Klärung: 12 Autoren, Politiker über die Judenfrage

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KLÄRUNG 12

AUTOREN POLITIKER ÜBER DIE JUDENFRAGE °

E.JOHANNSEN / F.HIELSCHER R.EURINGER / M. NAUMANN O. HELLER / F. W. HEINZ H.JOHST ,/ R. WELTSCH W. VON HOLLANDER ALFR. KANTOROWICZ / H.BLÜHER GRAF E. REVENTLOW

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MIT BEITRÄGEN AUS FRIEDRICH

NIETZSCHES ANTICHRIST UND ZUR GENEALOGIE DER MORAL

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1932

erlag Tradition Willelm Kolk

/ Berlin SW 68

Vorwort 32 2145

Der deutschen Oeffentlichkeit werden mit diesem Buch Beiträge führender Persönlichkeiten aus allen Lagern der deutschen Politik und des deutschen Schrifttums zur Judenfrage als einem der brennendsten Probleme der Gegenwart übergeben. ;

Copyright 1932 by Verlag Tradition Wilhelm Kolk, Berlin SW 68, Wilhelmstr.9 Printed in Germany

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Radioübertragung

Das Buch ist als erstmaliger Versuch zu betrachten, auf

der Grundlage einer vornehmen und sachlichen Diskussion die vielgestaltige Meinung der deutschen Oeffentlichkeit zum Thema „Antisemitismus — Ja und Nein“ in einem Gesamtquerschnitt zu erfassen. Es liegt dem Verlag fern, sich mit irgendeiner der im vorliegenden Buch geäußerten politischen Anschauungen und Analysen zur Lösung der Judenfrage zu identifizieren. Der Verlag hat sich bei der Arbeit als Herausgeber lediglich von zwei Gesichtspunkten leiten lassen, erstens, nie-

mand an der Freiheit der politischen Willensäußerung zu hindern, und zweitens alle unsachlichen und unvornehmen Angriffe, die den Wert dieses ersten Diskussionsbuches von vornherein illusorisch gemacht hätten, auszuschalten.

Der Verlag

Druck der Grimmer Kreis-Zeitung

/ Grimmen in Pommern

Inhalt

Ernst Johannsen, Ueber den Antisemitismus als gegebene Tatsache

Friedrich Hielscher, Reich und Israel

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Richard Euringer, Bekenntnis zur „Judenfrage“

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Friedrich Nietzsche, Rom gegen Judäa,

Max

Judäa

gegen Rom

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57

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Naumann,

67

Grüne Fragen und gelbe Antworten

Otto Heller, Kommunismus und Judenfrage

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Friedrich Wilhelm Heinz,

UCO

Die Ursachen des

Antisemitismus.

.

Hanns Johst,

117

Robert Weltsch,

Judenfrage und Zionismus.

.

.

-

125

Walther von Hollander, Ueber die Judenfrage

.

.

.

.

.

189

Alfred Kantorowicz, Liquidation der Judenfrage

153

Hans Blüher, Die Erhebung Israels gegen die christlichen Güter

169

Graf E. Reventlow,

Nationalsozialismus und Judentum

185

Ernst Johannsen

VE Über den Antisemitismus als

gegebene Tatsache

.

Johannsens Vorfahren waren mülterlicherseilts schleswig-holsteinische Bauern, väterlicherseits spanische Seeleute. Er wurde mit „Arbeiterdichter“ bezeichnet, ein Begriff, den er „als unzureichend in jeder Beziehung und typisch für den hundertprozentigen Materialismus‘“ schon darum ablehnt, weil er „weder ein Dichter, noch als Arbeiter‘“ lebe. 1916, noch in der handwerklichen Lehre, wurde er eingezogen und kam Anfang 1917, noch nicht 19 Jahre alt, nach Verdun zu der T.B. 13 der 1.D.13. Er blieb bis zum Kriegsschluß an der Westfront. Johannsen, (geb. 1898) verfaßte 1928 „nach vielfältigen unveröffent‘lichten Schreibversuchen“ und bevor „Im Westen nichts Neues“ erschien, die Erzählung „Vier von der Infanterie‘ (Tonfilm Westfront 1918), die in 14 Sprachen übersetzt wurde und besonders in Frankreich einen großen Erfolg hatte. Es handelt sich bei dieser Erzählung nicht um den Frontsoldaten. von 1918 überhaupt, sondern um vier Infanteristen, die den Krieg salt haben, dennoch aber kämpfen und kämpfend umkommen. Sein Hörspiel „Brigadevermittlung“ dürfte eines der meistigespielien deutschen Hörspiele sein; es kam in Deutschland bei Jast allen Sendern zur Aufführung und wurde allein in Königsberg viermal gegeben, Auch in Amerika, England, Holland und Schweden hatte es einen besonderen Erfolg. Skeptisch heißt es am Schluß der Vier von der Infanterie: „Ueber zehn Millionen Tote hinweg geht das Leben seinen gewohnien Gang“ und am Schluß seines kleinen Romans Station 3, der bereits ins Französische überselzt wurde: „Wenn der Mensch selbst sich nicht im Kern ändert, so ‚bleiben alle Aenderungen etwas Aeußerliches.“

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Wer eine Bewegung verneint, der hat damit weder ihre Ursachen, noch die Bewegung aus der Welt geschafft.

Wird in jüdischen und nichtjüdischen Kreisen über die Berechtigung des Antisemitismus diskutiert — und wann wäre je darüber so diskutiert worden wie jetzt, da der Nationalsozialismus eine politische Macht ersten Ranges geworden ist — so ergibt sich immer wieder eine naive Methode der Abwehr, die den Antisemitismus mit. „Philosophie des Neides‘“, „Sucht nach dem Sündenbock“, „Folge banaler Hetze“ oder gar mit „religiöser Verfolgungssucht“ verkleinern und vernichten möchte. Immer wieder wird

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die unbestreitbare Leistung bedeutender | Beispiel jüdischer Nobelpreisträger, oder die Juden, zum eigene Liebenswürdigkeit und wahrscheinliche oder unwahrscheinliche Harmlosigkeit, sowie die Beteuerung, daß man sich ganz als Deutscher betrachte, ja, ein ausgezeichneter Patriot sei, ins Gefecht geführt und wenn zum Schluß gesagt wird: „Unkraut gibt es überall“, so glauben die Betreffenden nun müsse der Antisemitismus für den erledigt sein, Derart überzeugt sind die BenutzerGegner dieser naiven Methode von ihrer Wirksamkeit und Gewichtigkeit, daß sie ‚Schlechterdings die Sprache des ernstzunehmenden Antisemitismus nicht verstehen können und glauben müssen, aus dem Gegner spreche die reine Bosheit und Dummheit — in feineren Fällen: eine solche hartnäckige Unbelehrbarkeit stehe im Zusammenhang mit anderen unbegreiflichen „germanischen Neigungen“, Dieser naiven Methode der Abwehr steht gemeinhin . eine ebenso unzureichende Methode des Angriffs gegenüber. Selbst Gebildete wagten es zum Beispiel Einsteins Relativitätstheorie damit abzutun und zu verhöhnen, daß sie seine, für den durchschnittlich Gebildeten garnicht - | ständliche Theorie kurzer Hand mit „nichtswürdige fe Mache“denbezeichneten, ohne auch nur die geringste, von Ausgangspunkten dieser Theorie zu haben, die eine reine Angelegenheit der theoretischen. Physik ist! Antisemiten, die ernst zu nehmen sind, werden. eine solche bloße Hetze niemals unterstützen können. Indes Einstein, und sein Fall ist leider keine Ausnahme, überall als berühmter deutscher Forscher gefeiert wurde, machten sich jene Kreise mit ihrer unwissenden Kritik lächerlich. Einstein konnte schmunzelnd sagen: In Frankreich bin ich ein Deutscher, in Deutschland ein Jude. Ein solcher Antisemitismus schwächte selbstverständlich das antijüdische Lager, statt es — wie beabsichtigt — ken; denn jeder Mensch, der überhaupt in Betracht zu stärlehnt es ab, hohe Leistungen des Gegners derart kommt, unsinnig zu verkleinern.. Ganz abgesehen davon, daß es unritterlich ist und dumm.

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So geht es weder auf der einen, noch auf der anderen Seite. Damit ist nichts erreicht, daß die eine Seite jede

jüdische Leistung verdächtigt, gar aus. jedem einzelnen Juden einen kleinen Teufel macht, und. die andere Seite vom Antisemitismus nichts anderes nachlassen will als eine völlig grundlose Hetze, die sich am besten mit dem Hexenaberglauben vergleichen lasse. Die ungeklärte Lage der schwelenden Feindschaft, die bald hier, bald dort aufflackert, der Kampf aus dem Hinterhalt; das ewige Aneinandervorbeigerede; die sinnlosen und zuchtlosen Verdächtigungen; das groteske Machtverhältnis, wenn lediglich die geringe Anzahl der Juden in Deutschland betrachtet wird; der gewöhnliche Kampf ohne Schulung, ohne Verantwortlichkeit, ohne Ritterlichkeit — dies alles hat besonders in. den letzten Jahren unnötig vergiftend gewirkt. Der Kleinkrieg dieser Art ist zwar verständlich, kommt aber gemeinhin einer sinnlosen Verschwendung von Kräften gleich, denn als bloße Unterhaltung darf er doch wohl nicht betrachtet werden. Das vorliegende Buch soll zur sachlichen Klärung beitragen, die Lage der Fronten zeigen, die gegenwärtige Situation beleuchten.

I.



Ein guter Fechter hat schärfere Waffen zur Verteidigung des Antisemitismus, und es nicht einmal nötig sich zu ereifern: er zitiert hervorragende Juden, Juden, die von einer großen Partei, die den Antisemitismus stets ablehnte und bekämpfte, geradezu verehrt werden. Lassalle zum Beispiel und. vor allem Karl Marx, berühmt der eine, geheiligt der andere. „Zwei Dinge in der Welt kann ich nicht leiden: Juden und. Literaten. Leider bin ich beides.“ Ich liebe die Juden durchaus nicht, ja im allgemeinen verabscheue ich sie. Ich sehe in ihnen nur die entarteten Söhne einer großen, aber ]ängst entschwundenen Vergangenheit.“ 4 (Lassalle, Konrad Haenisch). .

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Beides schrieb jener Lassalle, um den große Teile der deutschen Arbeiterschaft nach seinem Duelltod trauerten) wie nie zuvor und nachher um einen Führer, und der einmal einer Freundin von jenem hohen Festtag vorschwärmte, da er mit ihr durch. das Brandenburger Tor kutschieren würde, gezogen von sechs Schimmel. Kein Wunder, daß dieser versteckte Aristokrat, der keineswegs. international dachte, den kleinbürgerlichen Arbeiterführern seiner Zeit auf die Nerven fiel. „Leider bin ich beides liebe sie durchaus nicht . . . entartete Söhne einer längstentschwundenen Vergangenheit Das heißt deutlich und eindeutig genug gesprochen. Sollte aber be-hauptet werden, daß ein solches Urteil, eine solche Wertschätzung aus jüdischem Munde vereinzelt dastehe und nur pathologischen Wert habe, so wird besagter Fechter den gleichsam geheiligten Vater der Sozialdemokratie, Karl Marx, zitieren, jenen Marx, der mit der „Geste eines Lords sein Monokel“ trug (Rühle, Marx Leben und Werk) und der als Jude Wert darauf legte, es nicht zu sein. „Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.“ ‚Das sind böse, rücksichtslose, aber auch tragische Worte, denn sie kommen aus jüdischem Munde, kommen von einem Juden, dessen Wissen, dessen Einsicht ‘ungewöhnlich waren und man spürt hinter diesen harten Wendungen eine Lust an der Züchtigung; die einer Selbstgeißelung gleichkommt. Es ist selbstverständlich, daß Marx als Jude nicht nur die deutschen Juden kannte, Kaum ein ernsthafter Antisemit würde eine solche zugespitzte, überaus scharfe Formulierung wagen. Nur ein genialer, männHKcher Geist allerdings ist einer ‚solchen fanatischen Liebe zur Wahrheit — zu seinen Wahrheiten — fähig! Und welcher ritterliche Gegner ist angesichts dieses theoretischen ‘Selbstmordes und des höchsten Grades geistiger

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Rechtschaffenheit, die hier erreicht ist, nicht geneigt, den Degen zu senken, anstatt frohlockend die tödliche Blöße auszunutzen. Wird nun doch selbst jene angeblich aristokratische Geste, mit der er sein Monokel trug, zu einer rührenden Geste der hilflosen Selbstbehauptung. . Aber’ mit solchen geschliffenen Waffen wird, wie gesagt, in diesen Diskussionen, die Tag für Tag besonders überall in Deutschlang geführt werden, und schon zum eisernen Bestand der Gespräche gehören, gemeinhin nicht gekämpft, vielmehr der Streit mit der naiven Methode Jeidenschaftlich fortgesetzt und ohne Klärung, ohne klare Fronten oft mit verstärkter Erbitterung einstweilen abgebrochen. Obige Zitate können nicht mit einigen Phrasen aus der Welt geschafft werden, auch Marxisten müssen sie beachten, denn sie dürften nicht geneigt sein, den großen theeretischen Führer zu widerlegen. Auch die bekannten witzigen Wendungen, mit denen Juden solche jüdischen Aeußerungen wie die von Lassalle oder Marx verkleinern möchten, helfen nichts. Bestenfalls kann entgegnet werden, da sehe man doch wieder die Sinnlosigkeit der Unterscheidung nach Jude und Nichtjude, da ja selbst Juden imstande seien, gute, ja ausgezeichnete Antisemiten zu sein; es bestehe also kein Unterschied und der ganze Antisemitismus hänge nunmehr in der Luft. Aber es wird wohl niemand an die Zugkraft eines solchen konstruierten Einwandes glauben, dürfte es damit doch ein, Leichtes. sein, überhaupt alle Unterschiede zwischen Menschen zu leug‚nen, Soll trotz obiger Zitate eine geistige Abwehr versucht werden, so bleibt nur das Zitieren berühmter Nichtjuden, die den eigentlichen Antisemitismus verwarfen, zum Beispiel Friedrich Nietzsche, der um so mehr Gewicht haben dürfte, als er gerade von antijüdischen Kreisen gern zitiert daß Nietzsche reich wird, wobei allerdings zu bedenken genug ist, um jedem Lager seinen Honig zu geben, und man gut tut, sich auf einige Sätze zu beschränken, denn im „Antfichristen‘“ ist Nietzsche der tiefste Judengegner; der sich überhaupt denken läßt! Wie denn überhaupt die ;

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tiefsten Judengegner aus Insti i stinkt Heiden “ sind, „Hel heimliche Liebe für die alte Götterwelt Manche, haben eine N; man mag darüber spotten, ab rristen“ und glaube nur nicht, , daß die Vorliebe vieler e „Christen“ Christen für die Götterwelt der Alten eine zufällige Neigung War oder ist! (Der plötzliche Einbruch des vor rund 1500 Jahren — und was sind 1500 Christentums Jahre. davor die Vergangenheit in der uralten Vorzeit verdäm:mert — der plötzliche Einbruch des aus dem Süden kommenden blutsiremden Christentums, das zunächst heidn sch gemacht werden mußte, um überhaupt Eingang zu war nicht imstande, das uralte, hier Gewachsene g zu verwischen. Wer unser Weihnachtsfest 'aufmerkSam ‚oeobachtet, besonders bedenkt, daß es das einzige Wirkliche Fest des deutschen Volkes ist, das selbst von allen antikirchlichen Großstädtern. gefeiert wird, gleich, ob 68 sich um Kommunisten oder Soziali sten, um Freid oder Indifferente handelt, der wird zugeben müssen. daß i es sich üb erhaupt nicht . ; um ein eigentlich christliches Fest handelt.) „Man muß es in Kauf nehmen, wenn ein Volk, am nationalen Nervenfieber und „geiz leidet, leiden will — mancherlei Weka den „Störungen über den Geist ziehen, kurz, kleine Anfälle von Verdummung: zum Beispiel bei den Deutschen, bald die antifranzösische Dummheit bald die antijüdische, bald die antipolnische, bald die christlich-romantische, bald die Wagnerianische, bald die teutonische, bald die preußische und wie sie alle heißen mögen, diese kleinen Be. nebelungen des deutschen Geistes und Gewissen.“ vi

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. Was weiter folgt, spricht jedoch mehr für den nehmenden Antisemitismus als gegen ihn. Nietzsche, der wohl das Schlimmste über Deutsche gesagt hat, was jemals ein Deutscher sagte, meinte schon 1886 „Ein Denker, der die Zukunit auf seinem. Gewissen (1): hal, wird, bei Entwürlen, welche er bei sich über diese Zukunft macht,

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mit den Juden rechnen wie mit den Russen (!), als den zunächst sichersten und wahrscheinlichen Faktoren im großen Kampf und Spiel der Kräfte.“ Er behauptet, er sei noch keinem Deutschen begegnet, der den Juden gewogen gewesen wäre, fährt aber fort: man müsse auf den deutlichen Instinkt hören, der da sage, das deutsche Volk habe reichlich genug Juden, und schon so seine Not auch nur mit diesem Quantum fertig zu werden — wie die Engländer und Franzosen. „Keine Juden mehr hineinlassen und namentlich nach dem Osten zu, auch nach Oesterreich, die Grenzen schließen“, so gebietet, meint er, der Instinkt olnes Volkes, dessen Art noch schwach und unbestimmt #6l, sodaß es leicht verwischt, leicht durch eine stärkere Rasse ausgelöscht werden könne! „Die Juden sind aber ohne allen Zweifel die stärkste, zäheste und reinste Rasse, die jetzt in Europa lebt; sie verstehen es, selbst unter den schlimmsten Bedingungen sich durchzusetzen, vermöge irgendwelcher Tugenden, die man heute gern zu Lastern Man. sieht, hier folgt trotz der stempein möchte obigen Anfangssätze und kleiner Seitenhiebe einer wunderlichen Haßliebe auf seine Deutschen doch im weiteren Verlauf seiner Betrachtungen eine ernste Würdigung des Antisemitismus, wobei seine unchristliche, hochpolitische Stellungnahme eindeutig klar wird. Er meint ferner, eine gewisse Feindschaft sei durchaus verständlich, ja notwendig, und alle Vorsichtigen und Politischen richteten sich nicht gegen diese natürliche Feindschaft, sondern gegen eine „gefährliche Unmäßigkeit‘“ in der Feindschaft, Wer also Nietzsche gegen den Antisetismus ausspielt, der tut gut, wenn er nicht allzu ausführlich zitiert. Das Gleiche gilt von anderen berühmten Nichtjuden. In dieser Richtung, auf diesem Felde und mit solchen Walfen sind jedenfalls klare Auseinandersetzungen. möglich und nötig. Hier allein spielt sich der politisch wichtige Kampf ab, und es fragt sich, ob dieser Kampf nicht gefährlicher ist für die Angegriffenen, als die gelegentlichen 'Ausbrüche brutaler Verfolgungen, die von einer hohen Warte aus betrachtet, höchst wahrscheinlich stärkten und nicht

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die Kräfte des Judentums verminderten. Ohn Widerstände, Verfolgungen und grausamen versuche wäre das Judentum vielleicht nicht behalten durch die Jahrhunderte gekommen, so wohlund wenn einige Juden von einer völligen Freiheit garnichts wissen wollen, den leichten Antisemitismus sogar begrüßen, so dürften sie dafür ihre handfesten Gründe haben! Widerstände stärken die Gegenkräfte, wenn der Organismus noch gesund genug dazu ist! Wäre es viel anders mit jener Stärkung durch die Feindschaft der Umgebung, so hätte das letzte Jahrtausend genügt zum Untergang, "zur Verwischung oder zu kläglichen Resten ohne Macht, wie bei den Zigeunern, ein „Volk“, dessen Organismus ebenfalls in geheimnisvoller Weise eine Auflösung vertrug und dessen Zellen weiterlebten, als sei nichts geschehen, wobei sich das bildliche dieser Wendung von selbst versteht. Das Wunder ist fast ein Einmaliges, überall sonst sehen wir bei einer Zerstreuung, ja schon nach einem großen Einbruch volksfremder Elemente in kurzer Zeit eine heillose Vermischung und Verwischung. Was blieb von den alten was von den Indianern! Wie zäh muß die jadieene e „Rasse“ sein, um eine derarti Wohlbehalten zu überstehen! Das auserwahlten muß es sich nicht als auserwähltes Volk fühlen? Veberstand 68 nicht die gänzliche Auflösung? Siegte es nicht über die Götter Roms? Erfand es nicht den Christengott? Ist.das Christentum ohne Juden auch nur denkbar? (Daran ändert auch ein arischer Jesus nichts, diese Konstruktion der Verlegenheit und des naiven Antisemitismus). War es nicht wiederum ein Jude, Marx nämlich, der eine große Kirche ermöglichte, eine. politische, die der Sozialemokratie mit dem „Reich Gottes, auf. Erden‘, mit „Kirchenvätern“, „Päpsten“, „Pfaffen“, „Kirchendienern“ und zuletzt der großen „Herde der Gläubigen“, denen verndet wurde, daß das „Reich Gottes auf Erden“ täglich näher komme, indes die Herren vom Stab bereits auf gutem Fuß mit dem Teufel, dem „Kapitalismus“ Ist ohne Marx das Rußland von heute zu denken? iese

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außerdem nicht die Juden, zum Beispiel in Deutschland, imstande gewesen, bisher fast ganz eine Proletarisierung zu vermeiden? War es nicht wiederum ein Jude, der das Weltbild der klassischen Physik umwarf und erweiterte? Das alles läßt sich nicht bestreiten, aber jeder Einsichtige wird auch Verständnis dafür haben müssen, daß die Glieder eines solchen „Volkes“ überall und zu allen Zeiten auf einen kleineren ‚oder größeren Widerstand stoßen müssen. Erst in neuerer Zeit spielt der Antisemitismus bei einigen Völkern keine Rolle mehr. Je „jüdischer“ die jeweilige Umgebung ist, oder je stärker und gesicherter sie sich fühlt, umso schwächer wird der jeweilige Antisemitismus in Erscheinung treten. Nichtjuden, die Augen hinter den Augen und noch Ohren hinter den Ohren haben, die sich auf Menschen verstehen und ‚fest auf sich sitzen‘, die selber ein stark ausgeprägtes Wesen haben, das sich so leicht nicht verwischen und beeinflussen Jäßt, die sich nichts vormachen lassen und kein einfaches Gesicht haben, solche Männer fühlen sich Juden gegenüber eher über- als unterlegen. Wenn sie sich antisemitisch verhalten, so tun sie es in unpersönlicher Weise und, wenn sie kämpfen, so kämpfen sie gern mit jener erstaunlichen Ritterlichkeit, die zum Beispiel im Kriege bei den Fliegern ungeschriebenes Gesetz war, dennoch und eben darum sind sie im Grunde die gefährlichsten und zähesten Geg‚ner, die das Judentum hat! Nun gibt es freilich besonders in den Großstädten genug Juden, die von den strenggläubigen verachtet werden, die Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten der Umgebung angenommen haben, zum Teil national denken, sich selber nicht mehr als Juden betrachten, 1914 freiwillig ins Feld zogen und manchmal leidenschaftliche Antisemiten sind — wie sich denn überhaupt der Antisemitismus naiver Art gründlich irrt, wenn er meint, es gebe nur ein Judentum. Schon die Wendung „das Judentum“ ist streng genommen unzulässig, auch wird der Fachmann sich hüten von Rasse zu reden, gesetzt selbst, daß er das Wort zur schnellen Verständigung benutzt. Aus diesen Kreisen, die ;

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also auf dem Wege sind, völlig unterzutauchen, zu verdeutschen — ihr Hauptfest ist sogar das Weihnachtsfest mit Tannenbaum und Geschenken — wird oft der S punkt vertreten, daß der Antisemitismus nur die Auflösung des Judentums verhindere und für alle „abgefallenen Juden“ eine sehr schmerzliche Sache sei, mancher Jude sei nur zu den alten Sitten und Gebräuchen usw. zurückgekehrt, weil es einen Antisemitismus gebe, der auch ihn unausgesetzt treffe, Es sei besser, wenn die Grenzen gesperrt und nur jene Kreise bekämpft würden, die sich mit allen Mitteln gegen ein völliges Aufgehen in das deutsche | Volk sträubten. So werde auch Deutschland die J udenfrage gelöst haben — wie England, Frankreich Italien. Feindschaft komme nicht durch Feindschaft zu Ende. Auch den Zionismus begrüße man nicht, denn auch ver komme nur einer Verewigung der Judenfrage gleich. Nicht viel anders stehe es mit jener Richtung, die unter der Fahne „Deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens“ segele, Es gebe nur eine Lösung der Judenfrage: das’ natürliche Ende des Juden überhaupt. Ein sehr beachtenswerter Standpunkt, aber es fragt sich erstens, ob eine Auflösung tatsächlich stattfindet, wenn es keinen Antisemitismus mehr gibt, zweitens, ob Antisemiten überhaupt diese Auflösung und Verwisch ung gut heißen, i . meinen auch, bevor eine solche Auflösung erreicht sei, werde es zu großen Schädigungen k Antisemitismus erneut und mit orstärkter flackern. So Schmerzlich es auch für diese Juden ist, daß Jude allgemein gleich Jude gesetzt wird und so gut gemeint ihre Vorschläge auch sind, es muß doch gesagt werden daß der gegenwärtige Antisemitismus selbst mit richtigen Einwendungen, treffenden Gründen nicht aus der Welt geschafft ist; er läßt sich nicht einmal von taktischen Eri wägungen beeinflussen, keine große Organisati ganisation hat ihn | zu ihrer Hauptaufgabe gemacht, wenngleich er im Programm der Nationalsozialisten keine unerhebliche Rolle spielt. Der im Volke lebende Antisemiti mitismus, der oft nur ganz dumpf und halb bewußt vegetiert, ist zuletzt. eben ei

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eine Angelegenheit des Blutes, nicht des rechnenden Vergtandes und der tiefste Haß, die tiefste Abneigung und Verneinung steht jenseits der Gründe, ist ein instinktiver wenigHaß, obgleich er süchtig nach guten Gründen dem „gründesuchenden Tier“. stens beim Menschen als Wenn gebildete Menschen unserer Zeit es fertig bringen, die Partei der Nationalsozialisten als eine Partei der Homosexuellen zu bezeichnen — ich gestehe beschämt, daß ein deutscher Sozialdemokrat das in einem Artikel getan hat — so dürfen sich Juden nicht wundern, wenn einfache Menschen jedem Juden die gemeinsten Motive zuschieben:; ihr Instinkt braucht Gründe,

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Was kann vom Standpunkt eines organisierten Antisemitismus aus geschehen? Die Einwanderung kann unterbunden werden. Es kann ein Gesetz erlassen werden, welches entweder keine Juden für öffentliche Aemter zuJäßt, oder nur.so viel, als das Verhältnis der jüdischen zu der nichtjüdischen Bevölkerung erlaubt. Ein solches. Gesetz kann auf die Universitäten usw. ausgedehnt werden. Dazu wäre notwendig, daß eindeutig festgelegt wird, wer als Jude betrachtet werden soll. (Zum Beispiel: Jeder Staatsbürger, dessen Vorfahren in dritter Linie als Juden amtlich geführt wurden.) Früher reichte zur Unterscheidung die Religionszugehörigkeit aus, damit ist es heute in jeder Stadt gründlich vorbei. Daß von jüdischer Seite keine Schwierigkeiten gemacht werden, kann billigerweise nicht erwartet werden. Ob aber ein solcher Aufwand überhaupt einen merkbaren Nutzen für die Nation bringen kann, ist sehr fraglich, denn wahrscheinlich hätten solche Sondergesetze nur eine erneute Stärkung des kaufmännischen Geistes zur Folge. Der ganze Fragenkomplex ist nicht so einfach und eindeutig, wie viele Antisemiten glauben, denn ein Realpolitiker von Format muß Politik auf weite Sicht hin treiben; er kann mit einem vorläufigen Erfolg nichts anfangen. ;

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EEE Besonders wichtig ist, wie sich Karl , Marx die Erlö ; eich als n denkt. Nachdem Sen Do qudenfrage er Tue Ude nicht gescheut hat, eindeuti Eigennute, : i weltliche Grund des Judentums st der Eigennut Töltlicher Kultus der Schacher und sein weltlichen Gott eld — eine Behauptung, nach der es allerdings Shen nichtjüdische „Juden“ eb n80 meler in seinem System geben dürfte wie Juden ebenfalls die Judenfrage aut „Eine Organisation der Gesellschaft, welche die i Voraussetzung des Schachers also die i Mögli des Schachers aufhöbe, hätte den unmöglich Juden gemacht.“ Das läßt ebenfalls an Eindeutigkeit I eutigkeit Erst wenn der Kapitalismus nichts zu wü und die MOB e Gesellschaft aufgebaut ist, meint vernichtet also Marx, si

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werden diese Erörterungen werden an gewisse Führer wenig schmackhaft sein; sie denken, etwa an Heilmann ein Jude — der in bezeichnender Unschuld in ‚seinem „Freien Wort“ verkündete, habe er freilich kein Verständnis dafür, warum er nicht in ehrlicher Wei se (nebenberuflich) Geld verdienen solle, solange nun einmal der



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sender Proletarisierung des Volkes an Stimmen verliert — womit die materialistische Geschichtsauffassung einen argen Stoß erhielt und Schwichtenberg sie bereits: im „Freien Wort“ verfluchen durfte. Gewiß ist, daß Marx, könnte er die heutige Sozialdemokratie betrachten, bald energisch bitten würde, seine Büste aus den Sitzungszimmern zu entfernen, denn daß Marx seine Theorien, sein Gebäude ernst genommen hat, daran ist nicht zu zweifeln, Möglich, daß mit dem abgeschafften „Schacher“ auch der Jude unmöglich wird, nämlich, wenn er tatsächlich mit diesem steigt und fällt. Neuerdings stellen sich auch Juden unserer Tage auf diesen Standpunkt und sind damit eigentlich radikaler, als die meisten Antisemiten, Aber, daß mit der Unterbindung einer bloßen Tätigkeit, mit der zudem nur noch ein Teil der Juden unserer Zeit zutun hat, (denn wer würde es wagen, jüdische Lehrer, Schauspieler, Schriftsteller usw. mit Schacherer zu bezeichnen) der Untergang des Judentums unausbleiblich sei, wage ich nicht anzunehmen. angesichis..der Tatsache, daß die verstreuten GHeder dieses Volkes, ausgestattet mit einer unvergleichlichen Zähigkeit; Anpassungsfähigkeit und Lebenstüchtigkeit, trotz aller Widerstände und Verfolgungen wohlbehalten unsere -Zeit--erreichten, Eine solche Art Mensch übersteht wahrscheinlich noch ganz andere Dinge als das russische Staatssystem der Gegenwart! Zudem dürfte es mit der Erweiterung dieses Systems über ganz Europa und Amerika noch gute Weile haben. „Nur Zeit, nur Zeit!‘ singt Dehmel, „Wir wittern Gewitterwind, wir Volk. Nur eine kleine Ewigkeit...“ Nun, an Zeit hat die Erde keinen Mangel und was das Wittern angeht, so ist bereits vor 3000 Jahren vergeblich gewittert worden. Vorsichtige stehen immer noch bei den alten Satz: Aus der Geschichte lernt man, daß man nichts aus ihr lernen kann. Wenn Marx Recht hat mit seiner anstößigen Behauptung, so besteht immerhin eher die Möglichkeit, daß das russisch-kommunistische System oder der berühmte sozialistische Zukunftsstaat, an dem übri23

gens bereits der kleinste Parteifunktionär ni Grunde glaubt, am Geist des Schachers zerbricht und geht, als die Aussicht, daß das so ungeheuer viel ältere Judentum am russischen System zerbricht und dem Untergang geweiht ist. Oder mit Tuchholzky gesprochen: „Max Liebermann wäre auch ohne Hände ein großer Bankier geworden.“ (Weltbühne) Tuchholzky, der sich oft genug i über den Antisemitismus primitiver A rt lust. 1g gemacht hat, muß es wissen.

möglich, daß nach einem Menschenalter eine solche Tole-

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IV. in Volke der Antisemitismus nicht verWenn einem schwinden will, so ist das ein Beweis für seine relative Berechtigung. Ich halte den Kern des deutschen und russischen Volkes für unjüdischer, als den Kern des französischen, englischen oder gar des italienischen Volkes. Was in England, Frankreich oder Italien ohne Schaden für den Staat möglich ist, das braucht nicht notwendig auch in Deutschland oder Rußland möglich sein. Wichtig ist auch in welchem Staatssystem eine „Liquidierung des Antisemitismus“ unternommen wird. Marx, Lenin u. a. meinen, dazu sei eine Vernichtung des privaten Kapitalismus nötig. Amerika und England dürften beweisen, daß es auch. ohne diese Vernichtung des privaten Kapitalismus möglich ist, praktisch ohne Antisemitismus auszukommen. Aber In einer großen Ansammlung von Menschen, die aus allen möglichen Richtungen zusammen kamen, sich zur U.S.A. vereinigten uhd nach dem ungeschriebenen Gesetz leben: „Zeit ist Geld und Geld ist Leben“ — in einem solchen Staat .kann es allerdings keinen Antisemitismus geben, höchstens Eifersucht und Neid! i Wenige große Staatsmänner waren Antisemi sie‘ praktische Politik trieben, und vielleicht. genügen einige Jahrhunderte völliger Tolerierung um das Judentum aufzusaugen und damit auch den Antisemitismus aus der Welt zu schaffen; vielleicht — mit großer Sicherheit kann hier nichts behauptet werden. Es ist sehr wohl

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rierung abgebrochen werden muß, weil sich herausstellt, daß keine erhebliche Vermischung stattgefunden hat. Ob die Opfer der gegenwärtigen Krise, die geneigt sind zu sagen: was geht uns der Antisemitismus noch an, verschafft uns lieber Arbeit und Brot, wir sind alle Bewohner dieser Erde und wollen. nichts als glücklich sein, das Gleiche sagen, wenn sie wieder Arbeit und Brot und ein wenig Glück besitzen, darf gewiß bezweifelt werden. In Rußland gilt der Antisemitismus als konterrevolutionär und „streitbarer Antisemitismus‘ wird mit dem Tode be-



straft. Vielleicht ist diese Wertung vom russischen Standpunkt aus richtig, dann nämlich, wenn nach Marx der Jude tatsächlich aufhört, ein Jude zu sein, vielleicht aber ist diese Wertung völlig falsch. Es könnte sich eines Tages herausstellen, daß der Antisemitismus revolutionär war! Die Zukunft muß es lehren. Wie steht es mit der sogenannten Verjudung der Sowjets? Otto Heller hat diese g des Frage eingehend in seinem Werk ; Judentums“ untersucht. In Rußland sind nach Heller nicht gänz 2 p. C..der, Bevölkerung Juden, gewiß ein verschwindender Bruchteil und dennoch. ist auch.dort der_Antisemitismus..nicht-erlesehen! Im Staatsapparat sollen 8,6 p. C. Juden beschäftigt sein, also rund 3,5 mal mehr, als der Bevölkerungsanteil ausmacht. Davon wieder in der Ukraine 18,7, rund das Neunfache; in Weißrußland gar 61,8 p. C,, also rund das Dreißigfache der Verhältniszahl! Nur in der FSFSR. sinkt die Zahl auf 0,6 p. C. Heller sagt dazu: „Die Tatsache des vorwiegend städtischen Charakters (der Juden), der höheren Schulbildung und der besonderen, ihrer bisherigen sozialen Bestimmung (!) entspringenden Beschäftigung der Juden, im Verwaltungsdienst tätig zu sein, hat auch hier, wie in allen anderen Bundesrepubliken, diesen höheren Prozentsatz zur Folge.“Der Antisemit wird sich fürdie Gründe nicht interessieren; er wird die Tatsache lediglich konstatieren und Maßnahmen erwägen! Was aber versteht Heller, der vom-marxiötischen Standpunkt aus die Verhältnisse betrachtet — für Rußland 25

von heute ein bevorzugter Standpunkt — unter „im Verwaltungsdienst tätig zu sein?“ Sie waren doch bisher daVon 80 gut wie ausgeschlossen, versichern immer wieder Gegner des Antisemitismus. Marx behauptet, der Jude müsse untergehen, wenn der Schacher untergehe, Heller unterstreicht ihre Fähigkeit für den Verwaltungsdienst. Liegt die Wahrheit bei Heller, so ist nicht einzusehen, warum das Judentum in Rußland zum Untergang verurteilt ist, liegt die Wahrheit bei Marx, so dürfte keine besondere Eignung für die Verwaltung des heutigen Rußlands vorhanden sein. Der Anteil der Juden an der Roten Armee soll 2,5 p. C. betragen. Davon im Kommandostab C. und in der Mannschaft 1,8 pP. C. Im Kommandostab4,4 p. selber sollen 18,6p.C. im Sanitätsstab, 2,1 p.C. im eigentlichen Kommandostab und 10,6 p. C. Leiter der politischen Arbeit Juden sein. Zusammengefaßt: 830,2 p.. C. im operativen Teil, 60,8 p. C. im nichtoperativen Teil. Wenn der Antisemitismus noch immer nicht in Rußland eingeschlafen ist, wenn derzeit Lenin in einer Ansprache an die Rote Armee, die auf Schallplatten verbreitet wurde und den Antisemitismus. behandelt, sagen mußte: „Wir müssen einen fanatischen Kampf gegen den Antisemitismus führen“, wenn es heißt: unsere Intelligenz ist antisemitischer als im Zarenreich, so dürfte es doch wohl allzu billig sein, zu behaupten, daß dahinter nur die Konterrevolution stehe, daß es sich hier nur um Kräfte handele, die bestrebt seien, das Volk gegen die Regierung aufzuhetzen, Ist der Gedanke denn so unmöglich, daß auch Russen, die den heutigen Staat bejahen, instinktiv eine: „Verjudung‘“ der Verwaltungsorgane fürchten? Hält man es denn nicht für möglich, daß jener jüdische Geist, von dem Marx behauptet, sein weltlicher Gott sei das Geld, daß dieser Geist unbewußt am Werke ist, den jungen russischen Staat wieder aus der Welt zu schaffen? Nicht mit voller Ueberlegung, sondern triebmäßig. Heller behauptet — und er hat einen Rabbiner auf seiner Seite — das Händlertum, oder die besondere Begabung und Vorliebe dazu, sei nicht erst im Mittelalter anerzogen, sondern schon vor 2000 26

Und eine Erscheinung, die alt ist, nun jäh untergehen? Ein starkes Fragezeichen wird man Vorsichtigen gestatten müssen. Vielleicht passiert in Rußland etwas ganz Anderes, AS Lenin, Marx oder Heller glauben: ein Aufschwung. es Judentums, eine Befreiung aller Kräfte, eine unglau iche Anpassung, verbunden mit einer Besetzung aller wichtigen Kommandostellen, ein Durchbruch unbewußter Art e8 uralten Geistes, für den ja gerade ‚das Geld, das priva © unbegrenzte Eigentum, der persönliche Nutzen Drehpun. A des Lebens ist, ein stiller, unterirdischer Auflösungsproze des neurussischen Systems, verbunden Zwar mit einer es wissen Vermischung, aber keine wirkliche Auflösung ge Judentums (wozu übrigens Generationen nötig sind), zuletzt ein demokratisches klägliches Ende des größten Verguchs der bisherigen Menschheit, denn um einen solchen handelt‘ es sich in Rußland. „Es ist sehr glaubhaft , schreibt Heller, „das ein reicher Jude in der Ukraine einmal gesagt haben soll: ‚Zwölf kleine Pogrome sind mir lieber, als eine große Sozialisierung. Interessant und bezeichnend ist, wie Otto Heller es sich erklärt, daß bereits die Juden des Altertums hauptsächlich Händler und Kaufleute waren. Völlig eingefangen von der materialistischen Geschichtsauffassung, meint er, jener Vorgang sei geographisch-wirtschaftlich bedingt gewesen. Der damalige Lebensraum soll zum Händlertum erzogen haben. Unbefangene werden sofort fragen: warum entstanden dann nicht überall auf der Erde unter gleichen Bedingungen Juden? Heller verspottet‘ auch jene Einstellung, die von der Zerstreuung über die ganze Erde als von einen geheimnisvollen Vorgang redet. Für den rechten Materialisten soll es nach Möglichkeit überhaupt keine Rätsel geben. Nur eine grob materialistische Blickrichtung kann die Geschichte der Menschheit zu einer bloßen Geschichte des menschlichen Magens machen. Weil irgendwo in alter Zeit Handel getrieben wurde, entstand ein Volk der Händler und Kaufleute, entstand das Judentum? Weil ein Volk Handel treibt, verbreitet es sich über die gahze

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2000 Jahre

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27

Erde? Weil es vornehmlich die Tu enden ein kam

wohlbehaltenmanns und Händlers erworben hatte, es auf unsere Tage? Und weil Rußland den privaten Kapitalismus abgeschafft, sind die letzten Tage der kommen? Wenn auch Hellers Deutung nicht Juden gedurch eine bessere erseizt werden kann, so hat sie deshalb doch mehr Wert, als ein vordergründiger Versuch. Hellernicht erwähnt, daß es zu eigentlichen Götterbildnissen bei den alten ‚Juden nie gekommen weil Industrie und Kunst praktisch keine Rolle spielten. Soll auch das wirtschaftlich-geographisch abgeleitet und zu einer bloßen Magenfrage gemacht werden? Niemals wird eine bloß materialistische Blickrichtung imstande sein, es glaubhait zu machen, daß allein wirtschaftliche Bedingungen das eine Volk steigen, das andere sinken, das dritte untergehen lassen. Niemals werden die Vertreter einer solchen Methode, ‚von der man glaubte, sie sei längst abgetan, erklären können, wie es kommt, daß ein Volk zu einem unsterblichen Baustil. kommt, das andere nur schwache Ansätze zu einer Kunst zeigt. Die ökonomischen Kräfte sollen gewiß nicht unterschätzt werden, und was wäre wichtiger als die Aufgabe, jedem Menschen Arbeit und Brot zu geben, aber Marxisten überschätzen die 8konomischen Kräfte gewaltig. ‚Sie müßten zum Beispiel-annehmen, daß „die Menschenfresserei bei primitiven. Völkern nur dort blühe, wo-oft-gehungert werde — keineswegs ist das der Fall! So bliebe denn dem rechten Materialisten nur übrig, zu erklären, dort sei Irüher eben gehungert. worden und so sei denn die Menschenfresserei Sitte aber geworden, das kann man nur Kindern erzählen, Hinter einer solchen Denkmethode, die leider viele Marxisten mit einer unausstehlichen Selbstverständlichkeit handhaben, nach meinem Gefühl eine Verkleinerungssuchtverbirgt sich allen. Problemen gegenüber; hier wird Rache genommen am Geist, hier will der geistige Kleinbürger nur den geistigen Kleinbürger zulassen. Es soll keine genialen, keine Großen Männer geben, Napoleon soll ein kleiner General sein. nichts weiter, Antisemitismus soll sich auf Neid reimen,

sei,

28

wer den jüdischen Glauben ablegt, der soll kein Jude mehr sein, es soll in Deutschland wenig jüdische Arbeiter geben, weil sie früher in höchster Not alle Händler werden mußten, die Liebe des Bauern zu seiner Scholle soll weiter nichts als eine Liebe zu seinem Geldbeutel sein . . . wenn man wissen will, wie der Mensch entstand, so besucht man einfach eine Volkshochschule . Glücklicherweise wird Verständnis die Männer kein für die Richimmer geben, es dieser Methode die darauf alles ist, haben, so banal tung wie möglich zu machen und jenen Juden für verrückt erklären wird, der einmal zu mir sagte: „Obgleich ich Jude bin, hasse ich die Juden — kann nichts dafür. Ich muß es.“ Ferdinand Lassalle verabscheut seine Stammesgenossen und damit zugleich sich — was sich schwerlich wirtschaftlich ableiten lassen dürfte. Marx kommt zu unerhört scharfen Formulierungen. Otto Heller spottet über den Zionismus, erklärt, daß von einem echten Bauerntum nicht geredet werden könne, jüdische Wohltäter für den Zionismus Wohltäter auf Aktien seien, die Einwanderung bereits kleiner sei als die Auswanderung und man dort gar nicht daran denke, einen sozialistischen Staat aufzubauen: „Der Zionismus ist allein deshalb, weil er die Judenirage von der Frage der Ware trennt, mit der das Schicksal der Juden unlösbar verknüpft ist, ein historischer Irrtum, eine Unmöglichkeit.“ Mit solchen Aeußerungen dürfte wohl bewiesen sein, daß der Antisemitismus, will man ihm gerecht werden, nicht einfach als Angelegenheit des Mittelalters abgetan werden kann. Von zwei Größen ist der Antisemitismus abhängig: von der Mentalität des jeweiligen Volkes und von der Rolle, die die Juden bei dem jeweiligen Volke spielen. Würden Nichtjuden in Palästina einwandern und dort ungefähr jene Stellung einnehmen, die in Deutschland Juden eingenommen haben, so darf man mit einiger Sicherheit sagen, daß es dann unter den dortigen Juden bald eine Bewegung gegen Nichtjuden geben würde! Es ist nicht die Aufgabe dieser Betrachtung, eine. neue Lösung‘ des Problems zu geben, aber ich glaube, daß Juden, die sich mit Recht für ihre Person über den Antfi-

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29

semitismus beklagen, gut tun, das Verhalten gewisser Juden selber kräftig zu verneinen und zu bekämpfen. Ich denke hier an jüdische Kommunisten, die mir gestanden,

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daß sie bei einem Aufstand schön im Hintergrund bleiben würden — einer davon hat sich sogar nicht einmal den Handkuß der teuflischen Kapitalisten abgewöhnt denke an jüdische Pazifisten, die im Ausland immer —, den Dreck in Deutschland sehen —. einer schrieb imnur Kriege polnische Hurragedichte und wünschte sich zuvor in jede Hand eine Russengurgel —, denke an jüdische Schriftsteller, die leidenschaftlich bemüht sind, sich so verhaßt wie möglich in antisemitischen Kreisen zu machen, dennoch aber erstaunt sind über den stärker werdenden Antisemitismus. Wenn wiederholt deutsche Juden meinten, man müsse viele Ostjuden aus dem Lande weisen, so tun sie gut, wenn sie auch in aller Oeffentlichkeit ihren Stand-

punkt vertreten.

Das Land allgemeinen, großen Menschenliebe es hie geben;der wo Liebe blüht. — und- ste“

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wird

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man wenig von ihr spricht — gedeiht auch der Haß, die tiefe Abneigung. Fressen "oder gefressen werden, das ist das unbarmherzige Leitmotiv in der großen Sinfonie des Lebendigen, Der Kampf sollte sich nicht bis zum GasSchießen steigern, aber wo Leben ist, da ist auch Kampf und die „Religion der Liebe“ düngte ihren Weg mit Blut wie keine andere Religion, indes die Götter der Alten niemals die‘ Zahl ihrer Anhänger sonderlich beachteten. Man beklopfe nur die Künder der Sanftmut und Liebe und zum Vorschein kommt die Giftigkeit des Schwachen, die kleine Bosheit des Ohnmächtigen, die Herrschsucht des geborenen Sklaven, die Lust an der unterirdischen Rache.

30

Friedrich Hielscher

Reich und Israel

Lebenslauf. Vorfahren schlesische Bauern, wahrscheinlich im 13. Jahrhundert aus dem Fränkischen gekommen. . Humanistisches Gymnasium in Guben; 4.6.19 Kriegsabitur, Oberschlesien; M.G.K, der ehemaligen 90er; Standort: Pleß. stud. jur. in Berlin; Corps Normannia (K.8.C.); 1921 noch einmal Oberschlesien; 20. 2, 24 Austritt aus der Kirche, 28. 6.24 Referendarexamen. Staatsdienst. 10.25 bis 12.26 Doktorarbeit in Jena; summa cum laude; erschienen als „Selbstherrlichkeit“ im Frundsberg-Verlag, Berlin. Mitarbeit am „Arminius‘“, Austritt aus dem Staatsdienst. Schriftleitung des 2. Jahrganges des „Vorw marsch“, 10.29 bis 12.30 Niederschrift des „Reiches“ in Dolzig, Guben, Berlin. Herausgabe der Zeitschrift „Das Reich“ ab 10.30.

31. 5. 02: geboren; 1908—19: 1919—20: 1920—24: 1924—25: 1925—

26:

1926—27: 1928—29:;:

1929-—30: 1931—32:

32

1.

.Neunundneunzig von hundert Juden sprechen Deutsch. Nur in Deutschland gibt es eine wirkliche Judenfrage.

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Woran liegt das? Unzählige Anzeichen weisen auf den Ernst der Frage hin. Warum findet man unter Menschen israelitischer Abkunft so häufig eine von Feindschaft erfüllte Ablehnung der deutschen Dinge, warum unter Deutschen so häufig einen ausgesprochenen Widerwillen gegen alles, was auch nur im entferntesten. an das Judentum erinnert? Es ist nichts damit gewonnen, daß die Deutschen den Juden, und daß die Juden den Deutschen wesenhafte Minderwertig;

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„Klärung“

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33

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keit vorwerfen. ist aber auch damit t nichts fen. Es ni

gewonnen.

daß man die. Judenfeindschaft in Deutschland” und die Deutschenfeindschaft unter den Juden als peinliche Entgleisung oberflächlicher Köpfe, als Uebertäubung unterdrückter Minderwertigkeitsgefühle abtut. Gewiß: dergleichen 1äßt sich überall nachweisen, und man kann es mit gutem Gewissen den Aerzten überlassen, wie der krankhafte Befund im einzelnen zu beurteilen sei. Aber daß in beiden Völkern immer und immer wieder solche Keindschaft ausbricht, muß tiefere Gründe haben, muß etzten Dingen des Reiches und Israels zusammenhäng Cn Wo Völker aufeinanderstoßen,

i die seelischen Kräfte aufeinander, in diesen Völkern geschichtlich haben. Was zieht die Menangenommen Senlbaredes Gestalt i n israelitischen Seelentums nach dem Reichsraum? Was suchen Wir müssen bis zu den Gründen der Z erstreu N rück, wenn wir die Antwort finden wollen.

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Israel ist das Seelentum der Sünde und der Erlösung. Der rechte Israelit, an welchem kein Falsch ist, glaubt an die Sündhaftigkeit der Kreatur, an die Unvollkommenheit Welt, und ihr gegenüber an den Gott, der die ErÖsung bringt. Diese Zuversicht der von Jahwe kommenden Erlösung ist in das Bild des Messias eingegangen: er ist zwar nur zu den verlorenen Schafen vo Hause Israel gesandt, aber das Heil Israels ist das Heil der ganzen Israels ist der rechte Weg aller Menschen, bh erlösten‘ Sünders ist das Bild des Menschen überhaupt i Wann entsteht im israelitischen De jenken das Bild d Messias? In der Zeit höchster Not, als die Könige versagt haben und die Propheten einsam und allein dem aufgewühlten bedrohten Volke verkünden, was ihm not tut. Die Könige sind nicht den rechten Weg gegangen. Das Königtum mit seinem kriegerischen und herrscherlichen

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Anspruch paßt nicht zum jüdischen Wesen. Es ist von vornherein eine Ueberfremdungserscheinung, entstanden durch die ägyptische, die babylonische, die assyrische Unterdrückung. Moses ist nicht König sondern Prophet, als er sein Volk aus der ägyptischen Knechtschaft führt. Er kämpft nicht mit der Waffe in der Hand für die Frei‚heit, sondern mit dem Gebet und mit der Gewißheit, daß Jahwe von oben eingreifen und die Feinde Israels schlagen werde. In der Sage vom Untergang des ägyptischen Verfolgungszuges im Roten Meer spiegelt sich diese prophetische Gewißheit der Juden, daß ihr Heil nicht von ihnen selber erkämpft werden könne, sondern von Jahwe geschickt werden müsse, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, Es liegt dem Juden fern, in der Angewiesenheit auf die Hilfe Jahwes eine besondere Notlage gerade Israels zu erblicken. Im Gegenteil: alle Völker haben keine göttliche Kraft in sich, alle bedürfen des Gottes, der von oben her hilft, und es ist ein besonderer Vorzug Israels, daß es um diese Abhängigkeit weiß, daß es daher als erstes sich bewußt auf die göttliche Hilfe verläßt und folglich einen niemals einzuholenden Vorsprung vor den übrigen Menschen besitzt, die immer und immer wieder sinnlos auf die in ihnen selber wirkenden Kräfte vertrauen und immer und immer wieder versuchen, aus eigener Stärke ihr Geschick zu meistern. Während aber Moses in überlegener Einsicht der menschlichen Sündhaftigkeit allein auf Jahwe vertraut, vertrauen die Könige auf ihre Staatskunst und ihre Heere, Sie haben den Hochmut der umwohnenden Großmächte nicht ertragen, den Stolz nicht, mit dem die Feinde sich auf ihre Waffen verlassen, den Ruhm der Tapferkeit nicht, der die Gegner Israels umgibt. So haben die jüdischen Könige selber zu den Waffen gegriffen, ein Heer aufgestellt und hohe Politik zu treiben versucht, Die Lage Palästinas ist günstig. Es ‚beherrscht den Landweg von Asien nach Afrika und ebenso den europäisch-afrikanischen. Es beherrscht das östliche Mittel-

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meer, es kann zum Einfallstor nach Die ägyptische, die babylonische, Vorderasien werden. die assyrische und die persische Politik haben hettitische, die daher stets den größten Wert auf ihren Einfluß in Palästina entscheidenden Schlachten um die Vorherrschaftgelegt. Die unter den östlichen Mittelmeerstaaten sind im palästinensisch-syrischen Raum geschlagen worden. Was eine seegewandte Nation aus der Lage im östlichen Mittelmeer herausholen kann, erkennt man an der erstaunlichen Machtstellung der phönikischen Städte Tyrus und Sidon, die trotz ihrer verhältnismäßigen Kleinheit Karthago gegründet und oft genug den Großkönigen erfolgreichen Widerstand geleistet haben. Wenn es den jüdischen Herrschern also gelingt, ihr Volk hinter sich zu bekommen, es für das Ziel eines jüdischen Machtstaates einzusetzen, haben sie begründete Aussicht, dank der Gunst der und Lage dank den Gegensätzen der umliegenden Großmächte sich hochzuarbeiten. Aber das Volk will nicht. Und sein Widerwille wurzelt nicht in böser Absicht, sondern im Instinkt. Die Absichten sind für die königlichen Pläne sogar denkbar förderlich. Nur auf das Drängen des Volkes hin nimmt der widerstrebende Prophet Samuel die vor; man begreift: um größeres Unheil zu Königssalbung verhüten, um wenigstens das Bewußtsein zu reiten, daß die Krone unter dem Prophetenstab stehe. Aber die Instinkte des Volks: tums machen die Königspolitik unmöglich, obgleich die Vorsätze es anders möchten. Begriffsspaltereien, wo handgreifliche Berechnungen am Platze wären, Rechtsstreitigkeiten, wo man sich um die Macht hätte kümmern müssen, vereiteln jede wirkliche Staatskunst. Weder David noch Salomo sind außenpolitisch unabhängig. Sie sind Vasallenfürsten Aegyptens; und die Selbständigkeit ihrer Nach: folger. ist noch geringer, Die Propheten werden nicht müde, auf den Widerspruch hinzuweisen, der im Tun und. Lassen der Könige enthalten ist. Wie können die auf die Hilfe Herrscher Jahwes hoffen, wenn sie der eigenen Kraft vertrauen? Anstatt sich um die Aufstellung eigener Heere zu sorgen -

36

Prunkes höfischer Veranstaltungen sollten Gebet und Demut sich ihres Selbstyertrauens begeben und auf den Rat der Propheten hören. Dieser Mi enthält nichts von Weltfremdheit: Man mißversteht Jerem a oder den zweiten Jesaia gründlich, wenn man ihnen in kenntnis der damaligen politischen Verhältnisse yorwen N wollte. Die Könige halten sich etwas auf ihre Freundsc mit Aegypten zugute, wahrscheinlich in Erinnerung an Zeit der Knechtschaft, durch die ihnen die Macht des Pharaonen eindringlich genug vor Augen geführt der ist. Die Propheten mißtrauen dieser Einstellung; sie ha DS infolge ihrer Einsicht in die Bedeutung geistiger Umwäl zungen ein feines Ohr für das unterirdische Bröcke End Rutschen im ägyptischen Staatsgefüge. Aber vanlen ns nicht auf sie. Man mißversteht ihr Anliegen. Wo denn die Unfreiheit ihres Volkes? Sie wollen nur rechten Weg zur Größe. Man schilt und verfolgt sie a S 0 Verräter. Es handelt sich auch im Grunde nicht nun das einzelne Urteil über den Wert eines AEyPtO oder eines assyrischen oder eines babylonischen. en 7 nisses richtig oder falsch ist. Es handelt sich um En e9 teilsfähigkeit des jüdischen Menschen überhaup wi ; Fragen der Staatskunst anlangt. Wer die Welt a ‚Sünd WB und erlösungsbedürftig glaubt, wer also überzeugt En | er das Heil nicht in Händen hält, der kann kein Staatsünstler sein. . Jeremia ist wegen seiner Warnungen mit. Steinen aus der Stadt gejagt worden. Vielleicht haben ihn Sen vorha folger zu Tode gehetzt. Man weiß es nicht. Jedenfalls die Feindschaft gegen Jeremia die babylonische Gefangen: det ein U ei schaft nicht verhindern können. Man. Men nicht ab, indem man den Warner beseitigt. 'der Aus babylonischen Gefangenschaft erwächst das Bild des Messias als des Retters, der Israel aus Mena Leid und Elend erlösen wird. Freilich wird dieses immer wieder politisch gedeutet. Aber es trägt bereits fr die Zeichen weltabgewandter Erlösungssehnsucht. ie Als Juden unter Darius heimkehren dürfen, errichten sie ihren

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Staat nicht mehr als politisches, sondern als rein kirch-Gebilde. Die Kämpfe der Makkabäer ändern nichts an diesem Tatbestande. Jesus vollendet ihn. weiß sich als den Messias. Er weiß, daß er nur gesandt ist zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel. Er verbietet seinen Jüngern, in. die Städte der Samariter zu gehen. Er heilt das kananäische Weib — die Nichtjüdin — nur, weil sie sich dem Anspruch Israels unterwirft: „Ja, Herr; aber doch essen die Hündlein von den Brosamen, die von ihrer Herren Tische fallen.“ Aber Jesus weiß auch, daß das messianische Amt nicht politisch erfüll werden kann. Gewiß empfindet er es als stärkste Ver. suchung, wenn in ihm der Gedanke auftaucht, die Reiche der Welt und. ihre Herrlichkeit könnten zu seinen Füßen liegen, ‚Gewiß wird sein Inneres, wenn ihn das gequälte Volk in jäh aufschießender Freude zum König ausruft, so stark aufgewühlt, daß er in die Wüste fliehen muß "um wieder Ruhe zu finden. Und als Petrus ihm vorschlägt sich dem kommenden Leiden nicht zu unterwerfen sondern entgegenzustellen, fährt er ihn mit leidenschaftlicher Härte an; „Hebe dich weg von mir, Satanas, denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist!“ So würde Jesus nicht zu einem seiner wenigen Getreuen gesprochen haben, wenn in dessen Worten nicht die alte große Versuchung sich erneuert hätte. Am Ende hofft Judas seinen Herrn’ und Meister zu der Freiheitspolitik zwingen zu können, die sich das ganze jüdische Volk vom Messias verspricht, indem er Jesus durch römisches Militär verhaften 1äßt. Jetzt muß doch der Augenblick kommen, der die messianische Herrlichkeit offenbart. Es kennzeichnet die Haltung der Jünger, daß sich im Augenblick der Verhaftung in der Umgebung des Petrus Waffen finden. Als Jesus Reiches welches nicht von dieser Welt am deines willen, den Weg zum Kreuze geht, 5 fliehen die© Zwö wöH Tassungs los entsetzt. Er stirbt allein. Warum haben ihn die Juden gekreuzigt? Weil er am | tiefsten Jude gewesen. ist und darum das Judentum aufgehoben hat. Er hat den Irrtum des jüdischen Anspruchs ‚Kiches

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aufgedeckt, indem er die Staatskunst beiseite geschoben und sich nur auf die Gnade Jahwes verlassen hat. Dadurch scheint die israelitische Sittlichkeit unbesiegbar aufgerichtet zu sein. Ihre Erfüllung liegt nun allein bei Jahwe und seiner. Gnade. Damit aber, daß alles im Willen Gottes steht, verliert der menschliche Wille seine Entscheidungskraft, ohne den es keine Sittlichkeit und keine Sünde geben kann. Das darf nicht sein. Der Mensch, der an das Geheimnis dieses Widerspruchs gerührt hat, muß sterben. Doch es geht den Juden mit. Jesus, wie es ihnen mit Jeremia gegangen ist. Man beseitigt eine Gefahr nicht dadurch, daß man den tötet, der sie uns zeigt. Das Vertrauen in die Möglichkeit eines politischen Aufstiegs der Juden ist seit Jesus endgültig dahin. Die verzweifelten Kämpfe gegen die Römer führen trotz der verbissenen Tapferkeit Bar Kochbas nicht zum Siege. Die Judensiedlungen der Zerstreuung nach der Eroberung Jerusalems durch Titus werden nicht zu unabhängigen Machtstaaten, sondern bleiben Ghetto. Und längst hat der Zionismus der Gegenwart nach den ersten leichtfertigen Hoffnungen der vergangenen Jahrzehnte eingesehen, daß das Judentum nicht mit. unjüdischen Mitteln, nämlich mit bewaffneter Hand und staatskünstlerischem Zugriff erneuert werden kann. Jerusalem kann aufs Neue zum Wahrzeichen des alten Glaubens werden, aber niemals wieder zur Hauptstadt eines jüdischen Staates. Jedoch auch die Haltung Jesu ist für sein Volk unmöglich. Es müßte sich sonst selbst aufheben. Der Glaube an den allmächtigen Gott — der die Sittlichkeit ‚beseitigt, die er schützen soll — führt aus dem seelischen Raum Israels heraus in das Reich Eckeharts. und Nietzsches, führt in den Glauben an die Einheit von Gott und Welt.

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‚So kommen die Juden nicht von den Fragen des Reiches los. Sie werden, gerade wenn sie ihr eigenes Wesen recht zu Ende denken und leben wollen, immer 39

wieder an den Ort gedrängt, an dem sie gezwungen worden sind, ihren Messias zu kreuzigen, an den Ort, wo in Jesus der Untergang des Judentums beschlossen ist, und wo in Luther der Weg des Reiches über Israel hinaus beginnt. Die Judenfrage unter den Deutschen ist zugleich die‘ Frage nach dem Christentum unter den Deutschen, gesetzt, daß man unter dem Christentum nicht die christliche Außenseite der römischen Staatskunst oder der byzantinischen Weisheit verstehen will, sondern wirklich den Glauben des Christus. In diesem Glauben stehen Bergpredigt und Gnadenverkündigung in unvereinbarem Gegensatz. Diese hebt den freien Willen auf, jene setzt ihn voraus. In der Haltung des Reiches. besteht ein solcher Gegensatz nicht. Man muß sich allerdings hüten, ihn im Geistigen oder im Körperlichen zu suchen. Die seelischen Dinge erscheinen zwar in geistiger oder körperlicher Gestalt, und man kann an den geistigen oder körperlichen Tatbeständen, an den Weisheiten und Handlungen der Menschen ermessen, welches Seelentum in ihnen lebt; aber die Kräfte und Spannungen, die dem Seelentum eignen, sind nicht selber geistiger oder körperlicher Art. So steht auch mit dem Widerspruch innerhalb Israels und mit der Aufgehobenheit der Gegensätze im Reich. Die geistige Gestalt, die unser Nachdenken jenem Widerspruch und dieser Aufgehobenheit gibt, ist nur Gleichnis und Spiegelbild eines seelischen Vorganges, auf den wir gedanklich. nicht anders hindeuten können. Wenn also von der Haltung des Reiches gesprochen | wird, so wird in geistiger Gestalt abgebildet, was als lebendige Wirklichkeit in den Menschen des Reiches, in den Deutschen sichtbar wird. Mit anderen Worten: man ist nicht dadurch Mensch des Reiches, daß man sich Deutscher nennt, sondern man hat das Recht, sich Deut- ; scher zu nennen, wenn man ein Mensch des Reiches ist; weil Eckehart und Luther und Nietzsche, weil Heinrich IV. und Friedrich und Bismarck den deutschen Namen getragen

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er der haben, aus diesem und keinem anderen Grunde wei ihm, Reich die für gehören. zum In Ehrenname die, kein besteht Welt und Gott ist, gewiß Einheit: von es der Gegensatz zwischen dem Werk des Menschen und dem göttlichen Willen: die Seele ist in Gott, und Gott ist in der Seele, Von dieser Zuversicht aus, die Gott in allen Dingen findet, geschieht das Leben des Reiches durch alle Dinge hindurch; und diese seelische Wirklichkeit spiegelt sich im Tun der Deutschen als stetig wiederkehrender Drang zur Fremde, als Untergang in der Fremde, und als Heimkehr durch die Fremde hindurch zu sich selbst. Wir nehmen die Schätze der ganzen Erde in uns auf und finden in der Fremde uns selbst. So nehmen wir auch die Kräfte Israels in ihrer höchsten Vollendung, in ihrem messianischen Zustande in uns auf und finden durch sie hindurchgehend, was höher steht als sie, die Gewißheit Nietzsches, die Gewißheit des ewig kommenden Gottes. Darum suchen die Juden den deutschen Raum: weil hier die Staatskunst möglich ist, die sie sich verbieten müssen, weil hier die Antwort auf die messianische Frage verborgen liegt, weil der innere Widerspruch des israelitischen Wesens sie nicht in sich selber ruhen läßt. Aber die Lösung des Widerspruchs, die Antwort auf das Kreuz, ‚das Ja zur Welt und ihrem Krieg und Frieden, das Ja also zur Staatskunst: alle diese Dinge sind nicht mehr jüdisch, sondern deutsch, Wo wir tiefe oder oberflächliche Feindschaft zwischen Juden und Deutschen finden, wurzelt sie. in diesem Grunde. Der israelitische Mensch muß sich an das Deutschtum hängen; wenn er es haßt, haßt er den unentrinnbaren Zwang dieser Abhängigkeit. Um dem Zwange zu entrinnen, versucht er sich in die deutschen Dinge hineinzudeuten. Der Deutsche hat es nicht nötig, ihn wegen dieses aussichtslosen Unterfangens zu hassen. Wer überlegen ist, haßt nicht. Unter Deutschen. findet sich der Judenhaß nur dort, wo die Sicherheit des. Deutschtums fehlt.

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Die Zeit der israelitischen Menschen und Gedanken auf Erden geht zu Ende. Die Welt der jüdischen Zerstreuung und des Christentums ist müde geworden. Der Messias, der nicht aufzulösen, sondern zu erfüllen gekommen hat nicht erfüllt, sondern aufgelöst.

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Richard Euringer

Richard Euringer, geboren zu Augsburg im bayerischen Schwaben, 4. April 1891, bäuerlich bürgerlicher Herkunft, von Benediktinern erzogen, publizierte schon als Schüler, u. a. ein Wahlgedicht „An die Lauen“, mit Strophen wie dieser: „Ob dort, ob hier, den Gegner wird man ehren, doch der Verachtung würdig achten wir, wer nicht es wagte, einem Heer zu schwören!“

oder — nach der Zeppelinkatastrophe bei Echterdingen — ein „Lied an den Aar“:

„+ hast du’s gesehen zwischen feinen Schleiern schwimmen Und wie es glitt im weiten Himmelsmeer — Und dann die Flamme und die Donnerstimmen, Kin Schrei, ein Schluchzen, und es ist nicht mehr! Nicht mehr? Nie mehr? So flieht mit feuchten Wimpern [wieder

Der schöne Traum, der eine neue Zeil verhieß? Ermaltet sinkt der Mensch zu seinem Staube nieder, Den himmelstürmend er zu seinen Füßen ließ?

. Getrost! Er wird auch dieses Schicksal niederringen, Ich seh’s..., er öffnet seine Schwingen, ‚Er schlägt die Lüfte wieder mit gewall'gem Flug! Und näher, grad zur Sonne, steigt der kühne Schwimmer, Ein neuer Stern, der seine Heimat sucht, Und sieh! Er kreist, er rastet von der Flucht! Da hört er, fern, tief unten, leisen Schalles Ein Lied. Er lauscht und schauert:

*

Deutschland über alles!“

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Zwischen drei Berufen wählie der Ablurient: Dichter, Mönch, Soldat. Er wurde Soldat, diente unter hartem Generalstähler im 3. bayr. Inf.-Rgt. Auf der‘ "Kriegsschule las er zur Felddienstordnung Plato. Der Kasernhofdienst füllte den jungen Offizier nicht aus. Er strebie zur jungen Fliegerei, erwarb sich sein Abzeichen noch im Frieden. Den Welikrieg erlebte er als Feldpilot an der Westfront, in der Sinaiwüste, im Kampf um den Suezkanal, auf dem alten historischen Lechfeld als Führer der Fliegerschule 4, zuleizt als Chefadjulant des Kommandeurs der Flieger der VI. Armee. Am zweiten Revolulionstag reichte er seinen Abschied ein. Die Universität bot nur Wissen. Er wandte sich ab. Mystischen Dichtungen („Kreuz im Kreise“, „Mata‘‘) folgten fünf Dramen (Ein „Saul, König Schwermult‘“, „Die Erstarrung‘“, Die „Promethie“, „Der Narr von Rom“, „Don Juan. in Deutschland“.) Eine Uraufführungsbühne versuchte, dem Kassengeschäft der Theater zum Trotz, deutsche Stücke durchzudrücken. Euringers „Der Neue Midas“ erlebie seine Uraufführung, in München 1920. Hohn dankte für das „völkische Machwerk“. Das Stück versackte wie die Bühne. In einem gewaltigen Prosaroman „Fleisch und Kleider“ (1921) rechnete Euringer mit der Zeit ab. Im Mittelpunkt der. beiden Bände stehen ein lebensmüder Jude und ein empörter Bauernpfarrer. („Eis und Feuer“): Müde Skepsis und flammender Glaube. „Mehr verlange ich für’s erste nicht: diesen Grundgedanken: die Erkenntnis, dieses Wissen zu verkörpern, festzulegen, wachzuhalten, hochzuzüchten, einen Bund, eine Organisalion, ein Aposliolat der Laien, nicht der Priester, aller Menschen! Hier die Scheidung, nur die Scheidung will ich haben, nur die sirenge Scheidung: „Hie ich will jal“ „Hie ich will nein!“ Nur den Zwang zur Scheidung in die Rechten und die Linken! Nicht die Guten und die Bösen! Nicht die Armen und die Reichen, nicht die. Knechte und die Herren . Die‚sen einen ungeheuren Riß durch die Menschheit, der den

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Bekenntnis zur „Judenfrage“

Kult und die Kultur des Fleisches trennt vom Kult und der Kultur des Geistes, nein ... des Willens über das Fleisch Das Fleisch muß dienen und der Geistmuß herrschen. Dies ist das Ziel. Der Weg: Scheidung, Entscheidung, Unterscheidung, Kampf.“ Die Werte stehen als Leitvers vor.“ Der Verleger wagte den Druck nicht, ob der Kraßheiten. der Schilderung. 1925 erzwang der Autor die kurz eh der Verlag versackte. Das Drucklegung Buch versackte, wurde mißbraucht. Der Autor legie es nicht wieder auf. Freude hat es ihm nicht gemacht: die Kritik nach beiden Seiten taugie niemand. Ein derbes Schwankbuch „Vagel Bunt“ versackte in der Inflation. Zwei Bändchen Legenden und Geschichten „GHeichnis der Zeit“, „Pan und die Fliege“ wahrsagten Deutschlands Wiederaufstieg aus der Selbstbesinnung. Die Inflation überstand er in mancherlei Aushilfsberufen, so als Sägewerksarbeiter und Holzirifter im Gebirge. Ohne Verlag, ohne Bühne, schrieb er in den folgenden Jahren Gleichnisse für. deutsche Blätter. 1924 fand er sein Weib, siedelte nach Westfalen über. 1925 gebar ihm Frau Trude den ersten Sohn. 1929 schrieb er als eins der frühsten Kriegsbücher seine „Fliegerschule 4“. „Multer, sag nichts, wie alles noch geendet! Es war nicht umsonst, wir sind vollendet“. Der Vorspruch stammt vom „Kriegergrabmal“ aus seinem‘ (vergriffenen) „Sprüchl-Büchl“ vom Jahre 1925. 1930 erschien sein‘ Roman „Zu uns komme die Zucht!“ unter dem Titel „Die Arbeitslosen“. Seither arbeitet er an einem zweibändigen Werk „aus hundert Jahren Anarchie“ mit dem Titel „Die. Fürsten fallen“. Seit 1932 führt er den jungen „Nationalverband Deutscher Schriftsteller“: den Versuch einer Sammlung deutscher ‚Geister, überparteiisch, überm Gezänk der Konfessionen, aktivistisch antiliberal, im Glauben an die Kameradschaft der redlichsten Männer der Nation,

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Zitierung ohne Zusammenhang aus Gründen der Redlichkeit verbeten.

zu klären? Eine Frage? ist ‚Oder jener trübe Gast, der sie

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gestellt wird? .

stellt und dem sie

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Damit dienen, was „gefragt“ ist, heißt: die Konjunktur erfassen. Zeugnis geben heißt: bekennen, womit „niemandem gedient“ ist, *

Antisemitismus ist eine Krankheit. Ihr Erreger: der Semit., Sie befällt Völkerschaften, die, in ihrer Gesundheit 47 .

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geschwächt, nicht die natürliche Widerstandskraft bringen, den Erreger auszuscheiden.

auf-

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Der „Judenkrankheit“ verfällt die Natur nicht anders als der Franzosenkrankheit. Der Fall geht vorher. Erst die gefallene Volksnatur fällt der „Judenpest‘“ zum Opfer. *

Emanzipiert hat den Semiten das Laster der Fürsten, die Wollust der Höfe, die Goldgier üppiger Verschwender, die Habsucht frivoler Kabinette, die Prunksucht eines verlotterten Adels, die Schmiegsamkeit des geschmeichelten Klerus, die Blasphemie der „Aufgeklärten‘“. In summa: die Ueberheblichkeit der Privilegierten, die sich fühlten | wie die Götter und doch der kuppelnden Kreatur nicht ganz entraten mochten, die für deren Menschlichkeiten, nein: für ihr viehisches Bedürfnis dann den Sündentaler einstrich. Verachtung seiner Verächter lernte der, der dann „Hofjude‘“ hieß. Die Brüchigkeit hinter dem schönen Schein war sein gehütetes „Staatsgeheimnis‘“. Wenn einer, so erkannte er früh die Ritzen‘ des’ Verfalls. Die miß-“ brauchte Kreatur sah, däß man sie brauchen werde, wenn sie sich nur mißbrauchen ließ. Die Willfährigkeit des Werkzeugs nahm ihre Rache. Mätresse und Semit „dienten“ ,. im Wissen: „Du wirst herrschen.“ Verachtung des Verächters, übertüncht durch Höflichkeit... So mißbrauchten sie einander.

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Emanzipiert hat den Semiten die Verführbarkeit des Bürgers. Die Lüsternheit der Jahrmarktgaffer,. Die Eitelkeit der Frauenzimmer. Die Genußsucht der Geprellten. Das Doppelleben der Ehemänner. Die Dumpfheit der Säufer und Schuldenmacher. Die Kraftmeierei der Renommisten. .Der Vorwitz der Halbgebildeten. Das Sensationsgelüst des Spießers, Der Dünkel der Besserwissenden. Die Humanitätsduselei von „Christen“, die meinten, gerecht zu sein, wo sie der Suggestion verfallen. Die „Näch48

stenliebe“ von Philanthropen, die vergessen, daß gesagt ist: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Die Treuherzigkeit Ahnungsloser, die mit medialem Lächeln jeder Anpreisung erliegen. Emanzipiert hat den Semiten seine Stärke: unsere Schwächen. %

Der Fall des Juden „spielt“ vorher. Erst die gefallene Judennatur verfiel der Verachtung der Verächter. Erst. die gefallene Judennatur emanzipiert sich als Semit. Die Geschichte seines Aufstiegs — eine noch recht junge Geschichte — ist die Kehrseite seines Abstiegs. *

Der verworfene Erzengel hebt als Luzifer sein Haupt. tun muß. Wer in dem Fluch, der den Juden zeichnet, den Segen nicht spürt, der das Volk Israel ausgezeichnet, der sieht nur die Spottgeburt des Witzblatts, nicht die Tragödie der

‚Das verworfene auserwählte Volk tut, was es

Nation.

Weltgeschichtliche Hintergründe sind der einzige Hintergrund, vor dem der dämonische Beruf der gefallenen Judenheit mehr als ein Spektakel darstellt. Freilich, vergesse der Zuschauer nicht, daß der Selbstgerechteste verflucht ist samt seinem ganzen Geschlecht als verworfener Liebling Gottes, so daß wir allesamt Anlaß hätten, uns zu schonen in unserm Elend! Denn die Tragödie jenes auserwählten Volkes ist das Gleichnis der größeren, die uns verstieß aus Paradiesen, Die Zerstreuung der Nation ist die Zerstreuung des Menschengeschlechts über die Oeden dieser Erde. Die Sprachenverwirrung des jüdischen Geistes ist nur das Gleichnis der Verwirrung, die unsere Sprache auch verwirrt hat. Oder man verwirft die Bibel. *

Christus als Erlöser der gefallenen Menschennatur wird nicht geschichtlich ohne seine Vorgeschichte. „Klärung‘‘

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Es läßt sich das neue Testament nicht abhacken vom alten Bunde. Wie der Deutsche in der Luft hängt ohne sein Germanentum, so wird Christus nicht geschichtlich ohne sein Vorchristentum. Christus, der auserwählte Sohn eines auserwählten Volkes, ist der Christ und war der Jude. Christus hat die gefallene Natur göttlich wieder aufgerichtet. Christus hat den- Verworfenen liebevoll an sich gezogen. „Aber du hast nicht gewollt.“ Die Absage des Judentums an Christus, den verheißenen Erlöser, ist die Tragödie seiner Verblendung. Die Absage des Christentums an Christi geschichtliches Judentum freilich wäre unsere Verblendung. In Christus hat sich das Judentum überwunden. Er hat die Judenfrage gelöst. Die Tatsache der Verjudung Europas ist etwas anderes, so dünkt mich, als die vorchristliche Geschichte einer jüdischen Nation. Ehrfurcht mag der Schlüssel sein zu dieser wie zu jeder Einsicht. *

Wer Abraham, Isaak und Jakob lächerlich findet, lächerlich macht, ich weiß nicht, was dem Joseph sein wird. War nicht der Pflegevater Jesu auch nur ein Jude? War nicht die lieblichste Gestalt der Weltgeschichte — sie, der das christliche Abendland Wunderwerke innigster Schöpfungen verdankt —, war nicht Maria, die Magd des Herrn, die Mutter des Heilands, auch nur ein armes Judenkind?

Wo endet der Spott? Vor der Krippe im kalten Stall? Aus welcher Logik und Konsequenz? Wenn denn schon etwas lächerlich ist an den biblischen Gestalten, den einfältig schlichten des neuen Bundes, den furchtbar gewaltigen des alten: wird nicht Christus zum Gespött? Es ist ein Ros entsprungen aus einer. Wurzel zart, als uns die Alten sungen, aus Jesse kam die Art. 50

Denen Isaak ein fauler Witz ist, Sara nichts als eine Vettel, und Susanna halt ein Zötlein, die haben vielleicht doch vergessen, daß der von ihnen gehaßte Semit, der Europa ruiniert, die Entartung einer Art ist, der das deutsche Volksgemüt auch schon Volkslieder gesungen.

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Verjudung und Judentum sind zwei. Es ist nicht der Jude, der verjudet. Nein, er ist nur zu sehr entjudet. Verjudet ist das deutsche Volk. Verjudet ist die Christenheit, Europa verjudet. Vielleicht die Welt. Kernig, tatkräftig christliche Völker überwinden das Judentum. Erst wo das christliche Leben nachläßt, frißt die Verjudung sich ins Blut. Man schlage in der Geschichte nach! Man gehe der „Aufklärung‘“ nach, wie sie die Enzyklopädisten gelehrt, wie sie die Revolution dann gebracht! Das Wort vom auserwählten Volk hätte offenbar keinen Sinn, wäre das Volk Israel nicht vor einer Wahl gestanden, sich für den gottgewollten Beruf irgendeinmal zu entscheiden. Die Kräfte dieses furchtbaren Volkes wirken auch noch in der Verzweiflung. Der dämonische Beruf des entjudeten Semiten scheint, die Völker aufzufressen, deren christliches Leben hinsiecht. Wahrlich, ein schrecklicher Beruf! Ein Aasgeier-Amt, höchst widerwärtig! Aber —. um mit Mephisto zu sprechen — neben dieser Kadaverarbeit am lebendigen. Leib der Toten könnte sein Beruf auch der sein, das Christentum immun zu machen: den Leib, den einen lebenden Leib, den unverweslichen, zu „impfen“. Wer erkennt die Vorsehung? ;

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Es hat eine solche Aufgabe mit der Liebenswürdigkeit des einzelnen „Juden“ nichts zu tun. (Liebensunwürdig ist kein Mensch.) Er ist der Träger seines Fluchs. Aber so wird auch offenbar, daß ein Kampf mit dem „Judentum“ eine Sache auf Leben und Tod ist. Der Semit &«

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ist der Widersacher der Christenheit, Oder er ist ein armer Teufel.

Die Bewußtmachung des letzten unbewußteren Bewußtgeins birgt dann freilich auch Gefahr. Die schlafwandelnde Sicherheit des natürlichen Widerwillens wird „geweckt“, wird angerufen. Wird sie dadurch nicht beirrt? Wir beklagen uns doch heute, daß ein gieriger Intellekt alle Unschuld unseres Webens in die grelle Nachkontrolle der Bewußtseinssphäre zerrt. Urgeheimnisse des Lebens reguliert der Witz des Hirns, War die Scheu, die Scheu der Unschuld voll Geheimnis, nicht die treueste Sicherheit? Derer wenigstens, die noch rein sind. Rasserein, in diesem Fall. Oder wendet sich die Warnung an die Mischlinge der Entartung? . Deutet sie ihnen ihre Schwermut? Oder spricht aus unser jedem, der ein Paradies verlor, Sehnsucht nach der einen Heimat? Wie jede Forschung, bricht auch die Rassenforschung in irgend solch ein Paradies ein. Aber vielleicht liegt der Fall auch so, daß die Bedrohung unserer Rasse Selbsterhaltungstriebe aufschreckt. Und wahrscheinlich ist es so. Der sichtbare Verfall der Rasse ruft den Forscher auf den Plan. Wir wollen wissen, was uns umbringt!

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Wie aber will ein Christenvolk seinen Kampf gegen ‚Sems Söhne legitimieren, wo ihm sein eigenes Christentum nur noch ein Geschwätz geworden? Kampf der Rassen?! Selbstbehauptung der von Gott gewollten Art! Gut. Wie führe ich diesen Rassenkampf? Durch Aufklärung. Durch Rassenforschung. Was lehrt sie mich? Selbstbewußtsein. Arterhaltung durch Enthaltung. Die Verdienste derer, die diese Aufklärungsarbeit leisten, sollte man nicht unterschätzen. Aus welchen Motiven sie entspringe: sie erfüllt eine Mission. Die Kirche hat nie die Vermischung gutgeheißen: zwischen Getauften und Ungetauften. Sie ist,.die Hüterin der Seele. Mag ihr der Staat an die Seite treten als Hüter des Leibes! Es wird Zeit! Wir grüßen diesen Staat. Auch der Bibelgläubige, dem Eva die Mutter ‚aller bleibt, und Sem eben Noahs Sohn, gibt seine Tochter keinem Neger. Auch dem getauften Neger nicht. Jede Zeit macht ihre Entdeckung. Die Erdkugel ist durch die Technik geschrumpft. Wir haben einen Krieg erlebt, in dem wir den einst begehrten Zuaven in allen Farben „schätzen“ lernten. Wir haben die schwarze Schmach gekostet. Sie war, sie bleibt die Schmach der Weißen. — Wo man es nicht verwinden könnte, daß ein gesunder Bauernsohn sich in einer Gräfin fortpflanzt, müßte man eigentlich verstehen, daß im Blut ein Erbe schwimmt, auch wenn die Seele absolviert ist. *

Oder genügt Enthaltung nicht? Gilt es, Instinkte aufzurütteln? Urinstinkte zu erwecken? Ein Bewußtsein, das geschlafen? *

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Schlimmer als die Schmach der Leiber, haust die. bunte Schmach der Geister, Es ist eine deutsche Sucht geworden, die Terminologie der Semiten nachzudenken. Wie es eine Sucht geworden, ihre Schlager nachzuleiern. Keiner von uns ist frei davon. Aber der Laie staunt doch manchmal, mit welcher Virtuosität geschworene Antisemiten deren Weise produzieren. Es war der widerlichste Zug europäischer Semiten, wie sie in Eigenart und, Brauch sich selber zum Gespött gehabt. (Im Orient fiel mir das nicht auf. In Palästina sah ich es nicht.) Immerhin war es der traurigste Zug ihrer seelischen Verirrung, ihres Jammers, ihres Ekels, ihrer Sehnsucht nach dem Wesen. Die Fertigkeit blaublut-blondlockiger Arier, den Affen des Judentums nachzuäffen, scheint mir widerwärtiger. Ich frage mich, ob diese Monomanie, nur noch „Jüdisches“ nachzu)

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leiern, vorzukauen, zu kopieren, zu imitieren, zu travestieren, zu pervertieren, zu persiflieren, zu kritisieren, nicht selbst eine Form von Verjudung darstellt. Ich frage mich, ob der Widerwille, den Menschen, die selbst davon überzeugt sind, daß der Herrschaftsanspruch „Juda’s‘“ auf die Zentralen unseres Lebens Zustände geschaffen hat, die nicht mehr erträglich sind, gegen gewisse Methoden des Antisemitismus einfach nicht überwinden können, nicht vielleicht. doch die gesunde Regung eines gesünderen Instinktes ist. Unsere völkischen Zeitschriften scheinen nur noch Raum ‘Zu haben für Negierung und Karikierung. Jedes dünne Feuilleton, das ein „Asphaltjude‘“ verkleckert, erschüttert schuldigst die ganze Presse. Und die sagenhaft Stillen im Lande blühen weiter wie die Veilchen! Hat man bei der Scheidung der Geister vergessen, daß die schlichteste Entscheidung oft eben einfach die Scheidung ist? Soll der Jude schon nicht tun, was er tun muß — wie gesagt ist: „Was du tun mußt, tue bald!“ — warum tut ihr sein Geschäft?. Aefft man ihn von früh bis spät, warum lernt man nicht von ihm auch die Kunst, zu

Warum belächelt man den Christen, der sein Ja lebt und verkündet, statt nur immer zu verneinen? Warum wird man gleich nervös, wenn einmal ein Katholik das Wort Aktion mit Leben füllt? Wahrscheinlich, weil der „Katholizismus“ mit dem „Judentum“ paktiert? Ja, er paktiert mit der Verjudung.. Wenn auch nicht der Katholizismus, sondern der in Gänsefüßchen. Er ist reichlich instinktlos geworden. (Wahrscheinlich nicht er allein.) Er läuft einen wenig rühmlichen Wettlauf mit den jüdischen Methoden. Es tut not, daß hier. Wandel. geschaffen wird, und wäre es durch Katastrophen. Aber man goll nicht nur verneinen, Auch da nicht. Man soll nicht im Namen des Christentums die Axt an die Wurzel des Christentums legen, ohne zu wissen, was man tut. Man mag sich auch da aufklären lassen! Es wird zur Klärung der Christenfrage einiges beizusteuern haben.

Oder genügt es wirklich nicht mehr, sich bei der eigenen Nase zu nehmen? Ist da nicht mehr zu ignorieren? Ist es penetrant geworden? Stinkt es zum Himmel? Dann räuchert es aus! Aber bewerft ihn nicht mit Dreck! Mit Kot ist nicht reiner Tisch zu machen,

Im Angesicht des Bolschewismus, der Europa überschattet, bekenne ich mich überzeugt, daß im bolschewisierten Deutschland ein Semit Diktator wäre. Ich bekenne mich überzeugt, daß jeder Groschen, den wir unseren Kräften entziehen, seine Kräfte zu verstärken, diesem Ziel uns näher trägt. (Wir haben das nicht immer gegehen, Wer uns die Augen dafür geöffnet, hat sein Verdienst.) Aber ich bin auch überzeugt, daß die besagte Judenfrage erst dann einer Antwort zureift, wenn sie als Symptom einer anderen Frage gesehen wird: der Frage des Antichristentums, die die christliche Kultur des Abendlands in Frage stellt. -ı Man unterschätze die Not-Wehr nicht, die sich körperlich‘ rekrutiert in Bataillonen zum Abwehrkampfl Aber sie werden nichts als Fleisch sein, wenn nicht eindeutig christlicher Geist sie begeistert zu diesem Kreuzzug! Nicht

ignorieren?

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Wie kommt es, daß der Heidebauer irgendwo draußen weit aus der „Welt“ die prominenten Namen eurer Lieblingsjuden kennt, aber nie ein Wort gehört hat von der Sendung unserer Leute? — Wirklich, wir könnten etwas lernen, Oder ist unsere Negation unsere ganze Position? Haben wir nichts mehr aufzubieten? Nichts Wirtschaft gegen Wirtschaft? Nichts als Technik gegen Technik? Nichts. als schneidigen Intellekt gegen schneidenden Intellekt?

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„ Denn wir wollen doch nicht Geschwätz, nicht Hetze, nicht nur Diskussion, sondern Klarheit. *

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die verschwommene Humanität einer verweichlichten Nächstenliebe, die das Eigenste verrät; nur die schonungslose Liebe zum Heiligsten unserer Gesittung darf in solchem Kampfe führen. Dumpfheit wird nicht Klarheit schaffen. Rüpeleien heiligt der Zweck nicht. Vor die Rücksichtslosigkeit haben die Helden die Ehrfurcht gesetzt. Aber das will auch gesagt sein: im Tätigen wirkt die Vorsehung, im Verblendeten, im Erleuchteten; im Nörgler und Drückeberger nicht. *

Die große Gefahr sind nicht die Massen, die der Gottlose in den Kampf wirft, sondern sein Glaube an den Sieg. Die Müdigkeit der Christenheit ist nicht die rechte Ergriffenheit, die zum Werkzeug Gottes macht. Die Selbstzerfleischung des christlichen Geistes ist nicht die rechte Vorbereitung, einem Ungeist zu begegnen. Aber soviel ist mein Glaube: stärker als alle Mächte des Hasses wird die Macht der Liebe sein; sie, die überwindende Urkraft wird den Hasser überwinden. Der heile, gefeite, der heilige Geist wird das Unheil übermögen. In hundert Jahren oder tausend? „Morgen“, sagen die Tätigen, Gut. Im Angesicht der Kämpfe, die wir auszufechten haben, sind tausend Jahre wie ein Tag. Die Frage der Stunde ist die Frage der Epoche. Ich glaube an den deutschen Beruf, auf die Frage, die da gestellt ist, eine Antwort auszutragen.

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Friedrich Nietzsche

Rom gegen Judäa, Judäa gegen Rom

„Insgleichen ist jeder „Feminismus“ im Menschen, auch im Manne, ein Torschluß für mich: man wird niemals in dies Labyrinth verwegener Erkenntnis

eintreten.“

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Die Juden sind das merkwürdigste Volk der Weltgeschichte, weil sie, vor die Frage von Sein und Nichtsein gestellt, mit einer vollkommen unheimlichen Bewußtheit das Sein um jeden Preis vorgezogen haben; dieser Preis war die radikale Fälschung aller Natur, aller Natürlichkeit, aller Realität, der ganzen inneren Welt so gut als der äußeren... Sie grenzten sich ab gegen alle Bedingungen, unter denen bisher ein Volk leben konnte, leben durite; *

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sie schufen aus sich einen Gegensatz-Begriff zu natürlichen Bedingungen, — sie haben, der Reihe nach, die Religion, den Kultus, die Moral, die Geschichte, die Psychologie auf eine unheilbare Weise in Widerspruch zu deren NaturWerten umgedreht. Wir begegnen demselben Phänomene noch einmal und in unsäglich vergrößerten Proportionen, trotzdem nur als Kopie; — die christliche Kirche entbehrt, im Vergleich zum „Volk der Heiligen‘, jedes Anspruchs auf Originalität. Die Juden sind, ebendamit, das verhängnisvollste Volk der Weltgeschichte; in ihren Nachwirkungen haben sie die Menschheit dermaßen falsch gemacht, daß heute noch der Christ antijüdisch fühlen kann, ohne sich als die letzte jüdische Konsequenz zu verstehen. Habe ich noch zu sagen, daß im ganzen Neuen Testament bloß eine einzige Figur vorkommt, die man ehren muß? Pilatus, der römische Statthalter. Einen Judenhandel ernst zu nehmen — dazu überredet er sich nicht. Der Ein Jude mehr oder weniger — was liegt daran? vornehme Hohn eines Römers, vor dem ein unverschämter Mißbrauch mit dem Worte „Wahrheit“ getrieben wird, hat das Neue Testament mit dem einzigen Wort bereichert, das Wert hat, — das seine Kritik, seine Vernichtung selbst ist: „was ist Wahrheit!“ „.. Epikur hätte gesiegt, jeder achtbare Geist im römischen Reich war Epikureer, da erschien Paulus. Paulus, der Fleisch-, der Geniegewordene Tschandala-Haß gegen Rom, gegen die „Welt“, der Jude, der ewige Jude par excellence. Was erriet, das war, wie man mit Hilfe der kleinen sektiererischen Christen-Bewegung abseits des Judentums einen „Weltbrand“ entzünden könne, wie man mit dem Symbol „Gott am Kreuze“. alles Unten-Liegende, alles Heimlich-Aufrührerische, die ganze Erbschaft anarchistischer Umtriebe im Reich, zu einer ungeheuren Macht aufsummieren könne. „Das Heil kommt von den Juden.“ — Das Christentum als Formel, um die unterirdischen Kulte aller Art, die des Osiris, der großen Mutter, des Mithras zum Beispiel, zu überbieten — und zu summieren; in dieser Einsicht besteht das Genie des Paulus. Sein Instinkt

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war darin so. sicher, daß er die Vorstellungen, mit denen jene Tschandala-Religion faszinierte, mit schonungsloser Gewalttätigkeit an der Wahrheit dem „Heilande‘“ seiner Erfindung in den Mund legte, und nicht nur in den Mund, — daß er aus ihm etwas machte, das auch ein Mithraspriester verstehen konnte. Dies war sein Augenblick von Damaskus; er begriff, daß er den Unsterblichkeitsglauben nötig hatte, um „die Welt“ zu entwerten, daß der Begriff „Hölle“ über Rom noch Herr wird, — daß man mit dem „Jenseits“ das Leben tötet. Nihilist und Christ; das reimt sich, das reimt sich nicht bloß. ‚.. Alles umsonst! Ueber Nacht bloß noch eine Erinnerung! — Griechen! Römer! die Vornehmheit des Instinktes, der Geschmack, die methodische Forschung, das Genie der Organisation und Verwaltung, der Glaube, der Wille zur Menschen-Zukunft, das große Ja zu allen Dingen als imperium Romanum sichtbar, für alle Sinne sichtbar, der große Stil nicht mehr bloß Kunst, sondern Realität, Wahrheit, Leben geworden. — Und nicht durch ein Naturereignis über Nacht verschüttet! Nicht durch Germanen und andere Schwerfüßler niedergetreten! Sondern von listigen, heimlichen, unsichtbaren, blutarmen Vampieren zuschanden Die vergemacht! Nicht besiegt, — nur ausgesogen! steckte Rachsucht, der kleine Neid Herr geworden! Alles Erbärmliche, An-sich-Leidende, von-schlechten-GefühlenHeimgesuchte, die ganze Getto-Welt der Seele mit einem Male obenauf! .. . Die „Unsterblichkeit“ jedem Petrus und Paulus zugestanden, war bisher das größte, das bösartigste Attentat auf die vornehme Menschlichkeit. — Und unterschätzen wir das Verhängnis nicht, das vom Christentum aus sich bis in die Politik eingeschlichen hat! Niemand hat heute mehr den Mut zu. Sonderrechten, zu Herrschaftsrechten, zu einem Ehrfurchtsgefühl vor sich und seinesgleichen, — zu einem Pathos der Distanz. Unsere Politik ist krank an diesem Mangel an Mut! ‚‘.. Ich berühre hier nur das Problem der Entstehung des Christentums. Der erste Satz zu dessen Lösung heißt:

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das Christentum ist einzig aus dem Boden zu verstehen, aus dem es gewachsen ist; — es ist nicht eine Gegenbewegung gegen den jüdischen Instinkt, es ist dessen Folgerichtigkeit selbst, ein Schluß weiter in dessen furchteinflößender Logik. In der Formel des Erlösers: „das Heil kommt von den Juden.“ Daß die starken Rassen des nördlichen Europa den ‚.. christlichen Gott nicht von sich gestoßen haben, macht ihrer religiösen Begabung wahrlich keine Ehre — um nicht vom Geschmack zu reden. Mit einer solchen krankhaften und altersschwachen Ausgeburt der. decadence hätten sie fertig werden müssen. Aber es liegt ein Fluch dafür auf ihnen, daß sie nicht mit ihm fertig geworden sind; sie haben die Krankheit, das Alter, den Widerspruch in alle Instinkte aufgenommen, sie haben seitdem keinen Gott mehr geschaffen! Zwei Jahrtausende beinahe und nicht ein einziger neuer Gott! Man soll das Christentum nicht schmücken und her-. ausputzen; es hat einen Todkrieg gegen diesen höheren Typus Mensch gemacht, es hat alle Grundinstinkte dieses Typus in Bann getan, es hat aus diesen Instinkten das Böse, den Bösen herausdestilliert; — der starke Mensch als das typisch Verwerfliche, der „verworfene Mensch.“ ‚.. Alles, was auf Erden gegen „die Vornehmen“‘, „die Gewaltigen“, „die Herren“, „die Machthaber“ getan worden ist, ist nicht der Rede wert im Vergleich mit dem, was die Juden gegen sie getan haben; die Juden, jenes priesterliche Volk, das sich an seinen Feinden und Ueberwältigern zuletzt nur durch eine radikale Umwertung von deren Werten, also durch einen Akt der geistigsten Rache Genugtuung zu verschaffen wußte. So allein war es eben einem priesterlichen Volke gemäß, dem Volke der zurückgetretensten priesterlichen Rachsucht. Die Juden sind es gewesen, die gegen die aristokratische Wertgleichung (gut — vornehm — mächtig — schön — glücklich — gottgeliebt) mit einer furchteinflößenden Folgerichtigkeit die Umkehrung gewagt und mit den Zähnen des abgründlichsten Hasses (des Hasses der Ohnmacht) festgehalten haben,

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nämlich „die‘ Elenden sind allein die Guten, die Armen, Ohnmächtigen, Niedrigen sind allein die Guten, die Leidenden, Entbehrenden, Kranken, Häßlichen sind auch die einzigen Frommen, die einzig Gottseligen, für sie allein gibt es Seligkeit — dagegen ihr, ihr Vornehmen und Gewaltigen, ihr seid in alle Ewigkeit die Bösen, die Grausamen, die Lüsternen, die Unersättlichen, die Gottlosen, ihr werdet auch ewig die Unseligen, Verfluchten und Verdammten sein!“ Man weiß, wer die Erbschaft dieser jüdischen Umwertung gemacht hat. Aber ihr versteht das nicht? Ihr habt keine Augen für etwas, das zwei Jahrtausende gebraucht hat, um zum Siege zu kommen? Daran ist nichts zum Verwundern; alle langen Dinge sind schwer zu sehen, zu übersehen. Das aber ist das Ereignis; aus dem Stamme jenes Baumes der Rache und des Hasses, des jüdischen Hasses — des tiefsten und sublimsten, nämlich Ideale schaffenden, Werte umschaffenden Hasses, dessengleichen nie auf Erden dagewesen ist — wuchs etwas ebenso Unvergleichliches heraus, eine neue Liebe, die tiefste und sublimste aller Arten Liebe; — und aus welchem anderen Stamme hätte sie auch wachsen können? Daß man aber ja nicht vermeine, gie sei etwa als die eigentliche Verneinung jenes Durstes nach Rache, als Gegensatz des jüdischen Hasses emporgewachsen! Nein, das Umgekehrte ist die Wahrheit! Diese Liebe wuchs aus ihm heraus, als seine Krone, als die triumphierende, in der reinsten Helle und Sonnenfülle sich breit und breiter entfaltende Krone, welche mit demselben Drange gleichsam im Reiche des Lichts und der Höhe auf die Ziele jenes Hasses, auf Sieg, auf Beute, auf Verführung aus war, mit dem die Wurzeln jenes Hasses sich. immer gründlicher und begehrlicher in alles, was Tiefe hatte und böse war, hinunter senkten. Dieser Jesus von Nazareth, als das leibhafte Evangelium der Liebe, dieser den Armen, den Kranken, den Sündern die Seligkeit und den Sieg bringende „Erlöser‘“ — war es nicht gerade die Verführung ‚in ihrer unheimlichsten und unwiderstehlichsten Form, die Verführung und der Umweg zu eben jenen jüdischen "

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Werten und Neuerungen des Ideals? Hat Israel nicht gerade auf dem Umwege dieses „Erlösers‘“, dieses scheinbaren Widersachers und Auflösers Israels, das letzte Ziel seiner sublimen Rachsucht erreicht? Gehört es nicht in die geheime schwarze Kunst einer wahrhaft großen Politik der Rache, einer weitsichtigen, unterirdischen, langsamgreifenden und vorausrechnenden Rache, daß Israel selber das eigentliche Werkzeug seiner Rache vor aller Welt wie etwas Todfeindliches verleugnen und ans Kreuz schlagen mußte, damit „alle Welt‘“, nämlich alle Gegner Israels, unbedenklich gerade an diesen Köder anbeißen konnte? Gewiß ist wenigstens, daß sub hoc signo (unter diesem Zeichen/d. Verlg.) Israel mit seiner Rache und Umwertung aller Werte, bisher über alle anderen Ideale, über alle vornehmen Ideale immer wieder triumphiert hat. — wir zum Schluß. Die beiden entgegen.‚.. Kommen Werte gesetzten „gut und schlecht“, „gut und böse“ haben einen furchtbaren, Jahrtausende langen Kampf auf Erden gekämpft; und so gewiß auch der zweite Wert seit langem im Uebergewichte ist, so fehlt es doch auch jetzt noch nicht an Stellen, wo der Kampf unentschieden fortgekämpft wird. Man könnte selbst sagen, daß er inzwischen immer höher hinaufgetragen und eben damit immer tiefer, immer geistiger geworden sei: so daß es heute vielleicht kein entscheidenderes Abzeichen der „höheren Natur“, der geistigeren Natur gibt, als zwiespältig in jenem Sinne und wirklich noch ein Kampfplatz für jene Gegensätze zu sein. Das Symbol dieses Kampfes, in einer Schrift geschrieben, die über alle Menschengeschichte hinweg bisher lesbar blieb, heißt „Rom gegen Judäa, Judäa gegen Rom“ -— es gab bisher kein größeres Ereignis als diesen Kampf, diese Fragestellung, diesen todfeindlichen Widerspruch.: Rom empfand im Juden etwas wie die Widernatur selbst, gleichsam sein antipodisches Monstrum; in Rom galt der Jude „des Hasses gegen das ganze Menschengeschlecht überführt“: mit Recht, sofern man ein Recht hat, das Heil und die Zukunft des Menschengeschlechts an die unbedingte Herrschaft der aristokratischen Werte, der römischen Werte anzuknüpfen.

Was dagegen die Juden gegen Rom empfunden haben? Man errät es aus tausend Anzeichen; aber es genügt, sich einmal wieder die Johanneische Apokalypse zu Gemüte zu führen, jenen wüstesten aller geschriebenen Ausbrüche, welche die Rache auf dem Gewissen hat. (Unterschätze man übrigens die tiefe Folgerichtigkeit des christlichen Inatinktes nicht, als er gerade dieses Buch des Hasses mit dem Namen des Jüngers der Liebe überschrieb, desselben, dem er jenes verliebt-schwärmerische Evangelium zu eigen gab —: darin steckt ein Stück Wahrheit, wieviel literarische Falschmünzerei auch zu diesem Zwecke nötig gewesen sein mag.) Die Römer waren ja die Starken und Vornehmen, wie sie stärker und vornehmer bisher auf Erden nie dagewesen, selbst niemals geträumt worden sind; jeder UVeberrest von ihnen, jede Inschrift entzückt, gesetzt daß man errät, was da schreibt. Die Juden umgekehrt waren jenes priesterliche Volk des Ressentiment par excellence, dem eine volkstümlich-moralische Genialität sondergleichen innewohnte: man vergleiche nur die verwandt-begabten Völker, etwa die Chinesen oder die Deutschen, mit den Juden, um nachzufühlen, was ersten und was fünften Ranges ist. Wer von ihnen einstweilen gesiegt hat, Rom oder Judäa? Aber es ist ja gar kein Zweifel: man erwäge doch, vor wem man.sich heute in Rom selber als vor dem Inbegriff allez höchsten Werte beugt — und nicht nur in Rom, sonder 1ast auf der halben Erde, überall wo nur der Mensch zahm geworden ist oder zahm werden will —, vor drei Juden, wie man weiß, und einer Jüdin (vor Jesus von Nazareth, dem Fischer Petrus, dem Teppichwirker Paulus und der Mutter des anfangs genannten Jesus, genannt Maria). Wir haben, irgendwann, neue Werte nötig.‘

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(Zusammengestellt aus „Der Antichrist‘“ Genealogie der Moral“ von E. J.)

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Grüne Fragen und gelbe Antworten

Dr. jur. Max Naumann, Rechtsanwalt und Notar in Berlin, geboren am 12. Januar 1875 zu Berlin, stammt einer in Westpreußen eingesessenen Familie. Besuchte das Friedrichs-Werdersche Gymnasium in Berlin, studierte in Berlin, seit 1902 in Berlin als Anwalt niedergelassen. 1897/1898 Einjähriger in München. 1902 Reserveoffizier in der bayerischen Armee, rückte 1914 als Oberleutnant d. L. ins Feld. 1914—1918 Kompagnie- und Bataillonsführer bei Kampfiruppen, dazwischen einige Monate infolge Krankheit als Kriegsgerichtsrat verwendet. 1919 und bis zum Kapp-Pulsch Abteilungsführer bei der Charlottenburger Einwohnerwehr. Verfaßte 1920 die Schrift „Vom nationaldeutschen Juden“, die zuerst in der Kölnischen Zeitung, dann als Broschüre erschien und den Anstoß zur Gründung des Verbandes nationaldeutscher Juden gab. Gründung des Verbandes im März 1921. Vorsitzender bis 1926, dann Ehrenvorsitzender. Weitere Schriften zur Judenfrage: „Vom mosaischen und nichtmosaischen Juden“, „Von Zionisten und Jüdischnalionalen“ (Deutsche Verlagsgesellschaft für Polilik und Geschichte m. b. H., Berlin 1921), „Canz-Deutsche oder HalbDeutsche?“ und „Von deutscher Zukunfl“ (Schriften des Verbandes nalionaldeutscher Juden), außerdem zahlreiche. Zeitungs- und Zeitschriften-Aufsätze politischen, juristischen und literatur-kritischen Inhalts.

aus

In einer großen ostdeutschen Stadt lebte in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ein angesehener jüdischer Kaufmann, dessen Ruf nicht nur auf geschäftlicher Tüchtigkeit und strengem Gerechtigkeitssinn begründet war, sondern auch ‚auf drastischem Witz und der unfehlbaren Fähigkeit, das Wesentliche einer Situation in. ein paar derb schlagende Worte zusammenzudrängen. Eine ganze Gruppe dieser Kernsprüche, die noch heute, zumal in der älteren Generation, lebendig sind, betrifft seine Gespräche mit trägen öder ungeschickten Angestellten. In diese Kategorie gehört seine Ansprache an einen Lehrling: „Warum geben Sie mir auf meine grüne Frage eine gelbe Antwort?“

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Mir scheint, daß diese freundliche Formel auf den größdie heute allentten Teil der Erörterungen anwendbar

ist, veranstaltet

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werden... halben in Deutschland zur Judenfrage Es ist ein in Jahrtausenden „bewährtes‘“ Mittel jeder Politik, an einander vorbeizureden. Aber ich bezweifele, daß zu irgend einem anderen Problem so beharrlich, so inbrünstig und so ausschließlich gelbe Antworten auf grüne Fragen gegeben werden, wie zu dem Komplex von Unklarheiten, den wir mit dem scheinklaren Worte „Juden-

frage‘ zu etikettieren pflegen. Jeder von uns kann jederzeit und in jedem Kreise die .

Probe aufs Exempel machen. Er veranlasse ein wahllos zusammengeführtes Dutzend Menschen von leidlich normalem Verstande und Bildungsgrade,. ohne rednerische Feuervorbereitung auf Zetteln zu vermerken, was die Judenfrage sei. Man wird auf diese gewiß einfarbige Frage ein Dutzend Antworten erhalten, die in allen Farben des Spektrums schillern. Keine Antwort wird mit einer anderen übereinstimmen und fast keine wird der Fragestellung auch nur sprachlich gerecht werden. Ohne Uebertreibung kann gesagt werden, daß jeder deutsche Staatsbürger, gleichviel welcher Abstammung und welchen Glaubens, sich zum Privat- und Vereinsgebrauch seine eigene Judenfrage hält. Bei dem Worte „Jude‘“ fängt es an. Was ist ein Jude? Im amtlichen Sinne ein Mensch, der zur jüdischen Religionsgemeinschaft gehört. Demnach wäre Jude auch einer, der aus irgendwelchen Gründen, Geschäftsgründen, Ehegründen oder aus Ueberzeugung — auch dies gibt es — zum Judentum übergetreten ist. Dagegen wäre nicht Jude, wer aus Gründen gleicher Art aus dem Judentum ausgeschieden ist, der sogenannte Dissident und der Getaufte, Also spricht das Gesetzbuch, Im religiösen Sinne lautet die Antwort an sich ebenso. Nur daß nicht wenige der religiös gesinnten Menschen — Juden oder Christen —, die aus ehrlicher Ueberzeugung solche Antwort geben, in. irgend einem Winkel ihres Herzens doch leise Zweifel verspüren, ein verdrängtes

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und unbehagliches Wissen um die Unstimmigkeit oder Unvollständigkeit der eigenen Begriffsbestimmung. Der „Deutschvölkische‘“ sagt kurz entschlossen: nur das Blut entscheidet, Aber Blut ist bekanntlich ein ganz besonderer Saft, wissenschaftlich nicht recht bestimmbar und historisch oft nicht kontrollierbar. Häufig muß das Gefühl die Lücken exakter Erkenntnis ausfüllen, und das’ vermeintlich untrügliche „Rassegefühl“ hat schon manchen vereidigten Judenriecher auf die drolligsten Abwege geführt. Gegenüber einwandfrei bestimmbaren Mischblütern häufen sich die Schwierigkeiten. Man hilft sich meist damit aus der Verlegenheit, daß man die schlechten Eigenschaften dem jüdischen und die guten dem nichtjüdischen Blutsanteil zuschreibt. Die Jüdischvölkischen, meist „Jüdischnationale‘“ oder — trotz vorherrschender Abneigung gegen tatsächliche Auswanderung nach Zion — auch „Zionisten‘“ genannt, geben die gleiche Antwort, wie die Deutschvölkischen. Auch ihrer Ueberzeugung nach entscheidet das sogenannte Blut. Aber die Ueberzeugung hat Nebenluft, wenn einmal ein gesinnungsstarker Gelegenheits-Proselyt sich findet — auch diese Spielart des „arischen‘“ Zionisten kommt vor — oder wenn ein, garantierter Jude den jüdischen Rassefanatikern seine „unjüdischen‘“ Gefühle einigermaßen deutlich zu erkennen gibt. Dann schimpft man „Renegat“ und erklärt, dieser Mensch stehe „außerhalb des Judentums“. Schließlich ‚gibt es Theoretiker, die als Juden einen Menschen bestimmter Gefühls- oder Gesinnungsrichtung bezeichnen, ohne Rücksicht auf Abstammung und Religion. Ein von mir sehr geschätzter deutscher Schriftsteller rein „arischen“ Geblüts faßt unter dem. Begriff „Israel“ gläubige Christen und gläubige Juden einer bestimmten — von ihm keineswegs abfällig beurteilten — Geistesbeschaffenheit, gleichviel welcher Abstammung, zusammen, während diejenigen Eigenschaften und Gesinnungen, die der Volksmund gern „jüdisch‘“ nennt, von ihm als Merkmale des „Westens“ verstanden werden,

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Item: schon das Wort „Jude‘“ .bietet reiche Möglich-

keiten für gelbe Antworten auf grüne Fragen. Man redet stundenlang über „die Juden“ und jeder meint einen anderen Juden, Wie steht es num erst mit der Judenfrage? Gesinnungstüchtige

Mitglieder

des

„Centralvereins

deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ bevorzugen eine. verblüffend einfache Antwort, Eine Judenfrage gibt es garnicht, sondern nur eine. Antisemitenfrage. Die braven Leute. glauben das wirklich und.es hat nicht viel Zweck, mit ihnen darüber zu debattieren, denn wenn sie

wirklich einmal abends schwankend geworden sind, lesen sie am nächsten Morgen ihre C.V.- Zeitung und dann schwanken sie wieder zurück und finden alles in Ordnung, wenigstens bei sich selbst. Und nicht sie allein glauben solches, sondern eine. stattliche Menge sehr braver deutscher Staatsbürger christlichen oder gar keinen Glaubens glaubt es ebenfalls, Politiker, Geistliche, Zeitungsleser, Parteigenossen usw. Auf den Gedanken, daß der Begriff „Antisemit“ genau ebenso schwer einheitlich zu definieren ist, wie das Wort „Jude“, kommen diese Lebensvereinfacher nicht im mindesten. Wer wird sich mit so komplizierten Untersuchungen aufhalten! Man weiß doch, was ; man weiß. Für Gehirne, die schon etwas weniger träge sind, ist die Judenfrage eine Religionsfrage. Diese Auffassung stimmt mit der amtlichen überein und in nervenstärkeren Jahrhunderten haben Väterchen Staat und Mütterchen Kirche mit Folter und Scheiterhaufen nachgeholfen, wenn die Juden nicht bereit waren, durch Uebertritt zur herrschenden Religion das Ihrige zur Lösung der Frage zu tun. Daß diese vermeintliche Lösung gerade bei Massen-Uebertritten ‚versagt, hat man schon ‚damals empfunden, wenn auch nicht klar erkannt. Wenn die „Neuchristen“ (Marannen) in Spanien und Portugal, die Chuetas auf Mallor-. ca, die Dönmes in der Türkei bei aller — durchaus nicht nur vorgetäuschten — Christentums- und ‘Islam-Freudigkeit doch im Grunde jüdisch blieben, lag es nur zum. Teil in ihrem eigenen Willen, zum anderen Teil darin, daß die

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Umwelt in ihnen trotz des neuen Glaubens die alten Juden sah und ihnen das Aufgehen im „Wirtsvolke‘“ erschwerte. Anders stand es schon mit Einzelübertritten, wenn nur gleichzeitig die Herauslösung aus dem bisherigen Kreise erfolgte, was wiederum durch vorgeschriebene Verfluchungen seitens der Zurückbleibenden gefördert wurde. Wir nähern uns damit schon dem Kernpunkt des Problems, aber bleiben wir vorerst bei der Gliederung der Anschauungen, Die Beurteilung der Judenfrage als Religionsfrage war jedenfalls bis vor kurzem nicht nur die amtliche, sondern -—mit Einschränkungen — auch die vorherrschende gesellschaftliche Betrachtungsweise. Sie besteht auch heute noch in manchen Köpfen, aber auch hier beginnt man zu verstehen, daß auf dem einfachen Wege der Taufe eine allgemeingültige Lösung der Frage nicht herbeizuführen ist, daß daher wohl in der Fragestellung selbst etwas nicht stimmen kann. Viel schärfer wird die Frage von den „Völkischen“ beider Seiten, den. Deutschvölkischen wie den Jüdischvölkischen formuliert. Gemeinsam ist ihnen die Auffassung, daß die Juden in Deutschland ein Volk im Volke seien. Daraus ‚ergibt sich die Fragestellung: wie verträgt sich das eine Volk mit dem anderen? Die Antworten sind bestimmt durch die Tatsache, daß die „Arier‘“ die Mehrheit, die Juden die Minderheit sind. Darum ‘antworten die Deutschvölkischen: man verträgt sich garnicht, man kann und soll sich nicht vertragen, denn die Natur selbst hat Feindschaft zwischen beiden „Rassen“ gesetzt. Das wird nicht näher begründet, man „weiß“ es eben und das muß genug sein. Man „weiß“ auch, daß die Juden an allem die Schuld tragen, was in Deutschland und für Deutschland schief gegangen ist, und darum ist man überzeugt, daß es. zur Besserung der Verhältnisse genügt, „Juda“ zum „Verrecken‘“ anzuhalten oder wenigstens aller Bürgerrechte zu entkleiden. Nicht minder unbefangen ist die sogenannte Lösung der Jüdischvölkischen. Fürs Verrecken sind sie natürlich nicht und fürs Auswandern meist ebenso wenig. Man löst daher die Frage sehr einfach so, daß man ver-

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langt, als Volk im Volke verdaut zu werden, alle Bürgerrechte zu haben, zu allen Aemtern zugelassen zu werden, aber dabei eine eigene „jüdische Kultur“, ein betont „Jüdisches Leben“ zu pflegen, kurz: deutsch mit Vorbehalt und Rücktrittsrecht zu sein, Deutschland als „Galuth“, d. h. die Fremde zu betrachten, Die leichte Unlogik, die in solcher Zumutung liegt, überwindet man durch unendlichen Papierverbrauch, in dem unerträglicher Scharfsinn und ebenso unerträgliche Selbstgefälligkeit sich ausleben. Diese Aufzählung der Richtungen ist natürlich nicht vollständig. Hinzu tritt die Richtung, der ich selbst angehöre und der viele verständige Nichtjuden zuneigen, die Richtung des nationaldeutschen Judentums. Und hinzu treten die politischen Richtungen, die überzeugt sind, ‚die Judenfrage beiläufig mitlösen zu können, wenn man im Uebrigen die Welt umgestaltet, durch Kommunismus, durch Gründung der Vereinigten Staaten der Welt, durch wirtschaftliche und ethische Veranstaltungen verschiedenster Art. Und nun vergegenwärtige man sich, daß in einer Versammlung von Vertretern aller dieser Richtungen zur Judenfrage geredet wird. Schlag auf Schlag schmettert die Diskussion. Auf jede grüne Frage folgt prompt die gelbe Antwort. Dann geht man nach Hause mit heißen, gelegentlich mit blutigen Köpfen, und am nächsten Morgen ist alles herrlich wie am ersten Tag. Was soll geschehen, was ka n n geschehen? „Zunächst einmal dies, daß wir den Willen zur Sachlichkeit aus dem Kreuzfeuer der grünen Fragen und gelben Antworten retten. Wer eingreifen will, muß vor allem klar sehen, was vorgeht. Wir leben alle im Nebel, und es ist ganz unwesentlich, ob es Haßnebel oder Beschwichtigungsnebel ist. Nebel bleibt Nebel. Das Judenproblem ist so alt, wie die Zerstreuung, die. „Diaspora‘““ der Juden, und die hat schon Jahrhunderte vor der zweiten Zerstörung Jerusalems eingesetzt, Judenfrage ist'die Frage, die sich ergibt, wenn Menschen jüdischer Abstammung in andersartiger Umgebung in geistigem und ;

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gefühlsmäßigem Selbstabschluß leben. Aufgabe ist, die Reibungen, die durch dieses Nebeneinanderleben stets und überall entstanden sind und entstehen mußten, auf ein beide Teile tragbares Maß zurückzuführen, das Nebenein‚ander zu einem Miteinander zu machen, das Zusammenleben für die Gemeinschaft fruchtbar zu gestalten. Ein Gemeinschaftsleben kann nur entstehen, wo jeder Teil von seinem Selbst etwas aufgibt, heiße die Gemeinschaft nun Ehe, Gesangverein oder Volk. Fruchtbarkeit hat zur Voraussetzung, daß in manchen wesentlichen‘ Dingen der eine wie der andere Teil ein Stück seiner Eigenart, seiner Neigungen, Stimmungen und Verstimmungen hinter das Ganze zurückstellt, daß keiner sich einbildet, er habe ein von Gott gesetztes Recht darauf, sich genau So zu erhalten, wie er in der Geburtsstunde war, und auf seine Unwandelbarkeit noch stolz zu sein. Leben und Leben fördern heißt: sich entwickeln. Wer das nicht will, ist faul oder dumm, meist beides zugleich. Jeder Erzieher, Priester, Führer, jeder „Abwehr-“ und Arterhaltungsverein, der seinen Leuten predigt: „bleibt Ihr nur, wie Ihr seid“, ist ein Schädling, der die niedrigsten Eigenschaften der Menschen ausnutzt, die Trägheit der Geister und der Herzen. Die Menschen jüdischen Stammes haben sich seit Jahrtausenden die Stellung zur Umwelt dadurch verdorben, daß sie immer wieder Führern gefolgt sind, die ihnen gepredigt haben, das Judentum brauche sich nicht zu entwickeln, es habe eine unüberbietbar große Leistung vollbracht, indem es die Erkenntnis des großen, einzigen, allumfassenden Gottes herausgebildet habe, und damit sei genug getan für alle Zeit, jetzt brauche sich das Judentum nur noch zu „erhalten“. Und die Trägen haben es gern gehört und haben jeden verflucht, der sie aus ihrer Beharrung und Ueberhebung herausführen wollte. So haben sich die Juden selbst isoliert; haben bei allen Wanderungen und Vertreibungen ihr Ghetto mit sich getragen, haben überall Aergernis gegeben und haben noch einen Stolz daraus gemacht. Sie haben das Vorurteil der anderen herausgezüchtet und dieses Vorurteil hat dann wieder denen, die aus der

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jeder sein eigenes Rezept für die Patentmedizin in der

Dumpfheit des Selbstabschlusses heraus wollten, den Uebergang in eine lichtere, freiere Welt erschwert: Geistige Öhettomauern sind emporgewachsen, härter und höher, als die alten von Stein. Und wo einmal Bresche in die Mauer gelegt wurde, sind zunächst die Haltlosesten und Würdelosesten herausgeprescht. Ihre hemmungslosen Freigelassenen-Manieren haben das Vorurteil der Außenwelt verund die Langsameren, Wertvolleren müssen es ausBärkt aden. Es ist ein Vorurteil der Nichtjuden, daß sich die Juden nicht entwickeln könnten, daß sie ewig für ihre Umwelt unerträglich, unverdaulich und schädlich sein müßten. Und ‚es ist ein Vorurteil der Juden, daß es ihre Aufgabe sei, sich dem Gesetze der Entwicklung zu entziehen, daß sie noch heute von der verjährten Auserwähltheit ihres ehemaligen Volkes zehren, ihr Inneres hochmütig gegen die Außenwelt abschließen dürften. Nur ein Narr kann glauben, daß man die Judenfrage mit Zwangsmitteln lösen könne, mit Totschlagen, Auswandern, Wiederaufrichtung der steinernen Ghettomauern. Und nur ein Narr kann glauben, daß die Judenfrage jemals gelöst werden wird, wenn die Juden sich weiter im geistigen Ghetto halten, alle Staatsbürgerrechte verlangen, aber sich als Volk im Volke gebärden. Beide Gruppen von Narren verewigen die Judenfrage, verhindern fruchtbare Gemeinschaftsarbeit, versündigen sich an der Zukunft des deutschen Volkes, dem es nicht „Arier“ „Juden“ geben darf, sondern nur Nationaldeutsche_ gleichviel weichen Stammes und Glaubens, Nationaldeutsche, die nür

in

Tasche tragen! Lacht sie aus und bringt sie zum Schweigen; wenn sie ihr stumpfsinniges und ärgerliches Geschwätz als Selbstzweck und Selbstbestätigung betreiben, sich gegenseitig weiter gelbe Antworten auf grüne Fragen an ‚den Kopf werfen! Zwingt sie, Farbe zu bekennen, die Einen wie die Anderen, und zwingt sie, zu handeln, statt zu reden und nochmals zu reden! Das ist der Weg, der einzige Weg zur Lösung der Judenfrage.

und.

ein deutsches VolkKennen und einedeutsche Zukunit

wöllen.

Man hat die Judenfrage ewig beschwatzt, aber man hat sie niemals bearbeitet. Es ist reichlich spät, aber noch nicht zu spät, die Arbeit zu beginnen. Wer aufbauen will, muß zuerst den Schutt von der Baustätte forträumen. Fegt sie hinweg mit dem Besen der Erkenntnis, die ewig Trägen, Verstockten, Selbstgefälligen, Hochmütigen, die Hetzer, Klageweiber und Disputierer, die alles besser wissen und 76

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Kommunismus und Judenfrage

Olto Heller, geb. 1897 in Wien, besuchte das Realgymnasium, 1912 Anhänger des (Freideutschen) Freien Wandervogels, kam. März 1915 zur Armee, im Herbst 1915 ‘an die Front (Südtirol, Oberitalien, Frankreich), schloß sich 1917 der damals verbotenen sozialistischen Studentenorganisalion in Wien an, wurde Oktober 1918 an der Maas schwer verwundet. Ging nach der Heimkehr zur Sozialdemokratischen Partei Deutschösterreichs, arbeitete 1919 im deulschösterreichischen Staatsamt für Heerwesen, wurde 1920 Sekreilär für das Bildungswesen der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei, trat dort im Jugendverband und in der Partei für den Anschluß an die Dritte Internationale ein, gehörte 1921 zu den Einberufern des. Gründungsparteitags der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Lebt seit. 1926 als Journalist und Schriftsteller in Berlin, fuhr 1929 mit dem Eisbrecher „Krassin“ nach Sibirien, schrieb das Buch: „Sibirien, ein anderes Amerika“. Bereiste 1930 alle jüdischen Siedlungsgebiete in der Sowjetunion, einschließlich Birobidjan in Ostasien, © .

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Vorbemerkung. Es wird hier der. Versuch unternommen, den Standpunkt des Marxismus-Leninismus, der wissenschaftlichen Grundlage der Kommunistischen Internationale zur Judenfrage in kurzen Feststellungen zu skizzieren, Diese Ausführungen sind im wesentlichen theoretische. Die praktische Politik der revolutionären Arbeiterklasse in dieser Sonderfrage ergibt sich aus der theoretischen Untersuchung des Problems. Die Darstellung lehnt sich an mein Buch „Der Untergang des Judentums‘ (Verlag für Literatur und Politik, Wien-Berlin, 1931) an. „Klärung“

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1.

Die Arbeiterklasse kann in der Judenfrage kein Problem sehen, das von den anderen gesellschaftlichen Fragen losgelöst ist. Für die Arbeiterklasse steht auch die Juden-. frage in allen ihren Erscheinungsformen unter dem Blickpunkt: welcher Jude? Der Bourgeois oder der Proletarier? Die Arbeiterklasse weiß: die Geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen. Keine geschichtliche Erscheinung, wo immer und wie immer sie auftauchen mag, steht außerhalb dieser Kämpfe. Auch die Judenfrage (das ist die Summe nur ihr eigenen Konflikte zwischen Juden und Nichtjuden und ihrer Folgen) ka icht außerhalb dieser Kämpfe stehen. im Gke waltef. den :gesellschaftlichen Konflikten Ueber aber kein unlösbares. Geheimnis, . Die_ menschliche Geschichte. kennt weder besonderen. Fluch, noch.überirdischeSendung, weder Berufene, noch Verstoßene. Der Ablauf der gesellschaftlichen Entwicklung ist bedingt durch die Entfaltung der Produktionskräfte, von denen wiederum die Entwicklung der Produktionsverhältnisse abhängt. Die Geschichte jedes Volkes, jedes Landes, jedes Erdteils kann in ihren Phasen und Widersprüchen nicht anders erklärt werden, als durch die „Kombination der Untersuchung der jeweiligen natürlichen mit derjenigen der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen‘“ (Plechanow). Das scheinbare Rätsel der Judenfrage findet seine Lösung in der Untersuchung des Ursprungs des Juden4 tums, seiner Rolle in der Entwicklung der Oekonomie und der Gesellschaft, Judenhaß und Judenfreundschaft enträtseln sich in der Durchforschung der Rolle der Juden in. der Produktion, vom Beginn unserer Geschichte an. Karl Marx hat 1845 die These zerstört: „Der Jude kann seinem Wesen nach nicht emanzipiert werden“ (Bruno Bauer), indem er den Schlüssel zur Judenfrage im ge-. sellschaftlichen, wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß feststellte. Er hat „die besondere Erscheinung des Juden“, ohne alle Details des Problems zu behandeln, als erster

aller

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soziäl

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erklärt.

Für uns ist die Judenfrage in allen ihren Schattierungen eine soziale Frage. Sie ist dort, wo die Juden Reste ihrer Nationalität bewahrt haben, in Osteuropa, auch eine nationale Frage, deren Schwergewicht jedoch wiederum im sozialen Bereich liegt. Für uns gibt es weder ein

ewiges, mystisches, noch auch ein sozial einheitliches Judentum. Die Untersuchung der sozialen, historischen Bedingtheit der jüdischen Geschichte führt uns aus der Sphäre der Produktion in alle von ihr abhängigen Gebiete, erklärt uns die angeblichen Geheimnisse der „jüdischen“ Eigenschaften, gibt uns, was entscheidend ist, den Punkt, von dem allein aus diese besondere soziale und nationale Frage gelöst werden kann. ;

Il.

Der Ursprung des Judentums macht seine. ganze weitere Geschichte verständlich. Die Juden (wir gebrauchen, der Einfachheit halber, den späteren, nationalen Namen), eine Gruppe semitisch sprechender Nomadenstämme, — es gibt keine semitische Rasse, wohl aber semitische Sprachen — bringen die dem Nomaden natürliche Anlage zum Handel in das Gebiet, auf dem-sie zur Nation werden sollten, nach Palästina (Kanaan). Nomaden waren die ersten Träger.der Geldform der Ware. Der Uebergang zur Seßhaftigkeit (bei den Juden die Landnahme in Palästina) bestimmt aus den natürlichen Produktionsbedingungen die weitere soziale Entwicklung des Seßhaftwerdenden. Die Juden kamen in ein; durch seine natürlichen Produktionsbedingungen zum Handelsland bestimmtes Gebiet: die Landbrücke zwischen Aegypten und Mesopotamien, zwischen Arabien und Mittelmeerküste. Palästina lag an der ökonomisch wichtigsten Grenze der gemäßigten Klimazone, .des „Mutterlands des Kapitals”. Diese Landbrücke bot aber nicht nur die Grundlage. zur Entfaltung des Warenverkehrs. Sie mußte den Träger dieses Verkehrs, den Bewohner des Landes, mit den gewaltigen Mächten ringsum. in Konflikt bringen.

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Die Juden wurden Kaufleute, vor allem in ihren entscheidenden Schichten; selbstverständlich gab es auch Bauern und Viehzüchter, die die Ernährungsbasis des Volkes schufen. Die‘ wirtschaftliche Bestimmung des Landes wies jedoch auf den Warentransport. Als die Juden eine Nation wurden: eine „historisch entstandene, dauernde Gemeinschaft der Sprache, des Territoriums, des oekonomischen Lebens, der psychischen Uebereinstimmung (des Nationalcharakters), die sich in der Gemeinschaft der Kultur äußert“ (Stalin), wurden sie ein. Handelsvolk. Als sie im Verlauf der Kämpfe zwischen den Mächten im Norden und Süden schließlich die Opfer des siegreichen Nordens (Assyriens, Babyloniens) wurden, als die Sieger, nach Brauch der Sklavenwirtschaft, ihre herrschende Schicht ins Exil führten, da blieben im Lande zurück: die armen Bauern; gingen ins Exil; die mit dem Handel vertrauten Reichen, die nun von ihrem Exil aus, sich selbst wie ihren Herrschern dienend, die Wege des sich entfaltenden Warenverkehrs gingen. Die Zerstreuung der Juden in ihrer besonderen Funktion als Händler begann Jahrhunderte vor der Zerstörung Jerusalems. I

U.

Aus dem babylonischen Exil kehrte nur ein Teil der Verbannten nach Palästina zurück (im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung). Sie brachten aber ein wesentliches Element der Erhaltung des Judentums mit: die in Gesetzesform gebrachte jüdische Eingottreligion, die in ihren Wurzeln kein speziell jüdisches, sondern allgemein nomadisches Gut ist, die aber von den Juden zuerst in ein System gebracht wurde. Die jüdische Religion trennt die Juden nun von ihrer Umgebung, wohin immer sie kommen. Sie verbindet sie aber untereinander und vor allem mit der Heimat, dem Heiligtum in Jerusalem. Sie ist für sie eine Waffe, die ihnen ihr zeitweise oekonomisches Monopol sichern hilft: Träger des Waren-, vor ‚allem des Geldverkehrs zu sein. Die Religion verhindert das Aufgehen ;

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der in der ganzen antiken Welt zerstreuten Juden in ihrer Umgebung, das mit dem Aufgeben ihrer besonderen

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sozialen Funktion verbunden wäre, Als Rom, die größte imperialistische Macht der Antike, alle ihm widerstandleistenden nationalen Kräfte, schließlich auch die letzten Reste Judas, die im Lande verbliebenen bäuerlichen Splitter, vernichtet, da vermag die Zerstörung des Staates Judas die Juden nicht mehr zu vernichten, Carthago konnte ausgerottet werden, nicht aber Juda, das damals schon über die ganze Welt zerstreut war. Juda erhielt. sich in seiner Zerstreuung durch seine soziale Rolle, die ein positives Privileg, zu Zeiten ein Monopol darstellte. Das Band der Religion umschlang die Kaste, zu der die Juden geworden waren, die sich so lange in ihrer sozialen Notwendigkeit erhielt, solange ihre Funktion nicht die Gesamtgesellschaft erfaßte. Die Juden waren nicht das einzige Handelsvolk der Antike, aber sie waren durch die natürlichen Faktoren: ihres Landes ein besonderes Handelsvolk geworden. Weder Griechen, noch Armenier wurden jemals in solchem Ausmaß von der Basis der Urproduktion getrennt oder trennbar, wie die Juden; ihre Territorien waren völlig anderer Natur. Die Phönizier wiederum waren nie eine einheitliche Nation, wie die Juden es in der Antike waren; sie wurden zerrieben. Die Juden waren eines der Erbstücke, das die Antike der Nachwelt hinterließ, Sie trugen die Ware von der Sklavenwirtschaft durch die Periode primitivster Naturalwirtschaft, die dem Untergang der Antike folgte, hinüber in die Zeit der Feudalität, die den Weg der Warenwirtschaft von neuem aufnahm, um ihn fortzuführen bis in unsere Zeiten. IV. Alle Konflikte zwischen den Juden und der Gesellschaft entspringen ihrer gesellschaftlichen Funktion. Die Untersuchung der anderthalb Jahrtausende jüdischer Geschichte, die dem Untergang der Antike folgen, zeigt, daß das Schick-

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HH sal der Juden den Gesetzen der gesellschaftlichen Entwicklung unterliegt, daß es. nichts anderes ist, als das notwendige Produkt des Ursprungs des Judentums. Das Schicksal der Juden ist in dieser Periode ein ununterbrochenes Auf und Ab. Die Juden entwickeln die alten Formen des Geldverkehrs weiter. Sie sind nations- und religionsiremd, aber sie füllen eine Lücke in der klassenmäßig noch nicht entfalteten Gesellschaft. Die Juden sind nicht die Schöpfer des modernen Kapitalismus, als die man sie so oft bezeichnet. Die sich entfaltende Feudalität bediente sich aber der Juden als Vermittler des wichtigsten beweglichen Eigentums, des Geldes, so daß sie auf diese Weise zu Schrittmachern der sozialen Entwicklung wurden. Diese Entwicklung aber führt sie in die Konflikte mit der Gesellschaft. Jede Wachstumskrise der Gesellschaft führt zum Zusammenstoß mit den Juden. Schließt die Gesellschaft aus sich selbst die Lücken, in denen die Juden sitzen (Marx sprach für eine spätere Zeit von den „Poren der polnischen Gesellschaft“, in denen die Juden saßen), so‘ ‚trifft sie auf den Wegbereiter ihrer eigenen Entwicklung, der ihr nations- und religionsfremd ist. Die aufsteigende Feudalität „bedarf des Juden. Die absteigende Feudalperiode, die die Keime des Frühkapitalismus entfaltet;' ruft: „Der Jud’ ist schuld!“ Wo immer die Juden ausgetrieben, verfolgt werde , dies das Zeichen einer sozialen Krise, die ein Ventil ist sucht, So sind die Judenmetzeleien der Kreuzzugperiode erklären. In England und Frankreich verjagen die zu Könige die Juden, mit deren Hilfe sie den Städte- und Landadel gebrandschatzt hatten, in dem Augenblick, da sie gezwungen sind, sich mit diesen auszugleichen. Die Vertreibung der Juden aus Spanien und Portugal erfolgt in der Periode, in der die herrschenden Klassen dieser beiden damaligen Seemächte die Entfaltung ihrer Imperien in eigene Hand nehmen wollen, ein Bestreben, das sich mit dem Wunsch der finanziell bankrotten Päpste, Juden nach Italien zu ziehen, traf. Sind nun die Juden, vor allem in 86

Deutschland, infolge der Wachstumskrise der Gesellschaft, der Entwicklung der Städte usf. aus der ursprünglichen Warenzirkulation. verdrängt worden, so tauchen sie nun auf dem flachen Lande auf als „Retter“ der bedrückten Bauern, als Geldleiher (für Zehent und Steuern), als Getreide- und Viehaufkäufer, die in die Preise das Risiko, Jude zu sein, einkalkulieren müssen, Die nächste Stufe der Entwicklung, der Bruch zwischen Bauern und Feudalität, der erste entscheidende Schritt zur bürgerlichen Entwicklung, führt sie wieder in den Konflikt mit der Gesellschaft: die Bauernrevolution wendet Juden, gegen sich gleichermaßen gegen Grundherren undJudenmetzeleien Die großen Pfaffen und jüdischen Wucher. jener Periode zeigen wiederum ihre Wurzel in der geschichtlich bedingten Verbindung zwischen Judentum und Warenwirtschaft. Ihre Krisen machen das Judentum zum Objekt des Hasses der von der Krise betroffenen Urproduzenten, ein Vorgang, der, je später, desto bestimmter den nichtjüdischen Aneignern der Produkte, den nichtjüdischen Angehörigen der jeweils herrschenden Klasse die Möglichkeit gibt, den Klassenkampf von sich auf den Fremden, den Juden, abzulenken. Was heute die Sünde wider das Blut, das ist in jener Zeit die Sünde wider das Evangelium und den heiligen Geist. Die ideologische Ausdrucksform des Kampfes gegen die Folgen der Warenwirtschaft ändert sich, die Wurzeln sind zu allen Zeiten die gleichen. Wie immer werden aber von diesem Kampf nur die Schwachen getroffen. Auch die jüdische Kaste, auch das Ghetto, kennt naturnotwendig Klassenscheidungen. Nur seine Spitzen ernten die goldenen Früchte‘ der sozialen Funktion der Juden in der Entwicklung der Gesellschaft. Die Massen des Ghettos leben in der Rolle von Parias, sie sind es, die die Opfer der gesellschaftlichen Stürme sind, sie werden zu den kleinen Dorfwucherern und sie vor allem sind es, die infolge dieser Stürme sich nun nach Osten in Bewegung setzen, in einen Wirtschaftsraum, der in seinen Poren noch Platz hat für die soziale Funktion der Juden. Es beginnt der Massen;

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strom von deutschen (fränkischen) Juden nach dem Osten Europas. Es beginnt die historische Teilung der Juden in West- und Ostjuden, die in ihren Wurzeln sozial bedingt, zur sozialen und nationalen Spaltung des Judentums führt. V,

Der Teil der Juden, der in Mittel- und Westeuropa zurückbleibt, kehrt mit der fortschreitenden Entwicklung . der Städte und des Verkehrs; mit dem Untergang des Feudalismus und dem Entstehen des modernen Bürger-. tums, aus ‚der Sphäre des scheinbar parasitären Warenverkehrs in die, nun die ganze Gesellschaft erfassende „normale“ Warenwirtschaft zurück. Der Jude, erster Städter und erster Bürger, gerät mit der Gesellschaft nicht mehr in jenen Konflikt, der sich aus ihrem Wachstum, aus dem Beginn ursprünglicher Akkumulation von Kapital ergibt. Die Konflikte, denen er auch weiter, aber in sinkendem Maße, ausgesetzt bleibt, sind sekundäre Konflikte. Die Befreiung des Bürgertums, der Schritt zur Herrschaft der bürgerlichen Welt, die den „Juden fortwährend aus ihren Eingeweiden erzeugt“ (Marx), führt auch zur. Emanzipation, zur Befreiung der Juden, deren besondere soziale Funktion nun Funktion der Gesamtgesellschaft wird. „Die Juden haben sich in so. weit emanzipiert, die Christen zu Juden geworden sind“ (Marx). Das Ghetto löst sich auf, da seine Funktion erlischt, indem seine ganze Umwelt sie aufnimmt. Der Westjude wird Bürger unter Bürgern, dessen fremde Nationalität immer mehr zurücktritt. Er nimmt nicht nur Sprache, sondern auch Kultur seiner Umgebung an. Das trennende Moment der Religion erlischt mit dem Absterben der herrschenden Rolle der Religion im gesellschaftlichen Leben überhaupt. Der Jude assimiliert sich dort, wo er sich der Klasse angleichen kann, deren sozialer, oekonomischer Herold er war. Das Judentum geht im Westen den Weg der Klasse, der es angehört. Auch diese Klasse differenziert sich...‘ Mittelstand und Kleinbürgertum werden die Opfer der‘ sozialen Krisen, denen das kapitalistische System unter“

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liegt. Mit ihnen proletarisieren sich ihre jüdischen Elemente innerhalb der Nation, der sich die Juden assimilierten. Die Klassenspannung aber führt zu ähnlichen Erscheinungen wie in der Vergangenheit, nur in übertragenem Sinn. Der Haß des von der Krise Betroffenen richtet sich im Fortwirken uralter, sozial entstandener Ideologien mit Leichtigkeit gegen den Nationsiremden, bezw. gegen den eben erst der Nation angeglichenen früheren Fremden. Dieser Haß findet umso leichter Nahrung, wenn dieser eben erst angeglichene frühere Fremde in Gestalt des, infolge des sozialen Druckes im Osten, nach Westen gedrängten nations- und sozialifremden Ostjuden erscheint. Da die Westjuden ursprünglich in ihrer entscheidenden Klassenschichtung Bourgeois, städtische Bourgeois sind und in der Folgeerscheinung der Rolle ihrer Kaste von Landwirtschaft und Handwerk ausgeschlossen waren, existieren sie in all den wirtschaftlichen Kategorien in verhältnismäßig größerer Zahl als die Nichtjuden, die in erster Linie a) dem sozial Bedrängten als Objekt des Angriffs erscheinen, indem man in ihnen Ursache der sozialen „” Krisen vermutet, b)- selber Objekt der Krisen (freie Berufe!) und somit Schauplatz heftigen Konkurrenzkampfes en werden, den der Nichtjude, Ursache mit Folge verwech‚selnd, gegen die Folge: den Juden, führen zu müssen. glaubt, Die herrschende Klasse aber sieht, eh wie je, in dem Ruf „der Jud’ ist schuld“ das Ventil, um den drohenden Klassennachfolger, jetzt das Proletariat, von sich mitdiesem Rufablenken zu können. An Stelle des Sozialismus tritt der „Sozialismus des dummen Kerls“, der moderne Antisemitismus, dessen Ideologie im Zeitalter der Technik und Wissenschaft nicht die der Evangelien, sondern die einer Pseudowissenschaft sein muß, die ihre Elemente, um die soziale Frage zu verdecken, weit außerhalb der sozialen Vorgänge suchen muß: im geheimnisvollen Dunkel‘ des Blutes. Das bürgerliche Westjudentum aber ist im Untergehen. ‘ Die Assimilation wurde bis zum Eintritt der gewaltigsten *Krise aller Zeiten, der Periode der beginnenden proleta-

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nur. die rischen Weltrevolution, durch den Zustrom proletarischer und halbproletarischer jüdischer Elemente aus dem Osten ‘gehemmt. Dieser Zustrom hat im letzten Jahrzehnt sein oekonomisch, sozial bedingtes Ende gefunden, durch das Ende der Wanderungsmöglichkeit innerhalb des Kapitalismus überhaupt und durch den Beginn des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion, Das Westjudentum als besondere Erscheinung verschwindet mit der Gesamterscheinung der Bourgeoisie. Der bürgerliche Teil des Westjudentums wird mit der Gesamtbourgeoisie den Weg des Untergangs des Kapitalismus gehen. Der bürgerliche Jude ist der Klassenbruder des bürgerlichen Nichtjuden. Der Haß gegen den Kommunismus gleich groß bei Jud’ Nichtjud?, Stärker als der Konkurrenzkampf innerhalb der Bourgeoisie, der in der Zeit der höchsten Not, der entscheidenden Krise des kapitalistischen Systems, den alten Judenhaß zu verdoppeltem Zweck als Kampfmittel auferstehen läßt, ist die Notwendigkeit der gemeinsamen Front gegen den gemeinsamen Klassengegner, das Proletariat. Der Teil der Westjuden aber, der infolge des Prole-tarisierungsprozesses zum Proletariat stößt, erlebt ‚das Schicksal seiner Klasse. Der Zusammenbruch des ZionisMus — wovon weiter unten gesprochen wird — vernichtet die letzte Schranke, die sich sozial und national der Assimilation der zum Proletariat zu rechnenden Juden an das Proletariat ihres Wohnsitzes im Westen und im Zentrum Europas entgegenstellt. Das Ende des Zustroms aus dem Osten beschleunigt diesen Prozeß. Der siegreiche Sozialismus hebt auch im Westen den Ursprung der Judenfrage, die Warenproduktion, auf. Es steht nicht die Frage Fräge nach Jud’_und Werktätigkeit oderParasitentum. Die Gesellschaft, die aus sich den Juden nicht mehr erzeugt, weil sie seine Voraussetzung, die Warenproduktion, aufhebt, diese Gesellschaft kennt auch die Judenfrage nicht mehr, sie kennt sie um so weniger dort, wo sie. keine nationale Frage ist — im Westen — und sie allein löst sie.auch dort, wo die Judenfrage eine nationale Frage ist — im Osten.

ist

Nichtjud’,.sondern. n

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VI. Eine wirkliche Judenfrage besteht heute nur in Ostund Südosteuropa, in den Gebieten rückständiger gesellschaftlicher Entwicklung, wo die Millionenmassen jüdischen Elends, eines durch die besondere geschichtliche Rolle der Juden besonders bedingten und. entstandenen proletarischen Elends, ein scheinbar unlösbares soziales und nationales Problem bilden. Während im industriellen, bürgerlichen Westen die Juden. die Entwicklung von der Kaste zu einem Teil des Bürgertums durchlaufen haben, lebten die Ostjuden nach wie vor in einem Raum zurückgebliebener feudaler Wirtschaft. Als der osteuropäische Ganz- und Halbfeudalismus sich Elemente des modernen Kapitalismus aneignete, als schmale Schichten nationaler Bürgerschichten entstanden und mit ihm in den industriellen Inseln ein Proletariat, da war das ostjüdische Ghetto bereits unassimilierbar. Es hatte keine Klasse, der es sich hätte assimilieren können, seine soziale Funktion erlosch nicht, sondern verkümmerte. Die bürgerliche Funktion des Ghettos wandelte sich zu einem großen Teil in eine lumpenproletarische, Das Ghetto wurde zu einer sozialen Pulverkammer für den östlichen Feudalismus, der mit sozialer und nationaler Unterdrückung die soziale Gefahr, die das proletarische Ghetto darstellte, zu bannen suchte. Als aber die nationaJen Bourgeoisien schließlich erstarken (Polen), beginnen sie den schärfsten Angriff auf jeden Versuch des Ghettos, dem Ghetto durch soziale und nationale Angleichung zu entrinnen. Dies alles führt aber auch zu einem positiven Ergebnis: zur Herausbildung einer in ihren Elementen lebensfähigen Summe nationaler Merkmale, wie Sprache und Kultur, und schließlich zu einer starken jüdischen Arbeiterbewegung. Die jüdische Sprache wird Waffe im Klassenkampf, das Proletariat findet im Moment der Entscheidung im Osten auch den jüdischen Arbeiter in seinen -Reihen. Der Osten. ist während zweieinhalb Jahrzehnten der Ausgangspunkt. der größten Völkerwanderung aller ;

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SE Zeiten: über 4 Millionen Juden entfliehen (1890—1914) der Existenzlosigkeit, den „Poren der polnischen Gesellschaft“, die keinen Platz mehr für sie hat, die sie aber

mit allen Mitteln modernen Klassenkampfes verfolgt, um a) der Entfaltung des eigenen Handels zu dienen und b) der revolutionären Gärung der Bauern und Arbeiter eine Ablenkungsrichtung (nach bewährtem Muster) zu geben. Diese Flucht, die nach dem Kriege — aus bereits geschilderten Gründen — ein jähes Ende findet, schafft a) in Nordamerika ein millionenköpfiges jüdisches Proletariat, das auf Gedeih und Verderb mit allen amerikanischen Proletariern verbunden ist — wer dem Proletariat entrinnt, assimiliert sich, um Bourgeois. sein zu können; b) in Westeuropa ein die Auflösung des Westjudentums bremsendes Element, zugleich aber auch ein das Westjudentum proletarisierendes Element und schließlich einen Anknüpfungspunkt für den aktiven Antisemitismus. ‚Die proletarische Revolution. im Osten halbiert zunächst diesen Osten. Die Vernichtung der warenproduzierenden Gesellschaft in der Sowjetunion gibt die Probe aufs Exempel: stirbt die. Ware, stirbt der Jude als sozialer Begriff, verschwindet das historische „Judentum“. Freigesetzt wird der Jude als Werktätiger mit all seinen gesellschäftlichen und nationalen Lebenskräften und Lebensbedürfnissen. Auch hier scheidet sich klar: Klasse gegen Klasse. Die reichen Juden flüchten in die Emigration, sie bekämpfen die Sowjets nicht weniger gehässig als die Generäle und Großgrundbesitzer, Die jüdische Geistlichkeit kämpft nicht minder hartnäckig gegen die gottlosen Bolschewiken, gegen die Vernichtung des Ghettos, gegen die religionslose, aber arbeitsfreudige neue jüdische Jugend als der Pope und der Kulak. Das Märchen von der jüdischen“ Revolution zerstiebt. Hat nicht erst letzthin die katholische „Germania“ in bewegten Worten die Leiden der Juden in der Sowjetunion geschildert? Welcher Juden? Der Werktätigen?. Der 250000 jüdischen Bauern? Der 350 000 jüdischen Industriearbeiter? Der 45 000 jüdischen jugendlichen Metallarbeiter in der Sowjetukraine? Der 92

5000 jüdischen Bergarbeiter? Der 10.000 jüdischen Eisenbahner? Der 50000 jüdischen Fabrikslehrlinge? Der 200 000 kooperierten jüdischen Handwerker? Der von der Ware getrennte Jude wird Werktätiger, Arbeiter und Bauer, wie es alle Werktätigen sind. Er kann im Osten zugleich seine Nationalität entwickeln, in seiner Form, mit

dem neuen internationalistischen, proletarischen Inhalt, wie alle anderen Völker, die den Sozialismus aufbauen. Er schafft sich sein nationales Territorium (Birobidjan) und kehrt zurück in die Reihe der Nationen. Wie steht es aber in jenem Osten, der außerhalb der Sowjetgrenzen verblieb? Das Elend wie niemals zuvor, die gleiche Judenfrage, gleiche Kämpfe und Widersprüche, der Jammer verzehnfacht. Es gibt kein Wanderungsventil mehr und die Krise der kapitalistischen Welt, die nationaund Unterdrückung, len Konflikte verzehnfachen Terror . Druck und Gegendruck. ;

VII Der Antisemitismus ist keine „gegebene Tatsache“, nichts Ewiges, Unveränderliches. Er ist bedingt durch die inneren Konflikte der warenproduzierenden Gesellschaft, in deren Entwicklung die Juden infolge ihres Ursprungs, der wiederum ein bedingter war, eine besondere Rolle spielen. Der Judenhaß hat sich in seinen Formen gewandelt, er ist aber zu allen Zeiten in seinem sozialen Kern gleichartig bestimmt gewesen. Er hat sich stets in der Form seiner Aeußerung gegen die Gesamtheit der Juden gewandt, in entscheidendem Maße jedoch nur die sozial Schwächsten der Juden vernichtet oder getroffen. Die Arbeiterklasse, die die sozialen Wurzeln des Judenhasses. kennt, weiß, daß der Klassenfeind, der der Klassenbruder des reichen Juden ist, den alten Haß, der im Unterbewußtsein sich vererbt hat — das Sein ändert sich rascher als das Bewußtsein — dazu benutzt, die Arbeiterklasse zu spalten, zu schwächen, abzulenken. Mit dem Schlagwort von der Judenfrage will man von der Frage des Kapitalismus ablenken, deren Lösung allein auch die Judenfrage ;

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lösen kann, wie es das Beispiel der Sowjetunion schlagend beweist, Die Arbeiterklasse bekämpft den Antisemitismus als ein Element der. Reaktion. Der Ruf „der Jud’ ist schuld!” ist der Angstschrei vor der eigenen Schuld, ist der Deckmantel für die schärfste Bekämpfung der proletarischen Revolution, die gerade jenes Judentum vernichtet, das angeblich allein durch seinen Schachergeist das Unheil über die Welt gebracht hat. Deshalb bekämpft das Sowjetstrafrecht aktiven Antisemitismus als aktive Konterrevolution, deshalb führt die Arbeiterklasse, hier wie dort, einen unermüdlichen Kampf gegen diese Ideologie des schwärzesten Mittelalters, die untergehen wird mit dem Ende ihrer Voraussetzung: der Gesellschaft der Warenwirtschaft. „Unter den Juden gibt es Arbeiter, Werktätige, sie sind die Mehrheit. Sie sind unsere Brüder, unsere Genossen im Kampf um den Sozialismus . Die reichen Juden, wie auch die reichen Russen und die Reichen aller Länder, alle miteinander im Bunde, zertreten, unterdrükken, veruneinigen die Arbeiter“ (Lenin, Ansprache an die Rote Armee, 1918). Jüdisches Geld speist die Kassen der Konterrevolution in allen Ländern, Juden kämpften gegen die Bolschewiken, Juden verfolgen auf das unnachsichtlichste jüdische Kommunisten in Palästina. Juden fallen im Kampfe für die Befreiung der Arbeiterklasse. Auch hier steht Klasse gegen Klasse, wie überall in der Welt.

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Erscheinungen,

aus. dem Blut. und. der Schädelform..der_Juden_ergehen,..das..sind.alles soziale Folgeerscheinungen der gesamten soziales Entwick derJuden, durchwegs Eigenschaften, die durch dies Bedingiheit.der.jüdischen Existenz erworben wurden, sind Folgeerscheinungen des sozialen Drucks, unter dem die Jüden inlolge ihrer sozialen Rolle standen, sind niemals Jüdischen

VII

Der Kommunismus bekämpft aus all diesen Erwägungen auch den sogenannten „Rassismus”. Jede Gesellschaftsform besitzt ihre eigenen Denkweisen. Die religiöse Ausdrucksform sozialer Krisen ist der Feudalperiode zu eigen; die bürgerliche Welt, die durch die Aufklärung hindurchgegangen ist, vermag mit religiösen Denkformen allein nicht zu wirken. Hier muß die „Wissenschaft” einspringen. Die Rasse ist ein wesentliches Unterdrückungsrequisit der imperialistischen Periode

des Kapitalismus. Die Unterdrückung der schwarzen, braunen und gelben Rassen durch die Weißen erfolgt mit Berufung auf die angebliche Minderwertigkeit jener Rassen, Die Vorherrschaft einer bestimmten Nation über andere begründet man mit den Vorzügen der nordischen, der italienischen, der gallischen oder sonst einer Rasse, je nach der Oertlichkeit der Börse, die sich andere Märkte, andere billige Produktionsländer sichern will. Der Rassenbegriff ist ein durchaus umstrittener. Es gibt Gelehrte, die sieben, und solche, die zweihundert Rassen unterscheiden. Kein Marxist leugnet den Einfluß der natürlichen Produktionsfaktoren auf die Körpergestaltung, wobei jedoch stets die gesellschaftlichen. Faktoren, die Produktionsverhältnisse das. Medium sind; durch die die Einflüsse wirksam werden. Was jedoch mit Mitteln der exakten Wissenschaft unnachweisbar ist, das sind Zusammenhänge zwischen bestimmten Körperformen und besonderen seelischen Veranlagungen. Die Materialisten können irgendwelche ursächlichen Zusammenhänge zwischen Langschädeln und besonderer Intelligenz und Kurzschädeln und besonderer Unmoral nicht anerkennen, im besonderen den Juden als „jüdische RassenKeine. besonderen bt, das sind merk sich.

naturgegebene, sind immer sekundäre, durch Veränderung

der sozialen Basis veränderbare Eigenschaften, Wer die

Massensiedlungen jüdischer Bauern und Schwerarbeiter in

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der Sowjetunion bereist, wird in der jungen Generation das Absterben der „jüdischen Eigenschaften” als ersten Eindruck mit sich nehmen. Das Geschrei von der Rasse soll den Kampflärm der Klassen übertönen. Der Klassenkampf soll zu einem Rassenkampf werden, der die arbei95

tende Klasse verwirren soll, um die Fortdauer der morschen Herrschaft des Kapitalismus durch die Spaltung der Unterdrückten zu sichern.

Friedrich Wilhelm Heinz

IX. Der Kommunismus ist schließlich ein unerbittlicher Gegner des jüdischen Nationalismus, der im Zionismus seine ausgeprägte Gestaltung erfahren hat. Der Kommunismus bekämpft den Zionismus umso schärfer, als dieser sich vielfach mit einem sozialistischen Mäntelchen umgibt. Unter dem Vorwand, ein rückständiges Land (Palästina) modernen Wirtschaftsformen zuführen zu wollen, verelendet und knechtet er in Wirklichkeit, als ein Instrument des britischen Imperialismus, jüdische und arabische Proletarier. Der Zionismus ist in seinen Ursprüngen eine kleinbürgerliche Bewegung, die auf nationalistisch-utopischer Grundlage eine „Lösung” der Judenfrage erzielen will. Nicht nur die Idee der Schaffung des „Judenstaates” in Palästina ist entwicklungsfeindlich, sinnlos und arbeiterfeindlich, die Konstruktion der „einheitlichen jüdischen Nation” ist es nicht minder. Der Zionismus ist heute nichts anderes, als der kläglich zusammengebrochene Versuch der jüdischen Bourgeoisie, ein eigenes imperialistisches Röllchen am Schwanz des britischen und des amerikanischen Imperialismus zu spielen. Der Judenstaat ist eine Utopie, da er nicht nur die arabischen Fellachen und die Klassenkämpfe, sondern den Kernpunkt des ganzen Problems mißachtet: die Abhängigkeit des jüdischen Sonderschicksals von der Gesellschaft der Warenproduktion. Nur die Trennung des Juden von der Ware löst die Judenfrage. Nur der siegreiche Sozialismus vernichtet die warenproduzierende Gesellschaft. X.

Die Judenfrage ist ein Teil der Vorgeschichte der Menschheit. Der Sozialismus, der die Geschichte der Menschheit eröffnet, setzt auch den Schlußpunkt hinter Ahasvers Schicksal. 96

„Klärung‘‘

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Friedrich Wilhelm

Heinz.

Geboren 7. Mai 1899 zu

Frankfurt am Main. Alte reichsstädtische Familie.

Son-

stige Vorfahren u. a.: die Familie Martin Luthers und Haus Bourbon-Conde. Jugend teils in oberhessischem Dorf, teils in Frankfurt verbracht. Oberrealschule wegen Ueberbetonung der „praktischen“ Lehrfächer innerlich abgelehnt. Ersalz im sinnvoll aufgebauten Frankfurter Pfadfinderkorps gefunden, das von jungen, den Wilkelminismus bereits kritisch einschätzenden Infanterieoffizieren geführt wurde. Bis 1915 alljährlich große Wanderfahrten. durch Süddeutschland. Dann mit 16 Jahren Soldat. Später aktiver Leutnant im 1.R.46. Somme, Flandern, Tankschlacht, Märzoffensive, Abwehrschlachten 1918. Grenzschutz, Ehrhardibrigade, Oberschlesien, Ruhrkampf, Feldherrnhalle-München. Viermal schwer verwundel. Sechsma} verhaftet. In vierzehn Gefängnissen Sirafvollzug studiert, Selbst jedoch niemals bestraft. worden. Wehrverbands- und SA-Führer seit 1921. Später führende Tätigkeit in Slahlhelmbundesleitung und Hitlerpartei, Seit 1929 jedoch keiner Partei mehr angehörend. Von Bekenntnis Deutscher, aus Erkenninis Preuße, mit Ueberzeugung Sozialist. Mein politisches Glaubensbekenninis ist enthalten in Friedrich Hielschers: „Das Reich“. Eigene Bücher: „Sprengstoff“ und „Die Nation greift an!“

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Der Antisemitismus ist, wie sein Name es besagt, eine Abwehrbewegung. Als solche stellt er weder den „Sozialismus der dummen Kerle“ dar, noch bedeutet er eine „Kulturschande“. Man mag gegen die Organisationsformen und Methoden des Antisemitismus berechtigte oder unberechtigte Einwände erheben, es kömmt weder auf die Formen noch auf die Einwände an, sondern allein auf die Tatsache, daß es den Antisemitismus als eine elementare und spontane Volksbewegung nun einmal gibt, Alles Tatsächliche hat seine natürlichen Ursachen. Hinter allen natürlichen Ursachen wirken die eigentlichen Mächte, die Geschichte gestalten. Der moderne Antisemiw

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tismus — der kirchlich-mittelalterliche geht uns hier nichts an — hat zwei offenkundige und beweisbare Ursachen: 1. Das Auftauchen und Wirken des Assimilationsjuden innerhalb der deutschen Staatlichkeit und Kultur. 2, Die Herrschaft des Liberalismus, auf dessen Humusboden der seines Glaubens, seiner Nation, seiner Kultur, nicht aber seiner rassischen Eigenschaften verlustig gegangene Assimilationsjude sich erst voll entwickeln konnte.

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J. Der „Assimilationsjude“.

Der ursprüngliche Rang des jüdischen Seelentums wird mit Bestimmtheit von andern Mitarbeitern dieses Werkes gebührend anerkannt werden, und.es wird nicht an Hinweisen auf Martin Buber und Constantin Brunner fehlen. Und doch, weder der Zionist noch der orthodoxe Jude sind imstande, dem Schicksal der Zerstreuung, ;der Entwurzelung, der Geschichtslösigkeit zu entrinnen, das seit zwei Jahrtausenden wie ein tödliches Verhängnis über‘ dem Judentum schwebt. Die Zersetzung, die dem Untergang vorausgeht, ist allgemein. Sie macht in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit keinen Unterschied zwischen. Orthodoxen, Liberalen und Zionisten, denn sie rührt aus dem Blut und seiner Substanz her. Und noch vor den edelsten Vertretern des. Messianismus oder den opferfreudigsten Vorkämpfern eines jüdischen Nationalismus überfällt den Deutschen die trostlose Traurigkeit, wie sie ihn sonst nur noch überkommt angesichts absterbender Bäume, deren Wurzel verdorrt ist, indes die grünende Krone den Rest der aufgespeicherten Kräfte verbraucht, oder wie beim Gewahrwerden eines müden und letzten Sprosses aus uraltem und ausgeschöpftem Geschlecht. Es ist eine bittere Wahrheit: Rang und Anspruch. des messianischen Seelentums sind zu gewaltig, als daß sie von den geistigen und körperlichen Kräften des jüdischen Volkes in seiner heutigen und noch mehr seiner künftigen Verfassung erfüllt werden könnten. So bleiben. praktisch

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alle Versuche, nach den Jahrhunderten der Wanderungen und Heimatlosigkeit und nach der doch nur künstlichen und verkrampften Konservierung jüdischer Volkswerte im Ghetto, nun wieder einen jüdischen Staat oder eine lebendige jüdische Lehre schaffen zu wollen, ebenso aussichtslos wie die rationalistischen Spekulationen der fortschrittsbesessenen Juden vom Schlage Kurt Hillers auf Wiederherstellung des Paradieses. Alle diese Versuche wollen auf dem Wege der Beschwörung, der Erweckung, der Organisation, der Wissenschaft zu Zielen aufbrechen, die überalterten. Völkern ohne vaterländische, staatliche und Jandschaftliche Verbundenheit nun einmal versagt sind. Auch im Messianismus und im Zionismus offenbart sich immer wieder nur jene negative Dämonie verworfener Völker, die das Gute will und doch nur das schafft, was von den jungen und gesunden Völkern als Belästigung oder Hindernis auf ihrem eigenen Wege empfunden wird. Palästina und Arabien haben heute ihren Antisemitismus genau so wie Rußland und Deutschland, und überall sind es tiefere Kräfte, als die „realen“ der Politik oder Wirtschaft, welche den Haß durchbrechen lassen. Es ist seltsam, daß es auf der Welt eigentlich nur zwei Völker gibt, die wirklich gehaßt werden: die Deutschen und die Juden. Doch während man von der Immoralität und dem Machtwillen der Deutschen die barbarische Vergewaltigung und die wirkliche Zerstörung, die erobernde Vernichtung und die schöpferische Einverleibung des eigenen Wesensinhaltes befürchtet, erwartet man von den ethischen oder zivilisatorischen Beglückungsversuchen der Juden nur die Entweihung und Verfälschung der eigenen Werte. Wenn die Deutschen und die Juden tatsächlich heute die einzigen gefährlichen Völker sind, weil sie ihren Angriff aus der Tiefe her führen, so sind die Deutschen doch bei weitem die gefährlicheren, denn sie handeln. ohne Haß. Der jüdische Haß, dem wir noch ‘begegnen werden, ist es, der die Juden zwingt, in allen. entscheidenden Augenblicken entscheidende Fehler zu begehen. Die Juden sind.das gefährlichste Volk der Vergangenheit. Die Ve BE

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Deutschen sind das gefährlichste Volk der Zukunft, Denn wir sind bewußt böse aus Liebe zum Werk. Aber wir sind frei von lähmenden Haß, der immer ein Kennzeichen der Schwäche und Unsicherheit ist. Das jüdische Seelentum wird von allen noch nicht verpöbelten Deutschen stets als hochrangig und allenfalls als anderswertig empfunden werden. Das moderne Assimilationsjudentum jedoch, das als raumzeitliche Erscheinung und als Folge rassischer und geschichtlicher Ursachen heute allenthalben in Erscheinung tritt und tatsächlich die überwältigende Masse des Judentums ausmacht, muß in den Bekundungen seines Lebensstiles auf jüngere und gesündere Völker wie einer Verkörperung minderer Werte wirken. Es wäre töricht, hier Schuldbeweise konstruieren zu wollen oder billige Anklagen zu erheben, wie es die landläufigen Antisemiten tun, die aus der berechtigten Abwehr eine unberechtigte Weltanschauung machen. Es. ist einfach ein unabwendbares und nicht mehr aufzuhaltendes Schicksal, daß das Lebensgesetz des jüdischen Volkes im Laufe der geschichtslosen Zerstreuung verbogen und verfälscht worden ist, daß es eine Abschwächung oder krankhafte Steigerung erfuhr, ‚daß: es. verkrüppelte oder sich verformte. Diese Verformung mag in Einzelfällen bizarr und zukunftsträchtig erscheinen, sie täuscht den sicheren Blick‘ nicht darüber hinweg, daß sie unfruchtbar und vertrocknet wie der jüdische Wortwitz ist, trostlos und kalt wie jüdische Zahlenmystik, unkindlich und resigniert wie die Altklugheit der jüdischen Kinder, in deren Augen noch der Widerschein der ewigen Klagemauer zu glimmen scheint und für die es weder Geheimnisse noch Wunder und Träume gibt, sondern immer nur die vernunftgegebenen Tatsachen der Erwachsenen. Selbst ganz äußerlich gesehen, erweist sich die Unfruchtbarkeit des jüdischen Volkes daran, daß seine innerhalb der Zivilisation lebenden Splitter längst ausgestorben wären ohne die ständige Blutzufuhr aus dem Osten, daß aber auch der proletarische und fellachisierte Ostjude sofort der Zivilisation erliegt .

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und mit Sicherheit in der zweiten oder dritten Generation zugrunde geht, Das Assimilationsjudentum ist aus dem Ghettojudentum entstanden, und schon das Ghetto war mehr eine Flucht vor der Welt als eine Sammlung für einen Angriff oder eine „Verschwörung“. Das Judentum, das durchweg freiwillig ins Ghetto ging, hatte seine Geschichte hinter sich. Rassisch im Schmelzofen vieler Rassen entstanden und von diesen mit Segen und Fluch uralter Traditionen, mit allen Gebresten und Erbgütern verschollener Völker belastet, hatte es der Sturm eines unseligen Schicksals über die Erde hingewirbelt und nirgends Wurzeln fassen lassen. Zum Händlertum oder bestenfalls zum geistigen Mittlertum gezwungen, wurde das Blut einer jeden Familie immer und immer wieder versetzt mit fremdem Erbe. Der nach dem Osten verschlagene Jude mit dem blutlichen Niederschlag mongolischer und tartarischer, fast immer Sstaatenloser Völkerschaften der Steppe, der in den Mittelmeerkreis verwehte mit Blut und Blutserbe der entarteten Römer, der sinkenden Normannen, der verweichlichten Mauren, der versklavten Neger und der Bastardierungen aller. Die tausendjährige Ghettogefangenschaft gab dem jüdischen Volke den Rest: alle Tugenden und Laster, alle Steigerungen und Minderungen der Inzucht wurden ihm einverleibt und einverseelt, und das Gesetz, das im Ghetto galt und cs zusammenhielt, kannte immer nur Verheißung und niemals Erfüllung. Dieses Ghettogesetz, das ursprünglich noch einen Glaubenswert umschlossen hatte, wurde von Jahrhundert zu Jahrhundert formelhafter; aus der Religion und der Glaubenslehre wurden Magie und mystische Zauberei, aus der Nation wurde ein familienhafter Volksverband, aus dem freien Staat wurde eine scheinfreie und bürokratischstarre Staatsverfassung. Wir haben für diese Tatsache, die zum Verständnis des Ghettojuden unerläßlich ist, das objektive Bekenntnis des Dr, Klatzkin, eines Zionisten, der zur gleichen Feststellung kommt: „Wir waren nicht eine Glaubensgemeinde, wir bildeten eine in sich geschlossene Rechts- und 103

Wirtschaftsgemeinschaft, Nicht so sehr der religiöse und sittliche Lehrinhalt des Judentums, als die konkreten Formen unsrer Staatsverfassung trennten uns von allen Nationen, in deren Mitte wir unsre Zelte aufschlugen. Eine starke Mauer, von uns selbst errichtet, sonderte uns vom Landesvolke ab, und hinter der Mauer lebte ein jüdischer Staat in‘ Miniatur.“

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Der Assimilationsjude war, und das beweisen diese Feststellungen, die ganz natürliche Weiterentwicklung des Ghettojuden, der sich bereits von den messianischen Weistümern des Alten Testamentes losgesagt hatte, mochte er sich auch noch äußerlich zu ihnen bekennen. Und das Parasitäre, das im Assimilationsjudentum auf das Unerträglichste durchbrach und zu den modernen Formen des anonym wirkenden Finanzkapitalismus führte, war in jeder Phase der jüdischen Volkwerdung und Zerstreuung ebenso vorhanden wie bestimmte, von Tacitus beschriebene Eigenschaften des Germanen heute noch lebendig sind. Der Jude hat gewiß nicht den Kapitalismus erfunden, und er ist auch nicht der Schöpfer des Liberalismus. Wohl aber sind Assimilations- und teilweise auch Ghettojudentum, Liberalismus und Kapitalismus Milchbrüder gleichen Nährmutter, nämlich des entgotteten. und unheroischen Pseudoglaubens an Vernunft, ethische Einheitswerte und an die Humanität, und des Strebens nach materiellem Gewinn. Dem Fluch, den der Ghettojude immer mit sich schleppte, und dem der Assimilationsjude entfliehen: möchte,‘ begegnen wir in der Haßliebe des Juden, der glaubt, Deutscher geworden zu sein und doch nur zwischen den Lagern steht (Rathenau), in der Erwerbsgier des gesetzesformel-gläubigen Geldjuden (Shylock), in der .ahasverischen Unrast des Literaturjuden (Arnold Zweig, Jakob Wassermann), in der charakterlichen und sittlichen Verwahrlosung des Großstadtjuden („Acht-UhrAbendblatt‘), im zynischen. Selbstentblößen und in der seelischen Schamlosigkeit des jüdischen Intellektuellen

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(von Freud bis Tucholsky), im zügellosen Triebleben des niveaulosen Landjuden (von dessen Existenz und Tun der Radauantisemitismus lebt), aber auch in den utopistischen Weltbeglückungswachträumen der jüdischen Pazifisten (Hiller), oder des jüdischen Weltrevolutionärs (Trotzki), zwei Typen, hinter denen bei allem scheinbaren Idealismus doch nichts anderes steckt, als ein unaufhörliches Davonlaufen vor der jüdischen Wirklichkeit. Der „metaphysische Abscheu‘“ (Weininger) gesunder und junger Völker vor dem Assimilationsjudentum ist der tiefste und eigentliche Grund des antisemitischen Gefühls, dessen sich die antisemitischen Organisationen zu keineswegs immer saubern Zwecken bedienen. Dieses antisemitische Grundgefühl, das sich körperlich übrigens niemals regt, wo der Deutsche mit wirklichen Semiten, etwa mit Arabern, Beduinen, Mauren zu tun hat, mit denen ihn im Gegenteil fast stets das Gefühl herzlicher Zuneigung und kriegerischer Achtung verbindet, dieser Urgrund des Antigemitismus rührt her aus dem instinktiven Entsetzen vor einem Los, dem der sich schwach oder unsicher Fühlende halb und halb ausgeliefert sieht, wenn er den sichtbaren ünd äußeren Grad unsrer deutschen Bedrohung von heute gewahrt. Der Kern des antisemitischen Gefühles, des „metaphysischen Abscheus“, der mit Vorliebe Völker ergreift, die über wenig geistige und politische Bewußtheit verfügen, ist die von tausend Demagogen und Nutznießern mißleitete halbwache Ahnung von der Größe der Bedrohung und den Folgen im Falle eines Erliegens: nicht das Judentum übt diese Bedrohung aus, aber es führt sichtbar und plastisch die Folgen des Erliegens vor. einer solchen Bedrohung vor Augen: eben das Ghetto- und Assimilationsjudentum! Die Ablehnung des jüdischen Typs; — für den Durchschnittsdeutschen gibt “es nur einen jüdischen Typ, den das Assimilationsjudentum übrigens selbst mit allen Mitteln herausstellt, — erfolgt am wenigsten aus materiellen Gründen, und tatsächlich sind die Antisemiten, die aus dem Ressentiment des wirtschaftlich zu kurz Gekommenen eine .

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Art von Haß betätigen, den der echte Deutsche garnicht kennt, längst dem Geiste anheim gefallen, den sie mit Vorliebe als „jüdisch‘“ bezeichnen und der ganz einfach liberal und kapitalistisch ist. Für den, der in der Rasse nur eine Angelegenheit für staatlich angestellte Zuchtwarte und pseudowissenschaftliche Blondhaarspalter sieht, reichen auch die schönsten Rassentheorien nicht aus, um den Antisemitismus wirklich auf seinen Ursprung hin durchschauen und erkennen zu können. Die Rasse aber ist mehr, sie ist das Abbild der wirklichen, d. h. der seelischen Mächte. Und der ganz primitive Antisemit, der angesichts des heutigen jüdischen Typs und der heutigen jüdischen Selbstauflösungsnicht mehr an seelische Werte erster Ordnung hinter dem raumzeitlichen jüdischen Volke glaubt, ihm darf es keiner verübeln, wenn er im Anspruch dieses Assimilationsjudentums eine unerhörte Anmaßung sielt, den Juden bekämpft, wo er ihn findet und auch die Körperlichkeit, d. h. den Rassenausdruck des ‚Juden, bedingungslos ablehnt. Der Assimilationsjude zwingt dem Deutschen die rassisch-antisemitische Abwehr geradezu auf. Der Jude sucht die Verwandtschaft mit dem deutschen Schicksal und dem deutschen Wesen ebenso inbrünstig, wie der Deutsche die Möglichkeit einer solchen Verwandtschaft erahnt und ihr sich leidenschaftlich zu entziehen trachtet. Das eiskalte Grauen vor einer sträflichen Umarmung spricht aus diesem deutschen Abwehrgefühl. Das wache Bewußtsein des Intellektjuden wie das unbewußt-dumpfe Triebleben des liberalen Geldjuden fühlen sich unwiderstehlich hingezogen zu deutscher Geistesart, zu deutscher Körperlichkeit, zur deutschen Landschaft, zu den Offenbarungen der deutschen Kultur. Der „metaphysische Abscheu“ des Deutschen wird beantwortet durch eine nicht minder „metaphysische Liebe“ des Juden. Es ist die verderbenschwangere Liebe des kranken Blutes zu gesundem, es wirkt hier in rationaler Verzerrung die Urmythe der Naturvölker von der heilenden und erlösenden Kraft reinen und jungfräulichen Blutes sich aus. („Armer Heinrich“). 106

Ä

Dieser Typ Jude bestimmt heute das staatliche, politische, geistige Leben des offiziellen Deutschland. Dieser Typ beherrscht die Massenparteien ohne Ausnahme, und wo er sie nicht offen führt, gängelt er sie durch die heimlichen Kanäle seines Geldes. Dieser Typ bekundet seine krankhafte Liebe zum deutschen Seelentum dadurch, daß er. deutsch zu schreiben sich unterfängt (von Heinrich Heine bis Alfred Kerr). Dieser Typ hat die deutsche Sprache, von deren Seele und innerer Gesetzmäßigkeit er nichts versteht, vermauschelt und ihrer Symbolwerte beraubt; er hat ihre Zaubersprüche entweiht und auf den feuilletonistischen Markt geworfen. Dieser Typ findet seine Bestätigung in den Ausbrüchen eines infernalisch-grotesken Hasses, wenn er seine Liebe nicht erwidert findet und sich erkannt fühlt. (Antigermanismus, „Das große jüdische Hassen”, wie es Cheskel Zwi Klötzel vom „Berliner Tageblatt” nennt.) Diesen Typ meinten die „antisemitischen” Aussprüche aller großen Deutschen von Martin Luther bis zu. Bismarck und Nietzsche. Dieser Typ, der wohlgemerkt immer noch Jude von Rasse ist, der schon im Ghetto ein seelisches Trümmerfeld war und der sein israelitisches Seelentum lange vor der Auflösung des Ghettos aufgegeben hatte, der aber heute seine Ghettokomplexe mit sich herumschleppt und wieder einmal vor sich selbst und seinem Schicksal entfliehen möchte, dieser Jude ist kulturlos und mußte zu einem Werkzeug eines Seelentumes werden, das kultur- und volkszerstörend in den Reichsraum einbrach: für den Liberalismus. Der Liberalismus und das Judentum Der Assimilationsjude war solange ungefährlich, als er auf eine in der deutschen Innerlichkeit begründete Kultur und eine auf den Wurzeln des deutschen Machtwillens ruhende Staatlichkeit stieß. Es beweist den überlegenen Rang des deutschen Nationalismus, wie er im Kriege durchgebrochen ist und heute langsam in das politische Bewußtsein des Volkes tritt, daß er die Auseinandersetzung mit dem Judentum immer nur als Randerscheinung betrachtet. XI.

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Denn der Nationalismus weiß, daß er zwar im Juden einen‘ sehr beachtlichen, aber keineswegs mehr gefährlichen und vielleicht sogar einstweilen noch notwendigen Gegner besitzt, der aber im gleichen Augenblick verschwunden sein wird, wo man ihn mit unerbittlicher Folgerichtigkeit zwingt, Jude und nichts als Jude zu sein. Zu seiner heutigen Stellung jedenfalls konnte der Jude nur kommen, als jener unerhörten Offenbarung deutscher Innerlichkeit und Macht, die in wenigen Jahrzehnten Friedrich, Bach, Beethoven, Mozart, Fichte, Hegel, Goethe, Schiller, Kleist, Novalis, Herder, Gneisenau hervorgebracht hatte, die große Erschlaffung folgte und die Ideen der französischen Revolution Nie natürlichen Ordnungen und Bindungen auf deutschem Boden aufzulösen vermochten. Der Liberalismus „befreite” den Ghettojuden, d. h. ‚er lieferte ihm die Werte der Völker aus. Und nun setzte jener jüdische Aufschwung ein, der das Judentum in allen Staaten des Westens einschließlich seiner deutschen Kolonie ‚seit Wilhelm II, zuerst zu Vorkämpfern für die „Menschenrechte”, dann zu Verfälschern der Kultur und schließlich zu nutznießenden Teilhabern der Staats- und Wirtschaftsgewalt machte. Die Hybris konnte nicht ausbleiben; die Tötung eines jüdischen Außenministers auf dem Platze Bismarcks. hat das Judentum belehrt, daß es allzu unbekümmert und siegessicher sich seiner Vertarnung entledigt hatte. Der politische und organisierte Antisemitismus, der sich als Bewegung etwa von der Mitte des 19. Jahrhunderts an nachweisen läßt, mußte schließlich zu jener spontanen Abwehrfront führen, die er heute gegen das. Assimilationsjudentum aufgerichtet hat. Der Jude, der abwechselnd von sich behauptet, daß es ihn garnicht gäbe und dann wieder den Aufschrei ‚der geschundenen Kreatur ertönen läßt, wenn im fernen Krotoschin ein jüdischer Wert, und sei es auch nur ein äußerlich-körperlicher, in Frage gestellt wird, dieser Jude war immer der beste Schrittmacher des Antisemitismus selbst, wie übrigens auch dessen aufschlußreichste Kronzeugen samt und sonders Juden sind. ;

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Es verlohnt, einmal die antisemitischen Reaktionen auf jüdische Großangriffe zu verfolgen. Man wird dabei gewahr werden, daß es tatsächlich immer die Assimilationsjuden waren, die vollberechtigten Grund zum Argwohn boten, ja, daß der „Antigermanismus” oder in Frankreich der „Antinationalismus‘“ immer eine viel offensivere und anmaßendere Rolle gespielt hat, als die bescheidenen „Aufklärungen“ der Antisemiten, Es ergibt sich dabei allerdings mit großer Anschaulichkeit, daß der jüdische Erfolg immer nur einen liberalen Erfolg bedeutete, und daß der Jude selbst das Kunststück fertig brachte, noch den Liberalismus zu zersetzen, indem er ihn auf die Spitze trieb, plump verallgemeinerte, mit Ghettokomplexen verpöbelte, überhitzt und überstürzt zu verwirklichen suchte und dadurch auf die Dauer für den Liberalismus zu einer viel schwereren Gefahr wurde als für das Deutsche, das jenen unzerstörbaren und unangreifbaren Kern besitzt, über den der Liberalismus nicht verfügt. Wo der Jude wirklich große Politik zu treiben verguchte oder abseits von der spekulativen Kapitalsanlage sich der Wirtschaft als eines Mittels zur Macht bediente, erwies er sich den geborenen Franzosen, Engländern und Amerikanern bei weitem unterlegen. Der Geschäftserfolg des Juden in Amerika, der nebenbei sehr stark ‚auf die allerdings mächtigen‘ Bankengruppen. beschränkt ist, darf nicht wundernehmen innerhalb eines nicht gewachsenen, sondern zusammengelaufenen Volkes von Assimilanten, dem der geistreiche Franzose. und Offizier Alfred de ‚Vigny bereits im Jahre 1831 jegliche Verwandtschaft und innere Aehnlichkeit mit wirklichen Menschen absprach. Mittelalterlich gesprochen: der Jude hat sich, sehr im Gegensatz zu den törichten „Weisen von Zion”, immer so recht als „dummer Teufel” angestellt, dem es an jedem vorausberechnenden und bewußten Verschwörertalent, ‚jeder kühnen Planung, an jedem organisatorischen Können fehlt, und der nur pfiffig die Konjunktur auszunutzen versteht. Wer denkt hier nicht an den tragikomischen Typ des Kunstseidenbankiers Löwenstein, der zwischen Biarritz .

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und Brüssel ein Leben wie ein Filmmaharadscha führte und aus einem seiner drei Privatflugzeuge „ärschlings in die Hölle fuhr”, um mit Goethe zu sprechen, als sich sein Barvermögen infolge mißglückter Spekulation von 800 auf 200 Millionen Mark verringert hatte? Der erste jüdische Großangriff auf das Reich erfolgte unmittelbar nach Goethes Tod. Mit Heinrich Heine, welchen der in den deutschen Geist glühend verliebt gewesene Jude Gundolf in seinem sonst sehr bedenklichen Georgebuch mit Recht als Vater der großstädtischen Zivilisationsjournaille bezeichnet, begann die Epoche des Epigonentums in der deutschen Literatur und Kunst. Zwar hat das Judentum gegen das Jahrhundertende hin, als der Liberalismus glaubte, den verlogenen Wilhelminismus durch den nicht minder verlogenen Naturalismus überwinden zu können, dieses banale Epigonentum weidlich der ätzenden Schärfe seines zersetzenden Witzes ausgesetzt: es vermochte schon deshalb nicht seine Vaterschaft zu leugnen, weil es aus eigener Kraft nichts Schöpferisches hervorbringen konnte und die einzigen großen Täter, Denker und Dichter dieser Zeit, Bismarck und Nietzsche, im Abstand dazu Wagner und Moltke, Gottfried Keller, Konrad Ferdinand Meyer und später Stefan George eben keine Juden, sondern Deutsche waren. Dem „literarischen” Angriff der Heine und Börne folgte der politische und wirtschaftliche. Der börsenhaft hinausgeschrieenen Ueberbewertung der französischen und jüdischen Musik folgte die nicht minder marktschreierische Anpreisung französischer Verfassungsformen und jüdischer Vortrefflichkeiten. Der Angriff scheiterte im Letzten nicht am Bürgertum, sondern an Bismarck und der preußischen Armee, Vom Jahre 1848 an, in welchem die Juden sich‘ durchaus den Barrikaden fernzuhalten verstanden, datiert der moderne Antisemitismus. 1859 veröffentlichte Richard Wagner seine Schrift: „Die Juden in der Musik”, 1860 erschien, von Lothar Bucher angeregt und überarbeitet, das erste antisemitische Aufklärungswerk: „Die Juden und der deutsche Staat!” Es bedurfte jedoch erst der „Gründer°

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zeit”’skandale, an denen neben in Deutschland zur Welt

gekommenen kapitalistischen Geschäftemachern in hervorragendem Maße die Juden beteiligt gewesen waren, um

Ende der 70iger Jahre die antisemitische Volksbewegung Stöckers ins politische Leben .zu rufen, der sehr bald die „Deutsch - soziale Partei” Liebermann von Sonnenbergs folgte.

Wirklichen Erfolg hatte dieser erste jüdische Angriff nur, wo er sich nicht der liberalen, sondern der konservativen Vertarnung bediente: wo er also den Konservativen Preußens ein bigott-kirchliches Staatsprogramm schrieb (Stahl), wo er sich zum Verteidiger der Monarchie aufwarf, wo er den Krummstab ebenso handhaben lernte wie den Logenhammer, wo er eifernd für Thron und Altar stritt und der Chirurgie Gelegenheit zu operativen Schönheitsverbesserungen gab. Dieser Jude ist es denn auch, der als Ausweg vor dem Sieg des Nationalismus heute in der bürgerlichen Reaktion und in der gemäßigt-konstitutionellen Monarchie seine letzte Rettung sieht und am liebsten über das Hakenkreuz, das jetzt schon seine Weste ziert, noch die Kaiserkrone und die Bischofsmütze stülpen möchte. Den ersten Angriff des Judentums, der die erste antisemitische Welle verursachte, unterstützte der zur gleichen Zeit auf das zusäammenbrechende, dynastische Europa ausgeführte Großangriff des Hauses Rothschild, das den außerdeutschen Antisemitismus hervorrief. Gerade am Hause Rothschild, dessen märchenhafter Gelderfolg. im 19. Jahrhundert sprichwörtlich geworden war, aber zeigt es sich, daß der Jude im Grunde ein völlig unpolitischer Mensch ist. Die Rothschilds lebten auf der Politik und von’ der Politik der europäischen Mächte, wie die Mistel auf und von dem Eichenbaum lebt, auf dem sie schmarotzt. Napoleon, Talleyrand, Metternich, Bismarck, Napoleon Il[I., Cavour, für sie war die Politik das Schicksal. Für die Rothschilds, die aus einem Lager in das andere wechselten, die den Revolutionär Napoleon verachtet hatten, wie sie den Grandseigneur‘ Metternich verachteten, die wie die 111

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Spaltpilze ihre Kraft aus den Rissen im Staatsgefüge, aus den schmutzigen Korruptionsnotwendigkeiten sogen, an welchen die Staatsmänner persönlich sich zu beschmutzen fürchteten, die handelten und finanzierten und gegenfinanzierten, für sie war nicht die Politik, sondern das Geschäft das Schicksal. Während die modernen Nationalstaaten entstanden, während die ersten Volkskriege aufbrannten, während die Staatsmänner ungeheure Energien konzentrierten und. widereinanderprallen ließen, während die „imponderabilen Werte” das Schicksal der Nationen bestimmten, besaßen die Finanziers dieser Auseinandersetzungen nicht die mindesten innern Beziehungen zu diesen „chimären” Werten. Die Rothschilds wurden reich, sie saßen in London, Paris, Frankfurt, Wien, Rom, Madrid, sie wurden Barone, Pairs, Lords, Granden, aber auch diese Rangwerte blieben ihnen äußerliche Zierrate ihrer verdeckten Minderwertigkeit, und sie blieben Juden. In der dritten Generation war ihre Kraft erlahmt, niemals hatte ihren Plänen ein zielbewußtes politisches Wollen unterlegen, immer nur vollzogen sie ein allerdings instinktsicheres Anpassen an gegebene Tatsachen und ein Ausnutzen geschäftlicher Möglichkeiten. Ihr Geld ist im Verrinnen, der antisemitische Impuls aber, den sie wachgerufen haben, wird sie überleben. Der zweite Angriff auf das Reich erfolgte unter Wilhelm II. Auch hier ermöglichte ihn einzig und allein der Liberalismus mit seinen beiden Spielarten Marxismus und Kapitalismus. Der Jude wurde hoffähig. Der Jude drang.in die Verwaltung ein. Der Jude kämpfte geschickt. in seiner wilhelminisch-liberalen Vertarnung, und er litt nur unter einem: daß er nicht auch in das Heer eindringen konnte. Gleichzeitig aber auch machte sich der Jude zum Anwalt der deutschen Kultur. Er tauchte auf in den Universitäten und Hochschulen, er beherrschte. Presse, Bühne und schließlich den Film, Partei, Parlament und Gesellschaft, kurzum alle Stätten, die der Weiterreichung mittelbarer Werte dienen. An die Stelle von Geist und Blut, die aus der schöpferischen Kraft der Seele gespeist wurden, trat 112

der „freie” Intellekt, der sich allmählich zum Selbstzweck wurde. Die Güter der deutschen Kultur wurden zwar weiter vermittelt, aber diese Vermittlung führte zu ihrer intellektuellen Verzerrung. Der Deutsche lernte Goethe, Kant, Kleist, aber auch alle wissenschaftlichen Erkenntnisse durch die Brille des jüdisch-liberalen Intellektes kennen, und das Judentum tat sich viel zugute auf den klaren, unverschwommenen, methodischen und exakten Schliff dieser

Brille: es vergaß zu bemerken, daß sie aus zwar klarem, aber gefärbtem Glase bestand, Die Assimilationsjuden gaben im. wilhelminischen Deutschland den Ausschlag, und sie waren empört, wenn sie nicht Dank und Anerkennung fanden, sondern gelegentlich eine Zurechtweisung einstecken mußten. Aus dem jüdischen Selbstbewußtsein wurde Anmaßung, aus der Mittlertätigkeit, die das unsichere und schlecht regierte Volk sich gefallen ließ, aus der es zuweilen sogar Nutzen zog, wurde‘ der unerträgliche Anspruch, das Reich zu führen und es vor der Welt zu vertreten. Die Antwort war der Antisemitismus, der, so abwegig er sich auch manchmal erging, doch unendlich viel Unheil verhütet hat. Das Assimilationsjudentum ist eine höchst gefährliche, weil nicht an feste und staatliche Formen gebundene, Abart des Kapitalismus. Dafür, daß sie den Kampf gegen diese Abart eröffnet haben, der eine Stufe zur antikapitalistischen Grundhaltung des modernen Nationalismus bedeutet, gehört den Vorkriegsantisemiten, besonders ihrem unermüdlichen und höchst verdienstvollen Vorkämpfer Theodor Fritsch, der uneingeschränkte Dank der „erwachenden Nation.

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Was dem Assimilationsjudentum in Deutschland nicht gelang, die Eroberung der Armee, das erzwang es in Frankreich durch einen Kampf, der die Juden der ganzen Welt vorübergehend geeinigt hat. „Er schrie, daß seine Rasse sich an der meinen rächen werde!” so berichtete der Offizier, der dem französischen Generalstabshauptmann Dreyfus das Kriegsgerichtsurteil zu überbringen hatte. Es kommt hier nicht auf die Schuld oder Unschuld des Men„Klärung‘‘

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schen ‘Dreyfus an, für den sich ebensoviel Anklage- wie Entlastungsmaterial vorbringen läßt, sondern allein darauf, daß sich die Antistaatlichkeit und der Haß des Assimilationsjuden gegen die Waffe des Staates, das Heer, nun in einem Maße entlud, der alle antisemitischen Aufklärungsschriften überflüssig macht, Staat und Staatsraison unterJagen damals in Frankreich, und es ließ dem Assimilationsjudentum auf deutschem Boden keine Ruhe, diesen unerhörten Triumph noch im Jahre 1930 dem deutschen Volke in die Ohren zu trompeten: durch Dreyfusbroschüren, durch Dreyfus-Tonfilme, durch Dreyfusreportagen, durch Dreyfusdramen, durch Dreyfusromane. „Er schrie, daß seine Rasse sich an meiner rächen werde!” Nun, in der am meisten verbreiteten Dreyfusbroschüre des Professors Steinthal (erschienen 1930, eingeleitet vom ehemaligen preußischen Justizminister Radbruch) lesen wir:

antisemitischen Abwehr auch nichts, daß die antisemitischen Großorganisationen und Parteien längst in den Liberalismus eingemündet sind und mit dem Judentum mehr oder minder unwichtige Grenzstreitigkeiten ausfechten. Das Ja, das die deutsche Nation durch ihren Glauben und ihr Werk aussprechen wird, überläßt die Assimilationsjuden sich selbst und macht die Antisemiten überflüssig.

„Es gilt, ein staatsfreudiges, statt eines obstruktionsbereiten Heeres zu schaffen. Je mehr die Regierung der Republik. den Bürger vorwärts und an die Spitze treibt, umsomehr duckt sich die Militärkanaille!“

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Dankeschön! Dieser Satz beweist, daß es für den Juden von heute immer noch einen Fall Dreyfus, d. h. einen zu bekämpfenden Rest von staatlich-unpersönlichem Denken, von wehrhafter Opferbereitschaft für eine Idee gibt. Dieser „Fall Dreyfus“ ist dem Juden immer noch wichtiger. als der „Fall Versailles‘. Es ist nicht notwendig, den dritten Großangriff des vereinigten Liberalismus und Assimilationsjudentums, der 1918 zu einem Scheinerfolg führte, zu schildern. Er liegt hinter uns, und teilweise stehen wir noch mitten drin. Der heutige Antisemitismus ist die Abwehr dieses Angriffs. Es wird diesen Antisemitismus geben, solange es diesen Juden geben wird. Es verschlägt der Notwendigkeit dieser 114

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