pferd von hinten aufzuzäumen. Sucht man nach Fanclubs von Labeln oder ähnlichem, dann bleibt die Suche in der Literatur und über Internetsuchmaschinen erfolglos. Stattdessen sind andere Ergebnisse augenfällig. Man stößt mehr als häufig auf Internetseiten und Plattformen, auf welchen diverse Label, allen voran Bio- und Ökolabel, bewertet und aufgeschlüsselt werden. Auf internationaler Ebene ist die größte Plattform zweifelsohne der Ecolabel-Index, in welchem derzeit 463 Label aus über 199 Ländern in 25 Sektoren gelistet sind (vgl. Big Room Inc. 2018: ecolabelindex.com). Spezifisch in Deutschland ist die VERBRAUCHER INITIATIVE e. V. (2018: label-online.de) ebenso vertreten wie der BUND (vgl. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) – Friends of the Earth Germany o. J.: bund.net), der nachhaltige Warenkorb (vgl. Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE)/ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH o. J.: nachhaltiger-warenkorb.de) oder der NABU (vgl. NABU – Naturschutzbund Deutschland e. V. o. J.: siegel-check.nabu.de). Es reihen sich diverse offizielle und halboffizielle Stellen, Ministerien oder Initiativen ein, gesäumt von diversen Diskussionsforen. Laut Muniz und O’Guinn (2004: 321) handelt es sich bei Markengemeinschaften um einen Typus der Verbraucherorganisation. Insbesondere Vereine wie die Verbraucherinitiative e. V., der BUND und der NABU können legitim in ihrer Funktion ebenfalls als Verbraucherorganisation charakterisiert werden. Tatsächlich informieren sich neun von zehn
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Konsument*innen über ihre Lebensmittel im Internet und tauschen sich dort über sie aus (vgl. dazu SGS Germany 2016: 8, 13). Laut der bevölkerungsrepräsentativen Befragung des BMEL informieren sich über Lebensmittel im Allgemeinen immerhin 51% im Internet, 43% durch Kommentare und Feedback, lediglich 25% über Internetforen und 13% über soziale Medien (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2017 a: 14 f.). Laut derselben Befragung achten 64% der Menschen, wenn sie sich über Lebensmittel informieren, besonders auf Etiketten und Siegel (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2017 a: 14 f.). Ob sich diese Menschen nun explizit im Internet dann noch über die Etiketten und Siegel selbst, also über die Label, informieren, bleibt indes unklar. Unabhängig davon soll kurz diskutiert werden, ob es sich bei den Internetplattformen der Vereine wohl um Hinweise auf bestehende Labelgemeinschaften handeln könnte. Am Beispiel der Label-Online Internetpräsenz der VERBRAUCHER INITIATIVE e. V. (2018 a: label-online.de) lässt sich diese Frage sehr gut durchexerzieren. Als Grundlage dient hier der Ansatz von Muniz und O’Guinn (2004) zu Markengemeinschaften. Die Markengemeinschaft ist demnach räumlich nicht gebunden (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 310), insofern spielt es auch keine Rolle, dass hier eine Internetseite vorliegt. Der Bereich des Forums eröffnet die Möglichkeit einer direkten Interaktion von Menschen mit den Betreiber*innen der Seite und untereinander (vgl. Die VERBRAUCHER INITIATIVE e. V. (Bundesverband) 2018 b: label-online.de). Dieser Aspekt ist somit ebenfalls als erfüllt anzusehen. Da hinter der Seite in erster Linie ein Verein steht und im Forum Menschen über gemeinsame Themen diskutieren, ist auch ein gemeinsames, soziales Wollen offenbar, wenngleich es mehr an eine Assoziation erinnert (vgl. dazu Wenzel 2016: 104, 106 f.). Fraglich ist allerdings, was genau hier gewollt wird. Ganz augenscheinlich ist der Kern dieser Assoziation das Prüfen von Labeln und der bewusste Einkauf. Im Zentrum stehen also nicht die einzelnen Label, wohl aber die Informationen über ihren Aussagegehalt. Dementsprechend handelt es sich hier um eine kürwillige Assoziation und in diesem Sinne um eine gesellschaftliche Assoziation der Willen, die auf Bedacht, Belieben und Begriff ausgerichtet ist. Bei den assoziierten Menschen handelt es sich demnach um kürwillige Konsument*innen, welche ein hohes Bewusstsein in diesem Themenfeld aufweisen. Ein identisches Bild ergibt sich auch für weitere Beispiele, insofern man Prüfplattformen heranzieht. Man könnte hier demnach zwar im weiteren Sinne von Labelgesellschaften sprechen, jedoch gruppieren sich die Verbindungen technisch gesehen gar nicht um spezifische Label herum. Die Label sind hier eher ein Mittel zum Zweck im Rahmen einer Prüfgesellschaft, die sich monothematisch, nur eben nicht auf ein einzelnes und spezifisches Symbol, ausgerichtet hat. Insofern
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
123
entspricht die hier geschilderte Form scheinbar den künstlichen Personen nach Tönnies (1991: 168, 171), die als kürwillige Verbindungen alles nach Zwecken und Mitteln für ein gemeinsames Ziel ordnen. Allerdings fehlt jenseits der Zustimmung zu den AGB der Seite ein Kontrakt der Nutzer*innen und Verantwortlichen über gemeinsame Ziele. Es handelt sich also eher um ein loses Bündnis, wohingegen die Verbraucherinitiative selbst zweifelsohne eine künstliche Person in diesem Sinne, also eine Organisation, darstellt. Die Perspektive ändert sich auch nicht wesentlich, wenn man in anderen Bereichen des Internets recherchiert. So finden sich im Bio-Öko Forum einige Beiträge über spezifische Label, die aber stets prüfenden Charakter besitzen und keine empfundene Verbundenheit, Rituale oder Traditionen erkennen lassen, die über das bewusste Prüfen hinausgehen (vgl. dazu Enríquez Beltrán 2018: bio-oekoforum.de). Eine kollektive Identität oder starke Bindungen sind dabei nicht feststellbar (vgl. dazu Wenzel 2016: 139 f.). Insofern wäre festzuhalten, dass es zwar gewisse Assoziationen zum Thema Label gibt, diese jedoch bestenfalls schwache und kürwillige Netzwerke oder Bündnisse darstellen. Von der wesenwilligen Gemeinschaft kann hier keineswegs ausgegangen werden. Anders gilt dies für eine Gesellschaft, weil hier nur vorübergehende Assoziationen der Menschen mit einem Objekt oder miteinander vorliegen. Insofern wäre es im Sinne Wenzels (2016: 104–111) durchaus legitim, bei den vorliegenden Fällen von Prüfungsnetzwerken zu sprechen. Deutlich wird dabei außerdem, dass Label scheinbar nicht in der Lage sind, Menschen dauerhaft um sich zu versammeln. Demnach entwickeln Label keine Bindungskräfte. Sie können zwar gefallen, werden aber primär als Mittel zum Zweck genutzt (vgl. dazu etwa Samant/ Seo 2016 b: 53 f.). Wie sie dann individuell schlussendlich genutzt werden, hängt dabei maßgeblich vom Bewusstsein der jeweiligen Menschen ab (vgl. dazu etwa Hemmelskamp/ Brockmann 1997: 69), so dass es auch nicht verwundert, dass sich bewusste Konsument*innen in diesen Prüfungsnetzwerken über ihre Erfahrungen austauschen. Gewisse Vergemeinschaftungen der User untereinander sind im einzelnen Fall durchaus vorzufinden, so dass zumindest in den Internetforen auch wesenwillige Elemente enthalten sind. Hierin bestätigt sich erneut, dass real die Willensformen und Assoziationsformen nur anteilig gemischt vorkommen. Bei einer exkludierenden Lesart von Tönnies würde dies allerdings auch bedeuten, dass sowohl die reine Gemeinschaft als auch die reine Gesellschaft prinzipiell aufgrund ihrer Verunreinigung durch die andere Willensart ausgeschlossen wären. Sowohl Gemeinschaft, als auch Gesellschaft wären demzufolge normaltypisch und sozialphilosophisch für Label auszuschließen. Empirisch neigen Label allerdings dem Kürwillen zu und verbleiben dort vor allem im losen Bündnis. Betrachtet man die Willensarten, ihre Assoziationen und Entwicklungen jedoch
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
vermittelt und empirisch, dann lässt sich ein Prozess des Wandels abbilden, wie er in der Arbeit bereits vielfach diskutiert wurde. Aus diesem Wandel lassen sich viele Rückschlüsse über Marken, Label und Markenprodukte ziehen, die insbesondere in Kapitel 4 von großer Relevanz sind (Abbildung 3.6).
Abbildung 3.6 Marken und Label als Bündnisse. (Quelle: eigene Darstellung)
In der Grafik ist der Wandel von wesenwilligen Verbindungen zu kürwilligen Verbindungen abgebildet, wie ihn Tönnies (1991: 168) schildert. Gemeinschaftliche Verbindungen lösen sich zunächst in gemeinschaftliche Bündnisse auf, gehen dann in gesellschaftliche Bündnisse über, bis sie dann in gesellschaftlichen Verbindungen enden. Insofern wird die soziale Strukturdichte aufgelöst, um sie unter neuen Gesichtspunkten wieder zu verdichten. Während die Verbindungen dabei als fest und einheitlich erscheinen, sind die Bündnisse als lose und vorübergehend zu charakterisieren (vgl. Tönnies 1991: 168). In Anlehnung an die Gedankengänge von Granovetter (1973) zum Thema der Netzwerke, sind Verbindungen demnach von strong ties, Bündnisse jedoch von weak ties geprägt. Hier laufen Tönnies (1991) und Granovetter (1973) lückenlos ineinander über. Den Verbindungen sind als gemeinschaftliches Äquivalent die Markengemeinschaften, als gesellschaftliches Element die Zweckgesellschaften, also Organisationen, zuzuordnen. Dem gestalttheoretischen Ansatz folgend, handelt es sich bei Marken ferner um gemeinschaftliche Bündnisse, wohingegen demnach die Label als gesellschaftliche Bündnisse zu kategorisieren sind. Hieraus kann schnell ein Missverständnis über den Charakter sozialer Assoziationen um Warenzeichen herum entstehen. Während die Markengemeinschaft in sich selbst begründet ist, benötigt die Zweckgesellschaft immer einen konkreten Zweck für ihr Bestehen. Dadurch könnte der Eindruck entstehen, es bestünden keine sozialen Assoziationen um Label, da diese für die Zweckgesellschaft nur ein Mittel zum Zweck darstellen. Tatsächlich ist hier jedoch die Richtung des sozialen Wandels zu beachten: Markengemeinschaften gehen Marken als Kundschaft voraus, aber Zweckgesellschaften entstehen erst aus Prüfungsnetzwerken. Diesen Umstand gilt es in den folgenden Kapiteln näher zu ergründen, da sich hieraus erst die Vermittlung von
3.2 Gemeinschaft und Gesellschaft
125
Wesenwille und Kürwille ergeben kann. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass sich Marken und Label an der Schnittstelle der losen und insofern schwachen Bündnisse begegnen. Dort ist auch das enge Verständnis von Marken als Kommunikation zu verorten, wohingegen den Verbindungen das weite Verständnis der Marke als System zuzuordnen ist. Ziel der Arbeit muss es sein, beide Verständnisse zu vermitteln, wie auch Wesenwille und Kürwille vermittelt gedacht werden müssen. Zusammenfassend lässt sich demnach feststellen, dass Label nicht in der Lage sind, spezifische dauerhafte Assoziationen des Willens bei Konsument*innen auszuformen, wie es etwa bei Marken der Fall ist. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass die reine Markengemeinschaft legitimer Weise aufgrund ihrer hohen Voraussetzungen als schwierig vorzufinden gilt. Selbst wenn man die Hürden weniger hoch setzt, nämlich bei der primären Assoziation der Menschen miteinander (vgl. dazu auch Muniz/ O’Guinn 2004: 321), ist eine dauerhafte Verbindung der Menschen um Label nicht vorzufinden. Begründet liegt dies im vorübergehenden Charakter als reiner Wegweiser für die kalkulierte Kaufentscheidung von Menschen. Insofern ist auch anzunehmen, dass in einer vollkommen losgelösten und verkürzten Perspektive die reinen Label keine sinnstiftende Expression von Lebensphilosophien ermöglichen, zumal sie in der Regel nur kurzfristig sichtbar auf der Verpackung kurzlebiger Konsumartikel aufgebracht sind (vgl. dazu Hölscher 1998: 196). Eine langfristige Vereinnahmung von Labeln durch Gruppen ist daher erschwert, wobei auch hier zu betonen ist, dass Label real gesehen weder losgelöst noch rein vorkommen und immer in einen sozialen Kontext gebettet sind. In Bezug auf die Gemeinschaft ist für reine Label zunächst jedoch keine zentrale Rolle feststellbar. Alle auffindbaren Assoziationen und Netzwerke dienten primär dem Austausch bewusster Konsument*innen, die auch laut den Dichtezonen der Marke als hochgradig kürwillige Akteure gelten und insofern kein Teil von Gemeinschaften sind (vgl. dazu auch Deichsel 1999 b: 336 ff.). Hier stützt sich die Perspektive des Definitionskapitels, dass es sich bei Labeln in erster Linie um eine Interaktion von Organisation und Konsument*innen handelt und sie insofern ein Kommunikationsinstrument sind. Würde man den Gedanken der Gemeinschaft als Netzwerk nach Tönnies (1991) und der mikrotheoretischen Verortung von Willensarten (vgl. dazu Opielka 2004) weiterdenken und nun hiervon ein Mehrebenenmodell anlegen, kommuniziert dabei die Mesoebene Informationen via Labeln zur Mikroebene. Die Ausdeutung des Labels geschieht daraufhin individuell, so dass lediglich im Voroder Nachhinein externe Informationen hinzugezogen werden. In einer realen Einkaufssituation steht in der Regel eine einzelne Person vor einem Produkt und muss über dessen Erwerb oder Nichterwerb entscheiden. Gegebenenfalls
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
kann man vom Verkaufspersonal beraten werden, doch muss man sich, hiervon einmal abgesehen, entweder im Vorfeld informieren oder im Nachhinein die fraglichen Informationen aus verschiedenen Quellen zusammensuchen. Insofern stellen die Prüfungsnetzwerke einen weiteren Mesoakteur dar (Bündnis), allerdings einen anderen als die dauerhafte Organisation (Verbindung), die über das Label informieren wollte. Eine ähnliche Konstellation ergibt sich im Übrigen auch für Marken, sofern es sich bei den Netzwerken um kürwillige Stakeholder handelt, die mehr als nur das bloße Warenzeichen bewerten. Dies unterstreicht noch einmal zusätzlich, dass trotz aller Ähnlichkeit die Label zwar keine Gemeinschaften um sich gruppieren, wohingegen aber Marken und Label gleichermaßen Prüfungsnetzwerke um sich versammeln. Der Übergangspunkt hierfür ist das gemeinschaftliche Bündnis, welches dem kürwilligen Bündnis in seinem losen Charakter begegnet und dadurch den Übergangspunkt einer Modernisierung darstellt (vgl. dazu Tönnies 1991: 168). In dieser Ausgangsposition dürfte ein gänzlich anderes und vermitteltes System der Willensarten entstehen, als es bislang bei Marken der Fall ist. Dieser Frage, diesem Aspekt der Marke, wird im folgenden Kapitel nachgegangen, wenn der gestalttheoretische Systembegriff betrachtet wird. Dieser stellt das tragende Konstrukt in der gestalttheoretischen Lesart von Tönnies dar. Zunächst sind die erzielten Ergebnisse jedoch auf das durchgängige Beispiel „Unser Naturhof “ zu übertragen. Das Markenlogo der Organisation stellt ja, wie zuvor beschrieben, gleichermaßen eine Form von Prüfzeichen dar, insoweit es für bestimmte Werte und Produktionsweisen der einzelnen Genoss*innen einsteht, welche nach wie vor ihren eigenen Namen auf ihre Produkte aufbringen. Hieraus entsteht eine Vermischung kürwilliger und wesenwilliger Aspekte, von Marke und Label, die ihren Ursprung im doppelten Charakter und Ziel der Genossenschaft haben. Denn diese versteht sich einmal als wesenwillige Wertegemeinschaft (Nachhaltigkeit), andererseits als Wirtschaftsgemeinschaft, die durch ihre rationalkürwilligen Ökonomie-Ziele (Gewinnmaximierung) auch eine zweckrationale Gesellschaft darstellen kann. Die reale Organisation tritt demnach also zwischen Kürwille und Wesenwille vermittelt auf (vgl. dazu auch Opielka 2004: 24, 31) und lässt sich nicht auf die reine Gesellschaft beschränken, wohingegen sie in reduziert betrachteter Form durchaus den Aspekt einer Zweckgesellschaft verkörpern kann. Denn die Labelgesellschaft existiert nur insoweit, als dass sie für die Genoss*innen mit dem rationalen Ziel der Gewinnmaximierung in Einklang zu bringen und vertraglich geregelt ist. Für die Konsument*innen existiert diese Labelgesellschaft jedoch nur als der zielgerichtete Aspekt des Unterstützer*innenclubs. Wesenwillig fallen beide Verhältnisse jedoch nur in Bezug auf die Werte der Genossenschaft aus, wie noch einmal betont sein soll, weshalb hier
3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
127
eigentlich statt von Labelgemeinschaften eher von Labelgesellschaften geschrieben werden müsste. Diese kommen aber, wie beschrieben, nur theoretisch vor, so dass der systemische Status von Labeln hier vorläufig durchaus als fraglich anzusehen ist.
3.3
Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
Um die soziologische Tiefe von Marken im Sinne eines weiten Begriffes verstehen zu können, ist eine ganzheitliche Perspektive von Vorteil. Diese Perspektive wird in der Markensoziologie von einer Systemtheorie geprägt, die allen dominanten Ansätzen gemein ist. Treffender formuliert, liegt dabei aber nicht eine einzelne Systemtheorie oder systemtheoretische Perspektive vor, sondern gleich eine Vielzahl von verschiedenen systemtheoretischen Ansätzen. Dies ist in vielfacher Hinsicht problematisch, da sich so kein konkreter Systembegriff in der markensoziologischen Forschungslandschaft durchsetzen konnte. Viel eher müsste das Kapitel demnach heißen: die markensoziologischen Systembegriffe. Dass an dieser Stelle dennoch von einem Systembegriff und nicht von Systembegriffen die Rede ist, ist in erster Linie auf den Ariadnefaden der Arbeit zurückzuführen. Doch dazu nun mehr. Allgemein ist in der Markensoziologie zu erkennen, dass sich drei große systemtheoretische Ansätze herausgebildet haben. Der chronologisch erste Ansatz ist der systemtheoretische Ansatz nach Otte (2015), welcher erstmals 1993 publiziert worden ist. Der Ansatz der Marke als System nach Otte (2015) basiert einerseits maßgeblich auf dem Gedankengut der reinen Gemeinschaft von Tönnies, wodurch er der gestalttheoretischen Denkschule zuzuordnen ist. Andererseits verwebt Otte (2015: 65) naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu einer Systemtheorie, die organische Marken in erster Linie als dissipative und in gewissem Maße strukturfunktionalistische, lebende Energiesysteme ansieht. Eine der größten Leistungen dieses theoretischen Vorgehens ist die Erkenntnis einer besonderen Form der Autopoiesis, die von Otte (2015) als Selbstähnlichkeit bezeichnet wird. Sie wird noch Gegenstand des Kapitels 3.5 sein. Grundlegende systemtheoretische Ideen der Markensoziologie führt Hellmann (2003) an. Einen Input gibt die systemtheoretische Perspektive Hellmanns (2003) im Bereich der Codes und Programme, die hier Ideen zur Erforschung von Markensystemen liefern. Der chronologisch dritte systemtheoretische Ansatz wurde von Hüllemann (2007) verfasst. Hüllemann (2007) orientiert sich in seiner systemtheoretischen Fassung deutlich stärker an Luhmann und analysiert auch verstärkt die strukturellen
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Kopplungen der sozialen Systeme, sowie die allgemeine Bedeutung des Systemvertrauens. Besonders hervor sticht dabei die explizite Auseinandersetzung mit dem Theoriengut Luhmanns, welches hier als durchstrukturiertes Gesamtkonzept in einer Systemtheorie der Marke vorliegt. Jeder der drei Ansätze ist so komplex und umfassend wie die Systemtheorie selbst. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, die drei Ansätze hier in einem Kapitel ihrer Komplexität adäquat darzustellen. Auch hinsichtlich der ersten Unterfrage der Arbeit erschiene das Vorgehen eines vollständigen Vergleichs als nicht zielführend, da es hierbei vor allem um eine Zusammenführung des gestalttheoretischen Ansatzes und seiner Konzepte geht. Hinzu kommt erschwerend, dass die Systemtheorien stellenweise miteinander unvereinbar sind. So geht etwa Hüllemann (2007: 47–52, 237–243) von sozialen Systemen aus, wo Otte (2015: 41, 52 f., 61 f.) von lebenden Systemen schreibt, die sich der effektiven Steuerung weitgehend entziehen und nicht primär auf Kommunikation beruhen. Dies lässt sich auch mit Luhmann ein Einklang denken. Denn folgt man der Typologie Luhmanns, so besitzen lebende Systeme grundlegend andere Operationen als soziale Systeme (vgl. dazu Hüllemann 2007: 32–37), so dass Otte (2015: 71) folgerichtig auch keinen eigenen sozialen Kommunikationsbegriff besitzt. Denn Kommunikation ist auch laut Luhmann ausschließlich die Operation sozialer Systeme (vgl. dazu Hüllemann 2007: 34–37), wohingegen man bei lebenden Systemen von Perturbation22 und einer Interaktion mit der Umwelt ausgeht (vgl. Lindemann 2019: 60 ff.). Insofern ist hier auch der Einschätzung von Errichiello (2013: 86 f.) zu widersprechen, dass es sich auch im gestalttheoretischen Ansatz bei Marken um eine Entscheidungskommunikation handelt, die wiederum dem Organisationssystem, einem Subsystem der Gesellschaft, zuzuordnen ist (vgl. dazu Hüllemann 2007: 35 ff.). Als Kybernetik zwischen erster und zweiter Ordnung (vgl. dazu Hüllemann 2007: 22–30), geht die Theorie nach Otte (2015: 45 f., 55, 65) vor allem von Sozialatomen aus, die im lebenden System von einem Ordner gleichgerichtet und verstoffwechselt, also sozialen Prozessen unterzogen werden. Kommunikation findet im eigentlichen Sinne aber nicht statt, wie im folgenden Kapitel näher ausgeführt wird. Verbliebe man hier hingegen bei der Auslegung der sozialen Systeme nach Hüllemann (2007), so wäre die Einschätzung von Errichiello (2013: 86 f.) hingegen durchaus zutreffend. Aus diesem kleinen Absatz wird bereits deutlich, weshalb die Systemtheorien hier nicht 22 Perturbation bedeutet so viel wie Verstörung und Anregung und soll der Tatsache Rechnung tragen, dass es bei lebenden Systemen aufgrund der inneren Konstruktionsleistung kein Ursache-Wirkungs-Schema und kein Reiz-Reaktions-Schema gibt (vgl. Lindemann 2019: 61 ff.).
3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
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vermischt werden sollen und können. Sofern sie von den Vertretern der Gestalttheorie doch einmal, wie im Beispiel, vermischt werden, wird diese Vereinigung dennoch kurz dargestellt, um der gesamten Bandbreite gestalttheoretischen Markensoziologie Rechnung zu tragen. Soziale Systeme, wie sie Hüllemann (2007) umfangreich analysiert, werden dagegen nicht diskutiert. Das folgende Kapitel beschäftigt sich folglich maßgeblich mit der gestalttheoretischen Perspektive auf lebende Systeme, überwiegend vertreten durch Otte (2015), um die Konsistenz der Argumentation dieses Forschungsvorhabens und die Leitung des Ariadnefadens beizubehalten. Ein weiterer Vorteil dieser Strategie ist, dass die Erkenntnisse von Ferdinand Tönnies hier in den Ansatz nach Otte (2015) eingehen können. Dies erleichtert dann auch die Arbeit an einem konsistenten markensoziologischen Labelbegriff (3.9.2) und trägt damit maßgeblich zu der Beantwortung der zweiten Unterfrage bei. Vorweg soll bereits erwähnt sein, dass die Perspektive Ottes (2015) einen Entwurf zu einem Organisationssystem darstellen kann, weshalb der Ansatz effektiv auch in die Organisationssoziologie einzuordnen ist. Denn tatsächlich wird hier weniger die Marke als System betrachtet, als vielmehr das sinngeleitete System der Markenorganisation und ihrer relevanten Umwelt.
3.3.1
Marken als hyperorganische Systeme
Wendet man ein weites Verständnis von Marken an, dann sind Marken mehr als ein einfaches Zeichen, welches im übertragenen Sinne zu verstehen ist. In diesem Punkt ist sich die Markensoziologie einig. Marken sind sodann komplexer als ein monokausaler Zusammenhang, auch das ist in Anschluss an die vorigen Kapitel unstrittig. Marken sind dort Systeme von Gestalten, Systeme von Bedeutungen, Funktionssysteme und sicher noch eine Reihe weiterer Systeme. Dass Marken ein von Menschen ziemlich unsichtbares Eigenleben führen, das wurde bislang noch nicht besprochen. Tatsächlich werden Marken zum Teil homolog zu anderen organischen Lebewesen verstanden. Demnach ernähren sie sich, erhalten sich und sterben bisweilen vollkommen vergessen. Sie kämpfen um Reviere, fressen einander und pflanzen sich fort. Marken sind in dieser Perspektive also ganz spezielle geistige Lebewesen. Besonders detailliert hat sich mit dieser systemischen Perspektive der gestalttheoretische Ansatz auseinandergesetzt, welcher hier genauere Betrachtung erhalten soll. Die hier aufgeworfenen Gedanken werden allerdings erst mit den Gestalten (3.4), der Systemerhaltung (3.5) und den Ideenorganismen (3.6) wirklich vervollständigt, so dass es hier zunächst um die Grundgedanken geht.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Der markensoziologische Systemgedanke im gestalttheoretischen Ansatz geht wieder einmal mehr auf die Grundgedanken von Tönnies zurück. Denn Ferdinand Tönnies beendete die Betrachtung gesellschaftlicher Assoziationen nicht bei der reinen Aufstellung von Gemeinschaften und Gesellschaften. Er ging viel mehr davon aus, dass es sich bei solchen Assoziationen ab einem bestimmten Punkt um soziale Wesenheiten handelt, um geradezu hyperorganische Lebewesen. Wir erinnern uns, dass eine Gemeinschaft eine Assoziation des sozialen Wesenwillen ist, also eine Assoziation der gemeinsamen Wesenwillen. In der Gemeinschaft ist der soziale Wesenwille und nicht etwa der soziale Kürwille überwiegend enthalten. Der Gemeinschaft liegt folglich eine gemeinsame Idee zugrunde. Diese Idee ist es, die hier ein Eigenleben als Subjekt höherer Ordnung entfaltet (vgl. dazu Otte 2015: 40 f.). Allerdings macht das Eigenleben die Idee nicht zu einer quasi-Person im Sinne Webers, sondern als organisches Ganzes verhält es sich im Sinne von Tönnies zu seinen Teilen als hyperorganisches Lebewesen (vgl. Otte 2015: 61). Dieses hyperorganische Lebewesen handelt dabei durch seine Elemente und besteht buchstäblich aus sozialem Willen (vgl. Otte 2015: 40 f.; vgl. auch Deichsel et al. 2017: 28). Hyperorganische Wesen sind „Vorstellungen von etwas teils Seiendem, teils Geltensollendem in den Köpfen realer Menschen […]“ (Otte 2015: 62). Diese sozialen Lebewesen entstehen dabei durch Ideen in einem einzelnen Kopf, welche sich dann in den Köpfen von vielen Menschen fortpflanzen (vgl. Deichsel, Errichiello/ Zschiesche 2017: 38). Marken sind demnach sogar höhere Lebewesen der eigenen Art und bestehen unmittelbar aus Menschen (vgl. Otte 2015: 55). Die Schaffung von übermenschlichen Lebewesen hat dabei einen fundamentalen Anteil an der Kulturbildung, da die Wesen eine soziale Stabilisatorenfunktion für Personen und Gruppen entfalten (vgl. Deichsel et al. 2017: 28 f.). Sie trennen überindividuell die Innen- von der Außengruppe, erhalten Sitten und Bräuche und liefern das funktionell gleiche Lebensmaterial, das allerdings in seinen Ausprägungen kulturell verschieden ist (vgl. Deichsel et al. 2017: 29 f.). Entsprechend sind die zielgerichteten Hyperorganismen in den Alltag eingebettet und bestimmen die täglichen Regeln, die alle Elemente innerhalb des Organismus aufeinander abstimmen, so dass sie darum auch nur von innen heraus verständlich sind (vgl. Deichsel et al. 2017: 33 f.). Denn nur die Innenansicht eröffnet ihre funktionale Logik, die sich zentral an gemeinsamen Sinnkonstruktionen ausrichtet, wie insbesondere in folgenden Kapiteln noch näher aufgezeigt wird. Hyperorganismen sind somit soziale Gebilde, die maßgeblich auf gemeinsamen Sinndeutungen basieren. Diese aber sind nicht mehr zentral kontrollieroder steuerbar, sobald sie erst einmal in den Köpfen der Menschen angekommen sind. Insofern besitzen sie ein Eigenleben, welches sich aus den je eigenen Konstruktionen und Sinndeutungen der Menschen speist, die erlerntes kontinuierlich
3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
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ergänzen und neu interpretieren (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 58 f.). Insofern meint ein Hyperorganismus in sinndeutender Hinsicht nichts anderes, als eine Institution nach Berger und Luckmann (2016: 64), welche stets akzentuiert und weitergegeben wird, dabei aber immer zentral von Menschen abhängig ist. Marken sind, wie beschrieben, solche Hyperorganismen (vgl. Deichsel et al. 2017: 29 f., 32, 37) und in diesem Sinne Institutionen (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 58 f., 64). Als Ausprägungen des Differenzierungsdranges, ist es das organisationale Ziel der Marken, zu einem Alltagsritual zu werden und die Lust des Menschen an der Gewohnheit für ein Spiel mit der Innen- und Außengruppe zu nutzen (vgl. Deichsel et al. 2017: 29 f., 32). Die Gewohnheit ist dabei auch in der Ausgangsschilderung von Tönnies (1991: 80 f.) konstituierend für die Menschen und somit unverzichtbar für die Stabilität des Hyperorganismus. Der Markenorganismus wird von Vertretern gestalttheoretischer Markenforschung daher sogar als ein Individuum wie jedes andere Lebewesen bezeichnet, in welchem aus funktionaler Ungleichheit alle Beteiligten einen sich bejahenden Verbund in Bezug auf eine bestimmte Leistung erzeugen (vgl. Deichsel et al. 2017: 37). Diese auf der Willenstheorie von Tönnies (1991) basierende Entwurf lässt sich dabei durch die Forschungsergebnisse über parasoziale Interaktionen und Beziehungen stützen.23 Denn dort ist die zentrale Annahme moderner Fassungen, dass Menschen einseitige, indirekte und medial vermittelte Beziehungen zu sozialen Entitäten aufbauen und mit diesen parasozial, das heißt auch asymmetrisch, interagieren (vgl. Hartmann et al. 2004 a: 5–9, 33). Die soziale Entität kann dabei alles sein, das zur Reizverarbeitung und Reizabgabe befähigt ist, also auch eine Organisation oder ähnliche größere Konstrukte (vgl. Hartmann et al. 2004 a: 5 f., 14, 22 f.). Zwar hat eine artifizielle und nicht anthropomorphe Persona wie eine Marke weniger starke Darstellungs- und Bindungsmittel als eine reale Person, doch wird durch die Einheitlichkeit der Präsentation gezielt der Eindruck geschürt, es handle sich bei Marken um eine konkrete Persona (vgl. Hartmann et al. 2004 a: 5 f., 14), die Zugehörigkeit und kollektive Identität ermöglicht (vgl. Hartmann 2015: 106 f.). Insofern tritt eine Marke auf der Ebene der parasozialen Interaktion als eine interpretierte Person, also als eine Persona auf. Gleichermaßen hat eine Persona dabei das Potential und Ziel, eine Bindung des Publikums zu ihr zu erreichen. Abhängig von der Intensität parasozialer Interaktion (high-level PSI
23 Ausgehend
von einer Studie von Horton und Wohl (1956) sind parasoziale Beziehungen einseitige und indirekte Beziehungen eines Publikums zu einer prominenten, abwesenden Person in den Massenmedien. Sie sind hier als Erweiterung des Konzeptes im Sinne einer Dingverbundenheit zu verstehen (vgl. dazu auch Deichsel et al. 2017: 163). Die Idee besitzt weitreichende Implikationen für Kapitel 4.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
oder low-level PSI), kommt es auch zu unterschiedlich starken parasozialen Bindungen (vgl. Hartmann et al. 2004 b: 31 ff., 41), die sich hier sehr direkt auch auf Gemeinschaft und Gesellschaft übertragen lassen. Hierauf wird im Laufe der Arbeit noch näher einzugehen sein. Festgehalten werden soll hier dennoch, dass der lebende Aspekt der Hyperorganismen sich auf die andauernde Sinndeutung der Menschen bezieht, die hyperorganische Wesen einerseits zu Deutungssystemen im Sinne von Institutionen macht, andererseits im interaktionistischen Sinne aber auch zu Personae, zu denen konkrete interpretative Beziehungen eingegangen werden. Vereinbar ist dies mit Tönnies (1991) insoweit, als dass die Ausgangstheorie der vermittelten Willensarten von Willen als Handlungsgrundlage, aber von Assoziationen als Strukturgebilden ausgeht und insofern hier real mehrere soziale Ebenen verschränkt existieren. Als soziale Lebewesen zählen Marken in gestalttheoretischer Lesart zu lebenden Systemen24 wie etwa lebende Zellen, Organe, Organismen, aber soziale gesehen auch Organisationen, Gesellschaften, Nationen und supranationale Systeme (vgl. dazu Brandmeyer/ Schmidt 1999: 273). All diesen sozialen Lebewesen ist dabei gemein, dass es sich um funktionale Organisationssysteme handelt, die eine Form von Eigenleben entwickeln und dabei nicht mehr zentral steuerbar sind. Die Homologie zu den Lebewesen, die auch nach Tönnies Teil eines weiten Naturbegriffes ist (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 37), kann als das prägende Grundelement der systemtheoretischen Ausdeutung von Marken im gestalttheoretischen Ansatz gelten. Aus dieser Annahme ergeben sich die Systemregeln des hyperorganischen Systems mit festen Grenzen und einer Umwelt. Maßgeblich basiert dieser Systembegriff, wie dargestellt wurde, auch auf der sozialphilosophischen Lesart von Tönnies (1991: 147 f.) und seiner Theorie der reinen Gemeinschaft. Die Homologie zu Lebewesen mit einer Evolution soll allerdings keineswegs heißen, dass es sich bei Marken nicht um ein kulturelles Artefakt handle (vgl. Otte 2015: 52 f.). Durch die Aufhebung der artifiziellen Trennung von Natur und Kultur, handelt es sich bei Marken lediglich um Systeme, die nach den Regeln der Natur funktionieren (vgl. Otte 2015: 52 f.).25 Es sind insofern also wie zuvor beschrieben nur quasi lebende Systeme, die nicht exakt den biologischen lebenden 24 Kennzeichen lebender Systeme sind Selbstreferentialität, Strukturdeterminiertheit, operationale/ organisationale Geschlossenheit, energetische Offenheit, sowie Autonomie (vgl. Lindemann 2019: 64 f.). 25 Die Aufhebung der Trennung von Kultur und Natur ist konsequent an Tönnies angelehnt, erscheint aber vor dem Hintergrund der Verwendung einer Theorie der reinen Gemeinschaft schwierig. Gleichermaßen bricht dieses Vorgehen mit Luhmanns strikter Trennung psychischer, lebender und sozialer Systeme.
3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
133
Systemen entsprechen können. Lebende Systeme haben eine Reihe an Kennzeichen gemein. So entstehen diese Systeme etwa in einer Art Urknall ganz plötzlich (vgl. Brandmeyer/ Schmidt 1999: 273 f.). Als Urknall der hyperorganischen Lebewesen kann dabei der ursprüngliche Einfall einer Idee gelten. Mit der Idee treten die hyperorganischen Lebewesen in Existenz und beginnen ein Eigenleben. Als lebendes System wächst die Marke dann heran und vermehrt sich selbst, nimmt neue Ideen auf, verarbeitet sie und gibt eigene Ideen ab (vgl. dazu Brandmeyer/ Schmidt 1999: 273). Das lebende System bewahrt dabei stets ein energetisches Gleichgewicht im Inneren, wenn auch die gesamte Menge der enthaltenen Energie immer wieder schwankt (vgl. dazu Brandmeyer/ Schmidt 1999: 273). Die im Inneren gespeicherte Energie wird währenddessen auch dazu genutzt, Fehler in den etwa zwanzig teils symbiotischen Subsystemen zu reparieren (vgl. dazu Brandmeyer/ Schmidt 1999: 273). Energie könnte im Falle eines wirtschaftlich operierenden Organisationssystems etwa Geld darstellen, aber auch Humankapital im Sinne von Angestellten, die das System erhalten. Ein einzelnes, essentielles Subsystem fungiert dabei als Entscheider und regelt das gesamte System von innen heraus, wie etwa das Gehirn den Körper regelt (vgl. dazu Brandmeyer/ Schmidt 1999: 273). In vielen Organisationstheorien geht man hier von der gemeinsamen Leitung einer Organisation aus (vgl. etwa Coleman 1992: 241 f.). Ohne die Koordination durch den Entscheider wäre eine symbiotische Zusammenarbeit der Subsysteme aufgrund ihrer Komplexität nahezu ausgeschlossen. Auch diese Annahme teilt der gestalttheoretische Systementwurf mit den meisten Organisationstheorien, die Arbeitsteilung zur Erreichung von gemeinsamen Zielen etwa zum zentralen Element zum Beispiel korporativer Akteure machen (vgl. dazu Preisendörfer 2016: 19 ff.). Nicht zuletzt besitzen lebende Systeme einen genetischen Code26 aus DNA, der aus einzelnen Bestandteilen heraus das ganze System bestimmt (vgl. dazu Brandmeyer/ Schmidt 1999: 273, 277). Man kann es in seiner Übersummenhaftigkeit so verstehen, dass erst der Zusammenhang der einzelnen Teile das gesamte System als Monade in Gestalt (3.4) treten lässt. An einem Beispiel wird dieser Zusammenhang leicht begreiflich. Aus einem Apfel, ein paar Trauben, Walnusskernen und Bananen lässt sich schnell ein Obstsalat herstellen, aber für sich allein genommen sind die Zutaten eben nur Bausteine eines größeren Ganzen. Anders kombiniert ergäbe sich mit den Bausteinen womöglich ein schöner Obstteller für 26 Der „Genetische Code der Marke®“ ist ein von gestalttheoretischen Vertretern häufig verwendetes, eingetragenes Verfahren der Markenanalyse. Insofern ist in dieser Forschungsarbeit lediglich von naturwissenschaftlich gedachten genetischen Codes in lebenden Systemen die Rede.
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die Winterzeit. Das durch die DNA vorgegebene Muster erlaubt es, die vorhandene Energie des Systems wie beschrieben in die besondere Gestalt zu verwandeln (vgl. dazu Brandmeyer/ Schmidt 1999: 277). Diese genetische Werdens-Vorgabe wird dabei auch als inneres Prinzip oder im aristotelischen Sinne als Entelechie bezeichnet (vgl. Deichsel 2010 a: 102 f.). Folgt man der biologischen Theorie, so unterliegen lebende Systeme aber auch einem Lebenszyklus aus Geburt, Wachstum, Reife und Zerfall (vgl. Jones 2004: 281). Da auch die lebenden Systeme der Marke einen Urknall, eine Geburtsstunde, besitzen, wäre es nur logisch anzunehmen, dass sie selbst auch einem Lebenszyklus unterliegen. Der Lebenszyklus ist dabei ein sich selbst erfüllendes Konzept (vgl. Jones 2004: 282). Dieser Annahme über Lebenszyklen widersprechen die Hauptvertreter des gestalttheoretischen Ansatzes aber explizit, da Marken keinen Lebenszyklus besäßen (vgl. Deichsel et al. 2017: 43 f.). Tatsächlich scheint es so zu sein, dass zwar Produkte typischerweise Lebenszyklen besitzen, dies jedoch nicht unbedingt auf Marken zutreffen muss (vgl. Jones 2004: 282 f.). Marken können sich erneuern, müssen jedoch gegen die Selbsterfüllung des Lebenszyklus beständig große Mengen an Energie aufwenden (vgl. Jones 2004: 283 f.). Diese Energie ist allem zu Eigen, das lebendig ist. Denn lebendige Systeme, Marken wie Menschen, sind dissipative Systeme, die zum Selbsterhalt und für Ihr Wachstum Energie aufwenden müssen (vgl. Otte 1995: 65). Um jedoch die benötigte Energie aufwenden zu können, müssen lebende Systeme durch eine Leitung koordiniert werden. Die Energie der Marken ist dabei geistig in dem Sinne, dass ihre etablierte Institution erhalten werden muss. Als Institution sind sie relativ unabhängig von den ursprünglichen organisationalen Wurzeln, da sie sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben und jederzeit wieder hervorgerufen werden können. Um jedoch den Status der Institution zu erhalten, muss geistige Energie erzeugt werden, etwa durch Werbung oder parasoziale Interaktionen, damit die Markenpersona dabei nicht in Vergessenheit gerät. Um das aber verwirklichen zu können, bedarf es wieder der Steuerung durch eine Organisation, die eine anderen Energie, etwa Geld, aufwendet, um dieses Ziel erreichen zu können. Insofern handelt es sich hier um mehrfache symbiotische Verschränkungen geistiger und anderer Elemente, die insofern stark an Luhmanns psychische und soziale Systeme erinnern (vgl. dazu etwa Hüllemann 2007: 32–37). Hyperorganismen sind in diesem Sinne übersummenhafte soziale Gebilde, die einer sozialen Evolution unterliegen und insofern einer eigenen und nicht zu steuernden (interpretativen) Logik unterworfen sind. Dies ist auch der Grund dafür, dass sie in Analogie zu Lebewesen behandelt werden und ihnen ein Eigenleben unterstellt wird. Ähnlich wie bei Gemeinschaften, haben Hyperorganismen einen ideellen Kern aus spezifischen Sitten, um welchen sich die Menschen gruppieren.
3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
135
Marken werden im gestalttheoretischen Ansatz also als lebende Systeme angesehen. Als lebende Systeme handelt es sich damit bei Marken gleichermaßen auch um Energiesysteme, in welchen wollender Geist als Energie zirkuliert (vgl. Deichsel et al. 2017: 1, 51). Ohne einen energetischen Austausch, wäre jedoch kein Energiesystem überlebensfähig. Aus diesem Grund koppelt sich das Energiesystem Marke mit der Kundschaft zurück (vgl. Deichsel et al. 2017: 3). Denn Markenenergie, der wollende Geist, besteht primär aus den positiven Erfahrungen der Kundschaft mit der Marke, was dazu führt, dass jede positive Rückkopplung auch die Kohäsion des Markenkörpers verstärkt (vgl. Deichsel et al. 2017: 3, 23). Insofern leben Markensysteme von Spezifik und deren Durchsetzung, was sich insbesondere in der Gestalt (3.4) manifestiert (vgl. Deichsel et al. 2017: 22 f.). Das Rückkopplungssystem wird von gestalttheoretischen Vertretern aufgrund dieses Austauschvorgangs oft als Markenakku bezeichnet (vgl. etwa Deichsel et al. 2017: 14 ff.). Durch gegenseitige positive Bestätigung laden sich Unternehmen und Kundschaft auf, indem das Unternehmen eine Leistung liefert, die wiederum von der Kundschaft mit Geld erkauft werden kann, was noch mehr Systemleistung, sowie ein positives Vorurteil, ermöglicht (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 15). Vertrauen (3.7) ist für das erfolgreiche Gelingen des Austauschprozesses ein zentraler Funktionsfaktor der Markensysteme (vgl. Meyer 1999: 343). Otte (2015: 71, 73) geht bei diesem Austauschprozess dagegen vor allem von einem Stoffwechsel aus, gleich der Osmose von Zellen, welcher durch ein genau bemessenes Ungleichgewicht ausgelöst und gesteuert wird. Der Stoffwechsel von Geld und Waren stellt daher auch eine besondere Art der Kommunikation mit der Umwelt dar (vgl. Otte 2015: 71). Wie im nächsten Absatz dargelegt wird, soll diese Art der Kommunikation dabei jedoch nicht mit sozialer Kommunikation als Sinnaustausch verwechselt werden. Viel eher bezeichnet sie den systemerhaltenden Tausch, denn Offenheit und Austausch sind für dissipative Systeme überlebenswichtig (vgl. Otte 2015: 82 f.). Als Arten des Austausches benennt Otte (2015: 75 f., 83) die genetische Kommunikation, also das Wissen um historische Besonderheiten, die metabolische Kommunikation, also den stoffwechselnden Austausch von Geld und Produkten, sowie die neurale Kommunikation, die wie die Werbung visuell-akustisch angelegt ist. Angelehnt an Tönnies, weist er der genetischen Kommunikation den Status des vegetativen Willen und des Gefallen zu, der metabolischen Kommunikation den Status des animalischen Willen und der Gewohnheit und der neuralen Kommunikation die mentale Gestalt des Willen und damit das Gedächtnis (vgl. Otte 2015: 84). Offenheit und Austausch sollen hier jedoch nicht als beliebig dehnbare Kategorien verstanden werden. Insofern begründet sich hier scheinbar ein Kommunikationsverständnis im gestalttheoretischen Ansatz, welches vor allem in Form rückkoppelnder Austauschprozesse
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
mit der Systemumwelt existent ist. Angelehnt ist dieser Kommunikationsentwurf vor allem an den Begrifflichkeiten von Tönnies (1991: 76 f.) zum Aufbau und der Konstitution des menschlichen Geistes. In Analogie zu Lebewesen tauschen Markensysteme demnach Dinge mit ihrer Systemumwelt aus. Dieses Verständnis von systemischen Austauschprozessen ist so explizit nur bei Otte (2015) zu finden und geht in der Form in den gestalttheoretischen Ansatz ein, dass von kybernetischen Lebensäußerungen und bemessenen Ungleichgewichten eines lebenden Systems ausgegangen wird. Wie im vorigen Kapitel kurz erläutert wurde, ist Kommunikation explizit die Operation sozialer Systeme, denen lebende Systeme gegenüberstehen, welche an Stelle der Kommunikation Austausch- und Stoffwechselprozesse als Operationen besitzen (vgl. dazu Hüllemann 2007: 34–37). Aus diesem Grund geht auch diese Arbeit davon aus, dass der gestalttheoretische Ansatz der Markensoziologie im eigentlichen Sinne der Theorie kein eigenes Kommunikationsverständnis als eine soziale Operation des Systems besitzt. Stattdessen wird hier gelegentlich von einem wechselseitig aufladenden, osmotischen Austausch gesprochen (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 15). Dieser ist dabei lediglich ein Austauschangebot, also die Wahrgebung des Systems (vgl. dazu etwa Errichiello/ Zschiesche 2017: 83) und somit mit Massenkommunikation zu vergleichen27 . Schließlich fließt dann auch etwas anderes zurück, wobei hierfür ein physikalisches Ungleichgewicht der Sozialatome verantwortlich ist (vgl. Otte 2015: 65, 71, 73). Insofern handelt es sich dabei um ein Black-BoxModell der Kybernetik erster Ordnung (vgl. dazu Hüllemann 2007: 22 f., 25). Somit wird auch der Austausch zwar im Ergebnis betrachtet, jedoch der ganze Prozess dahinter ausgeblendet. Der Austauschprozess findet demnach nicht sozial, sondern technisch-naturwissenschaftlich begründet statt. Lebensäußerungen und Austauschprozesse sind in diesem Sinne also zwar Teil eines weiten Markenbegriffes, jedoch sollten sie aus den angeführten Gründen nicht in ihrer bestehenden Form mit Kommunikation gleichgesetzt werden, die so nur für soziale, nicht aber für lebende Systeme gilt. Wenn hier im folgenden Text des Kapitels nun also den gestalttheoretischen Theoretikern folgend von Kommunikation geschrieben wird, ist damit bis zum Folgekapitel 3.4 der durch ein physikalisches Ungleichgewicht geregelte Austausch gemeint. Geht man von osmotischen Austauschprozessen aus, so rückt die Energie des Systems in den Vordergrund des Interesses. Die Energie des Systems lebt maßgeblich von und in dessen struktureller Dichte, nicht von dessen Ausdehnung, wie 27 Massenkommunikation bezeichnet nach Maletzke (1978: 32) die einseitige, indirekte und öffentliche Vermittlung von Botschaften mit Hilfe eines technischen Mediums an ein disperses (unverbundenes, räumlich getrenntes) Publikum.
3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
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auch die Akku-Analogie schon am Beispiel der symbiotischen Abhängigkeitsbeziehung von Marke und Kundschaft illustriert (vgl. Deichsel et al. 2017: 14, 57). Würde sich das Markensystem zu weit ausdehnen, ginge ihm die Spezifik unter Umständen verloren und seine strukturelle Dichte verringerte sich, doch lebende Systeme halten ihre Spezifik immer aufrecht (vgl. dazu Brandmeyer 1999: 395). Generell gilt für das lebende System der Marke daher, dass der Grad der Komplexität auch die Einzigartigkeit des Systems steigert (vgl. Deichsel et al. 2017: 213). Dies bedeutet auch, dass der Grad der Dichte die Anziehungskräfte der Marke bestimmt (vgl. Deichsel et al. 2017: 7). Die Gründe hierfür liegen in der Gestalt verborgen, die jedoch Gegenstand des folgenden Kapitels ist. An Luhmann angelehnt ließe sich sagen, dass Systeme klare Grenzen für ihre Ausdifferenzierung benötigen (vgl. dazu Pirck/ Prill 1999: 410). Marken sind als System damit von einer Struktur bestimmt, die von Masse (Produkten) und Energie (Geld), wie auch Energie-Äquivalenten (Ideen) durchsetzt ist (vgl. Otte 2015: 68). Markensysteme sind demnach von Grenzen umgeben, die sie als System überhaupt erst konstituieren, indem sie eine System-Umwelt-Differenz erzeugen. Diese Grenzen sind ungleichheitsrelevant, erlauben den Austausch des Systems und erhalten dessen Substanz im Inneren. Werden die Grenzen aber zu unscharf oder das System zu groß, kann der Energieaufwand der Systemerhaltung nicht mehr bedient werden und das System geht ein. Auf Organisationen bezogen, geschieht dies regelmäßig, wenn Organisationsstrukturen unkontrolliert anwachsen und nicht mehr genug eingenommen wird, um die laufenden Kosten zu decken. Das Organisationssystem bekommt also ein energetisches Ungleichgewicht und kann sich nicht mehr erhalten. Marken als dissipativ lebende, hyperorganische Systeme bestehen danach aus sozialer Willensenergie vieler Menschen und bilden aus ihr heraus ein positiv rückkoppelndes Energiesystem mit der Kundschaft. Die Rückkopplungen müssen dabei strukturell dicht durchsetzt sein, um die benötigte Energie durch wechselseitige positive Bestätigung zu erzeugen und zu erhalten, so dass das System am Leben erhalten wird. Insofern ist das Energiesystem der Marke homolog zu stoffwechselnden Zellen. Es entspricht auch den sozialen Systemen, die Tönnies (1991: 147 f.) in seiner Theorie der reinen Gemeinschaft schildert. Im Kern existieren die Markensysteme also so lange, wie sie sich erfolgreich mit ihrer Umwelt austauschen können. Strukturerhaltend wirkt dabei der generelle Wille zum Austausch innerhalb der Umwelt, der durch den Status der Institution aufrechterhalten und durch die Aktionen der Markenpersona erhalten wird. Markensysteme erfüllen jedoch noch weitere Funktionen. Auf die Stabilisatorenfunktion wurde eingangs kurz Bezug genommen. Tatsächlich treten Marken
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
als synergetische, soziokulturelle Ordner auf, die gleichgerichtetes Verhalten auslösen und Kollektive versklaven (vgl. Otte 2015: 45 f., 68, 103).28 Diese Funktion ist daraus herzuleiten, dass sich die Sozialatome frei im Raum bewegen, bis plötzlich die außergewöhnliche Erscheinung des kollektiven Verhaltens im Sinne einer bestimmten Ordnung auftritt (vgl. Otte 2015: 43 f.). Als Sozialatome sind dabei die Menschen innerhalb und außerhalb des Systems zu verstehen. Dissipative Systeme haben die Eigenart, gleichartige Vorstellungen als zugrunde liegende Ordnung zu besitzen (vgl. Otte 2015: 69). Fangesänge im Fußballstadion sind hierfür ein treffendes Beispiel. Sie werden von einer einzelnen Person begonnen, aber viele Personen stimmen, ohne weitere koordinierende Kommunikation untereinander, in den Gesang ein, so dass ein gleichgerichtetes soziales Verhalten entsteht, welches sich an der Ideen-Ordnung des Gesangs und des jeweiligen Vereins ausrichtet. Dabei können auch Gegenreaktionen auftreten. So versuchen etwa die Fans des rivalisierenden Fußballvereins die nun aufkommenden Fangesänge nicht selten selbst mit Parolen und Gesängen zu überstimmen. Erklärlich ist dieses Verhalten insbesondere in der Ordnung des Systems Fußball. Auch hier lässt sich die Ähnlichkeit mit einer Institution postulieren, die ebenfalls auf gleichartigen Ansichten basiert (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 58 f., 64). Ersichtlich ist daher auch, warum Otte (2015: 55) das theoretische Vorgehen des Atomismus ablehnt. Im Atomismus wird der Fokus vor allem mikrotheoretisch auf die einzelnen Individuen gelegt und so das Ganze aus seinen Teilen heraus erklärt (vgl. dazu Schulz-Schaeffer 2014: 99, 106–110). Stattdessen plädiert Otte (2015: 55) für eine ganzheitlich systemische Sichtweise auf Marken, in welcher mehrere kommunizierende Teile zusammenwirken und wechselwirkende Interaktionen entfalten. Er betont dabei besonders die Vernetzung aller Teile des Systems miteinander, die bei dem Wegfall eines einzigen Teils das gesamte System in eine Schieflage bringen (vgl. Otte 2015: 55). Als Großorganismus im Sinne von Domizlaff (3.6) sind die Teile des Systems selber als Organismen anzusehen (vgl. Otte 2015: 62). Insofern können Marken in dieser Perspektive ausschließlich als holistisches Gesamtsystem begriffen werden. Hier ist wieder zu vermerken, dass auch Tönnies (1991: 147 f., 153) in seiner Theorie der reinen Gemeinschaft zu diesem Schluss über holistische Systeme kam. In diesem Sinne sei nochmal hervorgehoben, dass Markensysteme stets einen übersummenhaften Charakter besitzen, der die einzelnen Menschen seiner Ordnerfunktion zu- und unterordnet. Wie im Abschnitt 3.5 noch näher dargelegt wird, sind innerhalb des 28 Versklavung ist hier als im Sinne Ottes und in Anlehnung an die Synergetik als Unterwerfung unter die kollektive Idee zu verstehen (vgl. dazu auch Otte 2015: 69, 167 f.). Allerdings bedingen sich dadurch Ordner und versklavte Personen in gegenseitiger Abhängigkeit.
3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
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Systems die einzelnen Strukturen im Großen wie im Kleinen immer wieder in untrennbarem Bezug zum Gesamtsystem enthalten. Otte (2015: 131) schlussfolgert daher, dass Marken soziale und ganzheitliche Lebewesen sind, die sich als System im Austausch mit ihrer Umwelt befinden (vgl. Otte 2015: 131). Dabei ist ein Drang erkennbar, „sich selber zu erhalten, auszudehnen und alle Beteiligten in ihrem Verhalten gleichzurichten“ (Otte 2015: 131). Der Systembegriff, welcher im gestalttheoretischen Ansatz Anwendung findet, ist demnach ein auf reiner Gemeinschaft nach Tönnies aufgebauter Begriff. Markensysteme bestehen aus dem sozialen Willen vieler Menschen und bilden einen lebenden, hyperorganischen Systemzusammenhang aus. Als lebendes System sind Marken dissipativ, weshalb sie Energie für Erhalt und Wachstum benötigen. Energie können diese Systeme jedoch lediglich in einem rückkoppelnden Austauschprozess mit ihrer Umwelt erhalten, etwa im Austausch von Geld und Produkten. Während sich Marken nach außen austauschen, sind sie gleichsam in der Lage, im Inneren ein gleichgerichtetes, kollektives Verhalten zu ordnen. Insofern findet Austausch bei Otte (2015) in Form von physikalischen Austauschprozessen, nicht aber als soziale Operation der Kommunikation statt. Daher enthält ein weiter Begriff von Marken die Vorstellung von hyperorganischen, monadischen und lebenden Systemen der reinen Gemeinschaft, die sich als Energiesysteme nach innen und außen austauschen, um sich selbst zu erhalten. Das Verständnis der engen und weiten Markenbegriffe wird noch einmal im Abschnitt 3.9 zusammengetragen. Ergänzend soll hier hinzugefügt werden, dass die Markensysteme vor allem interpretative Institutionen kennzeichnen, in denen die soziale Entität der Marke selbst als Persona auftritt und dabei die Markenorganisation vertritt, die im Kern des Markensystems angesiedelt ist und als regulierender Entscheider fungiert. Hieraus wird ersichtlich, dass der lebende Charakter des Markensystems die für den Erhalt der Marke funktionale Logik offenbart, die sich hinter den sozialen Dynamiken von Austausch und Interpretation verbirgt. Wie wir gesehen haben, handelt es sich bei Marken nicht nur um einfache Bündnisse, sondern sogar um ganze Bündnissysteme. Diese Bündnissysteme sind soziale Lebewesen eigener Art, die in den Köpfen und aus den dazu gehörigen Menschen bestehen. Am Anfang dieser Hyperorganismen aber stand das gemeinsame Wollen, wie es Ferdinand Tönnies in seinen Willensformen beschreibt. Wir erinnern uns, dass es sich bei Marken um Zeichen handelt, die zunächst einmal kürwillige Reaktionen auslösen, die schließlich bei Wiederholung einen wesenwilligen Charakter annehmen. Insofern sind auch Markensysteme ihrer inhärenten Energie nach im Ergebnis zutiefst wesenwillige Hyperorganismen. Es ist fraglich, inwiefern dies auch auf die verwandten Label zutrifft, die sich in dieser Frage
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
bereits von den Marken abgegrenzt haben, wie vorige Kapitel darstellen konnten. Das folgende Unterkapitel geht dieser Frage näher nach. Zunächst sind die Erkenntnisse aber auf das Beispiel „Unser Naturhof “ zu übertragen. Denn die Genossenschaft ist in vielfacher Hinsicht ein hyperorganisches Wesen und lebendes System, das aus den Genoss*innen, wie auch den Kund*innen besteht, die in sich gegenseitig stützender Wechselwirkung stehen. Die Kund*innen zahlen das Geld ein, welches als Energie des lebenden Organisationssystems durch die Genoss*innen gegen Masse, also Waren, getauscht wird. Das Energieäquivalent der Ideen hingegen ist durch die Wertecharta widergespiegelt, die den interpretativen Raum der Markeninstitution „Unser Naturhof “, aber auch die Darstellungsmöglichkeiten der Markenpersona begrenzen. Im Kern des Markensystem liegt dabei die Markenorganisation als Entscheiderin, die das Gleichgewicht des Energiesystems zu steuern versucht und die Normen, Regeln und Ideen verwaltet, insofern diese in ihrer Kontrolle liegen. Damit ist das hyperorganische Lebewesen das Ergebnis einer Markenorganisation mit den sie umgebenden Menschen, mit welchen sie in gegenseitigem Austausch steht. Das Markensystem kennzeichnet somit den Raum der sozialen Konstruktion durch gegenseitige Konstitution.
3.3.2
Label als Hyperorganismen?
Nachdem nun in Abschnitt 3.2.2 bereits geklärt wurde, dass es sich bei Labeln nicht im selben Maße um ein gemeinschaftliches Bündnis handelt, wie es etwa bei der Marke der Fall ist, wäre es einfach, den gemeinschaftlichen Systemgedanken unmittelbar zu verwerfen. Dies würde jedoch dem umfangreichen Charakter der Label nicht gerecht, die ihrerseits durchaus in weitreichende Strukturen eingebunden sind. Diese werden nun im vorliegenden Kapitel aus gestalttheoretischer Perspektive genauer analysiert. Vergegenwärtigt man sich noch einmal die Markensoziologie in der gestalttheoretischen Lesart, dann erinnert das Markensystem in vielerlei Hinsicht an einen strukturfunktionalistischen Aufbau aus der Summe sozialer Wesenwillen. Wie zuvor jedoch dargestellt wurde, unterscheiden sich Label und Marken nicht in den enthaltenen Willensarten, wohl aber in den durch sie aufgebauten Verbindungs- und Bündnisarten. Markensysteme leben dabei maßgeblich von ihrer strukturellen Dichte (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 14, 57), insofern von den Bündnissen der Mitglieder untereinander als Netzwerke. Da ein Label diese gemeinschaftliche Dichte nicht aufweist, ist eine zentrale Bedingung für das
3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
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Bestehen eines Systems im Sinne des Markensystems als nicht gegeben anzusehen. Folglich kann hier keine Willensenergie zirkulieren, wie es eine weitere Bedingung vorschreibt (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 1, 51). Label hingegen sind insbesondere lose in netzwerkartige Strukturen eingebunden. Zu prüfen ist außerdem, ob es sich bei Labeln um einen Hyperorganismus mit einem Eigenleben, einer DNA und einem Lebenszyklus handelt. Wie alle anderen sozialen Lebewesen, entstehen auch Label mit einem Urknall, einer Geburt, einem Einfall eines Erfinders, jedoch zweifelsohne nie wirklich spontan. Dies liegt in der Art der Label selbst begründet, die nicht selten als eine konkrete Reaktion auf ein bestimmtes Informationsproblem entworfen werden. Insofern entstehen sie in ihrer Gänze nicht spontan, sondern werden hinsichtlich ihrer Bedingungen und ihres Informationsgehalts sorgfältig entworfen. Dies gilt vor allem für Label dritter Parteien, die an die Zertifizierung auch immer konkrete Standards knüpfen und insofern an diese suprasubjektiven Regeln gebunden sind. Auch der Zertifizierungsprozess selbst ist in der Regel ein langwieriges Verfahren, was gleichermaßen eine spontane Evolution des Labels unterbindet (vgl. dazu etwa Yenipazarli 2015). Das soll jedoch nicht bedeuten, dass es nicht auch Eigenlabel mit schwachen Standards gibt oder diese Standards durch Verletzung in den Augen von Menschen geschwächt werden können. In der breiten Masse der Label liegen demnach aber weder Spontanität, eigene Evolution, noch ein Eigenleben vor. Label sind hochgradig fremdgesteuert und kontrolliert. Das legt eine andere Einbindung nahe. Die finale Frage ist nämlich, ob es sich bei Labeln um eigene Systeme oder zumindest um Hyperorganismen handelt. Auf Basis der Kriterien des vorigen Kapitels ist hier, wie dargestellt, beides zu verneinen. Dies jedoch soll keineswegs bedeuten, dass Label nicht trotzdem Teile von Systemen sein können. Tatsächlich ist das sogar der Fall. Label sind ohne Frage Teile anderer gesellschaftlicher Systeme und ein Element der Systemkommunikation von Organisationen (vgl. dazu Hüllemann 2007). Die Definition aus Abschnitt 2.3.2 deutet es bereits an, wenn davon die Rede ist, dass Label einen Teil der Interaktion zwischen Organisation und Konsument*innen darstellt. Die Organisation kommuniziert mit Hilfe von Labeln Inhalte zu den Konsument*innen, die das System sonst in physischer Abwesenheit nicht kommunizieren könnte. Bei dieser Einordnung gibt es jedoch ein Problem: Label werden keineswegs von allen verstanden. Laut SGS Germany (2014: 27) haben sich 43% schon über die unklare Bedeutung von Labeln geärgert. Zudem ist das objektive Wissen über Label in der Bevölkerung sehr unterschiedlich verteilt und es herrscht gemeinhin Verwirrung über die Masse der Label und die durch sie vermittelten Informationen vor (vgl. dazu etwa Brécard 2014; vgl. auch Grunert et al. 2014). Insofern wäre erneut zu untersuchen,
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
inwieweit Label ebenfalls Teil der Systemkommunikation sind. Da das Vorgehen der Arbeit jedoch abweichende systemtheoretische Verständnisse nicht integrieren soll, kann der Gedanke an dieser Stelle nicht weiterverfolgt werden. Für sich allein genommen sind Label kein eigenes lebendes System, wie man es Marken in gestalttheoretischer Lesart unterstellen könnte. Begründet liegt es auch in der Annahme reiner Gemeinschaft nach Tönnies (1991), die so bei Labeln nicht feststellbar sein kann. Das soll jedoch keineswegs heißen, dass sich Label nicht in anderer Perspektive als ein Teil des Organisationssystems einordnen lassen. Ebenso existieren Marken in derselben Relation zur Organisation im Organisationssystem. Insofern haben Label und Marken wieder etwas gemeinsam, wenn man sie dem Paradigma der Marke als Kommunikation zuordnet (vgl. dazu Hellmann 2003: 88–106), da beide maßgebliche Kommunikationsfunktionen erfüllen. Label besitzen aber auch hier wieder nicht den vollen sozialen Bindungsumfang der gemeinschaftlichen Marke, so dass die Frage nach ihrer markensoziologischen Einordnung die zentrale Problematik darstellt. Es stellt sich abschließend die Frage danach, wie man Label einordnen könnte, wenn es sich nicht um ein eigenes lebendes System handelt. Hierbei bestünde natürlich die Möglichkeit, sie ihrerseits als Bauteil lebender Systeme einzuordnen, was sie aber, wie beschrieben, in dieser Hinsicht nicht von Marken abgrenzen kann. Diese sind selbst ein Teil des Organisationssystems und können diesbezüglich keine relevante Unterscheidung zu Labeln vorweisen. Folglich wäre eine alternative Sichtweise an dieser Stelle von Vorteil. Einen Hinweis auf ein mögliches Vorgehen bietet der bündnishafte und insofern netzwerkhafte Charakter des Kürwillens. Verlässt man die hier unzutreffende theoretische Ebene der lebenden Systeme zu Gunsten einer eher netzwerkhaften, strukturellen Sichtweise von Bündnissen, entsteht ein alternatives Strukturmodell mit mehreren Ebenen. Dieses Modell greift dabei die reale Verschränkung der Willen nach Tönnies (1991), wie auch den Gedanken der Handlungsorientierung in Tönnies‘ Werk (vgl. dazu Opielka 2004) auf. Innerhalb eines Mehrebenenmodells lassen sich nicht nur die diversen Verwicklungen von Labeln übersichtlich darstellen, sondern auch aufzeigen, inwiefern sich Label von Marken unterscheiden. Gleichermaßen greift die Darstellung als Mehrebenenmodell auch den Gedanken der Label als Netzwerke stärker auf, als es die Systemtheorie erreichen kann. Berücksichtigt man die Schilderungen über gesellschaftliche Asymmetrie nach Coleman (1982), so sind die einzelnen Teile der Gesellschaft mit unterschiedlichen Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten ausgestattet, auch was die Regulierung und Rücksicherung durch Label anbetrifft. Die untenstehende Grafik verdeutlich ein derartiges asymmetrisches Mehrebenenmodell der Label (Abbildung 3.7).
3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
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Abbildung 3.7 Mehrebenenmodell der Label. (Quelle: eigene Darstellung)
In dieser Darstellung ist das Label lediglich ein Mittel der Kommunikation zwischen Organisation, also der Hersteller*in, und den Konsument*innen. Das Modell ließe sich insofern auch auf die Marke ausweiten, wenn man die Marke lediglich in einem engen Verständnis als Kommunikationsmedium abhandeln möchte. Dies ist zwar nicht das Ziel der Arbeit, welches sich mit der Konstruktion von Markenprodukten befasst, doch soll der Gedanke hier zunächst weiter ausgeführt werden. Denn wieder konkret auf die Label bezogen sieht man auf der Makroebene die Gesetze und Bestimmungen, die ihrerseits die Mesoebene kontrollieren. Man könnte sie um Normen und Werte erweitern, wenn man davon ausgeht, dass es sich um ethische Label handelt. Dies ist jedoch nicht durchgängig der Fall. Die Gesetze und Bestimmungen regulieren den Vergabeprozess vieler Label durch Vergaberichtlinien und ähnliches, die dann entweder direkt von Hersteller*innen oder der Prüfinstitution berücksichtig werden müssen. Die Prüfinstitution ist hier die bereits vielfach diskutierte dritte Partei, die ein privater Akteur oder eine staatliche Behörde sein kann. Sie kontrolliert die Umsetzung der Bestimmungen und kontrolliert das Vergabeverfahren, soweit sie als dritte Partei in den Prozess involviert ist. Ferner veröffentlichen Prüfinstitutionen häufig Testberichte oder Übersichten, die von Kenner*innen zur Kenntnis genommen werden. Die Kenner*innen der Label sind die bewussten Konsument*innen, die
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
sich über Label informieren und ein hohes objektives Labelwissen besitzen. Die Hersteller*in wiederum kommuniziert dann die intrinsischen Merkmale ihrer Produkte über Label an die Konsument*innen, die ihrerseits untereinander vernetzt sind und sich austauschen. Insofern weisen sie netzwerkhafte Strukturen auf. Innerhalb dieses vielfach verschränkten Prozesses herrschen damit auf allen Ebenen mehrere Kontrollinstanzen vor, die den Gehalt eines Labels überwachen, prüfen und bewerten. Anders stellt es sich bei Eigenlabeln dar. Diese weisen nicht dieselbe Komplexität auf, die ein Label einer dritten Partei besitzt. Dort fällt die Makroebene komplett weg, sofern es sich um kein ethisches Label handelt, da es für die Vergabe eigener Label in Deutschland derzeit keine Regularien und Bestimmungen gibt. Ebenso fallen auch in hohem Maße die Prüfinstitutionen weg und mit ihnen auch die Kenner*innen. Was diesen schwach regulierten Eigenlabeln bleibt, ist die Kommunikation intrinsischer Inhalte über Label an Konsument*innen. Weil diese Inhalte nicht extern überprüft werden, besteht durch unregulierte Label eine hohe Gefahr für Greenwashing. Im Extremfall kann die Hersteller*in also beinahe kommunizieren, was sie möchte. In einer abgeschwächten Mittelstufe der rein ethischen Label bleiben jedoch auch Verschränkungen erhalten, so dass auf der Makroebene noch immer Normen und Werte gelten und auf der Mesoebene externe Vereine eine Prüfung vornehmen. Als Beispiel können die im vorigen Kapitel beschriebenen Vereine wie NABU und BUND gelten. Insofern weisen Label auch mindestens drei distinkte Verschränkungs- und Kontrollstufen auf. Eine hohe Kontrollstufe besitzt mehrere Rückkopplungen auf der Makro-, Mesound Mikroebene. Eine mittlere Kontrollstufe besitzt nur wenige Rückkopplungen auf der Meso- und Makro-, beziehungsweise Mikroebene, die meist aber keinen offiziellen Charakter besitzen. Eine niedrige Kontrollstufe hingegen kommuniziert Inhalte unkontrolliert und direkt via Labeln an die Konsument*innen. Dies wird auch in der Literatur als Wettkampf der graduellen Ökolabel beschrieben (vgl. dazu auch Bleda/ Valente 2009). Grafisch dargestellt ergibt die Kontrollstufe der Label folgendes Bild (Abbildung 3.8): Abschließend ist nun also festzuhalten, dass es sich bei Labeln keineswegs um eigene lebende Systeme handelt. Dies begründet sich einerseits in fehlenden Bindungskräften der Label, wie in vorigen Kapiteln bereits dargelegt, andererseits aber auch darin, dass Label nicht die Kriterien von gemeinschaftlichen Hyperorganismen erfüllen. Stattdessen handelt es sich eher um kürwillige Bündnisse nach Tönnies. Label sind als Kommunikationsmittel ihrerseits jedoch womöglich hochgradig in diverse soziale Systeme eingebunden, wobei sie eine ähnliche Informationsfunktion wie Marken erfüllen (vgl. dazu Hüllemann 2007). Dieser
3.3 Der markensoziologische Systembegriff im gestalttheoretischen Ansatz
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Abbildung 3.8 Kontrollstufen von Labeln. (Quelle: eigene Darstellung)
Gedanke wird in den folgenden Kapiteln weiter ausgebaut und an gestalttheoretischen Kriterien weiter geprüft. Viel eher lassen sich Label aber aufgrund ihres Bündnischarakters in ein netzwerkartiges Mehrebenenmodell integrieren, welches die wechselseitigen Verschränkungen der graduell auftretenden Label aufzeigt. Denn das einseitige System gemeinschaftlicher Verbindungen lässt kürwillige Bündnisse und Verbindungen außer Acht und kann sie daher weder erfassen noch integrieren. Somit sind Label deutlich stärker an der engen Markendefinition der Marken als Kommunikationsmedien orientiert, als an der weiten, die Marken als System deklariert. Insofern wird ein Ansatz mittlerer Reichweite benötigt, welcher Kürwille und Wesenwille in ihrer vermittelten Bündnisform abbilden kann, kürwillige Kommunikationsmedien betrachtet, aber auch komplexere soziale Strukturen mit einbezieht. Denn nur über eine Integration der beiden sich gegenseitig beeinflussenden Strukturebenen, sind die Werbeintentionen und die sozialen Images zu erfassen, welche beide auf der Mesoebene verortet sind (vgl. Hölscher 1998: 115, 166, 276). Hierauf wird also insbesondere im vierten Kapitel noch einmal zurückzukommen sein, wenn die soziale Konstruktion von Markenprodukten genauer betrachtet wird. Dass es sich bei Labeln um lebende
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Systeme handelt ist insofern abzulehnen, ihre sozial-systemische Eingebundenheit ist jedoch womöglich zutreffend. Am laufenden Beispiel „Unser Naturhof “ dargelegt, wird die Problematik offensichtlich. Denn fragt man sich, welche Rolle etwa das Biosiegel für das weitaus striktere Unternehmen darstellt, dann bleibt nur die Perspektive der Bekräftigung durch verständliche Kommunikationsinhalte erhalten. Denn das Biosiegel kommt häufig vor und wird dementsprechend von vielen Personen auf Basis geteilten Wissens weitgehend zutreffend dechiffriert, als die Institution, die es ist. Insofern trägt das Biosiegel, welches selbst den Markenstatus besitzt, eher durch Kommunikation zur Konstruktion des Markenproduktes bei, statt ein vom hier existierenden sozialen Kontext losgelöstes System darzustellen. Würde man das hier formulierte Beispiel um ein weiteres Eigenlabel ergänzen, das nicht den Status einer Institution besitzt und das keinen gesellschaftlichen Wissensbestand darstellt, wäre die reine Kommunikationsfunktion im engen Markenverständnis noch deutlicher. Denn das Eigenlabel wird nur in seiner Botschaft erkannt, etwa „nachhaltig!“ und kann somit beliebige konkrete Inhalte repräsentieren. Diese Unsicherheit erleichtert Greenwashing, da beliebige Eindrücke gezielt erzeugt werden können, indem an andere bereits bestehende gesellschaftliche Wissensbestände angeknüpft wird. Dieses Eigenlabel wäre dabei aber nicht als Hyperorganismus anzusehen, da ihm zumindest die wesentlichen Energie-Äquivalente der Ideen und somit des gemeinsamen Interpretationsund Identitätsraums fehlen. Insofern stellt das Eigenlabel kein eigenes lebendes System dar, doch existiert es funktional im Markensystem.
3.4
Gestalt und ihre Komposition
Wir alle kennen die Gestalt unserer Heimatstadt, unserer Lieblingsschauspieler*innen oder unserer Leibspeise. Meist ist es uns jedoch nicht bewusst, was genau es ist, dass uns zu diesen Menschen und Dingen zieht und wir könnten häufig auch nicht exakt beschreiben, was etwa unseren Lieblingssong einmalig macht. Dennoch ist es so, dass wir nur einen kurzen Blick auf ein Gemälde werfen, ein paar Sekunden unseres Lieblingsfilms sehen müssen, um sofort sagen zu können: das ist es. Was wir besonders finden, das ist mehr als nur eine Kombination von einzelnen Elementen, aber oft reicht uns nur ein einziges Element, um das Besondere zu erkennen, das sich aus ihm bildet. Was hier anhand einiger Alltagsbeispiele kurz beschrieben wurde, wird in der Markensoziologie als Gestalt bezeichnet, die wir in den Köpfen zu einer Gestaltkomposition komponiert haben. Dieser Prozess ist bei der Erkennung von Markenangeboten besonders
3.4 Gestalt und ihre Komposition
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wichtig, denn Komplexitätsreduktion ergibt sich nur, wenn der Inhalt der Kommunikation zweifelsfrei zuzuordnen ist. Gleichermaßen ist Gestalt aber auch der besondere Inhalt von lebenden Systemen, wie sie im vorigen Kapitel diskutiert worden sind. Dieses Kapitel handelt also von dieser unverzichtbaren Komponente lebender Systeme: ihrer Gestalt. Nicht zuletzt ist die Gestalt auch namensgebend für den gestalttheoretischen Ansatz der Markensoziologie. Der reinen Wortbedeutung nach ist Gestalt eine dem Wuchs bedingte, sichtbare Erscheinung des Menschen, eine unbekannte Person, eine Persönlichkeit im Bewusstsein anderer, eine von einem Dichter geschaffene Figur oder aber eine „Form, die etwas hat, in der etwas erscheint; sichtbare Form eines Stoffes“ (Dudenredaktion o. J. e: duden.de). An den Definitionen des Wortes sind einige Ableitungen auf die Bedeutung der Gestalt für die Markensoziologie zu erkennen. Einerseits wird eine äußere Erscheinung thematisiert, die eine spezifische Form aufweist. Andererseits ist aber auch eine gedankliche Gestalt deutlich zu erkennen, die eigens geschaffen wurde und in den Köpfen anderer Menschen existiert. Die Synonyme für Gestalt stellen diese Aspekte sogar noch deutlicher heraus: „Synonyme zu Gestalt • Aussehen, Erscheinung, Erscheinungsbild, Figur, Form, Gesicht, Konstitution, Körper, Körperbau, Körperform, Statur, Wuchs; (gehoben) Leib; (landschaftlich) Positur; (Fachsprache) Morphe, Physiognomie; (Philosophie) Eidos; (Psychologie) Physiognomik • Erscheinung, Existenz, Figur, Frau, Geschöpf, Kopf, Lebewesen, Mann, Mensch, Person, Persönlichkeit, Wesen; (bildungssprachlich) Kreatur; (abwertend) Subjekt; (oft abwertend) Individuum • Figur, Geschöpf, Person, Rolle; (bildungssprachlich) Protagonist, Protagonistin • Ausformung, Design, Form, Format, Formgebung, Formung, Gebilde, Gestaltung, Machart, Schnitt, Struktur, Styling; (bildungssprachlich) Konfiguration; (veraltend) Fasson; (besonders Philosophie) Typus; (Fachsprache) Korpus“ (Dudenredaktion o. J. e: duden.de) Deutlich zu erkennen ist auch hier die enge Verknüpfung äußerer Gestalten mit inneren Gedankengebilden. An Tönnies (1991) angelehnt könnte man sagen, die Einheit von Körper und Geist wird in diesem Begriff vollzogen. Gleichermaßen ist feststellbar, dass dieses Wort in seinen meisten Synonymen und Bedeutungen etwas Lebendiges bezeichnet und dabei beinahe alle Aspekte seiner Erscheinung bezeichnen kann. Das Wort Gestalt selbst macht deutlich, weshalb es sich für die Analyse lebender Systeme besonders gut eignet. Es vereint Grundgedanken
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
der Hyperorganismen von Tönnies mit der spezifischen Form artifizieller Existenzen. Eine Marke ist in der vorliegenden Lesart der Markensoziologie beides gleichermaßen. Die eigentliche inhaltliche Impulsgebung für Gestalt stammt im gestalttheoretischen Ansatz vor allem jedoch aus der Monadologie des Naturphilosophen Leibniz. Eine Monade ist das, was Eines sein will und ein Grundmuster aller Erscheinungen (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 433). Verkürzt dargestellt, geht die Monadologie davon aus, dass die Welt aus einzelnen Substanzen besteht, die sich in übersummenartigen und unteilbaren Aggregaten von Einfachem zusammensetzen (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 434). Diese Aggregate können weder natürlich beginnen, noch auf natürliche Weise vergehen, wohl aber schlagartig durch Zusammensetzung geschaffen oder auch schlagartig vernichtet werden (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 434). Jede Monade muss, wie in der Natur, aufgrund ihrer Zusammensetzung von jeder anderen Monade verschieden sein und sich kontinuierlich nach dem inneren Prinzip verändern (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 436). Dadurch sind Monaden mehr als die Summe der Teile. Sie sind demnach also kein atomistisches Konzept. Gleichermaßen sind Monaden im holistischen Sinne unteilbar und erscheinen als übergeordnete Strukturen. Monaden sind dabei als lebendig anzusehen, was zu der je einzigartigen Gestalt der Monaden führt. Monaden und Gestalt sind durch diesen Gedankengang untrennbar miteinander verwoben. Im gestalttheoretischen Ansatz zirkuliert zu dieser Verwobenheit eine Anekdote über Leibniz, die zwei Phänomene deutlich macht: jenes der Gestalt und das der Selbstähnlichkeit (3.5). Wenn Leibniz Vorträge gehalten hat, in welchen einzelne Zuhörer*innen unangenehm auftraten, schickte er sie mit einer Aufgabe fort (vgl. Brandmeyer 1999: 393). Er gab ihnen ein Eichenblatt und bat sie, ihm ein weiteres zu bringen, welches dem ersten exakt in seiner Gestalt gleicht (vgl. Brandmeyer 1999: 393). Da sich die Eichenblätter allerdings in ihrer Gestalt nur selbstähnlich gleichen können, waren keine zwei Eichenblätter miteinander identisch und die Aufgabe war somit auch nicht lösbar (vgl. Brandmeyer 1999: 393). Gestalt und Selbstähnlichkeit (3.5) sind insofern untrennbar miteinander verbundene Konzepte. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass Gestalt als Identitätskonzept der Markensoziologie angesehen werden kann. Der Begriff Identität selbst wird von den Anhängern des gestalttheoretischen Ansatzes allerdings abgelehnt (vgl. dazu etwa Deichsel et al. 2017: 148; vgl. auch Leibniz/ Deichsel 2008: 437). Dies hängt maßgeblich mit der gestalttheoretischen Definition von Identität zusammen. Identität wird hier als ein rein mechanistisches Konzept begriffen. Genormte Massenartikel sind einander identisch, weil sie nicht zu unterscheiden sind, alles Lebendige ist aber einmalig und hat daher auch eine einmalige
3.4 Gestalt und ihre Komposition
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Gestalt (vgl. dazu Deichsel et al. 151, 154, 234). Identität ist in der Lesart nach Deichsel daher als a = a zu denken (vgl. dazu Leibniz/ Deichsel 2008: 437). Ursache für diese Lesart ist zum Teil in der sprachlichen Definition des Wortes Identität zu suchen. So heißt es im Duden zur Identität zunächst einmal: „Echtheit einer Person oder Sache; völlige Übereinstimmung mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird“ (Dudenredaktion o. J. f: duden.de) und ferner „(Psychologie) als »Selbst« erlebte innere Einheit der Person“ (Dudenredaktion o. J. f: duden.de). Die Markensoziologie stützt sich ganz offenbar auf eine zweite Bedeutung der Identität, welche auf das lateinische idem, also „der-, die-, dasselbe, der gleiche, er ebenfalls, auch er“ (Stowasser/ Petschenig/ Skutsch 2006: 242) zurückgeht: „völlige Übereinstimmung mit jemandem, etwas in Bezug auf etwas; Gleichheit“ (Dudenredaktion o. J. f: duden.de). Entsprechend kann man Identität als synonym zur Deckungsgleichheit betrachten, aber auch zur Echtheit, zum Subjekt und zum Ichbewusstsein (vgl. Dudenredaktion o. J. f: dud en.de). Identität beinhaltet folglich dem Wort nach die beiden Möglichkeiten der völligen Deckungsgleichheit und der einzigartigen Individualität von etwas. Nachteilig erscheint die Ablehnung des Identitätsbegriffes vor allem hinsichtlich der soziologischen Identitätstheorien, die eine tiefere Analyse des Paradigmas der Marke als Persönlichkeit erlauben würden (vgl. dazu Hellmann 2003: 77–88). Gleichermaßen sorgt die Beschränkung auf den Begriff der Gestalt auch für die gestalthafte Abgrenzung der Markensoziologie von anderen soziologischen Diskursen, da Gestaltpsychologie und Gestaltphilosophie vielfach abgelehnt werden (vgl. dazu Blumer 1998: 105, 114). Im wissenschaftlichen Sinne ist der Begriff der Gestalt bereits sehr alt und geht auf die Gestaltqualitäten (1890) nach Christian von Ehrenfels zurück (vgl. dazu Schering 1997: 390). Gestalten waren für von Ehrenfels psychische Zustände und Vorgänge, die mehr als die Summe der Einzelteile darstellen und transponieren, also in Relation zueinander schwingen (vgl. Schering 1997: 390). Gegenüber einer positivistischen Lesart, ging von Ehrenfels hier von einer Ganzheit der Gestalt aus (vgl. Schering 1997: 392). Ein Gestaltzusammenhang wird indes umso reiner, je ausgeprägter der innere Zusammenhang und die Abhängigkeit der Teile von allen übrigen ist (vgl. Schering 1997: 394). In einem fließenden inneren Kräftespiel werden die Teile vom Ganzen her bestimmt und können als Dynamik verstanden und analysiert werden (vgl. Schering 1997: 396).29 Entsprechend steht die Gestalt der Gruppe als Ganzes, einer atomistischen Auffassung der Individuen entgegen, wobei ein einzelnes Individuum als eigene Gestalt immer ein echter 29 So kann man sich etwa eine Gemeinschaft als soziale Gestalt vorstellen, da in ihr das Individuum von der Gruppe her bestimmt wird (vgl. Schering 1997: 401).
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Teil des Ganzes bleibt (vgl. Schering 1997: 405 ff.). Durch diese Symbiose stehen dann einerseits die Gruppe und das Individuum in Spannung zueinander, wirken gleichzeitig jedoch auch aufeinander ein, so dass sie im Kraftstrom und im Gegensatz miteinander verbunden sind (vgl. Schering 1997: 408 f.). Gestalt hat nach Deichsel, Errichiello und Zschiesche (2017: 119 ff.) drei einfache Grundregeln. Die erste Regel besagt, dass es sich bei Gestalt immer um etwas Zusammengehöriges handelt, welches sich erst nach einigen Jahren des Suchens finden und festigen muss (vgl. Deichsel et al. 2017: 119 f.). Die zweite Grundregel besagt, dass die Gestalt immer substanziell eine Abgeschlossenheit nach außen anstrebt und sich dadurch gegenüber anderen Gestalten abzugrenzen versucht (vgl. Deichsel et al. 2017: 121). Die dritte Regel besagt schließlich, dass eine starke Gestalt immer fixiert ist und dadurch die Wiedererkennung ermöglicht (vgl. Deichsel et al. 2017: 121). Insofern ist der Begriff der Gestalt als ein zusammengehöriges, nach außen geschlossenes und fixiertes Ganzes zu verstehen (vgl. auch Deichsel 1997: 226 f.). Erst Gestalt ruft etwas Bestimmtes ins Leben und nährt es durch Informationen, so wie etwa die Gestaltgehäuse der Staaten, Religionen und Familien (vgl. Deichsel 1997: 223 f.). Gestalten bilden sich immer im Inneren und werden zunehmend auswändig, wie der einzelne Einfall, der zu einer zunehmend umfassenden Kultur wird (vgl. Deichsel 1997: 226). In Homologie zu Monaden sind Gestalten abgeschlossen, haben klare Grenzen und sind potentiell unsterblich (vgl. Deichsel 1997: 226, 233 ff.). Nachdem nun aber die Vorrede zum Begriff der Gestalt abgeschlossenen ist, soll der Blick auf das in der Markensoziologie gebräuchliche Konzept der Gestaltsysteme geworfen werden. Grundbedingung der Gestalt ist zunächst einmal die Ganzheitlichkeit des lebenden Systems, wie es von Otte (2015: 55, 62) angenommen wird. Gestalten sind lebendige Einzelwesen, also in diesem Fall Hyperorganismen mit einem eigenen Lebenswillen (vgl. Deichsel 1997: 230 f.). Die Gestalt ist insofern das Ergebnis dieser Ganzheitlichkeit und basiert maßgeblich auf einer psychologischen Komponente. Die Gestaltpsychologie geht von der Übersummenhaftigkeit der Gestalt aus, die hier aus wechselwirkenden Individuen zusammengesetzt wird (vgl. Otte 2015: 63). Die Elemente sind dabei lebendig und daher nie wirklich stabil (vgl. Otte 2015: 63). Aus diesem Grunde ist auch der Gestaltprozess immer fluide (vgl. Deichsel 1997: 226). Verstanden werden kann eine Gestalt als eine reale und komplexe Struktur (vgl. Otte 2015: 63), die offenbar aber fluide und unberechenbare Elemente enthält. Entsprechend kann die Gestalt auch als Gestaltsystem begriffen werden, das eigene Erfolgsregeln besitzt und nach eigenen internen Gesetzen funktioniert (vgl. Deichsel et al. 2017: 21). Das Gestaltsystem ist normativ-dynamisch, aber auch regulativ (vgl. Deichsel
3.4 Gestalt und ihre Komposition
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1997: 229 f.). Man kann rückschließen, dass ein Gestaltsystem umso einzigartiger ist, je komplexer es ausdifferenziert wird (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 213). Das Gestaltsystem ist dabei an eine gewisse Historizität gebunden, da sich jede Gestalt aus einer individuellen Geschichte heraus entwickelt hat und dieser dann in hohem Maße verpflichtet bleibt (vgl. Deichsel et al. 2017: 21, 81). Denn eine bestimmte Gestalt benötigt eine selbstähnliche Anpassung, da sonst die lebensnotwendigen Energien aus dem System entweichen können (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 22 f., 109). Deichsel, Errichiello und Zschiesche (2017: 122) sprechen in diesem Zusammenhang auch von Gestaltdisziplin. Da eine Gestalt immer interpretationsbedürftig ist, funktioniert die Wiederkennung durch Menschen bei zu großen Veränderungen nicht mehr einwandfrei (vgl. Deichsel et al. 2017: 124). Insofern ist das Gestaltsystem einer der elementaren Teile des organischen Energiesystems des vorigen Kapitels. Die Gestaltleistung erhöht insofern auch die Systemleistung (vgl. Deichsel et al. 2017: 139). Die Gestalt ist gleichsam als zentral für den Austausch30 mit der Systemumwelt anzusehen, da sie spezifische und individuelle Energieimpulse aussendet, was in einer Normativität des Systems und einer Unterscheidungs- und Anziehungskraft nach innen und außen resultiert (vgl. Deichsel et al. 2017: 22, 109 f.). Die Anziehungskraft ist dabei in erster Linie durch den Grad der Geschlossenheit der abgegrenzten Gestalteinheit bedingt (vgl. Deichsel et al. 2017: 110, 113). Die Gestalt tritt als der Ordner des individuellen Systems auf und transportiert Inhalte gemäß der Wertorientierung der Gestalt nach außen (vgl. Deichsel et al. 2017: 113). Als einheitsstiftendes Prinzip lenkt die Gestalt das Verhältnis von Teilen und dem Ganzen dabei an, eine Einheit aus sinnlich wahrnehmbaren Elementen zu formen, weshalb sie auch das Ergebnis des normativen Willens ist (vgl. Deichsel et al. 2017: 111). Die Gestalt erlaubt es in diesem Zusammenhang auch, Dinge konkret sinnlich wahrnehmbar zu manifestieren (vgl. Deichsel et al. 2017: 119). Als Beispiel kann etwa der Geruch eines frisch gebackenen Brotes gelten, der einem Kunden in der Bäckerei seiner Wahl entgegenweht. Man betritt das Geschäft und weiß sofort: hier kann man Brot kaufen. Der Geruch löst auch eine Vielzahl von Assoziationen und Vorstellungen eines womöglich bevorstehenden Brotgenusses aus. Gestalt ist aber wie beschrieben eine Übersummenhaftigkeit von einzelnen Dingen: hat die Bäckerei etwa Stehtische oder komfortable Sitzgelegenheiten zum Verbleib, schneidet ein*e Verkäufer*in auch die Brote vor der Mitnahme oder handelt es sich vielleicht sogar um eine Selbstbedienung an 30 Der Begriff der Austausch wird hier von den Autoren nicht genannt, stattdessen aber Leistungsäußerung und Signalstruktur (vgl. Deichsel et al. 2017: 22, 109 f.). In Rückgriff auf den Systembegriff des gestalttheoretischen Ansatzes wird hier jedoch von Austausch geschrieben.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
einem Automaten. Diese Faktoren entscheiden darüber, welche Gestalt wir aus den Eindrücken komponieren und was das explizite lebende System der spezifischen Bäckerei ausmacht. Demgegenüber werden jedoch keine zwei identischen Bäckereien zu finden sein, selbst wenn es sich um ein verbreitetes Franchise handelt (vgl. dazu auch Deichsel et al. 2017: 154).31 Eine Bäckerei an der Universität kann bereits anders aussehen, als ein Backshop am Bootshafen derselben Stadt. Gestalt ist wie gesagt eine übersummenhafte Komposition aller sinnlich wahrnehmbaren Elemente, die als passend oder unpassend eingestuft werden können (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 125). Insofern ist die Gestalt auch mit einer Symbolkonfiguration vergleichbar, die in ihrer übersummenhaften Bedeutung soziale Attributionen und Zugehörigkeiten beinhaltet (vgl. dazu auch Hölscher 1998: 25, 42 f., 49 f., 157, 301). Die mögliche Erweiterung der Gestalt durch Symbolkonfigurationen wird im Verlauf des Kapitels noch ausführlicher behandelt und zunächst nur durch Einwürfe angedeutet. Doch zuvor soll hier weiter auf Gestalt in ihrer ursprünglichen Konzeption eingegangen werden, um die Grundlage der gestalttheoretischen Markensoziologie zu erfassen. Durch die reine Übersummenhaftigkeit ist nämlich nicht geklärt, inwiefern hier von einer Komposition von Gestalt zu sprechen ist. Dieser Begriff geht auf den Gedanken von Domizlaff zurück, dass das Massengehirn einen Kompositionstrieb besitze (vgl. dazu van Riet 1995: 295). Massen sind im Sinne von Domizlaff (1997), gegenüber dem Individuum, denkfaul und durch äußere Reize zu beeinflussen. Hier spiegelt sich erneut die Verbindung von sinnlich wahrnehmbaren Äußerlichkeiten mit dem Begriff der Gestalt wider. Der Wille zur Gestalt ist jedoch mehr, als nur ein Element einer denkfaulen Masse. Deichsel (1997: 221 f.) bezeichnet den Willen zur Gestalt gar als einen Aspekt der Natur, nämlich als das geheimnisvolle kompositorische Vermögen, welches alle Dinge im Sinne der aristotelischen Entelechie ordnet. Insofern besitze der Mensch ein explizites Bedürfnis zur Gestaltbildung (vgl. Deichsel 1997: 222). Gleichermaßen verfügen Menschen, in Anlehnung an Husserl, über die kompositorische Ergänzungskraft der Appräsentation (vgl. Deichsel 1997: 225). Muster können durch diese Fähigkeit blitzartig mit Hilfe eines kompositorischen Gestaltsehens des Gehirns erkannt werden (vgl. Peitgen 2006: 307). Als ein Muster kann zunächst einmal alles sinnlich Wahrnehmbare gelten. Diese Muster sind dabei insbesondere in ihrer Differenz wahrnehmbar (vgl. Peitgen 2006: 316), was die Bedeutung systemischer Grenzen und Differenzierung noch einmal betont. Durch Wiederholung und Variation der Muster ist es möglich, mit Hilfe von charakteristischen Einzelmustern typische Komponenten des Ganzen zu erkennen (vgl. Peitgen 2006: 31 Hier
sei nochmal auf das markensoziologische Identitätskonzept verwiesen.
3.4 Gestalt und ihre Komposition
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308). Mit Hilfe dieser Fähigkeit ist es den Menschen also nicht nur möglich, eigene Gestalten zu ersinnen, sondern auch, bekannte Gestalten zu vervollständigen. Sieht man etwa den Ausschnitt eines bekannten Bildes, so ist der Verstand in der Lage, aus diesem Ausschnitt das gesamte Bild abzuleiten. Eine starke und fixierte Gestalt erlaubt somit über die kompositorische Ergänzung bereits eine Wiedererkennung bekannter Muster, wenn nur sehr wenige Informationen vorliegen. Dieser Aspekt ist für die Ausdeutung von Warenzeichen von fundamentaler Bedeutung. Denn Warenzeichen erlauben Orientierung und vermitteln spezifische Informationen, wenn sie erkannt werden können. Gleichermaßen erlaubt und verlangt diese Ergänzung auch die selbstähnliche Veränderung (3.5) von Dingen. Auf Symbolkonfigurationen bezogen, wäre hier von der Dechiffrierung auszugehen, die ebenfalls auf Appräsentation beruht (vgl. dazu auch Hölscher 1998: 47, 49 ff.). Eine besondere Betrachtung ist dabei den Grenzen zu widmen. Wie schon beschrieben wurde, sind Grenzen für Systeme überlebenswichtig und wirken gleichermaßen anziehend. In Anlehnung an Luhmann werden Grenzen von Systemen außerdem für ihre Ausdifferenzierung benötigt, wobei die Geschichte den Spielraum der Ausgestaltung eines Systems festlegt (vgl. Pirck/ Prill 1999: 410). Somit verstetigen Gestalten die System-Umwelt Differenz, so wie auch die Differenz durch Grenzen eine zentrale Bedingung für die Selbstreferenz der Systeme ist (vgl. Pirck/ Prill 1999: 411). Gestalten versuchen folglich, sich klar von anderen Gestalten abzugrenzen, um sich ausdifferenzieren zu können. Die hier hervorgebrachten Grenzen setzen als Folge ihrer individuellen Gestaltausdrücke gezielte Differenzen und verdichten so das System nach innen (vgl. Deichsel et al. 2017: 202). Der Grenzwille steigt dabei mit dem steigenden Bewusstsein für die Werte des Systems ebenfalls an (vgl. Deichsel et al. 2017: 202). Dies hat weitreichende Folgen für die Möglichkeiten, in diesem System zu partizipieren. Jede Assoziation mit dem System, jede Kooperation, erzeugt nämlich auch eine Trennung zu anderen, ausgegrenzten Elementen der Systemumwelt und daher bringt eine Gestalt gleichermaßen Distinktion hervor (vgl. Deichsel et al. 2017: 202). Die wirtschaftlich bedeutsamste Grenze verläuft hier zwischen oben und unten, wobei oben durch Stil und unten durch Zweck charakterisiert wird (vgl. Deichsel et al. 2017: 204 ff.). Stil ist dabei die zentrale Kategorie in der Gestaltleistung, da durch den Stil auch die Masse am Kristallisationspunkt zusammengehalten wird (vgl. Deichsel 1997: 241 ff.). Auch innerhalb von Symbolkonfigurationen bildet der Stil eine zentrale Klammer und den zentralen Bezugspunkt, insbesondere bei der personellen Nutzung als Lebensstil (vgl. dazu auch Hölscher 1998: 63 ff.). Grenzen helfen demnach die Gestalt eines Systems zu definieren, erlauben darüber hinaus
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aber auch einen Energiefluss in die Systemumwelt und aus ihr heraus. Die Gestalten erzeugen mit Hilfe ihrer Grenzen auch Meinungen und fordern Urteile heraus, die im Abschnitt 3.7 noch nähere Betrachtung erfahren, wenn die öffentliche Meinung thematisiert wird. Anknüpfend an das vorige Kapitel sind die Grenzen auch für die gemeinsame Interpretation der Institution Marke von Bedeutung, da sie den Raum gegenseitiger Bezogenheit und gegenseitiger Konstruktion darstellen. Aus naheliegenden argumentativen Gründen soll hier nun vor der Zusammenfassung der Gestalt noch ein kurzer Exkurs zur Übertragbarkeit des Konzeptes auf die Symbolkonfiguration durchgeführt werden. Eine mögliche Übertragung hätte in einer Weiterentwicklung des gestalttheoretischen Ansatzes dabei den Vorteil, die Markensoziologie für weitere soziologische Forschung zu öffnen. Dies gilt insbesondere für interpretative Theorien, die das Konzept der Gestalt als zu starr ablehnen (vgl. Blumer 1998: 105, 114). Für die vorliegende Arbeit hat die Erweiterung dabei den praktischen Vorteil, hierdurch eine unmittelbare Verknüpfung mit der Lebensstilforschung zu öffnen, die zur Beantwortung der Forschungsfrage unmittelbar beiträgt, wenngleich der Fokus zentral auf Organisationen liegt. Zu beginnen ist dabei mit den Gestaltsubstanzen und der Komposition der Gestalt. Versteht man diese Substanzen als (An-)Zeichen und Symbole, müssen diese Verweise auf etwas abwesendes zunächst mit Hilfe der Appräsentation von den Ausdeutenden dechiffriert werden (vgl. dazu Hölscher 1998: 45–52). Es komponiert sich laut der Ursprungskonzeption in der Folge eine Gestalt. Begreift man diese Komposition stattdessen aber als Symbolkonfiguration, handelt es sich dabei um (teil-)vergesellschaftete Verweise auf (teil-)vergesellschaftete Ordnungsschemata der Sozialwelt, die den Menschen als standardisiertes Schema bei der Orientierung helfen (vgl. Hölscher 1998: 49 f.). Insofern reduzieren Symbolkonfigurationen die Alltagskomplexität, wie es auch die Gestalt tun soll. Werden die Symbolkonfigurationen durch Menschen vereinnahmt und habitualisiert, erlauben sie die Expression von Lebensstilen als ein Ordnungsschema, vermitteln soziale Bedeutung, ermöglichen soziale Identität, Distinktion und die Expression von Lebensphilosophien (vgl. Hölscher 1998: 50, 52). Symbolkonfigurationen erzeugen also Abgrenzung und Identität, ebenso wie die einmalige Gestalt, die mit ihren Grenzen das Markensystem erhält. Auf Menschengruppen bezogen begründet die Symbolkonfiguration außerdem deren ästhetische Einstellung und bildet eine Grundlage für soziale Identitäten (vgl. Hölscher 1998: 51 ff., 55), die als kollektive Identität den Kern von Markengemeinschaften darstellt (vgl. dazu Wenzel 2016: 139 f.). Symbolkonfigurationen drücken sich in diesem Sinne in beobachtbarem Stil und in Stilrichtungen aus (vgl. Hölscher 1998: 63 f.). Der Stil bietet dabei eine Interpretationsoption an, die ein Muster von Bedeutungs- und Bewertungsschemata darstellt und als kulturelles
3.4 Gestalt und ihre Komposition
155
Identifikationskriterium angesehen werden kann (vgl. Hölscher 1998: 63 ff.). Die daraus resultierende Selbstverortung im Sinne eines intendierten Stils entspricht hier der markensoziologischen Wahrgebung, wohingegen die Fremdverortung aufgrund einer verwendeten Symbolkonfiguration der Wahrnehmung entspräche (vgl. dazu Hölscher 1998: 67 f., 73 f., 76). Wie im Laufe des Kapitels dargestellt wurde, stellt Stil das zentrale Koordinationskriterium für Gestalten und insofern für Markensysteme dar. Anders als die fixe und unsterbliche Gestalt, treten Symbolkonfigurationen jedoch als wandelbar auf (vgl. dazu Hölscher 1998: 56–62), was näher am Charakter selbstähnlicher Evolution von Markensystem liegt, wie sie im Abschnitt 3.5 diskutiert wird. Ebenfalls wird bei Symbolkonfigurationen dadurch der soziale Wandel berücksichtigt (vgl. Hölscher 1998: 62), der bislang kein fester Bestandteil der gestalttheoretischen Markensoziologie ist. Wie dargelegt wurde, lässt sich die Gestalt in ihren wesentlichen Aspekt langfristig betrachtet durch die Symbolkonfiguration ergänzen, wenn nicht gar ersetzen. Der Vorteil der Symbolkonfiguration gegenüber der Gestalt ist zweifelsohne ihre soziale Flexibilität und Anschlussfähigkeit an soziologische Konzepte. Daher wird in Kapitel 4 auf ein erweitertes Konzept der hier dargestellten Symbolkonfiguration zur Beantwortung der Forschungsfrage Bezug genommen. Zum Zwecke der ersten Unterfrage der Arbeit, die sich explizit dem gestalttheoretischen Ansatz widmet, wird hier jedoch erst einmal weiter auf den gestalttheoretischen Ansatz und insofern auf Gestalt eingegangen. Resümierend kann Gestalt als ein fundamentales Element lebender Systeme begriffen werden. Sie enthält Anteile einer äußeren Erscheinung ebenso, wie interpretative innere Aspekte. Gestalt tritt monadisch als übersummenhaftes Ergebnis echter Teile in Erscheinung, definiert die Grenzen und Werte eines Systems und ermöglicht so den stabilen Energieaustausch mit der Systemumwelt. Da die Gestalt immer in einem spontanen historischen Akt in Existenz tritt, ist das Gestaltsystem auch an seine eigene Geschichte gebunden, die ihm eine Gestaltdisziplin vorschreibt, welche es fixiert, abschließt und seine Elemente stimmig ordnet. Die klar definierten Grenzen des Systems erlauben gleichermaßen die Distinktion von Menschen mittels der Kooperation mit dem von anderen Monaden differenzierten Gestaltsystem. Durch die Fähigkeit der Komposition sind Menschen indes in der Lage, aus kleinen echten Teilen die gesamte Gestalt wiederzuerkennen. Die Wiederkennbarkeit ist dabei das zentrale Ziel der Gestalt, da erst durch sie ein Energiesystem langfristig überlebensfähig wird. Im besonderen Maße gilt das Desiderat der Wiedererkennbarkeit für die Warenzeichen, die schließlich als Lösung für ein Überangebot an Informationen auf dem Warenmarkt und der damit einhergehenden Unsicherheit in Existenz getreten sind. In gewissen
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Punkten lässt sich die Gestalt dabei durch das Konzept der Symbolkonfiguration erweitern auch gar austauschen. Innerhalb des Beispiels „Unser Naturhof “ lässt sich die Gestalt daraus erklären, dass alle Anteile des Markensystems zusammenwirken, so dass sich schließlich die einmalige Gestalt des Markensystems herausbildet. Dazu zählt die Form der Markenorganisation ebenso wie ihre Verfasstheit, ihre Kundschaft, die sinnlich wahrnehmbaren Aspekte und ihre Eigenschaft als Genossenschaft, inklusive aller Genoss*innen. Durch die individuelle Kombination all dieser Gestaltsubstanzen, bildet sich schließlich die einmalige Gestalt „Unser Naturhof “ heraus, die es so in der Ausformung kein zweites Mal gibt. Insofern stellt die Gestalt hier die Übersumme und die individuelle Ausgestaltung des Markensystems dar. Als Symbolkonfiguration öffnet die Gestalt den interpretativen Raum der Institution, indem komplexe Sinngehalte und gesellschaftliche Wissensbestände anhand dechiffrierbarer Symbole kommuniziert werden. Dies geschieht in Form von Markenzeichen ebenso, wie durch die Verpackung, die Corporate Identity und die Konsument*innenansprache.
3.4.1
Die Marke als einmalige Gestaltkomposition
Betrachtet man die allgemeinen Ausführungen zur Gestalt, so verwundert es nicht, dass die Gestalt ein zentrales Thema für Marken darstellt. Es lässt sich schon aus dem Alltag bestätigen. Wir alle erkennen unsere Lieblingsmarken im Regal am Markenzeichen wieder und sind irritiert, wenn unser Lebensmittelmarkt plötzlich die Regale umgestellt oder unsere Marke ihr Verpackungsdesign geändert hat. Trotzdem haben wir mit dem Markenzeichen eine Orientierung und können unser Produkt auch an einem anderen Regalplatz wiederentdecken. An diesem Beispiel erkennen wir deutlich: Marken sind Gestaltensysteme (vgl. Deichsel et al. 2017: 21). Warum sie aber als Gestalten betrachtet werden können, wird im folgenden Text deutlicher. Denn nicht zuletzt beschreibt Markensoziologie „das sozialbindende System um eine spezifische Gestaltidee“ (Errichiello 2013: 10). Ergänzt werden die Ausführungen, wie im vorigen Kapitel auch, durch Schnittstellen zur Symbolkonfiguration, welche für die Beantwortung der Forschungsfrage in Kapitel 4 eine große Relevanz besitzt. Beginnend mit der Frage nach der Monade ist festzuhalten, dass in der gestalttheoretischen Lesart bei Marken ebenfalls von Monaden zu sprechen ist. Eine Marke ist demnach ebenfalls etwas, das Eines sein will (vgl. dazu Leibniz/ Deichsel 2008: 433). Auch eine Marke ist ein unteilbarer, spontan gesetzter Leistungszusammenhang und als Baustein der Wirtschaft ist das Markensystem eine
3.4 Gestalt und ihre Komposition
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selbsttätige Substanz (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 435). Diese Auffassung greift auf die Genfer Markendefinition zurück, die eine untrennbare Verknüpfung mit einer Marke als Entstehungsbedingung eines Markensystems vorschreibt (vgl. dazu Schmidt 2004: 249). Als Leistungszusammenhang ist jede Marke komplex und starke Marken sind sogar eine Komposition aus zahlreichen einzelnen Substanzen (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 435). Hierin ist auch die Übersummenhaftigkeit der Monade erfüllt. Gleichzeitig verweist die spontane Entstehung auf den Gründungsgedanken von Marken zurück, die oft in einem einzelnen Kopf beginnen.32 Das lebende System der Marke besteht somit aus geistiger GestaltEnergie, wodurch es, wie andere lebende Systeme auch, potentiell unzerstörbar wird (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 435). Marken können stattdessen allerdings in einen schlafenden Zustand verfallen, der sich erst durch das Gedächtnis der Masse wieder aufheben lässt (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 439). Ein Beispiel hierfür kann eine Wiedereinführung bereits verschwundener Marken sein. Man nehme sich als Beispiel etwa die TV-Sendung Wetten, dass, welche aufgrund des bereitliegenden kollektiven Gedächtnisses potentiell jederzeit als Markensystem reanimiert werden könnte. Während sich das ursprüngliche Publikum bis dahin womöglich verändert haben mag, wird doch das Wissen über das Sendeformat zum Teil vererbt und überliefert, was seinerseits neues interessiertes Publikum anziehen kann. Was schließlich aber in jedem Fall erhalten bliebe, wäre die Gestalt der Show. Somit ist auch die starke Marke als ein Gestaltsystem zu begreifen, dessen Veränderung dem inneren Prinzip folgt, welches nach außen gestalthaft geschlossen ist, aber dennoch Energien mit der Systemumwelt austauscht (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 437). Entsprechend sind auch Marken durch ihre eigene Geschichte gebunden und bestimmt. Wie bei anderen Monaden, sind auch bei Markengestalten die Grenzen von entscheidender Bedeutung. So wird betont, dass die Markenkraft durch die Differenz lebt, die sich etwa in den unterschiedlichen Begabungen der Markensysteme manifestiert (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 437). Somit existieren auch keine zwei deckungsgleichen Markensysteme, da deren kontinuierliche Veränderung der Dynamik ihrer normativ gebundenen Kraftentfaltung unterliegt (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 437). Dies kommt der Stärkung der Marke zu Gute, da sich eine Kundschaft immer nur um etwas Spezifisches versammelt (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 437). Die Bedeutung der Spezifik, also der Grenzen, ist für Marken daher kaum zu überschätzen. So könnte man sogar so weit gehen zu sagen, dass Marken von Spezifik und deren Durchsetzung leben (vgl. Deichsel et al. 2017: 23). Für die Definition und Aufrechterhaltung von Marken ist die Gestalt nicht nur ein 32 Hier
wäre dann auch von einem Ideenorganismus (3.6) zu sprechen.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Ist-Zustand, sondern sogar das entscheidende Mittel zum Zweck. Denn Gestalten verfestigen die System-Umwelt Differenz (vgl. Prick/ Prill 1999: 411) und erlauben der Energie aus dem Markensystem heraus in die Kundschaft zu strömen (vgl. Deichsel et al. 2017: 22). Auch hier lässt sich eine kausale Beziehung von Geschlossenheit und Anziehung der Gestalt etablieren. Denn je geschlossener die Markengestalt auftritt, desto anziehender wirkt sie auf Kunden, da hieraus eine Differenz zu anderen Markensystemen und der Wunsch der Kunden nach Ungleichheit verwirklicht wird (vgl. Deichsel et al. 2017: 113, 213, 231). Diese Erkenntnis deckt sich auch mit den Erkenntnissen der Lebensstilforschung zur Symbolkonfiguration (vgl. dazu Hölscher 1998: 20 f.). Es lässt sich in Bezug auf die Grenzen der Gestalt daher schlussfolgern, dass Marken über das Zusammenwirken der Leistungen in ihrer Gestalt besonders sein müssen, um in der Reibung mit anderen Markensystemen noch immer einen stimmigen Gesamteindruck auf ihr Publikum machen zu können (vgl. Deichsel et al. 2017: 110, 141, 200 ff.). Dieser Eindruck im Sinne eines sozialen Images ist auch für die Symbolkonfiguration zentral für den Erfolg einer Life-Style-Werbung, die insbesondere die Spezifik der Symbolkonfiguration hervorhebt (vgl. dazu Hölscher 1998: 115 f., 177 f., 200 f., 204 f., 301 f.). Nachdem nun festgehalten wurde, dass es sich bei Marken ebenfalls um monadische Gestaltsysteme mit fixierten Grenzen handelt, ist noch einmal der Blick auf die komponierten Substanzen der Markengestalt zu werfen. Auch hier ist festzustellen, dass Kund*innen nicht bloß die Gestaltmaterialien zu einem Image summieren, sondern ihren ganz eigenen Kompositionsdrang besitzen (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 125, 127, 129). Die Konsument*innen werden in der gestalttheoretischen Markensoziologie daher auch als „Gestaltbildungsturbine“ (Deichsel et al. 2017: 140) bezeichnet. Die Kundschaft bildet in ihren Kompositionen dabei eine ästhetische Urteilsgemeinschaft, ein Begriff auf den im Abschnitt 3.7 noch näher eingegangen werden soll (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 130– 137). An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass zunächst eine Gestalt gebildet wird, diese dann aber entweder gefällt oder Ablehnung findet. So entscheidet sich, ob das Differente, das Besondere, von der Kundschaft geliebt wird oder nicht (vgl. auch Deichsel et al. 2017: 213). Erst aber das einmütige Urteil lässt Kundschaftsmasse entstehen, die wiederum ihrerseits die Markenkraft des Systems bestimmt (vgl. dazu Deichsel 1997: 235 f.). Insofern ist das Gestaltsystem der Marke auch als massenseelischer Resonanzkörper (3.8) zu verstehen, der Gedächtnis- und Meinungsimpulse aus der Masse widerspiegelt (vgl. dazu Deichsel 1997: 241). Auch für Marken ist damit die Gestaltkomposition von zentraler Bedeutung. In Bezug auf Symbolkonfigurationen lässt sich hier die ästhetische Einstellung der
3.4 Gestalt und ihre Komposition
159
Gruppen anknüpfen, welche aus ihren habitualisierten Symbolkonfigurationen und der Stilrichtung erwächst (vgl. dazu Hölscher 1998: 52 f., 63 ff.). Alles in allem lässt sich schlussfolgern, dass es sich bei Marken im vollwertigen Sinne um lebende Gestaltsysteme handelt. Sie tragen die Charakteristika von Monaden, was zumindest die Idee ihrer Gestalt, abhängig von ihren Energien, potentiell unzerstörbar macht. Als Monaden sind Marken aus vielen kompositorischen Substanzen zusammengesetzt, die hier maßgeblich auf der Willensenergie der Gestalt basieren. Als übersummenhafte Aggregate sind sie interpretationsbedürftig und müssen zunächst zu einer einheitlichen Gestalt komponiert werden. Die daraus resultierenden Grenzen des Markensystems wirken erhaltend und anziehend zugleich, da sie die Grundbedingung für Differenzierung und Distinktion darstellen. Man sollte dabei hinzufügen, dass der Gestaltkorridor auch bei Marken durch die Geschichte bestimmt wird, wie am Beispiel von Wetten, dass illustriert wurde. Ebenfalls wurden wieder Schnittstellen der Gestalt zur Symbolkonfiguration der Lebensstilforschung aufgezeigt. Es lässt sich also festhalten, dass eine Institution auch unter Umständen die Markenorganisation überdauern kann, sobald sie als fixierte Symbolkonfiguration Teil gesellschaftlichen Wissens ist. Sobald also „Unser Naturhof “ den Status des lebenden Systems und damit der Institution erreicht hat, ist es auch möglich, das Markensystems nach dem Niedergang des Organisationssystems wiederzubeleben, da die gesellschaftlichen Wissensbestände um ihre spezifische Markengestalt bereits vorliegen. Insofern markieren Markengestalten auch die Grenze zwischen der ökonomischen und energetischen Sphäre der Marken und ihrer energieäquivalenten Sphäre der Ideen, die eine Langzeitwirkung besitzen. Sofern „Unser Naturhof “ erfolgreich über Jahre hinweg Produkte verkauft hat, wird dieses Wissen in der Kundschaft erhalten bleiben, so dass es auch zu viel späteren Zeitpunkten abrufbar bleibt und im Idealfall sogar an Kinder vererbt wurden. Hieraus speist sich auch die gestalttheoretische Vorstellung, dass Marken nicht vergehen können und langlebiger als Unternehmen sind. Zahlreiche Produktwiedereinführungen durch neue produzierende Unternehmen stützten ebenjene Annahme. Wir sehen, weshalb wir auch bei Marken von Gestalten sprechen. Wiedererkennung ist nur möglich, wenn wir in der Lage sind, eine stimmige Komposition aus den Substanzen von Marken zu bilden. Marken können demnach ihr primäres Ziel der Ordnung und Orientierung nur erreichen, wenn sie als konkrete Marken identifizierbar sind. Gleichermaßen legt die Gestalt der Marke dann einen fixierten Gestaltkorridor fest. Wäre unser Lieblingsbrotaufstrich plötzlich nicht mehr im Glas, sondern in einem Kunststoffbecher zu kaufen, erkennen wir unsere
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Marke womöglich nicht auf den ersten Blick im Kühlregal. Wie anziehend Differenz wirken kann, ist darüber hinaus gut an distinktivem Konsum zu beobachten, der bewusst auf sichtbare Abgrenzung setzt. Hier sind Gestalten von zentraler Bedeutung, damit jeder sehen kann, was man hat und was man zur Schau stellen möchte. Ein Maserati fällt mit seiner Gestalt im Straßenverkehr der Innenstadt auf, das weiß jeder, der schon einmal ein Auto dieser Marke im Straßenverkehr neben anderen Autos sah. Hieraus wird verständlich, weshalb das Besondere anzieht und wieso die Gestalt ein zentraler Stützfeiler der gestalttheoretischen Markensoziologie darstellt. Fraglich ist angesichts dieser Umstände jedoch auch, ob Label im selben Umfang über eine Gestalt verfügen, wenn es sich bei ihnen doch um andere Systeme handelt, als bei Marken. Dieser Frage soll im folgenden Unterkapitel nachgegangen werden.
3.4.2
Label als einmalige Gestalten?
Label gehören, wie in vorigen Kapiteln umfassend beschrieben, ebenfalls zu den Warenzeichen. Ohne jetzt die Zeichentheorie von Luhmann heranzuziehen oder die Symbole nach Mead konkret zu betrachten, kann legitim herausgestellt werden, dass es ein Ziel der Warenzeichen ist, Komplexität zu reduzieren und bestimmte Inhalte zu vermitteln. Insbesondere Label sind ein Teil der Interaktion von Organisationen mit Konsument*innen. Diese Funktion können sie jedoch nur erfüllen, wenn sie auch als Symbol erkannt werden. Insofern scheint es gesetzt, dass Label dieselben Gestaltkriterien aufweisen wie Marken. Dennoch lohnt sich ein kritischer Blick auf die Frage, ob es sich bei Labeln in der Tat um einmalige Gestalten im Sinne der vielfach beschriebenen Monaden handelt. Ebenso unklar ist ebenfalls, inwieweit es sich bei Labeln um eine Gestalt handelt, wenn sie doch nur einen Teil eines gesamten Produktes darstellen, nämlich als Teil der Produktinformation. Auf diese Fragen wird in diesem Kapitel der Blick geworfen. Als zentrale Ausgangsfrage kann hier gelten, inwieweit es sich bei Labeln überhaupt um monadische Gestalten im Sinne von Leibniz und Deichsel (2008) handelt. In dieser Hinsicht lässt sich die Frage schnell positiv beantworten. Label sind abgeschlossen und besitzen eine fixierte Form, da sie sonst nicht erkannt werden könnten. Diese Annahme gilt in besonderem Maße für Label von Drittparteien, da diese von einer zentralen Stelle vergeben werden und an enge Standards geknüpft werden. In vielerlei Hinsicht erfüllen diese Label ihrerseits Kriterien von Marken, wie im letzten Kapitel des Oberkapitels diskutiert wird. In diesem Sinne sind Label auch unteilbar aus verschiedenen Gestaltelementen zusammengesetzt, die einen übersummenhaften Zusammenhang ausbilden. Dadurch können
3.4 Gestalt und ihre Komposition
161
sie aber auch aufgrund ihrer einzelnen Gestaltelemente erkannt werden, was eine neue Perspektive auf Greenwashing eröffnet und erklärt, weshalb bei geringem Labelwissen die Menschen ein Label nach seiner Erscheinung auswählen (vgl. dazu Samant/Seo 2016 b: 54). Sie komponieren die ähnlichen Gestaltelemente eines Labels zu einem geistigen Zusammenhang und bilden somit eine daraus interpretierte Gestalt des Labels. Insofern weist ein Label zwar durchaus feste Grenzen auf, jedoch erlauben ähnliche Gestaltelemente auch immer ähnliche Varianten der Komposition, die dann noch immer interpretationsbedürftig sind und für sich allein keinen Aussagegehalt besitzen. In diesem Zusammenhang wird im Abschnitt 3.8.2 noch genauer auf das Thema einzugehen sein, wenn über Resonanzen gesprochen wird. Lediglich die Unsterblichkeitsannahme erscheint in Bezug auf Label problematisch, wobei der für die Betrachtung verfügbare Zeitkorridor seit etwa den 1990er Jahren33 zu kurz ist, um dies genau bestimmen zu können. Alles in allem ist davon auszugehen, dass auch Label monadische Gestalten sind, wenn man die gestalttheoretischen Prinzipien auf sie anwendet. Der Begriff der Gestalt lässt sich aus anderen wissenschaftlichen Perspektiven durchaus problematisieren, wie im Verlauf des vierten Kapitels deutlich wird (vgl. dazu Blumer 1998: 105, 114). Kompliziert wird es dann, wenn ein Label, wie es in der Wirklichkeit im Grunde immer der Fall ist, in Einheit mit einem Markenprodukt auftritt. Hier wäre zu klären, inwieweit das Label für sich genommen eine Gestalt darstellt oder ob es sich nicht viel mehr um ein substanzielles Gestaltelement des Markenproduktes handelt. Im Extremfall sind sowohl Marken, als auch Label, ein Anteil der Produktinformation und dadurch eine bloße Gestaltsubstanz der Gestaltmonade des Produktes. Insofern bilden sie im engen Verständnis von Warenzeichen nur den Charakter eines gestalthaften Kommunikationsmediums aus. Sind die Einzelteile, die Substanzen, entgegen der ursprünglichen Konzeption ihrerseits aber weiterhin eigenständige Monaden, ergibt sich daraus eine gegenseitige Verschränkung und Stufung einzelner Elemente, die das Produkt sozial konstruieren. Der reale Kontext entspricht damit also ebenfalls einer Symbolkonfiguration, die auch vom Ort des Verkaufes und weiteren Faktoren abhängig sein kann (vgl. dazu Hölscher 1998: 178 f.). Vorstellbar ist diese Verschränkung wie eine russische MatroschkaPuppe, in welcher viele kleinere Puppen in einer jeweils größeren untergebracht sind. Diese Verschränkung spiegelt sich auch in der Selbstähnlichkeit wider (3.5). Hierbei zeigt sich deutlich, dass Label ebenfalls das Potential besitzen, ein Teil 33 Als Ausgangspunkt der Label gilt vielfach die Einführung des EU-Ökolabels 1992, wobei das früheste Ökolabel-Schema mit dem Blauen Engel in Deutschland bereits 1978 implementiert wurde (vgl. dazu Prieto-Sandoval et al. 2016: 807).
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
eines Gestaltsystems zu werden. Innerhalb des Gestaltsystems erfüllen die Label als Warenzeichen dann ähnliche Funktionen wie Marken. Sie konstituieren die Deutung des Produktes in bestimmter Weise, als Teil der Interaktion zwischen Konsument*innen und Organisationen. Deutlicher wird dieser Gedankengang, wenn man Studien zu Marken und Labeln heranzieht. Laut der bevölkerungsrepräsentativen Befragung der SGS Germany (2014: 23), achten viele Menschen bei der Informationssuche etwa gleich häufig auf Label und Marken, nämlich 29 bis 39%. Laut BMEL (2017: 12) sind konkret beim Lebensmitteleinkauf Marken für 45% und Label für 35% der Befragten wichtige Auswahlkriterien. Anders verhält es sich, wenn Informationen zu dem Produkt gesucht werden. Bei der Informationssuche achteten ganze 64% der Befragten auf Etiketten und Siegel, wohingegen Marken in der Kategorie nicht erhoben wurden (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2017 a: 14). In dieser Lesart sind ganz offenbar beide Warenzeichen ein konkreter und funktionaler Teil des Gestaltsystems der Warenzeichen, die informieren und Vertrauen schaffen sollen. Offenbar ändert diese systemische Einbindung keineswegs den Umstand, dass die Warenzeichen für sich genommen eigene Monaden sind und selbst Teil mehrerer unterschiedlicher Systeme sein können, wie vorige Kapitel nahelegen. Dass Label maßgeblich positiv zur Bewertung von Produkten beitragen, wurde bereits untersucht (vgl. dazu Magnier et al. 2016). Ebenso gilt es als nachgewiesen, dass Menschen in erster Linie auf der, für die Bewertung demnach unwichtigen, Produktverpackung nach Informationen suchen (vgl. dazu SGS 2014: 28; vgl. dazu auch Magnier et al. 2016). Insofern fügt sich die Position der klassischen Wirtschaftswissenschaften hierin ein, die Label in erster Linie als Teil der technischen Produktinformationen betrachten (vgl. Rex/ Baumann 2007: 573; vgl. auch Bleda/ Valente 2009: 513). Dies deckt sich auch mit dem engen Verständnis der Warenzeichen als Kommunikationsmedien. Die Gestalten und die Resonanzen an die sie anknüpfen, sind hier offenbar nur untrennbar und ineinander verwoben vorzufinden. Diesem Umstand wird im Abschnitt 3.8.2 noch genauere Aufmerksamkeit zuteil. Für den Moment ist hier festzuhalten, dass es sich bei den monadischen Gestalten der Label offenbar auch um Gestaltelemente anderer Gestaltsysteme handelt. Dies trifft ebenso auf Marken zu. Insofern ist die Aussage des Kapitels 3.3.2 zu bestätigen, dass es sich bei Labeln zwar nicht selbst um organische Systemkerne handelt, sie aber durchaus in Zwecksysteme eingebunden sind. Schließlich bleibt noch die Frage danach zu klären, inwieweit es sich bei Labeln um einmalige Gestalten handelt, da sie offenbar nicht von jedem erkannt werden können (vgl. dazu auch Brécard 2014; vgl. auch Reis de Andrade Silva et al. 2017). Hier ist erneut auf die Fähigkeit des Gestaltsehens des Menschen
3.4 Gestalt und ihre Komposition
163
zu verweisen (vgl. Peitgen 2006: 307 f., 316). Label bestehen wie Marken aus einzelnen Substanzen oder Gestaltelementen. Diese werden dann erkannt und im Menschen zu einer Bedeutung komponiert. Was jedoch nicht geschieht, aber was implizit als Idealfall angenommen werden kann, ist die Zusammensetzung von Gestaltelementen zur richtigen, in diesem Sinne durch die Organisation intendierten, Gestalt. Verwenden viele Gestalten ähnliche Substanzen, dann kann aus den Substanzen durchaus eine andere Gestalt komponiert werden, als es die Intention der initiierenden Organisation war. Erklären lässt sich das gut mit dem Beispiel eines Hauses aus Bausteinen. Man kann Menschen Bausteine geben und sie auffordern, ein Haus zu bauen. In den allermeisten Fällen, werden die Leute unterschiedliche Häuser bauen, weil sie ein anderes Bild von Häusern im Kopf haben und unterschiedliche technische Vorstellungen davon besitzen, wie sie es mit den Bausteinen zusammensetzen wollen. Ein ähnlicher Prozess lässt sich hier für Label annehmen. Sehen sich die Label sehr ähnlich, weil sie etwa grün sind, erhöht dies das Risiko, dass die einzelnen Elemente in einen anderen Zusammenhang eingeordnet werden. Dadurch kann ein bestimmtes Label, welches womöglich dem europäischen Biosiegel in Form und Farbe ähnelt, zu diesem Biosiegel interpretativ zusammengesetzt werden. Dies ermöglicht Missverständnisse und erlaubt im Extremfall die Täuschung der interpretierenden Personen. Zweifelsohne kann dieses Problem der Gestaltkomposition aber als Teil der Verwirrung über Label angesehen werden, die nicht immer verstanden werden können (vgl. dazu etwa SGS Germany 2014: 27; vgl. auch Samant/ Seo 2016 b). Insofern tragen die Gestaltbildungsprozesse zur Verwirrung von Konsument*innen bei, wenn sich die zu bildenden Gestalten in ihren Gestaltelementen zu ähnlich sind. Ein Blick auf Bewertungsseiten wie ecolabelindex.com zeigt die Ähnlichkeit der von Labeln verwendeten Gestaltelemente für jeden Menschen deutlich auf (vgl. Big Room Inc. 2018: ecolabelindex.com). Die Kehrseite dieser Medaille ist dabei allerdings, dass der Gestaltkorridor gleichermaßen in der Lage ist, Komplexität zu reduzieren. Wenn man davon ausgeht, dass Warenzeichen zur Komplexitätsreduktion geschaffen worden sind (vgl. dazu etwa Hellmann 2003: 50; vgl. dazu auch Errichiello 2013: 81), dann erlauben einfache und gleichbleibende Gestaltelemente einer einzelnen Kategorie, wie die Farbe Grün für Nachhaltigkeit, eine schnelle Identifikation einer Kernaussage ohne umfangreiche Interpretation. Dadurch entsteht eine Möglichkeit zu großer Komplexitätsreduktion, sofern die Standards auch vergleichbar wären. Dies ist jedoch selten der Fall (vgl. dazu Yenipazarli 2015; vgl. auch Bleda/ Valente 2009). In diesem Sinne stellt sich vor allem auch die Frage danach, inwieweit Label selbstähnlich sein müssen und wie viel Variation überhaupt sinnvoll ist. Daher ist die Frage nach der Verwechslungsgefahr von Labeln durch
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
ihre Gestalt ein Thema, welches erst in den Diskussionen der Abschnitt 3.5.2 und 3.8.2 abschließend geklärt werden kann. Hier soll festgehalten werden, dass Label als monadische Gestalten aus verschiedenen Gestaltelementen bestehen, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit das Risiko einer Verwechslung beinhalten. Wenngleich Label einen monadischen Status besitzen, können sie ebenfalls Teil eines anderen Gestaltsystems sein, welches hier dem Produkt und seiner Produktverpackung zuzuordnen ist. Insofern ist das Gestaltsystem der Label nicht vollends geschlossen, jedoch ist dies im selben Maße auch bei Markenzeichen nicht der Fall, die ebenfalls als Teil des Gestaltsystems eines Markenproduktes auftreten. Um eine tatsächliche Komplexitätsreduktion erreichen zu können, müssen Marken und Label wiedererkennbar sein. Das folgende Kapitel behandelt die Wiedererkennbarkeit unter dem Aspekt, der in der systemtheoretischen Markensoziologie auch als Selbstähnlichkeit bezeichnet wird. Doch zunächst sollen die Ergebnisse am Beispiel „Unser Naturhof “ vergegenwärtigt werden. Auf den Produkten der Marke sind, wie in vorigen Kapiteln bislang nur angedeutet, mehrere Label aufgebracht. Während die Marke „Unser Naturhof “ und das Biosiegel ihrerseits einen Doppelstatus als Marken haben und insofern der Theorie zufolge je eigene Gestalten darstellen, besitzt das Eigenlabel „Nachhaltig!“ keinen Markencharakter. Es ist einfarbig grün gestaltet und ist kaum von anderen Ökolabeln mit ähnlichen Gestaltsubstanzen unterscheidbar. Dies gefährdet die Grenzen des Ökolabels, die eigentlich die Standards der Organisation signalisieren und nach außen abgrenzen sollen. Andere Markenorganisationen können sich nun der gleichen Gestaltsubstanzen bedienen, mit der Konsequenz, dass sie die von „Unser Naturhof “ aufgebauten Energie-Äquivalente der Ideen für sich nutzbar machen. Eine nicht fixierte Gestalt schwächt damit also die Grenzen des Labels „Nachhaltig!“ und erleichtert dadurch Greenwashing weiterer Parteien. Die Gestaltbildung unter Zuhilfenahme bestimmter Gestaltsubstanzen ist aber indes notwendig, um eine Wiedererkennbarkeit zu erreichen und so zur Verständlichkeit des Kommunikationsangebots beizutragen. Anders formuliert: als nachhaltig deklarierte Produkte müssen als solche erkennbar sein, sonst ist die Kommunikation nicht anschlussfähig.
3.5
Selbstähnlichkeit
Im Kapitel über die Gestalt wurde anhand der Beispiele bereits diskutiert, dass Gestalten nur einen gewissen Gestaltungsspielraum eröffnen. Als distinkte und differente Gebilde sind lebende Systeme voneinander abgegrenzt und ihre Entwicklungsmöglichkeit ist durch ihre eigene Geschichte begrenzt. Dennoch gilt für
3.5 Selbstähnlichkeit
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sie, was für alle Lebewesen gilt: hyperorganische Systeme müssen wachsen und sich anpassen, damit sie weiterhin einen Energiefluss realisieren können. Hier baut sich ein Spannungsfeld auf, zwischen der vorgeschriebenen Bewahrung der eigenen Energien und der Anpassung des Systems an neue Bedingungen. Beide sind für das lebende System überlebenswichtig. Ein Griller kann sein Sortiment nicht von heute auf morgen von Currywurst auf Salate umstellen, ebenso wenig, wie ein Automobilkonzern nur noch Diesel-Autos der siebziger Jahre anbieten kann. Der Schlüssel zur Lösung dieses scheinbar unauflösbaren Problems liegt im Konzept der Selbstähnlichkeit34 verborgen, welches in diesem Kapitel thematisiert wird. Beginnen sollte man die Betrachtung der Selbstähnlichkeit idealerweise mit einem Grundkonzept des Lebens. Denn alles Lebendige und Kulturelle ist von einem Wechsel aus Wiederholung und Variation geprägt, von Bewahrung und Evolution (vgl. dazu Kagan 1995; vgl. auch Binning 1997). Während die Kultur diesen Prozess erst künstlich erschaffen muss, regelt die Natur das Wechselspiel von selbst (vgl. Deichsel et al. 2017: 149). Was sich nicht anpassen kann, wenn sich die Bedingungen ändern, das stirbt aus. Was keine stabilen Strukturen ausbilden kann, das kann sich nirgendwo etablieren und muss in der Folge vergehen. Die Lösung liegt hier also zwischen zwei Extremen begründet. Um diesen erhaltenden Mittelweg dreht sich die selbstähnliche Evolution. Denn alle lebenden Systeme erhalten ein spezifisches Muster aufrecht und erneuern dabei nur ihre Teile (vgl. Brandmeyer 1999: 395). Rückbezogen auf die Leibniz-Anekdote zur Gestalt der Eichenblätter, lässt es sich am besten damit erklären, dass ein Eichenblatt zwar immer als ein solches aufgrund einer spezifisch wiederkehrenden Form zu erkennen ist, jedes Eichenblatt aber trotzdem eine je eigene, individuelle Gestalt besitzt, die nicht identisch mit einem anderen Eichenblatt ist (vgl. Brandmeyer 1999: 393). Dabei haben wir eine selbstähnliche Anpassung an die jeweiligen Umweltbedingungen oder an andere Einflüsse vorliegen. Das Eichenblatt wahrt eine bestimmte Form, gestaltet diese jedoch individuell aus. Anders verhält es sich bei perfekter Selbstähnlichkeit wie der mathematischen Selbstähnlichkeit des Sierpinski Dreiecks oder bei Brokkoli Röschen. Hier ist jeder Teil des Ganzen miteinander identisch und man findet im Großen stets das Kleine identisch reproduziert vor (vgl. dazu Peitgen 1999: 465 ff.). Damit ist jedoch noch immer nicht genau geklärt, wie man sich nun Selbstähnlichkeit in Bezug auf Systeme vorstellen kann. 34 Selbstähnlichkeit® ist in der Schweiz ein von Thomas Otte geschütztes Warenzeichen (vgl. dazu Otte 2015: 11). Als erster Soziologe verwendete den Begriff Simmel, der die Wichtigkeit der Selbstähnlichkeit kleinerer Bestandteile eines größeren Gebildes thematisierte (vgl. dazu Stegbauer 2016: 35 f.).
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Es wurde bereits erwähnt, dass die lebenden Systeme ihre Existenz durch Anpassung sichern müssen. Die Fähigkeit, sich selbst wandeln und anpassen zu können, wird als Autopoiese bezeichnet (vgl. Dudenredaktion o. J. d: dud en.de). Otte (2015: 85) versteht die aus der Zytobiologie stammende Autopoiese in Anlehnung an Varela und Maturana vor allem als Tendenz und Bestrebung zur Selbsterhaltung. Die Autopoiesis ist aus diesem Grund auch unmittelbar für die Selbstähnlichkeit verantwortlich (vgl. Otte 1995: 46). Das Prinzip der Selbstähnlichkeit nach Otte (2015: 89) besagt nämlich, dass alles was im Markensystem stattfindet, in Inhalt und Form ähnlich zu dem sein muss, was bereits als Selbst im System vorhanden ist. Denn eine komplett neuartige Evolution bedeutet, in Anlehnung an von Weizsäcker, eine Einmaligkeit und bewirkt nichts, eine reine Wiederholung bedeutet allerdings auch nur Bestätigung des Bekannten, was ebenfalls nichts bewirkt (vgl. Otte 1995: 46 f.). Die Autopoiesis muss sich demnach zwischen den zwei schädlichen Polen der Erstmaligkeit und der Bestätigung bewegen (vgl. Otte 1995: 47). Nur eine Ausbalancierung in der Mitte der Pole, erlaubt das Überleben des Systems. Autopoietische Systeme sind daher zirkulär und selbstreferentiell zugleich, wobei sie durch Wiederholung schließlich die Selbsterneuerung erreichen (vgl. Otte 2015: 90 f.). Sie stehen damit auch im Gegensatz zu allopoietischen, also fremdrefentiellen Systemen (vgl. Otte 2015: 94). Angelehnt an den Chemiker Eigen ist die autopoietische Reproduktion der Systeme als Hyperzyklus zu verstehen, in welchem sich selbst reproduzierende Einzelzyklen fortschreitend vollziehenden zyklischen Verknüpfungen unterliegen (vgl. Otte 2015: 95 f.). Selbstähnlichkeit ist dabei als das Äquivalent der reinen Bestätigung im oben genannten Sinne zu verstehen. Eine vollkommene Selbstähnlichkeit würde bedeuten, eine Stagnation und eine Identität im Sinne der gestalttheoretischen Lesart zu erreichen (vgl. Otte 1995: 47). Gleichermaßen ist Selbstähnlichkeit jedoch auch ein Identitätsprinzip, welches transitives Vertrauen und damit die Extrapolation von Erwartungen ermöglicht (vgl. von Weizsäcker 2010: 209 f.). Ein gewisses Maß an Bestätigung ist dadurch folglich von Vorteil für die Kommunikation des Systems, insbesondere hinsichtlich komplexer Entscheidungssituationen. In diesem Sinne ist Selbstähnlichkeit auch immer normativ (vgl. Deichsel et al. 2017: 153). Um existenzsichernd zu agieren, muss also insgesamt ein Wechsel aus Bestätigung und Erstmaligkeit erreicht werden und in diesem Sinne eine selbstähnliche Evolution, die beide Pole vereint und ausbalanciert. Die Folge dieser Balance ist die Gestalt und wie bereits zuvor beschrieben wurde, ziehen diese selbstähnlichen Systeme an und stoßen bisweilen auch ab (vgl. Brandmeyer 1999: 396 f.). Illustrieren lässt sich die Selbstähnlichkeit sehr gut an Barbie Puppen, die in immer wieder neuen Varianten, Moden
3.5 Selbstähnlichkeit
167
und mit immer neuen Berufen herausgebracht werden, jedoch stets wesentliche Charakteristika ihrer Gestalt beibehalten (vgl. Brandmeyer 1999: 396 f.). Diese Beibehaltung der Charakteristika sorgt jedoch gleichermaßen dafür, dass sich kritischer Protest gegen die wertekonservative Barbie formiert, welcher aber in aller Konsequenz das System nicht zerstört (vgl. Brandmeyer 1999: 396 f.). Barbie existiert nach den Regeln ihres eigenen Gestaltsystems fort und modernisiert sich lediglich hin und wieder. Erneuerung ist in diesem Prozess nicht nur möglich, sondern sogar notwendig, um den Lebenszyklen des lebenden Systems trotzen zu können (vgl. dazu Jones 2004: 283 f.). Es geht bei Selbstähnlichkeit also um die Reproduktion des jeweils spezifischen Interaktionsmusters, durch welches das Gesamtsystem überleben kann, weil es Anziehungskraft und Vertrauen ermöglicht (vgl. Deichsel et al. 2017: 154 f.). Es bleibt jedoch die Frage offen, was von selbstähnlicher Evolution überhaupt betroffen sein kann und in welcher Umgebung sie stattfindet. Die Anwendung des Themas wird in diesem Kapitel wieder wirtschaftlicher Natur sein, wenngleich die selbstähnliche Evolution als ein Universalprinzip des Lebendigen anzusehen ist. Systemisch gedacht, handelt es sich bei Märkten um große Ungleichgewichtssysteme (vgl. Otte 1995: 44). Sie unterliegen einem Stoffwechsel und verhalten sich non-linear, das heißt, dass die Ursache nicht gleich der Wirkung ist, der Preis ist nicht gleich dem Wert eines Produktes und so fort (vgl. Otte 1995: 44). Das Verhalten des Marktes ist hochgradig selbstreferentiell und das Ziel des Marktsystems ist stets die Existenzsicherung (vgl. Otte 1995: 44 f.). Innerhalb des Marktes existieren seinerseits wieder Muster und Ordnungen, deren kollektives Verhalten eine Metastabilität aufweist, die sich, stabil und weich zugleich, immer in Bewegung befindet (vgl. Otte 1995: 45). Es handelt sich hiermit um die lebenden Systeme, die in den vorigen Kapiteln bereits ausführlich diskutiert wurden. Wozu dient nun also Selbstähnlichkeit oder besser: die selbstähnliche Evolution. Die selbstähnliche Evolution erlaubt die Beibehaltung identifizierbarer Gestaltmuster unter gleichzeitiger Anpassung des Systems an veränderte Umweltbedingungen. Sie erhält das System somit durch Anpassung am Leben und erlaubt dennoch die Erhaltung einer geschlossenen Gestalt. Ein Eichenblatt auf der Südseite eines Baumes mag aufgrund der höheren Sonnenintensität größer wachsen, aber es bleibt etwa ein Blatt des Baumes Eiche und ist als solches erkennbar, selbst wenn die Blätter der Nordseite vielleicht krumm und schief gewachsen sind. Dass aber das südliche Blatt größer ist, trägt unmittelbar zum Überleben des Gesamtsystems Eiche bei, denn nun ist die Fläche auf der Photosynthese betrieben werden kann eine größere als zuvor. Die systemische Eiche bewegt sich hier also zwischen der Bestätigung bestehender Muster, der Blätter und ihrer Form, sowie der Erstmaligkeit ein größeres Blatt zur Sonne hin gedeihen zu lassen. Das
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
universale Prinzip der selbstähnlichen Evolution ist dabei allen lebenden Systemen zu Eigen und sichert ihren Fortbestand. Vor allem die lebenden Systeme aus Willensenergie sind hier abhängig von der Möglichkeit zur Komposition ihrer Gestaltmuster, wie das folgende Unterkapitel aufzeigen wird. Auf „Unser Naturhof “ angewandt bedeutet Selbstähnlichkeit vor allem, dass aus der Produktionsgenossenschaft für Lebensmittel nicht plötzlich etwa ein Wertstoffhändler wird. Im Rahmen der bestehenden Elemente kann sich die Institution des Markensystems daher verändern, jedoch nicht so weit, dass sie nicht mehr erkennbar wäre, da sonst die Gestalt und das damit aufgebaute gesellschaftliche Wissen verloren ginge. Würde also „Unser Naturhof “ plötzlich Bier vertreiben, wäre dies eine evolutionäre Anpassung an die Anforderungen der Systemumwelt des Marktes, jedoch keine Störung des Systemzweckes oder der Markenorganisation. Denn bei Bier handelt es sich um ein verarbeitetes Lebensmittel, welches sich mit den Systemeigenschaften in Einklang bringen lässt. Würde andererseits „Unser Naturhof “ niemals etwas anders oder neu machen, bestünde die Gefahr der Stagnation, was dann nicht nur Wachstum unmöglich macht, sondern auch schnell die Kundschaft ermüdet. Für das erfolgreiche Fortbestehen eines lebenden Systems ist demnach also immer das Wechselspiel aus Anpassung und Variation von tragender Bedeutung.
3.5.1
Marken als selbstähnliche Systeme
Wie bereits in vielen Beispielen ausgeführt wurde, geben uns Marken vor allem dadurch Orientierung, dass wir sie in einer komplexen Situation als Muster wiedererkennen können. Selbst in fernen Ländern wie Japan oder Australien kann man sich auf die Muster seiner internationalen Lieblingsmarken verlassen und bekommt in vielen Ländern sein liebstes Erfrischungsgetränk in gleicher Gestalt. Da es sich bei Marken in der vorgestellten markensoziologischen Perspektive um lebende Systeme und ebenso um Gestaltsysteme handelt, ist es also wenig verwunderlich, dass auch Marken von selbstähnlicher Evolution betroffen sind. Tatsächlich gilt die Selbstähnlichkeit hier sogar als eines der zentralen Elemente der Markenführung im gestalttheoretischen Ansatz, wobei Otte (1995, 2015) die primäre Definition dieses Elementes zuzuschreiben ist. Inwieweit Marken jedoch von Selbstähnlichkeit betroffen sind, soll dieses Kapitel nun genauer aufschlüsseln. Begonnen werden muss auch hier mit der Feststellung, dass im gestalttheoretischen Ansatz die Marken als lebende Systeme und als Gestaltsysteme zu charakterisieren sind. Entsprechend ist auch für Marken die Wiedererkennbarkeit
3.5 Selbstähnlichkeit
169
von zentraler Bedeutung, um den notwendigen Energiestrom weiterhin fließen lassen zu können. Gleichermaßen müssen Marken ihre Spezifik erhalten, da diese zentral für die Anziehungskräfte des Systems und damit für die Kundschaft ist. Verwirklicht werden können diese Aspekte nur mit Hilfe selbstähnlicher Evolution des Markensystems. Denn die Evolution lebender Systeme wie Marken funktioniert immer nur selbstähnlich und nicht mechanisch (vgl. Deichsel et al. 2017: 151, 214). Somit ist die selbstähnliche Markenführung durch ihre Gestalt und Geschichte immer auch normativ gebunden (vgl. Deichsel et al. 2017: 22). Den Gestaltungskorridor gibt dabei der individuelle Systemcode, also die DNA des lebenden Systems, vor und lenkt die selbstähnliche Evolution über die Zeit (vgl. Deichsel et al. 2017: 214 f.). Otte (2015: 89) schlussfolgert ganz in diesem gedanklichen Sinne, dass alles was im Markensystem stattfindet, entsprechend in Form und Inhalt dem ähneln muss, was bereits im System vorhanden ist. Die Selbsterneuerung realisiert das Markensystem durch die Wiederholung von Kauf und Angebot (vgl. Otte 2015: 90). Insofern ähnelt jede Leistung der Marke den anderen Leistungen und ist sich insofern selbst ähnlich, weil es in allen seinen Elementen als Markenleistung erkennbar ist (vgl. Deichsel et al. 2017: 145 f.). Das bedeutet, dass man etwa in vielen Bekleidungsgeschäften einer Kette das Markenlogo nicht nur auf der Kleidung des Hauses finden wird, sondern auch auf dem Schild an der Außenseite des Geschäftes, auf den Tüten in welche der Einkauf verpackt wird, auf der Bekleidung des Personals und an diversen anderen Orten. Gleichermaßen besitzen die verschiedenen Kleidungsstücke ganz spezifische Schnitte und Muster, die sie als Produkte der Bekleidungsmarke erkennbar machen. Die Leistung ähnelt sich folglich selbst, aber auch den anderen Leistungen der Marke. In jedem Falle ist sie als Markenleistung für alle erkenntlich. Das Bekleidungsgeschäft variiert also seine Leistungen selbstähnlich. Wenn sich das Schnittmuster ändert, dann bleibt das identifizierende Markenlogo dennoch bestehen. So entsteht ein Wechselspiel aus Erstmaligkeit und Bestätigung. Dieses Wechselspiel ist dabei allerdings zentral von den gesendeten Botschaften abhängig, weil auch die hier nicht beleuchtete Kommunikation unterschiedliche Ziele aufweisen kann. Innerhalb des Wechselspiels ist dann zwischen Signalen und Symbolen zu unterscheiden. Während Tiere laut gestalttheoretischen Vertretern auf Signale begrenzt sind, können Menschen Symbole nutzen und vererben (vgl. Deichsel et al. 2017: 190). Als Teil einer Reiz-Reaktions-Kette, sind Symbole Zeichen, die auf etwas anderes verweisen und Millionen von Sinnwelten und geistige Territorien erschaffen (vgl. Deichsel et al. 2017: 190 f.). In diesem Sinne definieren die gestalttheoretischen Vertreter Symbole wie Mead es tat (vgl. dazu
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Abels 2010: 261). Ziel markensoziologischer Herangehensweisen ist nun die Verfestigung bekannter Symbole zu Signalen, die unmittelbar ausgedeutet werden können (vgl. Deichsel et al. 2017: 191). Um jedoch die gewünschte Wirkung erzielen zu können, muss die Signalstruktur resonanzfähig (3.8) sein und sich in das bestehende kollektive Wissen des Publikums fügen. Insofern muss die Struktur typisiert sein, wie Berger und Luckmann (2016: 33–36) es beschreiben würden oder in anderer Perspektive ein signifikantes Symbol, wenn man bei Blumer (1998: 8 ff.) und im Symbolischen Interaktionismus bliebe (vgl. dazu auch Hölscher 1998: 49 f., 193). In Bezug auf die Selbstähnlichkeit kann man jedoch einen weiteren und nicht zu unterschätzenden Aspekt hinzufügen. Damit ein Markensystem weiterhin erkennbar bleibt, müssen Symbole und Signale selbstähnlich angepasst werden und unterliegen damit den Gesetzmäßigkeiten selbstähnlicher Evolution. Denn Symbole sind interpretationsbedürftig und können nicht ohne Vorwissen verstanden werden (vgl. dazu etwa Beetz/ Franzheld 2017: 17). Die konstante Signalstruktur erlaubt einerseits die Vererbung des Symbolwissens und schafft gleichermaßen die notwendige Kontinuität für eine fortdauernde Orientierung. Eine Marke, die bislang etwa mit gelben Farben aufgetreten ist und gelb in ihre Gestalt aufgenommen hat, läuft Gefahr, nicht mehr erkannt zu werden, wenn ihre Gestalt fortan von blauen Farben geprägt ist. Dies würde die gesammelten Energien aus dem vormals geschlossenen System entweichen lassen und auch die Kommunikation des Systems wäre nun nicht mehr anschlussfähig (vgl. dazu etwa Gertenbach et al. 2009: 149–164). Wird also ein Produkt nun gänzlich anders kommuniziert, wird auch sein lebensstiltypisches Image nicht mehr erkannt und die Verwender*innen werden bezüglich des Symbols irritiert (vgl. dazu Hölscher 1998: 203). Es wird deutlich, weshalb die selbstähnliche Veränderung für Marken ein geeigneter Weg ist, ihre Systemenergien zu erhalten und weshalb die selbstähnliche Evolution gleichermaßen zum Imperativ des Systems lanciert. Auf „Unser Naturhof “ bezogen, lässt sich das Beispiel der Selbstähnlichkeit an der Corporate Identity weiter ausformulieren. Diese muss wiedererkennbar bleiben und ist im Falle des Beispiels vorwiegend in Grün gehalten, um an die Nachhaltigkeit anzuknüpfen. Die Schriftart des Markenlogos stammt dabei jedoch aus den 1970er Jahren und wird von der aktuellen Kundschaft als unzeitgemäß empfunden. Um hier nicht den Anschluss an jüngere Generationen zu verspielen, passt das Markenunternehmen hinter der Marke nun als Entscheider die Schriftart an und behält die grüne Farbe bei, was eine selbstähnliche Variation darstellt. Es werden bekannte Elemente beibehalten, während andere Elemente den neuen Anforderungen angepasst werden. Das Markenlogo wurde folglich selbstähnlicher Variation unterworfen und bleibt marktfähig.
3.5 Selbstähnlichkeit
171
Für Marken ist die selbstähnliche Evolution damit ein zentrales Überlebensprinzip ihres lebenden Systems und ihrer Gestalt. Selbstähnlichkeit stellt dabei eine Form der Autopoiese dar, die den Dualismus aus Wiederholung und Variation auspendelt und dadurch die Wiedererkennung des Systems bei gleichzeitiger Anpassung erlaubt. Somit kann eine Marke gleichermaßen die Anforderungen des Marktes erfüllen und generationale Energien erhalten, die über die Zeit im System akkumuliert wurden. Die Bedingung der Selbstähnlichkeit zu missachten, würde indes bedeuten, dass das System die gespeicherten Energien wieder freigibt und womöglich in den Schlafzustand fällt, der bei den Monaden beschrieben wurde. Dabei spielt insbesondere der Erhalt der Signalstruktur die entscheidende Rolle bei der Markenvermittlung. Während Markensysteme von langfristiger und systemischer Beständigkeit geprägt sind, ist dies für Label nicht zwingend der Fall. Es ist also fraglich, ob auch Label einer selbstähnlichen Evolution unterliegen. Dieser Frage soll im folgenden Unterkapitel nachgegangen werden.
3.5.2
Selbstähnlichkeit von Labeln als Komplexitätsreduktionsmechanismus?
Wie im Abschnitt 3.4.2 bereits diskutiert wurde, sind Label durchaus als Gestalten und als ein Teil von Gestaltsystemen anzusehen. Um also erfolgreich kommunizieren zu können, gilt auch hier, dass die Symbole zu Signalen verfestigt werden müssen (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 190 f.). Dies unterliegt jedoch der im Abschnitt 3.4.2 diskutierten Problematik, dass die Gestalten von Labeln häufig aus sehr ähnlichen und insofern verwechselbaren Substanzen komponiert sind. Es ist also zu prüfen, inwieweit bei Labeln von Selbstähnlichkeit gesprochen werden kann und inwiefern diese für Label überhaupt als wünschenswert anzusehen ist. Bei Labeln handelt es sich um Gestaltsysteme, die hochgradig selbstreferentiell und im selben Maße auch fremdreferentiell agieren. Vorstellbar wird dieser scheinbare Widerspruch durch zwei Umstände. Einerseits sollen Label green credentials von Produkten kommunizieren und müssen dafür als spezifisches Label erkennbar sein (vgl. dazu Rex/ Baumann 2007: 574). In diesem Sinne agieren Label als hochgradig selbstreferentiell, weil jede Veränderung verhindern kann, dass ein Label wiedererkannt wird. Andererseits agieren Label hochgradig fremdreferentiell, wenn sie sich an anderen Labeln ausrichten. Der Blick auf Ökolabel zeigt sehr deutlich eine inflationäre Nutzung grüner Farbe und spezifischer Bilder, die sinnbildlich für bestimmte Inhalte des Labels stehen (vgl. dazu etwa NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V. o. J.: siegelcheck.nabu.de). In diesem Kontext sind Label als Signale anzusehen wie sie laut den Hauptvertretern
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
des gestalttheoretischen Ansatzes gebildet werden sollen (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 190 f.) und resonieren mit der Gesellschaft (3.8.2). Auf den Symbolgehalt der Warenzeichen und mögliche alternative Sichtweisen wird im vierten Kapitel der Arbeit detaillierter eingegangen. Auch bei der gegenseitigen Orientierung der Label an bestimmten Resonanzen steht wieder die Signalstruktur im Vordergrund, die möglichst eindeutig sein sollte, um Inhalte erfolgreich vermitteln zu können. Label wirken somit auf zwei Weisen auf ihre Identifizierbarkeit hin. Wird ein spezifisches Label aufgrund eines vorangehenden Wissens als solches erkannt, wirkt es positiv (vgl. dazu etwa Grunert et al. 2014: 187; vgl. auch Samant/ Seo 2016 a: 156 f.). Fehlt das Vorwissen, kann zumindest seine Gestalt soweit zugeordnet werden, dass eine Grundbotschaft interpretierbar wird, so dass Menschen mit geringem Labelwissen eher auf die Gestalt eines Labels achten, statt die Inhalte der Informationen interpretieren zu wollen (vgl. dazu etwa Samant/ Seo 2016 b: 54). Insofern ist für Label die möglichst große Selbstähnlichkeit ein doppelter Absicherungsmechanismus gegen eventuelle Fehlinterpretationen. Diese entstehen später jedoch dennoch durch die Inflation der Label. Rein auf die Selbstähnlichkeit der Gestalt bezogen, muss jedoch festgestellt werden, dass es sich bei den Gestaltsystemen der Label um hochgradig selbstähnliche Systeme handelt. Wäre nun etwa ein Ökolabel nicht blau oder grün, sondern violett, dann würde es vermutlich anders ausgedeutet werden. Würde das EU Biosiegel spontan auf ein Quadrat umgestellt, welches einen gelben Punkt in seinem Mittelpunkt besitzt, würde es im Extremfall überhaupt nicht mehr ohne Vorwissen erkennbar sein. Insofern ist die vollkommene Beibehaltung der Signalstruktur ein systemischer Imperativ für Label, der selbst den Grad der benötigten Selbstähnlichkeit von Marken übersteigt. Der Hintergrund dieser Ausrichtung ist im Zweck der Label zu suchen. Label sollen Informationen vermitteln, die hochgradig auf Vertrauen beruhen, so genannte credence attributes (vgl. dazu etwa Samant/ Seo 2016 a: 151). Auch wenn auf Vertrauen und die öffentliche Meinung erst in Abschnitt 3.7 eingegangen wird, soll hier bereits festgehalten werden, dass Sicherheit nur dann entstehen kann, wenn die Bedeutung der Signalstruktur wie oben beschrieben deutlich ist. Ist das Bewusstsein über die Inhalte des Labels hoch, wird dem Label auch stärker vertraut und es wird häufiger zur Information herangezogen (vgl. Samant et al. 2016: 152 f.; vgl. dazu auch Hartmann et al. 2018: 379). Aus Gründen der Produktsicherheit orientieren sich viele Menschen an Labeln, denn etwa 90% der Befragten halten Lebensmittel für ein potentielles Sicherheitsrisiko (vgl. SGS Germany 2016: 6). Aus dieser Verunsicherung heraus ließe sich auch die Masse der Label im Lebensmittelsektor erklären, die Sicherheit in einem Bereich schaffen sollen, in welchem Unsicherheit bei den Konsument*innen vorherrscht. Vertrauen
3.5 Selbstähnlichkeit
173
muss allerdings erst langfristig über positive Bestätigung aufgebaut werden. Insofern stellt jede Veränderung an dieser Stelle auch eine potentielle Verunsicherung der Menschen dar. Jede Beibehaltung unterstützt damit das Überleben des Labels, welches dadurch auch zum Überleben von Markensystemen beiträgt, indem es bestimmte Wahrgebungsinhalte eines Markenproduktes unterstützt. Vor diesem Hintergrund scheint aber insbesondere der Evolutionsgedanke problematisch zu sein, da hier unmittelbar das Risiko eines Zerfalls der Labelinhalte in vielen Systemen entsteht. Was also für Markensysteme als Wechselspiel von Selbstähnlichkeit und Evolution gilt, ist für Label so nicht diagnostizierbar und womöglich sogar schädlich. Dieses Wechselspiel scheint im Kontext des ohnehin schon geringen Labelwissens besonders problematisch zu sein, da das bereits vorhandene Wissen sonst immer wieder neu erworben werden müsste. Man könnte also postulieren, dass bei Labeln, anders als etwa bei Marken, die perfekte Selbstähnlichkeit und damit die absolute Bestätigung der signalisierten Botschaft das Ziel darstellt (vgl. dazu Otte 1995: 46 f.). Hieraus lässt sich auch erklären, dass es sich bei Labeln um keine organischen Systeme handelt, da lebende Systeme sich stets weiterentwickeln müssen, um bestehen zu können (vgl. dazu Kagan 1995; vgl. auch Binning 1997). Dies wiederum ändert jedoch nichts daran, dass Label dennoch als Zweck- und Gestaltsystem begriffen werden können, da Gestaltsysteme in ihrer monadischen Art nicht automatisch mit den dissipativen Systemen gleichgesetzt werden können, die gestalttheoretische Theoretiker annehmen, wenn dort allgemein von System gesprochen wird. Die Regeln für Gestaltsysteme und dissipative Systeme scheinen sich in diesem Punkt grundlegend zu unterscheiden, was unter Umständen ein konzeptionelles Problem darstellen kann, wie im vierten Kapitel näher ausgeführt wird. Die Selbstähnlichkeit von Labeln birgt daher Risiken, durch die eine Weiterentwicklung fast unmöglich ist. Somit ist die beinahe einzige Möglichkeit einer Innovation die Neugründung von Labeln. Ein neues Label erlaubt die Verwendung neuer Signale und auch die Implementierung neuer Standards. Diese Neugründung führt in der Folge aber dazu, dass die gesamte Signalstruktur aller Label womöglich überlastet wird. Da immer mehr Label einen gleichen Resonanzraum bedienen und dabei für immer andere Standards stehen, trägt ihre Inflexibilität einerseits dazu bei, Vertrauen zu schaffen, andererseits sorgt sie jedoch auch für eine Inflation der Label und Standards (vgl. dazu etwa Bleda/ Valente 2009: 513; vgl. dazu auch Li/ van ‘t Veld 2015: 164). Auf die hier aufgeworfene Problematik soll in den kommenden Kapiteln weiter eingegangen werden. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass es sich bei Labeln um idealerweise perfekt selbstähnliche Gestaltsysteme handelt, die jedoch nicht die Kriterien dissipativer Systeme erfüllen und insofern keiner großen Evolution unterliegen dürfen.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
In Summe ist es also so, dass das Eigenlabel von „Unser Naturhof “ nicht verändert werden sollte, weil sonst seine Informationsfunktion gefährdet wird. Während also die Corporate Identity der Marke selbstähnlich variiert werden kann, gefährdet die Variation von „Nachhaltig!“ dessen Wiedererkennbarkeit und sein Prüffunktion für kritische Konsument*innen. Aufgrund ihrer vergleichbaren Gestaltsubstanzen besteht dadurch dann das große Risiko, dass das Eigenlabel mit anderen Ökolabeln verwechselt wird, wie im vorigen Oberkapitel bereits diskutiert wurde. Aus Perspektive des Markensystems sind solche Irritationen eine Schwächung der Energien und Grenzen des Systems und insofern auch nach Möglichkeit durch die Entscheider zu vermeiden. Da der Kernpunkt der Label jedoch ein Informationsangebot ist und im weiteren Sinne die Idee darstellt, bestimmte Inhalte zu vermitteln, handelt es sich bei Labeln höchstwahrscheinlich um Ideenorganismen. Diesem Aspekt der gestalttheoretischen Markensoziologie wird im nächsten Kapitel nachgegangen.
3.6
Ideenorganismen
Wir alle kennen es, wenn uns eine Idee packt, wenn wir einen bestimmten Song nicht mehr aus dem Kopf bekommen und wir diesen Ohrwurm mit anderen teilen möchten. Der Song oder eher: die Idee von ihm, entwickelt in unserem Kopf ein Eigenleben. Weil wir nicht die einzigen sind, die von dem Ohrwurm heimgesucht werden, findet der Song immer mehr Anhänger*innen und wird vermutlich in der Folge auch häufiger gekauft. Was wir dann gerne laut im Radio hören, wird auch von anderen passiv mitgehört und der Ohrwurm pflanzt sich fort wie eine Grippe. Diese Grippe aber befällt unseren Geist und unterwirft ihn seiner Logik. Was hier negativ konnotiert dargestellt ist, wird in der gestalttheoretischen Markensoziologie gemeinhin als Ideenorganismus bezeichnet. Ideenorganismen sind eine direkte Fortführung der Idee der Hyperorganismen nach Tönnies. Wir erweitern also die Logik des lebenden Systems für diese Betrachtung ein wenig und widmen uns der Konstitution dieses spezifischen Großorganismus. Das Konzept des Ideenorganismus, wie auch das Konzept des Großorganismus, gehen auf den Begründer der Markentechnik Hans Domizlaff zurück. In einer Aufstellung definiert Domizlaff zwölf geistige Bedürfnisse und Urtriebe, wobei er das Anlehnungsbedürfnis als den ältesten Trieb hervorhebt und ihn nicht nur als Ursprung aller anderen Bedürfnisse setzt, sondern ihn sogar zur Ursache der Gesellschaftsbildung deklariert (vgl. Sumerauer-Bodensoh 1995: 83). Aufgrund dieses Anlehnungsbedürfnisses gruppieren sich die Individuen als Elementarteilchen um einen gemeinsamen Kristallisationspunkt, wie eine Idee oder eine
3.6 Ideenorganismen
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Person (vgl. Sumerauer-Bodensoh 1995: 85 f.). In diesem Punkt unterscheiden sich Ideenorganismen damit nicht von Gemeinschaften und Markensystemen. Es bilden sich Großorganismen, die ein durch Stil geschlossenes Auftreten besitzen, welches als äußeres Wirkmittel die Einheitlichkeit und Würde des Großorganismus kommuniziert (vgl. Sumerauer-Bodensoh 1995: 84 ff.). Folglich entstehen hier auch Ähnlichkeiten zu Gestalten und Symbolkonfigurationen, für welche der Stil ein zentrales Mittel der Koordination darstellt. Obwohl die Großorganismen miteinander und umeinander konkurrieren, können Menschen mehreren Großorganismen zugleich angehören (vgl. Sumerauer-Bodensoh 1995: 85 f.; vgl. auch Domizlaff 1997: 293). Dies ist ähnlich zu verstehen wie das Individualitätskonzept Simmels, der den Menschen als Summe der Kreise beschrieb, in denen er vorkommt (vgl. dazu Münch 2002: 228 ff.). Vergleichbar ist dieser Gedanke mit einem modernen Gemeinschaftsbegriff, welcher der Exklusivität der reinen Gemeinschaft entgegenläuft. Großorganismen sind in ihrer Struktur dabei den lebenden Systemen ähnlich, da sie strukturähnlich auch in größeren Großorganismen vorkommen (vgl. Sumerauer-Bodensoh 1995: 85 f.). Dies erinnert stark an die perfekte Selbstähnlichkeit des Sierpinski Dreiecks (vgl. dazu Binning 1997). Damit ein Großorganismus entstehen kann, müssen sich demnach die Elementarteilchen der Individuen um einen gemeinsamen Kristallisationspunkt herum gruppieren. Dabei verändert sich ihr Verhältnis zum Ganzen. Domizlaff beschreibt diesen Prozess als Vermassung. In der Massenkommunikationsforschung ist der Begriff der Masse durchaus umstritten (vgl. etwa Maletzke 1978: 32), doch soll er hier dennoch aufgrund seiner Bedeutung für den gestalttheoretischen Ansatz vorgestellt werden. Wie auch in der Markentechnik, wird hier zwischen Individualpsyche und Massenpsyche unterschieden (vgl. Domizlaff 1997: 289). Individuen beschreibt Domizlaff (1997: 290 f.) als materiell, egoistisch und geltungssüchtig, sowie des Schlussfolgerns, des Abwägens und des Erinnerns fähig. Sie sind in erster Linie durch Inhalte zu beeindrucken, jedoch weniger durch Farben und Symbole (vgl. Domizlaff 1991: 291). Die Masse hingegen ist des Schlussfolgerns nicht fähig, ist äußerst denkfaul, kann sich nur an Fundamentales erinnern, sucht die Schuld immer bei anderen und ist dennoch nicht egoistisch (vgl. Domizlaff 1997: 291 f.). Laut Domizlaff (1997: 292) unterliegt die Masse Stimmungsschwankungen, hat ein mangelndes Kritikvermögen, lässt sich durch Farben, Symbole und Theatralik beeindrucken und ist aus diesem Grunde auch sehr stolz auf ihre Repräsentant*innen. Die Repräsentant*innen sind dabei keineswegs ausschließlich als Individuen zu betrachten. Vielmehr können sie Charakteristika der Masse widerspiegeln (vgl. Domizlaff 1997: 292). Was nun während des Prozesses der Vermassung geschieht, lässt sich anhand dieses
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Dualismus bereits erahnen. Als Teil einer Masse, gibt ein Mensch einen Teil seines individuellen Intellekts ab und stellt nun als Mitglied der Masse Formen über Inhalt und die Sehnsucht nach Halt über seine Geltungssucht und seinen Egoismus (vgl. Domizlaff 1997: 293). Dies erinnert stark an den Dualismus reiner Gemeinschaft und reiner Gesellschaft nach Tönnies (1991). Wenngleich Menschen aber von Massen vereinnahmt werden, können sie zeitgleich mehreren Massen und auch wie beschrieben mehreren Großorganismen angehören (vgl. Domizlaff 1997: 293). Als kritiklos, anlehnungsbedürftig und leicht zu beeindrucken, sind Massen der elementare Bestandteil der lebenden Großorganismen. Wie auch Hyperorganismen, besitzen Großorganismen eigene Lebensregeln. So haben Großorganismen eine eigene Organstruktur, wie andere Lebewesen auch (vgl. Domizlaff 1997: 293). Sie können erkranken und auch durch Konkurrenz sterben (vgl. Domizlaff 1997: 304). Großorganismen wollen wachsen und können ihre Richtung ändern, wobei sie stets von ihrem Direktionssinn geleitet und zusammengehalten werden (vgl. Domizlaff 1997: 303). Der Direktionssinn greift dabei auf sechs immer gleiche Methoden zurück, um seine Ziele zu erreichen (vgl. dazu Domizlaff 1997: 302 ff.). So verspricht der Großorganismus erstens praktische Vorteile und nutzt zweitens vorgefundene Neigungen in seinem Sinne aus (vgl. Domizlaff 1997: 302 f.). Durch diese beiden Maßnahmen, bindet der Großorganismus Individuen an sich. Drittens kämpft der Großorganismus gegen Intelligenz, Kritik und Gedankenfreiheit im Organismus an und bemüht sich, das selbstständige Denken durch inhaltslose Phrasen zu ersetzen (vgl. Domizlaff 1997: 303). Mit dieser Maßnahme reduziert der Großorganismus die Kritikfähigkeit der Individuen und vereint sie so zur Masse. Der vierte Punkt zielt auf nämliche Vermassung ab, wenn der Großorganismus die Moral für sich total in Anspruch nimmt (vgl. Domizlaff 1997: 303). Alles was dem Organismus dienlich ist, wird gestärkt, wohingegen jede Ethik als unmoralisch bekämpft wird, wenn sie dem Ziel des Großorganismus zuwiderläuft (vgl. Domizlaff 1997: 303). Das Ergebnis der Vermassung ist fünftens die blinde Opferwilligkeit aller Untertanen (vgl. Domizlaff 1997: 303). Die Masse ist nun ihrer Kritikfähigkeit beraubt und kann vom Großorganismus instrumentell benutzt werden. Dieser Effekt ist auch heute noch in totalitären politischen Systemen zu beobachten. Schließlich reguliert der Großorganismus sechstens die inneren Dezernatskämpfe, die bei größerem Wachstum des Organismus zunehmen und so das Potential besitzen, ihn durch inneres Wachstum abzutöten (vgl. Domizlaff 1997: 304). Nachdem nun geklärt ist, wie Großorganismen entstehen, wie sie zu beschreiben sind und was ihr Leben ausmacht, bleibt noch aus, die ungeklärte Frage nach ihrem Kristallisationspunkt zu klären. Denn ein Großorganismus tritt wie
3.6 Ideenorganismen
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beschrieben dann in Existenz, wenn es ihm gelingt, Masse um einen Kristallisationspunkt herum zu organisieren und zu unterwerfen. Der Schlüssel zum Verständnis dieses Konzeptes liegt in den Ideenorganismen selbst begründet. Denn Domizlaff (1995: 351 f.) geht davon aus, dass auch Ideen die Merkmale des Lebens wie Geburt, Konkurrenz und Tod aufweisen können, wodurch in der Folge auch für die daraus hervorgehenden Bilder (Analogien) die Gesetze des Lebens gelten. Er begründet dies auch mit der raubtierartigen Herrschaft, die Ideen entwickeln können und die es ihnen erlaubt, sich andere Ideen einzuverleiben (vgl. Domizlaff 1995: 353 f.). Eine derart ausentwickelte Idee gleicht schließlich einem Zellenstaat mit organischen Sondertrieben und einer ausschließlichen Beschränkung durch einen obersten Direktionssinn (vgl. Domizlaff 1995: 354 f.). In diesem Moment ist aus einer Idee ein Großorganismus oder besser: ein Ideenorganismus geworden. Entsprechend dieser Konzeption können die Ideen dann auch Nachwuchs zeugen, müssen sich ernähren, ausscheiden und Stoffwechsel betreiben, ihr Herrschaftsterritorium bleibt aber meist auf die Gedanken eines einzelnen Menschen beschränkt (vgl. Domizlaff 1995: 355, 357 f.). Selbstständig wird ein Ideenorganismus erst, wenn er sich in mehreren Köpfen festsetzen kann (vgl. Domizlaff 1995: 357 f.). Sobald dies geschehen ist, setzt demnach eine Vermassung der Menschen um den Kristallisationspunkt der Idee ein. Der Ideenorganismus strebt dabei die Ideenherrschaft an, die Menschen seiner Idee sklavisch unterwirft und ihre Urmotivation durch die Motive der Idee ersetzt (vgl. Domizlaff 1995: 258 f.; vgl. auch Domizlaff 1997: 358 f.). Trotz der Analogie zu körperlichen Lebewesen, sind Ideen laut Domizlaff (1995: 362) unkörperliche Lebewesen, die wie Lichtstrahlen ineinander reichen. Wir haben es hier demnach mit psychischen Großorganismen zu tun, deren Kristallisationspunkte Ideen sind. Großorganismen sind im Sinne von Domizlaff also systemartige und selbstähnliche Zusammenschlüsse von Individuen um einen gemeinsamen Kristallisationspunkt herum. Aus den kritikfähigen Einzelindividuen wird dabei eine kritiklose Masse gebildet, die vom Großorganismus zunächst vereinnahmt und dann unterworfen wird. Der Großorganismus besitzt währenddessen ein Eigenleben, sowie einen Lebenszyklus. Wenn der Kristallisationspunkt eine Idee ist, so bildet sich ein unkörperlicher Ideenorganismus heraus, der als Idee die Herrschaft über den Verstand seiner Elementarteilchen übernimmt und sich dort auch andere Ideen einverleibt. Auffällig eindeutig ist hier die Verbindung zu den Hyperorganismen nach Tönnies, für welche Groß- und Ideenorganismen mehr als eine Art Akzentuierung des Ursprungsgedankens erscheinen. Beide Konzepte gruppieren Menschen um einen gemeinsamen Kern, bei Tönnies den Willen und bei Domizlaff eine Person oder Idee. In beiden Fällen werden systemartige, übersummenhafte Aggregate gebildet, die den einzelnen Willen reduzieren und die
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Menschen vermassen. Schließlich werden Hyper- und Großorganismen als homolog oder zumindest analog zu natürlichen Lebewesen betrachtet, wenngleich ihre unkörperliche Natur betont wird. Insofern sind Ideen- und Großorganismen nach Domizlaff zwar mittelbar an den Systemgedanken der gestalttheoretischen Markensoziologie anschlussfähig, besitzen aber auch eine offene Schnittstelle zu den Individuen, die hier eindeutig ein Eigenleben führen. Gleichermaßen existiert der Großorganismus dazu in gewissem Maße unabhängig. Hier ließe sich eine Klammer zu den Markengemeinschaften nach Wenzel (2016) ziehen, die im Zentrum um die Idee einer kollektiven Identität gruppiert sind. Hieraus ließe sich den Ideenorganismen eine interpretativ soziologische Komponente hinzufügen, die auf der Makroebene sogar den Status einer Kultur annehmen kann. Die Erweiterung eröffnet dabei eine Vielzahl soziologischer Herangehensweisen, von denen einige unmittelbar zur Beantwortung der Forschungsfrage in Kapitel 4 herangezogen werden und die hier nun nicht weiter ausgeführt werden. Um sie jedoch kurz zu benennen sei dabei insbesondere auf die wissenssoziologische Konzeption nach Berger und Luckmann (2016) und auf den Symbolischen Interaktionismus nach Blumer (1998) verwiesen. Der Ideenorganismus selbst lässt sich wieder an einem Beispiel gut vergegenwärtigen. Wir alle haben das beschriebene Phänomen bereits am eigenen Leibe erfahren. Jeder, der schon einmal ein Konzert besucht hat, weiß um die Wirkungsregeln der Ideenorganismen. Kauft man noch als kritikfähiges Individuum die Konzertkarte und geht vielleicht auch allein in die Konzerthalle, so ist man am Platz bereits schon einer von vielen und spätestens mit dem Auftritt der Band wird man zu einem Teil der Masse. Man singt gemeinsam mit dem restlichen Publikum den Refrain eines bekannten Titels und wird von der Band dazu dirigiert im Rhythmus zu klatschen. Diese Handlungen werden nicht hinterfragt, man nimmt daran einfach teil. Die Idee ist in allen Köpfen zugleich. Zuhause erzählen wir von unseren Erlebnissen und unsere Zuhörerschaft vermischt die Erzählung mit eigenen Erfahrungen. Der Ideenorganismus wächst in diesem Moment und pflanzt sich fort. Vielleicht aber wird das Konzert eines Tages vergessen sein und der Ideenorganismus stirbt. Marken tun eben dies womöglich auf dieselbe Weise. Dies lässt ebenfalls weitere Rückschlüsse zu. So lässt sich im parasozialen Sinne die Persona als Ideenorganismus begreifen, denn eine soziale Entität muss keine physische Verkörperung besitzen. Viel eher ist prinzipiell alles eine Persona, das über die Fähigkeit der Reizverarbeitung und Reizabgabe verfügt. Als beispielhaft gilt hier die soziale Entität des Markensystems, die durch die Markenorganisation Leitung, Reizverarbeitung und Reizabgabe erhält, aber interpretativ durch das Publikum als eine Person, konkreter als eine Persona, innerhalb
3.6 Ideenorganismen
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parasozialer Interaktion wahrgenommen wird. Der Ideenorganismus besitzt ferner den Status einer Institution, sobald er sich in den Köpfen festgesetzt hat, was insofern den Raum des Markensystems konstituiert. Das Beispiel „Unser Naturhof “ kann dies deutlicher machen. Denn die zugrunde liegende Idee ist hier die Genossenschaft von Lebensmittelproduzent*innen unter nachhaltigen Werten und Produktionsweisen, die auch mit einer wechselseitigen Verschränkung der Kundschaft des Unterstützer*innenclubs einhergeht. Die Idee hat im Kopf einer einzelnen Person begonnen, wurde geteilt und hat sich dann so weit verbreitet, dass in der Folge gemeinsamer Wille und eine gemeinsame soziale Assoziation, schließlich sogar eine Organisation entstanden ist. Die Organisation erreicht schließlich mit der Wertecharta die Vormachtstellung in den Köpfen ihrer Mitglieder, so dass diese in ihren Handlungen auf das Markensystem bezogen gleichgerichtet werden. Sie stellen die Energie-Äquivalente der Ideen zur Verfügung, teilen Sie und tragen so zur Verbreitung des Ideen-Organismus der Genossenschaft bei, die schließlich schrittweise zur Institution in den Köpfen der Menschen wird. Dies hält das System lebendig und sorgt aber auch für einen erheblichen Kontrollverlust der Entscheider, die nun nur noch Wahrgebungen des Systems und einige Energien steuern können.
3.6.1
Marken als Ideen
Es wurde bereits geklärt, dass es sich bei Marken in der vorliegenden Perspektive durchaus um Hyperorganismen (3.3.1) handelt. Es ist demnach anzunehmen, dass Marken auch Groß- und Ideenorganismen sein können. Viel interessanter ist allerdings eine andere Frage. Nämlich was genau der Kristallisationspunkt der Markenorganismen ist und inwiefern bei Marken auch von Ideenorganismen gesprochen werden kann. Dass Marken Massen bilden können, das wissen wir bereits. Wir sehen es vor jeder neuen Produkteinführung als Schlange vor den Apple-Stores manifestiert. Menschen übernachten teils wochenlang vor einem Geschäft, um der oder die erste zu sein, wenn das neue iPhone auf den Markt kommt. Um diesen Prozess zu verstehen, muss man jedoch über den Begriff der Markengemeinschaft hinausdenken. Denn ganz offensichtlich geht es den wartenden Menschen hier gar nicht in erster Linie um ein gemeinschaftliches Gefühl, sondern um etwas womöglich gänzlich anderes. Beginnend mit dem Kristallisationspunkt, sollte einer Marke ebenfalls eine Person oder eine Idee zugrunde liegen (vgl. dazu Sumerauer-Bodensoh 1995: 85 f.). Tatsächlich ist das nur bedingt der Fall. Die gestalttheoretische Markensoziologie geht davon aus, dass der Kristallisationspunkt des Großorganismus der
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Marke ihre Leistung ist (vgl. Deichsel et al. 2017: 91). Dadurch verhält sich der Großorganismus der Marke ganz ähnlich wie die Markengemeinschaft, die sich um ein spezifisches Konsumerlebnis oder kollektive Identität gruppiert (vgl. dazu Muniz/ O’Guinn 2004: 308, 321; vgl. dazu auch Wenzel 2016: 139, 149 ff.). Dies soll jedoch keineswegs bedeuten, dass Ideen oder Personen in den Großorganismen der Marke keine Rolle spielen. Viel eher sind Marken sogar als Ideenorganismen zu klassifizieren. Marken werden im Kopf ihrer Erfinder*in erschaffen und wachsen dort heran, um sich anschließend in den Köpfen anderer Menschen als Idee festzusetzen (vgl. dazu auch Deichsel et al. 2017: 38, 41). Diese Menschen werden dann von der Markenidee versklavt und ihr Verhalten wird auf den Markenerfolg hin ausgerichtet. Über Werbung und andere Kommunikation werden schließlich Menschen außerhalb des Großorganismus erreicht und mit der Idee infiziert. Wir sehen es tagtäglich im Fernsehprogramm. Hin und wieder kommt es vor, dass uns eine bestimmte Marke einfach anspricht und ihre zugrunde liegende Idee uns packt. In diesem Moment werden wir Teil des Ideenorganismus der Marke. Wenn wir uns mit anderen über unsere nun gemeinsame Idee austauschen, dann können wir um sie herum eine Markengemeinschaft bilden. Ideen sind an sich aber intolerant gegenüber Konkurrenz, weshalb sich, wenig verwunderlich, auch die konkurrierenden Markengemeinschaften als Widersacher auseinandersetzen (vgl. dazu Muniz/ O’Guinn 2004: 312; vgl. dazu auch Domizlaff 1995: 353 f.). Gleichermaßen gehören wir mehreren dieser eigentlich intoleranten Ideenorganismen zeitgleich an (vgl. dazu Sumerauer-Bodensoh 1995: 85 f.; vgl. dazu auch Domizlaff 1997: 293). Wir können eine Fernsehsendung mögen und trotzdem Teil des Ideenorganismus Radiohörspiel sein. Die Idee verhält sich in dieser Hinsicht wie ein soziales Image und Lebensphilosophien für Lebensstilgruppen, die distinktiv ein typisches Meinesgleichen durch Selbst- und Fremdzuweisung erzeugen (vgl. dazu Hölscher 1998: 20, 37, 39 f., 115 f.). Über die Ideenorganismen ist dann auch die loyale Anhängerschaft von Menschen gegenüber einer Marke zu erklären. Bezieht man etwa die Maßnahmen der Großorganismen auf Marken, dann gruppieren Marken zunächst Menschen um sich, die sie in der Folge dann ihren Regeln unterwerfen und dadurch deren Kritikfähigkeit ausschalten (vgl. dazu Domizlaff 1997: 302 ff., 357 ff.). Schließlich treten die Großorganismen mitsamt ihrer angehängten Masse dann in den Wettbewerb zu ihren Konkurrenzorganismen ein (vgl. dazu auch Domizlaff 1995: 351 f.). Menschen werden von kritikfähigen Individuen zum Teil einer Masse, die nun die Marke nicht mehr kritisch sieht und sich von ihren Farben, Formen und ihrer Theatralik in den Bann ziehen lässt (vgl. dazu Domizlaff 1997: 290 ff.).
3.6 Ideenorganismen
181
Die Masse ist hier auf Marken bezogen also die aktuelle, aber auch die potentielle Kundschaft der Marke (vgl. Otte 2015: 105). Gleichermaßen ernährt sich der Großorganismus der Marke auch von den Menschen, die seine Kundschaft bilden (vgl. Otte 2015: 75). Insofern integriert die Perspektive der Ideenorganismen viel mehr die grundständigen markensoziologischen Konzepte ineinander. Da etwa eine Gestalt sinnlich wahrnehmbar ist, birgt sie auch das Potential, auf eine Masse anziehend zu wirken. Ideen verbinden folglich auch Konsument*innen zur Kundschaft und verdichten diese am Kristallisationspunkt der Markenleistung (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 91; vgl. auch Zschiesche/ Errichiello 2008: 357). Im Falle von „Unser Naturhof “ ist dies beispielsweise die Idee der nachhaltigen Produktions- und Konsumweisen, die Menschen vereint und zusammenarbeiten lässt. Insofern ist der Kristallisationspunkt des vorliegenden Beispiels die Nachhaltigkeit der Produkte, mit allen hieran angebundenen Resonanzen (Abschn. 3.8). Es ist abschließend ersichtlich, dass es sich bei der Perspektive der Ideenorganismen für Marken um ein integrierendes Element der gestalttheoretischen Markensoziologie handelt, die systemische Aspekte mit interpretativen Schnittstellen verbindet. Während der Kristallisationspunkt der Marken ihre Leistung darstellt, gruppieren sich um diesen Punkt Massen von Menschen oder in der Lesart von Tönnies, die Markengemeinschaften. Diese unterliegen dabei einer spezifischen Interpretationsordnung, die von den Regeln des Ideenorganismus vorgeschrieben wird. Ob sich indes Label um eine spezifische Idee herum kristallisieren, kann angesichts der Ergebnisse vorangehender Kapitel in Zweifel gezogen werden. Das folgende Unterkapitel geht dieser drängenden Frage nach.
3.6.2
Label im Kampf der Ideenorganismen
Label stehen für eine spezifische Idee, soweit ist die Ausgangssituation von Labeln klar. Wer auf das Biosiegel achtet, der erwartet, dass auch das gekaufte Produkt der Idee Bio treu ist und bestimmte Anforderungen erfüllt. Gleichermaßen wurde in den vorigen Kapiteln bereits herausgestellt, dass es sich bei Labeln nicht im selben Maße wie bei Marken um dissipative Systeme oder Hyperorganismen im Sinne von Tönnies handelt. Da aber Großorganismen den Hyperorganismen in den meisten Aspekten gleich sind, dürften auch Label keine Großorganismen sein. Hieraus bildet sich ein scheinbares Paradoxon: einerseits stehen Label für Ideen, andererseits scheinen sie keine Ideenorganismen sein zu können. Zentrales Differenzkriterium dafür ist das Potential der Vermassung, welches hier noch einmal beleuchtet werden soll.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Wenn man rekapituliert worum sich Masse dreht, wird deutlich, dass auch Label in der Lage sein könnten, Masse zu bilden. Ausgangspunkt der Vermassung ist ein rationales und vernünftiges Individuum (vgl. Domizlaff 1997: 290 ff.), welches in aller Konsequenz demnach kürwillig ist. Es lässt sich laut Domizlaff (1997: 291) nicht von Theatralik und Farben beeindrucken und wäre in dieser Konsequenz die ungebundene und kürwillige Konsument*in der äußersten Dichtezone (vgl. Deichsel 1999 b: 336). Masse hingegen ist bei Domizlaff (1997: 291 ff.) irrational und impulsiv, lässt sich von Farben und Theatralik beeindrucken und kann als hochgradig wesenwillig verstanden werden. Masse liegt in den Dichtezonen vor allem in der Kundschaft vor, jedoch auch bei den wesenwilligen Kund*innen und Kenner*innen (vgl. Deichsel 1999 b: 336 ff.). Legte man die Willensarten zugrunde, so ergäben sich auch für Label Dichtezonen, da Label ebenfalls die Willensarten enthalten. Folgt man jedoch den Studien über Label und ihren Gebrauch, wären diese Zonen grundlegend anders ausgerichtet als jene der Marken (Abbildung 3.9):
Abbildung 3.9 Kürwillige Assoziationstypen der Label. (Quelle: eigene Darstellung)
In dieser Grafik ist zu sehen, welche kürwilligen Assoziationstypen Label um sich herausbilden. Diese hängen maßgeblich damit zusammen, wie hoch das jeweilige Umweltbewusstsein und das Labelwissen ausgeprägt sind. Der Grad des Wissens ist hier gleichbedeutend mit der Willensart nach Tönnies, da eine Ausdeutung der Label bei geringem Wissen wesenwillige Prozesse auslöst, wohingegen
3.6 Ideenorganismen
183
bei hohem Wissen der Kürwille im Vordergrund steht. Am Grad des Umweltbewusstseins spiegelt sich hier die Motivation des Kaufes von gelabelten Produkten wider, da unterschiedliche Motivationen bei den Käufer*innen vorliegen. So besitzen manche ein generelles Misstrauen gegenüber Produkten oder Lebensmitteln, wohingegen andere großen Wert auf die Sicherheitsaussagen von Labeln legen (vgl. dazu auch SGS Germany 2014, 2016). Gleichwohl gibt es auch ökologisch überzeugte Käufer*innen, die sogar für etwa 77% des Umsatzes einschlägiger Bio-Fachgeschäfte verantwortlich sind (vgl. dazu GfK 2017: 3). Ebenso existiert eine breite Masse von Gelegenheitskäufer*innen, die ein mittleres Wissen und ein mittleres Bewusstsein aufweisen (vgl. dazu auch GfK 2017). Insofern ist dieses Modell ähnlich zu lesen wie die Dichtezonen der Marke nach Deichsel (1999 b), wenngleich sich die Assoziationsformen und deren Dichte in dieser Darstellung deutlich unterscheiden. Für dieses Modell ist festzustellen, dass der Grad der Assoziation gemäß Tönnies (1991: 168, 171 f.) bei höherem Bewusstsein und höherem Labelwissen zunimmt, da es offenbar eine freie Assoziation treuer Überzeugungskäufer*innen gibt. Diese ist womöglich allerdings nicht mit der Kundschaft nach Deichsel (1999 b) gleichzusetzen, da die bewussten Käufer*innen zwar eine dauerhafte Bindung zu einer Idee besitzen, jedoch nicht direkt zu einem spezifischen Label. Dies bedarf weiterer Erklärung. Die daran anknüpfende Frage lautet legitim: bilden Label um sich herum Massen? Folgt man der Argumentation voriger Kapitel, so entwickeln Label nicht die wesenwilligen Bindungskräfte von Marken, weil auch die häufigen Nutzer*innen eher kürwillig agieren. Dies ist auch in der zuvor angeführten Grafik so zu sehen. Es ist in Studien vielfach nachgewiesen worden, dass das Umweltbewusstsein über die Häufigkeit und Art der Verwendung von Labeln entscheidet (vgl. dazu etwa Grunert et al. 2014: 187). Ein Label kann wesenwillig gefallen, insbesondere bei geringem Bewusstsein und kürwillig als gut bewertet werden, wenn das Bewusstsein hoch ist (vgl. etwa Samant/ Seo 2016 b: 54). Kürwillige Individuen bilden jedoch keine Assoziationen ohne Kritikfähigkeit, wie Gemeinschaften oder Massen. Stattdessen bilden sie Zwecknetzwerke, wie zuvor argumentiert wurde. Diese sind jedoch keineswegs von Theatralik und Farben eingefangen, wie die Studien nahelegen (vgl. dazu etwa Samant/ Seo 2016 a; vgl. dazu auch Samant/ Seo 2016 b; vgl. auch Samant et al. 2016). Insofern liegt hier zwar eine freie und zeitweilige Assoziation von Menschen im Sinne von Tönnies (1991: 34, 168) vor, jedoch keinesfalls eine Masse nach Domizlaff (1997: 291 ff.). Folgt man dem gestalttheoretischen Ansatz wie er zuvor herausgearbeitet wurde, kommt es hier zu einem weiteren Paradoxon. Die Assoziation dieser kürwilligen Individuen gruppiert sich um die spezifische Idee des bewussten Konsums herum, der auf Prüfung basiert. Diese Gruppierung um eine spezifische
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Konsumerfahrung ist ein Kernelement der Markengemeinschaft wie sie Muniz und O’Guinn (2004: 308) beschreiben, nur tritt diese hier eben mit kürwilligem Vorzeichen auf. Daher ist dann auch herauszustellen, dass das richtige Wissen um die Konsumerfahrung ein Kernpunkt von Markengemeinschaften ist (vgl. dazu Muniz/ O’Guinn 2004: 311). Daraus ergeben sich hier noch mehr kürwillige Übereinstimmungen zu den beschriebenen Zwecknetzwerken, welche sich maßgeblich am richtigen Labelwissen orientieren. Ebenfalls handelt es sich bei beiden Fällen von Assoziationen um eine Art der Verbraucherorganisation (vgl. dazu Muniz/ O’Guinn 2004: 321). Insofern entsprechen die Markengemeinschaften hier in wesentlichen Anteilen den Prüfungsnetzwerken und bestätigen dadurch die Annahme von Tönnies (1991: XLII, 172), dass weder reine Gemeinschaft, noch reine Gesellschaft in realen Assoziationen vorzufinden sind, sondern lediglich anteilige Mischformen, die eher zum einen oder zum anderen tendieren. Es lassen sich jedoch auch Unterschiede der Assoziationen attestieren. Die gemeinsame Gruppierung geschieht nämlich nicht unmittelbar um die Idee der Nutzung eines spezifischen Labels herum, insofern besteht ein Unterschied zu den Assoziationen um einzelne Marken. In diesem Sinne besitzt ein Prüfungsnetzwerk keine sittenhaften Traditionen, wie eine Markengemeinschaft sie überliefert und demzufolge auch keine kollektive Identität, wie sie Wenzel (2016: 139, 149 ff.) zur Grundbedingung der Markengemeinschaft macht. Jedoch gibt es zweifelsohne vorübergehende und kurzfristig angelegte, netzwerkartige Verbindungen zu einzelnen Labeln, sowie Austausch über die damit verbundenen Konsumerfahrungen. Aus diesen Dingen speist sich die Verdichtung der Prüfungsnetzwerke um den Stand des Wissens und des Bewusstseins herum. Zu der vorübergehenden netzwerkartigen Assoziation von kürwilligen Menschen mit einem spezifischen Label, kommt es demnach durch die Weitergabe des vorhandenen Wissens, dem Aussprechen von Empfehlungen und dem Austausch über vertrauenswürdige Label. Das hat den Hintergrund, dass einzelne, häufig vorkommende Label eher erkannt werden als andere, da sie eine höhere Popularität genießen und in der Konsequenz mehr Menschen ein Bewusstsein für sie besitzen (vgl. dazu etwa van Loo et al. 2015). Insofern findet über die Label auch mehr sozialer Austausch der Menschen untereinander statt, so dass sich ein gemeinsamer, zweckhafter Wissensstand herausbildet. Im Rahmen dieser Weitergabe wird ein spezifisches Label vorübergehend zum Kristallisationspunkt einer Idee im Sinne von Domizlaff (vgl. dazu auch Sumerauer-Bodensoh 1995: 85 f.). Das Label steht in dem Moment als ein Sinnbild des bewussten Konsums auf verschiedenen Produkten und erfüllt diese Rolle auch im Austausch der bewussten Konsument*innen. Aufgrund der Kurzfristigkeit der schwachen Verbindungen kann hier jedoch kein stabiler Großorganismus entstehen, wie es bei Marken der
3.6 Ideenorganismen
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Fall ist. Dies liegt auch darin begründet, dass diese Zwecknetzwerke auf Bewusstheit basieren, ein Großorganismus jedoch auf der Reduktion von Bewusstheit. In der Folge sind Label zwar ein potentieller Kristallisationspunkt von Ideenorganismen, jedoch nicht in der Lage, eine dauerhafte Bindung der Mitglieder zu erreichen. Ebenfalls sind die Bindungen eher kürwillig als wesenwillig, wodurch keine Vermassung erreicht wird, sondern lediglich ein kurzfristiges Netzwerk, welches im Gegensatz zur Gemeinschaft keine langfristige Stabilität erzeugt. Erst eine kürwillige Verbindung, die hier nicht vorliegt, würde zu dieser Stabilität führen. Insofern entsteht hier kein Ideenorganismus nach Domizlaff. Aus Sicht der Lebensstilforschung lässt sich hier ein weiteres Argument formulieren. Ein Label hat nicht denselben expressiven und damit statusrelevanten Charakter, wie ihn Marken häufig besitzen (vgl. dazu Hölscher 1998: 35 ff.). Sie können zwar als Idee in habitualisierter Form durchaus mit einer bestimmten Lebensphilosophie verbunden sein, besitzen aber aufgrund ihres oft kurzfristigen Charakters auf Konsumgütern eine andere Relevanz für die Konstitution sozialer Identitäten von Lebensstilgruppen, als langfristige Gebrauchsgüter (vgl. dazu Hölscher 1998: 35 ff., 52 f., 196 f.). Insofern sind Label für sich allein betrachtet für soziale Identitäten nicht konstitutiv, im Rahmen bestimmter sozialer Praktiken können sie es jedoch durchaus werden. Das Eigenlabel „Nachhaltig!“ kann demnach also keine Vermassung erzielen, besitzt aber dennoch die zugrunde liegende Idee nachhaltiger Produktionsweisen. Sie ist der Kristallisationspunkt eines losen Netzwerkes von Kenner*innen und bewussten Konsument*innen. Was zunächst gegenüber der Bindungskräfte der Marke als defizitär erscheint, eröffnet bei der Vermittlung beider Willensarten einen großen Vorteil. Denn die Idee der nachhaltigen Produktion erschließt die sonst ungebundene Gruppe der Konsument*innen für das Markenunternehmen, die laut der Herangehensweise nach Domizlaff eben nicht durch Theatralik zu beeindrucken ist. Insofern würden die Aspekte, die bei der Marke Bindung realisieren sogar zur Abschreckung bewusster Individuen führen. Daher erlaubt insbesondere die Kombination von Marke und Label, Wesenwille und Kürwille unter dem gemeinsamen Dach der Idee die gezielte Ansprache verschiedener Bedürfnis- und Konsumgruppen. Die Idee ist demnach also die gemeinsame Klammer zwischen und Marke und Label, so dass auch hier anzunehmen ist, dass die Label eher Teil des Ideenorganismus der Marke sind, als einen eigenen Ideenorganismus darzustellen. Abschließend lässt sich demnach festhalten, dass bei Labeln kein Ideenorganismus nach Domizlaff vorliegt, jedoch durchaus ein soziales Wollen in Form eines überwiegend kürwilligen Ideennetzwerkes. Als Symbol des bewussten Konsums werden Label dabei durchaus zu einem Kristallisationspunkt als zentrale Idee des
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Zwecknetzwerkes. Sie können im Rahmen von Habitualisierung und als Teil einer Lebensphilosophie zur Konstitution sozialer Identitäten vereinnahmt werden und sind insofern in bestimmten Kontexten lebensstilrelevant. Die Idee kann daher auf kürwillige Personen durchaus anziehend wirken, jedoch hängt dieser Aspekt stark mit dem Stand des Vorwissens der beteiligten Personen zusammen. Ist das Vorwissen nämlich niedrig, greift ein anderer Aspekt der Warenzeichen: das Vertrauen. Dieser wesenwillige Aspekt der Marken und Label wird im folgenden Kapitel näher betrachtet.
3.7
Öffentliche Meinung und positive Vorurteile
Die öffentliche Meinung ist ein Gradmesser dessen, welche Vorurteile sich über ein bestimmtes Thema in den Köpfen der Menschen etabliert haben. Denn nur selten besitzen viele Menschen genau geprüfte, streng ausdifferenzierte Urteile über andere Dinge und andere Menschen. Viel häufiger geschieht es, dass Menschen aus dem Bauch heraus oder nach den Erfahrungen anderer ihre Meinung bilden. In diesem Fall greifen Menschen auf ihre gespeicherten Vorurteile zurück oder bilden selber welche. Gleichwohl ist die öffentliche Meinung sehr mächtig. Sie hat nach einem öffentlichen Skandal schon mehr als eine*n Politiker*in zum Rücktritt bewegt und so manches Unternehmen in die Schieflage gebracht. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass die öffentliche Meinung ebenfalls im Kanon der gestalttheoretischen Markensoziologie vorzufinden ist. Einmal mehr geht die Konzeption auch auf das Werk von Ferdinand Tönnies zurück, welcher sich eingehender mit der öffentlichen Meinung befasste. Von der einen öffentlichen Meinung zu sprechen ist dabei irreführend. Tatsächlich sollte vorweggestellt werden, dass Meinungen immer nur im Plural auftreten können (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 164).35 Alle Menschen tragen eine Vielzahl an Meinungen in sich und erst die Summierung der Einzelmeinungen führt zur Akkumulation in der so genannten öffentlichen Meinung.36 Insofern ist es
35 Laut gestalttheoretischer Lesart hat die Meinung im Plural, den Glauben im Singular während der Gesellschaftsbildung ersetzt (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 169). 36 Eine hiervon abweichende Auffassung vertritt der Symbolische Interaktionist Blumer (1998). Für Blumer (1998:201 ff.) handelt es sich bei der öffentlichen Meinung nicht um eine reine Akkumulation von Einzelmeinungen, da Einzelmeinungen durchaus unterschiedliches Gewicht im Diskurs besitzen können. Angesichts gesellschaftlicher Asymmetrie (vgl. Coleman 1982), die auch in der Markensoziologie als zentral angenommen wird, wäre das Modell nach Blumer für die Erklärung öffentlicher Meinung deutlich adäquater.
3.7 Öffentliche Meinung und positive Vorurteile
187
auch wenig verwunderlich, dass Ferdinand Tönnies von verschiedenen Aggregatszuständen öffentlicher Meinung ausging (vgl. Tönnies 2004: 472). Wie bei Wasser können die sich verdichtenden Zustände als flüchtig, flüssig oder fest charakterisiert werden (vgl. Tönnies 2004: 472 f.). Je verbundener ein Mensch dabei einer Gemeinschaft ist, desto mehr nähert er sich der öffentlichen Meinung an (vgl. Tönnies 2004: 472 f.). Man kann sich diesen Prozess in etwa wie die Vermassung nach Domizlaff vorstellen, in welcher die Individuen schrittweise die Sichtweise ihrer Gemeinschaft annehmen, in deren Kern sie eine kollektive Identität ausbilden. Das soziale Bewusstsein bezeichnet Tönnies (2004: 473) als flüssig und fest zugleich, da es sich als Zeitgeist erst noch etablieren und verfestigen muss. Daher besteht hier auch immer das Risiko der Verflüssigung oder gar der Verflüchtigung der öffentlichen Meinung, wodurch sie sich auflösen kann, aber auch offener für andere Einflüsse wird (vgl. Tönnies 2004: 474). Demgegenüber ist ein öffentliches Urteil, wie eine Religion, als eine Weltanschauung anzusehen, die durch ein Verbot des anders Sprechens und Denkens belegt ist (vgl. Tönnies 2004: 475). Durch das Verbot der Abweichung grenzt sich der enthaltene Wille von anderen Willen und Gemeinschaften ab (vgl. Tönnies 2004: 475). Hieraus ergibt sich also ein ähnliches Verhältnis der Meinungen von Gemeinschaften zueinander, wie jenes der Ideenorganismus untereinander. Es geht dabei folglich zentral um gleichgerichtete Auffassungen im Inneren und Konflikt zu abweichenden Auffassungen im Äußeren. Gleichermaßen geht es bei der öffentlichen Meinung aber auch um Entlastung. Denn das wesenwillige Vertrauen entlastet vom kürwilligen Prüfen (vgl. Deichsel 2004: 359 f.). Ebenso entlasten Vorurteile und Massenbildung vom Denken des kritischen Individuums. Sie funktionieren in diesem Sinne wie das Rezeptwissen nach Berger und Luckmann (2016: 44), welches das durchführungsorientierte und unvollständige Praxiswissen von Personen beinhaltet. Die Sitte entlastet als Selbstähnlichkeit ihrerseits vom Problem der Erstmaligkeit. Vertrauen ist hierbei eine zentrale Größe, da wir nicht einmal Lebensmittel zu uns nehmen könnten, wenn wir diesen nicht vertrauen würden (vgl. dazu Deichsel 2004: 359). Das Vertrauen wiederum verdichtet sich durch Erfahrung irgendwann im Vorurteil, welches ein langfristig aufgebautes Kollektivurteil darstellt (vgl. Deichsel 2004: 361 f.). Der Verdichtungsprozess ist jedoch durchaus langwierig. So beginnt jedes Vorurteil als individuelles Urteil, welches rational gebildet wird und immer den Wechseln neuer Argumente unterliegt (vgl. Deichsel 2004: 361). Ein Vorurteil kann dann jedoch seinem Wesen nach positiv oder negativ ausfallen. Ein negatives Vorurteil als öffentliche Meinung hat das Potential, ein System nachhaltig zu stören. Wichtig ist demnach für den Fortbestand eines lebenden Systems, ein positives Vorurteil zu etablieren.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Doch bevor das positive Vorurteil thematisiert wird, muss zunächst auf die Ausgangsbedingung des Vertrauens geblickt werden. Hier besitzt die Markensoziologie ein vergleichsweise enges Verständnis eines umfassenden Begriffs, der hier jedoch ebenfalls nicht in Gänze diskutiert werden kann. Während gängige Ansätze der Vertrauensforschung nicht erst thematisiert werden,37 finden andere Ansätze wie etwa Rational Choice Ablehnung (vgl. dazu auch Meyer 1999: 356). Stattdessen wird ein systemtheoretisch geprägter Vertrauensbegriff auf Basis von Luhmann entwickelt (vgl. dazu Meyer 1999: 355; vgl. dazu auch Hüllemann 2007: 170–173). Vertrauen wird demnach allgemein als ein zentraler Funktionsfaktor für Markensysteme definiert und gilt als ein zeitlich verzögertes Risiko, also eine Vorleistung in Bezug auf eine Leistung (vgl. dazu Meyer 1999: 343 f.). Angelehnt an Luhmann, ist das Vertrauen für die Systeme funktional in der Reduktion von Komplexität, indem Informationen und Erfahrungen in Situationen überzogen werden, in welchen kein Wissen zur Verfügung steht (vgl. dazu Meyer 1999: 349). Psychische und soziale Systeme seien in ihrer inneren Ordnung der Erlebnisverarbeitung und der äußeren Unsicherheit dabei funktional gleich, so dass sich durch die systemische Rationalität das menschliche Fassungsvermögen erhöhe (vgl. dazu Meyer 1999: 350).38 Insofern bewegen sich Systeme im Spannungsfeld von Entscheidung und öffentlichem Vertrauen, wobei erst die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens eine systemische Stabilität ermöglichen kann (vgl. dazu Meyer 1999: 351, 353). Vertrauen ist demnach ein Mechanismus der Komplexitätsreduktion und der Risikoverringerung von Systemen. Auch von Weizsäcker (2001: 250) stützt diese Aussage, da er als Bedingung der Arbeitsteilung das Vertrauen voraussetzt. Während umfassendes Vertrauen dabei nicht transitiv, also nicht übertragbar ist, ist das bloße Vertrauen durchaus transitiv (vgl. von Weizsäcker 2001: 252). Mit anderen Worten ist ein gewisses Maß an Vertrauen stets übertragbar und erlaubt so seine Verdichtung zu übertragbaren Vorurteilen als Mechanismen der Komplexitätsreduktion. Verdichtet sich das Vertrauen, bildet sich demnach also ein positives Vorurteil heraus (vgl. Deichsel 2004: 361 f.). 37 Etwa generalisiertes Vertrauen nach Putnam, welches sich zentral darum dreht, ob man einer fremden Person vertrauen würde, wenn einen diese um Hilfe bittet. Es handelt sich bei dieser quantitativ operationalisierten Forschung in der Regel um Länderstudien. Für Deutschland siehe Offe und Fuchs (2001), für Japan, welches ebenfalls eine hohe Markenund Labeldichte aufweist, siehe Inoguchi (2001). 38 Da lebende Systeme in der Konzeption Luhmanns von den sozialen und psychischen Systemen unterschieden werden, stellt sich hier die drängende Frage nach der Integration der Konzepte von Luhmann und Otte ineinander, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann. Die Perspektive verbleibt hier daher bei den Schilderungen der gestalttheoretischen Vertreter.
3.7 Öffentliche Meinung und positive Vorurteile
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Ein Vorurteil ist laut Zschiesche und Errichiello (2008: 348) ein Urteil, das vor allen anderen Urteilen urteilt. Demnach handelt es sich also um eine dem eigentlichen Urteil vorgelagerte Instanz. Als Vereinfachung bieten Vorurteile eine lebenswichtige Hilfe bei der Komplexitätsreduktion, können gleichermaßen jedoch auch im Austausch mit anderen zu einem sozialen Urteil werden (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 10 f.). Zugrunde liegt in dieser Perspektive einem Vorurteil meist das Gefallensurteil, welches unkontrolliert, spontan, mühelos und ohne Vorwissen entsteht (vgl. Deichsel et al. 2017: 131). Dieses Gefallensurteil wird daher auch als ästhetisches Urteil bezeichnet. Als wesenwilliges Urteil steht das Gefallensurteil nach Tönnies dem Verstandesurteil gegenüber, welches als eingebunden, anstrengend und aufwendig charakterisiert werden kann (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 132). Das ästhetische Urteil kollektiviert sich schließlich dann zum Geschmack, ist dem Wesen nach aber immer frei, allgemein und sicher, da das ästhetische Urteil stets nur individuell gekoppelt ist (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 133–136). Ein positives Vorurteil stellt demnach eine besonders dauerhafte und sozial verdichtete Form des ästhetischen Urteils dar, welches auch in Urteilsgemeinschaften gemeinsam gefällt werden kann (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 135, 137). Insofern besitzt das positive Vorurteil auch Schnittmengen zum Geschmack. Über diesen Mechanismus trennt und verbindet ein ästhetisches Urteil Gemeinschaften entlang der Bewertung von Gestalten. Dies ist parallel zur ästhetischen Einstellung von Lebensstilgruppen zu begreifen, die entlang sozialer Images, also auf Basis von Vorurteilen, ihre Urteile fällen (vgl. dazu Hölscher 51 ff., 115 f.) Ein anderes Verständnis von Vorurteil findet sich bei Deichsel (1999 a, 2004). Deichsel (1999 a: 208; 2004: 362) sieht Vorurteile hingegen als langzeitig aufgebaute Urteile von Kollektiven über Kollektive, was den kollektiven Gruppen als Stabilisator dienen kann. Für eine Gruppe kann ein kollektives Vorurteil somit auch identitätsstiftend sein, ganz im Sinne einer sozialen Identität und eines typischen Meinesgleichen (vgl. dazu Hölscher 1998: 20). So lässt sich das Vorurteil als Ergebnis eines gemeinsamen Wollens ansehen, das umso dichter wird, je mehr Menschen es überzeugt teilen (vgl. Zschiesche/ Errichiello 2008: 349). Als Stabilisator der Gruppe wird das Vorurteil gemeinsam interpretiert und sozial vererbt, was im selben Moment eine Distinktion gegenüber anderen Gruppen etabliert (vgl. Zschiesche/ Errichiello 2008: 349). Gleichermaßen sind Vorurteile als prädisponierende Rahmenbedingungen notwendig, um spezifische Charakteristika im Kollektivgedächtnis zu verankern (vgl. Zschiesche/ Errichiello 2008: 350). Durch diese gemeinsame Rahmung sind Vorurteile in der Lage, Menschen mit einem
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gemeinsamen Willen überräumlich zu vereinen und zu einer geistig verbundenen Masse im Sinne von Domizlaff zu formen (vgl. Zschiesche/ Errichiello 2008: 350). Der Massenbegriff von Domizlaff erfährt dadurch auch eine Erweiterung. So hat die gestalttheoretische Markensoziologie in eine selbstbeherrschte und eine unbeherrschte, zerstörerische Masse unterschieden (vgl. Zschiesche/ Errichiello 2008: 352), wobei Massen nach ihrem Wesen immer freiwillige Verbindungen darstellen (vgl. Deichsel 1997: 236). Als konstruktive Masse ist vor allem die Kundschaft relevant, die jedoch später im Kapitel noch einmal betrachtet wird (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 89 f.). Wichtig ist an dieser Stelle bereits zu vermerken, dass Massen als Grundlage der Individuation angesehen werden und als örtliche Individuen vor allem geschichtlich geprägt sind (vgl. dazu Zschiesche/ Errichiello 2008: 352). Angelehnt an die Aggregatszustände der öffentlichen Meinung nach Tönnies (2004), besitzen auch Massen verschiedene Dichtegrade. Von einer flüchtigen Masse ist etwa die Rede, wenn von kurzweiligen Vergnügungs- und Informationsmassen gesprochen wird (vgl. Deichsel 2010 b: 236). Man findet sich in der Kantine des Büros zusammen und spricht kurz über das aktuelle Tagesgeschehen in der ausliegenden Zeitung. Danach geht man seiner Wege. Die Verbindung ist ihrem Wesen nach flüchtig und es herrscht kaum ein gemeinsamer Wille. Demgegenüber ist die flüssige Masse bereits fester, bezeichnet sie doch eine geistige Verbundenheit, die durch körperliche Nähe nur noch gestärkt wird (vgl. Deichsel 2010 b: 237). Hierzu gehört der gute Ruf ebenso wie die Gewohnheit und Wiederholung, aber es herrscht nach wie vor Austausch (vgl. Deichsel 2010 b: 237). Das Gespräch in der Nachbarschaft fällt in diese Kategorie. Man sieht und begegnet sich, spricht dann und wann miteinander, aber bildet keine festen Verbindungen, die den Auszug überdauern. Die Feste Masse jedoch ist gleichgerichtet und von einem wesenwilligen Kontakt geprägt (vgl. Deichsel 2010 b: 239). Feste Massen sind in ihren Überzeugungen starr und besitzen dadurch kaum noch einen Meinungsaustausch. Traditionen sind das beste Beispiel für feste Zustände, um die herum sich Massen bilden können. Die verschiedenen Dichtegrade der Massen lassen sich unmittelbar auf die Kundschaft nach Deichsel (1999 b) übertragen. Ergänzt wird das Schema demnach um die Meinungsdichte der Gruppen, jedoch auch um die neue Kategorie des Publikums, welches die Kundschaft umlagert und in seiner Meinung flüssig bis fest sein kann (vgl. dazu Deichsel 2010 b: 241 f.). Vertraut das umlagernde Publikum einer Leistung kollektiv, liegt nach Domizlaff ein öffentliches Vertrauen vor (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 158). Ebenfalls sollte hinzugefügt werden,
3.7 Öffentliche Meinung und positive Vorurteile
191
dass sich die positiven Vorurteile in den Gruppen der Kund*innen und der Kenner*innen bereits festgesetzt haben, während etwa die einzelne Kund*in lediglich nur vertraut (vgl. Deichsel 1999 b: 336 ff.). Die Kundschaft ist dabei sogar durch ein öffentliches Vertrauen in die Marke gekennzeichnet und gibt das positive Vorurteil, wie auch den Ideenorganismus, an andere Personen weiter (vgl. Deichsel 1999 b: 337 f.). Kundschaft ist somit stabil und freiwillig, sowie auf Basis eines komplexen Erfahrungsurteils auf eine spezifische Leistung zielgerichtet (vgl. Zschiesche/ Errichiello 2008: 352). Als Masse wirkt die Kundschaft dadurch auch sehr anziehend auf affine Außenstehende (vgl. Zschiesche/ Errichiello 2008: 352). Grafisch umgebaut sähe das Schema nun um die Meinungsmassen ergänzt so aus:
Abbildung 3.10 Dichtezonen der Marke – erweitert. (Quelle: Dichtezonen der Marke nach Deichsel 1999 b, eigene und erweiterte Darstellung)
Als Vorgriff auf das nächste Unterkapitel soll hier grafisch festgehalten sein, was für Gemeinschaften wie Systeme gleichermaßen gilt. Je häufiger etwas gefällt und genutzt wird, desto gewohnter wird sein Gebrauch und desto eher wird die Nutzung ein Teil des Gedächtnisses. Aus unsteten kurzen Bündnissen sind feste Meinungsverbindungen geworden, die Alleinvertretungsanspruch einfordern und zu einer Abgrenzung von anderen Meinungen geprägt sind. Vertrauen und kollektive Vorurteile verringern das Risiko und die Komplexität von Entscheidungen, so dass es für Einzelpersonen energiesparend ist, mit kollektiven Vorurteilen zu resonieren (3.8). Gemäß der Formel von Tönnies (1991: 80 f.) wird uns das, was
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
uns zunächst ungewohnt erscheint, mit zunehmendem Gebrauch angenehmer, bis wir es voller Zufriedenheit auch anderen empfehlen möchten. Entsprechend ist anzunehmen, dass die öffentliche Meinung und die damit verbundenen Vorurteile für Markensysteme eine zentrale Rolle einnehmen. Auf das Beispiel „Unser Naturhof “ gemünzt, stellen die Vorurteile die Summe der Erfahrungen der Bevölkerung mit der Genossenschaft dar. Die positiven Vorurteile, die sich durch die kontinuierliche Einhaltung der Leistungserwartungen ergeben haben, sind zentraler Bestandteil der aufgebauten Institution. Sie werden vererbt und weitergegeben, was zu einem langfristigen Überleben der Organisation beiträgt. Denn die positiven Vorurteile erlauben den langfristigen Austausch des Organisationssystem mit seiner Umwelt, indem Geld gegen Ware, Energie gegen Masse getauscht wird. Die kollektive Erwartung wird indes durch die Genossenschaft selbst geschürt, die ihre Wertecharta der nachhaltigen Produktions- und Wirtschaftsweise offen kommuniziert und in allen Lebensmitteln widerspiegelt. Somit werden Erwartungen erzeugt, die von der Organisation selbst eingehalten werden, damit der systemische Austausch mit der Umwelt nicht zum Erliegen kommt.
3.7.1
Vertrauensgewinnung als Ziel der Marke
Wirtschaft gilt in der gestalttheoretischen Markensoziologie als der Kampf um das stärkste positive Vorurteil am Markt (vgl. Deichsel et al. 2017: 27). Auch „Marken sind nur positive Vorurteile in den Köpfen von Menschen“ (Deichsel et al. 2017: 10). Insofern ist der Kampf der Marken auch gleichzeitig der Kampf um das stärkste positive Vorurteil in den Köpfen der Menschen (vgl. Deichsel et al. 2017: 41). Entsprechend wenig verwunderlich ist es also, dass der Vertrauensgewinnung von Marken ein zentraler Stellenwert zukommt. Schließlich ist das Vertrauen der Verdichtung zu Vorurteilen vorgelagert (vgl. dazu Zschiesche/ Errichiello 2008: 348). Die Bedeutung des Vertrauens für Marken wird insbesondere dann deutlich, wenn man sich Lebensmittelskandale vergegenwärtigt, die zu einem vollkommenen Boykott von Produkten führen können. Ist das Vertrauen in eine Marke derart erschüttert verliert sie auf Dauer ihre Kundschaft und dadurch ihre Energie. Das System geht ein. Einen entsprechend hohen Stellenwert nimmt demnach für die Steuerung von Marken die Festigung positiver Vorurteile ein, wie dieses Unterkapitel aufzeigen wird. Um Vertrauen erwecken zu können, benötigt ein Markensystem zunächst eine eindeutige Signalstruktur, die das Bekannte bestätigt und dadurch Vertrauen erwecken kann (vgl. Deichsel et al. 2017: 2). Durch tägliche Einzelleistungen
3.7 Öffentliche Meinung und positive Vorurteile
193
verdichtet die Marke dabei Urteile zu einem Bild, welches sich zu einem positiven Voraus-Urteil oder zu einem Vor-Vertrauen entwickelt (vgl. Deichsel et al. 2018: 8). Für Marken ist vor allem das positive Vorurteil maßgeblich, welches das Ergebnis kulturell gewachsener Interpretationsmuster ist (vgl. Deichsel et al. 2017: 10). In diesem Sinne verhält sich das Vorurteil über Marken wie das Rezeptwissen über Symbolkonfigurationen. Ein persönliches Markenurteil muss hingegen erst über die Zeit durch Erfahrungen und Beobachtungen wachsen (vgl. Deichsel et al. 2017: 11 f.). Einmal etablierte Vorurteile und soziale Deutungen von Gemeinschaften mobilisieren dabei Massen und entwickeln so auch große soziale Energien (vgl. Deichsel et al. 2017: 9 f.). Vertrauen nimmt hier den zentralen Stellenwert bei der Bestätigung der positiven Erfahrungen der Kundschaft ein, welche zum Energieaustausch des Markensystems benötigt wird (vgl. Deichsel et al. 2017: 14 ff.). Ziel der Markenführung ist daher immer die Etablierung eines kollektiven positiven Vorurteils (vgl. Deichsel et al. 2017: 12). Ist das kollektive positive Vorurteil aber erst etabliert, ist damit auch ein gestalterischer und inhaltlicher Korridor definiert, von dem das Unternehmen nur noch schwer abweichen kann (vgl. Deichsel et al. 2017: 17). Dies liegt unter anderem daran, dass sich zu diesem Zeitpunkt die Gestalt des Markensystems bereits gefestigt und etabliert hat, so dass die Ausdrücke des Systems nicht mehr beliebig sind. Entsprechend erreicht nur Spezifik die Bindungskraft des positiven Vorurteils (vgl. Deichsel et al. 2017: 21). Diese Spezifik findet ihren Ausdruck unter anderem in der Gestalt der Marke, so dass die Wirkung des Gefallensurteils oder des ästhetischen Urteils für Marken nicht überschätzt werden kann. Ästhetische Urteilskraft ist jedem Menschen zu eigen (vgl. Deichsel 1997: 237). Positive Vorurteile sind ebenfalls als dauerhafte und sozial verdichtete Formen dieser individuellen ästhetischen Urteile anzusehen (vgl. Deichsel et al. 2017: 135). Sie sind in diesem Sinne habitualisierte Bewertungsschemata (vgl. dazu auch Hölscher 1998: 51 ff.). Wie auch im allgemeinen Zusammenhang, bestimmt die ästhetische Beurteilung einer Markengestalt darüber, ob ein Vorurteil verbindet oder trennt, wobei das individuelle Gefallensurteil gleichermaßen an eine Urteilsgemeinschaft überführt werden kann (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 137). Der ästhetische Geschmack von Gruppen ist dabei häufig an ihren Lebensstil angeknüpft (vgl. dazu Hölscher 1998: 20, 26, 52, 60, 64 f.). Daher ist die Selbstähnlichkeit von Marken und der Markengestalt zentral für den Aufbau positiver Vorurteile über Marken. Denn Selbstähnlichkeit erzeugt Vertrautheit und Vertrautheit ermöglicht das Vertrauen des Publikums (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 156 f.). Vertraut das Publikum kollektiv, dann ist sogar von öffentlichem Vertrauen zu sprechen (vgl. Deichsel et al. 2017: 158). Die
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Signalstruktur muss also ebenfalls eindeutig sein, um Vertrauen aufbauen zu können. Gleichermaßen kann Vertrauen aber immer nur an eine bestimmte Leistung gebunden sein (vgl. Deichsel et al. 2017: 159). Diese konkrete Leistung wird dann in ihrer Form als Marke von Menschen personalisiert und mit den identischen moralischen und ethischen Ansprüchen belegt, die für Menschen gelten (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 163). Dadurch erlaubt die Marke transitives Vertrauen zu einer eigentlich unbekannten Hersteller*in (vgl. von Weizsäcker 2001: 255). Die öffentliche Meinung wird in diesem Zuge zu einem Akteur im Markengeschehen (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 164). Sie erfüllt dabei zwei Überwachungsfunktionen, nämlich erstens die Repräsentation des Vernünftigen und die Jagd des Unvernünftigen, sowie zweitens die Bevorzugung des Siegers (vgl. Deichsel et al. 2017: 172 f.). Man kann es sich so vorstellen, dass die öffentliche Meinung, ähnlich wie die Masse, als Kristallisationspunkt gern den besten Fußballverein, die erfolgreichste Politiker*in und so fort wählt. Begründet liegt diese Bündelung in der Vertrauensvergabe, die dann besonders erfolgversprechend ist, wenn etwas oder jemandem bereits durch viele Personen vertraut wird (vgl. dazu Coleman 1991: 253). Gleichermaßen verteidigt sich die öffentliche Meinung, wie die Masse, gegen eine Meinung die von ihrer primären Deutung abweicht. Was unvernünftig erscheint oder was als unvernünftig gilt, muss zwangsläufig auf der jeweiligen Interpretation der Inhalte durch die Menschen basieren (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 175 f.). Daher mag es jedoch auch durchaus so gewesen sein, dass in bestimmten historischen Epochen die Hexenverfolgung als moralisch gegebene und völlig vernünftige Maßnahme in der öffentlichen Meinung galt, falls eine Ernte schlecht ausfiel oder Krankheiten grassierten. Was der öffentlichen Meinung demnach als vernünftige Interpretation erscheint, muss noch längst nicht ethisch vertretbar sein. Insofern sollte man diese von Vertretern des gestalttheoretischen Ansatzes genannten Funktionen als in ihrer Funktionalität auf das Markensystem beschränkt denken. Abhängig sind Vernunft und Unvernunft in ihrer Bewertung offenbar als Institutionen von den Wissensbeständen einer Gesellschaft (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 58 f., 61, 64 f., 70 ff.). Eine Marke muss aus diesen Gründen eine Verlässlichkeit der Zusage erreichen, um die individuellen ethischen und moralischen Ansprüche der zeitgenössischen öffentlichen Meinung befriedigen zu können und dadurch die Kundschaft zu binden (vgl. Deichsel et al. 2017: 178). Diese Bindungen erzeugen dann einen territorialen Zusammenhang, der sich auch in Gebiets-, Leistungs-, Meinungs- und Urteilsterritorien niederschlägt (vgl. Deichsel et al. 2017: 187 ff.). Da Massen wiederum Masse anziehen, sind die Grenzen der Markenterritorien, insofern Systeme, auch in ihrer symbolischen Darstellung zentral (vgl. Deichsel et al. 2017: 188). Die Masse besteht in diesem
3.7 Öffentliche Meinung und positive Vorurteile
195
Fall, in Anlehnung an Domizlaff, aus der aktuellen und potentiellen Kundschaft einer Marke (vgl. Otte 2015: 105). Die Grenzen können dabei durch den aktiven Einsatz von Symbolen gestärkt und herausgehoben werden, indem bereitliegendes Wissen innerhalb einer Resonanz (3.8) aktiviert wird. Es ist daher auch ein direkter Zusammenhang zwischen der öffentlichen Meinung und der Resonanz einer Marke anzunehmen, welcher durch das Management von Symbolen anschlussfähig wird. Diese Symbole werden dann zu massenhaft verständlichen Möglichkeiten der Selbstdarstellung von Menschen in einer Welt, in der potentiell immer mehr von ihnen abgestimmt und bestimmt werden kann (vgl. Errichiello 2017: 65, 67). Eine Marke entsteht indes ja in Rückgriff auf die allgemeinen Definitionen erst, wenn in der Öffentlichkeit eine Einigkeit über die Merkmale ihres Angebots besteht (vgl. dazu Errichiello/ Zschiesche 2017: 86). Dadurch entscheidet die öffentliche Meinung nicht nur über die Stärke und Dauerhaftigkeit eines Markenangebots, sondern sogar über ihre generelle Existenz. Im Ergebnis sind die Meinungen über eine konkrete Marke oft stabil, da sie durch Vernetztheit, Autopoiese, Ordnung und Verwurzelung im Individuum immer wieder bestätigt werden (vgl. dazu Otte 2015: 131). Das Markensystem hat somit ein positives Vorurteil in Form eines verdichteten, kollektiven Wissens erreicht (vgl. Zschiesche/ Errichiello 2008: 357). Dieses Vorurteil kann dabei lebensstilorientiert auch als soziales Image angesehen werden (vgl. Hölscher 1998: 115 f., 179, 193). Das soziale Image wird ebenfalls dadurch erzeugt, dass in Anschluss an werblich intendierte, lebensstiltypische Assoziationsketten am Markt die Produkteigenschaften mit den idealisierten Attributen einer Gruppe verbunden werden, um so eine positive Bewertung eines Imagesymbols zu ermöglichen (vgl. Hölscher 1998: 179, 193). Insofern bilden sich um Marken auch verschiedene Dichtezonen entlang der Konzeption von Deichsel (1999 b, 2010 b). Wie im vorigen Kapitel beschrieben, hat die Meinung über Marken verschiedene Aggregatszustände, die von flüchtig bis fest auch verschiedene Massen um die Marken herum bezeichnen (vgl. Abbildung 3.10). Da die positiven Vorurteile in der Kundschaft am stärksten verankert sind, ist es gleichermaßen Ziel der Markenführung, Vertrauen aufzubauen und so Kundschaft anzuziehen. Die öffentliche Meinung und das öffentliche Vertrauen dienen für das Ziel des Aufbaus der Kundschaft als Katalysator, da sich aus Gefallen Vertrauen entwickelt. Erst dann bildet sich das positive Vorurteil aus. Ist die öffentliche Meinung negativ geprägt, wird der Aufbau der Strukturen gestört oder gar zurückgefahren. Insofern ist für die Kundschaftsbildung der Marke die positive öffentliche Meinung ihre Grundbedingung. In der Summe ist nun für Marken feststellbar, dass die öffentliche Meinung Entstehungs- und Erfolgsbedingung gleichermaßen darstellt. Ist die öffentliche Meinung positiv, dann zieht eine Marke mehr Masse an, die ihrerseits mehr Masse
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mobilisiert. Eine Masse neigt dazu, gemeinsame Deutungen zu entwickeln und in der Folge auch ein kollektives Vorurteil für eine Marke zu entwickeln, zu pflegen und zu verbreiten. Diese Vorurteile sind notwendig für die Komplexitätsreduktion auf immer komplexeren Märkten, erlauben jedoch auch dem Publikum, sich dem Vorurteil anzuschließen und der Marke zu vertrauen. Vertrauen wiederum ist in der gestalttheoretischen Markensoziologie die Bedingung für ein Vorurteil und gleichsam auch für das öffentliche Vertrauen. Öffentliches Vertrauen ist als kollektives Vertrauen mit dem guten Ruf vergleichbar. Verdichtet sich Vertrauen durch regelmäßige Bestätigung, dann stabilisiert sich das Vertrauen zu einem positiven Vorurteil. In einem Raum, in welchem keine Vorurteile existieren, ist das ästhetische Urteil oder auch das Gefallensurteil von entscheidender Bedeutung. Hier greift die Typologie von Ferdinand Tönnies, die an den Beginn des Wesenwillen das Gefallen, an Stelle der Wiederholung die Gewohnheit und schließlich ans Ende das Gedächtnis setzt. Auch die Meinungen über Marken lassen sich entlang dieser Linie in ihrem Aggregatszustand als zunächst flüchtig, dann flüssig und schließlich als fest charakterisieren. Die feste Meinung einer stabilen, anziehenden Kundschaft mit Gedächtnis und kollektivem positiven Vorurteil kann demnach als das Desiderat der gestalttheoretischen Markenführung angesehen werden. Sie stellt den optimalen Zustand des Markensystems dar. Auch hier lässt sich die Bedeutung von Vertrauen und Vorurteilen durch ein Alltagsbeispiel sehr gut illustrieren. Nehmen wir dafür an, „Unser Naturhof“ möchte eine Internetpräsenz aufbauen. Auf der Suche nach Produkten sind die Konsument*innen stets unzähligen Entscheidungssituationen ausgesetzt. Dies gilt umso mehr für den Kauf im Internet, wo potentiell alles erhältlich ist, für uns aber niemals klar sein kann, ob es das anbietende Unternehmen tatsächlich gibt. Schnell kann man das Opfer eines Internetbetruges werden und Geld für Waren ausgeben, die man niemals erhält oder die sogar gesundheitsgefährdend sind. Umso wichtiger werden die öffentliche Meinung und das Vertrauen. Ist etwa der Anbieter allgemein bekannt oder können wir über ihn Erfahrungsberichte anderer Konsument*innen lesen, vertrauen wir dem Unternehmen vielleicht eher, als wenn sich gar keine oder nur negative Berichte finden lassen. Kaufen wir erfolgreich Produkte im Internetstore und die erhaltenen Waren entsprechen unserer Erwartungen, bauen wir Erfahrungen und Gewohnheiten auf, weil wir dort gefahrlos jederzeit gerne wieder bestellen. Wir empfehlen das Geschäft anderen Personen in unserem Umfeld weiter, die womöglich nun ebenfalls dort kaufen und schrittweise zur Kundschaft werden. Für andere Leute ist unsere Erfahrung, die wir
3.7 Öffentliche Meinung und positive Vorurteile
197
als Kundenbewertung mit fünf Sternen ausdrücken, nun als ein positives Vorurteil ersichtlich.39 Was vielen gefällt ist vermutlich nicht schlecht und daher senkt dies die empfundenen Risiken neuer Konsument*innen. Der Schlüssel zu stabiler Kundschaft im Internethandel ist demnach die Vertrauensgewinnung, die sich in positiven Vorurteilen gesellschaftlich kultiviert und multipliziert. Da „Unser Naturhof “ bereits positive Vorurteile in der Bevölkerung besitzt, gilt es demnach, insbesondere die Bestätigung der positiven Vorurteile anzuvisieren. Das bereits erworbene Vertrauen entlastet auch hier die Einzelnen von der Prüfung des Angebots. Da aber Label insbesondere prüfende Funktionen besitzen, soll im nächsten Unterkapitel betrachtet werden, inwiefern Vertrauensgewinnung ein zentrales Ziel der Label darstellen kann und vielleicht auch darstellen muss.
3.7.2
Vertrauensbildung durch Label?
Für Marken ist Vertrauen und auch die öffentliche Meinung nicht nur der Moment ihrer Etablierung, sondern auch die Bedingung ihres Überlebens. Wie in vorigen Kapiteln herausgestellt, ist Vertrauen auch für Label eine zentrale Bedingung für ihren Erfolg (vgl. dazu auch etwa Hartmann et al. 2018: 379, 386; vgl. dazu auch Rousseau 2015: 98). Wird dem Label nicht vertraut, so scheitert womöglich ebenfalls seine primäre Aufgabe der Informationsvermittlung. Insofern kreisen auch die Zwecknetzwerke um die Idee eines bewussten Konsums, dessen Symbol hier das Label ist. Das Label symbolisiert dabei die intrinsischen Merkmale eines Produktes, die für die Konsument*innen nicht sinnlich erfahrbar sind (vgl. dazu etwa Rex/ Baumann 2007: 571; vgl. auch Yenipazarli 2015: 283). Diese Aspekte, welche durch das Label kommuniziert werden, gelten daher in der Forschung als credence attributes und sind fundamental mit der Idee des Vertrauens verbunden (vgl. dazu etwa Rex/ Baumann 2007: 574; vgl. auch Rousseau 2015: 93, 98). Auf dieses Schlüsselkonzept der Label soll in diesem Kapitel näher eingegangen werden. Um die Rolle des Vertrauens für Label verstehen zu können, lohnt ein erster Blick auf die öffentliche Meinung. Wie in vorigen Kapiteln ebenfalls diskutiert, weist ein Label eine selbstähnliche Signalstruktur auf, um durch Bestätigung möglichst viel öffentliches Vertrauen zu gewinnen. Das öffentliche Vertrauen ist jedoch an die öffentliche Meinung geknüpft. Diese verfestigt sich gemäß den 39 Der Trend zu gekauften Internet-Bewertungen im Onlinehandel verringert natürlich die Glaubwürdigkeit von digitalen Erfahrungsberichten und erschwert dadurch die Weitergabe authentischer positiver Vorurteile.
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Aggregatszuständen nach Tönnies (2004: 472 ff.) mit der stetigen Wiederholung. Nun sind die tatsächlichen Leistungen eines Labels nicht sinnlich wahrnehmbar, da sie sich auf intrinsische Eigenschaften von Produkten beziehen (vgl. dazu etwa auch Brécard 2014: 79). Daher kann geschlossen werden, dass es sich hier um eine interpretative Ausdeutung der durch das Label vermittelten Inhalte handelt. Die Meinung bildet sich demnach weniger über Label selbst, als vielmehr über die sinnlich wahrnehmbaren Produkte, auf welchen diese Label aufgebracht sind. Das Label dient hier als Intermediär des Vertrauens, indem umstrittenen und angezweifelten Produkten eine positive Eigenschaft zugeschrieben wird. Stimmen die nun geweckten Erwartung mit den sinnlichen Wahrnehmungen der Konsument*innen überein, wenn sie das Produkt konsumieren, dann profitieren Label und Produkt von einer positiven Bestätigung. Es bilden sich Vorurteile und schließlich Vertrauen. Die Besonderheit dieses transitiven Vertrauens ist hier (vgl. dazu auch von Weizsäcker 2001: 252 f.), dass Label auf unterschiedlichen Produkten wiederauftauchen können. Besteht etwa ein positives Vorurteil gegenüber dem Bio Siegel, profitieren davon alle Produkte, auf welchen ein Bio Siegel aufgebracht ist. Das in das Label gesetzte Vorurteil motiviert demnach ein transitives und hochgradig übertragbares Vertrauen in die mit dem Label in Gestalteinheit vorkommenden Produkte. Insofern ist das Umweltbewusstsein auch hier wieder die zentrale Kategorie für das Vertrauen in Label, welches womöglich im Einzelfall durch Labelwissen gestärkt oder geschwächt wird. Dies bedarf weiterer Erklärung. Es ist in Studien nachgewiesen worden, dass Menschen Lebensmittel mit einem Bio Siegel häufig als gesünder und geschmackvoller bewerten, selbst wenn es sich bei den Versuchen um ein identisches Produkt mit lediglich unterschiedlicher Etikettierung handelte (vgl. dazu etwa Lee et al. 2013: 37; vgl. dazu auch Ellison et al. 2016: 146 ff.). Auch bewerten Menschen Produkte mit Labeln in der Regel besser als jene Varianten ohne Label (vgl. dazu etwa Brécard 2014: 66; vgl. auch Samant/ Seo 2016 a: 157). Dieser Effekt ist demnach offensichtlich auf eine Interpretation der unsichtbaren und intrinsischen Eigenschaften der Produkte zurückzuführen, welche durch das Label ausgelöst wird. In der Literatur wird dieser Effekt auch eco-label effect, halo effect oder green halo genannt (vgl. dazu Sörqvist et al. 2015; vgl. auch Sörqvist et al. 2016; vgl. auch Ellison et al. 2016: 141). Dieser Effekt ist dabei nicht mit sozialer Erwartbarkeit gleichzusetzen, die in diesem Zusammenhang als widerlegt gilt (vgl. Sörqvist et al. 2016: 86). Zu Grunde liegt dieser Interpretation offenbar eine grundsätzliche Verunsicherung über die intrinsischen Eigenschaften eines Produktes. Laut der SGS Germany (2016: 6) empfanden 90% der Befragten Lebensmittel als potentielles Sicherheitsrisiko und immerhin 64% achteten beim Einkauf von den besonders als unsicher empfundenen Eiern,
3.7 Öffentliche Meinung und positive Vorurteile
199
Fleisch- und Wurstwaren verstärkt auf Label (vgl. SGS Germany 2014: 12, 29). Die Label erfüllen ganz offensichtlich die Funktion einer zusätzlichen Absicherung für die Konsument*innen. Auch angesichts der konstanten Verunsicherung durch Medienberichte (vgl. dazu SGS Germany 2016: 23) und Lebensmittelskandale wie der BSE Krise (vgl. dazu Kriege-Steffen 2015: 47) entsteht offenkundig der grundsätzliche Bedarf an sichtbaren Kontrollen von Lebensmitteln, insbesondere von Fleischprodukten. Das Label und die hinter dem Warenzeichen stehenden Standards, Institutionen und Kontrollen werden so zum Surrogat des Vertrauens und einer scheinbar guten Arbeitspraxis der Hersteller*innen. Gleichwohl kann aber nicht jedem Label gleich viel Vertrauen entgegengebracht werden (vgl. dazu etwa Yenipazarli 2015; vgl. auch Bleda/ Valente 2009: 513; vgl. auch Li/ van ‘t Veld 2015: 164). Dies liegt zum Teil in den unterschiedlichen Standards begründet, so dass auf dieser Ebene auch eine Vermischung mit dem Vertrauen in die hinter dem Label stehenden Parteien einzubeziehen ist (vgl. dazu etwa Hemmelskamp/ Brockmann 1997: 75; vgl. dazu auch Bleda/ Valente 2009: 513). Um das Label jedoch zu dechiffrieren, wird ein Bewusstsein von und das Wissen um seine Inhalte notwendig. Das Label wird durch die erfolgreiche Dechiffrierung zum Intermediär des transitiven und graduellen Vertrauens. Der Intermediär ist ein Schlüsselbegriff des Vertrauenskonzeptes von Coleman (1991), der drei Systeme des Vertrauens unterschied. Das zweite Vertrauenssystem ist das intermediäre Vertrauen, bei welchem ein intermediärer Akteur als der Treugeber für einen anderen Akteur fungiert, er aber gleichzeitig auch der Treuhänder für einen weiteren Akteur ist (vgl. Coleman 1991: 227). Mit anderen Worten sichert der Intermediär eine Transaktion ab, indem er von einer Person Vertrauen erhält und es weiter vergibt, indem er einer anderen Person vertraut. Es existieren dabei unterschiedliche Intermediäre mit unterschiedlichen Verfahrensweisen bei der Vertrauensvergabe, konkret Unternehmer, Berater und Bürgen (vgl. Coleman 1991: 232–238). Label sind in vielerlei Hinsicht solche Intermediäre, da sie der Vertrauensvergabe, wie bereits dargestellt, zwischengeschaltet sind. Ein Label steht für eine bestimmte Verfahrensweise ein und die zertifizierende Organisation fungiert in diesem Sinne als Intermediär, der dem Unternehmen vertraut und dem wiederum von den Konsument*innen vertraut werden soll. An einem Beispiel aus dem Lebensmittelsektor lässt sich dieser wechselseitige Effekt gut illustrieren. Er lässt sich anhand einer alltäglichen Einkaufssituation gut nachvollziehen. Eine Person möchte abgepackte Wurst von „Unser Naturhof “ im Lebensmitteleinzelhandel kaufen und findet diese dann auch im Kühlregal des Geschäfts. Bei Wurst handelt es sich um ein weit verarbeitetes Produkt, welches keinen unmittelbaren Rückschluss auf seine intrinsischen Qualitäten zulässt. Sensorische Prüfungen wie die des Geruchs und des Geschmacks sind aufgrund der
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Verpackung normalerweise unmöglich und auch das Aussehen der Wurst kann nur bedingt und abhängig von der Verpackung geprüft werden. Hier geht die Person nun ein unkalkulierbares Risiko ein, wenn sie das Produkt kauft. Vertrauen wird für die Entscheidung notwendig und unzählige Faktoren werden in die Überlegung einbezogen oder ignoriert. Neben dem Ruf des Geschäfts, dem Ruf der Marke und Aspekten wie dem Mindesthaltbarkeitsdatum, ist ein aufgebrachtes Label eine zusätzliche Möglichkeit der Selbstversicherung. Hat Beispielsweise ein namhaftes Prüfinstitut die Qualität des Produktes bestätigt, wurde der Person die unmögliche sensorische Prüfung des Produktes bereits durch einen möglicherweise vertrauenswürdigen Dritten abgenommen. Dies verringert das empfundene Risiko eines Fehlkaufes. Hinzu kommen mögliche Steigerungseffekte durch weitere Qualitäten, die hier besiegelt wurden. Diese sind auch eng mit den Resonanzen verknüpft (3.8). Die Wurst muss nun allerdings den geweckten Erwartungen gerecht werden, da sonst das erbrachte Vertrauen erschüttert wird. Wird das Vertrauen aber bestätigt, weil das Produkt gefällt, kommt es auch dem Label gegenüber zu einem positiven Vorurteil, weil es die Komplexität der Situation abbauen kann und daher den Bedarf an kürwilliger Prüfung reduziert. Mit dem Vertrauen geht jedoch auch ein anderes Risiko einher, nämlich das Risiko, getäuscht zu werden. Wäre die Wurst nun besiegelt und dennoch von schlechter Qualität, müsste die kaufende Person auch zur Bewertung der intrinsischen Qualitäten der Wurst in der Lage sein, um die Täuschung zu bemerken. Dies ist jedoch selten der Fall, zumal Personen ihr subjektives Labelwissen oft überschätzen (vgl. dazu Samant et al. 2016: 146 f.). Der halo effect der Label eröffnet folglich das Risiko der Täuschung durch Organisationen, wie etwa in Form von Greenwashing. Label sind demnach alles in allem selbst Vertrauenssache, wenngleich sie ebenso Vertrauen für Produkte und womöglich sogar Marken erreichen sollen. Das ist darin begründet, dass Label stets Teil eines Gestaltzusammenhangs mit Produkten und Marken sind und ihre Wirkung für alle Teile der Gestalt in Kraft treten. Dies ist vergleichbar mit den Zunftzeichen des Mittelalters, durch welche Dritte Parteien die Qualität der angebotenen Waren bestätigten, um somit auch das Vertrauen der Konsument*innen zu gewinnen (vgl. dazu Hellmann 2003: 42 ff.; vgl. dazu auch Hüllemann 2007: 87; vgl. dazu auch Errichiello 2017: 18). Zusätzlich zu den Zunftzeichen konnten ebenfalls Hauszeichen angebracht sein, die für den konkreten Hersteller standen, der nach den Zunftregeln produzierte. Dadurch kann die historische Entwicklungslinie der Label aus den Zunftzeichen als bestätigt angesehen werden. Erreicht wird die benötigte Sicherheit durch eine konstante Signalstruktur und die permanente Bestätigung der Erfahrungen. In diesem Sinne
3.7 Öffentliche Meinung und positive Vorurteile
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sind auch Label stark gefährdet, durch Skandale beschädigt zu werden, da Vertrauensbildung als ihre zweite Kernaufgabe neben der Informationsvermittlung gelten kann. Insofern gilt für Label ebenfalls der Imperativ der Leistungskonstanz, wodurch eine weitere Ähnlichkeit zur Marke entsteht. Auch bei Labeln muss durch Wiederholung und Bestätigung aus Gefallen das Gedächtnis werden und sich ein positives Vorurteil etablieren. Erst dann reduzieren Label Komplexität und erlauben das Vertrauen in ihre Aussagen. Diese Aufgabe ist jedoch durch die Masse gradueller Label gefährdet, da akute Verwechslungsgefahr und dadurch Verunsicherung implementiert wird (vgl. dazu etwa Csigéné Nagypál et al. 2015: 210 f.; vgl. dazu auch Brécard 2014: 79). Insofern erweitern sich Label hier um einen wesenwilligen Aspekt, der auf der anderen Seite der Labelnutzung steht, die bislang eher kürwillig betrachtet worden ist. Eine Masse bilden Label aber auch im Bereich des Vertrauens nicht aus, da Label keine großen Bindungskräfte entwickeln, wie bereits einige Male zuvor beleuchtet worden ist. Wesenwillige Bündnisse sind hier jedoch dennoch vorzufinden und werden insbesondere dann gültig, wenn ein geringes Labelwissen vorliegt (vgl. dazu etwa Samant/ Seo 2016 b; vgl. auch Samant/ Seo 2016 a; vgl. auch Samant et al. 2016; vgl. auch Brécard 2014: 66). Es lässt sich daher in Anlehnung an Vertreter des gestalttheoretischen Ansatzes schlussfolgern, dass das Vertrauen hier ebenfalls das Labelwissen mit einem anderen Vorzeichen ersetzen kann. Die Vertrauensbildung bei Labeln ließe sich grafisch folgendermaßen vergegenwärtigen (Abbildung 3.11): Es lässt sich abschließend feststellen, dass Vertrauen für Label wie für Marken eines der zentralen Kriterien zur Komplexitätsreduktion darstellt und für beide einen vergleichbaren Stellenwert einnimmt. Auch für Label gilt, dass in kontinuierlicher Bestätigung ihre Leistung immer wieder erbracht werden muss, um sich von Gefallen zu Gedächtnis und von flüchtiger zu fester Meinung zu entwickeln. Eine Masse bildet ein Label aufgrund seiner geringen Bindungskräfte jedoch trotz seiner in Teilen wesenwilligen Aufladung nicht aus. Explizit in Bezug auf Markenprodukte dient das Label schließlich als Intermediär eines transitiven Vertrauens und ermöglicht dadurch die positive Aufladung von Markenprodukten durch den guten Ruf eines Labels. Gleichermaßen sorgt dieser Effekt jedoch auch dafür, dass in jedem label effect auch die Saat einer Täuschung enthalten ist. Insofern ist vor allem der Gestaltzusammenhang in welchem das Label auftritt, sowie die öffentliche Meinung über das Label, von zentraler Bedeutung für dessen Interpretation. Diese wird insbesondere durch Resonanzen akzentuiert, die ihrerseits Gegenstand des folgenden Kapitels sind. Im Falle des Beispiels enthält etwa das Eigenlabel „Nachhaltig!“ die Charakteristika der Wertecharta von „Unser Naturhof “ und bestätigt dadurch die zusätzlich geprüfte nachhaltige Arbeitsweise der Genoss*innen. Als erkennbares Ökolabel
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Abbildung 3.11 Modell der wesenwilligen Labelnutzung. (Quelle: eigene Darstellung)
schafft das Siegel auch dann ein gewisses Vertrauen, wenn die exakten Aussagen hinter dem Label nicht verstanden werden und es schlicht nur gefällt. Das Label fungiert hier als Intermediär des transitiven Vertrauens, denn dieses muss zunächst von der Markenorganisation auf die einzelnen Genoss*innen übertragen werden, die ihre Produkte unter je eigenem Namen vertreiben. Die Konsument*innen werden dadurch indes vom Prüfen entlastet. Denn sobald sie dem Eigenlabel vertrauen, ist die detaillierte Prüfung der einzelnen Genoss*innen nicht mehr erforderlich. Die Markenorganisation steht für deren Qualität durch das Label und das Markenzeichen ein.
3.8
Resonanz – das Echo des guten Rufs
Was Vorurteile bewirken können, wenn sie kollektiv werden, das sehen wir tagtäglich im Guten wie im Schlechten in den Medien. Menschen gehen für etwas oder gegen etwas auf die Straße. Es werden empfundene Ist-Zustände geäußert, dass bestimmte Dinge eben so und nicht anders seien. Einige Menschen seien per se sauber oder unsauber, die Küche bestimmter Länder enthalte generell viel Knoblauch oder das Wetter im Süden sei grundsätzlich sonniger. Man kann an
3.8 Resonanz – das Echo des guten Rufs
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den vorliegenden Beispielen bereits erkennen, dass es keinesfalls um Tatsachenbeschreibung, sondern mehr um das empfundene und interpretierte Wissen in Vorurteils-Gemeinschaften geht. Denn hat sich ein Vorurteil kollektiv etabliert, dann wird es von einer Vielzahl von Menschen geteilt. Sie wissen nun gemeinsam ähnliche oder dieselben Dinge. Jenes Wissen wird dann nicht nur in gemeinsamen Symbolen ausgedrückt, sondern lässt sich durch diese Symbole auch ansprechen. Geschieht dies, dann spricht die gestalttheoretische Markensoziologie von Resonanz. Resonanz ist hier im übertragenden Sinne als Analogie zur Akustik zu verstehen. Etwas gibt einen Laut ab und der Schall dieses Lautes wird von festen Objekten zurückgeworfen (vgl. Deichsel et al. 2017: 208). Resonanz im Sinne einer Rückkopplung auf den Laut ist entstanden. Die gestalttheoretische Markensoziologie geht davon aus, dass auch Vorurteile von Kollektiven derart zurückgeworfen werden können. Wird ein Symbol mit gemeinsamer Deutung entdeckt, wird dieses ausgedeutet und aktiviert so die kollektiven Wissensbestände (vgl. dazu Errichiello 2013: 154). Das Signal ist anschlussfähig und setzt Energie frei. Dieses Interpretationsschema gleicht dem Modell des Symbolischen Interaktionismus (vgl. Blumer 1998) und hat auch viele Schnittmengen zur Wissenssoziologie (vgl. Berger/ Luckmann 2016). Gestalttheoretische Vertreter gehen hier hingegen nicht primär von einer übergeordneten Bedeutung der interpretationsbedürftigen Symbole oder geteilter Wissensbestände aus, sondern eher von der Aktivierung eines kollektiven Gedächtnisses (vgl. dazu Errichiello 2013: 146 f.). Dabei werden im gestalttheoretischen Ansatz wieder Anleihen von interdisziplinären Gedankengängen verwendet. Auch Resonanz kann hier um eine Analogie zur Naturwissenschaft erweitert werden. So untersuchte der Zellbiologe Rupert Sheldrake die Entstehung der Formen in der Natur und kam zu dem Schluss, dass alle Formen durch morphische Felder bestimmt würden (vgl. van Riet 1995: 295). Diese Felder speichern Erfahrungen von Individuen einer gemeinsamen Art wie ein Gedächtnis und verbinden die Individuen in einer morphischen Resonanz miteinander (vgl. van Riet 1995: 296). Die morphischen Felder steuern dabei jedoch gleichermaßen auch die Entwicklung, Erscheinungsform und das Verhalten dieser über morphische Resonanz verbundenen Individuen (vgl. van Riet 1995: 296). Die morphische Resonanz lässt sich demnach als Prozess im morphischen Feld erklären, von einem Zustand der Vergangenheit in die Gegenwart überzugehen (vgl. van Riet 1995: 296). Die Vergangenheit hallt währenddessen, wie der akustische Laut, nach und ist daher in seinen Auswirkungen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein spürbar. Resonanz hat demnach auch das Potential, die Zeitdimension zu überbrücken. Sind die Individuen sogar gleiche Organismen, dann wird die Resonanz stärker, das morphische Feld stabilisiert sich und der sich
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etablierende Rhythmus erzeugt eine Fernwirkung in Zeit und Raum (vgl. van Riet 1995: 297 f.). Je mehr gleichartige Organismen demnach miteinander resonieren, desto eher etabliert sich ein bestimmter Rhythmus. Je stärker und gleichgerichteter dieser Rhythmus ist, desto stärker sind dessen Auswirkungen wahrnehmbar. Ein deutliches Resonanzmuster ist dabei in der Lage, weite Entfernungen und Zeitabstände zu überbrücken. Die Resonanz bestimmt daher auch den Korridor, in welchem etwas Gestalt annehmen kann. Eine in morphischen Feldern vorkommende Gestalt ist dadurch jedoch auch interpretationsbedürftig, da der Rhythmus erst aufgenommen werden muss, bevor er seine Wirkung entfalten kann. Resonanz ist in naturwissenschaftlicher Analogie folglich erst einmal eine Rückkopplungsreaktion in Zeit und Raum. Womöglich ließe sich hier auch eine implizite Form der Kommunikation der Organismen miteinander annehmen, allerdings lediglich in einem sehr prototypischen Sinne als ein Ursache-Wirkung Schema. Insofern handelt es sich bei Resonanz nicht um ein eigenes Kommunikationsverständnis im Sinne eines notwendigen Verständigungsprozesses, allerdings ließe sich Resonanz mittels Modifikation durchaus zu einem Kommunikationsverständnis ausbauen. Diese naturwissenschaftlichen Grundannahmen wurden in die Markensoziologie übertragen. Ausgangspunkt der Resonanz ist hier die Auffassung von Deichsel (1999 a: 197–200), dass Kultur vor allem Lebensgewohnheiten mit gestalthaften Eigenschaften darstellt, wodurch sie ein normatives Energiesystem ist, welches gestaltindividuell und unübertragbar einen sozialen Magnetismus ausübt. Kulturen sind in diesem Sinne selbst energetisch aufgeladene Lebewesen (vgl. Deichsel 1999 a: 201), also folglich auch hyperorganische Gestalt- und Energiesysteme. Insofern versammeln auch magnetische Kulturen um einen Kristallisationspunkt herum Massen, die sich zunehmend verdichten. Märkte sind im Besonderen selbst als Kultursysteme anzusehen und in diese eingebettet (vgl. Deichsel 1999 a: 196 f.). Innerhalb der Märkte befinden sich diverse Resonanzzonen, die von positiven Vorurteilen bestimmt sind (vgl. Deichsel 1999 a: 193). Ob man sich diese Resonanzzonen als Subsysteme vorstellen kann, ist dabei jedoch ungeklärt. Zu erinnern ist aber an die Definition der Vorurteile nach Deichsel (1999 a: 208), der sie als Urteile von Kollektiven über Kollektive bezeichnet. Resonanzzonen sind im Sinne von Deichsel hier also die in Kulturen bestehenden kollektiven Vorurteile. In Rückgriff auf die morphische Resonanz von Sheldrake verstärken sich die Vorurteile, wenn sie von vielen Menschen geteilt werden, zu einem Rhythmus, der weite räumliche Distanzen und zeitliche Differenzen überbrückt, wodurch die Vorurteile noch weiterverbreitet werden. Man könnte es als eine Art Kettenreaktion oder ein Echo beschreiben. Nach Errichiello (2013: 154) sind kulturelle Resonanzräume damit auch als Gestaltangebote anzusehen. Da morphische Felder die Gestalt von Dingen bestimmen, verwundert es nicht, dass im Sinne von
3.8 Resonanz – das Echo des guten Rufs
205
Domizlaff die Gestaltsysteme als massenseelische Resonanzkörper gelten können (vgl. Deichsel 1997: 241). Der von ihm angenommene Kompositionstrieb des Massengehirns und das Resonanzvermögen der Masse dekodieren den Rhythmus und komponieren ihn dann zu den fixierten Gestalten (vgl. dazu auch van Riet 1995: 295). Das Resonanzvermögen der Masse ist dadurch gleichermaßen als morphische Resonanz zu betrachten (vgl. van Riet 1995: 297). Sie steuert die Gestalt und deren Interpretation innerhalb der Resonanz der Masse zwischen ihren Teilen und zur Vergangenheit. Ihr Rhythmus sind die kollektiven Vorurteile, die bestätigt, akzentuiert und weiter geteilt werden, wodurch sich ihr Muster immer stärker herausbildet. In diesem Sinne könnte man auch wissenssoziologisch unterstellen, Resonanzen bildeten sich um Typisierungen und Institutionen herum aus (vgl. dazu Berger/ Luckmann 2016: 33–36, 58 f.). Wie im Kapitel über Gestalten (3.4) herausgestellt, können hieran dann auch Symbolkonfigurationen und insofern Lebensstile angeschlossen werden. Den eigentlichen Prozess der Resonanz beschreibt Deichsel (2001: 264) so, dass eine Idee auf einen Menschen trifft, welcher zum Mitschwingen bereit ist. Die Schwingungsbereitschaft hängt dabei von den kollektiven Erinnerungen und Prädispositionen des Menschen ab, da sie das Signal verstärken oder hemmen, so dass es ohne die Prädisposition sogar im sozialen Raum verhallen kann (vgl. Deichsel 2001: 264). Jeder Mensch ist dabei von vielen massenseelischen Vorstellungen erfüllt, auf deren Basis er oder sie mitschwingen kann (vgl. Deichsel 2001: 264). Der einzelne Mensch ist demnach das passive Objekt einer nicht zielgerichteten Wahrgebung. Dies ergibt sich auch daraus, dass Menschen stets Teil mehrerer Massen gleichzeitig sind, in welchen immer nur die Regeln der Massen vor der Vernunft der Individuen gelten. Insofern besitzen Menschen auch mehrere Vorstellungen zugleich. Voraussetzung des Mitschwingens ist dadurch in erster Linie ein wesenwilliges Verhältnis des Individuums zur Masse, also die Bereitschaft zur Annahme der Schwingung (vgl. dazu Deichsel 2001: 264 f.). Sobald in der Schwingung dann Muster erkannt werden, vervollständigt der Mensch sie zu einer Gestalt, wie in Abschnitt 3.4 bereits ausgeführt wurde. Mit der Vervollständigung zur Gestalt ist das Signal angenommen und kann vom Menschen aus fortan weitergetragen werden, der nun als ein Resonanzkörper fungiert. Erreicht die Schwingung, in diesem Fall ein positives Vorurteil, einen kollektiven Status, so bildet sich ein sozialer Resonanzraum (vgl. Deichsel et al. 2017: 12). Zu einem Kommunikationsverständnis wäre diese Schilderung über die Zuhilfenahme von Blumer (1998) oder Berger und Luckmann (2016) ausbaufähig. Um als vollwertiges Kommunikationsverständnis betrachtet werden zu können, fehlt an dieser Stelle noch einerseits die Verständigungsleistung an sich, der Prozess der Weitergabe des Signals und der Rezeptionsprozess selbst. Zudem ergibt sich in der
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Resonanz die Besonderheit einer indirekten, einseitigen und öffentlichen Kommunikation, was sich stark an Maletzke (1978: 21–24, 32) anlehnen ließe. Dieser definiert Massenkommunikation als einseitige, indirekte, öffentliche und durch ein technisches Medium an ein disperses Publikum gerichtete Kommunikation (vgl. Maletzke 1978: 32, 51, 93). Ähnlich funktioniert die Übermittlung von sozialen Images über Symbole, wie es etwa in der Life-Style-Werbung geschieht (vgl. Hölscher 1998: 115 f., 160 ff., 177 ff.). Deichsel (2001: 267) unterscheidet dabei drei Aspekte der Resonanz, welche für die analytische Erfassung der Schwingung erforderlich sind. Der erste Aspekt ist das Resonanzfeld, welches historisch aufgebaute, allgemeine Vorstellungen und Vorurteile bezeichnet, die von der Bevölkerung verinnerlicht wurden (vgl. Deichsel 2001: 267). Das Resonanzfeld ist in dieser Hinsicht in seiner Funktion mit dem morphischen Feld von Sheldrake zu vergleichen. Einige Resonanzfelder haben das Potential niemals zu verhallen. So ist etwa das Resonanzfeld der reinen Natur oder des Paradieses laut Deichsel (2001: 269) bereits seit der Antike nachweisbar und bis heute stabil. Resonanzfelder können sowohl positiv, als auch negativ konnotiert sein (vgl. Deichsel et al. 2017: 197). Insofern handelt es sich hier um Institutionen des Wissens nach Berger und Luckmann (2016: 58 f.). Das Resonanzmuster bezeichnet hingegen konkrete, sinnlich erfahrbare Konstellationen innerhalb des Resonanzfeldes (vgl. Deichsel 2001: 267). Das Resonanzmuster ist in dieser Hinsicht mit dem Rhythmus zu vergleichen, den Sheldrake beschreibt. Das Muster muss zunächst also erfahren werden, um die dort enthaltenen Informationen dekodieren zu können, sorgt dann aber in der Folge dafür, dass das Muster selbst vom neuen Punkt aus weitergetragen wird. In diesem Sinne handelt es sich um Symbole nach Mead, die auf einen Sinnzusammenhang jenseits der konkreten Situation verweisen (vgl. dazu Abels 2010: 261). Als letzten Aspekt schildert Deichsel die Resonanzidee, die eine spezifische Ausgestaltung der Resonanz darstellt, welche sich kollektive Vorstellungen zu Nutze macht (vgl. Deichsel 2001: 267). Diese Vorstellungen bauen sich dabei über Jahrhunderte kulturell auf und werden in der Sprachwissenschaft auch als Topoi oder geistige Plätze bezeichnet (vgl. Deichsel 2001: 267 f.). Sie sollen mit ihrer spezifischen Ausrichtung auf die Resonanzmuster die bereitliegenden Energien in den Resonanzmustern und Resonanzfeldern aktivieren (vgl. Deichsel et al. 2017: 209). Sie sind, wenn man so will, der Nachhall und der enthaltene Grundgedanke der Resonanz. Wenn das Resonanzfeld nämlich das bereits vorhandene und verinnerlichte Wissen der Menschen bezeichnet und die Resonanzmuster die sinnlichen Ausformungen dieses Wissens sind, dann ist die Resonanzidee der intrinsische und aktivierende Grundgedanke hinter dem Wissen, also eine Art Ursprungsgedanke der Resonanzschwingung. Im Sinne von Berger und Luckmann (2016: 38 f., 42, 72 ff.) ließen
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sich Resonanzfelder demnach auch als Sedimente des Wissens40 beschreiben, die durch entsprechende Resonanzmuster, also Symbole die auf einen weiteren Sinnzusammenhang außerhalb der Situation verweisen, dargestellt werden. Aufgrund des langjährigen Aufbaus der kollektiven Vorurteile ist die Bedeutung der Historizität von Gestalten ein nicht zu unterschätzendes Kriterium. Rückbezogen auf das Problem der Selbstähnlichkeit, erfordern Resonanzen ein hohes Maß an Bestätigung, welches jedoch nicht das Extrem der Stagnation annehmen darf. Resonanzen müssen daher bislang bekannte Signale so fortentwickeln, dass auch immer ein gewisses Maß an Erstmaligkeit enthalten ist (vgl. Otte 1995: 46 f.). In dieser Hinsicht handelt es sich bei den Resonanzen um den schwingenden Energiefluss, welcher die Gestaltsysteme verlässt und der durch das Publikum angenommen und bestätigt werden muss. Dies ist allerdings weder mit Verständigung, noch mit einem unmittelbaren Austausch der Systeme mit dem Publikum gleichzusetzen, da es bei Resonanz in erster Linie darum geht, das Publikum im Gleichklang mit dem System schwingen zu lassen und insofern gleichzurichten. Wie die Gestalt selbst, so ist die Resonanzschwingung an ihren eigenen historischen Korridor gebunden, welcher aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart nachhallt. Die Folgen sind einerseits die leichte Wiederkennung des Signals, aber auch eine Einschränkung der potentiellen Breite der Schwingungen. Resonanz ist ebenso das Wissen um den Rhythmus der Schwingung in Form verinnerlichter kollektiver Vorurteile über die Gestalt und deren Handlungsspielraum. Was ist abschließend nun also Resonanz. Resonanz ist eine rückkoppelnde Form der Schwingung, die auf der Interpretation spezifischer Signale und Symbole in Bezug auf spezifische Sedimente des Wissens aufbaut. Sie nutzt in Gruppen vorhandenes Wissen, in diesem Falle Vorurteile, um durch deren Ansprache Energien des Gestaltsystems zirkulieren zu lassen. Resonanzen sind in der Lage, Massen durch indirekte und nicht zielgerichtete Ansprache im Gleichklang um einen Kristallisationspunkt herum eine Gemeinschaft bilden zu lassen. Man unterscheidet dabei Resonanzfelder, die historisch aufgebaute Vorstellungen bezeichnen, Resonanzmuster, die eine sinnlich ausgeprägte Variante der Resonanzfelder sind und Resonanzideen, die als Stimulus die Energien der Muster
40 Sedimente des Wissens sind nach Berger und Luckmann (2016: 72–75) Erinnerungen aus Erfahrungen, die eine intersubjektive Ablagerung von mit anderen geteilten Erfahrungen darstellt. In objektivierter Form als Zeichensystem und Sprache erlauben sie die Übertragung von Erfahrungen und Wissen auf andere, sowie bei Bedarf auch die Übertragung des institutionellen Sinnes in Form von Legitimation und Kontrolle (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 72–75).
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und Felder freisetzen sollen. Resonanzmuster wirken für das Gestaltsystem formgebend, da sie von den Rezipient*innen direkt zu einer Gestalt komponiert werden können. Ob eine Eingebung durch eine Resonanz erfolgreich ist, hängt von der Bereitschaft zur Annahme der Schwingung durch die Rezipient*innen ab. Die Nutzung bekannter Vorstellungen und Symbole erhöht dabei die Wahrscheinlichkeit der Annahme und lässt die Anknüpfungspunkte zeitlich und räumlich dauerhaft werden. In vielen Punkten ist damit die Resonanz mit den Prämissen des Symbolischen Interaktionismus vergleichbar (vgl. Blumer 1998).41 Auf ein praktisches Beispiel bezogen, kann man sich Resonanz als ein zeitlich stabiles Muster vorstellen. Man nehme etwa das Muster des Tricksters, also des Schwindlers, welcher in den meisten Mythologien und Sagen vorkommt und daher geographisch und kulturell übergreifend stabil vorzufinden ist. Seien es Loki, Prometheus, Rübezahl, Mephisto, Till Eulenspiegel oder ein Kitsune: sie alle bringen durch ihr Wirken bestehende Ordnungen durcheinander und können so als ein Archetyp der Devianz gelten. Unabhängig von den Einzelheiten der Geschichten und abgesehen von der Tatsache, dass viele der Fähigkeiten dieser Protagonist*innen fiktiv sind, ist ihren Geschichten doch stets gemein, dass sie mit List und teils Tücke, ihrer devianten Haltung durch entsprechende Taten Ausdruck verliehen und nicht selten gegen höhere (göttliche) Gesetze verstießen. Der Bruch dieser Ordnung ist jedoch oft mit Humor oder zumindest einer gewissen Doppeldeutigkeit verbunden und steht mehr für den Aspekt des Spaßes und des Nervenkitzels hinter der Devianz. Im Falle von Till Eulenspiegel aktiviert etwa die schleswig-holsteinische Stadt Mölln die in der Bevölkerung überlieferten Wissensbestände durch Symbole aus vorhandenen Erzählungen zu Eulenspiegel. Sie sind das historisch aufgebaute Resonanzfeld. So kann man etwa auf Eulenspiegels Spuren wandern, findet auch einige Orte aus seinen Geschichten wieder oder man setzt sich an den Eulenspiegelbrunnen. Diese Orte und Dinge sind die Resonanzmuster und sinnlich erfahrbar. Die Anspielungen sind für all jene anschlussfähig, die vom neckischen Unfug Eulenspiegels wissen. Für alle anderen sind die Symbole nicht zu deuten. Jede symbolische Assoziation mit Eulenspiegel aktiviert als Resonanzidee nun die bereitliegenden Vorurteile der wissenden Menschen über Eulenspiegel und hat so das Potential Personen anzuziehen und Masse zu versammeln. Mölln wirkt dadurch spezifisch und zieht als Stadt mit Geschichte Menschen an. Gleichermaßen kann Mölln nun aber nicht mit dem Symbol Rübezahl resonieren. Es 41 Menschen handeln Dingen gemäß der Bedeutung die diese Dinge für sie besitzen, sie zeigen sich die Bedeutung in gegenseitiger Interaktion an und interpretieren die Bedeutung fortlaufend in ihrem Inneren (vgl. Blumer 1998: 1 ff.).
3.8 Resonanz – das Echo des guten Rufs
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wäre nicht anschlussfähig und verletzt die Gestaltvorgaben und die Historizität der Stadt. Mölln ist und bleibt die Eulenspiegelstadt (vgl. etwa Städtische Kulturverwaltung Mölln 2018: moelln-tourismus.de). Dagegen ist etwa Mephisto eher der Theaterstadt Lübeck vorbehalten, denn hier wäre die Resonanz auf Klaus Mann anschlussfähig. Man sieht bereits, dass auch Marken hiervon maßgeblich profitieren. Resonanz und Marke sind hier kaum voneinander zu trennen. Im Falle von „Unser Naturhof “ ist das Resonanzfeld die unberührte Natur, konkreter die Nachhaltigkeit von Wirtschafts-, Produktions- und Konsumweisen. Die Resonanzidee ist die Bereitstellung gemeinschaftlich vertriebener Lebensmittel, die nach konkreten Werten produziert wurden. Als sinnlich wahrnehmbares Resonanzmuster dienen die Produkte selbst, aber eben auch das grüne Logo der Marke, das auf die enthaltene Resonanzidee hindeuten soll.
3.8.1
Resonanzenergien und Markenkraft
Marken sind Gestaltsysteme. Wie im vorigen Kapitel festgehalten wurde, sind Resonanzen eine besondere Form von sozialer Schwingung, welche Gestaltsysteme im Rahmen des Energieaustausches unternehmen. Resonanzmuster werden nach außen getragen und resonieren ihrerseits mit dem Vorwissen der Menschen, die dann die Muster zu bekannten Gestalten komponieren. Somit ist klar, dass es sich auch bei Marken um massenseelische Resonanzkörper handelt (vgl. dazu Deichsel 1997: 241). Der Kompositionstrieb des Massengehirns wird sich auch hier zu Nutze gemacht, um das Resonanzvermögen der Masse zu aktivieren (vgl. van Riet 1995: 295, 297). Die Resonanz der Masse ist daher als morphische Resonanz zu sehen, weshalb es sich bei der Marke auch um ein morphisches Feld im Sinne Sheldrakes handelt (vgl. van Riet 1995: 297 f.). Die Marke organisiert Verhalten, hat ein Gedächtnis und die Gestalt der Marke ist mit unsichtbar gespeicherten Erfahrungen angereichert, die den potentiellen Verwender*innen ähnlich sind (vgl. van Riet 1995: 298). Die beiden Resonanzebenen, die Marken dabei bedienen können, sind der Markenzweck oder die Markenleistung und damit die beiden Träger der Markenidee (vgl. van Riet 1995: 299). Die Stärke der Marke entspricht immer der Intensität ihrer Resonanz, wobei es unerheblich ist, ob es die eigene Resonanz oder eine morphische Resonanz ist, die von einer Marke bedient werden (vgl. van Riet 1995: 299). Als Beispiel für die Resonanzschwingung einer Marke kann der Marlboro-Mann gelten, welcher das Resonanzfeld des Cowboys und die Resonanzidee der Freiheit bedient (vgl. dazu van Riet 1995: 300 ff.). Die Marke macht sich folglich kollektive Vorstellungen zu Nutze, um sich selbst zu
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stärken (vgl. dazu Deichsel 2001: 267). Insofern ist keine Marke kontextlos, sondern ist wie der Markt selbst in das normative und kollektiv geteilte System der Kultur eingebunden (vgl. Deichsel et al. 2017: 196). Innerhalb der Resonanz befindet sich auch die Schnittstelle zur Werbung. So erreicht erst die Interferenz des Werbemittels mit dem jeweiligen Kontext eine sinnvolle, vielsagende und einprägsame Werbegestalt (vgl. Stark 2001: 290). Marken, und spezifischer die dahinterstehenden Symbole, nutzen Medien wie Resonanzkörper und realisieren so einen Austausch mit der Kultur (vgl. Stark 2001: 291). In dieser Hinsicht ist Werbung eine kollektive Erfahrungsgestalt, die sich nicht auf ein Reiz-Reaktions-Schema eingrenzen lässt (vgl. Stark 2001: 296). Stattdessen gehören Marken der Kundschaft und Kultur als Ganzes, so dass eine Zielgruppe nicht mehr klar definierbar ist (vgl. Stark 2001: 294 f.). Es sollen Resonanzmuster verwendet werden, die mengenfähig, dauerhaft, zuverlässig und sehr viel verbreiteter sind als die durch die Marktforschung ermittelten Zielgruppen (vgl. Deichsel et al. 2017: 209). Die Werbung ist dadurch eine wichtige Schnittstelle, um die Inhalte kultureller Identität zu vermitteln, auf welche resonierende Marken abzielen (vgl. Deichsel et al. 2017: 195). Diese Ausdeutung werblicher Kommunikation als Schwingung der Resonanz passt dabei sehr zum holistischen Grundkonzept der gestalttheoretischen Markensoziologie und deckt sich auch mit dem Anspruch der Markengemeinschaften, eine Marke für sich vereinnahmen zu können (vgl. Muniz/ O’Guinn 2004: 317). Diese Aussage der Gestalttheoretiker über den fehlenden Bedarf einer Zielgruppe steht dabei im Widerspruch mit der Lebensstilforschung, die für Life-Style-Werbung ebenfalls die Nutzung bereitliegender Interpretationsschemata vorsieht, was einer klaren Zielgruppenorientierung bedarf (vgl. dazu Hölscher 1998: 177, 193, 204 f.). In beiden Perspektiven kommt der Werbung selbst hier die Rolle zu, kollektive Vorstellungen zu nutzen, zu übertreiben und zu verstärken (vgl. Deichsel et al. 2017: 195). Hierüber begründet sich auch, dass die Aktivierung bereitliegender Resonanzfelder das so genannte Markenterritorium durch Symbole abgrenzt (vgl. Deichsel et al. 2017: 188). Der Grenzwille und die Abgrenzung des Markensystems sind für den Erhalt der Energien im System, wie schon häufig beschrieben, fundamental. Wie ebenfalls bereits einmal erläutert wurde, ist auch das Markenterritorium aus Gebiets-, Meinungs-, Leistungs- und Urteilsterritorien zusammengesetzt (vgl. Deichsel et al. 2017: 188 f.). Die Urteilsterritorien werden hier um resonanzfähige Leistungen erweitert, was die öffentliche Meinung zum Vorteil der Marke beeinflussen kann (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 189). Die Symbole sind dabei die Territorialinstrumente, die zu einem stärkeren und leichter auszudeutenden Signal verdichtet werden sollen (vgl. Deichsel et al. 2017: 191). Signale werden hier der
3.8 Resonanz – das Echo des guten Rufs
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instinktiven und so gesehen animalischen Ebene zugewiesen, werden demnach also unterbewusst ausgedeutet, wohingegen Symbole der bewussten und mentalen Sphäre zuzuordnen wären (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 190). Da auch Symbole resonieren, verfügen auch sie beim Marktpublikum bereits über bestimmte Bedingungen, die auch an die Wahrnehmung der vorgegebenen Gestalt geknüpft sind (vgl. Deichsel et al. 2017: 192). Es besteht daher immer auch das Risiko, dass die verschiedenen Interpretationen im kollektiven Wissen zu einer unerwünschten Ausdeutung führen (vgl. Deichsel et al. 2017: 192). Ein besonderes Symbol ist hier die Personalisierung von Marken durch einen Namen, der Tradition und Verantwortungsbewusstsein signalisiert (vgl. Deichsel et al. 2017: 193 f.). Markensymbole stehen so insgesamt als Sinnbilder der Markenleistung dar (vgl. Deichsel et al. 2017: 194 f.). Symbole sind folglich in der Lage, Resonanzen auszulösen und zu koordinieren, wobei sie als Sinnbilder der Marke und der damit verbundenen Urteile und Leistungen fungieren. Insofern handelt es sich bei ihnen um gruppentypisch sedimentiertes Wissen, um Träger sozialer Images, welche als verdichtete Symbole gruppentypische Emotionen auslösen können (vgl. Hölscher 1998: 49 f., 115 f., 193, 204 f.). Die Symbole sind insbesondere im Markenkontext in zwei Kategorien zu unterteilen. So existieren etwa die so genannten Bezeichnungen, welche Abkürzungen und Silbenkombinationen darstellen (vgl. Deichsel et al. 2017: 197). Als Beispiel für eine Bezeichnung könnte man etwa Regionalkürzel wie SH für Schleswig-Holstein oder HH für die Hansestadt Hamburg anführen. Marken verwenden nämliche Kürzel in gleicher Weise. Bezeichnungen besitzen dabei jedoch zwei wesentliche Nachteile. So können die Kürzel einerseits verwechselt oder ausgetauscht werden und andererseits muss die Bedeutung der Bezeichnungen erst einmal erfragt oder recherchiert werden (vgl. Deichsel et al. 2017: 197 f.). Die Ausdeutung ist dadurch nicht intuitiv. Die zweite größere Kategorie ist die Chiffre. Als Chiffre bezeichnet man grafische Einfälle, die nicht an eine kollektive Erfahrung anknüpfen und daher nur von ihren Erfinder*innen verstanden werden (vgl. Deichsel et al. 2017: 198). Sie verschlüsseln die Leistung des Unternehmens, sind ebenfalls austauschbar und müssen erst mühsam entschlüsselt werden, was auch das Risiko einer Fehlinterpretation beinhaltet (vgl. Deichsel et al. 198 f.). Als fiktives Beispiel einer Chiffre könnte ein Fleischereibetrieb gelten, der mit einem roten Sportwagen auf seinem Ladenschild wirbt. Die Verknüpfung von Sportwagen und Fleischereiwaren ist zunächst kontraintuitiv, soll aber nach seinen Erfinder*innen die Frische der Ware und die Geschwindigkeit des hauseigenen Lieferservice signalisieren. Menschen die aber die Fleischerei nicht kennen, assoziieren mit dem roten Sportwagen womöglich zunächst einen Autoreparaturservice und tatsächlich wirbt in
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derselben Straße eine Autowerkstatt mit einem roten Sportwagen auf dem Schild. Die Fleischerei verliert durch die falsche Assoziation Resonanzenergien und verletzt seine Gestaltregeln, wodurch das Gesamtsystem nachhaltig geschwächt wird. Besser ist es demnach für die Marke, resonanzfähige Symbole zu verwenden, statt auf Bezeichnungen und Chiffren zu setzen. Dies hebt dann auch die Spezifik des Markensystems hervor und hält die distinktiven Grenzen aufrecht. Anders gesagt, muss der Stil als Gestaltleistung zum jeweiligen System passen (vgl. etwa Deichsel et al. 2017: 204 f.). Einschränkend möchte man jedoch wieder aus Sicht der Lebensstilforschung hinzufügen, dass alle Symbole vor dem Hintergrund bestehender Wissensordnungen dechiffriert werden müssen und in diesem Sinne immer distinktiv wirken (vgl. dazu Hölscher 1998: 51 ff.). Wichtig ist daher vor allem die Erwartungssicherheit der Symbolbedeutung, damit das Publikum nicht durch Veränderungen irritiert wird (vgl. dazu Hölscher 1998: 203). Bezogen auf die Resonanz bedeutet dies nun, dass die Leistung den Assoziationen des Publikums entsprechen muss, um die Erwartungen zu bestätigen und darüber ein positives Rückkopplungssystem mit den Menschen zu etablieren (vgl. Deichsel et al. 2017: 208). Resonanz bedeutet für Marken also, dass eine Leistung auf einen Menschen trifft, in welchem die Leistung kollektive Vorstellungen weckt oder bereits vorhandene Vorurteile bedient (vgl. Deichsel et al. 2017: 208). In der Folge schwingt dieser Mensch nun im Rhythmus der Marke mit und verbreitet wiederum seine Vorurteile im Kollektiv weiter (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 208). Gruppenspezifisches Sonderwissen entsteht und schlägt sich in Symbolkonfigurationen, Sedimenten des Wissens und sozialen Images nieder (vgl. Hölscher 1998: 43 f., 58, 115 f., 193). Da insbesondere das Resonanzmuster und die Resonanzidee von der Marke bedient werden können, sind auch diese Aspekte der Resonanz hier spezifisch ausgeformt. So ist etwa das Resonanzmuster auf die sinnlich wahrnehmbare Leistung bezogen, wobei auch ihre gesellschaftliche Platzierung dafür von Bedeutung ist (vgl. Deichsel et al. 2017: 209). Entsprechend muss die Resonanzidee auf eine spezifische Leistung oder das spezifische Resonanzmuster hin ausgerichtet sein (vgl. Deichsel et al. 2017: 209). Resonanz im Sinne der Marke bedeutet also ganz klar, Vorurteile über die Markenleistung oder deren Merkmale gezielt durch spezifische, selbstähnlich variierte Symbole und Muster anzusprechen, um die Grenzen und die Anziehungskraft des Gestaltsystems zu stärken. Insofern handelt es sich bei der Resonanz um den zentralen Faktor, wenn es um die äußere Stärke eines Markensystems geht. Inhalte der Resonanz können dabei einerseits der Markenzweck, aber auch die Markenidee sein, die wiederum als Ideenorganismus in anderen Köpfen Wurzeln schlagen kann.
3.8 Resonanz – das Echo des guten Rufs
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Wieder an einem praktischen Beispiel verdeutlicht, ist Resonanz in Bezug auf Marken sehr viel spezifischer, als eine allgemeine Referenz auf einen bekannten Themenkomplex. Man stelle sich eine Bierbrauerei von „Unser Naturhof “ vor, die Stout42 nach englischem Vorbild braut. Nun möchte die Brauerei ihr System durch resonierende Werbung erweitern. In der Bevölkerung herrscht das allgemeine Vorurteil vor, England besäße eine reiche Bierkultur und somit ist das Resonanzfeld, auch hinsichtlich der spezifischen Leistung einer originalen englischen Rezeptur, bereits vorab definiert. Die Rezeptur, also der Geschmack, lässt sich hier dem Resonanzmuster zuordnen. Die Flaschen sollen ebenfalls das Resonanzfeld bedienen und erhalten als Resonanzmuster ein Etikett, welches die Englische Flagge und die Union Flag enthält, sowie den schriftlichen Verweis auf die originale Rezeptur. Die Resonanzidee eines original englischen Bieres wird durch diese Gestaltelemente bedient und die implizite Kommunikation ist an Menschen anschlussfähig, die um die angepeilten Vorurteile englischer Biere wissen. Es ist auch in diesem Beispiel sehr ersichtlich, dass die zielgerichtete Ansprache der Vorurteile in erster Linie über interpretationsbedürftige Symbole erfolgt. Daher wird im vierten Kapitel detaillierter auf eine symbolische Lesart von Marken eingegangen um die Forschungsfrage zu beantworten. Dieser Aspekt ist auch in Bezug zu Labeln von großer Bedeutung, denn sie besitzen keine unmittelbar sinnlich erfahrbare Leistung und treten fast ausschließlich als räumlich und zeitlich begrenzte Symbole auf Verpackungen auf. Dort dienen sie der Kommunikation von intrinsischen Merkmalen. Ob und inwieweit sie resonanzfähig sind, wird im folgenden Kapitel geklärt.
3.8.2
Label als Katalysatoren von Resonanzfeldern?
In vorigen Kapiteln wurde bereits herausgestellt, dass es sich bei Labeln um Gestaltsysteme handelt, die im Kern eine spezifische Idee bedienen. Obwohl Resonanz diesem interpretativen Aspekt der gestalttheoretischen Markensoziologie zuzuordnen ist, ist jedoch insbesondere hinsichtlich der fehlenden Bindungskräfte der Label fraglich, inwieweit Label eine wirksame Resonanz aufbauen können. Auf diese Problematik soll in diesem Kapitel eingegangen werden, bevor das Zwischenfazit des dritten Kapitels gezogen werden kann.
42 Dunkles, ursprünglich britisches Bier, welches heute mittlerweile aus vielen Herkunftsländern als Starkbier erhältlich ist. Bekanntester internationaler Vertreter der Kategorie ist derzeit das irische Guinness.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Hierzu ist es sinnig, mit den Auswirkungen der Resonanz zu beginnen. Da aber verschiedene Label auch unterschiedliche Resonanzen bedienen dürften, wird sich hier auf Ökolabel spezialisiert. Dabei tritt deutlich hervor, dass Ökolabel sich in einem hochgradig aktiven Resonanzfeld bewegen, nämlich dem Resonanzfeld der unberührten Natur. Das Resonanzfeld der unberührten Natur gilt gemeinhin als das stärkste, stabilste und international konstanteste Resonanzfeld, welches verfügbar ist (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 211). Folgt man den Hauptvertretern des gestalttheoretischen Ansatzes, so ist die unberührte Natur bereits seit der Antike ein gängiges Resonanzfeld (vgl. dazu Deichsel 2001: 296) und auch Schilderungen des Paradieses in den abrahamitischen Religionen scheinen diese Aussage zumindest für Europa zu bestätigen. Zudem hat eine internationale Untersuchung herausgefunden, dass ein stiller See mit Bergen und ein wenig Wald im Hintergrund zum Zeitpunkt der Erhebung das beliebteste Malereimotiv in internationalen Haushalten gewesen ist (vgl. dazu etwa Deichsel 2001: 296; vgl. auch Deichsel et al. 2017: 211). Das Resonanzfeld der unberührten Natur ist jedoch eine der komplexesten möglichen Resonanz-Optionen, da seine Wurzeln bis in die neolithische Revolution43 zurückreichen, wie anthropologische Studien nahelegen (vgl. dazu Serpell 2003: 3 ff.; vgl. auch DeMello 2012: 64 ff., 84–95, 131 f.). Verstärkt wird dieses Motiv durch eine Entwicklung der industriellen Revolution, die eine Mehrheit der Menschen in den naturfernen Städten von der natürlichen Umwelt und den Tieren abkapselte (vgl. dazu Kompatscher/ Spannring/ Schachinger 2017: 67 f., 82; vgl. dazu auch Deichsel et al. 2017: 211). Die natürliche Umwelt und insbesondere der Umgang mit Tieren war in Städten nun kein Gegenstand der alltäglichen Interaktion mehr, sondern fand verstärkt fern von Städten und hinter verschlossenen Türen statt. Dies gilt auch besonders für den Umgang mit tierlichen Produkten, die nun zu einem Massenprodukt aus Schlachthöfen wurden, welche vor dem öffentlichen Auge zunehmend verborgen waren (vgl. dazu Serpell 2003: 195 ff.; vgl. DeMello 2012: 132 ff.). Es gilt daher auch als nicht verwunderlich, dass es kulturelle Gegenreaktionen dieser möglichen Entfremdung des Menschen von der Natur gab. Als Beispiel kann die Romantik gelten, die als Motiv zentral die unberührte Natur bediente. Konkret auf das Mensch-Tier Verhältnis bezogen, lässt sich die Verdrängung der Tiere aus dem 43 Etwa zu dieser Zeit wurden Menschen sesshaft und begannen mit dem Ackerbau (vgl. dazu Serpell 2003: 212–218). Gleichermaßen begann die Domestikation der meisten so genannten Nutztiere vor ca. 10.000 Jahren, die dem sehr früh domestizierten Hund (vor ca. 15.000 Jahren) nachfolgten (vgl. dazu DeMello 2012: 85 f.; vgl. auch Taylor 2013: 37). Damit war der kulturelle Grundstein für unser heutiges Verständnis der Natur und der Landwirtschaft gelegt.
3.8 Resonanz – das Echo des guten Rufs
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Leben der industriellen Menschen in diversen Ausgleichspraktiken ablesen. So begannen Menschen zu ihrer Unterhaltung die aus dem Alltag verschwindenden Tiere in Zoos und im Zirkus aufzusuchen und selbst die moderne Haustierhaltung ist auf die Zeit der Industrialisierung zurückzuführen (vgl. dazu DeMello 2012: 99–121; vgl. auch Taylor 2013: 46–49). Ähnliche Verhaltensweisen sind auch aus der Antike bekannt, als das Stadtvolk seine instrumentelle Herrschaft über die Natur in Arenaspielen auslebte (vgl. Serpell 2003: 218 ff.; vgl. auch DeMello 2012: 112 f., 118 f.). Das Motiv der Entfremdung von der Natur ist folglich menschheitsgeschichtlich uralt und wird immer wieder anhand zeitgenössischer Themen neu aufgegriffen. Zurück auf die Industrialisierung bezogen ist jedoch zu betonen, dass auch die modernen Marken aus dieser Zeit stammen und insofern das Thema der Komplexitätsreduktion von überfordernden Warenmärkten ebenfalls ein hintergründig existierendes Resonanzfeld in diesem Zusammenhang darstellen kann. Dieses ließe sich problemlos auf das Kultur-Natur Verhältnis ausdehnen. Obwohl die Diskussion deutlich weitergeführt werden könnte, soll an dieser Stelle festgehalten sein, dass auch Ökolabel Resonanzfelder bedienen, wobei jene durchaus sehr vielschichtig ausfallen können. Die Resonanzmuster sind hier durchaus ein anderes Thema. Die sinnliche Wahrnehmung der eigentlichen Leistung der Ökolabel kann sich durchaus als schwierig gestalten, da sie in der Regel intrinsische Eigenschaften von Produkten kommunizieren, die von den Konsument*innen nicht nachprüfbar sind (vgl. dazu etwa Csigéné Nagypál et al. 2015: 211; vgl. auch Rex/ Baumann 2007: 571). Ebenso wenig ist daher nachprüfbar, was genau die Ökolabel eigentlich kommunizieren, da sie nicht von jedem verstanden werden können (vgl. dazu etwa Peschel et al. 2016; vgl. dazu auch Hartmann et al. 2018; vgl. auch Rousseau 2015: 98). Entsprechend ist auch unklar, welche Resonanzfelder sie bedienen. Was jedoch allgemein interpretierbar ist, ist die Darstellung der Ökolabel als graphisches, textuelles oder piktorales Symbol. Das Symbol ist sinnlich wahrnehmbar, wird interpretiert und beeinflusst offenbar die Wahrnehmung der interpretierenden Menschen (vgl. dazu etwa Hartmann et al. 2018: 377 ff.). Sinnlich wahrnehmbar ist ansonsten das Gestaltsystem des Produktes, zu welchem neben dem Ökolabel und der Marke auch das verarbeitete Produkt selbst zählt. In diesem Zusammenhang ist auf Resonanzmuster bezogen noch auf eine Besonderheit hinzuweisen. Es ist möglich, dass ein Produkt mehrfach gelabelt ist. In diesem Fall erweitert sich der Gestaltkorridor und auch die mögliche Resonanz des Gestaltsystems des Produktes. Die Label haben in diesem Fall perspektivisch die Möglichkeit, sich gegenseitig zu unterstützen, dadurch abzusichern und stärker vertrauensbildend zu wirken. Ebenfalls ist es möglich, dass bestimmte intrinsische Eigenschaften stärker unterstrichen werden oder beide Label nichts miteinander gemein haben.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Abhängig von der jeweiligen Rahmung entstehen somit weitere Resonanzpotentiale und dadurch auch eine Erweiterung potentieller Resonanzmuster in Form von Symbolen. Abgesehen von der Optik des Symbols, kann ein Label jedoch keine weiteren sinnlich erfahrbaren Resonanzmuster beisteuern. Insofern steht die Interpretationsleistung der Rezipient*innen im Vordergrund. Diese Übersumme der Substanzen wird dann, der gestalttheoretischen Markensoziologie folgend, zu einer einzigen Gestalt komponiert. Insofern handelt es sich dabei um die Symbolkonfigurationen der Resonanz. Die Resonanzidee der Ökolabel ist hier jedoch vor dem Hintergrund voriger Kapitel etwas deutlicher zu bestimmen. Als Resonanzidee fungiert der ökologisch bewusste und nachhaltige Konsum, welcher durch das visuell wahrnehmbare Prüfsymbol auf dem Produkt ersichtlich wird. Die Gestaltung des Ökolabels aktiviert demnach die positiven Resonanzfelder der Komplexitätsreduktion und der unberührten Natur. Der label effect lässt sich hier durchaus als Hinweis auf eine derartige Verschränkung ausdeuten (vgl. dazu Sörqvist et al. 2015; vgl. auch Sörqvist et al. 2016). Insofern sind die Label für das Gestaltsystem des Produktes gleichermaßen die aktivierende Resonanzidee, um ein Produkt als grün, nachhaltig oder natürlich resonieren zu lassen. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, muss das Ökolabel auch so gestaltet sein, dass die Interpretation zur Aktivierung dieser auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Resonanz führt. Dabei spielen Vorurteile eine tragende Rolle, da die intrinsischen Qualitäten nicht sinnlich wahrnehmbar sind (vgl. dazu etwa auch Magnier et al. 2016: 132 f.). Gefällt aber das Design des Labels, so wird es auch ohne das zum Verständnis nötige Labelwissen genutzt (vgl. dazu Brécard 2014: 79; vgl. auch Samant/ Seo 2016 b: 54). In diesem Sinne kann schon allein die Optik eines grün und selbstähnlich gestalteten Ökolabels als Resonanzidee fungieren, unabhängig von seiner eigentlichen Aussagekraft. Stimmen Eindruck des Ökolabels und tatsächliche Aussage nicht überein, könnte dies als Akt des Greenwashings begriffen werden. Um die Eindeutigkeit der Botschaft zu gewährleisten, sind Ökolabel daher in einem vergleichbaren Gestaltkorridor selbstähnlich gestaltet (vgl. dazu auch Deichsel et al. 2017: 209 f.). Es lässt sich in diesem Sinne feststellen, dass Label sowohl das Resonanzfeld, sowie die Resonanzmuster und die Resonanzidee bedienen. Entscheidend für den Erfolg der Resonanz ist, wie bei Marken, dass die geweckten Erwartungen des Publikums erfüllt werden (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 208 f.) und die Leistungsstruktur deutlich ist. Dadurch steigt die Anziehungskraft des Gestaltsystems und dessen Erfolg (vgl. dazu auch Deichsel et al. 2017: 110, 113). Vor diesem Hintergrund lohnt der Blick auf die morphischen Felder nach Sheldrake (vgl. van Riet 1995). Denn hierüber ließe sich erklären, weshalb viele der Ökolabel einander sehr ähnlich sind. Geht man davon aus, dass morphische
3.8 Resonanz – das Echo des guten Rufs
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Resonanz in seiner Ausbildung als morphisches Feld wie eine Art Gedächtnis funktioniert, mit welchem Individuen einander verbunden sind und welches ihre Entwicklung steuert, dann würde hierüber auch die ähnliche Form der Ökolabel gesteuert werden (vgl. dazu van Riet 1995: 295 f.). Da es sich um gleiche Organismen handelte, würden diese auch miteinander resonieren und in der Folge den entwicklungsbestimmenden Rhythmus herausbilden (vgl. dazu van Riet 1995: 297 f.). Für Marken gilt, dass die Stärke der eigenen und morphischen Resonanz auch die Kraft der Marke widerspiegelt (vgl. dazu van Riet 1995: 299). Folgt man diesem Gedankengang für Label, auf die dieser Aspekt der Marken ebenfalls zutreffen dürfte, dann erklärt sich über die Resonanz der Ökolabel miteinander und mit den Verwender*innen der Zeichen auch die teilweise sehr ähnliche Optik und Ausgestaltung der Ökolabel. In diesem Sinne müssen sich Ökolabel ähnlich sein, damit sie untereinander und mit den Konsument*innen resonieren können. Anders ausgedrückt erlaubt diese Ähnlichkeit eine stabile Signalstruktur und erhöht so durch Bestätigung der eigenen Leistungen das Resonanzpotential des Labels. In der Konsequenz ließe sich formulieren, dass ein starkes Label eine besonders eindeutige Resonanzstruktur aufweist, die sich über konstante Bestätigung der eigenen Leistung, über die Zeit hinweg als Vorurteil verfestigt hat. Das Vorurteil erlaubt die Bildung von Vertrauen, einem der beiden Kernziele von Labeln. Das andere Primärziel wird jedoch ebenfalls durch die Resonanz erleichtert, da eine stabile Signalstruktur den Aufbau von gültigem Labelwissen erleichtert. Insofern ist Resonanz fundamental notwendig, damit ein Ökolabelschema erfolgreich sein kann. Zusammenfassend kann in Bezug auf Labelschemata und Resonanzen festgestellt werden, dass Label in aller Regel die drei Bereiche der Resonanz bedienen und damit sowohl Resonanzfeld, Resonanzmuster und Resonanzidee abdecken. Dies gilt in besonderem Maße für Ökolabel, die eines der ältesten verfügbaren Resonanzfelder ansprechen, nämlich jenes der unberührten Natur. Über die morphische Resonanz und morphische Felder ist indes erklärlich, dass sich Ökolabel sehr ähneln. Somit wird die Signalstruktur aufrechterhalten und die langfristige Vertrauensbildung zum jeweiligen Label ermöglicht. Dies erlaubt ebenfalls den Aufbau von Vorurteilen, die wiederum auch der Ausgangspunkt einer weiteren Resonanz werden können. Insofern gleichen sich in dieser Hinsicht Label und Marken in ihren interpretativen Aspekten. Für das Eigenlabel „Nachhaltig!“ gilt dies ebenso: es spricht die unberührte Natur und die Nachhaltigkeit an, die eben für die Wertecharta von „Unser Naturhof “ charakteristisch sind. Als grünes Label ist es dabei in morphischer Resonanz anderen Ökolabeln ähnlich, aber dadurch auch als Ökolabel erkennbar. Nachdem nun die zentralen Aspekte von Marken und Labeln anhand der gestalttheoretischen Markensoziologie herausgearbeitet
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
und geprüft wurden, bleibt nun noch aus, ein Fazit aus den Betrachtungen zu ziehen. Das nächste Kapitel schließt das dritte Kapitel mit einer Zwischenbetrachtung für Marken und für Label, sowie der Beantwortung der ersten beiden Unterfragen ab.
3.9
Zwischenfazit: Marken sind keine Label – Label sind ein bisschen Marke
Nachdem nun sehr viel über Label und noch mehr über Marken im gestalttheoretischen Ansatz geschrieben wurde, soll hier nun ein kleines Zwischenfazit gezogen werden. Es soll hier einmal und zentral an einer Stelle zusammengefasst werden, was eine Marke im gestalttheoretischen Ansatz nun tatsächlich ist und weshalb wir sie nur im Zusammenhang mit den sie umgebenden Labeln betrachten können. Gleichermaßen soll der große Schritt gewagt werden, ein gestalttheoretisches Verständnis von Labeln aufzustellen, die ihrerseits von den Marken sogar noch deutlich abhängiger sind, als die Marken von den Labeln. Daran knüpft auch eine erweiterte Einordnung des engen und weiten Markenverständnisses an, welches direkt zur Beantwortung der ersten beiden Unterfragen führt, nämlich wie sich Marken im gestalttheoretischen Ansatz zusammenführen lassen (3.9.1) und wie Label im gestalttheoretischen Ansatz zu betrachten sind (3.9.2). Es ist daher besonders wichtig, die relevanten Ähnlichkeiten und Unterschiede beider Warenzeichen aufzuzeigen, bevor mit der Entwicklung eines Verständnisses der Konstruktion von Markenprodukten durch Warenzeichen fortgefahren werden kann.
3.9.1
Zusammenfassung: was sind nun eigentlich Marken?
In diesem ersten Teil der Forschungsarbeit ist deutlich geworden, dass es mehr als eine Perspektive darauf gibt, was eine Marke eigentlich kennzeichnet, wie man sie beschreiben kann oder um was es sich insgesamt bei Marken eigentlich handeln könnte. Die zahlreichen Beschreibungen und Konzepte, die hier auf den gestalttheoretischen Ansatz verengt wurden, ließen sich noch deutlich erweitern, würde man auch den bislang weitgehend inkompatiblen Ansatz nach Hüllemann (2007) hinzuziehen und integrieren. Insbesondere ein rein systemtheoretisches Vorgehen, wie es bislang in aller Regel gewählt wird, wäre hier der Vollständigkeit verpflichtet. Da es aber in dieser Arbeit primär um Label und deren Wechselverhältnis zur
3.9 Zwischenfazit: Marken sind keine Label – Label sind ein bisschen Marke
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Marken geht, wird die Systemtheorie nach dem Ende dieses Oberkapitels weitgehend verlassen, um das bislang in diesem Zusammenhang kaum bereiste Gebiet der Symbole zu betreten, welche Marken und Label verbinden. Bevor dies jedoch geschieht, soll an dieser Stelle noch einmal prägnant zur ersten Unterfrage zusammengefasst werden, wie der sich teils doppelnde gestalttheoretische Ansatz nun also die Marke insgesamt beschrieben hat und welches Verständnis von Marken diese Arbeit fortan für das weitere Vorgehen verwenden wird. Zunächst einmal ist mit der Herkunft der Marken zu beginnen. Markenzeichen gibt es schon seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte, wobei sie stets die lebenswichtigen Funktionen der Komplexitätsreduktion und Orientierung erfüllten. Gleichermaßen verwiesen sie jedoch auch auf weitere Sinnzusammenhänge außerhalb der Situation, wie man der Vollständigkeit halber hinzufügen muss. Als wirtschaftliche Warenzeichen haben sich die Markenzeichen über die Antike hinweg etabliert, bis sie im Mittelalter in Deutschland vor allem durch Gilden und Zünfte eine Kodifizierung erfuhren. Aus den Haus- und Meisterzeichen entwickelten sich die Herstellermarken, die in der einsetzenden Industrialisierung das interpersonelle Vertrauen der Konsument*innen zu nunmehr unbekannten Hersteller*innen ermöglichten. Insbesondere das transitive Vertrauen erfüllt dabei bis heute eine wichtige Koordinationsfunktion auf Märkten. Auf den einsetzenden Massenmärkten, in welchen die Orientierung immer schwerer wurde, war dieses transitive Vertrauen von zentraler Bedeutung. Unterstützt durch Werbung entstanden die ersten modernen Marken. Neben der Funktion der Orientierung und der Komplexitätsreduktion, kam so nun verstärkt die Vertrauensfunktion hinzu. Marken wurden zu Institutionen auf komplexen Warenmärkten. Hier kann nun Tönnies angeschlossen werden. Vertrauen wiederum ist selbst wesenwillig, also einem flüchtigen, gefühlmäßigen Gefallensimpuls des Menschen erwachsend. Bestätigt sich das Vertrauen durch Erfahrung zur Gewohnheit, verdichtet sich das nun flüssige Vertrauen zu einem positiven Vorurteil. Wird das positive Vorurteil immer wieder bestätigt und intersubjektiv geteilt, dann bildet sich eine feste Vorurteilsstruktur und das kollektive Vertrauen aus, welches sich durch ein kollektives Gedächtnis kennzeichnet. Entlang dieser Linien verdichtet sich die öffentliche Meinung von flüchtig zu fest und die positiven, wesenwilligen Inhalte führen zur Etablierung einer von positiven Vorurteilen bestimmten öffentlichen Meinung. Dies ist die Grundlage eines langfristigen Markenerfolges und der systemischen Stärke von Marken. Denn subjektiv geteiltes Wissen bildet die Grundlage der Typisierung und Institutionalisierung von Wissen, dessen Erhalt auch direkt zum Erfolg des Systems beiträgt. Marken sind dabei daher in der jeweiligen Kultur kontextgebunden. Aus diesem Grund ist es entscheidend, dass die Marke an die Vorurteile der Kultur
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
anschlussfähig ist, in diesem Sinne also resonanzfähige Signale aussendet. Hierfür müssen die von der Marke verwendeten Symboliken mit dem Vorwissen der Gesellschaft übereinstimmen, um ausgedeutet werden zu können. Von der Marke können nur die sinnlich wahrnehmbaren Resonanzmuster und die aktivierende Resonanzidee beeinflusst werden, wohingegen die kulturell aufgebauten Resonanzfelder, insofern Sedimente des Wissens, nur angestimmt werden können. Die Resonanzmuster sind dabei maßgeblich mit der spezifischen Leistung verknüpft und werden von den Menschen zu übersummenhaften Gestaltzusammenhängen verarbeitet. Je selbstähnlicher die Muster variiert werden, desto leichter sind sie wiederzuerkennen. Die Signale der Marke sind in ihrer Struktur somit also auch an den eigenen Gestaltkorridor der individuellen Markengeschichte gebunden, um die aufgebauten Vorurteile zu erhalten. Bei Marken handelt es sich demnach um Gestalten. Eine Marke ist insofern als Gestaltsystem zu verstehen, dass sie übersummenhafte Zusammenhänge ihrer Substanzen der Leistungen, Geschichte und anderer sinnlich wahrnehmbarer Aspekte bildet. Die Gestalt definiert auch die Grenzen des Markensystems, wobei in Analogie zu organischen Lebewesen eine Markengestalt ein definiertes Territorium gegen andere Markenorganismen verteidigen muss. Die Grenze des Gestaltsystems definiert nicht nur, was innerhalb und was außerhalb des Markensystems zu verorten ist, sondern die Systemgrenze verdichtet das Markensystem auch nach innen und entwickelt einen sozialen Magnetismus nach außen. Da jedes Markensystem durch seine Gestalt spezifisch ist, gibt es keine zwei identischen Markensysteme. Insbesondere die Spezifik von Gestaltsystemen zieht Menschen an. Als übersummenhafte und fixierte Gestalt mit festen Grenzen, wird eine Marke auch als Monade betrachtet, die nicht zerstört werden kann. Entscheidend für den Erfolg eines Markensystems ist sein Energieaustausch mit der Umwelt. In diesem Zusammenhang ist dann vom Energiesystem der Marke die Rede. Wichtige Grundbedingung hierfür ist das Bestehen von klar definierten Grenzen des Systems, durch welche der Energieaustausch mit der Umwelt stattfinden kann. Die Art der Energie kann hier unterschiedlich sein, da die Energien unterschiedliche Bereiche des Markensystems regulieren. So ist etwa von Willensenergie die Rede, wenn es um Prozesse der Gemeinschaftsbildung um den Markenkern kommt. Im ökonomischen Sinne findet ein rückkoppelnder Austausch von Geld und Vertrauen statt, aber auch Ideen- und Gestaltenergien zirkulieren im Markensystem und drängen nach außen. Aus diesem Grunde ist in diesem Kontext auch von Meinungs-, Urteils-, Leistungs- und Gebietsterritorien die Rede. Zentral ist dabei immer der Gedanke des Energieaustausches, da auch ein Markensystem als hyperorganisches, soziales Lebewesen Stoffwechselprozesse betreiben
3.9 Zwischenfazit: Marken sind keine Label – Label sind ein bisschen Marke
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muss. Dieser Prozess ist jedoch eher physikalisch angelegt, anstatt einen tatsächlich Verständigungsprozess zwischen Innen und Außen zu beinhalten. Insofern liegt mit dem Austausch zwar eine Grundbedingung von Kommunikation vor, jedoch nur im streng physikalischen, nicht aber im soziologischen Sinne. Es liegen folglich autopoietische Operationen des Systems vor, die keine unmittelbare Kommunikation darstellen, wie es in sozialen Systemen der Fall ist. Denn im gestalttheoretischen Ansatz der lebenden Systeme ist das Schlüsselkonzept eine gegenseitige und rückkoppelnde Aufladung von Systemumwelt und System, etwa in Form von Geld und Vertrauen der Umwelt im Tausch gegen die gestalthafte Markenleistung des Systems. Es geht dabei demnach nicht um Verständigung, sondern um den Ausgleich von Ungleichgewichten zwischen System und Umwelt. Ist der Energiefluss ausgeglichen, wird das Markensystem stabil und so beständig, dass es potentiell unzerstörbar wie eine Monade ist. Bei fehlendem Energiefluss kann eine Marke in einen ruhenden Zustand fallen, den das System bei ausreichendem Energiezufluss jedoch auch wieder beenden kann. Entscheidend ist hierfür, ob noch resonierende kollektive Vorurteile in der Bevölkerung vorhanden sind. Entsprechend ist zu schließen, dass das Eigenleben der Marke sich auf die Interpretationsprozesse aller an ihr beteiligten Personen bezieht, die nicht zentral steuerbar sind. Entsprechend bezeichnet das Markensystem vor allem den Raum, in welchem die Marke als Institution interpretativ anschlussfähig ist, das heißt, in dem Menschen Vorurteile über die Marke besitzen. In diesem Raum erscheint die Marke mitunter als eine interpretierte Person, also als eine Persona im parasozialen Sinne. Sind diese Vorurteile vorhanden, kann sich um den Markenkern herum eine Vielzahl von Menschen gruppieren und so ein Teil des Systems werden. Sie sind in Analogie zur eukaryotischen Zelle das Zytoplasma der Zelle um den Zellkern herum. Diese Vielzahl an Menschen wird manchmal als Masse und manchmal als Markengemeinschaft bezeichnet. Gemeinschaften basieren auf dem Gedanken des Wesenwillen nach Tönnies und bezeichnen eine ursprüngliche Form der gleichgerichteten Assoziation von Menschen, die eher gefühlsmäßig bedingt ist. Die Beziehungen der Menschen untereinander sind hier wichtiger als die Beziehung zur Marke, wobei die spezifische Konsumerfahrung und deren Symbolik die soziale Rahmung der Gemeinschaft vorgibt. Sie entwickelt gemeinsame Deutungen, Symbolkonfigurationen, kollektive Identitäten, Sitten und Traditionen in Bezug auf die Marke, die Menschen zu beinahe unerschütterlichen Multiplikatoren der Markenidee macht. Markengemeinschaften basieren auf Gefallen, Gewohnheit und schließlich Gedächtnis, so dass die in ihnen enthaltenen Meinungen schlussendlich als stabil und positiv beschrieben werden können.
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Demgegenüber steht das verwandte Konzept der Masse. Masse besitzt dabei eine soziale Gravitation, die einzelne Individuen anzieht und die Masse somit noch weiter verdichtet. Sie reduziert die Kritikfähigkeit der einzelnen Individuen und ersetzt diese durch eine Massendeutung und einen Massengeschmack, der im Einklang mit den Zielen des Markensystems steht. Massen lassen sich durch sinnlich wahrnehmbare Charakteristika der Marken in deren Bann ziehen. Die so genannte Vermassung beschreibt hierbei den Prozess, in welchem ein rationales und kürwilliges Individuum zu einem loyalen Teil des Markensystems wird, also zu einem Teil ihrer wesenwilligen Masse. Während Masse demnach eher den Zustand der Vielzahl von Menschen um den Markenkern herum beschreibt, beschreibt die Gemeinschaft ihre wesenwillige Motivation und ihre sozialen Handlungsweisen in Bezug aufeinander. Massen und Gemeinschaften sind die Substanz des Markensystems, welche benötigt wird, um die Markenidee nach außen zu tragen, die Grenzen des Systems nach außen zu verteidigen und die Struktur nach innen zu festigen. Das hyperorganische System der Marke besteht so gesehen aus diesen Menschen, pflanzt sich durch deren Überlieferungen fort und kämpft mit anderen Markensystemen um den Einfluss über Menschen. Ein Mensch gehört in der Regel nicht einem, sondern mehreren Markensystemen gleichzeitig an. Im parasozialen Sinne, kann eine Person also mehrere stark positive parasozialen Beziehungen zu verschiedenen Personae unterhalten. Der Prozess der Vermassung wird in der Markensoziologie häufig als Kundschaftsbildung beschrieben. Hier liegt zunächst ein kürwilliges, insofern rational orientiertes, Prüfen eines Produktes vor, welches bei Wiederholung des Kaufes zu einem wesenwilligen Gefallen der Marke wird. Die ungebundene Konsument*in wird zur flüchtigen Käufer*in. Bei konstanter Wiederholung des Kaufes wird aus dem Gefallen der Markeneigenschaften schnell die Gewohnheit des Kaufes, welche sich zu Bräuchen ausbilden kann. Eine flüssige Kund*in ist das Ergebnis der Gewohnheit, aber sie ist noch allein. Finden sich Kund*innen zusammen, bildet sich eine Kundschaft, in welcher Personen dann ihre kollektiven Erfahrungen mit der Marke in Form von Sitten austauschen und darüber eine feste Markengemeinschaft mit Sonderwissen und kollektiver Identität bilden können. Umlagert sind diese Gruppen und das Markensystem vom Publikum. Dieses beobachtet die Menschen und Marken von außen und ist so auch ein fester Bestandteil der öffentlichen Meinung. Das Publikum kann über Resonanzen erreicht und aktiviert werden. Ebenfalls umlagert werden diese Gruppen von Kenner*innen, die eine Marke nicht konsumieren, wohl aber ihre positiven Vorurteile teilen und verbreiten, wodurch sie zum Energieaustausch des Markensystems förderlich beitragen.
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Insofern ist der Prozess der Vermassung im Markensystem eine Umwandlung einzelner und kürwillig agierender Prüfer*innen zu einer wesenwilligen und loyalen Gemeinschaft im Markensystem. Es bleibt zu klären, was der Kern des Markensystems ist. Er wird auch als Kristallisationspunkt bezeichnet, da sich um ihn herum die Assoziation von Menschen verdichtet. Die Art der Verdichtung hängt maßgeblich davon ab, welche Energien als Grundlage des Kerns angenommen werden, der zwar selbst in verdichteter Form im Markensystem vorliegt, jedoch mehrere energetische Aspekte gleichzeitig bedienen kann. Der ökonomische Kern einer Marke ist zunächst einmal deren spezifische Leistung. Ihr sozialer Kern ist der gemeinsam geteilte Wille ihrer gemeinschaftlichen Substanz, der sich auf den Zusammenhalt hinsichtlich der spezifischen Markenleistung richtet. Insofern steht hinter jedem Markensystem zunächst einmal eine spezifische Idee, die eine ökonomische Leistung mit einem sozialen Willen verbindet. Aus diesem Grunde wird auch gelegentlich in Bezug auf Marken von Ideenorganismen gesprochen, die in der Sphäre der Ideen existieren und ansonsten analog zu organischen Lebewesen agieren. Im Kern der Marke, der sich demnach aus sozialem Wesenwillen, einer ökonomischen Leistung und einer Idee zusammensetzt, ist die so genannte DNA enthalten, die nach einem inneren Prinzip die Gestalt des Markensystems bestimmt. Der Kern besitzt hier auch die nötige soziale Gravitation, um die sich eine Gemeinschaft bilden kann. Da die Gestalt im Kern des lebenden Systems definiert ist, muss das System sich immer in selbstähnlicher Variation weiterentwickeln, um den systemischen Energiefluss nicht durch reine Bestätigung stagnieren oder durch Erstmaligkeit versiegen zu lassen. Somit bleibt auch das Markensystem nach innen und außen wiedererkennbar, klar umgrenzt und anziehend. Im streng soziologischen Sinne, ist der Kern als Entscheider innerhalb der Institution der Marke anzusehen und stellt das soziale Gebilde der Markenorganisation dar, welches im Zentrum der Institution alle sozialen Prozesse in ihrem Wirkungsbereich reguliert und regelt. Insofern ist ein Markensystem in dieser eigenen Lesart des gestalttheoretischen Ansatzes wie eine lebende Zelle aufgebaut. Grafisch dargestellt sähe es so aus (Abbildung 3.12): In der vorliegenden Grafik ist in Analogie zu einer Zelle eines eukaryotischen Lebewesens ein Markensystem dargestellt. Das lebende System verfügt über einen Zellkern, der hier aus den drei Dimensionen der Idee, des sozialen Willens und der ökonomischen Leistung besteht und die Markenorganisation verkörpert. Im Kern ist die DNA der Zelle enthalten, die den Aufbau des Systems, seine Gestalt, vorgibt und als Entscheider fungiert. Mit anderen Worten gesagt, bestimmen die drei zentralen Aspekte des Systems seine Ausdehnung und Entwicklungsmöglichkeiten, sowie auch die Systemgrenzen. Die Systemgrenzen sind dabei wie
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Abbildung 3.12 Markenzelle als System. (Quelle: eigene Darstellung)
die Zellwände semipermeabel und lassen die Energien des Markensystems zirkulieren, während sie gegenüber anderen Zellsystemen undurchlässig werden. Sie markieren ebenfalls die interpretativen Grenzen der Institution der Marke, innerhalb derer die Marke und die enthaltenen Menschen sich aufeinander bezogen gegenseitig konstruieren. Die Substanz oder das Zytoplasma der Zelle ist hier die Masse, beziehungsweise die netzwerkhafte Markengemeinschaft, die sich zum Kern der kollektiven Identität hin verdichtet und frei durch die Membran des Markensystems diffundieren kann. Die Menschen sind dabei durch ihr Wirken maßgeblich an der Konstitution und Konstruktion der Markenorganisation beteiligt. Umlagert ist das Zellsystem von anderen Zellen, aber auch vom Publikum und einzelnen Individuen, die teils in das System strömen und damit ins Zytoplasma eingehen. Eine Besonderheit stellt hier die Resonanz dar. Als Analogie zu den Mitochondrien, die selbst möglicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt als Endosymbionten von außen in die Zellen eingegangen sind, ist die Resonanz nun ein fester Bestandteil des lebenden Energiesystems der Marke. Die Resonanz stammt dabei nicht aus dem Markensystem selbst, aber ist voll darin integriert. Durch die resonierende Schwingung mit der Masse erzeugen die Resonanzen
3.9 Zwischenfazit: Marken sind keine Label – Label sind ein bisschen Marke
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Energie und verdichten das Markensystem. Ein System kann dabei mehrere Resonanzen gleichzeitig nutzen, so dass deren Zahl unterschiedlich ist. Durch den potentiellen Gleichklang mit anderen Zellen als Rhythmus, erlauben diese mitochondrialen Resonanzen den Menschen, Inhalt mehrerer Systeme gleichzeitig zu sein und so auch einen Energieaustausch zwischen den Zellen zu realisieren. Man möchte jenseits des gestalttheoretischen Ansatzes noch hinzufügen, dass sich der Kern dieser Markenzelle auch legitim um das soziale Image erweitern ließe. Diesem Gedanken wird in Kapitel 4 weiter nachgegangen. Bemerkenswert ist dabei, dass die Markenzelle gleichermaßen als idealtypischer Aufbau einer Markengemeinschaft verwendet werden kann. Sie weist ein klares Zentrum-Peripherie-Verhältnis auf und gruppiert sich um eine kollektive Identität herum, die im Kern eine spezifische Konsumerfahrung mit einer Marke beinhaltet (vgl. Wenzel 2016: 139, 149 ff.). Die gemeinschaftsfremden Markensymbole aktivieren Resonanzen und die soziale Identität spezifischer Kulturen. Die Strukturen sind mitunter netzwerkhaft und assoziativ, aber stets inklusiv. Es liegt hier also bei der aus dem gestalttheoretischen Ansatz heraus entwickelten Markenzelle demnach eigentlich auch ein Handlungssystem im Sinne von Tönnies vor (vgl. dazu Opielka 2004: 21 f.). Es bleibt nun also lediglich, die Unterfrage danach zu beantworten, wie sich eine Marke in gestalttheoretischer Perspektive zusammenfassen lässt. Ausgerichtet am gestalttheoretischen Ansatz ist die Marke ein Warenzeichen mit dem Ziel der Orientierungshilfe, der Komplexitätsreduktion und der Vertrauensgewinnung. In eigener, abgeleiteter Definition ist eine Marke ein analog zu einer organischen Zelle funktionierendes, lebendes System um einen gemeinsamen Kern aus sozialem Wesenwillen, einer ökonomischen Leistung und einer Idee herum, welche die Markenorganisation kennzeichnen. Diese geben die Gestalt vor, auf deren Basis sich die semipermeablen Grenzen des lebenden Systems definieren. Der Kern versammelt dabei soziale Substanz um sich, in welcher eine Vielzahl von Menschen eine auf Vermassung beruhende Markengemeinschaft bilden. Die Substanz weist hier dadurch ein klares Zentrum-Peripherie-Verhältnis auf. Das Markensystem kann durch die semipermeable Membran Signale gestaltspezifisch nach außen schicken, wobei es sich zur Energiegewinnung bereitliegende Wissensbestände des Publikums zu Nutze machen kann, die den Vorurteilen über das Markensystem entsprechen. Die Vorurteile verdichten sich zunehmend mit der sozialen Assoziation zum Kern hin. Die öffentliche Meinung entscheidet hierbei maßgeblich über das Vertrauen, welches dem Markensystem von außen entgegengebracht wird. Die Markenzelle ist daher mit einer Institution nach Berger und Luckmann (2016: 58 f., 64) zu vergleichen, die eine gegenseitige Konstruktionsleistung der Menschen und der Markenorganisation des Systems darstellt. Die
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
hier geschilderte Beschreibung von Marken ist als das weite Markenverständnis anzusehen, wie es zu Beginn der Arbeit bereits angesprochen wurde. Man muss an dieser Stelle noch eine vom gestalttheoretischen Verständnis abweichende Erkenntnis festhalten. Sowohl die von außen stammende Resonanz, als auch die Signale des Systems nach außen, richten sich an interpretationsbedürftigen Symbolen aus. In einer tabellarischen Übersicht lässt sich die Marke folgendermaßen zusammenfassen (Abbildung 3.13):
Abbildung 3.13 Was ist eine Marke – Übersicht. (Quelle: eigene Darstellung)
3.9 Zwischenfazit: Marken sind keine Label – Label sind ein bisschen Marke
3.9.2
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Ein gestalttheoretisches Verständnis von Labeln und Greenwashing
Label und Marken unterscheiden sich – jedoch nicht in allen Aspekten so sehr, wie man vielleicht zunächst denken würde. In diesem Kapitel werden die Ergebnisse zusammengetragen, die im Laufe des dritten Kapitels erzielt worden sind, um ein markensoziologisches Verständnis von Labeln zu ermöglichen. Als Leitfaden hierfür diente die gestalttheoretische Markensoziologie und die interdisziplinäre Forschung zu Ökolabeln als einer spezifischen Variante der Label. Hierzu soll zuerst zusammengefasst werden, was Label für Funktionen erfüllen. Denn auch die gestalttheoretische Markensoziologie verfolgt primär einen funktionalistischen Grundgedanken. Dabei wird schlussendlich die zweite Unterfrage der Arbeit beantwortet, wie sich Label aus der Perspektive der gestalttheoretischen Markensoziologie erklären lassen. Für Label ist festzuhalten, dass ihre Primärfunktionen die Informationsvermittlung und die Vertrauensbildung sind. Diese Rolle ergibt sich aus der Positionierung von Labeln als Teil der Interaktion zwischen Organisation und Konsument*innen (vgl. dazu auch Prieto-Sandoval et al. 2016: 810 f.), sowie aus ihrer Platzierung als Teil der technischen Information eines Produktes (vgl. dazu auch etwa Rex/ Baumann 2007: 573). Gleichermaßen dienen Label zur Komplexitätsreduktion in komplizierten und vielfach als unsicher empfundenen Märkten voller Produkte mit intrinsischen Eigenschaften (vgl. dazu auch SGS Germany 2016; vgl. dazu auch Magnier et al. 2016: 132), da Labelsymbole tendenziell einfacher verstanden werden können, als etwa wissenschaftliche Fachinformationen (vgl. dazu auch Hartmann et al. 2018: 377). Spezifisch auf Ökolabel bezogen, ergibt sich darüber eine weitere Funktion, die mit der Identifikation von Produkten zusammenhängt. Ökolabel erlauben die Erkennung nachhaltiger Produkte und in diesem Zuge das Fällen nachhaltigerer Konsumentscheidungen (vgl. dazu etwa auch Csigéné Nagypál et al. 2015: 210 f.). Insofern besitzen Ökolabel auch die Funktion, nachhaltigen Konsum möglich zu machen und so nachhaltige Entwicklungsziele zu erreichen. In diesem Sinne lässt sich festhalten, dass Ökolabel die Funktion der Informationsvermittlung, Komplexitätsreduktion, Vertrauensbildung und Identifikation des Warenangebots erfüllen. Diese Funktionen sind historisch stabil, wenn man bedenkt, dass sich Label aus den historischen Zunft- und Regionalzeichen entwickelt haben, welche vergleichbare Funktionen auf den historischen Märkten erfüllten (vgl. dazu auch Hellmann 2003: 42 ff.; vgl. dazu auch Hüllemann 2007: 87; vgl. dazu auch Errichiello 2017: 18). Für die Markensoziologie lässt sich daraus schlussfolgern, dass Label inhaltlich dem Paradigma der Marke als Technik und der Marke als Kommunikation
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
zuzuordnen wären, nicht jedoch der Marke als Persönlichkeit (vgl. dazu auch Hellmann 2003: 69–106). Erklärlich wird diese Einordnung über die Funktionen der Label, die, im Gegensatz zur Marke, keine persönliche und parasoziale Verbindung zu einer Persona vorsehen (vgl. dazu Horton/ Wohl 1956: 215 ff.). Wenngleich Label auch wesenwillig gewollt werden können und sich innerhalb nachhaltiger Lebensstile verorten, wie auch ebenso im Bereich der Lohas (Lifestyle of Health and Sustainability),44 bilden sich um die Label selbst keine dauerhaften wesenwilligen Strukturen aus. Im Sinne von Tönnies (1991, 2004, 2010) erreichen sie zwar durch Wiederholung den letzten wesenwilligen Status des Gedächtnisses und Menschen entwickeln durchaus auch feste Meinungen über Label, doch sind die Zeichen für sie primär eine kurzfristige Einkaufshilfe. Die Label werden daher nur kurzfristig genutzt, vielleicht auch wiederholt herangezogen, bilden dabei aber selbst keine Bindungskräfte oder Massen aus. Aus diesem Grunde ist, im Unterschied zur Marke, für Label keine eigene organische Systembildung oder die Bildung eigener Hyperorganismen feststellbar. Stattdessen bilden sich gelegentlich Prüfnetzwerke aus, die jedoch nur von kurzer Dauer sind und in erster Linie auf kürwilligen Prozessen beruhen. Obwohl Label also, wie auch Marken, Kürwillen und Wesenwillen ansprechen, ist das anteilige Auftauchen der Willensarten und ihre Entwicklung hier kein einseitig linearer Zusammenhang. Label sind in kürwilligen Bündnissen zu verorten und pendeln einerseits zwischen der kürwilligen Verbindung, als andererseits auch dem wesenwilligen Bündnis hin und her. In diesem Kontext erscheinen Label in ihrem Bündnischarakter lediglich als ein Teil von Systemen, wie auch Marken in anderen Kontexten nur Teile von Systemen sind. Um auf die Paradigmendiskussion zurückzukommen, kann hier
44 Erstmalig als Gruppe in der Studie von Ray und Anderson im Jahr 2000 identifiziert. Für eine detailliertere Beschreibung siehe etwa Errichiello/ Zschiesche 2017: 50. Es ist umstritten, dass es sich bei Lohas um einen tatsächlichen Lebensstil im eigentlichen soziologischen Sinne handelt (vgl. Schoenheit 2009: 24 f.). Dies liegt auch darin begründet, dass Lohas bildungs- und einkommensübergreifend vorzufinden sind, sich politisch in kein Links-Rechts-Spektrum einordnen lassen und sie somit mehr eine gemeinsame Grundeinstellung, als eine soziale Gruppe mit geteilten Merkmalen charakterisieren (vgl. Wenzel et al. 2009: 15–22). Typisch für die Grundeinstellung ist ein sowohl, als auch von Konsum und Nachhaltigkeit, ohne sich dabei einzuschränken (vgl. Köhn-Ladenburger 2013: 2, 4). Insofern handelt es sich hier vermutlich eher um eine Lebensphilosophie, als um einen Lebensstil (vgl. dazu auch Köhn-Ladenburger 2013: 8 f.). Die Verortung in mehreren Sinus-Milieus gleichzeitig stützt diesen Gedanken (vgl. dazu Köhn-Ladenburger 2013: 13 f.). Bis zu einer weiteren soziologischen Klärung geht diese Arbeit bei Lohas von gemeinsamen Einstellungsmustern aus, aber nicht von einem Lebensstil, da hierfür konstitutive kollektive Identitäten und gemeinsame soziodemografische Merkmale fehlen.
3.9 Zwischenfazit: Marken sind keine Label – Label sind ein bisschen Marke
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festgehalten werden, dass die Marke als Persönlichkeit die Bildung von Hyperorganismen als Grundbedingung voraussetzt, diese Bedingung aber von Labeln nicht erfüllt wird. Dennoch lassen sich Ähnlichkeiten zu Marken attestieren, die insbesondere den interpretativen, insofern technischen und implizit kommunikativen, Bereich der Marken betreffen. Label bilden ebenfalls Gestalten aus, drehen sich zentral um spezifische Ideen im Sinne erwünschter Interpretationsinhalte und resonieren miteinander und mit dem Publikum. Deutlich geworden ist hierbei, dass die Label zwar interpretationsbedürftig sind, es jedoch stark vom Vorwissen und dem Bewusstsein der ausdeutenden Person abhängt, wie das Label verstanden wird (vgl. dazu etwa Samant/ Seo 2016 b; vgl. auch Brécard et al. 2009). Hier bildet sich eine weitere Brücke zu Tönnies (1991), denn ein Label kann gefallen oder prüfend verstanden und demnach wesenwillig oder kürwillig betrachtet werden. Auch die Erwartungen der Menschen spielen eine zentrale Rolle dabei, welches Ergebnis die Ausdeutung hervorbringt oder markensoziologischer ausgedrückt: ein Label muss mit den Erwartungen der Menschen resonieren können, um die Konsument*innen zu aktivieren. Als Gestalten sind alle Label einmalig, jedoch gleichermaßen auch selbst Teil von unterschiedlichen Gestaltsystemen in Kombination mit Markenprodukten. Die Gestaltsysteme der Ökolabel resonieren besonders stark miteinander, wodurch eine sehr selbstähnliche Signalstruktur realisiert wird, welche an die Idee des nachhaltigen Konsums angelehnt ist. Für beide Warenzeichen, Marken wie auch Label, spielt das in sie gesetzte Vertrauen die zentrale Rolle bei ihrer Verwendung. Dies lässt sich historisch auf die verlorengegangene direkte Beziehung von Produzent*innen und Konsument*innen zurückführen, welche spätestens in der Industrialisierung nicht mehr flächendeckend möglich war (vgl. dazu etwa Errichiello 2017: 25 f.; vgl. auch Hüllemann 2007: 88). Gleichwohl erlaubt Vertrauen aber auch die Komplexitätsreduktion in immer unübersichtlicheren Warenmärkten (vgl. dazu auch Hellmann 2003: 50; vgl. auch Errichiello 2013: 81). Ein besonderes Problem stellt vor diesem Hintergrund auch die intrinsische Qualität von Produkten dar, die in der Regel weder den Händler*innen, noch den Konsument*innen bekannt sein kann (vgl. dazu Yenipazarli 2015: 275, 283; vgl. auch Errichiello 2017: 52 f.). Für all diese Probleme sind die beiden hier diskutierten Warenzeichen ein Teil der Lösung (vgl. Hellmann 2003: 50). Wird einem Label nicht vertraut, so erfüllt es den Großteil der vorgesehenen Funktionen innerhalb der Interaktion von Organisation und Konsument*innen nicht mehr zuverlässig. Aufgrund der oft unklaren Bedeutung immer vielfältiger werdender Label, sind jedoch viele Konsument*innen den Behauptungen der Label gegenüber zunächst skeptisch eingestellt (vgl. dazu auch Csigéné Nagypál et al. 2015: 210 f.), was Vertrauen in diesem Zuge sogar noch
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
wichtiger macht. Diese Skepsis wird dadurch verstärkt, dass graduelle Label mit ähnlicher Gestalt zum Teil grundverschiedene Aussagen über die intrinsischen Qualitäten eines Produktes vermitteln können (vgl. dazu auch Li/ van ´t Veld 2015: 164; vgl. dazu auch Bleda/ Valente 2009: 513). Insofern kann auch hinsichtlich des möglichen Erfolgs nicht jedem Label gleichviel vertraut werden. Hinzu kommt die Problematik des Greenwashing, auf welches später in diesem Kapitel noch einmal eingegangen wird. Hier ist erst einmal festzuhalten, dass Vertrauen, wenn man so will, der entscheidende Faktor für den Erfolg eines Warenzeichens ist. Ein Label wird dabei zum Intermediär des transitiven Vertrauens, indem es Informationen der hinter dem Produkt stehenden Organisation oder dritter Parteien an die Konsument*innen übermittelt, um sie über die intrinsischen Eigenschaften der Produkte zu informieren und Vertrauen in die Arbeitsweise der Organisationen zu ermöglichen. In dieser Hinsicht sind Label ein wenig wie eine Marke, aber Marken übersteigen in ihrer sozialen Komplexität durchaus die Label. Dies lässt sich auch grafisch noch einmal festhalten, wenn man prüft, welche markensoziologischen Teilbereiche auf Label zutreffen und welche nicht (Abbildung 3.14): Die in dieser Grafik zusammengefassten Ergebnisse des dritten Kapitels zeigen deutlich auf, dass sich die Warenzeichen der Marken und Label in vielen Punkten ergänzen, wenn es etwa um Vertrauensbildung, Gestalteinheiten, Resonanzen, Ideen oder sozialen Willen geht. Verschieden sind sie, auch gemäß Tönnies (1991) hinsichtlich ihres Organismus- und Systemcharakters. Dies liegt auch darin begründet, dass Label in aller Regel eine zusätzliche Information im Rahmen des Gestaltsystems von Markenprodukten darstellen und in dieser Hinsicht nicht alleinstehend vorkommen. Dies trifft natürlich auch auf Marken zu, sofern man ihren reinen Symbolgehalt beleuchtet, jedoch stehen die Markenhersteller in aller Regel in einem direkten Produktionszusammenhang mit dem angebotenen Produkt und decken daher auch eine größere Anzahl an gestaltbildenden Aspekten ab, als es die auf vielen Produkten vorkommenden Label tun. Diese stehen meist sehr eingeschränkt für eine ganz spezifische Eigenschaft oder Information und treten daher vor allem als singuläre Gestaltsubstanz auf. Die Unterscheidung der Bandbreite ist jedoch keineswegs der Ausgangspunkt, um Marken und Label nun als distinkt voneinander zu betrachtende Formen der Warenzeichen anzusehen. Viel eher kann es vorkommen, dass die Grenzen von Marken und Labeln verwischen. Manche Label besitzen für sich genommen bereits das Potential, eine eigene Marke darzustellen (vgl. dazu auch Williams 2004: 14). Ausgangspunkt dieser Vermischung ist die Idee der graduellen Label (vgl. dazu Abbildung 3.8). Wie bereits zuvor beschrieben wurde, besitzen die graduellen Label das Potential, verschiedene Ebenen miteinander zu verbinden und
3.9 Zwischenfazit: Marken sind keine Label – Label sind ein bisschen Marke
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Abbildung 3.14 Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Marken und Labeln. (Quelle: eigene Darstellung)
unterschiedlich stark rückgekoppelt zu sein. Einige der Label werden dabei von Prüfinstituten vergeben, deren Label ihre Produkte sind. Diese Label können so bekannt werden, dass sie selbst den Status einer Marke erlangen und das Prüfungsinstitut selbst zur Markenhersteller*in wird. Gleiches lässt sich auch für sehr etablierte Label festhalten, wie etwa die meisten staatlichen Biosiegel es sind. Wenn eine Marke dann existiert, wenn sie es schafft, ein kollektives positives Vorurteil für sich in den Köpfen der Menschen zu verankern (vgl. etwa Deichsel et al. 2017: 10 f.), dann trifft diese Bedingung auch auf bekannte Label zu. Ähnliches gilt, wie zuvor aufgezeigt, auch für weitere Funktionen der Marken wie Komplexitätsreduktion, Vertrauensbildung, die Komposition fixierter Gestalten und anteilig auch für die Existenz als Ideenorganismen. Denn hier stellt sich die zentrale Abgrenzungsfrage, inwieweit bereits die hinter dem Label stehende Organisation selbst als Ideenorganismus zu begreifen ist. Die Lesart dieser Arbeit bezog sich primär auf die Vermassung des Publikums, jedoch wäre in der Folge für diese spezifischen Fälle durchaus zu prüfen, ob ein Ideenorganismus nicht viel weiterführend gedacht werden müsste. Die Frage nach der Ziehung einer
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
Grenze zwischen Marken und Label gestaltet sich demnach mitunter zum Teil als schwierig und führt in der Beantwortung der Frage nicht viel weiter. Erkennbar wird an diesem kurzen Exkurs aber ein wichtiger Umstand: beide Warenzeichen werden lediglich von einer dünnen Linie getrennt, die dann durchbrochen wird, wenn ein Label selbst den Systemstatus erreicht. Dies kann etwa bei einer starken institutionellen oder organisationalen Einbettung der Label, vor allem der Drittparteienlabel, der Fall sein. Demnach hätte die oberste Kontrollstufe der Label die Systembedingungen durchaus erfüllt und könnte schon als Marke gelten. Es würde hierbei nicht ein enges Verständnis von Warenzeichen als Kommunikationsmedien gelten, sondern das weite Verständnis, wie es auch im vorigen Kapitel noch einmal hergeleitet wurde. Übersichtlich dargestellt, ließen sich das weite und das enge Verständnis der Warenzeichen folgendermaßen festhalten (Abbildung 3.15):
Abbildung 3.15 Enges und weites Verständnis von Warenzeichen. (Quelle: eigene Darstellung)
Hinzu kommt aber eine weitere reale Schwierigkeit, die sich aus den Verschränkungen der Gestaltsysteme von Labeln und Markenprodukten im Lebensmitteleinzelhandel ergibt. Hier wird schnell unübersichtlich, welche der in der Markensoziologie als Monaden bezeichneten Gestalten nun Teil eines anderen Gestaltsystems ist und andersherum. So bilden etwa Marken und Label maßgeblich die Gestalt eines Markenproduktes mit, aber gleichwohl kann die Verpackung ebenjenes Produktes gleichermaßen eine Gestaltsubstanz der Marke sein. Alle Gestaltsubstanzen sind hier also real miteinander verschränkt und treten gestuft auf. Die Antwort auf diese Frage nach der Verschränkung führt jedoch weit in den Bereich der Wahrnehmung herein, die laut Vertretern des gestalttheoretischen Ansatzes kein Teil der markensoziologischen Betrachtung sein soll (vgl. dazu Errichiello/ Zschiesche 2017: 82 f., 90 f.; vgl. auch Deichsel et al. 2017: 221 f.). Vor dem Hintergrund der Wahrnehmung gegenüber der Wahrgebung, erscheint
3.9 Zwischenfazit: Marken sind keine Label – Label sind ein bisschen Marke
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die hier vorgenommene Analyse der Label als erklärungsbedürftig. Innerhalb der gestalttheoretischen Markensoziologie gilt bei den Hauptvertretern das Credo, man könne markensoziologisch lediglich die Wahrgebung, nicht aber die Wahrnehmung untersuchen (vgl. dazu Errichiello/ Zschiesche 2017: 82 f., 90 f.; vgl. auch Deichsel et al. 2017: 221 f.). Hieraus begründet sich auch die weitgehende Ablehnung der Marktforschung durch den gestalttheoretischen Ansatz, die hier der Wahrnehmungsseite zugeordnet wird (vgl. dazu Deichsel et al. 2017: 221 f.). Vergleichbar ist die Diskussion mit der Grundproblematik von SenderEmpfänger Modellen, die nicht zweifelsfrei die erfolgreiche Übermittlung der Botschaft an den Empfänger nachweisen können (vgl. dazu auch Stark 2001: 296). Eine Botschaft muss jedoch verstanden werden, da es sich ansonsten nicht um Kommunikation handelt, sondern lediglich um eine Information, die in einen leeren Raum ausgestoßen wird. Die reine Konzentration auf die so genannte Wahrgebung erscheint vor diesem Hintergrund aufgrund ihrer Einseitigkeit als problematisch, insbesondere dann, wenn das Paradigma der Marke als Kommunikation betrachtet werden soll (vgl. dazu Hellmann 2003: 88–106). In Bezug auf Label zeigt sich dies deutlich, wenn man die Forschungsergebnisse hinsichtlich der Kategorien Wahrnehmung und Wahrgebung aufteilt (Abbildung 3.16):
Abbildung 3.16 Wahrnehmung und Wahrgebung von Labeln. (Quelle: eigene Darstellung)
Anhand dieser hier erstellen Auflistung, die in Wahrgebung als selbst und Wahrnehmung als fremd unterteilt, wird schnell deutlich, weshalb die einseitige Konzentration auf die Wahrgebung zu vielseitigen Problemen bei der Analyse der Warenzeichen führen kann. Sofern lediglich das organische System oder
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
die spezifische Assoziationsform betrachtet werden, Aspekte, die den meisten Labeln fehlen, ist auch die Konzentration auf die Senderseite vergleichsweise unproblematisch. Untersucht man jedoch den Informationsgehalt oder die Vermittlung von Informationen durch die Warenzeichen, also Kommunikation, wird eine Analyse bei reiner Fokussierung auf die Wahrgebungsseite gänzlich unmöglich. Denn was bei gestalttheoretischen Konzeptionen an dieser Stelle übersehen wird, ist die Kontextualität der vermittelten Informationen. Resonanzfelder liegen etwa außerhalb des unmittelbaren Einflusses von Warenzeichen und existieren, so die Theorie, unabhängig in der Bevölkerung. Ebenso ist die öffentliche Meinung ganz offenbar eine Fremdwahrnehmung, wie auch das Vertrauen aus der Umwelt. Die Wahrnehmungsseite hier zu entfernen würde bedeuten, Kommunikation als eine reine Black Box zu verstehen, in welche Informationen hineingehen und wo eventuell ein kumuliertes Ergebnis herauskommt. Ein vergleichbares Modell verwendet auch die systemtheoretische Kybernetik erster Ordnung (vgl. Hüllemann 2007: 22 f., 25). Dieses ließe sich dann aber nicht ausdeuten, weil das Ergebnis hier wieder auf der Wahrnehmungsseite steht. Konsequenterweise müssten aus der gestalttheoretischen Markensoziologie dadurch Vertrauen und Resonanz, Gestaltkomposition und Massebildung entfernt werden, um eine Wahrgebungsorientierung in Reinform zu erhalten. Dies ist offensichtlich aber nicht von Interesse für die gestalttheoretische Lesart, die den Großteil ihrer Theorie in diesem Bereich verortet (vgl. dazu Errichiello 2013: 86 ff.). Die Diskussion um die Wahrnehmung von Markenbotschaften zeigt den Forschungsbedarf in diesem Teilbereich auf, der bislang beinahe ausschließlich funktionalistisch-systemtheoretisch betrachtet wurde. Die Betrachtung der Wahrnehmung und des eigentlichen Kommunikationsprozesses erscheint indes fundamental, da Warenzeichen, wie dargelegt, in erster Linie informieren und Vertrauen schaffen sollen. Ebenfalls hat diese rein systemische Perspektive die Exklusion der meisten Label zur Folge, die jedoch in der Wirklichkeit nichtsdestoweniger Teil der sozialen Welt der Warenzeichen sind. In Rückgriff auf das Definitionskapitel 2.3.2 sei darauf verwiesen, dass Label auch als eine Wahrnehmung von Normen und Werten definiert sein können (vgl. dazu Williams 2004: 13). Es ist daher notwendig, die bestehenden Ansätze vor diesem Hintergrund zu überdenken, was in dieser Arbeit im Kapitel 4 anhand des Symbolgedankens vorgenommen wird. Es bleibt zunächst einmal zur Beantwortung der zweiten Unterfrage festzuhalten, wie Label abschließend markensoziologisch verstanden werden können. Bei Labeln handelt es sich um Warenzeichen, deren besondere Funktion es als symbolische Interaktion zwischen Organisationen und Konsument*innen ist, über die intrinsischen Merkmale vorliegender Produkte verständlich zu informieren,
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den Vertrauensaufbau zu erleichtern und in diesem Zuge vorteilhafte Konsumentscheidungen zu ermöglichen. Label sind dabei oft konzeptionell von Marken zu unterscheiden, da Label in der Regel keine organischen Systembedingungen oder vergleichbare Assoziationsbedingungen erfüllen. Sind diese Bedingungen jedoch erfüllt, können auch Label den Status einer Marke annehmen. Markensoziologisch lassen sich Label vor allem als Gestalten und als Element sozialen Wollens begreifen, denen jedoch die markentypischen wesenwilligen Bindungskräfte fehlen, die schlussendlich Massen versammeln und Gemeinschaften ausbilden. Gleichwohl sind Label wie Marken ein Teil der öffentlichen Meinung und des öffentlichen Vertrauens, sie beinhalten Ideen und schwingen als distinkte, selbstähnliche Gestalten innerhalb von Resonanzen mit. In diesem Sinne handelt es sich bei Labeln in manchen Aspekten um markenähnliche Warenzeichen, die sich für eine markensoziologische Analyse eignen (Abbildung 3.17).
Abbildung 3.17 Was sind Label? (Quelle: eigene Darstellung)
Anhand dieser Grafik wird deutlich, dass sich Label und Marken zwar im wesentlichen Aspekt des Systems und der Assoziation voneinander unterscheiden, sie jedoch in ihren interpretationsbedürftigen Aspekten vergleichbare Bedingungen und Funktionen erfüllen. Aus diesem Grund soll im nächsten Oberkapitel ein genauerer Blick auf den Symbolaspekt der Warenzeichen geworfen werden, um
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Marken und Label – zwei Seiten einer Medaille?
diesen konzeptionellen Graben ein wenig zu schließen und die Analyse beider Warenzeichen vor dem Hintergrund der Informationsvermittlung zu erlauben. Bevor das dritte Kapitel jedoch abgeschlossen wird, soll hier zunächst noch einmal ein markensoziologisches Verständnis von Greenwashing dargelegt werden. Der Vorwurf des Greenwashing betrifft dabei spezifisch den Bereich der Ökolabel. Mit Greenwashing wird in der Markensoziologie ein Verhalten bezeichnet, welches zwar spezifische nachhaltige Leistungen kommuniziert, diese Leistungen jedoch nicht einlöst (vgl. etwa Errichiello/ Zschiesche 2017: 4, 11 f.). Diesem Arbeitsverständnis lassen sich hier Aspekte aus der Labelforschung hinzufügen. So entsteht Greenwashing auch im Zuge der nicht möglichen Interpretation aller vorhandenen Ökolabel, indem die reine Gestalt des Labels als interpretativer Ausgangspunkt genutzt wird. Hierbei wird deutlich, dass es sich bei Greenwashing in erster Linie um eine Interpretationsproblem handelt. Im Rahmen der graduellen Abstufung der Label in verschiedenen Kontrollstufen (vgl. Abbildung 3.8), wählen Konsument*innen häufig bevorzugt gelabelte Produkte, die dann einem label effect unterliegen und erheblich besser bewertet werden, als ungelabelte Produkte (vgl. dazu etwa Brécard 2014: 66; vgl. etwa auch Sörqvist et al. 2015: 8; vgl. dazu auch Vecchio/ Annunziata 2015: 335). In diesem Zuge profitieren Unternehmen, deren Label einen geringeren Standard aufweisen und dessen Zertifizierungsprozess kostengünstiger war, gegenüber den Unternehmen, die höherwertige Label verwenden (vgl. dazu Brécard 2014: 79; vgl. auch Li/ van ´t Veld 2015: 164; vgl. auch Yenipazarli 2015: 275 f.). Insofern ist Greenwashing das Nutzen positiver sozialer Konstruktionen von Nachhaltigkeit mit Hilfe von gesellschaftlichen Resonanzen und Nachhaltigkeitssymbolen, um sich in diesem Zuge einen Marktvorteil zu verschaffen, ohne die tatsächlichen Standards des vorliegenden Produktes oder der Dienstleistung wahrheitsgemäß zu kommunizieren. Mit diesem Arbeitsverständnis von Greenwashing, soll nun zum vierten Kapitel übergegangen werden, welcher sich mit dem symbolischen Aspekt der Warenzeichen und deren Vermittlung auseinandersetzt.
4
Ökolabel und Markenprodukte
Nachdem die beiden Unterfragen der Arbeit beantwortet wurden, die einerseits die gestalttheoretischen Ansätze der Markensoziologie zusammengeführt und erweitert, andererseits nun aber auch Label markensoziologisch definiert haben, bleibt nur noch die Forschungsfrage zu beantworten. Wie Markenprodukte durch Ökolabel als nachhaltig konstruiert werden wird hier in zwei Kapiteln näher beleuchtet. In Abschnitt 4.1 werden dabei die Ökolabel im Markensystem, sowie deren Wechselwirkungen miteinander beleuchtet – denn speziell von Ökolabeln auf Lebensmitteln handelt diese Arbeit. Explizit aus der Wechselwirkung lassen sich auch Rückschlüsse über die soziale Vereinnahmung von Labeln durch Life-StyleWerbung als Resonanzen und Gestalten ziehen. Es wird dadurch ersichtlich, dass es sich bei Ökolabeln keineswegs um reine Marketinginstrumente handelt, sondern um integrale Teile des Markensystems (vgl. dazu Errichiello/ Zschiesche 2017: 19). Im zweiten Kapitel des Oberkapitels, 4.2, wird schließlich die Frage beantwortet, wie Markenprodukte durch Ökolabel als nachhaltig konstruiert werden. Ein besonderes Augenmerk wird dort auch auf die Begriffe des Titels gelegt, denn hier wird geklärt, inwieweit und wann ein Ökolabel ein Instrument des Greenwashing oder eine legitime Entscheidungshilfe ist. Insofern werden die hier just geschlossenen Forschungslücken der Markensoziologie, der integrierte gestalttheoretische Ansatz und das grundsätzliche Verständnis der (Öko-)Label, direkt miteinander verbunden und zeigen so auf, dass sie analytisch nicht voneinander zu trennen sind.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 T. Schnell, Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32163-5_4
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4.1
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Ökolabel und Markenprodukte
Ökolabel im Markensystem
Führt man Ökolabel, die hier nun erstmals in der Markensoziologie vollwertig definiert wurden, mit dem neu zusammengeführten Markensystem zusammen, ergeben sich eine Vielzahl von Wechselwirkungen, mit denen sich das vorliegende Kapitel beschäftigt. Die Verbindung erscheint angesichts der sozialen Praxis auch mehr als sinnig – schließlich treffen wir Label in den Einkaufsregalen insbesondere auf Markenprodukten an. Anders als Marken erscheinen Label selten bis nie als alleinstehend, von frischem Obst und Gemüse einmal abgesehen. Selbst dort werden aber nicht selten Markenzeichen aufgebracht, so dass man sagen kann: real kommen Markenprodukte und Ökolabel überwiegend miteinander verschränkt vor. Sie bilden eine Gestalteinheit und eine Symbolkonfiguration. Will man nun also die Forschungsfrage der Arbeit danach beantworten, wie Markenprodukte durch Ökolabel als nachhaltig konstruiert werden, so lässt sich eine Betrachtung der Ökolabel im Markensystem nicht vermeiden. Beginnend stellt sich vor allem die Frage danach, welchen Platz im Markensystem die Ökolabel einnehmen, wenn man die gestalttheoretische Perspektive übernimmt. Hier ist wieder die markensoziologische Zelle zu Rate zu ziehen, die nun durch die spezifische Situation von Konsumgütern mit Ökolabeln im Lebensmittelsektor eine Erweiterung erfahren hat: Dabei ist zunächst feststellbar, dass Ökolabel in dieser Markenzelle die Rolle von Resonanzen einnehmen. Sie sind demzufolge von außen eingebrachte Symbole, die an gesellschaftliche Wissensbestände anknüpfen, um soziale Energien in das Markensystem zu tragen. Tatsächlich dienen Ökolabel als piktorale Symbole genau diesem Zweck: sie sollen einerseits über intrinsische Produktcharakteristika informieren, um eine Kaufentscheidung zu Gunsten des Produktes zu beeinflussen, aber Studien belegen, dass insbesondere das Umweltwissen von Menschen über diese Art der Nutzung entscheidet (vgl. etwa Samant/ Seo 2016 b). Ist das Umweltwissen gering ausgeprägt, so wird sich wesenwillig nach einem Gefallensurteil für die Label entschieden, weil die Label bekannt aussehen (vgl. etwa Samant et al. 2016). Insofern liegt hier ein Rezeptwissen nach Berger und Luckmann (2016: 44) vor und die Ökolabel werden selbst dann zu Rate gezogen, wenn sie eigentlich gar nicht in ihrer Informationsfunktion verstanden werden. Tatsächlich führt das aber im positiven Sinne zu einer verbesserten Situation des Markensystems, denn das Markenprodukt profitiert sofort vom green halo des Ökolabels, die eine soziale Konstruktion des Produktes darstellt. Bedenkt man nun wieder die Ausgangsfunktion der Resonanzen für das Markensystem, so realisieren Ökolabel genau das: sie erzeugen Energie und verbessern die
4.1 Ökolabel im Markensystem
Abbildung 4.1 Darstellung)
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Die Markenzelle – Ökolabel auf Markenprodukten. (Quelle: eigene
Überlebensfähigkeit des lebenden Gestaltsystems, indem sie an gesellschaftliche Wissensbestände anknüpfen und insofern fremde soziale Energien für den Erhalt der eigenen Institution nutzen. Wie schon in Abschnitt 3.8.2 dargelegt wurde, sind Ökolabel dabei als Resonanzmuster zu begreifen, die sinnlich wahrnehmbar sind. Als konstruiertes Resonanzfeld fungieren demnach die unberührte Natur, Nachhaltigkeit und das allgegenwärtige Feld des Klimawandels, wobei diese Zuordnung zweifelsohne im Sinne von Berger und Luckmann (2016: 24 ff.) eine jeweilige Momentaufnahme und Sache der gesellschaftlichen Aushandlung ist. Die übergeordnete Resonanzidee ist dabei das nachhaltige Produkt. Insofern werden Markenprodukte durch Ökolabel in ihrer Funktion als Resonanzen zu nachhaltigen Produkten konstruiert, beziehungsweise komponiert, wenn man bei der Gestalttheorie bleibt. Aber das ist nur ein Teil der Antwort. Die Gestalt, welche einen zentralen Stellenwert im gestalttheoretischen Ansatz der Markensoziologie einnimmt und die potentiell mit diversen Symboltheorien zu ergänzen wäre, hat in der Wechselwirkung von Ökolabeln und Markenprodukten noch mehr Ergebnisse zu Tage zu fördern. Ersichtlich ist bislang, dass Ökolabel als Resonanzen mit dem Markenprodukt eine gesamte Gestaltkomposition in den
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Ökolabel und Markenprodukte
Köpfen der Menschen bilden und sie insofern jeweils Substanzen hierzu beisteuern. Allerdings spielt es hierbei noch eine große Rolle, was für eine Art Ökolabel dabei vorliegt. Liegt beispielsweise ein Ökolabel vor, welches selbst einen rechtlich normativen Charakter besitzt, wie das EU-Biosiegel (vgl. Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007), dann schränkt es auch den Gestaltkorridor des Markensystems ein. Die Resonanz wäre dabei dann dort zu verorten, wo die Substanz der Markenzelle besonders fest ist, was ihre selbstähnliche Variation hemmt. Label sind, wie in Abschnitt 3.5.2 beschrieben, möglichst statisch, wohingegen Marken immer einer selbstähnlichen Evolution unterliegen müssen, um als lebendes System lebensfähig zu bleiben. Soll nun aber ein Markenprodukt das EU-Biosiegel tragen, dann ist es direkt an dessen normative Vorgaben gebunden und kann diese nicht mehr verlassen, ohne auch das Siegel zu verlieren. Dies wäre ein Bruch mit der Vertrautheit des Systems im wesenwilligen Sinne und würde zwangsläufig einen gefährlichen Energieverlust des Systems zur Folge haben. Es ergeben sich zudem weitere, markenspezifische Problematiken, wenn das Biosiegel einen eigenständigen Markencharakter besitzt. Hierauf wird jedoch in einem späteren Absatz näher eingegangen. Zunächst soll noch der andere Fall der möglichen Gestaltkomposition beleuchtet werden. Ist ein Ökolabel mit besonders schwachen Standards ausgestattet, wie in Abbildung 3.8 in der rechten Spalte zu sehen ist, dann ist es leicht für Greenwashing zu nutzen. Da die zugehörige Resonanz flüchtig einzuordnen ist, befindet sie sich nur am Rand des Markensystems und schränkt den Gestaltkorridor der Zelle kaum bis nicht ein. Energien werden dennoch freigesetzt, aber die Regeln des Labels definieren das System nicht und ziehen insbesondere die flüchtigen Käufer*innen an (s. auch Abbildung 3.10). So kann neue Kundschaft in die markensoziologische Zelle geführt werden, ohne im Kern aufrichtig nachhaltige Ziele zu verfolgen. Möglich ist Greenwashing ja, wie bereits beschrieben, durch die unterschiedliche Ausdeutung von Labeln nach Wissensbeständen. Insofern deckt sich diese theoretische Erkenntnis mit der empirischen Erkenntnis, dass Unternehmen mit schwachen Ökolabeln für sich relativ größere Gewinne aus deren Verwendung realisieren können, als Unternehmen mit höherstufigen Ökolabeln (vgl. etwa Yenipazarli 2015). Theoretisch lässt sich das also für die Konstruktion von nachhaltigen Markenprodukten durch Ökolabel folgendermaßen fassen: Ökolabel erzeugen als Resonanzen für das Markensystem nutzbare soziale Energie, die für die Markenzelle aus verschiedenen Gründen existentiell ist. Ein Ökolabel mit hohen Standards nimmt dabei einen Platz in der festen Substanz der Markenzelle ein und schränkt das Markensystem mit seinen normativen Regeln im Gestaltkorridor ein, wohingegen ein schwaches Ökolabel als Teil der flüchtigen Substanz die Gestaltregeln des Systems kaum beeinflusst.
4.1 Ökolabel im Markensystem
241
Ein besonderes Wechselspiel ergibt sich folglich daraus, dass einige Ökolabel selbst den Status von Marken erlangen können. Dies geschieht dann, wenn sie ebenfalls rechtlich normativ fixiert werden, wie Marken es sind. Im Kapitel 3 wurde dieses Wechselspiel häufig beleuchtet und es ist auch in Abbildung 4.1 übersichtlich dargestellt. Die Einschränkung im Gestaltkorridor eines Markenproduktes ergibt sich insbesondere dadurch, dass ein Ökolabel mit Markenstatus für sich genommen selbst ein lebendes System darstellt. Es kommt daher einerseits zu einem ineinander wachsen der Systeme, aber auch zu einer Überlagerung und dem damit verbunden Verteilungskonflikt, den Domizlaff (1997) für Ideenorganismen schilderte. Das EU-Biosiegel hat so etwa eine ganz eigene Kundschaft, die explizit Bioprodukte kaufen möchte und sich für das jeweilige Markenprodukt dann wenig interessiert. Somit kann es vorkommen, dass zwar Energie in die Markenzelle des Markenprodukts eingebracht wird, aber diese fremde Energie nur auf Abruf in das System eingeht, weil es sich hierbei eigentlich um die Kundschaft des Ökolabels handelt. Ebenso kann es passieren, dass beide Systeme sich gegenseitig Substanz abnehmen oder zuführen, indem sie übertragbare Erfahrungen durch Konsum und insofern gleichermaßen Vertrauen in die Marke und das Ökolabel erlauben (s. auch Abschnitt 3.7). Bilden Markenprodukt und Ökolabelmarke nun aber eine gemeinsame Gestaltkomposition, so gehen sie ein wesenwilliges Bündnis miteinander ein, das sich bei grünen Marken auch zur wesenwilligen Verbindung entwickeln kann (s. auch Abbildung 3.6).1 Dies ist etwa bei grünen Marken wie Demeter e. V. (o. J.: demeter.de) oder Alnatura (2019 a: alnatura.de) der Fall, die sich in ihrem Kern die strengen normativen Gestaltregeln mit dem Biosiegel teilen und die insofern gleichartige Systeme darstellen. So sind die Unternehmensregeln im Kern von Alnatura (2019 b: alnatura.de) etwa so stark auf ökologische Nachhaltigkeit bezogen, dass das Biosiegel hier lediglich als Bekräftigung der eigenen normativen Systemregeln fungiert, aber nicht die grundsätzliche Funktionsweise des eigenen Systems verändert. Denn die Grundsätze von Demeter e. V. (o. J.: demeter.de) und Alnatura (2019 b: alnatura.de) übersteigen diejenigen des EU-Biosiegels teils deutlich, was auch ihre Differenzierbarkeit vom bloßen Biosiegel erhöht, gleichermaßen aber auch die Wiedererkennung von hohen Standards durch diejenigen ermöglicht, die mit Demeter e.V. und Alnatura nicht vertraut sind, wohl aber mit dem Biosiegel. Gleiches würde für das fiktive Beispiel aus Kapitel 3 „Unser Naturhof “ gelten. Hier wird erneut deutlich, 1 Möglicherweise
handelt es sich bei Ökolabelmarken sogar um kürwillige Marken, was ein Novum wäre. Dem kann und soll hier an dieser Stelle aber nicht weiter nachgegangen werden. Wichtig ist zu bemerken, dass Ökolabel in gewissen anderen Verwendungen vor allem kürwillig auftreten.
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Ökolabel und Markenprodukte
dass es bei den Wechselwirkungen von Markenprodukten und Ökolabeln entscheidend ist, ob es sich um verwandte Ideenorganismen handelt, etwa im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit, oder ob es sich um verschiedene Ideenorganismen handelt. Je verschiedener die Ideenorganismen demnach sind, desto höher ist ihr Konfliktpotential. Sind sie sich aber ähnlich, entstehen große Synergieeffekte, die beide Systeme durch Kooperation stärken können, weil sie ihre vorhandenen Energien symbiotisch miteinander teilen. Idealerweise werden Markenprodukte durch Ökolabel also symbiotisch als nachhaltig konstruiert. Inwieweit die Beziehung von Markenprodukt und Ökolabel symbiotisch ausfallen kann, hängt demnach auch maßgeblich von ihrer enthaltenden Substanz, also ihrer Masse, ab. Bei der systemischen Sichtweise darf dabei nicht vergessen werden, dass die Substanz der Markenzellen aus lebenden Menschen besteht, die je individuelle Konsumentscheidungen fällen und ihrerseits in sozialen Gruppen organisiert sind. Zwar bilden Ökolabel keine Gemeinschaften oder Markengemeinschaften aus (s. Abschnitt 3.2.2), doch ist dennoch eine Wechselwirkung mit sozialen Gruppen erkennbar. Besonders deutlich ist diese Wechselwirkung bei grünen Marken wie Alnatura. Hier decken sich die normativen Vorstellungen der Kundschaft, die empirisch als ökologisch bewusst gelten kann (vgl. dazu GfK 2017; s. auch Grafik 3.11), mit der Idee des Unternehmens. Da sich das Unternehmen als Ideenorganismus die zugrunde liegende Idee der Nachhaltigkeit mit der Ökolabelmarke des Biosiegels teilt, besitzt die Kundschaft zu großen Teilen ebenfalls eine Übereinstimmung ihrer sozialen Normen mit dem Biosiegel. Die Kundschaft ist also in beiden Systemen legitimer Weise zuhause, wie es auch in modernen Markengemeinschaften oder Lebensstilgruppen der Fall sein kann (s. dazu auch Abschnitt 3.2). Man kann daraus schlussfolgern, dass die soziale Identität der ökologisch bewussten Kundschaft mit der sozialen Identität der Systemzellen und Institutionen von Markenprodukt und Ökolabel übereinstimmen, was erst die Symbiose der Systeme ermöglicht und sie per Distinktion nach außen hin abgrenzt. Die Abgrenzung erleichtert sich dadurch, dass der Botschaftscharakter des Markensystems besonders prägnant ist, wenn das System selbst und dessen Resonanzen besonders gefestigt erscheinen, etwa durch strikte normative Regeln an die eigene Nachhaltigkeit. Grenzen sind dabei für den Energieerhalt des Systems zentral und sorgen in gestalttheoretischer Lesart für dessen Anziehungskraft nach außen (s. dazu Abschnitt 3.3; s. auch Abschnitt 3.4). Insofern unterscheiden sich Lebensstilgruppen, Markengemeinschaften und Markenzellen in ihrer grundlegenden Funktionsweise in Bezug auf soziale Identität nicht wesentlich voneinander. Als gemeinsame Klammer fungieren dabei die kollektiven Identitäten, Gestalten, Symbolkonfigurationen und sozialen Images, die das System nach außen Abgrenzen und nach innen verdichten, wo die Kundschaft
4.1 Ökolabel im Markensystem
243
dann durch geteilte und habitualisierte Lebensphilosophien, Sitten, Bräuche und Rituale zusammengehalten und verdichtet wird (vgl. dazu auch Hölscher 1998; vgl. dazu auch Wenzel 2016; vgl. dazu auch Deichsel et al. 2017). Auf den anderen Fall angewandt bedeutet das nun, dass ein flüchtiges Ökolabel vor allem Käufer*innen anzieht, die sich nicht im Markensystem verorten wollen oder können. Da das System keine nachhaltigen normativen Regeln aufweist, zieht es auch weniger stark die ökologisch bewussten Menschen an, die ein hohes Umweltwissen besitzen und in diesem Zuge auch die Ökolabel rational differenzieren können (s. auch Grafik 3.11). Stattdessen werden diejenigen angesprochen, denen Ökolabel schlichtweg gefallen, weil sie kurzfristig nachhaltig wirkende Produkte konsumieren möchten und die Botschaften der Label nicht verstehen (vgl. dazu auch Samant/ Seo 2016 b). Zu finden wären diese Menschen in der Gruppe der Lohas, deren Existenz im Sinne des Lebensstils zwar umstritten ist, die jedoch zweifelsfrei als Marketingzielgruppe existieren (vgl. dazu etwa Schoenheit 2009: 24 f.; vgl. auch Köhn-Ladenburger 2013). Sie sind dadurch gekennzeichnet, ihre Konsumgewohnheiten nicht zu ändern, sondern stattdessen einfach eine nachhaltig wirkende Alternative zu kaufen (vgl. Schoenheit 2009: 24 f.; vgl. auch Köhn-Ladenburger 2013: 2). Ein schwaches Ökolabel bietet hierzu eine gute Gelegenheit, weil es den Gestaltkorridor von Nachhaltigkeit bei Markenprodukten auf weitaus konventionellere Produkte als Bioprodukte ausweitet. Auch wenn Lohas womöglich über keine gemeinsame soziale Identität verfügen, so haben sie doch aufgrund schwächerer normativer Regeln und der rationalen Orientierung in Bezug auf Nachhaltigkeit eine größere Auswahl zwischen einer Vielzahl miteinander konkurrierender Ideenorganismen, die das Thema verschieden behandeln. Lohas wollen sich dabei oft nicht von Marken vereinnahmen lassen und bleiben der Ausgangskonzeption gemäß kritisch (vgl. Wenzel et al. 2009: 21 f.). Lohas stellen damit die typischen Käufer*innen dar, die sich zwischen Prüfen und Gefallen bewegen, aber nicht völlig in das System eingebunden sind. Die langfristige Symbiose ist dabei wohl nicht möglich, dafür aber eine breite Anschlussfähigkeit der Produkte an eine Vielzahl potentieller Käufer*innen. Hierüber erklären sich dann auch die empirischen Gewinne durch die schwachen Ökolabel gegenüber den starken Ökolabeln (vgl. dazu auch Yenipazarli 2015) und die grundsätzliche Bedeutung sogenannter Greenomics für die zielgerichtete Darstellung von Wirtschaftsunternehmen (vgl. Wenzel et al. 2009: 11–14). Für die nachhaltige Konstruktion von Markenprodukten durch Ökolabel lässt sich daraus der Rückschluss ziehen, dass die Art des Markensystems im Wechselspiel mit der Art des Ökolabels darüber entscheidet, inwieweit die Botschaften der
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Ökolabel und Markenprodukte
Warenzeichen als symbiotisch und in sich stimmig wahrgenommen werden können. Je symbiotischer dabei das Verhältnis beider ist, desto weniger kommt es zu Konflikten zwischen den Ideenorganismen um die gemeinsame Kundschaft und desto mehr teilen beide Systeme ihre Substanz miteinander. Dies resultiert letztlich in der Stärkung der Überlebensfähigkeit beider Systeme, indem zusätzlich zu den Resonanzen nun auch die Substanzen, also die Menschen des Systems, die Botschaften des Systemkerns multiplizieren. Sie partizipieren also aktiv an der Konstruktion der jeweiligen Institutionen, die Marken darstellen und welche durch Marken dargestellt werden können. Wenn nun über die Substanz der Markenzelle geschrieben wird, soll hier nun auch ein kurzer Exkurs zum Lebensstilcharakter der Ökolabel geführt werden. Wie hier bereits beschrieben wurde, soll Life-Style-Werbung zielgruppentypische Emotionen ansprechen (vgl. Hölscher 1998: 177) und Zielgruppen sind hier in beiden Beispielen klar ersichtlich: ökologisch Bewusste und Lohas (s. auch Abbildung 4.1). Diese Arbeit beschäftigte sich implizit oft mit Ökolabeln auf Konsumgütern, die vor allem kurzfristig angelegt sind und in der Regel kaum statusrelevant sind (vgl. dazu Hölscher 1998: 196). Diese Feststellung aus den späten 1990ern ist mittlerweile durch technische Entwicklungen zu relativieren. Denn durch Social Media Kanäle wie Instagram und Facebook ist es möglich, Bilder von Konsumgütern hochzuladen, sie dadurch zu verstetigen und sie zu statusrelevanten Elementen der eigenen Selbstdarstellung und der sozialen Identität eines Lebensstils zu machen. Man spricht in diesem Kontext auch vom so genannten Foodporn. Im Zuge dieser Entwicklung spielen die Ökolabel eine gesteigerte Rolle bei der Konstitution eines eigenen Lebensstils über digitale Medien. Allein unter dem Hashtag #organic (Bio) finden sich am 22.04.2019 bei Instagram mehr als 36 Millionen verstetigte Beiträge, die meisten zeigen (verarbeitete) Konsumgüter wie Lebensmittel (vgl. Instagram 22.04.2019: instagram.com). Zwar werden dabei nur selten direkt Ökolabel inszeniert, doch tragen diese durch die Gestaltkomposition ihres sozialen Images zweifelsohne zur Definition von #organic bei und ermöglichen so die massenmediale Selbstdarstellung eines nachhaltigen Lebensstils oder zumindest des notwendigen kollektiven Bewusstseins über eine nachhaltige soziale Identität. Diese Ziele sind direkt durch die Life-StyleWerbung ansprechbar und stellen in diesem Sinne zielgruppentypische Emotionen dar. Insofern sind Ökolabel zunächst nicht unmittelbar lebensstilrelevant, tragen aber durch ihr soziales Image zur Konstitution der sozialen Identität maßgeblich bei und erlauben so die Konstitution von Lebensstilgruppen um gemeinsame Normen und Werte herum. Die Label werden dabei als Teil des gruppentypischen Selbstverständnisses vereinnahmt: man kauft Bio (vgl. Hölscher 1998: 51 ff.). Im besonderen Falle verstetigter Lebensmittel wird den Markenprodukten, die
4.1 Ökolabel im Markensystem
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ansonsten eher imageorientiert sind, hier nun auch auf der vertikalen Achse des sozialen Raums eine Statusaufwertung hinzugefügt (vgl. dazu Hölscher 1998: 107–114). Gestützt wird diese Statusaufwertung auch dadurch, dass Produkte mit vielen Labeln oft eher als vertikal differenziert, selten jedoch als horizontal differenziert wahrgenommen werden (vgl. Brécard 2014: 66). Somit fügen Ökolabel neben dem sozialen Image der Nachhaltigkeit den Markenprodukten mitunter auch den Status hochwertigerer Produktalternativen hinzu, so sie denn als solche erkennbar sind. Auch diese Konstitution ist Teil der Konstruktion von Markenprodukten durch Ökolabel als nachhaltig, denn Menschen bilden die Substanz der institutionalisierten Markenzelle und sind auch für deren innere Prozesse von zentraler Bedeutung. Um nun also noch einmal die Wechselwirkungen zusammenzufassen, ist beim Zusammenspiel aus Markenprodukten und Ökolabeln eine Reihe von Verflechtungen feststellbar. So treten Ökolabel in Markensystemen als Resonanzen auf, wo sie das System mit Energie und Substanz versorgen, indem sie an gesellschaftliche Wissensbestände anknüpfen. Ökolabel und Markenprodukt werden zu einer je gemeinsamen Gestalt komponiert und bilden somit eine zusammenhängende Symbolkonfiguration. Je stärker dabei die normativen Regeln des Ökolabels selbst sind, desto fester ist es in die Substanz des Markensystems eingebunden. Ein starkes Label schränkt den Gestaltkorridor eines Markensystems wesentlich mehr ein, als ein schwaches Label, welches eher flüchtig auftritt. Der flüchtige Status im Markensystem erleichtert in der Folge auch die Täuschung durch Greenwashing. Ein symbiotisches Ergänzen von zugrunde liegenden Ideen der Ideenorganismen Markenprodukt und Ökolabel verringert das Konfliktpotential um eine gemeinsame Substanz, nämlich um die Kundschaft. Besonders prägnant erscheint das Konfliktpotential, wenn auch das Ökolabel einen Markenstatus aufweist und eine eigene Kundschaft besitzt. Die Botschaft des Markenproduktes muss demnach mit der Botschaft des Ökolabels übereinstimmen und mit der sozialen Identität der Kundschaft harmonieren, um das System konfliktfrei stabilisieren zu können. Die Gestaltkomposition muss demzufolge für die Kundschaft stimmig wirken und das übertragene soziale Image muss resonanzfähig sein. Die gesamte Substanz, inklusive der Konsument*innen, kann in diesem Zuge die Gestaltkomposition sozial vereinnahmen und sie zum Teil der eigenen sozialen Identität im Sinne der Konstitution eines Lebensstiles machen. Gefördert wird dieser Prozess durch Life-Style-Werbung, die zielgruppentypische Emotionen anspricht und soziale Images reproduziert. Um noch einmal abschließend den Bogen zu den Resonanzen zu schlagen, werden diese zielgruppentypischen Emotionen ebenfalls durch die Resonanzmuster der Ökolabel angesprochen, die im Resonanzfeld mit den Lebensphilosophien der sozialen Gruppen übereinstimmen müssen, um wirksam
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Ökolabel und Markenprodukte
werden zu können. Insofern sind Ökolabel für die nachhaltige Konstruktion von Markenprodukten ein fundamentales Vehikel. Mit diesen Erkenntnissen lässt sich nun im Folgenden die Forschungsfrage der Arbeit beantworten.
4.2
Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe
Die Forschungsarbeit hat mit einem kurzen Aufriss darüber begonnen, weshalb das Thema der Nachhaltigkeit eine zentrale Relevanz für die Menschheit besitzt. Die Arbeit konnte aufzeigen, dass Nachhaltigkeit zwar einerseits eine Sache der gesellschaftlichen Aushandlung ist, die Ziele des nachhaltigen Konsums im Sustainable Development Goal 12 mit Hilfe von Ökolabeln andererseits womöglich aber leichter erreicht werden können (vgl. United Nations 2019: sustainab ledevelopmentgoals.un.org). Folgt man dem Leitsatz, dass jeder kleine Beitrag zählt, so leisten Ökolabel einen Anteil daran, die Ressourcen zukünftiger Generationen zu erhalten, sofern sie effizient gestaltet werden. Um sie aber effizient zu gestalten, benötigt man Wissen über ihre Wirkungsweise. Hier setzte die Arbeit an und ging der Frage nach, wie Markenprodukte durch Ökolabel als nachhaltig konstruiert werden. Wie im vorigen Kapitel dabei bereits dargelegt wurde, können Ökolabel als zentral für die Konstruktion von Markenprodukten als nachhaltig angesehen werden. Sie bilden als Resonanzen und kooperierende oder konkurrierende Ideenorganismen einen integralen Teil des Markensystems oder seiner Umwelt. Treten Markenprodukte und Ökolabel zusammen auf, bildet sich eine Gestaltkomposition aus, die als Symbolkonfiguration das System in der Folge in seinen normativen Regeln bestimmt und seine Substanz, die Menschen, maßgeblich beeinflusst. Gleichermaßen können Ökolabel und Markenprodukte auch konfliktär zueinanderstehen, etwa, wenn beide um das Vertrauen ihrer Kundschaft konkurrieren oder unterschiedliche Gestaltvorgaben verfolgen. Genährt wird das Zusammenspiel von Ökolabeln und Markenprodukten durch die sozialen Medien und die Life-Style-Werbung, die eine soziale Identitätsbildung um nachhaltige Produkte herum ermöglichen. In Kürze zusammengefasst konstruieren Ökolabel insofern Markenprodukte als nachhaltig, als dass sie über die gezielte symbolische Ansprache gesellschaftlicher Wissensbestände den Weg des Markensystems zum Resonanzfeld der Nachhaltigkeit eröffnen, das zugleich über Rezeptwissen und Institutionen den Konsument*innen zugänglich ist. Ökolabel schaffen in diesem Sinne eine Verbindung des Unternehmens zu seinen Konsument*innen über den Weg gemeinsamer Wissensbestände und insofern auch gemeinsamer Normen,
4.2 Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe
247
Werte und sozialer Identitäten. Ökolabel überwinden daher, wenn sie verstanden werden, das Problem der gesellschaftlichen Asymmetrie (vgl. dazu Coleman 1982) und überbrücken die verlorengegangene Verbindung von Produzent*innen und Konsument*innen, wie auch Marken es tun. Die gemeinsame Gestaltkomposition unterstreicht die Botschaft von Markenprodukt und Ökolabel durch gegenseitige Rückversicherung und erreicht so die Konstruktion von Produkten als eine nachhaltige Symbolkonfiguration. Das Wissen um diese Ko-Abhängigkeit erlaubt praktisch gewendet die effiziente Steuerung der Labelsysteme, um möglichst verständliche und stimmige Kooperationen von Marken mit Ökolabeln zu erzielen. Neben der Beantwortung des Forschungsinteresses konnte diese Arbeit jedoch noch weitere Erkenntnisse erzielen. In einen weiteren wissenschaftlichen Kontext eingeordnet, konnte die Arbeit bei der Beantwortung der Fragestellung einige Forschungslücken der Markensoziologie schließen. Neu ist die Zusammenführung der vielen gestalttheoretischen Ansätze der Markensoziologie in ein integriertes Systemmodell der lebenden Markenzelle, welches die spezifischen Logiken aufnimmt und – wo es notwendig erschien – erweitert. Die Schnittmengen zur Organisationssoziologie, Lebensstilforschung und zur Wissenssoziologie wurden dabei deutlich aufgezeigt, die sich neben der allgemeinen Soziologie und der sozialen Ungleichheit einreiht und das bloße Wissen um die wissenschaftliche Forschungsperspektive ergänzt. Damit erschöpft sich dieser Beitrag zur soziologischen Erforschung der Warenzeichen jedoch nicht. Erstmals werden Label konsequent markensoziologisch analysiert und eingereiht, wodurch sich eine kürwillige und vermittelte Betrachtung von Warenzeichen eröffnet. Die Aussage, bei Ökolabeln handle es sich lediglich um Instrumente des Marketings (vgl. Errichiello/ Zschiesche 2017: 19), ist vor diesem Hintergrund zurückzuweisen. Viel eher handelt es sich bei Labeln, die eine gemeinsame Herkunft mit den Marken teilen, um Symbole mit sozialer Bedeutung, die insbesondere der kürwilligen Information dienen – aber nicht nur! Denn auch Ökolabel können den Status rechtlich-normativ fixierter Marken annehmen, was einen völlig neuen und bislang unbeachteten Analyseraum kürwilliger Marken eröffnet. Ebenfalls analysierte diese Forschungsarbeit erstmals das Wechselspiel von Markenprodukten und Ökolabeln auf soziologische Weise, was eine Vielzahl neuer Erkenntnisse über die Wirkungsweise von Labeln eröffnet. Insbesondere für die Praxis ist dabei das angepasste Strukturmodell der markensoziologischen Zelle von Bedeutung, weil es die sozialen Mechanismen und Wirkungsweisen von Ökolabeln in einer systemtheoretischen, makro- bis mesosoziologischen Sicht offenbart, die in ihren Ausläufern auch in die Mikroebene hineinreicht. Dadurch eignet sich das entwickelte Systemmodell gut für die praktische und angewandte Analyse
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Ökolabel und Markenprodukte
von Markenprodukten in ihrer realen Symbolkonfiguration. Ferner macht das Modell deutlich, dass es sich bei Marken um Institutionen handelt, die sich in der wechselseitigen Konstruktion von Konsument*innen und der Markenorganisation ergeben. Hieraus wird auch der weitere Forschungsbedarf des Themas deutlich. Indem etwa Tönnies als Handlungstheoretiker verstanden wird (vgl. dazu Opielka 2004), lässt sich eine handlungstheoretische Sicht auf Warenzeichen formulieren, die stärker als die jetzige makro- und mesostrukturelle Sichtweise den individuellen Konsum berücksichtigt. In diesem Sinne müsste Tönnies auch modernisiert und an aktuellere theoretische Konzepte angeglichen werden, die einerseits Sinndeutung, andererseits Rationalität berücksichtigen und empirisch ineinander vermitteln. Hierbei sind die gestalttheoretische Markensoziologie und die alternativen systemtheoretischen Konzepte noch sehr schwach in der Erklärung, wenn es um individuelle und Gruppenprozesse hinter Marken geht. Diese Arbeit hat mit der Füllung einiger Forschungslücken jedoch einen Beitrag dazu geleistet, diese Lücke in Zukunft füllen zu können, indem zumindest von empirisch vermittelten Normaltypen der Warenzeichen ausgegangen wird. Folgende Arbeiten werden sich mit diesem Thema detaillierter auseinandersetzen und eröffnen ferner die Perspektive einer empirischen Überprüfung der Theorie in Form qualitativer Sozialforschung. Eine andere Forschungsperspektive ergäbe sich aus einer Neubetrachtung der Materialität von Marken und Markenprodukten, etwa in poststrukturalistischer oder Hegemonie-analytischer Perspektive. Hier wäre explizit die vitalistische Forschungsperspektive von Jane Bennett (2010) zu benennen, die eine Agency der Dinge greifbarer macht. Eben diese stellt ja eine der Grundannahmen gestalttheoretischer Markensoziologie dar, so dass hier weitreichende und aktuelle Erkenntnisse erwartbar sind. Es bleibt dann nun noch den Titel näher zu erläutern und mit dieser Erläuterung die Betrachtung der Forschungsarbeit zu beschließen. Die Arbeit trägt den Titel Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe. Der duale Charakter der Ökolabel wurde an vielen Stellen bereits herausgehoben und braucht mitsamt seiner Definition hier nicht wiederholt zu werden. Stattdessen sollen konkret die Fragen beantwortet werden: wann handelt es sich bei einem Ökolabel um ein Instrument des Greenwashing und wann kann es als Entscheidungshilfe gelten? Ein Ökolabel kann dann als Instrument des Greenwashing begriffen werden, wenn es nur mit schwachen Standards ausgestattet ist und zur Täuschung der Konsument*innen implementiert wurde. Konkret bedeutet das, dass ein Ökolabel einem Markenprodukt ein soziales Image ermöglichen soll, welches als nachhaltig gilt und insofern die Kaufentscheidung der Konsument*innen zu Gunsten des Produktes beeinflusst, ohne aber technische Standards zu verfolgen, die der Marke
4.2 Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe
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einen technisch-nachhaltigen Charakter verleihen würden. Für die einzelnen Konsument*innen ist insbesondere die technische Dimension von Produkten selten ersichtlich, da einerseits die asymmetrische Struktur der Gesellschaft zu einem Informationsungleichgewicht zu Lasten der Konsument*innen führt und andererseits viele Menschen die Informationen der Label zum Zwecke der Vereinfachung selten völlig ausdeuten. Da Nachhaltigkeit keinen definierten Begriffskern besitzt, ist ihre Bandbreite selbst für Menschen mit hohem Umweltwissen selten zutreffend einzuschätzen. Ein Ökolabel zum Zwecke des Greenwashing macht sich diese Unsicherheiten und Asymmetrien folglich zu Nutze und ist mit seinen schwachen Standards nur flüchtig in das Markensystem eingebunden, wodurch es die Nachhaltigkeit der Marke auch nur sehr gering beeinflusst und das Rezeptwissen der Menschen zum Vorteil des Markensystems aktiviert. Ein Ökolabel kann als Entscheidungshilfe gelten, wenn es die technischen Standards mit Hilfe der sozialen Images hinter dem Markenprodukt zutreffend und verständlich unterstreicht. Eine der Grundbedingungen hierfür ist ein möglichst statischer Aufbau des Ökolabels, eine feste Einbindung in die normativen Gestaltregeln des Markensystems, sowie die Zusageverlässlichkeit des Labels, die sich aus der generellen Passung der beiden Ideenorganismen von Marken und Labeln ergibt. Sind diese Bedingungen erfüllt, funktioniert das Rezeptwissen der Menschen, weil die Aussage hinter der Institution des Ökolabels auch technisch zutreffend ist und so dem eigenen sozialen Image gerecht wird. Der Aufbau sozialer Identitäten durch die Konsument*innen und die soziale Vereinnahmung des Ökolabels ist hierdurch erleichtert. Erst wenn ein Label diese Passung erreicht, wird es verständlich und dient als der buchstäbliche Ariadnefaden im Labyrinth der Supermarktregale. Um dem Ariadnefaden dieser Arbeit nun aber aus dem Labyrinth der Argumentation ins Freie zu folgen, soll hier noch einmal gesagt werden: Markenprodukte werden durch Ökolabel als nachhaltig konstruiert, indem die Labelsymbole an gesellschaftliche Wissensbestände anknüpfen und im Zuge des Rezeptwissens der Menschen in der vorliegenden Symbolkonfiguration als nachhaltig ausgedeutet werden. Ökolabel treten dabei als integraler Bestandteil des lebenden Markensystems auf, das als Institution ein Gegenstand gesellschaftlicher Aushandlung ist. Nachdem nun die Forschungsfrage der Arbeit beantwortet wurde und der Blick nach dem Verlassen des Labyrinths wieder auf das große Ganze fällt, lassen sich einige Empfehlungen für Labelsysteme formulieren. Die Soziologie befindet sich ja insgesamt stets in einer Tradition der Praxistauglichkeit ihrer Ansätze (vgl. Schnell 2018), daher sollen an dieser Stelle aus der Forschungsarbeit noch einmal praktische Rückschlüsse für Label gezogen werden. Wenngleich diese Arbeit an sich keinen normativen Charakter aufweist, wird an dieser Stelle die Empfehlung
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Ökolabel und Markenprodukte
zwangsläufig normativ ausfallen – ganz unabhängig von den normativen Existenzregeln von Markensystemen. Ökolabel sollten in der Praxis einfach, zusagesicher und verständlich ausgestaltet sein. Die Aussage hinter dem Label sollte stets eine möglichst symbiotische Einheit mit dem Markenprodukt und seinen eigenen Botschaften eingehen, denn so ließen sich die Verwirrung um die Labelflut verringern und gleichermaßen Irritationen auf Seiten der Konsument*innen vermeiden. Generell wäre es dabei hilfreich, wenn eher einige wenige Label, statt einer breiten Masse an vollkommen unterschiedlichen Labeln existieren würden. Teils leistet der Handel bereits erste Schritte zur Vereinheitlichung ihrer Label, wie der gemeinsame Entwurf zu Tierwohllabeln im Lebensmitteleinzelhandel aufzeigt (vgl. Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung 08.02.2019: initiative-tierwohl.de). Noch bindender wären rechtlich-normative Entwürfe wie das EU-Biosiegel, jedoch liegen hierfür die politischen Hürden entsprechend hoch. Eine Verständlichkeit der Label zu erreichen ist jedoch von großer Bedeutung. Ein möglicher Weg hierzu – das legen bestehende Studien nahe – ist eine Implementierung von effektiven Umweltbildungsprogrammen. Denn erst der Aufbau von Umweltwissen erlaubt eine produktive Auseinandersetzung der Menschen mit der Materie der Ökolabel und erleichtert dadurch auch deren Verständnis. Nicht zuletzt müssen Ökolabel auch die Erwartungen erfüllen, die sie in den Menschen wecken, indem sie leistungsernst und aufrichtig umgesetzt werden. Denn nur wenn Label verständlich und ehrlich umgesetzt und wirksam sind, können sie einen effizienten Beitrag zum Erhalt der Ressourcen zukünftiger Generationen leisten und der Erhalt zukünftiger Generationen ist mehr denn je eine existentielle Fragestellung der Menschheit in Zeiten des schnell fortschreitenden Klimawandels. Auch wenn Ökolabel hierzu nur einen kleinen Beitrag leisten können und kein Konsum sicherlich besser wäre als jede Art von Konsum, summieren sich kleine Einsparungen am Ende doch auf und es lohnt sich, dieses Entwicklungsziel der UN (vgl. United Nations 2019: sustainabledevelopmentgoals.un.org) so früh wie möglich umzusetzen.
Glossar Markensoziologie – Alphabetisch
Das Glossar der Arbeit beinhaltet problemspezifisch angepasste Definitionen und Kurzfassungen relevanter Begriffe. Im Glossar verschränkt vorkommende Begriffe werden im Text der Erklärungsboxen aus Gründen der Übersichtlichkeit kursiv hervorgehoben. Das Glossar erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit und ersetzt nicht die Definitionen der Forschungsarbeit, sondern ergänzt diese vielmehr durch ein schnelles Nachschlagesystem. Asymmetrie
Konzept struktureller und sozialer Ungleichheit nach Coleman (1982). Geht davon aus, dass abhängig von der Ressourcenausstattung und Größe der Akteure und Organisationen unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten, Risiken und Freiheiten erwachsen, wobei die größeren Akteure oft einen relativen Vorteil besitzen. Marken und Label sind als Lösung für das Problem der zunehmenden gesellschaftlichen Asymmetrie geschaffen worden.
Bündnis
Loser Zusammenschluss von Menschen nach Tönnies (1991). Im Bündnis lösen sich gemeinschaftliche Strukturen auf und es bilden sich gesellschaftliche Netzwerke. In diesem Sinne ist das Bündnis in der Perspektive des sozialen Wandels der Übergang und Begegnungspunkt von Gemeinschaft und Gesellschaft. Das Bündnis steht dabei der festeren Verbindung gegenüber. Siehe auch Abbildung 3.6.
Cosplay
Aus Costume und Play. Ursprünglich japanischer Verkleidungstrend mit zunehmender Etablierung in Europa. Ziel der Darstellung ist meist die möglichst detailgetreue Wiedergabe fiktiver Charaktere.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 T. Schnell, Ökolabel zwischen Greenwashing und Entscheidungshilfe, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32163-5
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Glossar Markensoziologie – Alphabetisch
Distinktion
Distinktion, hier angelehnt an Bourdieu (2018 a: 62) meint die durch Unterschiede setzendes Verhalten (un)bewusste Abgrenzung von Einzelpersonen und Gruppen im sozialen Raum, was im Gegenzug Selbst- und Fremdidentitäten konstituiert. Ein distinktiver Ausdruck ist häufig die ästhetische Einstellung eines Menschen, die sich im Geschmack manifestiert (vgl. dazu Bourdieu 2018 a: 104, 388–393, 727). Der Geschmack ist wiederum verbunden mit der sozialen Position im sozialen Raum und den damit einhergehenden Merkmalen (vgl. Bourdieu 2018 a: 217, 355, 359), so dass Distinktion gleichermaßen als Produzent und Produkt sozialer Abgrenzung zu verstehen ist. Distinktive Zeichen sind oft Gegenstand, Inhalt und Resultat des Habitus.
Gemeinschaft
Soziale Assoziation des Wesenwillen. Der Willensausdruck der Gemeinschaft ist alt, vertraut, heimlich und ausschließlich. Es handelt sich dabei um reales, organisches Leben, in welcher eine vollkommene Einheit der menschlichen Willen herrscht. Die geschlossene Einheit der Menschen ist zunächst als Verbindung zu verstehen.
Gemeinschaft, reine
Sozialphilosophische, normaltypische Gedankenkonstruktion, die in der Realität in ihrer Reinform nicht vorzufinden ist. Anders als die empirische Organisationsform der Gemeinschaft, enthält die reine Gemeinschaft ausschließlich Wesenwillen und bildet einen organischen, holistischen Zusammenhang aus. Sie ist nicht mit dem Kürwillen oder der reinen Gesellschaft vermittelbar.
Gesellschaft
Soziale Assoziation des Kürwillen. Gesellschaft ist eine vorübergehende, scheinbare Verbindung und ist insofern als mechanisches Aggregat oder rein mechanisches Artefakt zu verstehen. Gesellschaft wird ideell und mechanisch gebildet. Freie Subjekte kommen in der Gesellschaft über einen Kontrakt zu einem Zweck zusammen und bilden zunächst ein loses Bündnis.
Gesellschaft, reine
Sozialphilosophische, normaltypische Gedankenkonstruktion, die in der Realität in ihrer Reinform nicht vorzufinden ist. Anders als die empirische Organisationsform der Gesellschaft, enthält die reine Gesellschaft ausschließlich Kürwillen und bildet einen rationalen, netzwerkhaften Zweckzusammenhang aus. Sie ist nicht mit dem Wesenwillen oder der reinen Gemeinschaft vermittelbar.
Gestalt
Begriff aus der Gestaltphilosophie, zentral für den gestalttheoretischen Ansatz. Eine Gestalt ist als ein zusammengehöriges, nach außen geschlossenes und fixiertes Ganzes zu verstehen.
Glossar Markensoziologie – Alphabetisch
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Gestalttheoretischer Ansatz
Ansatz der deutschen Markensoziologie. Die Benennung als gestalttheoretischer Ansatz geht maßgeblich auf die Selbstbezeichnung des Ansatzes durch Errichiello (2013: 87 f.) zurück, als er in seiner Dissertationsschrift den von Deichsel begründeten Ansatz vom Ansatz Hellmanns (2003) abgrenzte. Die gestalttheoretische Denkrichtung basiert maßgeblich auf den Werken von Tönnies, Domizlaff und der Gestaltphilosophie.
Greenwashing
Greenwashing ist als der Versuch anzusehen, mit Hilfe gesellschaftlicher Normen, Werte und Interpretationsmuster eine Entscheidung zu Gunsten eines Produktes oder einer Dienstleistung zu beeinflussen, ohne die tatsächlichen technischen Standards des vorliegenden Produktes oder der Dienstleistung zutreffend zu kommunizieren. Dies soll schlussendlich zu einem Imagegewinn der kommunizierenden Partei führen, welcher nun als ein Akteur der Nachhaltigkeit wahrgenommen werden könnte.
Habitus
Als Habitus wird hier an Bourdieu (2018 a: 195, 278 f.) angelehnt als eine besondere Form inkorporierten Kapitals (ökonomisch, sozial, kulturell, symbolisch), verinnerlichter Praxisformen, Merkmale und Eigenschaften verstanden. „[D]er Habitus ist Erzeugungsprinzip objektiv klassifizierbarer Formen von Praxis und Klassifikationssystem (principium divisionis) dieser Formen.“ (Bourdieu 2018 a: 277) Durch die Hervorbringung klassifizierbarer Praxisformen und die durch Geschmack ermöglichte Unterscheidung der Formen, bringt der Habitus die repräsentierte Sozialwelt als Raum der Lebensstile hervor (vgl. Bourdieu 2018 a: 278). Habitus resultiert in und aus der Distinktion einzelner Personen und Gruppen, die als in sich kohärenter Lebensstil einen schematisch je gleichen Habitus aufweisen, der sich von anderen Gruppen unterscheidet (vgl. Bourdieu 2018 a: 278). Der Habitus ist gleichermaßen strukturierende und strukturierte Struktur dauerhafter und übertragbarer Dispositionen, wodurch er soziale Lagen und Identitäten produziert und reproduziert (vgl. Bourdieu 2018 a: 279; vgl. auch Bourdieu 2018 b: 109 f.).
Institution
Ergebnis der Institutionalisierung. Institutionen sind laut Berger und Luckmann (2016: 58 f., 64) eine objektive gesellschaftliche Wirklichkeit, die erlernt werden muss und welche Geschichte, sowie soziale Kontrolle voraussetzt und produziert. Eine Institution macht individuelle Akteure und Akte zu Typen (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 58 f.). Jede Institution hat daher ihren Bestand an Rezeptwissen (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 70). Individuell verinnerlicht bilden sich hieraus Rollen (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 78 f.).
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Institutionalisierung
Habitualisierte Handlungen, die laut Berger und Luckmann (2016: 58 f.) durch Typen von Handelnden wechselseitig typisiert wurden. Erzeugt aus einer Typisierung eine Institution (allgemein geteilt, verfügbar).
Intermediär
Der Intermediär ist ein Schlüsselbegriff des Vertrauenskonzeptes von Coleman (1991), der drei Systeme des Vertrauens unterschied. Das zweite Vertrauenssystem ist dabei das intermediäre Vertrauen, bei welchem ein intermediärer Akteur als der Treugeber für einen anderen Akteur fungiert, er aber gleichzeitig auch der Treuhänder für einen weiteren Akteur ist (vgl. Coleman 1991: 227). Mit anderen Worten sichert der Intermediär eine Transaktion ab, indem er von einer Person Vertrauen erhält und es weiter vergibt, indem er einer anderen Person vertraut.
Korporativer Akteur
Organisationskonzept von Coleman, basiert als Ergebnis von Ressourcenzusammenlegung auf gemeinsamer Handlung individueller Akteure zur Erreichung gemeinsamer Ziele.
Kürwille
Eine von zwei dialektischen Willensformen bei Tönnies. Im Kürwillen, in welchem das Denken die zentrale Rolle einnimmt, sind Gefühle nur anteilig vorhanden. Diese Willensformen beschreibt Tönnies als Denken, sofern darin Willen enthalten ist und somit auch als ein Gebilde des Denkens (vgl. Tönnies 1991: 73). Zum Kürwillen gehört das rechnerische Kalkül, welches sich in reiner Zweckrationalität ausdrückt. Siehe auch Abbildung 3.1.
Label
Ein Label ist ein zusätzliches, auf Produkten und Dienstleistungen aufgebrachtes, piktorales, textuelles oder graphisches visuelles Symbol, welches über spezifische intrinsische Merkmale des Produktes oder der Dienstleistung informieren soll, um so die Kaufentscheidung der Konsument*innen zu Gunsten des Produktes zu beeinflussen. In diesem Sinne handelt es sich bei Labeln um kommerzielle Kommunikationszeichen. Die Standards dieser Warenzeichen können dabei variieren und durch eine erste oder dritte Partei bestimmt sein, was sich auch in verschiedenen Kosten des Zertifizierungsprozesses und in ihrem divergierenden Aussagegehalt widerspiegelt. Als Instrument einer produktorientierten Informationspolitik stellen Label einen Teil der direkten Interaktion von Organisationen mit den Konsument*innen dar, wobei sie stets im Kontext zu gesellschaftlichen Normen, Werten und Interpretationsmustern stehen. Label sind nicht ausschließlich normativ rechtlich fixiert und können in diesem Zuge die Merkmale eines reinen Marketinginstruments annehmen. Ein Label kann jedoch auch den Charakter einer kulturprägenden Marke annehmen, wie etwa im Rahmen der EG-Öko-Basisverordnung. Der Markenstatus für Label ist aber keinesfalls den Regelfall.
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Legitimation
Legitimation stellt nach Berger und Luckmann (2016: 98 ff.) einen Prozess der Legitimierung dar, welcher Bedeutung zu Sinnhaftigkeit integriert und damit institutionale Ordnung festigt und rechtfertigt. Legitimation erklärt dadurch institutionale Ordnungen, schreibt ihnen Normativität und kognitive Gültigkeit zu und schafft damit symbolische Sinnwelten, die auf einen Wirklichkeitsbereich jenseits der Alltagwirklichkeit verweisen (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 100 ff.).
Life-StyleWerbung
Definitorisch ist „Life-Style-Werbung […] der Versuch lebensstiltypische Emotionen bei einer Zielgruppe, die möglichst einer realen Lebensstilgruppe entsprechen soll, in absatzfördernder Weise auszulösen“ (Hölscher 1998: 205). Life-Style-Werbung stellt dabei eine Spezialform der Konsument*innenwerbung dar, die auf Imagesymbolen basiert, um über diese einen Imagetransfer zu ermöglichen (vgl. Hölscher 1998: 162, 177). In diesem Zuge wird das soziale Image besonders relevant.
Lohas
Lifestyle of Health and Sustainability (s. Ray/ Anderson 2000). Marketingzielgruppe, die über eine ökologische Grundorientierung definiert wird. Womöglich kein Lebensstil im soziologischen Sinne. Lohas lassen sich nicht über Einkommen, Bildung oder politische Orientierung bestimmen (vgl. dazu Wenzel et al. 2009: 15 f., vgl. dazu Köhn-Ladenburger 2013: 4, 13 f.). In den Sinus Milieustudien sind Lohas in mehreren Milieus gleichzeitig anzufinden (vgl. Köhn-Ladenburger 2013). Sie werden unter anderem als frei, ungebunden, kritisch und bewusst beschrieben (vgl. dazu Wenzel et al. 2009: 19 ff.). Sie orientieren sich nicht an Marken und leben einen moralischen Hedonismus, indem weiterhin in gewohnten Strukturen konsumiert wird, jedoch die nachhaltigen und gesunden Konsumalternativen bevorzugt werden (vgl. Wenzel et al. 2009: 18–22). Sie weisen im Konzept der Dichtezonen der Marke nach Deichsel (1999 b) die Merkmale von Käufer*innen auf, die eine Mischung von Wesenwille und Kürwille besitzen.
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Marke
Eine Marke dient als ein rechtlich geschütztes, normatives Erkennungs- und Grenzzeichen, welches in seiner ökonomischen Verwendungsweise Waren und Dienstleistungen kennzeichnet und so deren Differenzierung ermöglicht. Es handelt sich bei Marken immer um Kommunikationszeichen. Sie besitzen einen immateriell symbolhaften Charakter, welcher eine Vielzahl sozialer Interpretationen, Identitäten, Distinktionen, Images und Vorurteile zulässt. Das sozial gewollte Symbol muss mit der Leistung eines konkreten Angebots verbunden sein, was die Bündnisbildung einer Kundschaft mit der Marke erlaubt und so die Hersteller*in-Verbraucher*in Beziehung ersetzt. Als soziales Bündnis existiert eine Marke nur, sobald eine Verbindung der Kundschaft mit einer Leistung zeitstabil vorliegt. Die soziale Dimension der Marke steht in ihrer Bedeutung vor der ökonomischen Dimension, beide Ausprägungen sind voneinander jedoch häufig nicht klar trennbar.
Markentechnik
Wortschöpfung von Domizlaff aus Technik (rational) und Marke (lebendig), welche die Marke als Gegenstand von Naturgesetzen begreift und innerhalb der Markentechnik in gewissen Anteilen steuerbar macht. Eine Marke ist jedoch nicht im eigentlichen Sinne beherrschbar.
Masse
Masse nach Domizlaff. Die Masse ist des Schlussfolgerns nicht fähig, ist äußerst denkfaul, kann sich nur an Fundamentales erinnern, sucht die Schuld immer bei anderen und ist dennoch nicht egoistisch. Laut Domizlaff (1997: 292) unterliegt die Masse Stimmungsschwankungen, hat ein mangelndes Kritikvermögen, lässt sich durch Farben, Symbole und Theatralik beeindrucken und ist aus diesem Grunde auch sehr stolz auf ihre Repräsentant*innen (Teil der Masse).
Massenkommuni- Kommunikationsbegriff nach Maletzke (1978). Bezeichnet die kation einseitige, indirekte und öffentliche Vermittlung von Botschaften durch ein technisches Medium an ein disperses Publikum. Massenmedien besitzen unterschiedliche auditive und visuelle Bindungen des Publikums und haben in der Regel eine raum-zeitliche Konservenfunktion von Botschaften. Monade
Begriff aus der Monadologie des Naturphilosophen Leibniz. Eine Monade ist das, was Eines sein will und ein Grundmuster aller Erscheinungen (vgl. Leibniz/ Deichsel 2008: 433). Verkürzt dargestellt, geht die Monadologie davon aus, dass die Welt aus einzelnen Substanzen besteht, die sich in übersummenartigen und unteilbaren Aggregaten von Einfachem zusammensetzen. Diese Aggregate können weder natürlich beginnen, noch auf natürliche Weise vergehen, aber schlagartig durch Zusammensetzung geschaffen oder schlagartig vernichtet werden.
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Nachhaltigkeit
Gemeinhin existiert für Nachhaltigkeit bis heute keine einheitliche Definition. Nachhaltigkeit wird daher in der Wissenschaft sogar häufig als eine inhaltsleere Begriffshülse begriffen. Es haben sich aber mittlerweile einige Charakteristika etabliert, welche den meisten Nachhaltigkeitsdefinitionen gemein sind. So wird in den dominanten Modellen der Nachhaltigkeit in eine ökologische, ökonomische und soziale Dimension von Nachhaltigkeit unterschieden, die als interdependent zu verstehen sind. (vgl. Pufé 2014)
Normaltyp
Begriff von Tönnies, der homolog zu Webers Idealtypen zu verstehen ist (vgl. Krossa 2018: 15; vgl. Tönnies 1991: XLII, XLIV). Analytische Reinform, die so in der Realität nicht vorfindbar ist.
Objekt
Zentraler Begriff im Symbolischen Interaktionismus Dinge, manchmal auch Objekte genannt, bezeichnen alles, was ein Mensch in seiner Welt bemerkt und wahrnimmt (vgl. Blumer 1998: 2). Blumer (1998: 10) unterteilt drei große Kategorien von Objekten: physische Objekte, soziale Objekte und abstrakte Objekte. Alle Objekte sind aber unabhängig von der Kategorie immer als soziale Kreationen anzusehen (vgl. Blumer 1998: 11 f.).
Ökolabel
Ein Ökolabel ist ein Label, welches Inhalte der Nachhaltigkeit kommuniziert, die im Wesentlichen eine Sache der gesellschaftlichen Aushandlung sind. Ökolabel können somit auch zur Konsument*innentäuschung verwandt werden.
Parasoziale Beziehungen (PSB)
Ausgehend von einer Studie von Horton und Wohl (1956) sind parasoziale Beziehungen einseitige und indirekte Beziehungen eines Publikums zu einer prominenten, abwesenden Person (Persona) in den Massenmedien. Entstehen aus parasozialer Interaktion und bilden bei Wiederholung eine Interaktionsgeschichte heraus. Laut Hartmann, Schramm und Klimmt (2004 a) können PSB stark oder schwach, sowie negativ oder positiv ausgeprägt sein.
Parasoziale Interaktion (PSI)
Einseitige, indirekte Interaktion des Publikums mit einer Persona in den Medien ohne Möglichkeit der Wechselseitigkeit. Die Kommunikationsform ist daher asymmetrisch und für Massenmedien typisch (vgl. Hartmann/ Schramm/ Klimmt 2004 a). Je nach Stärke der Interaktion ist die PSI als High-Level PSI oder Low-Level PSI einzustufen, wobei die Masse der täglichen PSI der Low-Level PSI entspricht. Bei Wiederholung bildet sich durch die Interaktionsgeschichte eine parasoziale Beziehung des Publikums mit der Persona heraus.
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Persona
Figur der Massenmedien. Im Ursprungskonzept nach Horton und Wohl (1956) reale Menschen, in zeitgenössischer Fassung aber alle wahrnehmbaren sozialen Entitäten (vgl. Hartmann/ Schramm/ Klimmt 2004 a). Eine Persona kann demnach künstlich oder natürlich, sowie menschlich und nicht-menschlich eingeteilt werden (vgl. Hartmann/ Schramm/ Klimmt 2004 a: 22 f.). Das Publikum kann mit der Persona parasoziale Interaktionen durchführen und eine parasoziale Beziehung aufbauen. Die Persona kann dies durch Stilmittel befördern.
Praxisform
Als Praxisform wird angelehnt an Bourdieu (2018 a: 214, 279) ein Produkt des Habitus begriffen. Praxisformen sind sehr spezifisch für soziale Lagen und daher auch distinktiv (vgl. Bourdieu 2018 a: 214, 279 ff.). Die Homogenität des Habitus erlaubt, dass Praxisformen ohne Interaktion aufeinander abgestimmt und direkt ohne Aufwand verstanden werden können (vgl. Bourdieu 2018 b: 108 f.).
Rezeptwissen
Nach Berger und Luckmann (2016: 44) ein von Zweckmäßigkeitsmotiven geleitetes Wissen der Alltagswelt, welches praktische Routineverrichtungen ermöglicht. Es ist dabei unvollständig und enthält nur die für die Praxis relevanten Elemente, etwa, wie man ein Auto fährt, aber nicht, wie der Automotor technisch funktioniert. Jede Institution hat ihren Bestand an Rezeptwissen (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 70).
Sedimente des Wissens
Laut Berger und Luckmann (2016: 72) stellen Sedimente des Wissens die aus Erfahrung gewonnene Erinnerung dar. Dies ist vergleichbar mit der Entwicklung des Wesenwillen nach Tönnies (1991). Sprache wird dabei als Depot und Häufung gemeinsamer Sedimente verstanden, die als institutionaler Sinn weitergegeben werden müssen, um Legitimation und Kontrolle zu ermöglichen (vgl. Berger/ Luckmann 2016: 73 ff.).
Selbstähnlichkeit
Besondere Form der Autopoiesis von Systemen, die maßgeblich von Otte (2015) etabliert wurde. Wechselspiel aus Anpassung und Variation zum Erhalt eines natürlichen Systems.
Signifikantes Symbol
Ein signifikantes Symbol nach Mead ist ein Zeichen, dessen Bedeutung von vielen Menschen geteilt wird (vgl. dazu etwa Abels 2010: 261). Signifikante Symbole sind daher Symbole, welche intersubjektiv die gleiche, typische Reaktion hervorrufen (vgl. Abels 2010: 261).
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Sitte und Brauch
Sitte und Brauch sind wesenwillige Formen nach Tönnies und stellen eine empfundene Gewohnheit sozialer Bündnisse und Handlungsweisen dar (vgl. Deichsel et al. 2017: 33, 75 f.). Sitten sind die notwendig und selbstverständlich gewordenen Bräuche einer Gemeinschaft, welche als Kern ihrer Sinngebung fungieren und ihren animalischen Willen darstellen (vgl. Tönnies 1991: 185 f.). Sitten setzen die Wiederholung von Tätigkeiten voraus, wohingegen die Bräuche in erster Linie ein symbolischer Ausdruck der Sitten sind (vgl. Tönnies 1991: 186 f.).
Soziales Image
Als soziales Image gilt bei Hölscher (1998: 116) „[…] das lebensstiltypisch verschieden bewertete, soziale Ansehen von Personen oder Gruppen.“ Images bilden sich aus teilvergesellschafteten Lebensphilosophien und enthalten gruppentypische Normen und Werte, in denen sich Akteure durch Sanktionen gegenseitig verstärken (vgl. Hölscher 1998: 116).
Symbol
Zentrales Element interpretativer Theorien der Soziologie. Ein Symbol speichert Erfahrungskomplexe und steht als Zeichen für einen sozialen Sinnzusammenhang jenseits der Situation (vgl. Abels 2010: 261). Daher besitzt das Symbol eine größere Reichweite und soziale Standardisierung als das Zeichen (vgl. Hölscher 1998: 49).
Symbolischer Interaktionismus
Auf Mead zurückgehende Theorie der Soziologie, durch Blumer finalisiert. Der Symbolische Interaktionismus basiert auf drei Prämissen. Die erste Prämisse besagt, dass Menschen Dingen gegenüber gemäß der Bedeutung handeln, welche diese Dinge für sie besitzen (vgl. Blumer 1998: 2). Die Bedeutung dieser Dinge stammt zweitens auch aus der sozialen Interaktion mit Anderen und entsteht somit durch Interaktion (vgl. Blumer 1998: 2). Drittens sind diese Bedeutungen einem ständigen Wandel durch die Interpretation des jeweiligen Menschen in seinem Inneren unterworfen (vgl. Blumer 1998: 2).
Symbolkonfiguration
Laut Hölscher (1998: 49 f.) handelt es sich bei Symbolkonfigurationen um (teil-) vergesellschaftete Verweise auf (teil-) objektivierte Ordnungsschemata der Sozialwelt, wodurch sie Orientierung, die Expression von Lebensphilosophien, Distinktion und soziale Identität ermöglichen.
Verbindung
Fester Zusammenschluss von Menschen nach Tönnies (1991). In der Verbindung beginnen gemeinschaftliche Strukturen und sie stellt ebenfalls den finalen Zustand gesellschaftlicher Assoziationsformen dar. In diesem Sinne ist die Verbindung die je feste und verdichtete Assoziationsform von Gemeinschaft und Gesellschaft. Die Verbindung steht dabei dem losen Bündnis gegenüber. Siehe auch Abbildung 3.6.
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Glossar Markensoziologie – Alphabetisch
Wesenwille
Eine von zwei dialektischen Willensformen bei Tönnies (1991). Der Wesenwille ist die leibliche Willensform, in welcher Gefühle über dem Denken stehen. Tönnies (1991: 73 f.) bezeichnet diese Form als psychologisches Äquivalent des Leibes, also als Willen, sofern darin Denken enthalten ist. Der Wesenwille ist geprägt durch eine Einheit von Mittel und Zweck. Siehe auch Abbildung 3.1.
Zeichen
Gemäß Mead ist als Zeichen alles zu verstehen, was die Sinne reizt (vgl. Abels 2010: 261). In der Kommunikation handelt es sich um einen wechselseitigen und intersubjektiven Nachrichtenübermittler, der als sozial standardisierte Übersetzung von Bewusstseinsvorgängen anzusehen ist (vgl. Hölscher 1998: 48).
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