KlimaIng - Planung klimagerechter Fabriken: Problembasiertes Lernen in den Ingenieurwissenschaften [1. Aufl.] 978-3-662-56589-6;978-3-662-56590-2

Die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken haben auch Konsequenzen für produzierende Unternehmen und ihre Produktionsst

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KlimaIng - Planung klimagerechter Fabriken: Problembasiertes Lernen in den Ingenieurwissenschaften [1. Aufl.]
 978-3-662-56589-6;978-3-662-56590-2

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XX
Einleitung (Uwe Dombrowski, Sabine Marx, Anne Reimer, Diana Götze)....Pages 1-16
Front Matter ....Pages 17-17
Klimawandel (Uwe Dombrowski, Anne Reimer)....Pages 19-50
Fabrikplanung (Uwe Dombrowski, Stefan Ernst, Anne Reimer)....Pages 51-80
Planung klimagerechter Fabriken (Uwe Dombrowski, Anne Reimer, Stefan Ernst, Nicolas Rohde)....Pages 81-185
Front Matter ....Pages 187-187
Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre (Sabine Marx, Diana Götze)....Pages 189-216
Konzept und Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng (Sabine Marx, Diana Götze)....Pages 217-232
Durchführung der Lehrveranstaltung (Sabine Marx, Diana Götze)....Pages 233-276
Front Matter ....Pages 277-278
Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen (Uwe Dombrowski, Sabine Marx, Stefan Ernst, Diana Götze, Anne Reimer)....Pages 279-296
Back Matter ....Pages 297-300

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KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken

Uwe Dombrowski · Sabine Marx Hrsg.

KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken Problembasiertes Lernen in den Ingenieurwissenschaften

Herausgeber Uwe Dombrowski Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung IFU Technische Universität Braunschweig Braunschweig Deutschland

Sabine Marx Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen Technische Universität Braunschweig Braunschweig Deutschland

ISBN 978-3-662-56589-6    ISBN 978-3-662-56590-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-56590-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Geleitwort

Das Klima befindet sich im Wandel und verändert sowohl das Privat- als auch das Arbeitsumfeld. Auch die Industrie und Wirtschaft hat einen direkten Einfluss auf das Klima. Unternehmen müssen daher Lösungsstrategien entwickeln, um mit nachhaltigen Lösungen dem Klimawandel zu begegnen. Die Fabrik- und Umweltplanung und der Fabrikbetrieb besitzen einen immer größeren Stellenwert. Sowohl Großunternehmen als auch kleine und mittlere Unternehmen widmen sich zunehmend den Schwerpunktthemen der Energieeffizienz und Energieversorgung, bis hin zur Gebäudeausrüstung und Gestaltung. Auch das Motorenwerk Chemnitz der Volkswagen Sachsen GmbH nimmt sich dieser Herausforderungen an und weist eine hohe Ressourceneffizienz sowie einen hohen Grad beim Schutz der Umwelt bei Produkt und Prozess aus. Das Werk hat schon sehr früh mit der Entwicklung und Umsetzung einer Umwelt- und Nachhaltigkeitsstrategie begonnen und sich zu einem heute modernen Industriestandort „im grünen Herzen der Stadt Chemnitz“ entwickelt. Das Werk ist ein integraler Bestandteil der Stadt Chemnitz geworden, womit ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zum strategischen Ziel einer „factory in balance“ erreicht wurde. In diesem Zuge wurden zahlreiche Aktivitäten im Bereich Hochwasserschutz, Ressourceneffizienz und Umweltschutz realisiert und der Weg zu einer nahezu abwasserfreien und emissionsfreien Fabrik konsequent beschritten. So konnten im Rahmen des Umweltprogramms in den vergangenen Jahren wesentliche Maßnahmen erfolgreich abgeschlossen werden. Umweltaspekte fungieren am Standort Chemnitz als integraler Bestandteil des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Bereits 1999 erfolgte die Erstzertifizierung nach EMAS und in den Folgejahren eine regelmäßige Teilnahme am Umweltaudit nach EG-Öko-Verordnung, sodass in 2011 eine Revalidierung und die Zertifizierung des Energiemanagementsystems nach DIN EN 16001 erreicht werden konnten. Aufgrund der Maßnahmen für Umwelt- und Klimaschutz wurde das Volkswagen Motorenwerk Chemnitz im Jahr 2014 durch die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) im DGNB Zertifizierungssystem mit Platin ausgezeichnet. Vor allem kommt dem Hochwasserschutz, der Lärmreduzierung und der Verbesserung der Temperaturen in den Werkhallen, besonders während der Sommermonate, eine große Bedeutung zu. Dazu gehört nicht nur die Verringerung der Lärmemissionen, sondern auch die parknahe Gestaltung an der Werksgrenze, zum Flussufer und dem V

VIGeleitwort

angrenzenden Stadtpark. Die Gestaltung ist erforderlich, da die Stadt Chemnitz in den letzten zehn Jahren dreifach vom Hochwasser betroffen war. Aufgrund der Maßnahmen findet man heute „ein Werk im grünen Herzen der Stadt“ vor, welches eine enge Symbiose zum städtischen Umfeld darstellt. Weitere Vorhaben sind für die Folgejahre bereits in der Planung. Der Blick ist aber nicht nur auf das Werk mit seinen arbeitenden Mitarbeitern zu richten, sondern auch auf die Bewohner der Stadt Chemnitz. Hierdurch gelang eine Entwicklung zwischen Tradition und Innovation, Urbanität und Natur, sowie Globalisierung und nationaler Identität, die die Basis für eine nachhaltige Balance zwischen dem Werk, der Stadt, der Region und ihren Menschen sicherstellt. Dies bildet nicht zuletzt die Voraussetzung für ein ressourceneffizientes und nachhaltiges Produktionssystem, ganz im Sinn unseres gesunden Lebens von morgen und eines verantwortlichen Umgangs mit der Umwelt für die nachfolgenden Generationen. Dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag, die Balance zwischen Ökologie und Ökonomie in der Fabrikplanung und im Fabrikbetrieb zu finden. Hierin werden viele Maßnahmen aufgegriffen und beschrieben, welche in der Industrie häufig Anwendung finden. Wie auch im Motorenwerk angewendet, werden Maßnahmen zu verschiedenen klimatischen Folgen und Auswirkungen auf Unternehmen präsentiert. Es erfolgt damit eine tiefergehende Verbindung zwischen Theorie und Praxis und erlaubt so eine realitätsnahe Betrachtung der Thematik. Darauf aufbauend werden praxisnahe Maßnahmen vorgestellt, die in komprimierter Weise vorgestellt werden. Abgerundet wird dieses Buch durch das innovative Vermittlungskonzept in Form des Problembasierten Lernens. Denn nicht nur müssen neue Lösungswege in Bezug auf den Klimawandel entwickelt werden, sondern auch neue Wege der Wissensvermittlung beschritten werden. Braunschweig, Januar 2018

Heinrich Nottbohm von 2006 bis 2016 Werkleiter im Motorenwerk Chemnitz von Volkswagen Sachsen

Vorwort

Der Klimawandel spielt eine immer größer werdende Rolle im gesellschaftlichen Leben. Nicht nur im privaten Bereich haben die Folgen des Klimawandels bereits Veränderungen verursacht, sondern auch im beruflichen Bereich. Vor allem Hitzeperioden mit hohen Lufttemperaturen, Starkregen oder Wetterextreme wie Stürme haben erhebliche Auswirkungen und können Wohn- und Arbeitsplätze zerstören. Der Klimawandel wird dabei maßgeblich durch Treibhausgase, wie bspw. Kohlenstoffdioxid, Methan oder Lachgas, beeinflusst. Um den Klimawandel zu verlangsamen, ist es erforderlich, den Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren bzw. ganz zu stoppen. Eine Vielzahl dieser Treibhausgase wird durch die Industrie ausgestoßen. Durch eine effiziente und nachhaltige Ausrichtung der Fabrik können in Zukunft große Mengen CO2 eingespart werden. Vor allem in der Planungsphase einer Fabrik lassen sich viele Maßnahmen für eine umwelt- und klimagerechte Fabrik implementieren. Daher muss der Aspekt des Klimawandels in die Fabrikplanung und den Fabrikbetrieb integriert werden. Vor allem Ingenieurinnen und Ingenieure spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle, da diese die Fabriken planen und gestalten. Es ist daher von besonderer Wichtigkeit, dass zukünftige Ingenieurinnen und Ingenieure in diesem Bereich zukunftsgerecht ausgebildet werden. Das Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung hat vor diesem Hintergrund mit dem Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen im Rahmen des Forschungsprojekts „DAS: Integration der Aspekte des Klimawandels in die universitäre Ausbildung von Ingenieuren“ (FKZ: 03DAS055) eine innovative Lehrveranstaltung entwickelt, welche sich mit dieser Thematik auseinandersetzt. Neben dem thematischen Fokus auf den Klimawandel und der Fabrikplanung, spielt auch das Lehr-Lern-Konzept eine wichtige Rolle für die Vermittlung des Wissens. Hierbei haben sich die Herausgeber für die Methode des Problembasierten Lernens (PBL) entschieden. Es zeigte sich, dass die Studierenden anhand von Fallbeispielen und der selbstständigen Problemerarbeitung das Wissen besser erschließen und verankern konnten. Zudem zeigte sich eine deutlich höhere Lernmotivation der Studierenden. Das Ziel des vorliegenden Buches ist es, ein Lehrveranstaltungskonzept vorzustellen, in dem die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Fabrikplanung mithilfe der Methode Problembasiertes Lernen vermittelt werden. Dieses Buch liefert sowohl die nötigen ingenieurwissenschaftlichen als auch hochschuldidaktischen Grundlagen und stellt die VII

VIIIVorwort

Erfahrungen mit der Methode PBL vor. Es soll so ermöglicht werden, das Konzept auf eigene Lehrveranstaltungen zu übertragen. Das Buch ist in drei Teile (A, B, C) aufgeteilt. In Teil I werden die Grundlagen zur Thematik Klimawandel und Fabrikplanung erfasst. In Kap. 1 wird eine kurze Einleitung zu dem Thema und zur Motivation für das Projekt und in Kap.  2  das Thema Klimawandel vorgestellt. Zunächst erfolgt eine Abgrenzung der Begrifflichkeiten. Hiernach wird näher auf die Ursachen wie bspw. den Treibhauseffekt eingegangen. Des Weiteren werden Verfahren der Klimamodelle und -szenarien vorgestellt. Abschließend werden sowohl globale als auch deutschlandweite Folgen näher erläutert. Kap. 3 beinhaltet die Grundlagen zur Thematik Fabrikplanung. Hier werden zu Beginn wichtige Begrifflichkeiten definiert. Anschließend werden die Ziele der Fabrikplanung vorgestellt und der Fabriklebenszyklus näher beleuchtet. In diesem Zusammenhang wird das IFU-Referenzmodell zur Fabrikplanung vorgestellt, wonach im Anschluss jede Phase des Referenzmodells genauer beschrieben wird. Das Kapitel endet mit der Vorstellung des Risikomanagements. Hier werden die Grundlagen der Thematik sowie die einzelnen Phasen des Prozesses behandelt. In Kap. 4 erfolgt eine Synthese der vorgestellten Themen Klimawandel und Fabrikplanung. Zunächst werden die Themen Vulnerabilität, Mitigation und Adaption kurz erläutert. Anschließend erfolgt eine Übertragung dieser Begriffe auf die Thematik Klimawandel. In den anschließenden Unterkapiteln wird vor allem die Planung klimagerechter Fabriken genauer thematisiert. Es werden alle Phasen genauer analysiert im Hinblick auf den Klimawandel und darauf, welche Auswirkungen Klimafolgen haben könnten. Im Anschluss erfolgt eine Betrachtung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Das Kapitel schließt mit der Vorstellung eines Praxisbeispiels. Teil II behandelt die Thematik Problembasiertes Lernen und stellt das entwickelte Konzept der Lehrveranstaltung näher vor. In Kap.  5 erfolgt die Erläuterung des Problembasierten Lernens an Hochschulen. Das Problembasierte Lernen ist vermutlich die international meistverbreitete wissenschaftliche Lehrmethode, die für sich den Anspruch erheben kann, als eigenständiger, konzeptionell abgerundeter Ansatz dem State of the Art der Hochschuldidaktik zu genügen und in der Lehrpraxis effektiv zu funktionieren. Auch wenn PBL bisher vor allem in der Medizinausbildung eingesetzt wird, erscheint es für die Ingenieurwissenschaften besonders geeignet, da auf der Grundlage von Praxisfällen gearbeitet und an Problemlösekompetenz als zentrale Kategorie des Ingenieurhandelns angeknüpft wird. Ausgehend von der Entstehungsgeschichte von PBL und Beispielen aus der Ingenieurwissenschaft wird das Vorgehen beim Problembasierten Lernen Schritt für Schritt erläutert, die didaktische Tiefenstruktur erklärt und es werden Theoriebezüge zum konstruktivistischen Lernen hergestellt. Ein Abschnitt zur Wirkungsforschung von PBL in der Lehre rundet das Kapitel ab. In Kap. 6 werden das didaktische Konzept und die Planung der Lehrveranstaltung „KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken“ vorgestellt. Das Konzept folgt dem Motto „Innovatives Thema – innovative Lehre“, denn weder hat der Klimawandel als Herausforderung für die Fabrikplanung bisher einen relevanten Platz in der Ingenieurausbildung gefunden, noch wird in den Ingenieurwissenschaften bisher in größerem Umfang mit aktivierenden Methoden gearbeitet, die als ein Kennzeichen für gute Lehre gelten. Nach einem kurzen Überblick zur Lehre in den

VorwortIX

Ingenieurwissenschaften werden Konzept und Planung der Lehrveranstaltung detailliert beschrieben. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf einem lernzielgerechten Methodenmix unter Einbeziehung von Aspekten der Umweltpsychologie, da in dem Projekt besonders auf die Sensibilisierung der Studierenden für die Problematik des Klimawandels Wert gelegt wurde. In Kap. 7 wird abschließend für Teil II des Buches die Durchführung der Lehrveranstaltung KlimaIng detailliert beschrieben. Der Ablauf jedes Präsenztermins wird geschildert ebenso die tutorielle Begleitung in den Selbstlernphasen. Die Umsetzung der PBL-Methode wird am Beispiel einer der Lerngruppen und der spezifischen Schritte dokumentiert, Lernziele und Arbeitsergebnisse der Lerngruppen werden miteinander verglichen. Eingegangen wird auch auf die spezifischen Herausforderungen der tutoriellen Begleitung bei der Einführung dieser für die Studierenden ungewohnten Lehrmethode. Von der detaillierten Darstellung erhoffen sich die Autorinnen und Autoren einen Transfergewinn, sodass Lehrende inspiriert werden, PBL für sich zu nutzen. Es folgen die Ergebnisse der Lehrveranstaltungsevaluation. Hierbei wurden die standardisierten Erhebungen durch qualitative Erhebungsinstrumente ergänzt. Im Rahmen von KlimaIng konnte weiterhin eine Begleitforschung aufgesetzt werden, die kurz skizziert wird. Bilanz und Folgerungen aus dem Projekt runden das Kapitel ab. Teil III des Buches beinhaltet einige beispielhafte PBL-Fälle, welche in der Lehrveranstaltung behandelt wurden. Zu Beginn von Kap. 8 erfolgt eine Zuordnung der Fälle zu den vorgestellten Themen des Klimawandels. Anschließend wird ein Einführungsfall vorgestellt und die dafür vorgesehenen Lernziele erläutert. Weiterführend werden Hinweise zum Fall sowie empfohlene Literatur bereitgestellt. Aufbauend auf den Einführungsfall werden nun verschiedene Problemfälle vorgestellt und mithilfe von Lernzielen, Hinweisen und Literaturempfehlungen präzisiert. Dieser Abschnitt soll dem Leser eine Hilfestellung bzgl. des Aufbaus von PBL-Fällen geben. Wir als Herausgeber freuen uns sehr, dass dieses Projekt im Rahmen des Programms zur Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels gefördert wurde. Dafür möchten wir uns recht herzlich beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) sowie dem Projektträger Jülich bedanken. Des Weiteren möchten wir die stets sehr gute und enge Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung sowie dem Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen hervorheben. Ohne diese konstruktive Zusammenarbeit wären die Projektergebnisse in diesem Maße nicht erreicht worden. Weiterhin möchten wir uns bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Anne Reimer, Diana Götze und Stefan Ernst für die Erarbeitung der Projekt- und Buchinhalte bedanken. Auch Heinrich Nottbohm möchten wir recht herzlich für die Unterstützung des Buchprojekts und der Lehrveranstaltung danken. Weiterhin möchten wir uns bei folgenden Industrie- und Praxisvertreterinnen und -vertretern für die Unterstützung im Rahmen der Lehrveranstaltung bedanken: Andreas Aplowski (Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig), Matthias Hots (Stadt Braunschweig), Jörg Wienefeld (Volkswagen AG), Ralf Aurich (iAP GmbH), Rüdiger Ebeling (Volkswagen Nutzfahrzeuge) und Tina Wismer (Volkswagen Nutzfahrzeuge), Klaus-Henning Terschüren (Solvis GmbH) und Jaqueline Bülow

XVorwort

(Volkswagen Sachsen GmbH). Vor allem die Bereitstellung von realen Problemstellungen sowie die Teilnahme an der Abschlussveranstaltung zur Lehrveranstaltung bot den Studierenden umfassende Möglichkeiten, Einblicke in das spätere Berufsleben zu erlangen. Im Rahmen der Manuskripterstellung und -korrektur waren weitere Helferinnen und Helfer beteiligt, deshalb möchten wir uns bei Alexander Karl, Mareike Lagerin, Constantin Malorny, Nicolas Rohde, Volker Voigt und Jonas Wette ebenfalls bedanken. Darüber hinaus möchten wir uns für die stets angenehme und professionelle Zusammenarbeit bei Thomas Lehnert sowie Sabine Bromby vom Springer-Verlag bedanken. Wir hoffen, dass Sie beim Lesen des Buches interessante sowie neue Einblicke und Erkenntnisse erlangen. Sollten Sie Anregungen oder Korrektur- und Verbesserungsvorschläge haben, möchten wir Sie ermuntern, uns diese mitzuteilen. Wir wünschen Ihnen nun eine interessante Lektüre. Braunschweig, 31.01.2018

Uwe Dombrowski Sabine Marx

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    1 Uwe Dombrowski, Sabine Marx, Anne Reimer und Diana Götze Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  15 Teil I  Planung klimagerechter Fabriken 2 Klimawandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Dombrowski und Anne Reimer 2.1 Globaler Klimawandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Begriffe und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Ursachen des Klimawandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Klimamodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Klimawandel in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Temperatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Niederschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Wetterextreme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Klimamodelle für Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Folgen des Klimawandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Globale Auswirkungen des Klimawandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Erwartungen und Befürchtungen von Unternehmen in Bezug auf den Klimawandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Zusammenfassung: Relevanz des Klimawandels für die Fabrikplanung. . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Fabrikplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Dombrowski, Stefan Ernst und Anne Reimer 3.1 Begriffsdefinitionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ziel der Fabrikplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Fabriklebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Planungsprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XIIInhaltsverzeichnis

3.4.1 Betriebsanalyse (Stufe 1). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Grobplanung (Stufe 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Feinplanung (Stufe 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.4 Umsetzung (Stufe 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.5 Betrieb (Stufe 5). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.6 Tuning und Anpassung (Stufe A). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.7 Nachnutzung und Revitalisierung (Stufe B) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.8 Rechnerunterstützung in der Fabrikplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.9 Umweltgerechte Fabrikplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Risikomanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Ziel und Aufgabe des Risikomanagements. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Risikomanagementprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Zusammenfassung: Unsicherheit aufgrund des Klimawandels in der Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4 Planung klimagerechter Fabriken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Dombrowski, Anne Reimer, Stefan Ernst und Nicolas Rohde 4.1 Teilaspekt Vulnerabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Kategorisierung von Klimarisiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Sommerhitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Starkregen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Überflutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Hagel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.6 Wind und Sturm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.7 Schnee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Teilaspekt Mitigation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Klimawirksamkeit produzierender Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Reduzierung des Energieverbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Erneuerbare Energie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Teilaspekt Adaption und Anpassungsstrategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Entwicklung einer Anpassungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Vision, Mission, Leitbild. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Strategieformulierung und -findung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Strategieimplementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Strategische Kontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Praxisbeispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Maßnahmen aufgrund von Starkregen und Überflutung. . . . . . . . . . 4.5.2 Maßnahmen aufgrund von Sommerhitze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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InhaltsverzeichnisXIII

Teil II  Problembasiertes Lernen in den Ingenieurwissenschaften 5 Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Marx und Diana Götze 5.1 Entstehungsgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 PBL in den Ingenieurwissenschaften: Beispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 PBL am KHN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 PBL: Vorgehensweise und didaktische Tiefenstruktur der Methode. . . . . . 5.4.1 Ausgangspunkt von PBL: ein guter Trigger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Mit den acht Schritten arbeiten: die didaktische Tiefenstruktur des Problembasierten Lernens. . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Prüfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 PBL im Vergleich zu projektorientiertem und forschendem Lernen. . . . . . 5.7 Theoretische Verortung von PBL: konstruktivistische Bezüge. . . . . . . . . . 5.7.1 Konstruktivistische Perspektiven auf das Lernen . . . . . . . . . . . . . . 5.7.2 Lernen aus lernpsychologischer Sicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.3 Hochschuldidaktik: von der Lehrenden- zur Lernendenorientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.4 Problembasiertes Lernen zwischen Instruktion und Konstruktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.5 Arbeit mit Lernzielen im Rahmen Problembasierten Lernens . . . . 5.8 Wirksamkeit von PBL: Forschungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6 Konzept und Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Marx und Diana Götze 6.1 Die Projektidee: innovatives Thema – innovative Lehre. . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Rahmen und Zielgruppe der Lehrveranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 KlimaIng-Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Vorbereitung der Lehrveranstaltung im Dozententeam. . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Lernziele der Veranstaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Umweltschützendes Verhalten aus Sicht der Umweltpsychologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Formulierung der Lernziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Die Konstruktion der PBL-Fälle: Teamarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.1 Der erste PBL-Fall: „Grüne Wiese“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.2 Fälle zur Vertiefung der Thematik Planung klimagerechter Fabriken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.3 Industrieschulung zur Anpassung von Fabriken an die Erfordernisse des Klimawandels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.4 Die Konstruktion von PBL-Fällen mit Industriepartnern: mehrfacher Nutzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 217

 189  190  191  191  193  196  201  202  203  204  205  207  208  209  209  212

 217  219  220  221  221  221  223  224  224  225  227  228

XIVInhaltsverzeichnis

6.7 Struktur der Lehrveranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  229 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  230 7 Durchführung der Lehrveranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Marx und Diana Götze 7.1 Präsenztermin I – Arbeit mit dem PBL-Fall „Grüne Wiese“. . . . . . . . . . . . 7.2 Selbstlernphase I – erste Recherchen und Reflexion der Arbeitsergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Präsenztermin II – „Der große Preis“ und Arbeit mit dem zweiten PBL-Fall „Am Saalestrand“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Selbstlernphase II – Reflexion des Lernprozesses, Exkursion. . . . . . . . . . . 7.5 Präsenztermin III – Integration neuer Aspekte mit den „Denkhüten“. . . . . 7.6 Selbstlernphase III – Synthese der Ergebnisse und Vorbereitung auf die Abschlusspräsentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7 Präsenztermin IV – Abschlusspräsentation mit Praxisvertretern. . . . . . . . . 7.8 Selbstlernphase IV – Klausurvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9 Prüfung in Form einer Klausur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.10 Evaluation der Lehrveranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.10.1 Ergebnisse der Lehrveranstaltungsevaluation der Fakultät für Maschinenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.10.2 Plenumsgespräch mit den Studierenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.10.3 Kurzinterviews mit den Lehrenden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.11 Begleitforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.12 Bilanz und Folgerungen aus dem Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 233  233  241  243  249  252  255  257  265  265  266  267  268  269  271  273  274

Teil III  Fallsammlung zur Lehrveranstaltung „KlimaIng“ 8 Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Dombrowski, Sabine Marx, Stefan Ernst, Diana Götze und Anne Reimer 8.1 Fall „Grüne Wiese“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Fall „Am Saalestrand“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Fall „Novemberregen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Fall „Brockenblick“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Fall „Neues vom Gipfel“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Fall „In die Jahre gekommen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Fall „Smogalarm am Modehimmel“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8 Fall „Elbinsel“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur und Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 279  280  281  284  286  288  289  291  293  295

Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  297

Mitarbeiterverzeichnis

Herausgeber: Uwe Dombrowski  Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU), Technische Universität Braunschweig, Braunschweig, Deutschland Sabine Marx  Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen (KHN), Technische Universität Braunschweig, Braunschweig, Deutschland Autoren: Stefan Ernst  Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU), Technische Universität Braunschweig, Braunschweig, Deutschland Diana Götze  Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen (KHN), Technische Universität Braunschweig, Braunschweig, Deutschland Anne Reimer  Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU), Technische Universität Braunschweig, Braunschweig, Deutschland Nicolas Rohde  Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU), Technische Universität Braunschweig, Braunschweig, Deutschland

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Abkürzungsverzeichnis KlimaIng-Buch

ALARP As Low As Reasonably Practicable ANSI American National Standards Institute ASHRAE American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers AwSV Bundesanlagenverordnung für wassergefährdende Stoffe BImSchG Bundes-Immissionsschutzgesetz BMUB Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit DAS Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel DWD Deutscher Wetterdienst EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz EEI Energy Efficiency Index EnWG Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz) EVG Elektronische Vorschaltgeräte FCKW Fluorchlorkohlenwasserstoff GDV Gesamtverbund der Deutschen Versicherungswirtschaft HLK Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik IFU Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change IW Institut für deutsche Wirtschaft JIS Just in sequence JIT Just in time KHN Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen KKM Kompressionskältemaschine KrW-/AbfG Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz KVG Konventionelle Vorschaltgeräte KVP Kontinuierlicher Verbesserungsprozess KWK Kraft-Wärme-Kopplung LBO Landesbauordnung NOAA National Oceanic and Atmospheric Administration PBL Problembasiertes Lernen PMV Predicted mean vote PV Photovoltaikanlage XVII

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Abkürzungsverzeichnis KlimaIng-Buch

RCP Representative Concentration Pathways TEHG Gesetz über den Handel und die Berechtigung zur Emission von Treibhausgasen UN United Nations (Vereinte Nationen) UNCED Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung UNFCCC United Nations Framework Convention on Climate Change (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderunge) VDI Verein Deutscher Ingenieure WEF World Economic Forum WHG Wasserhaushaltsgesetz WHO Weltgesundheitsorganisation WMO World Meteorological Organization

Tabellenverzeichnis

Tab. 2.1

Klimatische Einflüsse und deren Erscheinungsformen (in Anlehnung an [10]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  41 Tab. 4.1 Kategorien für Klimarisiken. (In Anlehnung an [162]) . . . . . . . . . .  84 Tab. 4.2 Zusammenführung der Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  86 Tab. 4.3 Empfohlene Arbeitsbedingungen (Lufttemperatur nach ArbStättV gesetzlich bindend) [25] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  89 Tab. 4.4 Einteilung der Niederschlagsarten [48] . . . . . . . . . . . . . . . . . .  94 Tab. 4.5 Versiegelungsgrad von Dachflächen und Grundstücksflächen [223] . . . .  97 Tab. 4.6 Überflutungsarten und ihre Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Tab. 4.7 Schadenstypen und Schäden an Gebäuden durch Überflutung . . . . . . 104 Tab. 4.8 Schadenswirkung durch Hagelkörner unterschiedlicher Größe [225] . . . 109 Tab. 4.9 Hagelwiderstandsklassen gem. Hagelschutzregister [203] . . . . . . . . . 112 Tab. 4.10 Winterschäden in Europa und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Tab. 4.11 Einflussfaktoren für die Verletzbarkeit durch Schnee in Abhängigkeit des Standorts [8, 99] ���������������������������������������������������������������������������������� 117 Tab. 4.12 Weitere Einflussfaktoren für die Verletzbarkeit durch Schnee in Abhängigkeit des Standorts [8, 99]�������������������������������������������������������� 118 Tab. 4.13 Schneeart und Schneegewicht [7] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Tab. 4.14 Eigenschaften einzelner Lampen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Tab. 4.15 Energieeffizienzsteigerung bei Druck (in Anlehnung an [174]) . . . . . . 133 Tab. 4.16 Energieeinsparpotenziale bei elektrischen Antrieben. (Nach [10]) . . . . 134 Tab. 4.17 Potenzielle Effizienzsteigerungen bei Prozesswärme. (Nach [191]) . . . . 137 Tab. 4.18 Arten und Nutzungsform erneuerbarer Energien . . . . . . . . . . . . . . 144 Tab. 4.19 Anteil der erneuerbaren Energie an der Bruttostromerzeugung 2015 [30]���������������������������������������������������������������� 145 Tab. 4.20 Klimapolitische Strategien und ihre Handlungscharakteristik [84] . . . . 151 Tab. 4.21 Bewertungsgrößen von Chancen und Risiken. (Nach [98]) . . . . . . . . 156 Tab. 4.22 Fähigkeiten von resilienten Systemen. (Nach [159]) . . . . . . . . . . . . 157 Tab. 4.23 Kriterien zur Bewertung von Anpassungsmaßnahmen [210] . . . . . . . 162 Tab. 4.24 Quantitative Ziele der Energiewende. (Nach [32]) . . . . . . . . . . . . . 165 XIX

XXTabellenverzeichnis

Tab. 4.25 Tab. 4.26 Tab. 4.27 Tab. 4.28 Tab. 5.1 Tab. 5.2 Tab. 7.1 Tab. 7.2 Tab. 7.3 Tab. 7.4

Veränderung der Niederschlagshöhen [46] . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Vor- und Nachteile der Hallenkühlung mit Leihgeräten . . . . . . . . . . 169 Vor- und Nachteile der Brunnenwasserkühlung . . . . . . . . . . . . . . 170 Vor- und Nachteile der adiabaten Kühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Vergleich von PBL, Forschendem Lernen und Projektstudium . . . . . . 203 „Wandel im Lehrverständnis“ (gekürzt) nach Reich. (Vgl. [42], S. 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Ablaufplan des ersten Präsenztermins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Ablaufplan des zweiten Präsenztermins . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Ablaufplan des dritten Präsenztermins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Ablaufplan des vierten Präsenztermins . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

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Einleitung Uwe Dombrowski, Sabine Marx, Anne Reimer und Diana Götze

Zwei Innovationen begegnen sich in diesem Buch: die Thematik des Klimawandels als Herausforderung für die Fabrikplanung der Zukunft sowie die Reform gängiger Ingenieurausbildung mittels der Lehrmethode des Problembasierten Lernens. Erstaunlich ist, dass zu beiden Bereichen bisher kaum systematisch beschriebene Überlegungen vorliegen. Daher freuen wir uns, mit diesem Buch einen Aufschlag zur Schließung der Lücken machen zu können. Teil I des Buchs behandelt das Thema Fabrikplanung in Zeiten des Klimawandels. In Teil II wird das Problembasierte Lernen als Lehrmethode für die Ingenieurwissenschaften dargelegt. Teil III enthält eine Fallsammlung aus dem Bereich Klimawandel und Fabrikplanung zum Einsatz in der Lehre. Ermöglicht wurde die Ausarbeitung durch das Projekt „Integration des Klimawandels in die universitäre Ausbildung von Ingenieuren“, gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMUB), Projektträger Jülich (Förderkennziffer 03DAS055). Die Auswirkungen des Klimawandels haben einen weitreichenden Einfluss auf alle Lebensbereiche des Menschen. Beispielsweise steigt die Anzahl und Intensität von Stürmen, welche die Beschädigung oder gar komplette Zerstörung von Wohngebäuden

U. Dombrowski (*) · A. Reimer Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung, Langer Kamp 19, 38106 Braunschweig, Deutschland e-mail: [email protected]; [email protected] S. Marx (*) · D. Götze Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen, Bültenweg 74/75, 38106 Braunschweig, Deutschland e-mail: [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 U. Dombrowski, S. Marx (Hrsg.), KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56590-2_1

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U. Dombrowski et al.

und Industrieanlagen zur Folge haben können (vgl. [11]). Die schlimmsten Resultate für die Betroffenen können die Zerstörung des Wohnumfelds sowie der gleichzeitige Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund der Zerstörung der Fabrik sein. Da die Folgen des Klimawandels unvermeidbar sind, muss sich der Mensch darauf einstellen. Produzierende Unternehmen in Deutschland sind bisher unzureichend für den Umgang mit diesen Folgen gewappnet. Eine in Bayern durchgeführte Studie zeigte, dass bereits ein Drittel der produzierenden Unternehmen vom Klimawandel betroffen sind (vgl. [18]). Neben dem Verhalten im Privatleben müssen auch in der Berufswelt, speziell im Bereich der Fabrikplanung, Anpassungen hinsichtlich des veränderten Klimas getroffen werden. Das Wissen dafür ist in den Unternehmen oft nicht oder nur unzureichend vorhanden. Bislang werden überwiegend klassische Anforderungen an die Fabrik berücksichtigt. Ingenieurinnen und Ingenieure könnten Strategien und Maßnahmen zum Schutz von Fabrikanlagen erarbeiten, wenn sie ausreichend für die Klimawandelproblematik sensibilisiert und qualifiziert wären. Die Technische Universität Braunschweig hält sowohl Ausbildungsangebote für angehende Ingenieurinnen und Ingenieure als auch Schulungsmaßnahmen für Praktiker, also Fach- und Führungskräfte von produzierenden Unternehmen aus dem Umfeld der Fabrikplanung und des Fabrikbetriebs, vor. Mit der universitären Lehre besitzt sie einen Hebel, um über Wissenstransfer ein Bewusstsein für die Klimawandelproblematik zu schaffen und angehenden Ingenieurinnen und Ingenieuren das notwendige Wissen und Können für eine moderne Fabrikplanung in Zeiten des Klimawandels zu vermitteln. Das Projekt ermöglichte die Durchführung von Lehrveranstaltungen und Industrieschulungen zu den Themen Klimawandel und Fabrikplanung. Durch diese innovative Lehrform wurde Studierenden und Praktikern das Wissen und Bewusstsein über die Folgen des Klimawandels für die Fabrik mit dem Ziel vermittelt, durch Präventionsmaßnahmen mittel- bis langfristig die negativen Auswirkungen zu begrenzen. Mit Beginn des industriellen Zeitalters im 19. Jahrhundert und der Mechanisierung kam es zu einem erhöhten Ausstoß an Kohlenstoffdioxid (CO2) (vgl. [18, 22]). Vor allem neue Antriebstechniken sowie immer größer werdende Fabriken trugen maßgeblich dazu bei. Dieser erhöhte Ausstoß an CO2 führte in der Konsequenz zu einem kontinuierlichen Anstieg von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre, was letztlich zu einer Verstärkung des Treibhauseffektes und damit zu einer Veränderung des Klimas führt (vgl. [16]). Aufgrund der weltweiten Bedeutung und Relevanz des Themas Klimawandel entwickelte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMUB) im Jahr 2008 die „Deutsche mittelfristige Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels“ [2]. Zusätzlich beschloss die Bundesregierung im Jahr 2011 einen „Aktionsplan Anpassung“ mit dem zentralen Ziel, die systematische Berücksichtigung der Klimawandelrisiken in Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen anzuregen (vgl. [12]). Mit dem Klimaschutzplan 2050, welcher im November 2016  vom Bundeskabinett beschlossen wurde, wird der Weg Deutschlands in eine treibhausgasneutrale Zukunft vorgezeichnet. Trotz dieser Bemühungen ist die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre so hoch, dass industrielle Regionen in Zukunft intensiver als heute mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert werden (vgl. [1]).

1 Einleitung3

Der bisherige Klimaschutz konzentrierte sich vornehmlich auf eine umfangreiche Emissionsminderung (vgl. [19, 25]). Aktuell gewinnen die Maßnahmen zur Anpassung an die unabdingbaren klimatischen Folgen an Bedeutung. Daraus erfolgen neuartige Anforderungen, die die verschiedenen Regionen entsprechend ihrer ökonomischen Struktur und Wettbewerbsfähigkeit in unterschiedlichem Maße treffen. Die Auswirkungen des Klimawandels und die regionalen sowie globalen, langfristigen Wirtschaftsentwicklungen für die Industrie lassen sich nicht mit Sicherheit vorhersagen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Klimaauswirkungen in Bezug auf Fabrikneu- und umplanungen zu identifizieren und zu konkretisieren. Bis heute weisen die Schriften rund um das Thema Fabrikplanung hohe Defizite in Bezug auf die Klimaauswirkungen auf. Die klimatischen Bedingungen stellen in der klassischen Fabrikplanung lediglich einen Aspekt bei der Standortwahl dar, wobei das Klima als statische und nicht als dynamische Einflussgröße betrachtet wird. Dementsprechend bleiben der voranschreitende Klimawandel und die damit verbundenen aktuellen sowie zukünftigen Herausforderungen unberücksichtigt oder bekommen eine zu geringe Aufmerksamkeit, was zu einer Nichtbeachtung der Klimarisiken im Rahmen der Fabrikplanung führt. Die Folgen sind Belastungen der Fabriken durch unbedachte Klimaeinflüsse, steigende Reparaturkosten wegen Beschädigungen bzw. erhöhte Kosten für nachträgliche Anpassungsmaßnahmen. Zusätzlich sind Produktionsausfälle durch Klimaauswirkungen zu erwarten sowie eine Leistungsreduzierung der Mitarbeiter und Fabrikanlagen (vgl. [8, 24]). Dabei bieten bereits die einzelnen Phasen der Fabrikplanung die Möglichkeit, präventive Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Analyse-, Grob- und Feinplanungsphasen stellen die ersten, entscheidenden und richtungsweisenden Schritte zur erfolgreichen Umsetzung und Nutzung einer Fabrik dar (vgl. [ 4, 5]). Ein Vorgehen für die Betrachtung von Klimarisiken gibt die Literatur innerhalb dieser Phasen jedoch nicht vor. Zudem fehlt es an Handlungsanweisungen, Klimarisiken zu identifizieren und anhand ihrer Einflussumfänge gegenüber der Fabrik zu bewerten. Dabei ist es von hoher Bedeutung, aktuelle und zukünftige Klimagegebenheiten planerisch zu berücksichtigen und präventive Maßnahmen in den dafür geeigneten Planungsphasen rechtzeitig einzuleiten. Hierfür ist eine Identifikation klimasensibler Planungsaktivitäten in den genannten Planungsphasen erforderlich sowie die Entwicklung und Anwendung von Instrumenten zur Unterstützung der Fabrikplanungsingenieurinnen und -ingenieure bei ihren Entscheidungen. Planerische Tätigkeiten werden in der Regel von ausgebildeten Ingenieurinnen und Ingenieuren durchgeführt. Auch wenn im Ingenieurstudium die Inhalte der Fabrikplanung vermittelt werden, so spielt der Klimawandel keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Eine Auswertung des Vorlesungsangebots der TU91 ergab, dass zwar einige Veranstaltungen zur Thematik Klimawandel angeboten werden, allerdings dann eine andere Zielgruppe an Ingenieuren und Ingenieurinnen angesprochen wird. Da zukünftige Ingenieurinnen und Ingenieure jedoch einen entscheidenden Einfluss auf die Fabrikplanung haben und das Thema Klimawandel und Umweltschutz immer stärker in den Vordergrund rückt, müssen diese ein Problembewusstsein für die Thematik entwickeln.

Bei den TU9 handelt es sich um den Zusammenschluss der führenden neun Technischen Universitäten Deutschlands in einem Verband.

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U. Dombrowski et al.

In Kap. 4 ist ein diesem Buch zugrunde liegender Lösungsansatz dargestellt. Die Technischen Universitäten in Deutschland berücksichtigen bei der Ausbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren wie Fabrikplanungs- und Produktionsingenieurinnen und -ingenieuren sehr umfangreich die klassischen Herausforderungen, welche von Eigentümern, Kunden, Wettbewerbern oder auch dem Gesetzgeber an die Fabrik gestellt werden. Mit der zuvor beschriebenen neuen Herausforderung des Klimawandels mit seinen verschiedenen Folgen entsteht für die Ingenieurausbildung Handlungsbedarf, welcher von den Universitäten und Weiterbildungsanbietern zu berücksichtigen ist. Vor diesem Hintergrund wurde an der Technischen Universität Braunschweig ein vom Bundesumweltministerium gefördertes Bildungsangebot in Form einer Veranstaltung entwickelt und validiert. Die Veranstaltung „KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken“ vermittelt durch innovative Lehrformen den Teilnehmenden das Wissen und Bewusstsein über die Folgen des Klimawandels auf die Fabrik, um durch Präventionsmaßnahmen mittel- bis langfristig die negativen Auswirkungen zu begrenzen. Mit diesem Buch werden die wesentlichen Grundlagen zum Klimawandel, zur Fabrikplanung und der Planung klimagerechter Fabriken vorgestellt sowie die Erfahrungen aus dem Einsatz des Problembasierten Lernens in einer Lehrveranstaltung beschrieben, um eine Übertragbarkeit auf andere Anwendungsgruppen zu unterstützen. In Abb. 1.1 ist der systematische Problemlösungsansatz für die Planung klimagerechter Fabriken dargestellt. Wie in Abb.  1.1 ersichtlich, ergeben sich Herausforderungen und Anforderungen an die Fabrik durch Eigentümer, Kunden, Wettbewerb und Gesetze. Diese beeinflussen

Abb. 1.1  Problemlösungsansatz für die Planung klimagerechter Fabriken

1 Einleitung5

maßgeblich die Wertschöpfungskette. In der Fabrik sind u. a. Ingenieurinnen und Ingenieure beschäftigt, welche die Fabrik planen, betreiben, verbessern und managen sowie Problemlösungen bezüglich der Herausforderungen und Anforderungen erarbeiten [3]. Diese Herausforderungen und Anforderungen benötigen ein spezifisches Wissen, welches den Ingenieurstudierenden in ihrer Ausbildung vermittelt werden muss. Hinzu kommt nun eine neue Herausforderung: der Klimawandel. Dieser wirkt sich auf die Fabrik und deren Strukturen aus. Folgen des Klimawandels sind unter anderem höhere Durchschnittstemperaturen, höhere Niederschlagsmengen und häufigere Extremwetterereignisse. Diese Folgen haben somit Auswirkungen wie Hitze, Kälte, Unwetter, Starkregen oder Hochwasser zur Folge, was sich wiederum negativ auf die Fabrik auswirkt (vgl. [20]). Aufgrund der neuen, ergänzenden Anforderung an die Fabrikplanung muss die Ingenieurausbildung angepasst werden. Hier muss ein Problembewusstsein bei den Studierenden für die Folgen des Klimawandels bereits in der Ingenieurausbildung erzeugt werden. Den Studierenden werden daher Problemlösungsmöglichkeiten sowie Anpassungsstrategien zur Begegnung des Klimawandels vermittelt. Teil I  Kap. 2 gliedert sich in vier Abschnitte (vgl. Abb.  1.2) und unterstreicht mit der Erläuterung des Klimawandels dessen hohe Relevanz für produzierende Unternehmen. In Abschn. 2.1 werden die Zusammenhänge des globalen Klimawandels detailliert beschrieben, indem verschiedene Begrifflichkeiten definiert und Ursachen des Klimawandels beschrieben werden. Die Darstellung von unterschiedlichen Klimamodellen gibt einen Überblick über die Interpretation von unterschiedlichen Prognosen und Szenarien. In Abschn.  2.2  wird der Betrachtungsraum auf Deutschland eingegrenzt, um gezielt Veränderungen des nationalen Klimas darzustellen. Der Untersuchungsgegenstand des sich anschließenden Abschn. 2.3 sind die konkreten Folgen des Klimawandels auf die Umwelt und Fabrik. Dafür werden weltweite Klimaveränderungen aufgezeigt und Studien zur Beeinträchtigung und Betroffenheit der Unternehmen durch den Klimawandel vorgestellt. Es folgt abschließend in Abschn. 2.4 eine Zusammenfassung für das Kapitel. Durch die Relevanz und bereits heute erfahrbarer Auswirkungen des Klimawandels muss die Fabrikplanung auf die Herausforderung reagieren. Hierzu sind zunächst die

Abb. 1.2  Übersicht Kap. 2 Klimawandel

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U. Dombrowski et al.

Abb. 1.3  Übersicht Kap. 3 Fabrikplanung

Grundlagen der Fabrikplanung in Kap. 3 aufgezeigt. Die einzelnen Teilschritte des Kap. 3 sind in Abb. 1.3 dargestellt. Zunächst werden die wesentlichen Fachbegriffe der Fabrikplanung in Abschn.  3.1 definiert, bevor aktuelle Entwicklungstendenzen der Fabrikplanung beschrieben werden. Darauf aufbauend werden die Ziele der Fabrikplanung in Abschn. 3.2 präsentiert, worauf in Abschn. 3.3 aufgrund der Langfristigkeit der für den Klimawandel relevante Fabriklebenszyklus beschrieben wird. Im Abschn.  3.4  werden dann die einzelnen Phasen des Fabrikplanungsprozesses erläutert, um ein Grundverständnis für den Planungsablauf und die einzelnen Planungsaktivitäten von der Standortwahl über den Hochlauf der Fabrik bis hin zur Stilllegung oder Nachnutzung zu ermöglichen. Es werden die Planungsfälle sowie Planungsebenen beschrieben, um die Aktivitäten der Planung klimagerechter Fabriken in Kap. 4 einordnen zu können. Das in Abschn. 3.5 beschriebene Risikomanagement kommt im Rahmen der Planung klimagerechter Fabriken zum Einsatz, um Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schadenshöhen von Klimarisiken systematisch abschätzen und bewerten zu können, um darauf basierend zielgerichtete Maßnahmen initiieren zu können. Das Kapitel schließt in Abschn. 3.6 mit einer Zusammenfassung. Den Kern des Teils A ist die Beschreibung der Planung klimagerechter Fabriken. Die Struktur des Kapitels 4 ist in Abb. 1.4 dargestellt. Bei der Darstellung wird auf die wichtigen Teilaspekte Vulnerabilität (vgl. Abschn. 4.1), Mitigation (vgl. Abschn. 4.2) sowie Adaption und Anpassungsstrategie (vgl. Abschn. 4.3) eingegangen. Das Kapitel wird mit der Beschreibung gesetzlicher Rahmenbedingungen (vgl. Abschn. 4.4) und einem Praxisbeispiel abgerundet (vgl. Abschn. 4.5). Der Teilaspekt

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Abb. 1.4  Übersicht Kap. 4 Planung klimagerechter Fabriken

Vulnerabilität gliedert sich in sieben Unterkapitel. Zu Beginn wird ein Überblick über mögliche Kategorisierung von Klimarisiken gegeben, aus denen die Kategorien „physische Risiken“, „infrastrukturelle Risiken“, „Wettbewerbs- und Reputationsrisiken“ sowie „regulative Risiken“ abgeleitet werden. Die Risikokategorien fassen verschiedene Risiken in Klassen zusammen, welche aus den sechs Klimafolgen resultieren. Die erste vorgestellte Klimafolge ist die Sommerhitze, welche mit der Darstellung der Relevanz und Definition, der geeigneten Messmöglichkeiten, der Auswirkungsanalyse sowie möglicher Schutzmaßnahmen detailliert erläutert wird. Dieser Systematik folgend werden ebenfalls Starkregen, Überflutung, Hagel, Wind und Sturm sowie Schnee umrissen. Die Mitigation ist der Überbegriff für die Aktivitäten zu Abmilderung des Klimawandels. Insbesondere die Industrie, die für 21  % der globalen Treibhausgasemission direkt verantwortlich ist, besitzt einen großen Hebel zu deren Reduzierung. Während der Fabrikneuplanung wird bereits ein Großteil des Energieverbrauchs und damit auch der Treibhausgasemission festgelegt und kann nur sehr aufwendig vermindert werden. Daher werden in Abschn. 4.2.2 verschiedene Handlungsfelder wie Beleuchtung, Druckluft oder Heizung, Lüftung und Klima mit Maßnahmen und dazugehörigen Energieeinsparungspotenzialen beschrieben. Ein zweiter Ansatz zur Treibhausgasreduzierung ist die Energieerzeugung durch Einsatz erneuerbarer Energieträger, welche in Abschn.  4.2.3. vorgestellt werden. In Abschn.  4.3  werden die beiden Teilaspekte durch die Entwicklung einer Anpassungsstrategie zusammengefasst. Eine betriebliche Anpassungsstrategie erfordert einen im Rahmen der Unternehmensplanung durchzuführenden Strategieentwicklungsprozess.

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Die Strategieentwicklung umfasst die Analyse des Unternehmensumfelds, zu dem rechtliche Auswirkungen gehören. Der Gesetzgeber ist bestrebt Anreize zu schaffen, um die auf politischer Ebene vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Der hierfür durch den Gesetzgeber vorgegebene Rahmen wird in Abschn. 4.4 beschrieben. Dazu wird auf die Wechselwirkungen zwischen internationalen Vereinbarungen, europäischen Richtlinien und deutschen Gesetzen eingegangen. Auch wenn heute die Mehrheit der Unternehmen noch nicht alle vorgestellten Aspekte berücksichtigt, bestehen bereits herausragende Beispiele wie sich Unternehmensstandorte auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten. Ein Praxisbeispiel ist das Volkswagen Motorenwerk in Chemnitz, welches aufgrund seiner Nähe zum Fluss Chemnitz stark überschwemmungsgefährdet ist. Durch die in Abschn. 4.5 vorgestellten Maßnahmen konnte das Schadenausmaß und somit das Risiko stark minimiert werden. Abschn. 4.6 fasst zusammen, dass sowohl Risiken durch den Klimawandel erkannt und Maßnahmen zum Schutz der Fabriken getroffen als auch weiterhin große Anstrengungen zur Verminderung der Treibhausgasemission unternommen werden müssen. Dazu sind qualifizierte Ingenieure und Ingenieurinnen erforderlich, die neben Wissen auch ein Bewusstsein sowie Sensibilität für die Folgen des Klimawandels mitbringen müssen. In Teil II wird dazu ein erfolgreich getestetes Konzept beschrieben. Teil II  In diesem Teil des Buchs wird das Problembasierte Lernen als Methode der Hochschullehre im Zusammenhang mit Anforderungen an eine moderne Ingenieurausbildung und den Herausforderungen des Klimawandels für die Fabrikplanung dargelegt. Das Problembasierte Lernen (PBL) ist vermutlich die (international) meistverbreitete wissenschaftliche Lehrmethode, die für sich den Anspruch erheben kann, als eigenständiger, konzeptionell abgerundeter Ansatz dem State of the Art der Hochschuldidaktik zu genügen und in der Lehrpraxis effektiv zu funktionieren. Zentral für PBL sind die Fallbasierung, die Aktivierung der Studierenden, situiertes Lernen und Förderung von Schlüsselkompetenzen (vgl. [6, 10, 14]). PBL folgt Prinzipien konstruktivistischen Lernens (vgl. [6, 13, 15]). PBL gilt als eine Lehrmethode, die sich besonders zur Erschließung komplexer Wissensgebiete und großer Stoffmengen eignet. Ein anderer Aspekt von PBL erscheint für die Ingenieurausbildung mindestens ebenso bedeutsam: die Arbeit auf der Grundlage authentischer Problemstellungen, die sowohl zum Lernen von „Stoff“ als auch zur Entwicklung praktischer Lösungsansätze anregt – kann doch das Handlungsschema Problemlösen als typisierende Benennung ingenieurhaften Tuns betrachtet werden. Die Arbeit in Lerngruppen, die für PBL typisch ist, tut ihr Übriges, da auch sie die Praxis des Ingenieurhandelns in multiprofessionellen Teams über Status- und Disziplingrenzen hinweg abbildet und so auf die spätere Berufspraxis vorbereitet. Die angemahnte Vermittlung von Schlüsselkompetenzen für Studierende gelingt im Rahmen von PBL häufig besser – weil praxisgeleitet – als dies in abgekoppelten Lehr/Lern-Szenarien zur Vermittlung von Schlüsselkompetenzen der Fall ist. Richtig umgesetzt wird mit PBL erreicht, was Lehrende sich im Allgemeinen von ihrem Tun erhoffen: dass sich die Studierenden selbstständig Wissen aneignen,

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dass sie begierig sind, Quellen zu finden und motiviert, ihr neues Wissen mit anderen zu teilen und zu erweitern sowie ihre Ergebnisse zu präsentieren. Die umfangreichsten Erfahrungen mit PBL liegen bisher im Bereich der Medizin vor. Zu nennen ist hier beispielsweise die Mc Master University in Kanada, die auch als Gründungsort der Methode gilt. Der Verbreitungsgrad von PBL ist im deutschsprachigen Raum noch eher gering, während Universitäten wie Maastricht und Aalborg sich in umfänglichen curricularen Anstrengungen verpflichtet haben, PBL als zentrales Lehrkonzept einzusetzen. Der Buchteil zum Problembasierten Lernen in den Ingenieurwissenschaften besteht aus drei Kapiteln: Kap.  5 umfasst die Historie von PBL, geht auf die Vorgehensweise und didaktische Tiefenstruktur der Methode ein und referiert Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit von PBL. Kap. 6 widmet sich dem Konzept und der Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng. In Kap. 7 wird die Durchführung der Lehrveranstaltung detailliert beschrieben. Der Aufbau von Kap.  5 ist in Abb.  1.5 gezeigt und beginnt mit der Entstehungsgeschichte von PBL. Auch wenn PBL immer noch die meiste Verbreitung in der Medizinausbildung hat, wird es zunehmend auch in anderen Disziplinen angewendet (Abschn. 5.1). Ein Beispiel zum curricularen Einsatz von PBL in den Ingenieurwissenschaften wird in Abschn.  5.2  vorgestellt. Im Übrigen erfolgt der Einsatz von PBL in den Ingenieurwissenschaften bisher überwiegend auf der Mikroebene vereinzelter Lehrveranstaltungen (vgl. [21]). Das gilt auch für das KHN, das seit 2004 Weiterbildungen zu PBL anbietet (s. Abschn. 5.3). Die Merkmale von PBL, die in Abschn. 5.4 vorgestellt werden, illustrieren, dass PBL prinzipiell als besonders geeignet für die Ingenieurwissenschaften erscheint: PBL ist eine fallbasierte Lehrmethode, die eine Kernaufgabe des Ingenieurberufs – die

Abb. 1.5  Übersicht Kap. 5: Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre

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Arbeit an komplexen realitätsnahen Problemen – in den Mittelpunkt des Lernens der Studierenden stellt. Während in klassischen Lehrformaten Probleme und deren Lösung unter Anwendung zuvor in der Lehrveranstaltung erworbenen Wissens meist am Ende eines Lernprozesses stehen, bilden Probleme bei PBL dessen Ausgangspunkt. Zunächst wird auf die Funktion von Fällen und deren Gestaltungsmöglichkeiten eingegangen (Abschn. 5.4.1). Die Merkmale, die sich in der Vergangenheit als Kennzeichen guter Fälle herauskristallisiert haben, können hilfreich sein bei der Konstruktion eigener Fälle für die Lehrpraxis. Das Vorgehen beim Problembasierten Lernen erfolgt in Schritten, die Lernende in Kleingruppen durchlaufen, moderiert von Tutorinnen und Tutoren (vgl. [6, 17]). Etabliert hat sich eine Folge von sieben Schritten, wie sie an der Universität Maastricht entwickelt wurde. Orientiert an dieser Umsetzungsform werden die sieben Schritte um einen weiteren achten Schritt ergänzt. Die Schritte, deren didaktische Hintergründe sowie die Rollen und Aufgaben von Lehrenden und Lernenden im Lernprozess werden in Abschn.  5.4.2 ausführlich dargestellt. Problembasiertes Lernen zielt auf den Erwerb flexibel anwendbaren Wissens ab – mit entsprechenden Konsequenzen für mögliche Prüfungen. Das Thema Prüfungen an Hochschulen wird in Abschn. 5.5 zunächst kurz und allgemein behandelt, in anderen Kapiteln des Buches erneut aufgegriffen und im Kontext der Arbeit mit Lernzielen bei Problembasiertem Lernen (Abschn. 5.7.5) sowie im Hinblick auf die Ziele und Anforderungen der in Kap. 6 und 7 vorgestellten Lehrveranstaltung differenzierter betrachtet (Abschn. 7.9 und 7.10). PBL ist verwandt mit Forschendem Lernen und Projektstudium. Es gibt jedoch wesentliche Unterschiede zwischen den genannten Lehrverfahren, die in Abschn. 5.6 erläutert werden. Der Erfolg und die Verbreitung von PBL beruhen sicher auch darauf, dass die Methode theoretisch sehr gut fundiert ist und gleichzeitig an Beobachtungen und Erfahrungen aus der Praxis anschließt. Auf die theoretischen Hintergründe problembasierten Lernens wird in Abschn. 5.7 eingegangen. In Abschn.  5.7.1  werden zunächst konstruktivistische Perspektiven des Lehrens und Lernens vorgestellt und in Abschn. 5.7.2 um Annahmen und Befunde der Lernpsychologie ergänzt. Einen weiteren theoretischen Bezugsrahmen für Problembasiertes Lernen bietet eine veränderte Ausrichtung universitärer Lehre, die im Kontext hochschuldidaktischer und -politischer Diskussionen als „Shift from Teaching to Learning“ bezeichnet wird (vgl. [7, 9, 10]). Damit wird die Veränderung von einer lehrenden- hin zu einer lernendenzentrierten Hochschullehre benannt (Abschn. 5.7.3). Mit dieser Veränderung ergeben sich veränderte Rollen und Aufgaben für Lehrende und Lernende, die in Abschn. 5.7.4 beschrieben werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie in problembasierten Lernumgebungen mit Lehr- und Lernzielen gearbeitet werden kann. Diese Frage wird in Abschn. 5.7.5 diskutiert. Das Kapitel schließt mit einem Überblick über Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit Problembasierten Lernens. In diesem Abschnitt wird das Thema „Prüfungen“ erneut aufgegriffen – Metaanalysen konnten zeigen, dass die Wirksamkeit von PBL stark mit der Operationalisierung von Lernergebnissen und der Methode ihrer Messung zusammenhängt (vgl. [23]).

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Abb. 1.6  Übersicht Kap. 6: Konzept und Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng

In Kap. 6 wird die Konzeption und Planung der Lehrveranstaltung „KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken“ beschrieben, die im Rahmen des Projektes „Integration des Klimawandels in die universitäre Ausbildung von Ingenieuren“ geplant und zum ersten Mal im Sommersemester 2016 durchgeführt wurde (vgl. Abb. 1.6). In Abschn. 6.1 wird zunächst die Ausgangslage für die Planung der Lehrveranstaltung skizziert: das Zusammentreffen eines innovativen Themas mit einem innovativen Lehrformat. Auch wenn PBL bereits seit den 1960er Jahren als Lehrmethode existiert, stellt seine Anwendung in der ingenieurwissenschaftlichen Lehre vor allem im deutschsprachigen Raum eine Innovation dar und steht teilweise in starkem Kontrast dazu – wie Befunde und Beobachtungen zur Lehre in den Ingenieurwissenschaften zeigen. Die folgenden Abschnitte gehen auf die spezifischen Rahmenbedingungen der Lehrveranstaltung ein. Zunächst werden in Abschn. 6.2 planungsrelevante Aspekte wie der zur Verfügung stehende zeitliche Rahmen, die Einordnung der Lehrveranstaltung in das Lehrangebot der Fakultät für Maschinenbau sowie Merkmale der Zielgruppe der Studierenden wie Studiengang und Studienabschnitt beschrieben. Eine Besonderheit der Lehrveranstaltung stellte das interdisziplinäre Team von Ingenieurinnen und Ingenieuren, Hochschuldidaktikerinnen und Hochschuldidaktikern sowie studentischen Hilfskräften dar. Die Mitglieder und ihre Funktionen sind in Abschn. 6.3 aufgeführt. In Abschn. 6.4 wird erläutert,

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wie die Teammitglieder inhaltlich und didaktisch auf die Durchführung der Veranstaltung vorbereitet wurden. Neben institutionellen und projektbezogenen Rahmenbedingungen waren besonders die übergeordneten Ziele des Projekts für die weitere Planung relevant (Abschn.  6.5), nämlich die Sensibilisierung angehender Ingenieurinnen und Ingenieure für das Thema Klimawandel und die Vermittlung anwendbaren Wissens über Ursachen und Folgen des Klimawandels sowie deren Konsequenzen für die Fabrikplanung. Unter Berücksichtigung umweltpsychologischer Fragestellungen zum Klimawandel (Abschn. 6.5.1) wurden Projektziele in Lernziele für die Lehrveranstaltung überführt (Abschn. 6.5.2), die den inhaltlichen Rahmen der Lehrveranstaltung vorgaben. Sie bildeten den Ausgangspunkt für die Konstruktion der in der Lehrveranstaltung eingesetzten Fälle. In Abschn. 6.6. werden das Vorgehen bei der Fallkonstruktion und deren Ergebnisse in Form von Fällen beschrieben. In Abschn. 6.6.1 wird der Fall „Grüne Wiese“ dargestellt. Er diente der Einführung in die Inhalte der Lehrveranstaltung und adressierte Basiswissen zu den Themen Klimawandel und Fabrikplanung. Er wurde sowohl in dem ersten Durchgang der Lehrveranstaltung im Sommersemester 2016 als auch im zweiten Durchgang im Wintersemester 2016/2017 eingesetzt. In Abschn. 6.6.2 wird kurz erläutert, welche Funktion die weiteren Fälle haben, die für den Einsatz in der Lehrveranstaltung geschrieben wurden. Diese Fälle bauen auf dem Fall „Grüne Wiese“ auf und wurden in Zusammenarbeit mit Vertretern produzierender Unternehmen geschrieben. Der Fall „Am Saalestrand“ greift Probleme eines Unternehmens auf, die im Kontext des Klimawandels auftraten und durch das Unternehmen bereits erfolgreich bewältigt werden konnten. Er wurde im ersten Durchgang im Sommersemester 2016 eingesetzt. Der Fall „Novemberregen“ (Abschn.  6.6.3) entstand im Rahmen einer Industrieschulung zur Anpassung von Fabriken an die Erfordernisse des Klimawandels. Hier wurden aktuelle Probleme eines Unternehmens erfasst und zu einem Fall verarbeitet. Dieser konnte im zweiten Durchgang der Lehrveranstaltung im Wintersemester 2016/2017 eingesetzt werden. In Abschn. 6.6.4 wird der Mehrwert einer Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Unternehmenspraxis bei der Gestaltung der Lehrveranstaltung aufgezeigt. Im Anschluss an die Fallkonstruktion wurde die Struktur der Lehrveranstaltung in Form von halb- und ganztägigen Blöcken, die sich mit Phasen des Selbststudiums abwechselten, festgelegt. In Abschn.  6.7  wird die grobe Planung von Präsenzterminen und Selbststudiumsphasen skizziert. In Kap. 7 wird die Umsetzung der Lehrveranstaltung im Sommersemester 2016 detailliert beschrieben (vgl. Abb.  1.7 und 1.8). In Abschn.  7.1  werden Feinplanung, Inhalte und Gestaltung des ersten Präsenztermins dargestellt. Das Vorgehen bei der Arbeit mit PBL wird exemplarisch an einer Lerngruppe ausführlich beschrieben, sodass der didaktische Hintergrund der einzelnen Schritte und deren Umsetzung in der Praxis nachvollzogen werden können. Auch die Ergebnisse der Lerngruppen anhand der Schritte von PBL werden dokumentiert und sowohl inhaltlich als auch didaktisch analysiert. In den folgenden Abschnitten (Abschn. 7.2 bis 7.8) wird der weitere Verlauf der Lehrveranstaltung nach einem ähnlichen Schema dargestellt. Neben PBL wurden auch andere Methoden wie z. B.

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Abb. 1.7  Übersicht Kap. 7: Durchführung der Lehrveranstaltung – Beschreibung von Präsenzterminen und Selbstlernphasen

Abb. 1.8  Übersicht Kap. 7: Prüfung, Evaluation, Forschung und Bilanz

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ein Wissensquiz ergänzend angewendet. Der didaktische Hintergrund ergänzender Methoden, deren Umsetzung und Ergebnisse werden erläutert. Abschn. 7.9 behandelt die abschließende Prüfung in Form einer Klausur. Die Lehrveranstaltung KlimaIng wurde am letzten Präsenztermin mit verschiedenen Datenerhebungsmethoden evaluiert, was in Abschn.  7.10  dargestellt wird. In Abschn. 7.10.1 werden Inhalte und Ergebnisse der Lehrveranstaltungsevaluation in Form einer studentischen Veranstaltungskritik, die über einen standardisierten Fragebogen der Fakultät für Maschinenbau erfolgte, vorgestellt. Ein Plenumsgespräch mit den Studierenden am Ende des letzten Präsenztermins (Abschn. 7.10.2) lieferte ergänzende qualitative Daten zur Einschätzung der Qualität der Lehrveranstaltung. Die Arbeit mit Problembasiertem Lernen stellte sowohl für Lernende als auch für Lehrende eine Herausforderung dar. Die Eindrücke und Erfahrungen, die die Lehrenden im Verlauf der Planung und Durchführung der Lehrveranstaltung gewinnen konnten, wurden über kurze, offene Interviews erfragt und ausgewertet. Eine Zusammenfassung der Ausführungen der Lehrenden erfolgt in Abschn. 7.10.3. Neben der Evaluation der Lehrveranstaltung wurde ein Begleitforschungsvorhaben seitens des KHN initiiert, um die Wirkung des Einsatzes von Problembasiertem Lernen, wie sie in der Lehrveranstaltung KlimaIng erfolgte, weiterführend zu untersuchen. In Abschn. 7.11 werden einige Desiderate der Wirkungsforschung zu Problembasiertem Lernen referiert, aus denen sich das Erkenntnisinteresse des Forschungsvorhabens ableitet. Fragestellung und Vorgehen werden umrissen und ein Überblick über den aktuellen Stand der Arbeit gegeben. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem ersten Durchgang der Lehrveranstaltung (Abschn.  7.12). Da die Lehrveranstaltung im Fachbereich Fabrikplanung verstetigt werden konnte, werden

Abb. 1.9  Übersicht Teil III Allgemeine Arbeit mit den Fällen

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Folgerungen aus dem ersten Durchgang für die Weiterentwicklung der Veranstaltung in zukünftigen Durchgängen genutzt. Teil III In diesem Teil des Fachbuches (Kap.  8) werden die Fälle vorgestellt, die im Rahmen des Projektes entstanden und teilweise in der Lehrveranstaltung eingesetzt wurden. Eine Übersicht über inhaltliche Schwerpunkte erleichtert es interessierten Lehrenden, Fälle für ihre eigenen Lehrveranstaltungen auszuwählen und bei Bedarf auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Eine Übersicht des Kapitels zeigt Abb. 1.9. In den Abschn. 8.1 bis 8.8 werden Fälle, intendierte Lernziele und Hinweise zu Einsatzmöglichkeiten vorgestellt. Jedem Fall wurden Literatur und Quellen beigefügt – sie können Recherchearbeiten der Studierenden ergänzen.

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Teil I Planung klimagerechter Fabriken

Dieser Teil des vorliegenden Buches stellt die Grundlagen für die im zweiten Teil entwickelten didaktischen Konzepte dar. Im ersten Kapitel wird der Klimawandel auf globaler und nationaler Ebene vorgestellt, da das Bewusstsein und das Wissen über den Wandel in Bezug auf die Planung klimagerechter Fabriken unerlässlich sind. Der in Abschn. 2.1 beschriebene globale Klimawandel zeigt die Wirkzusammenhänge des Klimas auf, um ein Verständnis für die Entstehung des Klimawandels und den damit einhergehenden Folgen zu erzeugen. Zudem werden verschiedene Wirkzusammenhänge, einschließlich des Treibhauseffekts im Kontext von Klimamodellen dargestellt. Die nationale Ebene in Abschn.  2.2  geht auf die Besonderheiten des Klimawandels in Deutschlands ein. Dazu werden die Veränderungen der Temperatur, wie beispielsweise Niederschläge vorgestellt und für die Fabriken bedeutungsvollen Wetterextreme genauer untersucht. Schließlich werden die Folgen sowie mögliche Auswirkungen des Klimawandels in Abschn. 2.3 allgemein auf globaler und nationaler Ebene beschrieben. Zusammenfassend stellt Abschn. 2.4 die Relevanz des Klimawandels bezogen auf die Fabrikplanung dar In Kap.  3  werden die Grundlagen der Fabrikplanung erläutert. Dazu werden grundlegende Begriffe, Entwicklungstendenzen, Ziele der Fabrikplanung, der Planungsprozess mit einzelnen Phasen und den dazugehörigen Planungsaufgaben beschrieben. Zusätzlich wird auf das Risikomanagement eingegangen, welches für die Betrachtung der Klimafolgen von Fabriken unerlässlich ist. Kap. 4 stellt eine Synthese aus dem zuvor beschriebenen Klimawandel und der Fabrikplanung dar und zeigt deren Zusammenwirken auf. Daraufhin wird die Verletzbarkeit einer Fabrik anhand der Klimafolgen analysiert. Nachfolgend wir der Begriff Mitigation ausführlich beschrieben, welcher die Reduzierung der klimaschädlichen Einflüsse der Fabrik beschreibt. Abschließend werden Hinweise für eine erfolgreiche Adaption von Fabriken sowie das Erstellen einer Anpassungsstrategie gegeben.

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Klimawandel Uwe Dombrowski und Anne Reimer

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts wurden in Deutschland zahlreiche meteorologische Rekorde aufgestellt. Dazu zählen das Jahrhundert-Hochwasser 2002, der Rekordsommer 2003 sowie der bislang wärmste Winter 2006/2007 in Deutschland [14]. Das Frühjahr 2011 war das sonnigste sowie das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung [1]. Ereignisse dieser Art werden den Folgen des Klimawandels zugeschrieben, welcher mit der Veränderung der Atmosphärenzusammensetzung einhergeht und eine entscheidende Rolle spielt. Hier ist vor allem das Gas Kohlenstoffdioxid (CO2) entscheidend, welches die Atmosphäre so verändert, dass Wärmestrahlung auf die Erde rückreflektiert wird und die Lufttemperatur steigt. Mit der Industrialisierung und neuen Technologien wie beispielsweise dem Verbrennungsmotor begann der Mensch, in einem bis dahin nicht existierendem Ausmaß, das in fossilen Energieträgern gespeicherte CO2 in die Atmosphäre freizusetzen. Gase wie Kohlenstoffdioxid, Methan oder Distickstoffmonoxid tragen einen entscheidenden Beitrag zur Veränderung der Atmosphäre und der Eigenschaften der Strahlenreflektion bei. In den vergangenen 50 Jahren konnten zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass durch die Industrialisierung die CO2-Belastung auf der Erde zugenommen hat. Neben Kohlenstoffdioxid weist Methan unter den Treibhausgasen die zweitgrößte Zunahme (gemessen in CO2-Äquivalent) auf. Anhand des CO2-Äquivalents lassen sich verschiedene Treibhausgase miteinander vergleichen. Der Gehalt dieser Gase war in den letzten 800.000 Jahren nie höher als heute [3]. Abb. 2.1 zeigt hierzu die Entwicklung der globalen Durchschnittskonzentrationen der Treibhausgase Kohlenstoffdioxid (CO2, grüne Kennlinie), Methan (CH4, gelbe Kennlinie) sowie Distickstoffmonoxid (N2O, rote Kennlinie). U. Dombrowski (*) · A. Reimer Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung, Langer Kamp 19, 38106 Braunschweig, Deutschland e-mail: [email protected]; [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 U. Dombrowski, S. Marx (Hrsg.), KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56590-2_2

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U. Dombrowski und A. Reimer

Abb. 2.1  Veränderung des Treibhausgas-Ausstoßes von 1750 bis 2011, grüne Kennlinie: CO2, gelbe Kennlinie: CH4, rote Kennlinie: N2O [45]

Die veränderte Zusammensetzung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre führt zu einer Veränderung des Klimas. Studien und Klimasimulationen zeigen, dass sich die globale Erwärmung in diesem Jahrhundert fortsetzen wird. Hierbei lässt sich ausschließlich die Intensität des weltweiten Temperaturanstiegs durch Klimaschutzmaßnahmen beeinflussen [45]. Langfristig stellt diese Entwicklung eine Gefährdung für die gesamte Menschheit dar [5]. Um den Prozess des Klimawandels zu verstehen und die möglichen Folgen aufzuzeigen, stellt der nachfolgende Abschnitt eine Einführung in den Prozess des anthropogenen Klimawandels dar.

2.1

Globaler Klimawandel

Wetterveränderungen betreffen nicht nur einzelne Länder, sondern wirken sich auf ganze Regionen aus. Dies zeigt sich bereits durch ansteigende Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen oder Stürme [14]. Das Klima weist einen globalen Zusammenhang auf, sodass eine Veränderung weltweit zu verzeichnen ist. Bleibt diese Veränderung irreversibel, so wird vom Klimawandel gesprochen [1]. Zunächst ist für das theoretische Verständnis eine Definition der wichtigsten Begrifflichkeiten erforderlich.

2 Klimawandel21

2.1.1 Begriffe und Definitionen Um ein Verständnis für die Thematik des Klimawandels zu entwickeln, ist es zunächst notwendig, eine grundlegende Abgrenzung der Begriffe Wetter und Klima vorzunehmen. Unter dem Begriff Wetter wird im Allgemeinen die Gesamtheit von kurzfristigen und verhältnismäßig geringfügigen Veränderungen von meteorologischen Parametern verstanden [69]. Im Vergleich zum Klima bildet das Wetter eine wesentlich kürzere Zeitskala ab. Die Wetterforschung untersucht hierzu einzelne Wetterphänomene, die sich durch ein Auftreten innerhalb eines kurzen Zeitraums auszeichnen. Somit ist die Vorhersagbarkeit des Wetters heutzutage auf maximal 14 Tage begrenzt. Hat der vorherrschende Wettercharakter von mehreren Tagen bis zu einer Jahreszeit Bestand, dann wird dies auch als Witterung bezeichnet. Das Wetter ist ein Teilprozess innerhalb des Klimasystems, das zum Erhalt des globalen, energetischen Gleichgewichts beiträgt und durch kurzfristige Phänomene, wie beispielsweise Tief- und Hochdruckgebiete, beeinflusst wird [71]. Die Definition des Klimas hat sich über die Jahre mit internationalem Fokus kontinuierlich weiterentwickelt. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) spielt eine international wichtige Rolle zur Analyse und Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels. Die Gründung des IPCC erfolgte 1988 durch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Das IPCC wird im Deutschen auch als Weltklimarat bezeichnet, dessen Aufgabe es ist, naturwissenschaftliche Grundlagen sowie den aktuellen Forschungsstand zum Thema Klimawandel aufzuarbeiten und zu bewerten. Der Begriff Klima wird vom IPCC wie folgt definiert: „Climate in a narrow sense is usually defined as the average weather, or more rigorously, as the statistical description in terms of the mean and variability of relevant quantities over a period of time ranging from months to thousands or millions of years. The classical period is 30 years, as defined by the World Meteorological Organization (WMO). These quantities are most often surface variables such as temperature, precipitation, and wind.“ [63]. Die Definition spiegelt wider, dass das Klima ein Zusammenspiel aus einer Vielzahl von Einflussfaktoren ist. Dieses Klimasystem setzt sich aus verschiedenen Subsystemen, sog. Erdspähren, zusammen. Zwischen diesen besteht über definierte Flüsse, wie z. B. Strahlungen, Wind, Verdunstungen und Niederschläge, ein kontinuierlicher Austausch von Energie sowie Massen, die ein energetisches Gleichgewicht aller Subsysteme anstreben. Die langfristige Beschreibung des Systemzustandes wird mittels der Erfassung von Zustandsgrößen, wie Luftdruck, Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind, Bodenfeuchte und Salzgehalt der Ozeane und Flussgrößen, Strahlungen, Verdunstungen und Niederschlägen, realisiert. Relevant sind hierbei nicht nur der Mittelwert, sondern auch typische Abweichungen und Extremwerte, ebenso wie quasi-periodische Schwingungen (z. B. siebenjähriges El Niño/Southern Oscillation-Phänomen, welches die ungewöhnliche Erwärmung im östlichen Pazifik und die Luftdruckschwankungen beschreibt). Um eine internationale Vergleichbarkeit zu erzeugen, werden Klimanormalperioden, d.  h. 30-jährige Zeiträume, wie z.  B. 1981–2010, festgelegt [57]. Unter Zuhilfenahme

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Abb. 2.2  Subsysteme der Erde [63]

von Klimadaten können Klimagrenzen für jahreszeitliche und statistische Veränderungen meteorologischer Parameter bestimmt werden, wie Wahrscheinlichkeiten und Intervalle von extremen Wetterereignissen [64]. Das Klima ist nicht nur eine statistische Größe der mittleren Wetterverhältnisse, sondern darüber hinaus ein wesentlicher Bestandteil des Systems Erde, der mit anderen Subsystemen interagiert [41]. Folgende in Abb. 2.2 dargestellte Subsysteme bilden das Klimasystem. Die einzelnen Subsysteme der Erde werden wie folgt beschrieben: • Atmosphäre (eine Gas- bzw. Schutzhülle der Erde): Über Verdunstung, Wind, Wolken und Niederschlag können innerhalb von Stunden schnelle Austauschprozesse sowie groß- und kleinräumige Wetterereignisse entstehen. • Kryosphäre (Eisschilde auf der Erde): Repräsentiert den Anteil der Poleis-Kappen, Gletscher, Schneegebiete und Permafrost auf der Erdoberfläche. • Hydrosphäre (Wasseranteil der Erde): Beinhaltet das Grundwasser, Flüsse, Seen, Meere sowie die Thermophilie: Zirkulation der globalen Ozeanströmungen, die Wärme- und Kältemengen um die Welt transportieren. • Pedosphäre (von Böden eingenommener Bereich): Umfasst die Gesamtheit aller Böden der Erde, die durch verschiedene organische und anorganische Reaktionen, einer Vielzahl von Arten sowie als stoffliche Grundlage für alle forst- und landwirtschaftlichen Produkten dient. • Lithosphäre (Gesteinshülle): Bezeichnet den Anteil der festen Gesteinshülle der Erde. • Biosphäre (Belebter Raum): Sie reicht bis etwa 60 km Höhe in die Atmosphäre und bis 5 km tief in die Lithosphäre. Besonders wichtige Eigenschaften der Biosphäre sind die Sauerstoffproduktion durch Pflanzen, die Fruchtbarkeit der Böden sowie die Selbstreinigung von Gewässern.

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• Anthroposphäre (Menschlicher Lebensraum): Ist der vom Menschen geschaffene Lebensraum, in welchem die von ihm gestalteten und betriebenen biologischen und technischen Prozesse ablaufen. Hierzu gehören beispielsweise landwirtschaftliche Betriebe, Kraftwerke, Häuser und Transportnetze. Hieraus resultieren Emissionen, die qualitativ und quantitativ signifikant in die Bilanz der natürlichen Stoffkreisläufe eingreifen [18, 41]. Die Gesamtheit aller Subsysteme inklusive ihrer vorliegenden Wechselwirkungen wird auch als Klimasystem bezeichnet [67]. Über die vergangenen Jahrhunderte hat sich die Meinung gebildet, dass das Klima an jedem auf der Welt betrachteten Ort konstant und somit berechenbar ist. Diese Annahme beruhte darauf, dass menschliche Eingriffe in das Klimasystem sich nicht auf dessen Stabilität auswirken würden [46]. Intensive Forschungsaufwendungen haben diese Ansicht jedoch verändert, der Klimawandel stellt sich heute als eine der Herausforderung unserer Gesellschaft dar [24]. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die erhöhte Anzahl an Naturkatastrophen und deren wirtschaftliche Schäden im Empfinden der Bevölkerung kontinuierlich zunehmen. Hierbei muss jedoch zwischen zwei Phänomenen differenziert werden, den Klimaschwankungen und der Klimaveränderung. Bei einer Klimaschwankung handelt es sich um eine zufällige Abweichung innerhalb eines festgelegten Bereichs [25]. Die Klimaänderung, ob natürlich oder durch anthropogene Ursachen bedingt, beschreibt eine dauerhafte Zustandsänderung des Klimasystems. Hierdurch ändern sich wiederum die grundlegenden Bezugsgrößen, wie der Mittelwert, die Varianz und die Wiederkehrintervalle [64]. Ein Einzelergebnis, wie z. B. ein verhältnismäßig heißer Sommer, ist somit noch kein eindeutiges Merkmal des Klimawandels. Eine Häufung überdurchschnittlich heißer Sommer, wie es Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts zu beobachten war, liefern jedoch Hinweise auf einen möglichen globalen Temperaturanstieg [25]. Darüber hinaus ist das Klima, wie zuvor aufgezeigt, durch ein Zusammenspiel verschiedener Subsysteme charakterisiert. Eine Klimaänderung resultiert demnach aus einem Ungleichgewicht dieser Subsysteme [41]. Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über die Klimaänderungen (UNFCCC) definiert die Klimaänderung bzw. den Klimawandel in Artikel 1 als „Änderungen des Klimas, die unmittelbar oder mittelbar menschlichen Tätigkeiten zugeordnet sind, welche die Zusammensetzung der Erdatmosphäre verändern und die zu der, über vergleichbare Zeiträume, beobachteten natürlichen Klimavariabilität hinzukommen“ [67]. Es wird demnach zwischen den menschlichen Aktivitäten, die die Zusammensetzung der Atmosphäre verändern und der Klimavariabilität, die natürlichen Ursachen zuzuordnen ist, unterschieden [46]. Diese werden im folgenden Kapitel näher beschrieben.

2.1.2 Ursachen des Klimawandels Als Ursache des Klimawandels werden häufig menschliche Handlungen genannt. Hierbei wird jedoch außer Acht gelassen, dass sich das Klima seit Beginn der Erdgeschichte in

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einem stetigen Wandel befindet. Im Laufe der Zeit haben sich die Umwelt- und Atmosphärenbedingungen allmählich, teilweise auch sprunghaft verändert. Ein stabiles Klima hat es demnach nie gegeben [30]. Beeinflussung der durchschnittlichen Temperatur durch den Treibhauseffekt  Der Treibhauseffekt wird zumeist im Zusammenhang mit einer durch den Menschen verursachten globalen Erwärmung gebracht. Allerdings ist ein Teil des Treibhauseffekts ein ganz natürlicher Prozess, der den Ausgangspunkt aller klimawissenschaftlichen Überlegungen bildet, da Treibhausgase wie Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid oder Methan von Natur aus in der Atmosphäre vorzufinden sind [47, 69]. Es ist davon auszugehen, dass dies ein lebensnotwendiger Effekt ist, ohne den die mittlere Temperatur auf der Erdoberfläche ca. –18 °C betragen würde. Dies hängt mit der Stefan-Boltzmann-Konstante zusammen, welche im Abschnitt der Rückkopplungssysteme näher erläutert wird. Seit der Bildung der Erdatmosphäre um die Erdkugel sorgt der natürliche Treibhauseffekt für den Ausgleich des enormen Temperaturunterschiedes, welcher sonst zu Temperaturen zwischen 80 °C am Äquator und –100 °C an den Polen führen würde [47, 55]. Die mittlere Differenz von 33 °C wird vom natürlichen Treibhauseffekt verursacht und ermöglicht ein lebensfreundliches Klima [47]. In der Vergangenheit war die Temperatur stets großen Schwankungen unterworfen, welche von extremen Eiszeiten mit globaler Schneebedeckung bis hin zu Warmzeiten mit einem vollständig eisfreien Nordpolarmeer führte. Forschungen haben ergeben, dass die derzeitige Situation aus klimatischer Sicht sehr ungewöhnlich ist, da die durchschnittlichen Temperaturen im Vergleich zu tief sind [70]. Zu 80 % ihres Bestehens war die Erde völlig eisfrei. Allerdings herrscht seit Millionen von Jahren ein kontinuierlicher Wechsel von Warm- und Kaltzeiten [55]. Die jetzige Warmzeit kann nach diesem Wechselschema eventuell nur eine kurze Zwischenperiode darstellen. Die derzeitig zu beobachtende ansteigende Durchschnittstemperatur, die seit mehreren Jahren über dem gemessenen Mittelwert liegt, ist jedoch außergewöhnlich. Die Durchschnittstemperatur des Sommers 2003  lag 3,5  °C über dem langjährigen Durchschnitt. Damit war der Sommer 2003 der wärmste seit mehreren hundert Jahren [41]. Würden die Temperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts um weitere 5 °C ansteigen, wäre der höchste globale Mittelwert seit Beginn des Zeitalters der Eiszeit vor rund 2,5  Millionen Jahren erreicht [34]. Abb. 2.3 zeigt den Verlauf der globalen Temperatur. Seit 2000 wurden die zehn wärmsten Jahre der vergangenen 134 Jahre gemessen [39]. Der natürliche Treibhauseffekt  Um ein Verständnis für den Treibhauseffekt zu schaffen, ist es zunächst notwendig, das komplexe System der Atmosphäre zu vereinfachen. Es wird angenommen, dass die Atmosphäre ein Konglomerat aus Wasserdampf, Wolken, Kohlenstoffdioxid, Methan und weiteren Gasen ist. Die Sonneneinstrahlung stellt den entscheidenden Einfluss im Klimasystem dar, ohne diese es keinen natürlichen Klimawandel gäbe [58]. Die Sonne strahlt kurzwellige ultraviolette Strahlen aus. Durch die Wolken in der Erdatmosphäre sowie der Erdoberfläche wird ein Teil der kurzwelligen Strahlung in den Weltraum reflektiert. Ein großer Teil dieser

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Abb. 2.3  Abweichung der globalen Lufttemperatur vom Durchschnitt 1961 bis 1990 (Referenzperiode) [39, 54]

Strahlung wird jedoch von Boden, Wasser, Wolken und Spurenstoffen in der Atmosphäre absorbiert. Diese Absorption der Strahlung führt in der Konsequenz zu einer natürlichen Erwärmung des Systems Erde. Die aufgenommene Strahlung wird in Wärme umgewandelt und in Form von langwelliger Wärmestrahlung wieder in den Weltraum abgegeben. Aufgrund verschiedener Treibhausgase, wie Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid, Methan, Distickstoffmonoxid oder Ozon, kommt es jedoch zu einer ungleichmäßigen Verteilung der Wärmestrahlung in alle Richtungen, wodurch u. a. auch eine Rückreflektion der Wärmestrahlung zum Erdboden erfolgt. Aufgrund dieser Rückreflektion herrschen in Bodennähe Temperaturen, die das Leben ermöglichen [55]. Beeinflussung des Treibhauseffekts durch Rückkopplungssysteme  Neben den Subsystemen bestehen noch weitere Rückkopplungssysteme, die das Klima essenziell beeinflussen [18]. Dabei wird zwischen einer positiven und einer negativen Rückkopplung unterschieden. Von einer positiven Rückkopplung wird dann gesprochen, wenn die Ursache durch die Rückkopplung verstärkt wird. In Bezug auf das Klima bedeutet dies ein Anstieg der mittleren Durchschnittstemperatur. Im Gegensatz dazu führt eine negative Rückkopplung zu einer Abkühlung der Erde. Die Rückkopplungssysteme können demnach in beide Richtungen wirken, meist liegt jedoch eine Tendenz der positiven Rückkopplung vor [58].

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Zu den negativen Rückkopplungssystemen zählen das Stefan-Boltzmann-Gesetz, die Ausprägung der Pflanzendecke sowie die Wolken-Wasserdampf-Kopplung. Das Stefan-Boltzmann-Gesetz ist ein physikalisches Gesetz, welches die Abhängigkeit der Wärmestrahlung eines idealen schwarzen Körpers und dessen Temperatur beschreibt. Die Abstrahlungsintensität des schwarzen Körpers hängt mit dessen Temperatur zusammen und besitzt einen Proportionalitätsfaktor von 4. Demzufolge würde die Verdopplung der Temperatur zu einer Zunahme der Wärmeabstrahlungsintensität um den Faktor 16 führen [20]. Aus diesem physikalischen Zusammenhang lässt sich berechnen, dass ohne den natürlichen Treibhauseffekt eine mittlere Temperatur von –18 °C auf der Erde herrschen würde. Dies hängt vorwiegend mit der Sonneneinstrahlung zusammen, da die Erde rund 70 % der Solarstrahlung aufnimmt und 30  % reflektiert. Zudem wirkt die Solarstrahlung auf den Erdquerschnitt, welcher ein Verhältnis zur Oberfläche von 1:4 besitzt. Die gesamte Sonneneinstrahlung auf die Erde entspricht ca. 1.367 W/m2. Da diese Leistung pro Fläche über das Jahr konstant bleibt, wird dieser Wert auch als Solarkonstante bezeichnet. Aufgrund des Oberflächenverhältnisses könnte die Erde theoretisch ca. 342 W/m2 abstrahlen. Durch Reflexion können bis zu 102 W/m2 direkt in den Weltraum abgebeben werden. Würde sich die Wärme gleichmäßig über die Erde verteilen, ergibt sich nach dem Stefan-BoltzmannGesetz eine Temperatur von –18  °C. Tatsächlich herrscht auf der Erde eine gemittelte Temperatur von T  ≈  15  °C, was auf den natürlichen Treibhauseffekt zurückzuführen ist [69]. Durch den Zusammenhang von Wärmeabstrahlung und Temperatur des schwarzen Körpers hat sich die Temperatur über die Erdgeschichte nahezu stabil gehalten [31]. Abb. 2.4 verdeutlicht den Strahlungshaushalt der Erde [32].

Abb. 2.4  Strahlungshaushalt der Erde [32]

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Neben der Stefan-Boltzmann-Konstante hat auch die Pflanzendecke eine negative Rückkopplung. Dies ist darin begründet, dass Pflanzen aufgrund solarer Energie durch Photosynthese CO2 binden und umwandeln. Ist die Pflanzendecke stärker ausgeprägt, so wird mehr CO2 aus der Atmosphäre gebunden, was zu einer Senkung der Treibhausgase und damit zu einer Absenkung der Rückreflexion langwelliger Strahlung führt [28]. Die Wolken-Wasserdampf-Kopplung beschreibt den Zusammenhang zwischen der ansteigenden Konzentration von Wasserdampf und der daraus entstehenden Wolkenpartikel in der Atmosphäre und des steigenden Rückstrahlvermögens (Albedo). Dies ist darin begründet, dass mit einer zunehmenden Konzentration von Wasser- und Eispartikeln (Wolken) in der Atmosphäre die Fläche der Wolkendecke zunimmt. Die Wolken reflektieren aufgrund ihrer molekularen Zusammensetzung solare Strahlung, was zu einer Abmilderung des Treibhauseffektes führt. Neuste Forschungen zeigen jedoch, dass diese Entwicklung auch zu einer positiven Rückkopplung führt [44]. Demzufolge haben sich die Bahnen der Tiefdruckgebiete in den Norden verschoben und die Höhe der Wolkenspitzen vergrößert. Dadurch verringert sich die Wolkendichte in den äquatornahen Klimazonen, was zu einer stärkeren Erwärmung dieser führt. Letztendlich resultiert dadurch eine positive Rückkopplung zur globalen Erwärmung, die durch die Reduktion von Treibhausgasen oder vulkanischen Aktivitäten beeinflusst werden kann [44]. Positive Rückkopplungssysteme bestehen bei der Eis-Albedo-Rückkopplung, dem Auftauen des Permafrostbodens, der Löslichkeit von Gasen in der Atmosphäre sowie der Wasserdampfrückkopplung [5]. Die Eis-Albedo-Rückkopplung beschreibt den Zusammenhang zwischen der Ausdehnung der Eisflächen der Erde und der Reflexion von Sonnenstrahlung durch verschiedene Oberflächen. Aufgrund der Erderwärmung kommt es zu einer Erhöhung der durchschnittlichen Lufttemperatur, was wiederum zum Abschmelzen der globalen Eisflächen führt. An Eisflächen werden etwa 80 % der Strahlung reflektiert, während es auf aperen (matten) Oberflächen nur bis zu 20 % sind. Das Abschmelzen der Eisflächen hat demnach die Folge, dass weniger Strahlung reflektiert wird und die Erderwärmung schneller voranschreitet [31]. Einhergehend mit dem Abschmelzen der Eisflächen an den Polen kommt es zudem zum Auftauen des Permafrostbodens, in dem sich sehr große Mengen an CO2, etwa ein Viertel des gebundenen CO2, befinden [23]. Das gebundene CO2 würde somit durch das Auftauen des Permafrostbodens freigesetzt werden und eine positive Rückkopplung auf die Erderwärmung nehmen. Bisher können jedoch noch keine genauen Angaben über das Ausmaß des Einflusses getätigt werden. Aktuell werden zu diesem Thema verschiedene Studien durchgeführt [75]. Ein weiteres Rückkopplungssystem lässt sich auf den Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Ozeantemperatur und den chemischen Prozessen in der Atmosphäre zurückführen. Aufgrund der Erderwärmung steigen die Temperaturen in den Ozeanen. Da Gase bei steigender Temperatur eine schlechtere Löslichkeit in Wasser aufweisen, werden weniger Gase in den Ozeanen gebunden. Dadurch steigt die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre, was zu einem Anstieg der Temperaturen auf der Erde führt [26].

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Neben der Eis-Albedo-Rückkopplung hat die Wasserdampfrückkopplung den größten Einfluss. Der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre steht in direktem Zusammenhang zur durchschnittlichen Temperatur auf der Erde, da Wasserdampf ein Treibhausgas ist [35]. Steigt die mittlere Temperatur auf der Erde, so nimmt auch der Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre zu. Wird angenommen, dass sich die CO2-Konzentration verdoppelt, so steigt die durchschnittliche Lufttemperatur um 2,8  °C an. Die Wasserdampfrückkopplung trägt zu dieser Temperaturerhöhung mit 1  °C bei [19]. Die veränderte Durchschnittstemperatur der Erde bei Verdopplung der CO2-Konzentration wird auch als Klimasensitivität bezeichnet [47]. Die Wasserdampfrückkopplung wird auch als „indirekter Treibhauseffekt“ beschrieben [6]. Die Entwicklung des Klimas wurde durch die angeführten natürlichen Ursachen und bisher noch weitgehend unerforschte Rückkopplungen untereinander maßgeblich beeinflusst [30]. Seit 1940  konnte der Trend der Erwärmung nicht auf natürliche Ursachen zurückgeführt werden [62]. Allerdings ist seit einem für erdgeschichtliche Verhältnisse sehr kurzem Zeitraum der Mensch als ein neuer Einflussfaktor hinzugekommen, der keineswegs zu vernachlässigen ist. Der anthropogene Treibhauseffekt  Wird von anthropogenen Ursachen des Klimawandels gesprochen, so wird sich auf den Eingriff des Menschen in die Natur sowie dessen Auswirkungen auf die Umwelt, die Atmosphäre und schließlich auch auf das Klima berufen [35, 55]. Im Zeitraum von 1800 bis 2011 ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre um ca. 40 %, von 280 ppmV (parts per million by volume) auf 390 ppmV, angestiegen [23]. Monatliche Messungen des National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) haben eine derzeitige Kohlenstoffdioxid-Konzentration in Höhe von 404  ppmV festgestellt, was dem höchsten Stand in den letzten 650.000 Jahren entspricht [13]. Der durch den stetig ansteigenden Verbrauch von fossilen Energieträgern erhöhten CO2-Gehalt verstärkt den zuvor beschriebenen natürlichen Treibhauseffekt. Die kontinuierliche Emission von Treibhausgasen, zu denen auch Spurengase wie Methan, Ozon und Stickoxide zählen, verstärken den Treibhauseffekt und werden eine langfristige Auswirkung auf das Erdsystem zur Folge haben [41]. Beachtliche Mengen von Kohlenstoffdioxid entstehen jährlich zu großen Teilen durch die Verbrennung fossiler Energieträger und dem Mobilitätsbedarf der Weltbevölkerung. Insgesamt belaufen sich die gesamten jährlichen CO2-Emissionen auf knapp 34,8  Mrd. Tonnen [17]. Obwohl die Methankonzentration sehr viel geringer ist als die des Kohlenstoffdioxids, ist ihr Beitrag zum Klimawandel erheblich. Das liegt vor allem darin begründet, dass ein Methan-Molekül eine 25–30-fach stärkere Treibhauswirkung besitzt als ein CO2-Molekül [63]. Neben den natürlichen Methanquellen erhöhen menschliche Aktivitäten den Methanausstoß enorm. Hierzu gehören Leckagen an Erdgaspipelines, Freisetzung aus Ölquellen, Fermentation in Mägen von Viehbeständen, Abfallentsorgung und Holz- sowie Torfverbrennung [22]. Der Konzentrationsanstieg bewirkt, dass die von der Erdoberfläche abgestrahlte Wärmeenergie wirkungsvoll gespeichert wird und verstärkt zudem den Effekt der Erderwärmung. Darüber hinaus unterstützt die Freisetzung von Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen, die in Spraydosen, Kühlschränken und Schaumstoffen als Treibgas enthalten sind, diesen Effekt [30].

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Zusätzlich zu der Emission der Treibhausgase ist die Landnutzungsänderung im Zuge von landwirtschaftlichen Aktivitäten ein weiterer Hauptfaktor [35]. Bereits in der Antike wurde mit der kontinuierlichen Rodung von Wäldern begonnen. Dies hat ein Schrumpfen der Waldflächen zur Folge, was eine erhebliche Änderung des globalen Wasserhaushaltes mit sich bringt, da Wälder als Wasserspeicher fungieren. Darüber hinaus wird zusätzlich das Gleichgewicht des Kohlenstoffkreislaufes gestört [22]. Bei einem Großteil der Klimaforscher sowie der öffentlichen Wahrnehmung gilt die Theorie der anthropogenen Veränderung des Klimas als gesichert [7]. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Möglichkeit einer Überlagerung von anthropogenen und natürlichen Ursachen besteht. Hierdurch kann einerseits eine Verstärkung, andererseits jedoch durch Kompensation auch eine Abschwächung der jeweiligen Effekte hervorgerufen werden. Eine abschließende Aussage über den genauen Beitrag des Menschen zum Klimawandel kann daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit absoluter Sicherheit getroffen werden [55].

2.1.3 Klimamodelle Wie oben beschrieben, wird das Klima durch natürliche und anthropogene Faktoren beeinflusst und ändert sich stetig. Durch die stärker spürbaren Auswirkungen des Klimawandels gewinnt die Thematik an immer größerer Bedeutung für die Wirtschaft und Industrie. Aufgrund der Komplexität dieses Themas und fehlender Erkenntnisse über präzise Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge des Klimawandels können momentan keine konkreten Handlungsmaßnahmen abgeleitet werden. Um jedoch ein vertieftes Verständnis über das Klima zu erlangen und Prognosen über zukünftige Entwicklungen abzuleiten, werden sogenannte Klimamodelle genutzt. Ein Modell stellt dabei ein vereinfachtes Abbild der Realität dar. Eine Modellierung der Thematik ist in verschiedenen Sprachen, wie grafische Modelle oder fachsprachenspezifische Modelle (z. B. Reaktionsgleichungen in der Chemie). Die Zusammenhänge zwischen den Einflussgrößen werden in einem Modell durch mathematische Gleichungen beschrieben [60]. Für Klimamodelle ergibt sich die Problematik, dass die Prozesse vereinfacht oder approximiert werden müssen, da sowohl das Klimasystem als auch die intern ablaufenden Rückkopplungssysteme sehr komplex sind. Des Weiteren herrscht zu einigen Prozessen kein allgemeiner Konsens über deren Simulation. Mit den Klimamodellen können auf diese Weise Prognosen über künftige Klimaentwicklungen erstellt, eine Sensitivitätsanalyse sowie Auswirkungen von Parametervariationen bewertet werden [48]. Hierdurch lassen sich Strategien und Handlungsempfehlungen als Reaktion auf den Klimawandel ableiten. Die Klimamodelle werden demnach genutzt, um Klimasimulationen zu erstellen. Aufgrund der Komplexität der Modelle ist eine analytische Lösung nicht umsetzbar. Daher werden die Modelle in diskreter Form mithilfe von Hochleistungsrechnern simuliert. Es werden Anfangszustände und Parameter eingeführt, die eine konkrete Situation

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beschreiben. Ergeben die Ergebnisse eine Übereinstimmung zu den tatsächlichen Resultaten, gilt das Modell als validiert und kann für zukünftige Prognosen genutzt werden. [18] Es existieren eine Vielzahl von Klimamodellen [48]. Auf Basis dieser Modelle können verschiedene Szeanarien entwickelt werden. Ein weltweit anerkanntes Klimaszenario wurde vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im fünften Sachstandsbericht vorgestellt. Um die Veränderung des Klimas abzuschätzen, wurden vier verschiedene Konzentrationspfade, sogenannte Representative Concentration Pathways (RCPs), angenommen. Diese stützen sich jetzt nicht mehr auf die Emission von Treibhausgasen, sondern auf die Veränderung des Strahlungsantriebs [16]. Der Strahlungsantrieb ist ein Maß zur Beschreibung der Veränderung der Erdenergiebilanz durch externe Faktoren. Die Einheit des Strahlungsantriebs wird in W/m2 angegeben. Die verschiedenen Szenarien unterscheiden sich hierbei vorwiegend in der Entwicklung der Bevölkerungszahlen und auch in der Zusammensetzung des Primärenergieverbrauchs [16]. Die vier Szenarien beinhalten folgenden Strahlungsantrieb: Für das erste Szenario (RCP2.6) wird ein Strahlungsantrieb von 2,6 W/m2 angenommen. Dies entspricht einem Szenario, bei dem der durchschnittliche Temperaturanstieg bis 2100 bei unter 2 °C liegt. Weiterhin gibt es die Szenarios mit einem Strahlungsantrieb von 4,5 (RCP4.5) bzw. 6,0 W/m2 (RCP6.0). Diese repräsentieren die Simulation mit durchschnittlich ansteigenden Werten und unterscheiden sich vorwiegend im Primärenergieverbrauch. Das vierte Szenario, mit einem Strahlungsantrieb von 8,5 W/m2, geht von einem erhöhten Primärenergiebedarf aus, der sich hauptsächlich durch die Nutzung von Kohle abdeckt. Dies hat zur Folge, dass der Ausstoß an Treibhausgasen rapide weiter ansteigt [16]. Aus den genannten Szenarien ergeben sich verschiedene Klimaentwicklungen für die Zukunft. In Abhängigkeit des Konzentrationspfads wird sich die durchschnittliche Temperatur in der Erdatmosphäre zwischen 0,3 K (RCP2.6) und 5 K (RCP8.5) erhöhen [45]. Durch die Modellierung des Klimas können die Folgen des veränderten Strahlenantriebs für verschiedene Teile der Erde bestimmt werden. Hierfür werden die Temperatur sowie die Niederschlagsrate in den Fokus gerückt. Für RCP2.6  wurde berechnet, dass die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Erde in allen Erdteilen zunehmen wird. Dabei variiert die Temperaturzunahme auf den Landmassen zwischen 0,5 bis 2  K. Die Ozeane werden sich vor allem im Bereich der nördlichen Hemisphäre sowie in den Tropen deutlich erhöhen. Hier ist mit Temperaturanstiegen zwischen 0,5 und 3 K zu rechnen. Drastischer fällt die Veränderung für RCP8.5 aus. Die Zunahme der Temperatur auf allen Kontinenten wird zwischen 1 und 9 K betragen. Für die Ozeane zeichnet sich im Bereich der nördlichen Hemisphäre ein dramatisches Bild ab. Nach diesem Klimaszenario wird sich die Oberflächentemperatur dort um bis zu 1,5 K erhöhen [45]. Die Veränderung der Niederschlagsmenge lässt keine klare Tendenz erkennen. Es ist wahrscheinlich, dass es in Bereichen des Pazifiks um den Äquator zu einer Erhöhung der Niederschlagsmengen kommen wird. Ähnlich sieht es in den Polbereichen der Erde aus, wo ein Anstieg des Niederschlags von bis zu 50 % prognostiziert ist [45]. Die Szenarien zeigen für das Jahr 2100 eine dramatische Entwicklung auf. Sollte der Ausstoß an Treibhausgasen gleichbleibend sein, so wird sich die mittlere Temperatur bis

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2100 um mehr als 6  K erhöhen [45]. Dies hätte fatale Auswirkungen auf die gesamte Menschheit. Um diesen Auswirkungen entgegenzusteuern, wurde international im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgelegt, dass die unterzeichnenden Länder den CO2-Ausstoß um 18  % im Vergleich zu 1990 reduzieren. Die Europäische Union hat sich zu einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 20 % verpflichtet. Um Maßnahmen zur Veränderung zu identifizieren und daraus Veränderungspotenzial abzuleiten, werden zunächst klimatische Auswirkungen auf Deutschland identifiziert.

2.2

Klimawandel in Deutschland

Die beschriebenen globalen Klimaveränderungen wirken sich bereits heute in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen von Europa aus [45]. Hierbei sind die Auswirkungen jedoch regional sehr unterschiedlich verteilt. Beispielsweise hat die durchschnittliche Niederschlagsmenge rund um das Mittelmeer deutlich abgenommen, während diese in Deutschland zunimmt [14]. Diese Erkenntnisse werden aus Messdaten gewonnen, welche in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnung 1881 ermittelt werden [70]. Allerdings wurden die Daten in der Fläche nur für die Temperatur und den Niederschlag gemessen. Weitere Daten, wie die Sonnenscheindauer, wurden erst ab 1951 aufgezeichnet [5]. Aufgrund der geringen Datenbasis lassen sich nur für die Temperatur sowie Niederschlag Veränderungen des Klimas ableiten. Es lässt sich der Einfluss der Konzentration der Treibhausgase direkt in Verbindung mit der Industrialisierung und einem durchschnittlichen Temperaturanstieg setzen, wie bereits in Abschn. 2.1.1 beschrieben wurde. Eine ähnliche Korrelation ist zwischen der Veränderung des Niederschlags und der veränderten Wetterlage zu erkennen. Die beiden Parameter werden nachfolgend genauer beschrieben.

2.2.1 Temperatur Für die physikalische Größe Temperatur werden seit 1881  monatliche Aufzeichnungen angefertigt, die sowohl regional als auch jahreszeitlich sehr unterschiedlich ausfielen. Zur Auswertung wurde ein jährlicher Mittelwert aus den Flächentemperaturwerten Deutschlands gebildet. Aus diesen Daten lässt sich bis zum Jahr 2013 ein statistisch signifikanter Anstieg der Temperatur um 1,2 °C nachweisen [15]. Dies verdeutlicht Abb. 2.5. Abb. 2.5 stellt die mittleren Jahreswerte der Lufttemperatur für Deutschland von 1881 bis 2016 dar. Des Weiteren sind der Mittelwert für die Referenzperiode 1981 bis 2010, der lineare Trend sowie das gleitende 30-jährige Mittel abgebildet [15]. Der Jahresmittelwert der Lufttemperatur zeigt häufige Änderungen auf. So ist zu erkennen, dass die mittlere Lufttemperatur zu Beginn der Wetteraufzeichnung 1881 bei 7,6 °C lag. Im darauffolgenden Jahr lag die mittlere Lufttemperatur mit 8,6 °C um 1 °C höher. Der tiefste Jahresmittelwert wurde im Jahr 1940 mit 6,6 °C erreicht. Im Vergleich dazu

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Abb. 2.5  Mittlere Jahreswerte der Lufttemperatur für Deutschland von 1881 bis 2017

wurde der höchste Jahresmittelwert mit 10,3  °C im Jahr 2014 erreicht. Schwankungen treten generell aufgrund witterungsbedingter Änderungen auf. Wie bereits in der Definition des Klimas in Abschn. 2.1.1 beschrieben, wird aufgrund der Vielzahl der Messwerte von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) die Empfehlung ausgegeben, Mittelwerte für einen Zeitraum von 30 Jahren zu bilden [74]. Aufgrund dieser langfristigen Betrachtung ist es möglich, kurzfristige Schwankungen von einer tatsächlichen Klimaänderung zu unterscheiden. Es wird zwischen der Klimareferenzperiode (von 1961 bis 1990) und dem aktuellen Bezugszeitraum (von 1981 bis 2010) unterschieden. Dabei beträgt der Mittelwert des aktuellen Bezugszeitraums 8,9 °C, welcher auch in der Abbildung dargestellt ist. Der Mittelwert ist damit im Vergleich zur Klimareferenzperiode von 8,2 °C um 0,7 °C gestiegen [15]. Der Mittelwert gibt einen Referenzwert für den aktuellen Bezugszeitraum vor. Zur genaueren Betrachtung der Entwicklung der Lufttemperatur wird ein gleitender Mittelwert gebildet. Dieser zeigt, dass die Temperaturentwicklung nicht ausschließlich ansteigt, sondern auch durch konstante Phasen geprägt ist. Der gleitende Mittelwert für die Lufttemperatur zeigt demnach für die Jahre von 1910 bis 1940 einen Anstieg. Ähnlich verläuft die Kennlinie für die Jahre 1980 bis heute, wobei der Anstieg des gleitenden Mittelwerts deutlich dramatischer ausfällt. In den Jahren zwischen 1940 bis 1980 ist erkennbar, dass

2 Klimawandel33

der Mittelwert stagniert oder sogar abnimmt. Dieser Unterschied hängt mit der großen Schwankungsbreite bei Witterungen für eine relativ kleine Region zusammen. Des Weiteren spielt die dekadische Klimavariabilität eine entscheidende Rolle, welche eng an die Schwankungen der Meeresströmungen gekoppelt ist. Diese Schwankungen entstehen durch die sich ändernde Meeresoberflächentemperatur, welche aufgrund der flächenmäßigen Ausdehnung von 71 % auf der Erdoberfläche einen großen Einfluss auf die Atmosphäre hat [35]. Die Auswirkung der Meeresoberflächentemperatur kann einerseits zu einer Erwärmung, andererseits auch zu einer Abkühlung der mittleren Lufttemperatur führen. Durch den Einfluss der Meeresströmung kann es zudem zu einer Verschleierung der ansteigenden Temperaturen durch natürliche und anthropogene Einflussfaktoren kommen [63].

2.2.2 Niederschlag Im Vergleich zur Veränderung der Lufttemperatur zeigt sich beim Niederschlag eine jahreszeitliche sowie regionale Veränderung. In Bezug auf den jahreszeitlichen Verlauf ist festzustellen, dass vor allem im meteorologischen Winter die Niederschlagsmenge signifikant angestiegen ist [45]. Im Vergleich dazu ist die Niederschlagsmenge im meteorologischen Sommer konstant geblieben. In den Jahreszeiten Frühling und Herbst ist ein Anstieg zu verzeichnen, der jedoch nicht signifikant ist. Werden die Niederschlagsmengen gemittelt, so ist zu erkennen, dass die Niederschlagsmenge seit Beginn der Wetteraufzeichnung bis heute um 10,6 % angestiegen ist. Bei einer regionalen Betrachtung ist zu erkennen, dass in den nordöstlichen Bundesländern die Niederschlagsmengen bis etwa 25 % zugenommen haben. In den übrigen Bundesländern liegt der Anstieg bei etwa 28 % [54]. Durch diese Entwicklung kommt es zu einer Verstärkung des Kontinentalitätsgrads, welcher den Einfluss von Land und Meer auf einen bestimmten Ort beschreibt [33].

2.2.3 Wetterextreme Eine weitere Möglichkeit zur Beschreibung der klimatischen Veränderung in Deutschland stellt die Analyse der Wetterextreme dar. Zur Bewertung der Veränderungen des Klimas empfiehlt die WMO die Analyse sogenannter Kenntage [74]. Bei diesen Kenntagen handelt es sich um Tage, an denen definierte Grenzwerte überschritten werden. Hierzu zählen beispielsweise heiße Tage, Eistage oder Trockenperioden. Als heiße Tage werden Tage mit Höchsttemperaturen von mindestens 30 °C bezeichnet. Dabei ist die Anzahl der heißen Tage im Durchschnitt von drei Tagen im Jahr 1951 auf neun Tage in 2016 angestiegen, woraus sich ein klarer Anstieg dieses Indexes ableitet. Im Vergleich dazu nehmen die Eistage aufgrund der Erwärmung ab, wobei Eistage als Tage mit Höchsttemperaturen von unter 0 °C kategorisiert werden. Während es im Jahr 1951 noch rund 27 Eistage gab, so waren es 2013 nur noch 21 Eistage pro Jahr. Neben

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der veränderten Anzahl der Kenntage ist auch eine Veränderung der regionalen Verteilung der Kenntage zu beobachten. So ist vor allem im Süden und Osten eine höhere Anzahl an heißen Tagen von mehr als zehn Tagen zu verzeichnen. Eine ähnliche, jedoch entgegengesetzte Entwicklung zeigt sich bei den Eistagen auf. Diese werden in der Anzahl weniger, wobei der Mittelwert bei [27] Tagen liegt [54]. Bei den Niederschlagsextremen zeichnet sich ab, dass die Niederschlagsmengen vor allem im meteorologischen Winter ansteigen. Dies korreliert mit der Erkenntnis der steigenden mittleren Niederschlagsmenge, wie in Abschn. 2.2.2 beschrieben. Die Definition eines Niederschlagsextrems hängt von der Jahreszeit ab und liegt im Sommer dann vor, wenn die Niederschlagssumme über 20 mm und mehr pro Tag liegt. Für den Winter wurde ein summierter Index gewählt, da die Niederschläge in dieser Jahreszeit eher langanhaltend und mäßig sind. Die Grenzen liegen hier bei Niederschlagsmengen kleiner 100 mm und größer 300  mm [56]. Aus solch einem Niederschlagsereignis können sich Winterhochwasser entwickeln, weshalb eine Betrachtung der 5-Tages-Summe als sinnvoll erachtet wird. Wird der meteorologische Winter betrachtet, ist zu erkennen, dass die Summe des Flächenmittelwerts von 38 mm auf 45 mm angestiegen ist [54]. Ein weiterer Index zur Bestimmung der Wetterextreme ist die Trockenheit. Hierunter wird die Veränderung der Häufigkeit von Trockenperioden verstanden. Eine Trockenperiode liegt dann vor, wenn mindestens zehn Tage in Folge kein Niederschlag zu verzeichnen ist [54]. Seit 1951 ist die Anzahl der Ereignisse von 1,1 auf heute ca. 1,4 Fälle im Jahr angestiegen. Aufgrund der Seltenheit von Trockenperioden in Deutschland sowie der zunehmenden hohen Variabilität der Werte von Jahr zu Jahr besteht keine statistische Absicherung eines Anstiegs. Aus der bisherigen Entwicklung der Kennwerte lässt sich ableiten, dass das Klima in Deutschland heißer und im Sommer trockener wird, während die Winter durch höhere Niederschläge gekennzeichnet sind. Aufgrund der steigenden Durchschnittstemperatur werden die Eistage weniger. Des Weiteren nehmen Wetterextreme in Form von Trockenperioden zu. Um diese Entwicklungen abschätzen zu können, werden, ähnlich wie globale Klimamodelle, auch Klimamodelle für die Region Deutschland genutzt.

2.2.4 Klimamodelle für Deutschland Wie in Abschn.  2.1.3 beschrieben, werden Klimamodelle genutzt, um in Abhängigkeit verschiedener Einflussparameter die Veränderung des Klimas zu bestimmen. Diese komplexen Simulationen basieren auf den vorgestellten Teilsystemen aus Abschn.  2.1.2. In Abschn.  2.1.3 wurden bereits globale Klimaszenarien auf Basis von Erkenntnissen aus Klimamodellen vorgestellt wie bspw. die RCPs. Diese globalen Klimamodelle eignen sich jedoch nicht für eine Ableitung regionaler Klimaentwicklungen. Dies ist darin begründet, dass hierfür die Auflösung zu hoch ist. Für die Klimamodelle des IPCC lag die Auflösung der Gitterabstände beispielsweise bei 200 × 200 km. Zur Vorhersage der Klimaentwicklung in einem definierten Gebiet sind

2 Klimawandel35

regionale Klimamodelle mit einer Auflösung von 10 × 10 km bzw. 20 × 20 km vorzuziehen. Zwar werden globale Klimamodelle genutzt, um die Entwicklung der Großwetterlage zu ermitteln, die regionale Wetterlage wird jedoch aus den kleiner skalierten Klimamodellen bestimmt [27]. Da die regionalen Klimamodelle auf den globalen Klimamodellen und damit auf den hinterlegten Wirkzusammenhängen des Klimasystems basieren, lassen sich dadurch verschiedene Auswirkungen bestimmen, wie beispielsweise Abflussmengen in Gewässer oder auch die Wärmebelastungen in Städten. Als Konsequenz ergeben sich Antworten auf entscheidende gesellschaftliche und politische Fragestellungen, die beispielsweise eine Risikoidentifizierung, eine Ableitung von Handlungsempfehlungen und Präventionsmaßnahmen umfassen können. Hierdurch lassen sich volkswirtschaftliche Ressourcen einsparen [60]. Beispielhaft für eine regionale Klimasimulation in Deutschland kann das Simulationsmodell REMO vom Max-Planck-Institut für Meteorologie angeführt werden [27]. Dieses Modell hat eine Auflösung von 10 × 10 km und bildet die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz ab. In einer Studie wurden entsprechend den IPCC-Emissionsszenarien A1B, RCP4.5, RCP6 und RCP8.5 regionale Klimaszenarien für Deutschland für den Zeitraum 1950–2100 simuliert. Als Ergebnis der Studie konnte gezeigt werden, wie sich die klimatischen Bedingungen in Abhängigkeit der Szenarien verändern [27]. Die Ergebnisse der Klimasimulationen werden genutzt, um die Folgen des Klimawandels zu bestimmen, die im nächsten Abschnitt erläutert werden.

2.3

Folgen des Klimawandels

Die Auswirkungen des Klimawandels können vielfältiger Art sein, da kleinste Veränderungen des Klimasystems weitreichende Folgen nach sich ziehen können. Es ist entscheidend zu verstehen, dass durch Veränderungen Folgen eintreten, welche wiederum neue Veränderungen mit sich bringen - es entsteht eine Klimawirkungskette [11]. Beispielsweise bewirken steigende Temperaturen ein Schmelzen von Eis- und Schneedecken, was wiederum zu einem steigenden Meeresspiegel führt. Studien aus dem im Jahr 2007 veröffentlichten IPCC Berichts zeigen, dass zwischen 1961 und 1990 sowohl die Temperatur als auch der Meeresspiegel gestiegen sind [63]. Gleichzeitig sinkt die Schnee- und Eisdecke der nördlichen Hemisphäre. Weiterhin muss festgehalten werden, dass ein Schmelzen der Schnee- und Eisdecke die Reduzierung absoluter reflektierender Fläche der Erde zur Folge hat. Dies führt wiederum zu einer Verringerung der Albedo der Erde und zu einer stärkeren Absorption der Solarstrahlung. Somit steigt die mittlere Temperatur der Erde weiter an. An diesem Punkt schließt sich der Kreislauf, da dann weitere größere Mengen Eis und Schnee schmelzen [45]. Die Gefahr, die dadurch entsteht, wird anhand des Global Risks Report 2016 deutlich. Dieser bewertet den Misserfolg der Klimaschutzanpassung als das größte Risiko für die Menschheit in den nächsten zehn Jahren. Das World Economic Forum (WEF) bewertet somit die Auswirkungen einer fehlerhaften Anpassung an den Klimawandel

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schwerwiegender als den Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Des Weiteren stellt der Bericht einen Zusammenhang zwischen dem Misserfolg von Klimaschutzanpassung, Extremwetterereignissen, Naturkatastrophen, anthropogen verursachten Umweltkatastrophen, Biodiversitätsverlusten und Ökosystemkollapsen dar. Umweltrisiken werden zudem durch soziale Risiken begleitet, wie beispielsweise Hungerkrisen, Wasserkrisen und mögliche Pandemien durch Infektionskrankheiten. Der Global Risks Report zeigt, dass eine Vielzahl der Folgen durch den Klimawandel entstehen kann. [73] Allein in Deutschland ist die Anzahl an klimabedingten Naturkatastrophen von 110 Ereignissen in den 1970er Jahren auf 209 Ereignisse in den 1990er Jahren gestiegen [42]. Diese Entwicklung hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Lebensbedingungen der Menschen. So werden exemplarisch warme Gegenden der Erde aufgrund steigender Temperaturen noch wärmer. Dies kann eine enorme Wirkung auf Personen haben, die unter dem Einfluss von steigenden Lufttemperaturen arbeiten. Die Klimazonen der Erde werden sich dynamisch verschieben und dadurch zukünftige unternehmerische Entscheidungen beeinflussen. Ferner werden küstennahe Gegenden durch einen steigenden Meeresspiegel beeinflusst und können dauerhaft unbewohnbar werden. Auch die Gefahr durch Wirbelstürme und Starkregen haben standortbedingte Auswirkungen [11]. Um die Folgen der globalen Erwärmung möglichst gering zu halten, wurde das 2 °C-Ziel formuliert. Durch internationale Klimapolitik soll die globale Erwärmung auf weniger als 2 °C gegenüber dem Zeitraum vor der Industrialisierung begrenzt werden. Sollte dieses Ziel erreicht werden, können viele Folgen der globalen Erwärmung gemildert, aber nicht gestoppt werden. Und es würden weiterhin über mehrere Hundert Jahre Eis- und Schneedecken schmelzen und der Meeresspiegel steigen. Einige Forscher sehen in dem 2 °C-Ziel eine Grenze zwischen einem „gefährlichen“ und einem „sehr gefährlichen“ Klimawandel [2]. Da die Entwicklung des Klimawandels von unzählig komplexen Faktoren abhängt, existiert eine Vielzahl verschiedener Modelle, welche die Entwicklung darstellen soll. Im Folgenden werden deshalb verschiedene globale Auswirkungen dargestellt und erläutert.

2.3.1 Globale Auswirkungen des Klimawandels Wie in den vorhergehenden Kapiteln dargestellt, wird der Anstieg der Treibhausgase zu einer Erhöhung der mittleren Lufttemperatur führen. Wie in Abschn. 2.1.2 beschrieben, stellt das Klimasystem ein komplexes Modell von Teilsystemen dar, welche sich gegenseitig beeinflussen. In diesem Kapitel werden verschiedene globale Auswirkungen des Klimawandels beschrieben. Gletscherschwund:  Einer der vielleicht sichtbarsten Auswirkungen des Klimawandels ist der Rückgang von Gebirgsgletschern. Die Gletscher der Alpen haben beispielsweise seit Beginn der industriellen Revolution mehr als die Hälfte ihrer Masse verloren [63]. Dies belegt, dass der Gletscherschwund ein deutlicher Indikator für den Klimawandel ist [65].

2 Klimawandel37

In den letzten Jahren hat sich dieser Rückgang weltweit weiter beschleunigt. Die enormen Auswirkungen von bereits relativ geringer Erwärmung lassen darauf schließen, dass sich bei einer globalen Erwärmung die meisten Gletscher der Welt verschieben werden. Die Gletscher dienen in diesen Regionen als Wasserspeicher, die ganzjährig Schmelzwasser abgeben und Flüsse füllen. Ihr Verschwinden könnte zu erheblichen Problemen führen und einen Wassermangel für eine große Anzahl an Menschen zur Folge haben [47]. Rückgang des arktischen Meereises: Im Gegensatz zur Antarktis befindet sich in der Arktis keine Erdmasse unter der Eisschicht. Unter Beteiligung mehrerer hundert Wissenschaftler wurde 2004 eine internationale Studie durchgeführt, die die Auswirkungen des Klimawandels auf die Arktisregion untersuchte. Der Rückgang des arktischen Eises aufgrund menschlicher Einflüsse war eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Studie. Die Erkenntnisse beruhen auf Daten, die seit 1900 (heute u. a. per Satellitenmessung der Ausdehnung und früher mittels Beobachtungen vom Schiff und von der Küste) erstellt wurden und 77  % der Arktisfläche erfassen. In den vergangenen 30  Jahren hat die Fläche der Eisdecke im Sommer um etwa 20 % abgenommen. Satellitenbilder im Zeitraum von 1978 bis 2005 weisen die geringste je gemessene Eisausdehnung im September 2005 nach. Die weitere Entwicklung der Eisdicke ist hingegen noch unklar. Untersuchungen zeigen derzeit eine Abnahme der Eisschichtdicke um 8 bis 15 % [29]. Durch den Rückgang des arktischen Eises kommt es zu einer Reihe von Konsequenzen. Aufgrund der in Abschn. 2.1.2 beschriebenen Eis-Albedo-Rückkopplung wird durch den Verlust der Eisfläche, die eine geringere Albedo als Salzwasser besitzt, weniger Sonnenstrahlung reflektiert und die Energiebilanz der Polarregionen drastisch verändert. Dieses verstärkt die Erwärmung und kann womöglich die ozeanische und atmosphärische Zirkulation gravierend beeinträchtigen. Des Weiteren ist die Fauna von dem Eis der Arktis abhängig, sodass der Bestand einiger Arten auf lange Sicht bedroht ist. Darüber hinaus bietet das Eis den arktischen Küstengebieten Schutz vor Erosion bei Stürmen [47]. Eisschilde in Grönland und der Antarktis:  Insgesamt besitzt die Erde derzeit zwei kontinentale Eisschilde, in der Antarktis und in Grönland. Die derzeitige Dicke dieser Schichten beträgt 3 bis 4 km. Durch den Schneefall wird das Grönland-Eis kontinuierlich wachsen, es schmilzt jedoch an den Rändern. Dieser Prozess steht normalerweise im Gleichgewicht, wird jedoch durch den Klimawandel verändert. Das Abschmelzen an den Kanten wird beschleunigt, sodass sich die Massenbilanz zum Negativen verändert. Genauso wie beim arktischen Eis beschleunigen auch hier Rückkopplungen den Prozess. Das Grönland-Eis galt bisher aufgrund seiner Höhe als sehr stabil, da die Temperaturen in tausenden Metern Höhe gering sind. Die Geschwindigkeit, mit der das Eis schmilzt, ist derzeit schwer einzuschätzen. Jedoch konnte in den vergangenen Jahren ein stärkeres Abschmelzen festgestellt werden. In dem Zeitraum von 2007 bis 2009 sind insgesamt ca. 286 Gigatonnen Eis pro Jahr abgeschmolzen [68]. Im Gegensatz zu dem grönländischen Eis liegen die antarktischen Eismassen überall unter dem Gefrierpunkt, sodass ein Anstieg der Temperaturen nur geringen Schaden

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verursacht. Allerdings schmilzt das Eis bei Kontakt mit dem wärmeren Ozeanwasser. So zersprang 2002 nach einer lokalen Erwärmung das jahrtausendealte Larsen-B-Eisfeld in mehrere Teile [50]. Ein Schmelzen dieser Eisschilde hat zunächst keine direkten Auswirkungen auf den Meeresspiegel, sondern vielmehr auf Eisströme. Eine stärkere Erwärmung könnte das Risiko eines schnellen Zerfalls der Eismassen zur Folge haben, die nur schwer zu bremsen wäre [47]. Insgesamt kann durch Messungen des Grace-Satelliten seit 2002 eine Veränderung von ca. 246 Gigatonnen pro Jahr aufgezeichnet werden [68]. Anstieg der Meeresspiegel:  Einer der wohl schwersten Folgen ist der durch globale Erwärmung hervorgerufene Anstieg der Meeresspiegel. Die Ursache in der Schwankung des Meeresspiegels liegt in der Veränderung der bereits beschriebenen Eismassen der Erde. Sollte das Grönland-Eis vollständig abschmelzen, würde dies einen weltweiten Meeresspiegelanstieg von 7 m zur Folge haben. Das Abschmelzen der antarktischen Eisschilde hätte sogar noch schwerwiegendere Auswirkungen, bei dem west-antarktischen Eisschild mit einem Anstieg von 6 m und dem ost-antarktische Eisschild sogar mit einem Anstieg von über 50 m. Letzterer gilt momentan als weitgehend stabil. Hinzu kommen die thermische Ausdehnung des Wassers, die jedoch vergleichsweise genau berechenbar ist, sowie das Abschmelzen der Gebirgsgletscher. Lokal ist der Meeresspiegel zusätzlich von Veränderungen der Meeresströmungen und geologischen Prozessen abhängig [47]. Seit 1993 wird der Meeresspiegel mithilfe von Satelliten gemessen. Über diesen Zeitraum konnte ein Anstieg um 2,5 cm pro Dekade nachgewiesen werden [37]. Allerdings bestehen zwischen den verschiedenen Messmethoden Diskrepanzen, welche bis heute nicht geklärt werden konnten. Es gilt jedoch als gesichert, dass ein kontinuierlicher Meeresspiegelanstieg vorliegt [40]. Der Meeresspiegelanstieg beginnt sehr langsam, wird aber sehr lange anhalten und ist schwer aufzuhalten, da sowohl das Abschmelzen der Eisschilde als auch die thermische Ausdehnung des Wassers auf einer Zeitskala von Jahrhunderten erfolgen. Selbst wenn die Klimaerwärmung bremst oder sogar stoppt, würde der Meeresspiegel weiterhin ansteigen [47]. Änderung der Meeresströmung:  Auf längere Sicht kann die Klimaerwärmung eine Strömungsänderung verursachen. Durch riesige Wassermassen, die im europäischen Nordmeer und in der Labradorsee in die Tiefe sinken, werden warme Wassermassen aus dem Süden in die nördlichen Breiten gezogen. Die sinkenden Wassermassen fließen in zwei bis drei Kilometer Tiefe nach Süden zum Antarktischen Zirkumpolarstrom. Die Strömungen werden durch Temperatur- und Salzgehaltdifferenzen angetrieben [52]. Der Auslöser der Zirkulation reagiert jedoch sehr stark auf den Klimawandel. Durch die Klimaerwärmung sinkt die Dichte des Meerwassers aufgrund der bereits genannten thermischen Ausdehnung. Durch die Vermischung von Salz- und Süßwasser, ausgelöst durch höhere Niederschläge und Schmelzwasser, wird die Dichte erneut gesenkt. Das Absenken der Wassermassen im nördlichen Atlantik wird dadurch stark beeinflusst und könnte im schlimmsten Fall zum Erliegen kommen. Der Trend zur Salzgehaltsabnahme in dieser Region wird bereits seit Jahrzehnten beobachtet [12]. Dieses hätte eine Abkühlung

2 Klimawandel39

des Nordatlantikraumes um mehrere Grad Celsius zur Folge, wohingegen die Temperaturen südlich des Äquators ansteigen. Außerdem würde der Meeresspiegel im Nordatlantik rapide um bis zu einem Meter ansteigen und auf der Südhalbkugel sinken. Zusätzlich würde die Nährstoffversorgung des nördlichen Atlantiks enorm unter den Auswirkungen leiden. Die CO2-Aufnahmefähingkeit des Ozeans wird erheblich durch die Tiefenwasserbildung gefördert. Aus diesem Grund wurde die höchste Konzentration an anthropogenem CO2 im nördlichen Atlantik gemessen. Sollte die Tiefenwasserbildung zum Stillstand kommen, würden weniger CO2-Emissionen durch den Ozean aufgenommen werden [47]. Tauen des Permafrosts:  Permafrost bezeichnet Erdböden in Gebirgsregionen oder polaren Breiten, die dauerhaft gefroren sind. Aufgrund der Klimaerwärmung tauen diese Böden auf. Dieses hat in Gebirgen die Folge, dass eine erhöhte Gefahr eines Erdrutsches besteht und Verankerungen in den Böden unsicher sind. Das Auftauen dieser Böden hinterlässt einen schlammigen Untergrund, der keinen ausreichenden Halt bietet [53]. In polaren Gebieten werden Infrastrukturen sowie Häuser im Boden verankert. Darüber hinaus wird aus dem auftauenden Permafrost nach und nach Kohlenstoffdioxid und Methan freigesetzt. Die hieraus resultierenden Folgen blieben lange unbeachtet und bilden aufgrund ihres erheblichen Kohlenstoffspeichers bis ca. 1.500 Gigatonnen ein erhebliches Risiko [66]. Wetterextreme:  Durch die Temperaturerhöhung entsteht ein weiterer Effekt, die verstärkte Verdunstungsrate von Wasser. Das Clausius-Clapeyron-Gesetz der Physik besagt, dass Luft pro erwärmten Grad Celsius ca. 7 % mehr Wasserdampf enthalten kann [47]. Der erhöhte Anteil von Wasserdampf in der Atmosphäre steigert erneut die Energieaufnahmefähigkeit. Hierdurch kommt es zu starken Niederschlägen jeglicher Art und zu Unwettern. Durch den Anstieg der Verdunstungsrate wird selbst bei konstanten mittleren Niederschlägen die Bodenfeuchte schneller verdunsten, welches Dürren zur Folge hat. Waldbrände repräsentieren eine direkte Folge der zunehmenden Trockenheit. Bereits heute hat sich die Wahrscheinlichkeit von Hitzewellen, ausgelöst durch anthropogene Erwärmung, mindestens verdoppelt [38]. Tropische Wirbelstürme sind eine weitere stark diskutierte Folge des Klimawandels. Die Energie und somit auch die Zerstörungskraft eines Wirbelsturmes stehen in unmittelbarer Verbindung mit der Ozeantemperatur. Die Erwärmung des Ozeans um durchschnittlich 0,5 °C korreliert mit einer Energiezunahme der Hurrikans um knapp 70 % und resultiert vollständig aus dem Anstieg der Treibhausgaskonzentration. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass die Klimaveränderungen auch einen Einfluss auf die atmosphärische Zirkulation besitzen, wodurch sich beispielsweise die Zugbahnen von Tief- oder Hochdruckgebieten verlagern können. Darüber hinaus kann dies zu einer Verlagerung sowie zu einer größeren Häufigkeit einiger Großwetterlagen führen. Als Resultat könnte dies sowohl zu lokalen Überschwemmungen als auch zu Wassermangel führen, da sich Regionen an das derzeit vorherrschende Klima angepasst haben [41, 47].

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Krankheiten:  Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit des Menschen sind vielfältig. Besonders die Verbreitung von Infektionskrankheiten ist hier ein wesentlicher Aspekt. In Deutschland betrifft dieses sowohl endemische Infektionserreger, wie z. B. Hantaviren, durch Zecken übertragbare Erreger wie Borrelien und durch Wasser sowie Lebensmittel übertragbare Erreger, aber auch bisher nicht heimische Erreger, die über Transportwege eingeschleppt werden können [47]. Außerdem können die durch Insekten übertragenen Krankheiten, wie Dengue-Fieber und Malaria, verstärkt vorkommen. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigte schon im Jahre 2002 einen erheblichen Anstieg von 150.000 Menschen auf, die den Folgen der Klimaerwärmung zum Opfer gefallen sind. Viele der Opfer sind in den Entwicklungsländern durch Herz-Kreislauf-Versagen, Malaria oder weiteren Infektionen zu beklagen [61]. Zusätzlich ist zu beachten, dass sich vor der enormen Globalisierung die regionalen Ereignisse nur auf einzelne Regionen begrenzten. Heute wirken sie sich durch Produktions- und Liefernetze auch überregional aus [51]. Allein im Jahr 2016 wurden weltweit ca. 750 auf Naturkatastrophen zurückzuführende Ereignisse dokumentiert [43]. Zu den bedeutenden Katastrophen zählen Überschwemmungen, Sturzfluten, Unwetter, Kältewellen und Dürren - Naturereignisse, die zum Teil auch dem Klimawandel geschuldet sind. Besonders auffällig dabei ist die Konzentration auf industrielle Ballungszentren in Mitteleuropa und an der östlichen amerikanischen sowie chinesischen Küste. Unter dieser Betrachtung erschließt sich die Konsequenz einer sicheren und robusten Gestaltung der Infrastruktur von Menschen, u. a. der Fabriken, ihrer Einzelelemente sowie aller relevanter Fabrikprozesse [51]. Es zeigt sich, dass die klimatischen Veränderungen große Auswirkungen auf die Umwelt haben. Diese werden im nachfolgenden Abschnitt erläutert.

2.3.2 Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland Wie in den vorherigen Abschnitten ersichtlich wird, stellen klimatische Einflüsse ein erhebliches Gefahrenpotenzial dar. Im Folgenden werden die Charakteristika aufgezeigt sowie unterschiedliche klimatische Einflussgrößen und deren klimatische Wirkungen erläutert. Um einen politischen Rahmen zur Klimaanpassung in Deutschland zu schaffen, hat die Bundesregierung im Dezember 2008 die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ (DAS) beschlossen. Im Grundsatz dieser Strategie geht es um die Identifizierung von beobachteten und erwarteten Klimaänderungen. Hierfür wurde zur Darstellung der Klimaänderungen eine Auswertung der regionalen Klimamodelle sowie der drei verschiedenen RCP-Emissionsszenarien des IPCC vorgenommen. Daraus folgend wurden Klimafolgen identifiziert, welche sich auf Deutschland auswirken werden. Zur Systematisierung der Klimafolgen wurden verschiedene Handlungsfelder identifiziert, welchen entsprechende Handlungsoptionen zugeordnet wurden [8].

2 Klimawandel41

Ein identifiziertes Handlungsfeld der DAS heißt „Industrie und Gewerbe“, welche die Klimafolgen auf Industrie und Gewerbe genauer beschreibt [10]. Das Umweltbundesamt hat verschiedene Sensitivitäten identifiziert, welche einen großen Einfluss auf dieses Handlungsfeld ausüben. Unter einer Sensitivität wird der Beeinflussungsgrad eines Systems oder Akteurs im Hinblick auf eine Klimavariabilität verstanden [9]. Entscheidende Sensitivitäten in der Industrie und Gewerbe sind laut Umweltbundesamt die Struktur des Unternehmens sowie Risikomanagement. Hierzu gehören die Größe des Unternehmens sowie die Anzahl und Größe der verschiedenen Standorte. Des Weiteren zählen die bauliche, organisatorische und finanzielle Vorsorge des Unternehmens hinzu. Voraussetzungen für eine funktionierende Produktion stellen die Rohstoffversorgung, die verschiedenen Einflüsse der Vorproduktion und Zulieferer sowie die Arbeitsbedingungen dar. Zu der Rohstoffversorgung gehört die Wasser-, Energie und Rohstoffintensität der Produktion und die Abhängigkeit von qualitativ hochwertigen Rohstoffen. Die Länge der Wertschöpfungskette, die Abhängigkeit von Zulieferern sowie die Abhängigkeit einer möglichen Just-in-time-Logistik stellen die Voraussetzungen der Vorproduktion und der Zulieferer dar. Auf die Arbeitsbedingungen nehmen vor allem die Abhängigkeit von konstanten Klimabedingungen bei Produktion und Lagerung sowie die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten Einfluss. Hierzu zählen beispielhaft die Anzahl der Außeneinsätze von Mitarbeitern. Neben den genannten Charakteristika sind auch die infrastrukturellen Bedingungen von entscheidender Bedeutung. Es werden die Anzahl, der Zustand und die Ausstattung von (Produktions-)Gebäuden, die Anzahl, der Zustand und die Ausstattung von Maschinen und Fahrzeugen sowie der Zustand und die Ausstattung von Transportinfrastrukturen gezählt. Das Umweltbundesamt unterscheidet sieben verschiedene klimatische Einflüsse in Bezug auf Industrie und Gewerbe [10]. Tab. 2.1 veranschaulicht die genannten klimatischen Einflüsse und deren Erscheinungsformen. Tab. 2.1  Klimatische Einflüsse und deren Erscheinungsformen (in Anlehnung an [10]) Klimatischer Einfluss

Erscheinungsform

Atmosphärische Entladung

Blitz

Atmosphärische Zusammensetzung

CO2-Konzentration

Bewölkung/Strahlung

Sonnenscheindauer, UV-Strahlung

Niederschlag

ø-Niederschlag, Nässe, Trockenheit, Luftfeuchtigkeit, Starkregen, Hagel

Schnee

Intensiver Schneefall, Schneeschmelze, Schnee- und Eisdruck

Temperatur

ø-Temperatur, Hitze, Kälte/Frost, Früh- und Spätfrost, Wechselfrost

Wind/Luftaustausch

ø-Windgeschwindigkeit, Starkwind, Inversion

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Die sieben genannten klimatischen Einflüsse sowie deren Erscheinungsformen haben erhebliche Auswirkungen auf verschiedenste Bereiche. Wie bereits in Abschn.  2.1.3 beschrieben, werden sich laut den Klimasimulationsprojektionen die durchschnittlichen Lufttemperaturen erhöhen. Das bedeutet, dass es durchschnittlich wärmer in Deutschland wird. Dies führt in der Konsequenz zu häufiger auftretenden Hitzewellen, welche die Arbeitsproduktivität sowie Gesundheit der Arbeitnehmer entscheidend beeinträchtigen. Für ein Unternehmen kann dies bedeuten, dass Mitarbeiter in der körperlichen und mentalen Fähigkeit stark eingeschränkt sind. Außerdem können temperatursensible Produkte und Maschinen in der Funktionsfähigkeit gestört werden. Um dieser Entwicklung zu begegnen, ist ein höherer Kühlbedarf notwendig. Demzufolge steigen die Energiekosten, wodurch die laufenden Fixkosten für Unternehmen zunehmen. Von dieser Entwicklung sind besonders Unternehmen mit Innenstadtlage betroffen, welche eine geringe Grünfläche und damit eine geringere Zufuhr von Kaltluft vom Umland haben [49, 54]. Eine weitere große Klimafolge mit unternehmerischer Relevanz ist die Wasserverfügbarkeit. Wie in Abschn. 2.1.2 dargelegt, steigen die durchschnittlichen Lufttemperaturen in den nächsten Jahren an. Zudem wurde aufgezeigt, dass im Winter eine höhere Niederschlagsmenge zu verzeichnen ist und es längere Trockenperioden in Deutschland gibt. Steigende Lufttemperaturen führen zu einer höheren Gewässertemperatur, was die Kühlfunktion des Wassers reduziert. Durch die Kombination der veränderten klimatischen Einflussgrößen sinkt im Sommer der Grundwasserspiegel und es kommt zu Niedrigwasser. Als Konsequenz für die Unternehmen bedeutet dies, dass Kühlwasser nur noch in eingeschränktem Maße verfügbar ist und der Produktionsprozess daraufhin verzögert oder gar unterbrochen werden muss. Zudem kann die Wassergüte beeinflusst werden und somit höhere Kosten für die Wasseraufbereitung bei Unternehmen auftreten. Für global agierende Unternehmen stellt darüber hinaus der Wasserstand der Meere eine wichtige Größe dar, welche sich aus der Meeresspiegelhöhe zusammensetzt und beispielsweise durch Sturmfluten beeinflusst wird. Wiederum sind Einflussgrößen auf Sturmfluten beispielweise Starkwinde, die Meeresspiegelhöhe, Strömungen und Gezeitendynamik [54]. Extremwetterereignisse gelten als weitere gravierende Klimafolge für Unternehmen. In diesen Fällen kommt es primär zu Schäden der Unternehmensgebäude. Insbesondere anfällig sind neue Baukonstruktionen von Unternehmensgebäuden, wie beispielsweise Leichtbauhallen. Diese können bei Extremwetterereignissen, wie Stürmen oder starken Schneefällen, beschädigt oder zerstört werden. Als Konsequenz der Gebäudebeschädigung kann es zum Austritt chemischer Stoffe kommen, welche die Gesundheit der in der Nähe befindlichen Menschen beeinflussen können. Extremwetterereignisse haben jedoch nicht nur direkte, sondern unter Umständen indirekte Auswirkungen auf Unternehmen. So muss das Extremwetterereignis nicht am Standort des Unternehmens stattgefunden haben, um einen Produktionsausfall zu verursachen. Werden Prozesse oder Betriebsabläufe des Zulieferers oder Dienstleisters des Unternehmens gestört, so kann dies auch zu Produktionsausfällen beim Unternehmen führen. Beispielsweise kann es durch Straßensperrungen aufgrund von Sturmschäden zu einer verzögerten Teileanlieferung mittels LKW kommen [54].

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Aus den Beschreibungen der Auswirkungen des Klimawandels ist erkennbar, dass die Zusammenhänge komplex und mit starken Wechselwirkungen verbunden sind. Zur besseren Übersichtlichkeit der Zusammenhänge hat das Umweltbundesamt mit den Klimawirkungsketten eine grafische Ausarbeitung entwickelt [10]. Das Klima wirkt sich jedoch nicht nur auf das Handlungsfeld Industrie und Gewerbe aus, sondern auch auf 13 weitere identifizierte Handlungsfelder. Wie die Klimawirkungsketten des Umweltbundesamtes zeigen, werden sich die klimatischen Veränderungen auch auf Unternehmen auswirken. Um die bereits bestehenden Auswirkungen zu bestimmen, wurden verschiedene Umfragen mit Unternehmen durchgeführt.

2.3.3 Erwartungen und Befürchtungen von Unternehmen in Bezug auf den Klimawandel Dass der Klimawandel sich auf alle Bereiche des Lebens auswirken wird, wurde in den vergangenen Abschnitten herausgestellt. Der Klimawandel hat bereits Auswirkungen auf Unternehmen und sie werden in Zukunft noch gravierender ausfallen. So werden nicht nur Produktionsstandorte betroffen sein, sondern auch Produkte, Prozesse und ganze Märkte zur Disposition stehen [4]. Daher ist zu betrachten, inwiefern Unternehmen den Klimawandel als Auswirkung bzw. Bedrohung empfinden. Hierfür wurden verschiedene Befragungen zum Thema Klimawandel bei Unternehmen durchgeführt, um Erwartungen und Befürchtungen der Unternehmen hinsichtlich Klimawandel zu identifizieren, die im Folgenden erläutert werden. Im Jahr 2009  wurde vom Institut für deutsche Wirtschaft (IW) eine Befragung von Unternehmen zum Thema Klimawandel durchgeführt. Hier wurden zunächst die Motive von Unternehmen für die Verfolgung des Klimaschutzes abgefragt. 73 % der Befragten gaben an, dass der Hauptbeweggrund für Unternehmen demnach gesetzliche Vorgaben auf nationaler und internationaler Ebene waren. Als zweiter Motivator wurden bessere Marktchancen durch Klimaschutzprodukte mit 53,9 % angegeben. Als dritter Motivator wurden freiwillige Selbstverpflichtung benannt. Es ist aus den Hauptmotivatoren zu erkennen, dass vor allem gesetzliche Vorgaben zu einer Umsetzung von Klimaschutz führen. Eine weitere Erkenntnis der Studie ist, dass Unternehmen die direkte Betroffenheit vom Klimawandel noch nicht erkennen. So schätzen Unternehmen sowohl für 2011 als auch für 2030 ein, nicht direkt oder indirekt vom Klimawandel betroffen zu sein. Für 2011 schätzten knapp 70 % der Unternehmen nicht vom Klimawandel betroffen zu sein. Diese Einschätzung verschiebt sich jedoch, sodass für das Jahr 2030 nur noch 60 % der Unternehmen damit rechnen nicht betroffen zu sein. Als direkte Betroffenheit zählen natürlich-physikalische Auswirkungen, während indirekte Auswirkungen regulatorischer oder marktlicher Art sind. Negative Auswirkungen wurden für 2011 von ca. 15 % der Unternehmen bestätigt. Bis 2030 rechnen knapp 29 % der Unternehmen damit, dass eine eher negative Auswirkung zu verzeichnen ist. Des Weiteren wurden Unternehmen um eine Einschätzung der

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Betroffenheit gebeten, welche nach den unterschiedlichen Klimaereignissen aufgegliedert wurden. Hier gaben fast 50 % der Unternehmen an, nicht vom Klimawandel im Jahr 2011 betroffen zu sein. Als wichtigstes Klimaereignis im Jahr 2011 zählte mit 27,1 % der Frost. Dies ist auf die große Zahl der befragten Unternehmen aus Bauwirtschaftsunternehmen zu erklären. Zudem wurde die Befragung im Frühjahr kurz vor einer ausgeprägten Frostphase durchgeführt, als Straßen- und Bauarbeiten behindert wurden. Weitere Klimaereignisse, welche maßgeblichen Einfluss auf Unternehmen im Jahr 2011 hatten, waren Stürme (24,7 %), Starkregenereignisse/Hochwasser (23,8 %), Temperaturanstieg (23,3 %), Hagel (14,1 %), verminderte Niederschläge (13,4 %) und Blitzschläge (10,4 %). Im Gegensatz zu diesen Zahlen rechnen Unternehmen für 2030 damit, dass vor allem der Temperaturanstieg (46,1 %), Starkregenereignisse/Hochwasser (38,3 %) sowie Stürme (35,0 %) die größten Klimaeinflüsse sein werden [36]. Für eine regionale Betrachtung der Auswirkungen des Klimawandels wurde eine Studie im Jahre 2009 von der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern sowie dem Bayrischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit durchgeführt. Wichtige Erkenntnisse dieser Befragung waren die Ermittlung der Betroffenheit von Unternehmen, die nach Branchen strukturiert wurden und ihr Risiko für eine Betroffenheit selbst einschätzten. Es wird deutlich, dass sich vor allem die Gastronomie (43,4 %), Verkehrsunternehmen (37,7 %), Finanzen und Versicherungen (29,1 %) sowie das Produzierende Gewerbe (27,1 %) als stark betroffen ansehen. Als wenig betroffen schätzten sich am häufigsten produzierende Unternehmen (57,8 %) ein. Darauf folgen der Großhandel (51,1 %) sowie Einzelhandel (56,4 %). Eine weitere Erkenntnis der Studie sind die Einschätzungen der Befragten hinsichtlich der Bedeutung von Aspekten des Klimawandels für Unternehmen. Es wurden 18 verschiedene Aspekte des Klimawandels zur Bewertung vorgegeben. Insbesondere wurden Schäden an Infrastruktur (67,9 %), Versorgungsengpässe bei Energie und Material (66,7 %), Energieeffizienz (64,9 %), Verkehr und Transport (60,8 %) sowie neue politische Vorgaben (60,3 %) als wichtig bewertet [59]. Die Studien- und Umfrageergebnisse repräsentieren jedoch nur einen kleinen Teil der in Summe durchgeführten Studien zum Thema Klimawandel. Um das Thema Klimawandel vor dem Hintergrund der Fabrikplanung zu betrachten, wurde vom Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU) eine Umfrage im Zeitraum von August bis November 2015 durchgeführt. Hierzu wurden Fach- und Führungskräfte aus produzierenden Unternehmen zum Thema Klimawandel befragt. Die Stichprobengröße umfasste 57 Personen, wobei 40 Befragungen für eine Auswertung genutzt werden konnten. Zunächst wurde das Bewusstsein der Befragten für den Klimawandel untersucht. Anhand der Ergebnisse konnte gezeigt werden, dass 80 % der Befragten den Klimawandel als Bedrohung für die Menschheit wahrnehmen und 90 % der These zustimmten, dass der Klimawandel für Unternehmen relevant ist. Aus diesen Ergebnissen lässt sich ableiten, dass die Befragten den Klimawandel als wichtiges Thema für ihre eigene Person sowie das Unternehmen sehen. Anschließend wurden den Befragten 18  verschiedene Aspekte des Klimawandels genannt, welche vor dem Hintergrund des Einflusses auf ein Unternehmen als wichtig oder nicht wichtig bewertet werden sollten. Hierbei zeigte sich, dass vor allem höhere

2 Klimawandel45

Versicherungsprämien, das Verbot klimaschädlicher Materialien sowie veränderte Temperaturverläufe und ein wachsendes Bewusstsein des Kunden für den Klimawandel als Einfluss auf die Unternehmen gesehen wird. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen aus oben genannten Studien. Des Weiteren wurde in der Befragung nach der Relevanz des Klimawandels für die Fabrikplanung gefragt. Vor allem die Bereiche zur Umsetzung der Fabrikplanungen sowie zum Fabrikbetrieb stellen wichtige Themenfelder für die Berücksichtigung des Klimawandels dar. In diesen Phasen können Maßnahmen gegen den Klimawandel vorwiegend umgesetzt werden. Eine abschließende Frage zur heutigen Berücksichtigung des Klimawandels in den Planungsphasen zeigte, dass vor allem in der Betriebsanalyse, der Umsetzung und des Betriebs bereits heute der Klimawandel vermehrt als Einflussgröße einbezogen wird. Aus den Erkenntnissen der internationalen und nationalen Studien sowie der durchgeführten Befragung konnte gezeigt werden, dass der Klimawandel eine entscheidende Einflussgröße in der Fabrikplanung einnehmen wird. Aufgrund der Dynamik im rechtlichen Bereich sowie bei technischen Neuerungen muss der Klimawandel als Kenngröße in den Fabrikplanungsprozess integriert werden.

2.4

Zusammenfassung: Relevanz des Klimawandels für die Fabrikplanung

Der Klimawandel stellt sowohl die Gesellschaft als auch die Politik vor große Herausforderungen. Die Klimaänderungen lassen sich anhand steigender Durchschnittstemperaturen, höhere Niederschlagsraten sowie häufig auftretender Wetterextreme veranschaulichen. Vor allem die Temperaturveränderung hat einen entscheidenden Einfluss auf das Klima. Zwischen 1880 und 2012 nahm die durchschnittliche, bodennahe Lufttemperatur um 0,85 °C zu [63]. Dieser rasante Anstieg wird menschlichen Aktivitäten zugeschrieben, was auch als anthropogener Klimawandel bezeichnet wird. Eine Hauptursache für die globale Klimaerwärmung ist der Treibhauseffekt, welcher die Zunahme der Treibhausgase in der Erdatmosphäre beschreibt [45]. Hierbei trifft Sonnenstrahlung auf die Erdatmosphäre und wird zu großen Teilen reflektiert. Aufgrund von Treibhausgasen kommt es jedoch zu einer Rückreflexion langwelliger Wärmestrahlung auf die Erde. Als Konsequenz ergibt sich daraus eine Temperaturerhöhung. Ein entscheidendes Treibhausgas ist CO2, welches zu großen Teilen durch Industrie und Gewerbe ausgestoßen wird. Hier sind industrielle Prozesse, Kraftwerke sowie Transport zu nennen [10]. Aufgrund der komplexen Zusammenhänge in der Erdatmosphäre sind bereits heute Auswirkungen auf die Umwelt spürbar. Hier kann das Abschmelzen der Polkappen und Gletscher, der Anstieg des Meeresspiegels sowie die steigende Anzahl an Extremwetterereignissen genannt werden [54]. Die Anstiegsrate der Temperaturerhöhung ist bedenklich hoch, weshalb die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen im Rahmen der jährlichen UN-Klimakonferenzen das 2 °C-Ziel festgelegt hat. Länder, die das Kyoto-Protokoll unterschrieben haben, verpflichten sich zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes sowie weiterer Maßnahmen, um die Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur auf der Erde auf 2 °C bis 2100 zu begrenzen (s. Abschn. 3.4). Die Industrie

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spielt hierbei eine entscheidende Rolle, da diese einen großen Anteil an der CO2-Emission zu begründen hat. Aufgrund dessen ist es unabdingbar, dass Unternehmen Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen ableiten. Ein Ansatzpunkt stellt die Fabrikplanung dar. Hier wird der Grundstein für alle zukünftigen Prozesse und Rahmenbedingungen einer Fabrik gelegt, die somit einen entscheidenden Einfluss für die Gestaltung klimafreundlicher Prozesse hat. Eine klimagerechte Bauweise sollte sich durch eine Nutzung der positiven Klimaeinflüsse bei gleichzeitiger Minderung der negativen Klimaeinflüsse auszeichnen [72]. Gebäude werden entsprechend ihrem Standort geplant und gebaut. Logisch durchdachte Umweltund Klimakonzepte müssen bei zukünftigen Planungen weiter ausgeführt werden, da es durch den Klimawandel zu einer Änderung der Wetterereignisse in Häufigkeit und Intensität kommt. So sind schon jetzt besonders starke klimatische Veränderungen in Südwestdeutschland, dem Alpenraum sowie Ostdeutschland feststellbar [1]. Neben den direkten, physischen Risiken kann es durch dem Klimawandel weiterhin zu indirekt steigenden Kosten für den Bau von Fabriken kommen, wenn sich dadurch verschiedene Baustoffe und Ressourcen verteuern. Neben Schäden, die durch den Klimawandel entstehen, kann es auch zu Reputationsschäden sowie Wettbewerbsnachteilen kommen. Hierzu zählen beispielsweise hohe CO2-Emissionswerte. Sollten zukünftig CO2-Zertifkate gekauft werden müssen, so stellen erhöhte Emissionswerte hohe Kosten dar. Des Weiteren können diese für Kunden abschreckend wirken und in dem Unternehmen einen Verursacher des Klimawandels sehen. Da moderne Fabriken häufig eine Just-in-time (JIT)-Produktion aufweisen, ist es essenziell, dass die Produktion und Anlieferung aller benötigten Teile zur exakt richtigen Zeit stattfindet. Eine Störung der Lieferkette führt zwangsläufig zu einem Produktionsstillstand. Dies bedeutet wiederum enorme Kosten für die Unternehmen. Für Unternehmen ist es somit ein wichtiges Anliegen (ob JIT-Produktion oder eine andere Organisation), einen Produktionsstillstand zu vermeiden [21]. Um den neuen Entwicklungen gerecht zu werden, muss die Fabrikplanung auf die geänderten Einflüsse reagieren und diese mit in ihre Planung einbeziehen. Weiterhin muss untersucht werden, bis zu welchem Grad Präventionsmaßnahmen sinnvoll sind und ab wann diese unzweckmäßig hohe Kosten verursachen. Es gilt darüber hinaus, Methoden zu finden, die eine Grundlage für die Bewertung der verschiedenen Gefahren durch Wetterereignisse darstellen. Im nachfolgenden Kapitel werden daher die Grundlagen der Fabrikplanung präsentiert.

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3

Fabrikplanung Uwe Dombrowski, Stefan Ernst und Anne Reimer

Das Thema der Fabrikplanung hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, die vor allem in Forderungen der Industrie nach schnelleren und zukunftsorientierten Planungsprozessen begründet ist [22]. Auch spielen die verkürzten Produktlebenszyklen, die einen Einfluss auf die Fabrik nehmen, eine entscheidende Rolle. Durch einen methodischen Planungsansatz für die Fabrik soll erreicht werden, dass diese effizienter an neue Herausforderungen angepasst werden kann [25]. In diesem Kapitel werden die Zusammenhänge der veränderten Anforderungen an die Fabrikplanung und die Berücksichtigung in einem Planungsprozess näher erläutert. Zunächst werden die Grundlagen der Fabrikplanung aufgezeigt, um einen Überblick über die Planungssystematik zu geben. In Abschn. 3.1 sind die wesentlichen Begrifflichkeiten aus dem Umfeld der Fabrikplanung definiert. Darauf aufbauend werden sowohl die Fabrikplanungsziele (Abschn. 3.2) als auch der Fabriklebenszyklus (Abschn. 3.3) vorgestellt, bevor in Abschn.  3.4 die einzelnen Phasen des Planungsprozesses beschrieben werden. In Abschn. 3.5 wird im Anschluss daran das Risikomanagement erläutert, welches einen etablierten Ansatz im Umgang mit Risiko in Planungsprojekten bietet.

3.1 Begriffsdefinitionen Im Rahmen der Fabrikplanung werden unterschiedliche Fachtermini verwendet, die je nach Autor, Verwendungsbereich oder in verwandten Disziplinen variieren können. Da U. Dombrowski (*) · S. Ernst · A. Reimer Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung, Langer Kamp 19, 38106 Braunschweig, Deutschland e-mail: [email protected]; [email protected]; [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 U. Dombrowski, S. Marx (Hrsg.), KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56590-2_3

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U. Dombrowski et al.

im Rahmen der Gremienarbeit des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) eine Richtlinie zur Fabrikplanung erarbeitet wurde, werden nachfolgend diese Definitionen aufgegriffen. Fabrik  Die Fabrik ist der „Ort, an dem Wertschöpfung durch arbeitsteilige Produktion industrieller Güter unter Einsatz von Produktionsfaktoren stattfindet“ [29]. Fabrikplanung  Die Fabrikplanung ist ein „systematischer, zielorientierter, in aufeinander aufbauende Phasen strukturierter und unter Zuhilfenahme von Methoden und Werkzeugen durchgeführter Prozess zur Planung einer Fabrik von der Zielfestlegung bis zum Hochlauf der Produktion“ [29]. Die Anpassung im laufenden Betrieb ist ebenfalls Gegenstand der Fabrikplanung. Somit umfasst die Fabrikplanung verschiedene Planungsfälle, welche unterschiedliche Anlässe haben können [29]. Planung  Planung ist die „gedankliche Vorwegnahme eines angestrebten Ergebnisses einschließlich der zur Erreichung als erforderlich erachteten Handlungsabfolge“ [29]. Dazu sind in einer festgelegten Zeitspanne bei vorgegebenen Kosten alle wesentlichen Entscheidungen unter Berücksichtigung ihrer Einflussfaktoren vorzubereiten [29]. Produktion  Produktion bezeichnet „alle zur betrieblichen Leistungserstellung erforderlichen Tätigkeiten, die unmittelbar an der Produktherstellung beteiligt sind und insbesondere die Prozesse Konstruieren und Arbeitsplan erstellen, Fertigen und Montieren, Lagern und Transportieren, Prüfen, Planen und Steuern, Waren vereinnahmen und versenden sowie Hilfsprozesse wie die Instandhaltung umfassen“ [29]. Methoden und Werkzeuge  Eine Methode ist eine „systematisch zielgerichtete Vorgehensweise, sowie durchdachtes Verfahren, welches für eine Vielzahl von Problemen zu einer sinnvollen Lösung führt“ [5]. „Ein IT-gestütztes Werkzeug (Softwareprogramm) stellt die softwaretechnische Implementierung einer Methode oder einer Kombination von mehreren Methoden dar, um diese rechnergestützt einsetzen zu können“ [5].

3.2

Ziel der Fabrikplanung

Die Ziele der Fabrikplanung orientieren sich an zuvor definierten, unterschiedlichen Zielen für die Fabrik [29]. Dabei ist die Fabrikplanung im Rahmen der gesamten Unternehmensplanung zu betrachten. Zudem steht sie häufig auch im Zusammenhang mit einer überbetrieblichen Industrieplanung. Es werden hierzu folgende vier Hauptziele der Fabrikplanung unterschieden: • Der günstige Produktions- und Fertigungsfluss (bspw. verringerte Durchlaufzeiten) folgt aus der technologisch bedingten Reihenfolge der Arbeitsschritte und umfasst neben dem Materialfluss auch den Personal-, Energie- und Informationsfluss.

3 Fabrikplanung53

Abb. 3.1  Allgemeingültige Hauptzielsetzung der Fabrikplanung

• Die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen (bspw. verringerte Anzahl an Fehlzeiten) bestimmt zahlreiche Aufgabenbereiche. Angemessene Arbeitsbedingungen steigern Arbeits- und Leistungsbereitschaft und können wesentlich dazu beitragen, Arbeitsunfälle und Krankheitsausfälle zu verringern. • Aus Kostengründen ist eine gute Flächen- und Raumnutzung (bspw. geringerer Gesamtflächenbedarf) notwendig. Bereits in der Planungsphase sind sorgfältige Flächenbedarfsermittlungen durchzuführen. • Die hohe Flexibilität und Wandlungsfähigkeit der Bauten, Anlagen und Einrichtungen stellt für alle Planungsbereiche eine entscheidende Zielsetzung dar (bspw. verbessertes Ausweitungspotenzial). Eine vorausschauende Planung ist die Voraussetzung für möglichst effiziente und wenig aufwendige Anpassungen an neue Anforderungen [18]. Weitere Hauptziele sind Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Mitarbeiterattraktivität und Transparenz. Diese Ziele sind in Abb. 3.1 aufgezeigt. Die Gewichtung der Ziele ist spezifisch, wodurch jede zu planende Fabrik ein konkretes Zielprofil besitzt [29]. Die Planung klimagerechter Fabriken ist direkt dem Ziel der Nachhaltigkeit und indirekt, durch die Vermeidung von langfristigen Kosten, der Wirtschaftlichkeit zuzuordnen. Der Zeithorizont der Fabrikplanungsziele begrenzt sich nicht nur auf die Planung und den Bau einer neuen Fabrik, sondern er berücksichtigt die gesamte Lebensdauer einer Fabrik. Aus diesem Grund wird nachfolgend auf den Fabriklebenszyklus eingegangen.

3.3 Fabriklebenszyklus Eine Fabrik ist über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg dem Einfluss von unterschiedlichen Veränderungsprozessen, dem Strukturwandel, aber auch der Verbesserung des

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Abb. 3.2  Fabriklebenszyklus [32]

Umweltschutzes ausgesetzt [25]. Individuelle Kundenwünsche und die zunehmende Variantenvielfalt erhöhen die Anforderungen an eine wandlungsfähige Fabrik. Unternehmen reagieren darauf mit einer hohen Reaktionsfähigkeit und -geschwindigkeit, wodurch der Fabriklebenszyklus beeinflusst wird. Dies führt nicht nur zu einer Veränderung der Produktlebenszyklen, sondern auch des Prozess- und des Gebäudelebenszyklus. Die Verkürzung von Produkt- und Prozesslebenszyklen (Technologiezyklen) wirkt sich somit auch auf den Gebäudelebenszyklus aus. Abb. 3.2 veranschaulicht die Problematik der verschiedenen Zyklen über die Lebensdauer und den Gebrauchswert des jeweiligen Zyklus [32]. Es ist zu erkennen, dass beispielsweise der Gebrauchswert der Flächennutzung annähernd konstant ist. Lediglich Verschmutzungen, z. B. Bodenbelastung durch ausgelaufenes Öl, haben langfristig einen negativen Einfluss auf den Wert [32]. Ändern sich während der Lebensdauer der Elemente die Klimabedingungen, kann es zu einer beschleunigten Verminderung des Gebrauchswertes kommen (z. B. Beschädigung der Bausubstanz oder des Fabrikgebäudes durch Stürme). Um solch eine beschleunigte Gebrauchsminderung zu vermeiden, ist es wichtig, den Fabriklebenszyklus in den Planungsprozess mit einzubeziehen. Das vom Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU) entwickelte Referenzmodell zur Fabrikplanung weist diese Lebenszyklusbetrachtung auf.

3.4 Planungsprozess Interne oder externe Einflüsse können Anlass für Fabrikplanungsaktivitäten sein, welche wiederum verschiedene Planungsfälle zur Folge haben. Dabei ergeben sich aus dem zuvor

3 Fabrikplanung55

beschriebenen Lebenszyklus einer Fabrik verschiedene Planungsfälle. Es wird zwischen Neuplanung, Umplanung, Rückbau und Revitalisierung unterschieden [29]. Eine Neuplanung beschreibt die Planung einer Fabrik auf einer freien Fläche ohne vorhandene Bausubstanz. Von einer Umplanung als Planungsfall wird gesprochen, wenn eine bestehende Fabrikstruktur angepasst wird. Liegt eine Fabrik brach und befindet sich am Ende des Lebenszyklus, so kann zwischen einem Rückbau (Demontage der Fabrik) oder einer Revitalisierung (Aufbereitung der Fabrikstruktur zur industriellen Nutzung) als Planungsfall unterschieden werden [29]. Die Anlässe für Fabrikplanungsaktivitäten können vielfältig sein. Beispielsweise kann die Festigung von Marktpositionen durch Verbesserung bestimmter Leistungen oder die Entwicklung neuer Technologien eine Fabrikneuplanung begünstigen. Des Weiteren können lokale Veränderungen des Arbeitsmarktes ein wichtiger Auslöser für Planungsaktivitäten sein, indem beispielsweise aus einer sinkenden Verfügbarkeit von potenziellen Arbeitskräften der Bedarf nach einer höheren Automatisierung mit einem veränderten Fertigungsprinzip folgen kann. Gründe für den Planungsfall der Umplanung können veränderte Nachfragestrukturen sein, die eine Erweiterung der Fertigungskapazitäten oder auch Veränderung der Verfahren erfordern. Ebenso können Rationalisierungsmaßnahmen, veraltete Fertigungseinrichtungen, die Verlagerung von Eigenfertigung auf Fremdbezug bestimmter Teile sowie eine Zusammenlegung von Betrieben Auslöser für Umplanungen sein [29]. Neben dem Planungsfall stellt auch die Planungsebene ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für eine Fabrikplanungsaktivität dar. Dabei ist als Planungsebene die Aggregationsstufe während der Planung zu verstehen, welche vom Produktionsnetzwerk bis hin zum Arbeitsplatz reicht (vgl. Abb. 3.3). Die oberste und damit erste Planungsebene ist das Produktionsnetzwerk, welches einen lokalen, regionalen oder internationalen Verbund von Produktionsstandorten eines oder mehrerer Unternehmen darstellt. Jeder einzelne, räumlich abgeschlossene Standort wird als Werk bezeichnet und nimmt eine definierte Produktionsaufgabe wahr. Ein Werk, welches die zweite Planungsebene ist, setzt sich aus einem oder mehreren Gebäuden, internen Verkehrswegen, Außenanlagen sowie der Anbindung an das externe Verkehrsnetz zusammen. Die dritte Planungsebene bezieht sich auf das einzelne Gebäude, welches einen architektonisch-räumlichen Produktionsbereich umfasst, indem ein geschlossener Produktionsbereich mit definierter Produktionsaufgabe lokalisiert ist. Damit stellt das Gebäude die Fabrik im engeren Sinne dar. Innerhalb des Gebäudes können verschiedene Segmente oder Bereiche unterschieden werden, welche mehrere Arbeitsplätze mit definierten Produktionsaufgaben umfassen. Zusätzlich zu den Arbeitsplätzen werden Transportsysteme und Lagervorrichtungen hinzugerechnet, die einzelne Arbeitsplätze miteinander verknüpfen. Die vierte und damit unterste Planungsebene stellt der Arbeitsplatz dar, welcher ein elementarer Produktionsbereich aus Betriebsmitteln und Nebeneinrichtungen ist [29]. Die Erkenntnisse aus den verschiedenen Lebenszyklen sowie den Planungsebenen wurden in einem Modell zusammengestellt, welches in Abb. 3.4 abgebildet ist.

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Abb. 3.3  Planungsebenen der Fabrikplanung [29]

Das IFU-Referenzmodell ist in Abb. 3.4 gezeigt. Neben diesem Referenzmodell existieren auch weitere Planungssystematiken, wie beispielsweise in der VDI-Richtlinie 5200 Blatt 1 beschrieben [29]. Fabrikplanungsprojekte haben grundlegend einen ähnlichen Verlauf und durchlaufen folgende Phasen: 1. Betriebsanalyse 2. Grobplanung 3. Feinplanung 4. Umsetzung 5. Betrieb A. Nachnutzung und Revitalisierung B. Tuning und Anpassung Die Rechnerunterstützung und eine umweltgerechte Fabrikplanung erfahren während des gesamten Fabriklebenszyklus immer größere Bedeutung. Diese werden daher als

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Abb. 3.4  IFU-Referenzmodell zur Fabrikplanung – der Fabriklebenszyklus

Querschnittsfunktion über alle Planungsstufen betrachtet. Die einzelnen Planungsstufen umfassen meist mehrere Schritte, welche im Folgenden ausführlicher erläutert werden.

3.4.1 Betriebsanalyse (Stufe 1) Resultierend aus Unternehmenszielen, Prämissen, Randbedingungen und Restriktionen ist das Ziel der Betriebsanalyse ein strategisch abgeleitetes Grobkonzept für die neue Fabrikstruktur zu erstellen. Als Grundlage werden eine detaillierte Analyse des Ist-Zustands sowie eine klare Definition der zu erreichenden Ziele benötigt. Es erfolgt die Ausarbeitung mehrerer Konzepte, damit unterschiedliche Varianten betrachtet und bewertet werden können. Hier können beispielsweise verschiedene Investitions- und Ausbaustufen der Fabrik ausgearbeitet und berechnet werden. Die Betriebsanalyse endet mit dem Entwurf einer Entscheidungsgrundlage für die Unternehmensführung. Die Ausgangsdaten eines Fabrikplanungsprojektes sind essenziell für eine hohe Ergebnisgüte. Hierzu zeigt Abb.  3.5 mögliche Bereiche der Betriebsanalyse und gibt einen Überblick über die Vielfalt der Informationsquellen. Aufgrund der Komplexität der Fabrikplanung werden individuell und in Abhängigkeit der Ausgangsdaten relevante Felder für eine effiziente Analyse festgelegt [18]. Im Gegensatz zu anderen Planungsaufgaben ist es bei der Fabrikplanung erforderlich, Einzelheiten im ersten Durchlauf fehlerfrei zu planen, da hier keine Fabrik-Prototypen erstellt werden können, die eine Überprüfung und iterative Weiterentwicklung

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Abb. 3.5  Untersuchungsbereiche der Betriebsanalyse [18]

ermöglichen. Ist bspw. die Fabrikhülle bereits gebaut, so sind Umbaumaßnahmen aufgrund von Fehlplanung meist kostspielig und aufwendig. Somit müssen Anlaufschwierigkeiten im Vorhinein eliminiert werden. Planungsfehler und Fehlentscheidungen können sonst für das Unternehmen zu hohen finanziellen und zeitlichen Aufwänden zur Behebung führen. Zur Minimierung von Planungsfehlern sind die Detailergebnisse der Betriebsund Kostenanalyse in den Planungsprozess einzubeziehen und neuartige Technologien, Maschinen und Apparate auf Realisierbarkeit, Funktionstüchtigkeit und Wirtschaftlichkeit gewissenhaft zu prüfen. Erst wenn alle Möglichkeiten sorgfältig analysiert und abgewogen wurden, können eine Entscheidungsfindung und die Formulierung der weiteren Aufgabenstellung erfolgen [4]. Wird im Rahmen der Betriebsanalyse die Entscheidung getroffen, Fabrikplanungsaktivitäten zu starten, wird die Planung mit der nachfolgenden Phase Grobplanung fortgesetzt.

3.4.2 Grobplanung (Stufe 2) In der Phase der Grobplanung werden Entscheidungen über die Standortwahl, den Generalbebauungsplan, die Gebäudestrukturplanung, die Organisation der Fertigung, den Materialfluss und das Förderwesen sowie die Layoutplanung getroffen. Im Mittelpunkt der Grobplanung steht die Layoutplanung. Diese nimmt aus planerischer Sicht sowie bei der Meinungsbildung und dem Bewilligungsverfahren eine zentrale Rolle ein. In Abb. 3.6 sind die Aufgaben und Hauptplanungsschritte der Grobplanung dargestellt.

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Abb. 3.6  Aufgaben und Hauptplanungsschritte der Grobplanung [18]

Die Aufgabe der Grobplanung ist die Koordinierung und Abstimmung der Funktionsbereiche. Des Weiteren ist die Aufgabe der Grobplanung das Überprüfen, Ergänzen und Verfeinern der bisher ermittelten Datenbasis. Die Daten können in einer bestehenden Fabrik durch Prognosen oder andere Voruntersuchungen und Vergleichswerte bestimmt werden. Die Grobplanung ist in zwei Planungsschritten durchzuführen. Zunächst ist ein ideales Konzept zu erarbeiten, welches anschließend im Rahmen der Realplanung an die realen Gegebenheiten und Restriktionen angepasst wird [18, 31]. Es werden die Planungsaufgaben der Grobplanung im Folgenden genauer beschrieben.

3.4.2.1 Standortplanung Im Rahmen der bisherigen Planungsentscheidungen und den dazu notwendigen Prozessen gilt es, mithilfe einer strategischen Standortsuche die grundlegenden wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Unternehmensziele zu erreichen [16]. Aufgrund der langfristigen Bindung, die der Standort der Fabrik beinhaltet, stellt die Standortplanung einen Meilenstein in der Unternehmensplanung dar [3]. Für die Entscheidungsvorbereitung wird vorab das Standortproblem mit den Parametern der Unternehmenszielsetzung präzisiert. Zusätzlich werden die ermittelten Daten gesammelt und komprimiert. Die Standortwahl ist grundlegend von folgenden Faktoren abhängig:

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• • • • •

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Rohstofforientierung Energieorientierung Verkehrsorientierung Absatzorientierung Arbeitskräfteorientierung [18].

Standortfaktoren kennzeichnen alle den Standort betreffende Aspekte, die im Rahmen einer Standortplanung betrachtet werden. Solche Faktoren lassen sich in drei Betrachtungsebenen differenzieren: 1. Globale Betrachtungsebene: Auswahl eines Kontinents oder Landes 2. Regionale Betrachtungsebene: Auswahl einer Region oder Stadt 3. Lokale Betrachtungsebene: Auswahl eines Grundstücks [31]. Bei der Standortwahl sind die vorherrschenden klimatischen Bedingungen zu berücksichtigen, welche auf alle drei Betrachtungsebenen Einfluss haben. So stellt auf globaler Betrachtungsebene die Klimazone eine Einflussgröße dar. Auf regionaler Ebene sind beispielsweise das unterschiedliche Risiko von Extremwetterereignissen innerhalb eines Landes oder Regenhäufigkeit mögliche Einflussgrößen. Bei der Auswahl eines Grundstückes kann die Nähe zu einem Fluss das Risiko einer Überschwemmung beeinflussen.

3.4.2.2 Generalbebauungsplan Ein Generalbebauungsplan, auch als Masterplan beschrieben, besteht aus einem strukturierten Plan des Werksgeländes, der vorausschauend mögliche Erweiterungen, auch großräumiger Industrieanlagen, realisieren lässt. Der Detailierungsgrad des materialflussgerechten Konzepts soll auch nach vollständiger Bebauung als Vorlage für Produktionsprozesse verwendet werden. Er stellt das Fundament für die Aufstellung von Teilbebauungsplänen dar und bedarf der Zuordnung von Werkseinheiten und Funktionsbereichen. Der Generalbebauungsplan bildet somit die Grundlage für die Zukunft des Fabrikstandortes, eine langfristige Sicherstellung des Gesamtproduktionsflusses sowie eine gute Flächennutzung und Erweiterungsmöglichkeiten [2]. Da es sich in diesem Planungsschritt um ein Zuordnungsproblem handelt, unterscheidet sich die Vorgehensweise zur Erstellung eines Generalbebauungsplans grundsätzlich nicht von anderen Planungsschritten (z.  B. Layoutplanung) [2]. Die Planung zielt darauf ab, durch eine geschickte Anordnung von Betriebsbereichen auf einem vorhandenen oder noch zu bestimmenden Grundstück die Zielvorstellungen (Produktionsfluss, Flächennutzung, Erweiterungsmöglichkeiten) langfristig zu erfüllen [16]. Die daraus resultierende Zuordnung von Gebäuden, Anlagen, Straßen und Gleisanschlüssen ist von großer Bedeutung für die Generalbebauungsplanung. Aus dem festgelegten Produktionsprogramm können benötigte Informationen entnommen werden, was die Hauptfunktionen des Standortes und die wichtigsten Produktionstechnologien und/oder -verfahren vorbestimmt. Darauf aufbauend werden anhand von organisatorischen und funktionalen Aspekten Betriebsbereiche erstellt:

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• • • • • • • • •

Produktion Lager Ver- und Entsorgung Nebenbetriebe Verwaltung Forschung und Entwicklung Sozialeinrichtungen Verkehr Parkplätze [18].

Zwischen den Bereichen entstehen Verknüpfungen, die personeller, materieller, informatorischer und energetischer Art sein können. Sinnvoll ist es, die Bereiche mit der höchsten Beziehungsintensität möglichst auch räumlich nah zu verbinden. Während in einem Produktionsbetrieb der Materialfluss eine dominierende Rolle einnimmt, werden für Verwaltungs-, Sozial- und Entwicklungsbereiche Personalflüsse stärker gewichtet [18].

3.4.2.3 Gebäudestrukturplanung Die Wahl einer geeigneten Gebäudestruktur steht im direkten Zusammenhang mit der baulichen Nutzung des Grundstücks, welche mit dem Generalbebauungsplan bestimmt wird. Die Festlegung der Gebäudeform ist abhängig von einer Vielzahl baulicher, technischer und wirtschaftlicher Einflussgrößen. Vor allem die spätere Nutzung des Gebäudes hat einen maßgeblichen Einfluss auf die baulichen Bestimmungsgrößen, wie z.  B. Spannweite, Binderabstand, Raumhöhe, Boden- und Deckentragfähigkeit und Bekranung. Aufgrund dieser Zusammenhänge entsteht eine wechselseitige Beeinflussung zwischen dem Bauwerk, dem innerbetrieblichen Materialfluss sowie den standort- und grundstücksabhängigen Einflüssen, wie z. B. Bebauungsvorschriften, vorhandene Bebauung, Grundstücksgröße und Grundstückskosten [18]. Generell werden in der Industrie Bauwerke in Flachbauten, Geschossbauten sowie deren Mischform unterteilt. Die Anzahl der Ebenen, auf denen Arbeitsmaschinen oder andere Lasten angeordnet sind, stellt das Kriterium für die Gliederung dar. Während bei Flachbauten alle Abläufe auf einer Ebene stattfinden, verteilen sich die Prozesse in Geschossbauten auf mehrere Ebenen [18]. Weitere Betrachtungsbereiche der Gebäudestrukturplanung sind das Tragwerk, die Hülle, der Innenausbau sowie die Haustechnik. Bei der Auslegung des Tragwerks sind die unterschiedlichen Anforderungen, die an die Fabrik gestellt werden, wie für die Produktion erforderliche Schwingungssteifigkeit, Veränderbarkeit, Brandschutz etc., zu berücksichtigen. Des Weiteren ist die Lastenaufnahme auszulegen, wofür u. a. die Windkräfte bei den Stützen sowie Regen und Schneemengen bei der Dachkonstruktion einbezogen werden. Der Betrachtungsbereich Gebäudehülle nimmt eine Schutzfunktion gegenüber Kälte, Hitze, Regen, Wind und Schall zwischen dem Gebäudeinneren und der Umgebung wahr. Der Innenausbau umfasst Böden, Innenwände sowie Aufzüge und Treppen. Die Haustechnik hat die Planung der Medienver- und -entsorgung, der Heizungsanlagen, der Lüftungs- und der Klimatechnik zum Gegenstand [31].

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Der Klimawandel hat einen Einfluss auf die Auslegung der Gebäudehülle sowie die Gestaltung der Haustechnik, da veränderte Temperaturverläufe z. B. mit längeren Hitzeperioden im Sommer einen verbesserten Hitzeschutz der Hülle sowie eine leistungsstärkere Kühltechnik erfordern kann (s. Abschn. 3.1.).

3.4.2.4 Organisationsform der Fertigung Im vorherigen Planungsschritt ist die Gebäudestruktur, d. h. der zur Verfügung stehende Raum für die Fertigung weitestgehend festgelegt worden. In dieser Planungsphase wird nun die Organisationsform der Fertigung ausgewählt. Die Organisationsform der Fertigung lässt sich durch die Fertigungstypologie, das Fertigungsprinzip und die Fertigungsstruktur beschreiben. Das Resultat dieser Typologie stellt die Wiederholhäufigkeit der Leistungserstellung (Stückzahlen und Losgrößen) dar. Mit dem Fertigungsprinzip wird die räumliche Anordnung der Betriebsmittel in der Fertigung sowie deren Transportbeziehungen festgelegt. Hierdurch wirkt sich die Organisationsform einer Fertigung direkt auf den Material- und Energiefluss, auf das innerbetriebliche Transportwesen sowie auf die Layoutplanung als nachfolgenden Planungsschritt aus. Abschließend befasst sich die Fertigungsstruktur mit strategischen Entscheidungen (Make-or-Buy) und bestimmt dadurch die Fertigungstiefe. Die erläuterten Zusammenhänge sind in Abb. 3.7 abgebildet [21]. 3.4.2.5 Materialfluss und Förderwesen Der Begriff Materialfluss umfasst verschiedene betriebliche Teilfunktionen. Gemäß der Definition nach VDI 3300 ist der Materialfluss die räumliche, zeitliche und organisatorische

Abb. 3.7  Organisationsform der Fertigung [21]

3 Fabrikplanung63

Verkettung aller Vorgänge bei der Gewinnung, Bearbeitung und Verteilung von Gütern innerhalb festgelegter Bereiche [27]. Die Vorgänge des Materialflusses sind hierbei Bearbeitung, Transportieren, Handhaben oder Prüfen, aber auch das Lagern. Der Begriff Förderwesen stellt alle Tätigkeiten und Einrichtungen dar, die zur Erfüllung der Förderbedürfnisse benötigt werden [19]. Die Planungsaufgabe umfasst die Gestaltung sowohl der betriebsexternen als auch der betriebsinternen Bereiche des Materialflusses. Aus betriebsexterner Sicht werden globale, überregionale, regionale und lokale Ebenen unterschieden. Auf der globalen Ebene erfolgt die Betrachtung von Handelsnetzen sowie Beschaffungs- und Absatzmärkten. Die überregionale und regionale Ebene betrachten Details der Verkehrsplanung, der Energienetze sowie der Beschaffungs- und Absatzmärkte zu den relevanten Merkmalen des Materialflusses. Materialflussaspekte in der Standortwahl, der Verknüpfung der Werksanlage mit dem Verkehrsnetz sowie der Betrachtung innerbetrieblicher Transportachsen werden auf lokaler Ebene geplant. Im Bereich betriebsinterner Sichten werden die betriebsinterne Ebene, die gebäudeinterne Ebene sowie die arbeitsplatzbezogene Ebene unterschieden. Bei der betriebsinternen Ebene stellen die funktionsgerechte Generalbebauung, das innerbetriebliche Förderwesen sowie die innerbetrieblichen Verkehrswege Aspekte des Materialflusses dar. Auf gebäudeinterner Ebene sind unter dem Materialflussfokus die Layoutfestlegungen sowie die Maschinenaufstellung zu betrachten. Bei der arbeitsplatzbezogenen Ebene rücken die Handhabung am Arbeitsplatz und die Feinplanung der Einrichtung in den Vordergrund der Betrachtungen [18].

3.4.2.6 Layoutplanung Als variantenreichste Phase der Fabrikplanung stellt die Layoutplanung eine der komplexesten Aufgaben im Planungsprozess dar. Im Rahmen der Fabrikplanung wird unter „Layout“ die Anordnung von betrieblichen Funktionseinheiten verstanden [18]. Nach der Art der anzuordnenden Betriebseinheiten wird zwischen einem Betriebs- oder Werkstättenlayout unterschieden. Die Komplexität steigt durch die zahlreichen Einflussfaktoren und Bewertungskriterien, welche eine kaum überschaubare Zahl von Lösungsmöglichkeiten ermöglicht. Abb. 3.8 zeigt das generelle Prinzip der Layoutplanung. Hier werden zunächst die schon vorhandenen Planungsdaten (z. B. über Organisationsform und Materialflüsse in der Fertigung, den Grundriss der Hallen, Arbeitspläne etc.) herangezogen, auf die anschließend die Methoden der Layoutplanung angewandt werden. Ausgehend von der Anordnung der Betriebsbereiche und Produktionseinheiten wird eine Struktur der Fabrik realisiert, die in hohem Maße die Leistungserstellung beeinflusst. Um die organisatorische Struktur mit den räumlichen Strukturen zu verknüpfen, sollte in dieser Phase eine weitreichende Zusammenarbeit mit den an der Planung beteiligten Architekten erfolgen [13]. Das Vorgehen der Layoutplanung kann in drei Schritte unterteilt werden. Dabei wird zu Beginn das ideale Funktionsschema aufgestellt und im zweiten Schritt durch die flächenmäßigen Anforderungen der Funktionseinheiten erweitert. Im dritten und letzten Schritt werden die bis dahin idealen Layouts den realen Gegebenheiten und Restriktionen angepasst [18].

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Abb. 3.8  Das Prinzip der Layoutplanung

Nach erfolgter Durchführung der Layoutplanung sind alle Teilaufgaben der Grobplanung beschrieben. Die anschließende Feinplanung greift die bisherigen Planungsergebnisse auf und führt diesen eine größere Detailtiefe zu. Die beinhalteten Planungsschritte der Feinplanung werden daher näher erläutert.

3.4.3 Feinplanung (Stufe 3) Im Rahmen der Feinplanung werden die bisherigen Planungsgrundlagen überprüft, ergänzt und detailliert. Das ausgewählte Groblayout kann somit ebenfalls weiterentwickelt und verfeinert werden. Aufgrund des hohen Arbeitsumfanges werden die Planungsaufgaben in die wichtigsten Betriebsfunktionen unterteilt. Die Feinplanung untergliedert sich in die Feinplanung der Fertigung, die Lager- und Transportplanung sowie die Büroplanung. Im Folgenden wird auf die Feinplanung der Fertigung näher eingegangen.

3.4.3.1 Feinplanung der Fertigung Die Feinplanung soll einen reibungslosen Fertigungsablauf ermöglichen, der durch ein anforderungsgerechtes und störungsfreies Zusammenwirken von Mensch, Maschine und Material an jedem Arbeitsplatz zu realisieren ist (vgl. Abb. 3.9). Es empfiehlt sich, ein Modell auf Basis der Fabrikfläche zu erstellen, in dem flächenmaßstäbliche Maschinen- bzw. Einrichtungsmodelle integriert und einander zugeordnet werden. Zum einen

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Abb. 3.9  Einflussfaktoren auf die Feinplanung der Fertigung

ist dieses Vorgehen auf konventionelle Art mit ausgeschnittenen Flächen aus Karton oder Papier (Schiebelayout) realisierbar, gleichwohl bietet moderne Computertechnik mittels CAD-Anlagen oder auf sogenannten Planungstischen das interessantere und modernere Vorgehen. Die rechnerunterstützte Planung ermöglicht zusätzlich die zeitgleiche Berechnung und Projektion von dreidimensionalen Modellen, die einen realistischen Eindruck der Planung erlauben. Materialfluss, Arbeitsplatzgestaltung und bauliche Maßgaben sind dabei wichtige Einflussfaktoren, die berücksichtigt werden müssen [25]. Bei der Strukturierung von Arbeitsplätzen ist besonders die Betrachtung äußerer Einflussgrößen, wie beispielsweise Marktänderungen, technischer Fortschritt, rechtliche Regelungen und gestiegene Ansprüche der Gesellschaft unersetzlich. Marktänderungen resultieren aus veränderten Faktoren wie wachsender Konkurrenz und spezifischen Kundenanforderungen. Kürzere Innovationszyklen und sinkende Produktlebensdauern sind Ereignisse des technischen Fortschrittes und üben einen großen Einfluss auf die Feinplanung aus. Zudem wirken in gleicher Weise rechtliche Regelungen (Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Richtlinien und Normen) ein. Zuletzt sind Veränderungen in den Ansprüchen der Gesellschaft zu erwähnen, die sich durch Streben nach Wohlstand und Verlangen nach Qualifikation definiert [18].

3.4.3.2 Lager- und Transportplanung Ein weiterer Bereich der Feinplanung ist die Lager- und Transportplanung. Die Rolle der Lagerhaltung hat sich von der Vorratshaltung früherer Jahre zu einem Dienstleistungsbereich gewandelt, der von der technischen und der wirtschaftlichen Seite in gleicher Weise beachtet wird und zu Spannungen zwischen diesen Positionen führen kann. Die

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Abb. 3.10  Das Lager als Puffer zwischen Markt und Produktion [18]

Lagerung eines Gutes bedeutet Verweilen des Gutes im Produktionsablauf, ohne dass das zu lagernde Gut Wertsteigerung irgendwelcher Art unterworfen ist. Ökonomisch gesehen ist jede Lagerung von Gütern zu vermeiden, dennoch erfüllt das Lager essenzielle Aufgaben zur Sicherstellung des Produktionsprozesses. Die Auswirkungen des Lagers auf Produktion und Markt sind in Abb. 3.10 dargestellt [18]. Das Konzept der Lagerung verbindet und stabilisiert den Produktionsprozess gegen Störeinflüsse von außen durch Lieferschwankungen oder von innen durch Anlagenausfälle [16]. So entstehen Rohstoff-, Hilfsstoff- und Zwischenlager für die eigene Produktion. Zudem ermöglicht die Lagerung ein breiteres Spektrum an Einkaufs- und Abnahmestrategien [18]. Dabei sind für die Lagerplanung folgende Forderungen zu erfüllen: • Sicherstellung der Produktions- und Lieferbereitschaft bei schwankenden Produktionsund Marktdaten • Ausgleich unterschiedlicher Anforderungen des Marktes und der Fertigung • kostengünstige und materialgerechte Aufbewahrung der Güter • schnelle Zugriffsmöglichkeit auf Güter mit hohem Umschlagsgrad • schnelle Umstellbarkeit auf geänderte Lagerstruktur • hohe Betriebssicherheit • gute Kontroll- und Inventurmöglichkeiten • Begrenzung der erforderlichen Investition sowie der laufenden Betriebskosten und • geeigneter Automatisierungsgrad entsprechend der Lageraufgabe und der Lagerfunktionen

3 Fabrikplanung67

Die letztendliche Wahl der optimalen Lagerkonzeption benötigt eine individuelle Betrachtung des Betriebes und umfangreiche Untersuchungen [18].

3.4.3.3 Büroplanung Ein weiteres Element der Fabrikplanung ist die Büroplanung. Die Planung der Arbeitsplätze und Büroräume erfordert aufgrund des hohen Stellenwerts ein besonderes Vorgehen. Dabei müssen unterschiedliche Anforderungen an die verschiedenen Möglichkeiten der Organisationsform ebenso berücksichtigt werden wie die ergonomische Gestaltung jedes einzelnen Arbeitsplatzes. Hierbei ist eine strukturierte Vorgehensweise zur Planung wünschenswert. Im Rahmen der Büroplanung werden die Anforderungen an die unterschiedlichen Büroarbeitsplätze aufgrund verschiedener Büroformen und Arbeitsplatzgestaltungsmöglichkeiten beachtet. Allen Teilschritten ist gemein, dass hier auch eine Feinplanung in Bezug auf Umwelteinflüsse erfolgen muss. Hier müssen insbesondere rechtliche Rahmenbedingungen bspw. für die Klimatisierung von Lagergütern bei steigenden Temperaturen oder die Berücksichtigung der Arbeitsstättenverordnung zur Berücksichtigung klimatischer Bedingungen berücksichtigt werden.

3.4.4 Umsetzung (Stufe 4) Die Planungsstufe Umsetzung wird unterteilt in Umsetzungsplanung sowie Umsetzung in Bauarbeiten, Montage und Inbetriebnahme. Die Stufen der Umsetzung sind in Abb. 3.11 gezeigt. Sie bildet den Teil der Realisierung, bei dem die Leistungserstellung an Ort und

Abb. 3.11  Stufen der Umsetzung [4]

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Stelle des Fabrikbaus erfolgt. Die Planung, Koordinierung, Leitung und Überwachung unterliegt dem Projektteam sowie insbesondere dem Bauleiter [4]. Im Rahmen der Umsetzungsplanung erstellt das Planungsteam ein umfassendes Konzept für die kommenden Schritte, wie den Umstieg, die Baustelle, die Umzüge und den Personalbedarf. Ein erfolgreiches Umstiegskonzept stellt die Planung der Maßnahmen sicher, welche für den erfolgreichen Produktionsanlauf eines neuen Produkts (Lieferfähigkeit, Nullserie, Erstversorgung mit Material) erforderlich sind. Bei einer Baustellenplanung wird die benötigte Infrastruktur, wie beispielsweise Verkehrswege, Lagerflächen, Medienver- und -entsorgung sowie Versorgungseinrichtungen für das Baustellenpersonal festgelegt. Aufgaben der Umzugsplanung sind die Abstimmung der Umzüge von Betriebsmitteln, Arbeitsplätzen und des Personals mit dem Ziel der Realisierung der neuen Fabrik. Im letzten Schritt sollte ein qualifiziertes Mitarbeiterkontingent zu Betriebsbeginn zur Verfügung stehen. Dieses muss ggf. eingestellt und insbesondere für die neue Arbeitsumgebung ausreichend geschult werden [29]. Nach abgeschlossener Planung beginnt der Realisierungsprozess, bei dem der Fokus der Leistungserstellung sich auf die Baustelle konzentriert. Beginnend mit dem Einkauf und der Anlieferung von Montagematerial umfasst die Umsetzung viele nacheinander oder parallel ablaufende Prozesse. Mit der Verlagerung der Leistungserstellung auf die Baustelle ändern sich folgende Merkmale der anstehenden Aufgaben und Arbeiten: • Verlagerung der wahrzunehmenden Zwischenentscheidungen und Führungsaufgaben auf die Bau- bzw. Montagestelle • Bedarf einer engen Koordinierung und schnellen Disposition • Notwendigkeit von besonderen Kompetenzen für Projektleitung bzw. den Montageleiter • vermehrte Konsultation und Koordinierung mit dem zukünftigen Betreiber der Anlagen (Betriebsleiter, Betriebsrat usw.) • sukzessiver Einbezug der zuständigen Stellen der Instandhaltung, Reparatur, Unfallverhütung usw. • Wahrnehmung von zusätzlichen organisatorischen Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Arbeitsdisziplin auf der Baustelle • Verlagerung der Koordinierung und Disposition vom vorwiegend schriftlichen (zeichnerischen) und telefonischen Weg auf direkte persönliche Kontakte mit den Anwesenden auf der Montagestelle [4]. Für eine verbesserte Akzeptanz der Planungsmaßnahmen ist eine frühzeitige Integration des Betriebspersonals oder Mitarbeiter der Instandhaltung in den Planungsprozess sinnvoll. Zum einen werden für die Einarbeitungsphase Erkenntnisse über die Qualifikation der Mitarbeiter oder Schulungen gewonnen. Zum anderen wird durch den Probebetrieb eine Rückmeldung aus einer für den Betrieb wichtigen Perspektive gegeben und ggf. noch vermeidbare Probleme eliminiert [4]. Die Umsetzung endet mit dem Hochlauf der Produktion auf 100 % der geplanten Leistungsfähigkeit (Kammlinie) der neuen Fabrik.

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3.4.5 Betrieb (Stufe 5) In dieser Phase befasst sich der Fabrikplaner mit dem Betrieb einer Fabrik, der zeitlich längsten Phase der Fabrikplanung [25]. Die Forderung nach Fabrikeffizienz sowie stetig neue Innovationen, die eine Effizienzsteigerung ermöglichen, generiert eine Vielzahl an Aufgabenfeldern. Daher ist diese Phase durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) sowie das Change Management geprägt. So kann beispielsweise das Interesse des Marktes an schnelllebigen Produkten mit verkürzten Lebenszyklen durch eine hohe Wandlungsfähigkeit der Fabrik ermöglicht werden. In der Übertragung einer geplanten Fabrik zur realen Fabrik ist jedoch eine perfekte Realisierung nahezu ausgeschlossen [31]. Dadurch zeigt der reale Produktionsablauf Probleme auf, die trotz angemessener Planung auftreten. Wurden Optimierungspotenziale identifiziert, deren Umfang über den von kontinuierlichen Verbesserungsmaßnahmen hinausgeht, so ist wiederum ein Durchlauf der Phasen Betriebsanalyse, Grobplanung und Feinplanung von hoher Bedeutung, um die Fabrik je nach Ausprägung zu ergänzen (dem sogenannten Tuning und Anpassungen). Während der Betriebsphase steht die Fabrik stetig vor der Herausforderung, auf eine Veränderung der Rahmenbedingungen in einer angemessenen Zeit und zu einem ökonomischen Preis zu reagieren.

3.4.6 Tuning und Anpassung (Stufe A) In den ersten Stufen des IFU-Referenzmodells der Fabrikplanung wurde die klassische Vorgehensweise der Fabrikplanung vorgestellt. Die zugrunde liegenden Prinzipien sind linear, d. h. für eine weitestgehend statische Umfeldsituation und überschaubare Planungskomplexität ausgelegt. Die vorhandenen Methoden und Werkzeuge zur Dimensionierung und Strukturierung einer Fabrik, von Anlagen und Maschinen sowie zugehöriger Gebäude sind auf mittel- bzw. langfristige Planungszyklen ausgelegt [25]. Hierbei wird allerdings nur von einer geringen Veränderlichkeit der Fabrik ausgegangen. Erfolgreiche Unternehmensstrategien, welche notwendig sind, um sich im Wettbewerb zu behaupten, erfordern aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen für Produktionsunternehmen eine ständige reaktionsschnelle Tuning- und Anpassungsfähigkeit von Unternehmens- und Fabrikstrukturen während des Betriebs (Stufe 5 des IFU-Referenzmodells). Somit wird die Fähigkeit des kontinuierlichen Tunens und Anpassens in bestehenden Strukturen zu einem entscheidenden Faktor zur Erhaltung und zum Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Die aktuelle Situation ist in Abb. 3.12 aufgezeigt. Unter dem Begriff Tuning wird eine Steigerung der Leistungsfähigkeit einer Fabrik verstanden, um die Voraussetzungen für das nachfolgende Anpassen zu schaffen oder zu übertreffen. Das Anpassen beschreibt das Realisieren der Anforderungen, die sich aus den geänderten Rahmenbedingungen für Produktionsunternehmen ergeben. Müssen beispielsweise Fertigungseinrichtungen innerhalb des Gebäudes verlagert oder erweitert werden,

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Abb. 3.12  Tuning und Anpassen – aktuelle Situation

um die Wirtschaftlichkeit einer Fabrik zu erhalten, so ist diese Anpassungsmaßnahme nur möglich, wenn vorab über ein geeignetes Tuning die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Verlagerung/Erweiterung geschaffen wurden, z. B.: • Tuning: das Ermöglichen der Maschinenversorgung mit den benötigten Ressourcen am gewünschten Aufstellungsort • Anpassen: die eigentliche Verlagerung/Erweiterung der Fertigungseinrichtung [8].

3.4.7 Nachnutzung und Revitalisierung (Stufe B) Trotz eines kontinuierlichen Anpassens der Fabrik durch den vorherigen Schritt des Tunings und der Anpassung wird nach einigen Abläufen der Zeitpunkt erreicht, an dem die Anpassungsfähigkeit der Fabrik an ihre Grenzen stößt und die Stilllegung des Betriebablaufes erfolgt. Das Ergebnis muss nicht zwangsläufig zu einer Industriebrache führen. Mithilfe des Konzepts von Nachnutzung und Revitalisierung kann der Lebenszyklus von Neuem begonnen werden, indem beispielsweise andere Verwendungszwecke gefunden werden, bspw. durch das Unternehmen selbst oder durch einen aus Verkauf dazukommenden neuen Eigentümer [9]. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der in Abb. 3.13 dargestellte Entscheidungsprozess vom Betreiber oder Eigentümer der Fabrik durchlaufen werden [26].

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Abb. 3.13  Nachnutzung und Revitalisierung – Entscheidungsprozess [26]

Den Startpunkt stellt der Zeitpunkt dar, an dem der Betrieb der Fabrik aus wettbewerblichen und wirtschaftlichen Gründen nicht mehr fortgeführt werden kann. Zuerst sind die Ursachen für die bevorstehende Stilllegung der Fabrik zu untersuchen. Sind diese vermeidbar, kann gegebenenfalls die Stilllegung durch ein erneutes Tuning und Anpassen vermieden werden (linker Pfad). Beispielsweise können Produkte in abgewandelter Form zur Erschließung neuer Märkte eingesetzt werden, sodass eine für die rentable Fortsetzung des Fabrikbetriebs erforderliche Nachfragemenge erreicht wird. Sollten die Ursachen jedoch unvermeidbar sein (rechter Pfad), ist die Stilllegung der Fabrik mit ihrem ursprünglichen Verwendungszweck unabwendbar [9]. In diesem Fall ist es erforderlich, andere Nutzungsmöglichkeiten für die Fabrik zu identifizieren, um wirtschaftliche Potenziale durch eine Nachnutzung/Revitalisierung des Fabrikgebäudes/-geländes zu erschließen [26].

3.4.8 Rechnerunterstützung in der Fabrikplanung Wie im IFU-Referenzmodell gezeigt, bilden die Rechnerunterstützung und die umweltgerechte Fabrikplanung phasenunabhängige Funktionen. Diese finden in jeder der zuvor beschriebenen Fabrikplanungsphasen Anwendung. Charakteristisch für die moderne Fabrikplanung ist die Rechnerunterstützung und Verwendung einer Vielzahl verschiedener Planungswerkzeuge. In diesem Zusammenhang wird auch von Digitaler Fabrik gesprochen, welche als „der Oberbegriff für ein

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Abb. 3.14  Rechnerunterstützung in der Fabrikplanung [7]

umfassendes Netzwerk von digitalen Modellen, Methoden und Werkzeugen – u.  a. der Simulation und der dreidimensionalen Visualisierung –, die durch ein durchgängiges Datenmanagement integriert werden“ [28], definiert ist. Somit beschränkt sie sich nicht nur auf die Visualisierung und Simulation, auch die Datenhaltung entlang des gesamten Produktlebenszyklus (Product-Lifecycle-Management-Systeme) ist ein Bestandteil der Digitalen Fabrik. Abb.  3.14 zeigt das Referenzmodell der Fabrikplanung, dessen beginnenden drei Phasen exemplarisch einige Softwarewerkzeuge, die zur Planung genutzt werden, zugeordnet sind [7]. Neben Standard-Office-Anwendungen sind CAD-Programme unterschiedlichster Ausprägung, Werkzeuge zur Prozessmodellierung, Grafik-Editoren, Systeme zur Zeitmessung und Arbeitsplanerstellung sowie ERP-Systeme im Einsatz. Ein wesentliches Problem trotz der Nutzung von Software-Werkzeugen ist, dass eingesetzte Werkzeuge nicht miteinander verknüpft sind und ein Datenaustausch bzw. ein Ineinandergreifen der Systeme nicht oder nur sehr eingeschränkt funktioniert. Häufig bestehen bereits Schnittstellen, allerdings müssen diese in der Regel für den Datenaustausch individuell angepasst werden. Aufgrund der komplexen Einzelfallbetrachtungen ist eine wirtschaftliche Umsetzung bei dieser Art von Fabrikplanungsprojekten nicht möglich. Dies ist nur gewährleistet, wenn Art und Verwendung der verschiedenen Systeme standardisiert und fortschreitend verwendet werden [7]. Im Rahmen der Fabrikplanung kommt eine Vielzahl von Methoden und Werkzeugen zum Einsatz, welche eine Verknüpfung zwischen Produktentwicklung und der

3 Fabrikplanung73

Abb. 3.15  Werkzeuge der Produktentwicklung und Produktionsplanung [7]

Produktions- und Fabrikplanung darstellen. Insbesondere digitale Werkzeuge ermöglichen die Verlagerung des Planungsaufwands in frühe Phasen der Fabrikplanung, sodass mit der frühzeitigen Absicherung der Planungs(zwischen)ergebnisse der Gesamtplanungsaufwand reduziert werden kann [5]. Einen Überblick über verschiedene Werkzeuggruppen gibt Abb. 3.15. Ausgehend von der Planung „auf dem Papier“ nimmt der Grad der Funktionsintegration von unten nach oben zu. Auf der Ebene der Digitalen Fabrik wird die Integration aller für die Fabrikplanung und Produktentwicklung relevanten Werkzeuge ermöglicht. Für die Gestaltung von Fabriken sind zunächst die Werkzeuge der Fabrikplanung (linke Bildhälfte) wichtig. Informationen aus der Produktentwicklung (rechte Bildhälfte) fließen durch die CAx-Systeme sowie durch die Schnittstellen der Visualisierungswerkzeuge (Virtual Reality und Digital Mock-Up) ein. Eine weitere übergreifende Funktion besitzen die Systeme zur Projektverwaltung, zur Groupware und zum Wissensmanagement, die vor allem die Zusammenarbeit des Planungsteams unterstützen. Die Werkzeuge der Fabrikplanung sind: Office-Programme, Groupware-, Projektmanagement- und Wissensmanagement-Systeme, Layoutplanungswerkzeuge, Materialflusssimulationen, Ergonomiesimulationen, Simulation in der NC- und Roboterprogrammierung, Digital MockUp, Virtual Reality und Digitale Fabrik. Jede Werkzeuggruppe besitzt einen bestimmten Aufgabenbereich, in dem sie sinnvoll einzusetzen ist. Ein Werkzeug mit einem großen Funktionsumfang für eine einfache Aufgabe zu nutzen ist wenig zielführend. Es sollte aber auch nicht versucht werden, komplexe Zusammenhänge mit einfachen Ansätzen zu beherrschen. Im ersten Fall wäre eine sehr hohe Planungsqualität erreicht, allerdings zu überhöhten Kosten für Anschaffung und Betrieb der verwendeten Werkzeuge und einer

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verlängerten Planungsdauer sowie insgesamt einem höheren Aufwand. Im zweiten Fall ist damit zu rechnen, dass man den komplexen Zusammenhängen innerhalb der Planungsaufgabe nicht gerecht wird und zu einem suboptimalen Ergebnis kommt, sodass hohe Kosten während des späteren Betriebes der Fabrik durch Anpassungen auftreten [5, 7].

3.4.9 Umweltgerechte Fabrikplanung Die umweltgerechte Fabrikplanung ist die vorausbestimmende Gestaltung von Fabriken unter besonderer Berücksichtigung ökologischer Einflüsse in den einzelnen Fabrikplanungsfeldern bzw. -schritten. Sie ist ein Teilbereich der Fabrikökologie, die sich neben der Planung auch mit dem umweltgerechten Fabrikbetrieb sowie umweltgerechten Rückbau befasst. Dabei liegen die Hauptziele in der Ressourcenschonung, Emissionsminderung und Risikobegrenzung. Die grundlegenden Gesetze sind das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) sowie das Wasserhaushaltsgesetz (WHG). In den vergangenen Jahrzehnten hat die Bedeutung des Klimawandels zugenommen, sodass die veränderten klimatischen Bedingungen sowie Wetterphänomene (Starkregen, Stürme usw.) bei der Fabrikplanung einen immer größeren Stellenwert einnehmen. Neuere Gesetze wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Gesetz über den Handel und die Berechtigung zur Emission von Treibhausgasen (TEHG) oder das Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) haben nicht nur einen großen Einfluss auf die Energiewirtschaft, sondern auch monetäre Auswirkungen auf produzierende Unternehmen wie bspw. erhöhte Strompreise oder Zertifikateerwerb für die Treibhausgasemission. Die Auswirkungen des Klimawandels, sowohl auf physischer als auch rechtlicher Ebene, sind für Unternehmen schwer vorherzubestimmen. Dies hängt zum einen mit der Prognosegenauigkeit des Wetters sowie politischen Entscheidungen zusammen. Das Risikomanagement als etabliertes Werkzeug in der Finanzwirtschaft und anderen Bereichen kann genutzt werden, um Maßnahmen zur Prävention für Auswirkungen des Klimawandels zu bestimmen.

3.5 Risikomanagement 3.5.1 Ziel und Aufgabe des Risikomanagements Für die Berücksichtigung des Klimawandels in der Fabrikplanung bietet sich das Risikomanagement an, um die Folgen des Klimawandels genauer zu bestimmen. Unternehmerisches Handeln wird kontinuierlich durch eine hohe Unsicherheit und Ambiguität begleitet [10]. Demzufolge gehen auch alle unternehmerischen Planungen und Ausführungen mit Risiken und Chancen einher, die verschiedener Natur sein können (vgl. Abschn. 3.5) [17]. Risikomanagement wird als Instrument der Unternehmensführung zur systematischen Identifizierung, Bewertung und Bewältigung von Risiken definiert. Diese Risiken

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entstehen bei betrieblichen bzw. unternehmerischen Tätigkeiten sowie in deren Umfeld und beeinträchtigen diese. Das Risikomanagement orientiert sich an den Strategien und Zielen des Unternehmens [23]. Das Ziel des Risikomanagements ist es, potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren und hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe zu bewerten, zu steuern und zu überwachen, um den weiteren Bestand des Unternehmens sicherzustellen [6, 17]. Dabei stehen Kosten-Nutzen-Betrachtungen im Mittelpunkt [15]. Des Weiteren unterstützt das Risikomanagement bei der strategischen Entscheidungsfindung, indem Risiken bei unternehmerischen Entscheidungen (z.  B. Investitionsentscheidungen) aufgrund von unsicheren Prognosen Beachtung finden. Unter Einsatz verschiedener Hilfsmittel können Handlungsalternativen hinsichtlich des effizienten und effektiven Ressourceneinsatzes sowie der Verwundbarkeit sozialer, ökologischer und ökonomischer Systeme bewertet werden. Ein erfolgreiches Risikomanagement stellt damit einen erheblichen Wettbewerbsvorteil dar [17]. Zusammengefasst liefert das Risikomanagement einen Beitrag zur Erreichung folgender Ziele: • • • •

der Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens der Steigerung des Marktwerts der Sicherung des zukünftigen unternehmerischen Erfolges der Vermeidung bzw. Senkung der Risikokosten [6].

Um diese Ziele zu erreichen, umfasst das Risikomanagement folgende Aufgaben: • • • • • •

die Schaffung eines Bewusstseins für das unternehmensweite Risiko die Aufnahme aller relevanten Risikofelder des Unternehmens die Schaffung von Transparenz über mögliche Risiken die systematische Überwachung und Handhabung möglicher Risiken die Etablierung einer Risikomanagementorganisation die Dokumentation und Kontrolle des Risikomanagements sowie Erstellung von Reporten für das Management [6, 23].

3.5.2 Risikomanagementprozess Die wesentliche Gemeinsamkeit aller Risikomanagementstrategien und -ansätze ist der zugrunde liegende Risikomanagementprozess. Der Risikomanagementprozess setzt sich aus vier konsekutiven Phasen zusammen. Abb. 3.16 visualisiert die vier Phasen Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikosteuerung und Risikoüberwachung. Dieser Risikomanagementprozess wird in einer Vielzahl von Fachliteraturquellen, beispielsweise von Romeike, Diederichs und Gleißner/Winter verwendet, allerdings variieren teilweise die Bezeichnungen und die Anzahl der einzelnen Phasen [6, 15, 24].

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Abb. 3.16  Risikomanagementprozess

Die Betrachtung des Risikos während der Fabrikplanung wurde bereits von Weig untersucht, jedoch blieben klimatische Faktoren unberücksichtigt [30]. Unter dem Begriff Risiko wird eine Eintrittswahrscheinlichkeit eines negativen Ereignisses verstanden. Ergänzend hierzu wird ein Risiko im Umfeld des Klimawandels als Produkt der Interaktion bzw. des Zusammentreffens einer Gefahr (z. B. natürlicher Prozesse wie Starkregenereignisse) mit der gesellschaftlichen Vulnerabilität verstanden [14]. Schritt 1 – Risikoidentifikation  Im ersten Schritt sind alle Risiken des Klimawandels zu bestimmen, welche auf die Fabrik wirken. Dabei ist darauf zu achten, dass die Risiken, die aus den negativen Auswirkungen resultieren, möglichst vollständig durch eine strukturierte Sammlung oder intuitive Verfahren (z.  B. Expertenbefragung) aufgenommen werden. Eine strukturierte Sammlung kann anhand der vier Fabrikelemente erfolgen [32]. Für jedes Element werden alle Risiken, die bei Eintritt der genannten Auswirkungen auftreten, berücksichtigt. Beispielsweise könnte bei Starkregen in ein altes Fabrikhallendach unkontrolliert Wasser eindringen. Schritt 2 – Risikoanalyse  Die Risikoanalyse dient der Priorisierung der Risiken und lässt sich in Risikobewertung, deren Kategorisierung in Risikolevel sowie der Risikopriorisierung unterteilen. Die Risikobewertung stellt den ersten Teilschritt der Risikoanalyse dar. Dies erfolgt anhand der Eintrittswahrscheinlichkeit der zuvor benannten Risiken und aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels sowie der dabei erwarteten Schadenshöhe. Für jedes Risikoereignis lässt sich eine Eintrittswahrscheinlichkeit abschätzen, welche sich auf ein Jahr bezieht. Diese ist wiederum von der Häufigkeit des Eintritts einer Auswirkung des Klimawandels abhängig. Die Wahrscheinlichkeiten werden hier den folgenden sechs Stufen eingeteilt: • • • • • •

undenkbar (z. B. Eintrittswahrscheinlichkeit < 2 %) nicht wahrscheinlich (z. B. 2–10 %) denkbar (z. B. 10–30 %) gelegentlich (z. B. 30–50 %) wahrscheinlich (z. B. 50–80 %) oft (z. B. 80–100 %) [11].

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Die Schätzung der Schadenshöhe im Schadensfall ist der zweite Teilschritt. Für jedes Risikoereignis wird der mögliche Schaden abgeschätzt und einer der vier Schadenslevel zugeordnet: • vernachlässigbar: Damit ist ein Schaden bezeichnet, der keinen negativen Einfluss auf die Lebensdauer hat • moderat: Im Eintrittsfall ist ein geringer Schaden zu erwarten • kritisch: Das Ereignis verursacht einen schweren Schaden, der das Unternehmen schwer beeinträchtigt. Der Schaden ist für die Fabrik nicht existenzbedrohend • katastrophal: Ein katastrophaler Schaden hat schwerwiegende Folgen für die Fabrik, sodass dieser die Existenz des Unternehmens/der Fabrik bedroht [11]. Die Beeinflussung des Fabrikbetriebs durch Starkregen bei einem beschädigten Dach könnte beispielsweise als kritisch bewertet werden. Sollte die Fabrik zusätzlich im potenziellen Überschwemmungsgebiet eines Flusses liegen, ist die Überflutung des Gebäudes bei Starkregen sehr wahrscheinlich. Folglich wären die hervorgerufenen Schäden kritisch oder sogar katastrophal [11]. Der dritte Teilschritt der Analyse ist die Priorisierung, die anhand von Risikobereichen in einer Risikomatrix erfolgen kann. Die Dimensionen der Risikomatrix stellen die sechs Stufen der Eintrittswahrscheinlichkeit sowie die vier Schadenslevel dar. Somit hat die Risikomatrix 24 Felder, welche den Risikobereichen akzeptabel, „As Low As Reasonably Practicable/So niedrig wie gerade nötig“ (ALARP) und unakzeptabel zugeordnet sind. Die Risikobereiche bieten eine Grundlage für die Ableitung geeigneter Strategien im folgenden Schritt [11]. Schritt 3-Risikosteuerung  Die Risikosteuerung umfasst die Durchführung von präventiven Maßnahmen sowie die Planung von reaktiven Maßnahmen für den Eintrittsfall. Es existieren vier Strategien zum Umgang mit den Risiken. Die erste Strategie ist präventiv und besteht aus Maßnahmen, die eine Risikovermeidung zum Ziel haben, indem die Risikoquelle behoben wird. Dies kann beispielsweise darin bestehen, dass ein Fertigungsstandort im Überschwemmungsgebiet geschlossen wird. Die zweite Strategie ist auch eine präventive Risikoverminderung, welche entweder die Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit oder die Verminderung der Schadenshöhe zum Gegenstand hat. So können beispielsweise Flutbarrieren gebaut werden, welche das Eindringen von Wasser in Fabrikhallen verhindern (reduzierte Eintrittswahrscheinlichkeit). Eine mögliche organisatorische Maßnahme bei Unwetter ist die Warnung aller Mitarbeiter, damit diese die Fabrik vor Unwetter schützen (Fenster schließen, Rollläden zu) und so Schäden reduzieren. Die dritte Strategie ist eine reaktive und hat den Transfer des Risikos auf Dritte zur Folge. Mit dem Abschluss einer Versicherung kann z. B. das Risiko eines Schadens abgegeben werden. Die drei Strategien sind für alle Risiken aus dem inakzeptablen Risikobereich und nach einer durchgeführten Aufwands-Risiko-Betrachtung für den ALARP-Bereich anzuwenden. Die vierte Strategie ist die Risikoakzeptanz oder das Aushalten des Schadens. Diese Strategie ist nur für eine geringe Schadenshöhe oder niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit zu empfehlen (akzeptabler und zum Teil ALARP Risikobereich) [11].

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Schritt 4-Risikoüberwachung Der vierte Schritt stellt die regelmäßige Wiederholung des Risikomanagementprozesses dar, sodass bei veränderter Eintrittswahrscheinlichkeit (weitere Intensivierung der Klimafolgen) diese Berücksichtigung finden. Darüber hinaus können durchgeführte Maßnahmen das Risiko vermeiden oder vermindern, was zu einer Reduzierung der Bedeutung führt, wodurch das Risiko in einer erneuten Risikoanalyse keine Relevanz mehr aufweist. Der Nutzen der Berücksichtigung der Klimawandelrisiken für produzierende Unternehmen liegt wie bei jedem Risikomanagement darin, dass das Risiko existenzbedrohender oder im Wettbewerb nachteiliger Ereignisse identifiziert werden kann. Mit dem Wissen von standort- und unternehmensspezifischen Auswirkungen des Klimawandels können die Risiken identifiziert und priorisiert werden, damit auf den vier Strategien basierende Maßnahmen erarbeitet werden können [11].

3.6

Zusammenfassung: Unsicherheit aufgrund des Klimawandels in der Planung

Die Fabrikplanung ist eine strukturierte Vorgehensweise zur Um- oder Neuplanung von Fabriken [25]. Es werden in diesem Vorgehen acht Planungsschritte unterschieden, welche sich in Detaillierungstiefe und Planungsgegenstand unterscheiden. Aufgrund neuer Herausforderungen wie dem Klimawandel müssen sich Unternehmen neuen Problemstellungen stellen. Bedingt durch sich ständig ändernde Rahmenbedingungen für Produktionsunternehmen müssen neue Konzepte und Möglichkeiten erarbeitet werden. So stellen die Herausforderungen an Unternehmen nach hoher Flexibilität, Schnelligkeit, Wirtschaftlichkeit sowie Mobilität entscheidende Randbedingungen der Fabrikplanung dar. Schlagwörter, die häufig mit den neuen Konzepten fallen, sind: die energieeffiziente Fabrik, die klimagerechte Fabrik, die schlanke Fabrik, die klimaneutrale Fabrik, die wandlungsfähige Fabrik, die nachhaltige Fabrik sowie die grüne Fabrik [20]. Die Gemeinsamkeit der Konzepte sind die Ziele des Lean Managements, um möglichst alle Arten der Verschwendung zu minimieren. Somit wird auch versucht, die Verschwendung von Energie sowie übermäßige CO2-Emissionen zu minimieren. Es wird deutlich, dass der Trend zu einer umweltfreundlicheren Fabrik besteht und Unternehmen langfristig ihre Kosten durch übermäßige Umweltbelastungen gering halten wollen [1]. Produzierende Unternehmen sehen sich einem Wandel in der Gestaltung ihrer Fabriken gegenüber, welcher sich aus den Konsequenzen des Klimawandels ergibt. Hierzu zählen die oben genannten neuen Konzepte, um möglichst wenige Schadstoffe zu emittieren, da die Unternehmen durch immer strengere Auflagen der Politik gezwungen sind ihre Emissionswerte langfristig zu senken [13]. Darüber hinaus müssen die Folgen des Klimawandels in der Fabrikplanung Berücksichtigung finden. Dazu ist es notwendig, dass in der Fabrikplanung ein Umdenkprozess stattfindet, damit die für Fabriken negativen Folgen proaktiv berücksichtigt werden können [12].

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Planung klimagerechter Fabriken Uwe Dombrowski, Anne Reimer, Stefan Ernst und Nicolas Rohde

Nachdem die Grundlagen des Klimawandels und der Fabrikplanung erläutert wurden, werden in diesem Abschnitt die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Industrie dargestellt. Zu Beginn des Kapitels wird auf die Vulnerabilität klimagerechter Fabriken eingegangen und die hierbei relevanten Risiken mit sechs Klimafolgen beschrieben (Abschn. 4.1). Den zweiten Aspekt klimagerechter Fabriken stellt die Mitigation dar, welche in Abschn. 4.2 erläutert wird. Schließlich werden in Abschn. 4.3 mit der Adaption als dritten Teilaspekt verschiedene Strategien sowie Beispiele für Einzelmaßnahmen beschrieben. Das Kapitel endet mit der Darstellung verschiedener gesetzlicher Rahmenbedingungen (Abschn. 4.4) sowie einem Praxisbeispiel (Abschn. 4.5). Zu Beginn soll die „Planung klimagerechter Fabriken“ begrifflich definiert werden, da hierzu bereits in anderen Themenfeldern Erklärungen bestehen. Unter Klimagerechtigkeit wird die gerechte Verteilung der Klimakosten nach dem Verursacherprinzip verstanden [177]. Wird hingegen vom klimagerechten Bauen gesprochen, so sind die Berücksichtigung standortspezifischer Klimabedingungen bei der Wahl von Baustoffen sowie die Gestaltung und Konstruktion der Gebäude zu verstehen [100]. Mit Blick auf die klimagerechte Fabrik und unter Berücksichtigung des Klimawandels, sind beide Faktoren – die Reduzierung der Verursachung von Klimagasen sowie die Anpassung an klimatische Bedingungen – von Bedeutung. Beide Faktoren sind nicht als statisch zu betrachten, sondern in Hinblick auf die dynamischen Veränderungen des Klimawandels. So ist die bauliche Ausgestaltung auch auf veränderte Klimabedingungen (z. B. Extremwetterereignisse) auszurichten. U. Dombrowski (*) · A. Reimer · S. Ernst · N. Rohde Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung, Langer Kamp 19, 38106 Braunschweig, Deutschland e-mail: [email protected]; [email protected]; [email protected]; [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 U. Dombrowski, S. Marx (Hrsg.), KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56590-2_4

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Abb. 4.1  Modell der Wechselwirkungen zwischen Fabrikplanung und Klimawandel ▶▶ Unter

einer klimagerechten Fabrik wird in diesem Buch eine Fabrik verstanden, die sowohl robust gegenüber Klimaveränderungen ist – eine geringe Vulnerabilität aufweist und somit resilient ist – als auch wenig bis keinen negativen Einfluss auf das Klima hat. Klimagerechte Fabriken sind entsprechend ihrer Definition die Summe aller fabrikplanerischen Aufgaben, die zur Reduzierung der Auswirkungen von Klimafolgen sowie für den Klimaschutz aufkommen. Die Auswirkungen von Klimafolgen (Vulnerabilität) sowie der negative Einfluss von Fabriken durch die Emission von Treibhausgasen (Mitigation) sind in Abb. 4.1 dargestellt.

4.1

Teilaspekt Vulnerabilität

Wie in Kap. 2 beschrieben, ist eine Zunahme der Lufttemperatur sowie die Anzahl von Extremwetterereignissen eine direkte Folge des Klimawandels. Sie stellen nicht nur im alltäglichen Leben, sondern auch in der Fabrikplanung bzw. während des Fabrikbetriebes eine erhebliche Bedrohung dar. Die Sensitivität bzw. Anfälligkeit eines Systems oder der Gesellschaft gegenüber diesen Folgen wird als Vulnerabilität oder Verwundbarkeit bezeichnet [14, 109]. Hinter dem Begriff Vulnerabilität verbirgt sich ein Konzept, welches sich mit den Risiken, der Unsicherheit von Veränderungen der Umwelt auf ein betrachtetes System bezieht.

4  Planung klimagerechter Fabriken83 ▶▶

Die Vulnerabilität (auch Verwundbarkeit) ist definiert als Maß, inwieweit eine Person, Region oder ein System gegenüber nachteiligen Folgen des Klimawandels anfällig ist und mit den Auswirkungen nicht umgehen kann [26]. Die Vulnerabilität wird durch die Ausprägungen der Exposition, Sensitivität und Anpassungsfähigkeit beschrieben: • Die Exposition ist die Ausprägung des heutigen sowie des zukünftigen Klimas. Diese Differenz beschreibt die Art und Intensität der Veränderung (z. B. Höhe und Verteilung der Niederschläge, Temperatur), welche somit die Auswirkung des Klimawandels auf die Fabrik hervorrufen. • Die Sensitivität ist das Maß mit dem eine Person, eine Region oder ein System (z. B. Unternehmen oder Fabrik) auf die Exposition (heutige/zukünftige Ausprägung des Klimas) reagiert. • Schließlich beschreibt die Anpassungsfähigkeit die Fähigkeiten und Ressourcen, welche notwendig sind, um sich dem Klimawandel anzupassen und Gefährdungen zu reduzieren. Sie bezieht sich nur auf die zukünftige Möglichkeit zusätzliche Vermeidungs-, Minderungs- oder Schutzmaßnahmen zu initiieren, die über bisherige hinausgehen [36]. Aus der Definition folgt der Schluss, dass eine Fabrik dann eine hohe Vulnerabilität aufweist, wenn sie für nachteilige Auswirkungen des Klimawandels anfällig und nicht in der Lage ist, diese zu bewältigen [36]. Um eine Abschätzung von nachteiligen Auswirkungen festzustellen, bietet sich das in Abschn. 3.5 vorgestellte Risikomanagement an. Zur Etablierung eines geeigneten Risikomanagements für Klimarisiken ist die Betrachtung verschiedener Risikokategorien hilfreich. Zu Beginn wird auf die Kategorisierung von Risiken eingegangen, die hierbei in physische, infrastrukturelle, wettbewerbs- und reputationsbezogene sowie regulative Risiken unterteilt und im Weiteren vorgestellt werden (vgl. Abschn. 4.1.1). Daneben existieren weitere Kategorisierungsvarianten, welche branchen- oder sogar unternehmensspezifisch Anwendung finden können. Im Anschluss werden exemplarische Risiken der einzelnen Kategorien in verschiedenen Aggregationsebenen der Fabrikplanung beschrieben. Ursachen für mögliche Risiken stellen Klimafolgen dar, von denen Sommerhitze, Starkregen, Überflutungen, Hagel, Wind und Sturm sowie Schnee definiert werden (vgl. Abschn. 4.1.2 bis 4.1.7). Zudem werden Methoden zur Messung sowie mögliche Auswirkungen für die Fabrik beschrieben, aus denen das spezifische Risiko eines Fabrikstandorts abgeleitet wird.

4.1.1 Kategorisierung von Klimarisiken Bei der Betrachtung von Klimarisiken im Kontext der Fabrikplanung und des Fabrikbetriebs stehen primär negative monetäre Auswirkungen im Vordergrund. Obwohl der Klimawandel ein langfristiger Prozess ist, kann dieser auch kurz- bis mittelfristige Folgen für Unternehmen haben. Bisher besteht kein Konsens über die zu verwendenden Risikokategorien,

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daher werden in Tab. 4.1 verschiedene Ansätze zur Kategorisierung verglichen. Zu erkennen ist, dass je nach Autor bestimmte Risikokategorien genannt werden, jedoch die Risikokategorien sich auf das gesamte Unternehmen beziehen und branchenunabhängig sind. Der Fokus wird nachfolgend auf die Planung klimagerechter Fabriken gelegt, weshalb nicht alle Kategorien gleichermaßen relevant sind. So betrachten alle Ansätze physische Risiken (z.  B. Extremwetterereignisse) und regulatorische Risiken (z.  B. Gesetze). Die Kategorie der regulatorischen Risiken subsumiert in der weiteren Betrachtung das Klagerisiko. Da die physischen Risiken nur die direkt wirkenden Ereignisse berücksichtigen, werden zudem infrastrukturelle Risiken als eigene Kategorie mit aufgenommen. Die reputations- und wettbewerbsbezogenen Risiken können für die weitere Untersuchung zusammengefasst werden, da aus der Perspektive der Produktion sowohl Markt/Wettbewerb als auch die Reputation beim Kunden als indirekte Auswirkungen identisch sind. Zudem wirkt sich die Reputation eines produzierenden Unternehmens direkt auf die Wettbewerbssituation in der Produktnachfrage aus. Die Versicherungs-, Shareholder- und Kapitalrisiken werden nachfolgend nicht separat analysiert, sondern finden sich in den anderen Kategorien wieder (z. B. Wettbewerbssituation). Zusammenfassend werden die folgenden Kategorien „physische Risiken“, „regulative Risiken“, „Wettbewerbs- und Reputationsrisiken“ sowie „infrastrukturelle Risiken“ detailliert beschrieben [162]. Physische Risiken  Diese Kategorie umfasst Risiken, die eine direkte Gefährdung aufgrund extremer Wetterereignisse, Überschwemmungen und langfristiger klimatischer Veränderungen (wie Anstieg der durchschnittlichen Temperatur oder veränderte Niederschläge) darstellen [73, 125]. Besondere Gefährdung können für die Fabriken und Anlagen entstehen, wenn Extremwetter direkt auf diese einwirken. Vorwiegend betroffen sind Fabriken mit wetterexponierten Anlagen oder wetterabhängigen Betriebsstoffen (z. B. Kühlwasser) [162]. Infrastrukturelle Risiken  Diese Risiken treten durch Beeinträchtigung von Verkehrswegen oder Energie- und Wasserversorgungsnetzen auf und können einen indirekten Einfluss auf die Fabrik bis hin zur gesamten Wertschöpfungskette haben. Ursache hierfür Tab. 4.1  Kategorien für Klimarisiken. (In Anlehnung an [162]) Prognos [191]

Greenpeace

Ceres/WRI

Oekom research

econsense

Physische

Operative Risiken

Branchenrisiken

Physisch

Physisch

Marktrisiken

Regulative Risiken

Physische Risiken

Regulativ

Regulatorisch

Infrastrukturelle

Klagerisiken

Regulative Risiken

Marktpreis

Markt

Regulatorisch

Reputationsrisiken

Markt

Reputation

Wettbewerbsrisiken

Unternehmensrisiken Reputation

Versicherungsrisiken Wettbewerbsrisiken Shareholder Risiken

Reputationsrisiken

Kapitalrisiken

Klagerisiken

Klagerisiken

4  Planung klimagerechter Fabriken85

sind analog der physischen Risiken Extremwetterereignisse und Überschwemmungen. Besonders häufig betreffen infrastrukturelle Risiken die Beschaffung, seltener die Distribution. So kann ein Hochwasser dazu führen, dass eine Brücke gesperrt wird. Dies wiederum hat bei Just-in-time- oder Just-in-sequence-Anlieferungen (JIT/JIS) des benötigten Materials eine Verzögerung zur Folge, wodurch aufgrund geringer Bestände schneller Produktionsunterbrechungen entstehen können. Weitere infrastrukturelle Risiken stellen die vergleichsweise hohe Gefahr an Verkehrsunfällen in den Sommermonaten sowie witterungsbedingte Schäden an Gleisanlagen oder in der Binnen- und Hochseeschifffahrt dar. In den letzten Jahren traten massive Schäden an den Oberleitungen der deutschen Stromkonzerne aufgrund der gestiegenen Sturmaufkommen auf, wobei ein negativer Nebeneffekt in Form von steigenden Versicherungskosten entstand [82, 125, 162]. Wettbewerbs- und Reputationsrisiken  Die Kategorie Wettbewerbsrisiken berücksichtigt die Marktteilnehmer (Kunden, Lieferanten, Mitbewerber), die Unternehmensstrategie sowie die klimabezogene Veränderung von Marktpreisen. In Bezug auf die Marktteilnehmer zeigt sich das wachsende Bewusstsein der Kunden für umwelt- und klimafreundliche Produkte in der zunehmenden Nachfrage nach klimabewussten Unternehmen [144]. Ein weiterer Aspekt der Wettbewerbsrisiken sind die Marktpreise für Energie und Rohstoffe (u. a. Baustoffe, elektrische Energie, Stahl, Papier, chemische Produkte). Reputationsrisiken sind eine unzureichende Ausrichtung des Unternehmens oder der Branche auf den Klimaschutz bei der Herstellung und Nutzung der Produkte. Insbesondere betroffen sind Branchen, die für einen hohen Ausstoß an klimaschädlichen Emissionen verantwortlich sind und damit im Fokus politischer und gesellschaftlicher Aufmerksamkeit stehen. Hierzu gehören beispielsweise die Energieerzeuger, die Stahl- oder auch die Automobilindustrie [160, 162]. Regulative Risiken Regulative Risiken beziehen sich zum einen auf Risiken die aus Gesetzen und Verordnungen resultieren, die mit dem Ziel erlassen werden, den Klimawandel einzudämmen, und zum anderen auf Klagerisiken [144]. Die Regularien können Regelungen des Emissionshandels, Vorgaben für neuen Produkteigenschaften, Verbote oder Auflagen für die Verwendung bestimmter Stoffe oder aber auch neue Vorgaben für die Berichtsführung oder für die Unternehmensführung beinhalten. Besonders betroffen sind Branchen mit einem hohen Anteil an klimaschädlichen Emissionen, wie beispielsweise Unternehmen mit einer energieintensiven Produktion [160]. Zukünftig ist mit einer Verschärfung der Regularien bzgl. Energie- und Ressourceneffizienz zu rechnen, sodass alle Branchen höhere Risiken tragen werden. Für die deutsche Industrie ist eine weitere Verschärfung der Gesetze wahrscheinlich, da bis 2050 um 80 bis 95  % der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 eingespart werden sollen. Produzierende Unternehmen müssen daher mit weiteren Vorgaben im Rahmen des Klimaschutzplans 2050 rechnen. Das Klagerisiko zeigt sich beispielsweise durch Strafen und Sanktionierungen für aktuelle oder vergangene Treibhausgasemissionen. Der Energiekonzern Duke Energy wurde aufgrund seiner CO2-Emissionen in einem US-Gerichtsprozess für die katastrophalen Hurrikans 2004 und 2005 im Golf von Mexiko mitverantwortlich gemacht. [Speziell in

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U. Dombrowski et al.

den USA sind die rechtlichen Konsequenzen von Klimarisiken bereits heute von großer Bedeutung. Es ist damit zu rechnen, dass Deutschland und weitere Staaten zukünftig in diesem Bereich ähnlich vorgehen werden [98, 162]. Die bisher genannten Risikokategorien sind akkumulierbar, das heißt, eine Fabrik kann sämtliche dieser Risiken auf sich vereinen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit, durch die Risiken des Klimawandels getroffen zu werden, nimmt mit der Größe und Komplexität der Fabrik zu. Dies bedeutet für multinationale Konzerne mit einem globalen Produktionsnetz, dass die Wahrscheinlichkeit, von direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels getroffen zu werden hoch ist [13]. Nachfolgend werden für vier Ebenen der Fabrik mögliche Risiken benannt [181] (siehe Tab. 4.2). Tab. 4.2  Zusammenführung der Risiken Kategorie

Folgen des Klimawandels

Auswirkungen auf die Fabrik

Physische Risiken

Sturm, Schneelasten

Schäden an Gebäuden

Überflutung, Sommerhitze

Beeinflussung von Fabrikprozessen

Sommerhitze

Gefährdung der Mitarbeitergesundheit Reduzierte Versorgung mit Kühlwasser

Starkregen

Verunreinigung durch Schlamm Überflutung der Fabrikhallen

Infrastrukturelle Risiken

Wettbewerbs- und Reputationsrisiken

Regulative Risiken

Sturm, Wind

Beschädigte Versorgungsnetze

Überflutung

Blockierte Zufahrtstraßen

Frostperioden

frostbedingte Schäden an Verkehrswegen/Vereisung Binnenschifffahrtswege

Sommerhitze

hitzebedingte Schäden an Verkehrswegen/Niedrigwasser auf Binnenschifffahrtswegen

Steigende CO2-Werte

Reputationsschaden

Bewusstseinswandel bei Kunden

Veränderte Nachfrage

Verknappung natürlicher Ressourcen

Erhöhung der Produktionskosten

Verursacher des Klimawandels

Ablehnung durch Kunden

Steigende Emissionen

Emissionsvorschriften Umweltplaketten

Schäden an Infrastruktur

Versicherungen Regularien

Hitze in Arbeitsbereichen

Vorschriften, Richtlinien

4  Planung klimagerechter Fabriken87

Die einzelnen Klimafolgen können gravierende Auswirkungen auf eine Fabrik haben [181]. In den folgenden Abschnitten werde diese näher betrachtet.

4.1.2 Sommerhitze Definition und Relevanz  Unter Sommerhitze werden hohe Temperaturen während der Sommermonate verstanden. In Deutschland sind statistisch gesehen Juni, Juli und August die wärmsten Monate. Obwohl in diesen Monaten auch die größte Niederschlagsmenge gemessen wird, zeichnet sich dieser Zeitraum auch durch intensive Hitzeperioden und Spitzentemperaturen aus [188]. Wie in Kap. 2 bereits erläutert, steigt durch den Treibhauseffekt die mittlere Temperatur der Erde. Daraus folgt, dass die Intensität der Hitzewellen zunimmt und noch höhere Temperaturmaxima erreicht werden können. In den Jahren von 1880 bis 2005 wurde eine Erhöhung der Tageshöchsttemperaturen im Sommer von 1,6  ±  0,4  °C festgestellt [42]. Unter der Voraussetzung, dass ein heißer Tag als ein Tag definiert ist, an dem die Tageshöchsttemperatur das 95. Perzentil der jeweiligen Tageshöchsttemperaturen des Bezugszeitraums überschreitet, folgt daraus eine Verdreifachung der heißen Tage im Sommer. Zudem wurde im genannten Zeitraum eine Verdopplung der Hitzewellen festgestellt [43]. Studien weisen weiterhin auf eine Zunahme der Anzahl, Dauer und Intensität von Hitzewellen hin [168]. In Abhängigkeit des jeweiligen Standorts muss hierzu mit der Abnahme der Niederschläge gerechnet werden. So könnten in den Subtropen, südlichen Mittelmeerregionen, Innerasien und Australien die Niederschläge zukünftig abnehmen und sich in andere Breitengrade verlagern [9]. Bei der Betrachtung der Sommerhitze ist auch die Wirkung auf den Menschen zu betrachten. Da Menschen der westlichen Industriestaaten innerhalb eines Jahres bis zu 90 % ihrer Zeit in Gebäuden verbringen, stellt eine hohe Qualität des Klimas in Innenräumen einen entscheidenden Faktor für die Gesundheit dar [225]. Obwohl Sommerhitze nur in seltenen Fällen (beispielsweise aufgeweichter Asphalt durch intensive Sonnenbestrahlung) direkt monetären Schaden an Gebäuden und Infrastruktur verursacht, ist die Berücksichtigung der Mitarbeiter obligatorisch. Erhöhte Temperaturen in Arbeitsbereichen stellen für den Menschen eine große Belastung dar. So werden hierdurch die Behaglichkeit, die Leistungsfähigkeit sowie die Sterblichkeit des Menschen beeinflusst [225]. Sollten Mitarbeiter erhöhten Temperaturen ausgesetzt werden, wird sowohl die Psyche als auch die Physis belastet. Es können als Folge verschiedenste Probleme im Fabrikprozess wie Produktionsunterbrechungen oder Qualitätsmängel am Produkt entstehen [193]. Um sowohl eine optimale Leistungsfähigkeit als auch eine hohe Behaglichkeit zu erreichen, muss der Mensch wie sämtliche homoiotherme Lebewesen seine Körperkerntemperatur innerhalb eines gewissen Bereichs konstant halten. Die Behaglichkeit beschreibt einen körperlichen oder seelischen Zustands subjektiven Wohlbefindens [187]. Die Körperkerntemperatur wird allerdings durch klimatische Einflüsse oder durch Körperaktivitäten beeinflusst. Um eine konstante Temperatur zu erreichen, ist ein dynamisches

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Gleichgewicht zwischen der Wärmeaufnahme durch Umgebungseinflüsse, der Körperwärmeproduktion und der Wärmeabgabe des Körpers an die Umgebung herzustellen [217]. Für die dazu notwendige Körperenergieregelung stehen dem Menschen zwei Möglichkeiten zur Verfügung – die verhaltensgesteuerte und die physiologische Thermoregulation. Durch die gezielte Auswahl passender Kleidung für verschiedene Umgebungen sowie der Aufenthalt in beschatteten/beheizten Plätzen stellen eine Art der verhaltensgesteuerten Regulation dar. Erhöhte Transpiration, Vasodilatation oder Zittern sowie Gänsehaut stellen hingegen Möglichkeiten der physiologischen Thermoregulation dar [225]. Der Mensch kann die verhaltensgesteuerte-, nicht aber die physiologische Regulation direkt bestimmen. Jede Option der physiologischen Thermoregulation funktioniert ausschließlich unter gewissen Umgebungsbedingungen. So kann die maximale Oberflächentemperatur der Haut maximal 36 °C betragen, sodass bei einer höheren Außentemperatur keine Wärme mehr über die Haut (Vasodilatation), sondern nur noch durch Transpiration abgegeben werden. Dieser Effekt hat beispielsweise als Resultat, dass ein trocken-warmes Klima als angenehmer empfunden wird als ein feuchtwarmes Klima. Dies ist darauf zurückzuführen, dass je höher die Lufttemperatur der Umgebung ist, desto geringer die Wasserdampfpartialdruckdifferenz ist. Somit wird eine Wärmeabgabe über Transpiration erschwert [112]. Eine hohe Behaglichkeit wird durch den optimalen Einsatz der beiden Thermoregulationen erreicht. In Deutschland stellt sich heraus, dass sich das Innenraumklima eines Gebäudes in den Wintermonaten stärker vom Außenklima unterscheidet als in den Sommermonaten. Grund hierfür ist, dass jedes Gebäude, in denen Menschen arbeiten, eine Heizung besitzt, aber nur wenige über ein Kühlungssystem verfügen. Durch Heizungen können im Winter unabhängig von dem Außenklima angenehme, behagliche Temperaturen im Innenbereich hergestellt werden. In diesem Fall muss der Körper wenige bis keine physiologischen Thermoregulationsmaßnahmen ergreifen, da durch gezieltes Heizen und sinnvolle Kleidungswahl eine optimale verhaltensgesteuerte Regulation erzeugt wird. Im Gegensatz hierzu stehen die Sommermonate, in denen wenig gekühlte Räume zur Verfügung stehen und die Kleidung im Beruf nicht beliebig gewählt werden kann. Der Körper ist hierdurch einer enormen Belastung ausgesetzt, welche dieser gänzlich durch physiologische Reaktionen regulieren muss. [225] Der Zusammenhang zwischen geistiger Leistungsfähigkeit und Temperatur wurde in verschiedenen Studien erhoben. Aus den Ergebnissen wird ersichtlich, dass es einen optimalen Temperaturbereich zwischen 21 °C und 26 °C gibt, in dem die volle Leistung abgerufen werden kann. Bei Temperaturen über 26 °C fällt die Leistungsfähigkeit rapide ab [192]. Da die Effekte der Umgebungstemperatur schon länger bekannt sind, wurden mehrere Bemessungsmethoden eingeführt, um Arbeitnehmer vor unzumutbaren Arbeitsbedingungen zu schützen. Hierzu zählt die seit 1976 in Deutschland gültige Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), welche die in Tab.  4.3 dargestellten Temperaturen als minimaler, optimaler und maximaler Wert festlegt [25]. Es wird deutlich, dass je nach körperlicher Anstrengung ein anderer Temperaturbereich sinnvoll ist, um einen optimalen Leistungsgrad zu erreichen.

4  Planung klimagerechter Fabriken89 Tab. 4.3  Empfohlene Arbeitsbedingungen (Lufttemperatur nach ArbStättV gesetzlich bindend) [25] Art der Tätigkeit

Lufttemperatur (nach ArbStättV)

Rel. Luftfeuchte

Luftbewegung

°C

%

m/s

Min.

Optimal

Max.

Min.

Optimal.

Max.

Max.

Büroarbeit

18

21

24

30

50

70

0,1

Leichte Handarbeit im Sitzen

18

20

24

30

50

70

0,1

Leichte Handarbeit im Stehen

17

18

22

30

50

70

0,2

Schwerarbeit

15

17

21

30

50

70

0,4

Schwerstarbeit

14

16

20

30

50

70

0,5

Entspannen vor dem Fernseher

18

21

24

30

50

70

0,1

Um bereits während des Planungsprozesses von Gebäuden abschätzen zu können, wie behaglich die Umgebungstemperatur sein wird, hat Fanger in den 1960er Jahren ein Modell zur Bewertung der thermischen Behaglichkeit entworfen [69]. In diesem Modell werden verschiedene Variablen, die Einfluss auf den Wärmehaushalt des Körpers haben, berücksichtigt. Hierzu zählen der körperliche Aktivitätsgrad, Isolationswerte der Bekleidung, Lufttemperatur, Luftgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit und die mittlere Strahlungstemperatur. Fanger konnte einen Zusammenhang zwischen diesen Variablen und dem „predicted mean vote“ (PMV) herstellen [69]. Das Modell des PMV dient als Grundlage für die DIN EN ISO 7730 und wird auch von dem American National Standards Institute (ANSI) und der American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers (ASHRAE) genutzt. Werden für die Variablen bekannte Werte eingesetzt, lässt sich hieraus das PMV berechnen. Das Ergebnis ist der PMV-Index, welcher von −3 (kalt), über −2 (kühl), −1 (etwas kühl), 0 (neutral), +1 (etwas warm), +2 (warm) bis +3 (heiß) reicht. In der DIN EN ISO 7730 wird empfohlen, den Bereich zwischen −2 und +2 zu wählen, um eine gute Behaglichkeit zu gewährleisten [56]. Aus dem PMV kann auch der „predicted percentage of dissatisfied“ (PPD) berechnet werden. Der PPD ist der Anteil an Menschen, der ein Raumklima als zu kalt oder zu warm empfindet. Liegt das PMV zwischen −0,5 und +0,5, kann mit weniger als 10 % unzufriedenen Personen gerechnet werden [225]. Obwohl das PMV-Modell eine hohe Vorhersagbarkeit liefert, hat dieses besonders im Sommer Abweichungen. So empfinden Menschen die Innenraumtemperatur natürlich belüfteter Gebäude ohne technische Kühlung im Sommer angenehmer, als es durch das Modell von Fanger angenommen wird [150]. Obwohl die Innenraumtemperatur einen erheblichen Einfluss auf das Wohlempfinden hat, spielen auch andere Einflüsse wie Luftqualität, Geräuschkulisse und Licht eine Rolle [196].

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Um zuverlässige Prognosen zu erstellen und dadurch Präventionsmaßnahmen ergreifen zu können, ist eine einheitliche und unverfälschte Datengrundlage von großer Bedeutung. Im folgenden Abschnitt werden deshalb geeignete Messmöglichkeiten und Messmethoden vorgestellt, um die Temperatur und insbesondere Sommerhitze bestimmen zu können. Geeignete Messmöglichkeiten  Zur Bestimmung der Sommerhitze und deren Auswirkungen ist es notwendig festzustellen, ob und in welchem Maße sich die mittlere Temperatur ändert. Weitere wichtige Messparameter sind neben der Lufttemperatur, die Luftbewegung, die relative Luftfeuchtigkeit und die Wärmestrahlung, welche zusammen das Temperaturempfinden abbilden. Zur Messung stehen verschiedene Messmethoden und Messgeräte zur Verfügung. Die Lufttemperatur kann beispielsweise durch Flüssigkeitsthermometer an fast jedem Ort erfasst und ausgewertet werden. Die Wärmestrahlung wird durch Infrarotthermometer für Menschen sichtbar gemacht, sodass potenzielle Wärmequellen geortet werden. Dies ist besonders wichtig, wenn zusätzlich zur Sonneneinstrahlung noch Wärme durch Maschinen oder Arbeitsmittel erzeugt wird. Werden dann Orte mit starker Wärmestrahlung identifiziert, kann diese durch Isolationsmaßnahmen verringert werden. Luftbewegungen bzw. Luftgeschwindigkeiten lassen sich beispielsweise durch den Einsatz von Schalenkreuzanemometer bestimmen. Auf Grundlage der für diese Parameter erfassten Datensätze können Zukunftsprognosen erstellt werden, die eine Prognose auf mögliche Entwicklungen zulassen [220]. Durch den Einsatz von Simulationsmodellen können bereits frühzeitig klimatische Einflüsse auf die Fabrik und innerhalb der Fabrik bestimmt und bewertet werden. Hierzu zählt auch die Betrachtung der durch die Maschinen erzeugten Wärme und der möglichen Hitzeentwicklung in den Gebäuden [19]. Langfristige Temperaturentwicklungen lassen sich anhand historischer Datenaufzeichnungen ablesen und somit mögliche Veränderungen nachweisen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) besitzt ein Netz aus 78 Wetterstationen zur Temperaturaufzeichnung. Für diese können auch historische Daten angefordert werden, sodass beispielsweise die Auswertung über die Höchsttemperatur durchzuführen. In Abb.  4.2 sind Häufigkeiten der Tage mit Höchsttemperaturen von über 30 °C für die Jahre 1950 bis 2016 dargestellt. Die Datensätze hierzu stammen aus der Wetterstation Hannover [47]. Auswirkungsanalyse  Die Sommerhitze kann sich vielfältig auf das System Fabrik auswirken. Wird der gesamte Produktionsprozess von der Anlieferung durch Zulieferer über die weitere Herstellung innerhalb der Fabrik bis hin zum Transport zum Kunden beobachtet, so treten die nachfolgend analysierten Auswirkungen auf [181]. Infrastruktur:  Durch anhaltend hohe Temperaturen und eine intensive Sonneneinstrahlung wird sowohl die Infrastruktur der Fabrik als auch die Infrastruktur von anderen Systemen (öffentlich Verkehrsnetze etc.) beeinflusst. Hierzu zählt die Verkehrsinfrastruktur, um Ressourcen, Rohstoffe und Halbzeuge anzuliefern bzw. innerhalb des Werksgeländes zu transportieren und um fertige Waren abzutransportieren [228]. Zu der Verkehrsinfrastruktur

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Abb. 4.2  Anzahl der Tage mit einer Höchsttemperatur von >30 °C [47]

sind je nach Branche und Standort mehrere Verkehrswege wie Straßen, Wasserwege und Schienenwege zu rechnen. Diese klimatischen Einflüsse können sowohl kurzfristiger als auch langfristiger Natur sein. Durch Hitzewellen können Verkehrswege beschädigt werden, wie das Aufweichen asphaltierter Straßen durch intensive Wärmestrahlung, die eine Reduktion der Straßentraglast zufolge haben. Des Weiteren verformen sich asphaltierte Straßen bei großer Hitze und behalten diese Form nach der Abkühlung bei. So können gefährliche Unebenheiten entstehen, welche die Betriebssicherheit senken. Betonierte Straßen und Wege neigen zu Rissen, die sich im Verlauf der Zeit vergrößern und weitere Schäden verursachen können [34]. Insbesondere Temperaturen unter dem Gefrierpunkt führen zu Rissbildungen, da einfließendes Wasser gefriert und durch die Volumenzunahme aufgrund des Aggregatzustandswechsels die Schäden verursacht [82]. Neben den Straßen zählt auch das Schienennetz zu der durch Sommerhitze gefährdeten Infrastruktur. Eine Verformung der Schienen durch Hitzeeinwirkung stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar, welches im Gegensatz zu aufweichendem Asphalt nicht direkt gesehen und haptisch fühlbar ist. Ausfälle im Schienentransport können aufgrund Beschädigungen sowie präventiv bei Wärmeverformung der Gleise auftreten. Die große Anzahl an Waren, von denen auch viele sperrige Waren transportiert werden, kann Produktionsprobleme bei betroffenen Fabriken auslösen. Im Vergleich dazu weisen Straßen oder Wasserwege eine geringere Transportmenge auf [128]. Die Anbindung an Binnenwasserstraßen und große Flüsse stellen für bestimmte Fabriken, wie beispielsweise in der chemischen Industrie, einen der wichtigen Standortfaktoren dar. So wird die Wasseranbindung entweder für den Warentransport oder als Kühlwasserquelle verwendet. Letztere ist beispielsweise für den Betrieb eines fabrikeigenen Kraftwerks mit einem hohen Kühlwasserbedarf erforderlich. Durch den Einfluss hoher

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Temperaturen und der Sonneneinstrahlung ändert sich der Pegelstand der Gewässer und es können Probleme im Transport und der Wasserversorgung auftreten [1]. Für Fabriken, die nicht über redundante Verkehrsnetze verfügen, kann ein eingeschränkter Transport von Waren ein erhebliches Problem darstellen. Im Vergleich dazu stellt die eingeschränkte Versorgung mit Kühlmitteln in Form von Fluss- oder Grundwasser ein weitaus größeres Problem dar. Kraftwerke und Maschinen müssen gedrosselt oder komplett abgeschaltet werden, wodurch erhebliche Kosten und Gewinneinbußen entstehen [17]. Es zeigt sich, dass durch die Beeinträchtigung der Infrastruktur gerade in modernen Fabriken, welche ein Just-in-time-Prinzip verfolgen, erhebliche Probleme entstehen können. Neue Rohstoffe und benötigte Ressourcen werden nicht in der vorgesehenen Zeit in die Fabrik transportiert und die fertige Ware kann nicht wie geplant abtransportiert werden [229]. Für die engpassbedingte Zwischenlagerung werden Lagerflächen benötigt, die hierfür nicht vorgesehen sind. Es entstehen somit ernst zu nehmende Probleme, die hohe Kosten verursachen. Gebäude:  Die Sommerhitze hat auch auf die Gebäude einer Fabrik Einfluss. Verschiedene Baumaterialien werden durch intensive UV-Exposition geschädigt und die Lebensdauer der Materialien sinkt deutlich [230]. Zudem können sich Gebäude durch ein schlecht durchdachtes Wärmemanagement oder aufgrund einer ungünstigen Lage der Fabrik bei längeren Hitzeperioden stark aufheizen. Bei langanhaltenden Hitzewellen resultieren Tropennächte, in denen die Temperatur nachts nicht unter 20 °C fällt. Dies hat zur Folge, dass sich aufgeheizte Gebäude nachts nur teilweise oder gar nicht abkühlen. Der Wärmeeinfluss wirkt sich zudem negativ auf die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter aus [225]. Um die Temperaturen im Fabrikgebäude zu senken, muss eine Klimatisierung installiert werden. Dies führt aufgrund der zusätzlichen Verbraucher zu einem Anstieg des Energieverbrauchs. Maschinen:  Die Sommerhitze kann zudem einen Einfluss auf die Maschinenanlagen in einer Fabrik ausüben. So kann es bei extremen Temperaturen zu Abweichungen im Betriebsablauf, Produktionsergebnis oder sogar Ausfällen kommen. Produktionsprozesse erfordern häufig einen klimatisierten Maschineninnenraum, um Produkte in einer reproduzierbaren Qualität herstellen zu können. Weiterhin strahlen viele Produktionsmaschinen Wärme ab und belasten zusätzlich die Maschinenbediener [39]. Mitarbeiter:  Wie zuvor erläutert, besitzt der Mensch im Temperaturbereich zwischen 21  °C und 26  °C die optimale Leistungsfähigkeit [192]. Die Temperaturregelung kann allerdings nur bei Innenräumen verlässlich sichergestellt werden. Den Temperaturbereich für den Außenbereich einer Fabrik zu regulieren ist äußerst schwierig. Es können Teilbereiche überdacht und somit Schattenplätze geschaffen werden, diese und weitere Maßnahmen sind jedoch häufig nicht wirtschaftlich. Im Falle von starken Hitzewellen und hohen

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Temperaturen müssen Mitarbeiter sowohl in Innen- als auch in Außenbereichen geschützt werden. Mitarbeiter, die einen Großteil ihrer Arbeiten im Freien verbringen, neigen zu starker Überhitzung. Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit, Konzentration und Belastbarkeit des Menschen. Daraus folgen erhöhte Sicherheitsrisiken, verminderte Arbeitsfähigkeit, häufigere krankheitsbedingte Ausfälle und eine höhere Mortalität [225]. Zum Schutz der Mitarbeiter ist in DIN 4108-2 der sommerliche Wärmeschutz festgelegt. Dadurch können Mitarbeiter, welche an stark bestrahlten Fenstern sitzen, geschützt werden [54, 225]. Fabrikprozesse:  Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Sommerhitze und deren Hitzewellen eine Belastung für das gesamte System Fabrik darstellen. Hierbei stellt sich heraus, dass die Mitarbeiter am stärksten durch die Auswirkungen getroffen werden und sämtliche Fabrikprozesse hierunter leiden. Einen weiteren erheblichen Einfluss auf die Produktivität der Fabrik stellt eine funktionierende Infrastruktur dar. Nimmt die Anzahl der Schadensereignisse an der Infrastruktur zu, dann wird der gesamte Fabrikprozess negativ beeinflusst. Schutzmaßnahmen  Wie in Kap. 2 aufgezeigt, nimmt die Anzahl der heißen Tage sowie die Intensität und Dauer von Hitzewelle zu. Diese Entwicklung erfordern eine ausführliche Betrachtung von Kühlungsmaßnahmen zukünftiger Fabrikgebäude. Folgende bauliche Schutzmaßnahmen können die Auswirkungen der zunehmenden Hitze reduzieren: 1. Verschattung: Der Eintritt der solaren Strahlung über Fenster und Glasfassaden der Gebäude können durch den Einsatz von Rollläden, Jalousien, Markisen oder Sonnenschutzvorrichtungen reduziert werden. Zudem ermöglichen semitransparente Photovoltaikfolien eine homogene Verschattung bei gleichzeitiger Energieproduktion. 2. Speichermasse: Mit einer Massivierung der Innenbauteile können niedrige Temperaturen im Gebäude „gespeichert“ werden. 3. Dämmung: In den Sommer- und Wintermonaten schützt eine Isolationsschicht mit ihrer Dämmwirkung vor dem Temperaturausgleich zwischen dem Gebäudeinneren und der Umgebung. 4. Haustechnik: Die Nutzung passiver Kühlung durch Energie sparende Systeme der Haustechnik (Kühldecken, PCM, Betonkernaktivierung, Umnutzung Fußbodenheizung), der Einsatz solarer Kühlung oder adiabater Abluftkühlung mit Regenwasser bieten eine energieeffiziente Möglichkeit die Wärme zu reduzieren [226]. Neben der steigenden Lufttemperatur ist in Kap. 2 auch die erhöhte Niederschlagsmenge und dadurch verursachte Wetterextreme beschrieben. Diese Entwicklung wird sich vor allem in Form von Starkregenereignissen auswirken, welche im nächsten Abschnitt beschrieben werden.

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4.1.3 Starkregen Definition und Relevanz  Als Starkregen werden verschiedene Arten von Niederschlag verstanden, die je nach Definition eine Überschreitung einer bestimmten Niederschlagshöhe (Schwellenwert) oder die Niederschlagsmenge über einen definierten Zeitraum beschreiben. Nachfolgend werden Niederschläge mit einer im Verhältnis zu ihrer Dauer hohen Intensität als Starkregen definiert [136]. Nach der Richtlinie des Deutschen Wetterdienstes wird Starkregen entsprechend ihrer Niederschlagsmenge und Dauer gemäß folgender Tab. 4.4 eingeteilt [48]. Bezogen auf Deutschland wurden seit Beginn der Wetteraufzeichnung zahlreiche Rekordniederschlagsmengen gemessen. Beispielsweise wurden im Jahr 1920 in Füssen 126 mm in acht Minuten gemessen, in Miltzow im Jahr 1968 200 mm in einer Stunde oder in Zinnwald im Jahr 2002 777 mm in einem Monat. Auch aktuellere Beispiele, wie der Starkregen in Münster 2014, wo binnen zwei Stunden 245 mm Niederschlag fielen, zeigen deutlich, dass hohe Niederschlagsmengen regelmäßig auftreten und diese in jedem Planungskonzept bedacht werden sollten [136]. Fabriken müssen mit plötzlich auftretenden vergleichsweise sehr hohen Wassermengen umgehen und zugleich sicherstellen, dass die Fabrik und deren Prozesse dadurch nicht beeinträchtigt werden. Im Gegensatz zu einfachen Temperaturveränderungen aufgrund der Verschiebung von Hoch- und Tiefdruckgebieten sind Prognosen für plötzlich auftretende Niederschläge schwierig. Zudem sind sich Wissenschaftler über die zukünftig zu erwartenden Niederschlagsentwicklung nicht einig. So unterscheiden sich die Prognosen erheblich je nach beobachtetem Klimamodell sowie dem Emissionsszenario. Eindeutig ist hingegen der in der Vergangenheit in Deutschland beobachtete Trend, dass vor allem im Winter eine Zunahme der Starkniederschläge zu beobachten ist. Beim Vergleich der Zeiträume 1951 bis 2000 mit den Jahren 1901 bis 1950 ist auch eine Zunahme der Tage mit Starkregen um 13 % in den Sommermonaten festzustellen [146]. Aus den Wetteraufzeichnungen wird ersichtlich, dass die Gesamtniederschlagsmenge pro Jahr zugenommen hat. Es können somit Rückschlüsse auf eine Korrelation zwischen der globalen Erwärmung und der Tab. 4.4  Einteilung der Niederschlagsarten [48] Niederschlagskategorie

Niederschlagsmenge

Zeit

Starkregen

> 5 mm

5 Minuten

> 7,1 mm

10 Minuten

> 10 mm

20 Minuten

> 17,1 mm

60 Minuten

> 25 mm

60 Minuten

> 35 mm

360 Minuten

Heftiger Starkregen

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Niederschlagsmenge gezogen werden. Dieser Zusammenhang wird durch die Fähigkeit warmer Luft, die mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann, konstituiert [136]. Zudem nimmt durch die höhere mittlere Temperatur der Erde die Verdunstung des Wassers zu, sodass der Wasseranteil der Luft weiter ansteigt und höhere Niederschlagsmengen möglich werden. Bei den Niederschlagsarten ist zwischen konvektiven und advektiven Niederschlägen zu unterscheiden, die im Weiteren erläutert werden [93]. Konvektiver Niederschlag entsteht durch starke vertikale Luftströmungen in einer instabilen Luftschicht der Atmosphäre. Feuchte Luft steigt durch Konvektion in höhere Luftschichten auf und regnet sich daraufhin wieder ab. Diese Niederschlagsart zeichnet sich durch hohe Wassermengen aus, die in kurzer Zeit (meist weniger als eine Stunde) häufig zu Überflutungen führen. Darüber hinaus treten die Schauer in engen Niederschlagsfeldern auf und umfassen meist weniger als 10 km2. Da die Vertikalbewegungen durch erhitzte Bodenflächen entstehen, tritt konvektiver Niederschlag meist in der zweiten Tageshälfte im warmen Sommerhalbjahr auf [200]. Im Gegensatz zum konvektiven Niederschlag zeichnet sich advektiver Niederschlag durch ein lang andauerndes Niederschlagsereignis aus. Dieses kann häufig mehrere Stunden umfassen und weist meist geringe Änderungen der Niederschlagsintensitäten auf. Des Weiteren umfassen advektive Niederschläge ausgedehnte Niederschlagsfelder (>1000  km2) und lassen sich somit, verglichen mit konvektiven Niederschlägen, besser vorhersagen. Advektiver Niederschlag entsteht durch überwiegend horizontale Luftbewegungen von feuchtwarmen Luftmassen unter oder über kalten Luftmassen [161]. Eine Zunahme der Winterniederschläge, welche häufig als advektiver Niederschlag auftreten, stellt in der Regel kein größeres Problem dar. Präventionsmaßnahmen zum Abführen oder Sammeln von Wassermengen in jedem Gebäude sind eine obligatorische Planungsmaßnahme und deshalb in der Regel ausreichend dimensioniert [77]. Eine weitaus größere Gefahr für Fabriken stellt die Zunahme von starken konvektiven Niederschlägen unterschiedlicher Intensitäten sowie unsichere Prognosen dar [11]. Niederschläge über einen langen Zeitraum mit einer geringen Intensität können hingegen besser abgeführt werden als extrem hohe Niederschlagsmengen. Entscheidende Einflüsse auf die Verletzbarkeit einer Fabrik stellen die Kanalisationsrohre und die versiegelten Flächen des Systems dar. Diese müssen so gestaltet sein, dass ein sicherer Abtransport hoher Wassermengen ohne Störungen im Fabrikprozess möglich ist. Um dies zu gewährleisten, müssen die zahlreichen Vorschriften zur Bestimmung der maximal möglichen versiegelungsfähigen Fläche sowie die Größe der Kanalisation eingehalten werden [67, 77]. Neben direkten Schäden an Gebäuden und der Infrastruktur durch Starkregen können auch Schäden durch gefährliche Stoffeinträge in Böden und dem Grundwasser entstehen. Häufig werden durch Starkregen gefährliche Stoffe fortgeschwemmt und an Orten, die nicht für diese Belastung vorgesehen sind, angelagert. Eine besondere Betrachtung muss hierbei auf die versiegelten Flächen gelegt werden, da der Boden nicht mehr als natürlicher Puffer für Regenwasser dienen kann. Durch die punktuelle Versickerung des hier gesammelten Wassers kann eine hohe Stoffkonzentration innerhalb einer kleinen Fläche in den Boden geleitet werden. Da hierbei die Wasserqualität negativ beeinflusst wird, hat dies sowohl

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auf die menschliche Gesundheit als auch auf die umgebende Umwelt Auswirkungen [1]. Bereits belasteter Boden kann häufig nicht mehr ohne hohe Kostenaufwendungen genutzt und wiederhergestellt werden und zeigt somit ein großes Problem für die Fabriken auf, welches vermieden werden sollte. Zusammenfassend lässt sich darstellen, dass durch globale Erwärmung die Fähigkeit der Luft, zusätzliches Wasser aufnehmen zu können, steigt. Folglich wird der Wasserkreislauf stärker angetrieben, der insbesondere in den mittleren und nördlichen Breitengraden zu einer Zunahme der Niederschläge führt. Das Ergebnis sind vermehrte und intensivere Starkregen, Erosion und Überschwemmungen [9]. Geeignete Messmöglichkeiten  Um Fabriken sicher gegenüber Starkregenereignissen zu gestalten, ist eine ausführliche Auswertung verschiedener Datenquellen unumgänglich. Obwohl ein erhebliches Schadenspotenzial von Starkregenereignissen ausgeht, ist beispielsweise die Überdimensionierung der Kanalisation sehr kostenintensiv und daher als Präventionsmaßnahme oft nicht tragbar [3]. Als Grundlage für die richtige Auslegung sind historische Daten unumgänglich. So können hieraus bereits während der Standortwahl Rückschlüsse auf die Niederschlagsmengen und -intensitäten gezogen werden, die als Grundlage für die Dimensionierung und damit für die notwendigen Investitionen dienen. Für die Messung der Niederschlagsmenge wird im deutschsprachigen Raum überwiegend der Niederschlagsmesser nach Hellmann genutzt. Dieser besteht aus Metall und besitzt einen – gemäß der World Meteorological Organization (WMO) – scharfkantigen Messingring mit einer begrenzten Auffangfläche von 200  cm2. Durch diesen wird der Niederschlag über einen bestimmten Zeitraum gesammelt und anschließend in einem Messzylinder gemessen. Der Deutsche Wetterdienst schreibt eine Aufstellhöhe von einem Meter über dem Grund für eine korrekte Messung vor. Weiterhin muss der Niederschlagsmesser für eine klimatologisch sinnvolle Messung an einem für das lokale Klima repräsentativen Ort aufgestellt werden. Dieser zeichnet sich durch seine hinreichende Offenheit aus (Regen wird nicht von Gebäuden abgefangen) und bietet aber gleichzeitig genug Schutz vor Starkwind, um einen Windfehler möglichst zu minimieren. Obwohl die Niederschlagsmessung in der Theorie einfach erscheint, stellt sich eine präzise Messung in der Praxis als äußerst schwierig heraus. So sind Messfehler zwischen 10 und 20 % nicht vermeidbar und Messergebnisse entsprechend der aktuellen Wettersituation unterschiedlich interpretierbar [96]. Auswirkungsanalyse Infrastruktur:  Starkregenereignisse, die in der Regel als konvektiver Niederschlag auftreten, stellen für die Infrastruktur erhebliche Probleme dar. Je nach Versiegelungsgrad können Straßen, Parkplätze und Zufahrtswege die auftretenden Wassermengen nicht abführen, sondern verbleiben auf der Oberfläche und stören den Verkehrsfluss [79]. Aus diesem Grund ist die maximal erlaubte versieglungsfähige Fläche im Bebauungsplan festgehalten und besitzt üblicherweise einen Faktor zwischen 0,3 und 0,4 des gesamten Geländes [85, 123]. Unterschiedliche Arten der Versiegelung weisen verschiedene Versiegelungsgrade auf. In Tab. 4.5 sind die Einleitungsfaktoren für einige Dachflächenarten und

4  Planung klimagerechter Fabriken97 Tab. 4.5  Versiegelungsgrad von Dachflächen und Grundstücksflächen [223] Einleitungsfaktor Für Dachflächen wird unterschieden nach: Flachdächer, geneigte Dächer

1,0

Gründächer und Flachdächer mit Kiesschüttung

0,5

Für befestigte Grundstücksflächen wird unterschieden nach Beton, Schwarzdecken, fugenlose Pflasterflächen

1,0

wasserdurchlässige Pflasterflächen

0,5

Rasengittersteine, wassergebundene Decken

0,2

befestigte Grundstücksflächen aufgeführt. Der Einleitungsfaktor gibt den Anteil des von einer versiegelten Fläche eingeleiteten Niederschlagswassers in die öffentliche Kanalisation an. Es wird ersichtlich, dass der Versiegelungsgrad so niedrig wie möglich zu halten ist, um die Auswirkungen von Starkregen zu minimieren. Sollten auftretende Wassermengen nicht mehr wie vorgesehen abgeführt werden, entstehen erhebliche Schadenspotenziale. Transporte über Straßen können nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden und erzeugen einen Warenstau oder Materialmangel. Neben den Problemen an Straßen werden durch Starkregen auch Wasserwege und Schienenverkehr beeinflusst. Steigende Pegelstände durch anhaltende oder plötzliche Regenereignisse stellen eine Beeinträchtigung möglicher Transporte über Wasserwege dar und können sich auch auf den gesamten Fabrikprozess auswirken [118]. Im Schienenverkehr kann es aufgrund unterspülter Gleisbetten durch Starkregen zu Störungen im Betriebsablauf kommen. Die resultierende Instabilität der Gleise stellt folglich ein sicherheitsrelevantes Problem dar [173]. Ein Problem für die gesamte Verkehrsinfrastruktur stellen Erosionen dar. Unter Erosion wird ein grundlegender Prozess im Gesteinskreislauf verstanden, welcher die Abtragung von Gesteinen oder Lockersedimenten inklusive der Böden beinhaltet. Eine Bodenerosion durch Wasser kann in linienhafte- und flächenhafte Erosion unterschieden werden [151]. Bei der linienhaften Erosion (Rillenerosion) bilden sich durch abfließendes Niederschlagswasser Rinnsale. Diese können Rinnen oder sogar Schluchten erzeugen, welche die Geländestruktur stark verändern und hierdurch eine Schädigung der Infrastruktur ergeben. Ebenso können die abgetragenen Erdmassen Straßen und andere Verkehrswege verschmutzen und so den Verkehr beeinträchtigen. Bei besonders starken Regenfällen können flächenhafte Erosionen (Denudation) entstehen. Beispielsweise fließen an Hängen Wassermassen großflächig ab, die Erde und andere Gegenstände abschwemmen. Hierbei kann es zu einer Umverteilung ganzer höherliegender Erdmassen in einen tieferliegenden Bereich kommen [74]. Gebäude:  Um die Bewohner und Nutzer von Gebäuden vor Regen zu schützen, muss die bauliche Hülle (Dach und Fassade), welche den vertikalen und horizontalen Abschluss des

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Gebäudes bildet, den Einwirkungen des Regens dauerhaft und schadensfrei widerstehen [225]. Starkregenereignisse stellen eine große Belastung für die Gebäude dar und führen häufig zu Schäden. So wurden im August 2010 in der Region Dresden nach Starkregen zahlreiche Schadenfälle an Wohn- und Geschäftshäusern festgestellt. Charakteristische Schäden sind beispielsweise an und unter Dachterrassen, an begrünten Flachdächern, in Anschlussbereichen von Steildächern zu aufgehenden Bauelementen, an Balkonen und deren Anschlüssen zu Außenwandbereichen und an Kelleraußenwänden sowie in Tiefgaragen [142]. Nicht alle der genannten Schäden bei Wohnhäusern lassen sich auf Fabriken übertragen, da diese in der Regel nicht über Dachterrassen, Balkone oder Tiefgaragen verfügen. Dennoch zeigen sich Schwachstellen an denen Feuchtigkeit in Anschlussbereichen von Dächern zu anderen Bauelementen eindringen kann. Überflutungen von Kellern oder niedriggelegenen Fabrikbereichen können zudem mögliche Auswirkungen von Starkregen an Fabrikgebäuden darstellen. Die häufigsten Schadensbilder an Gebäuden sind fehlerhafte Abdichtungen und deren Anschlüsse an Bauteile. Grundlegend hierfür sind falsch gewählte Baumaterialien sowie schlecht geplante Konstruktionen, die sich zudem nicht warten lassen [225]. Ebenfalls von Relevanz ist die korrekte Planung und Dimensionierung von Fallrohren, Regenrinnen und den Entwässerungssystemen [172]. Obwohl diese in verschiedenen DINNormen (DIN EIN 12056-3, DIN 1986-100 etc.) vorgegeben werden, sind falsch ausgelegte Systeme eine häufige Ursache von Problemen [50, 58]. Das erschwerte Abfließen der Wassermassen auf Dach- und Fassadenflächen hat die Überschreitung des Regenwassers zur Folge. Da Starkregen häufig in Kombination mit starkem Wind auftritt, werden neben der intensiven Belastung der Dachflächen auch zusätzlich die Fassaden durch Schlagregen stark beansprucht. Hierbei treten verstärkt Kapillareffekte auf, bei denen Bauteile Regenwasser aufsaugen und die Konstruktionen schädigen [204]. Neben den Schäden an der Außenseite der Gebäude können durch starke Niederschläge auch Überflutungen in Gebäuden auftreten. Diese werden in Abschn. 4.1.4 weiter betrachtet. Obwohl die bereits genannten Gefahren durch Erosionen in ihrer Häufigkeit als selten zu betrachten sind, stellen diese für Gebäude aufgrund des möglichen Schadenspotenzials dennoch ein beträchtliches Risiko dar. Maschinen:  Der direkte Einfluss von Starkregen repräsentiert nur bedingt eine Gefahr für Produktionsmaschinen. Obwohl Maschinen, welche in Außenbereichen stehen, Schäden durch eintretendes Wasser und Ähnliches erleiden können, stellen diese Schäden keine direkte Relevanz dar. Lediglich Folgen des erhöhten Niederschlags, wie beispielsweise überflutete Bereiche stellen auch für diese Maschinen ein ernstzunehmendes Problem dar. Hierbei sind besonders stromführende Maschinen gefährdet, die bei Wasserkontakt zu Kurzschlüssen neigen. Maschinen innerhalb von Gebäuden sind hingegen meist nicht vor Wassereinfluss geschützt und reagieren dementsprechend empfindlicher auf Wasserkontakt. Tritt Wasser durch fehlerhafte oder überforderte Wasserentsorgungssysteme in die Fabrik ein, sind diese Maschinen besonders gefährdet.

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Mitarbeiter:  Eine direkte physische Gefahr für Mitarbeiter durch Starkregen besteht nicht. Der Einfluss des Niederschlags auf das Gebäude kann jedoch psychisch beeinflussen, indem der Lichteinfall durch die Fenster verringert wird und andere Lichtsituation in der Fabrik entstehen. Weiterhin kann eine starke Lärmbelästigung bei auftreffenden Regentropfen entstehen. Mitarbeiter in Außenbereichen können eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit aufweisen, da diese dem Wetter und den Witterungsbedingungen stärker ausgesetzt sind. Fabrikprozesse:  Neben den Gefahren für Infrastruktur, Gebäude, Maschinen und Mitarbeiter stellt Starkregen auch ein erhebliches Risiko für sämtliche Fabrikprozesse dar. So kann der Fabrikprozess durch fehlerhafte oder nicht mehr korrekt durchführbare Transporte (beschädigte Infrastruktur etc.) verlangsamt oder sogar gestoppt werden. Weiterhin können Waren und Materialien durch eindringendes Wasser beschädigt oder zerstört werden und es zu einer Beeinträchtigung für die Unternehmen kommen. Auch überflutete Bereiche oberhalb einer Unterbodenstromversorgung stellen eine erhebliche Gefahr dar, bei der die Mitarbeiter entsprechender Bereiche evakuiert werden müssen. Die daraus resultierenden Störungen im Fabrikprozessablauf können zu Produktionsausfällen führen, bis die Gefahr vorüber ist und die Prozesse wieder angelaufen sind. Die genannten Gründe zeigen, dass Starkregenereignisse eine erhebliche Gefahr für Fabriken darstellen. Damit Unternehmen zukünftig solchen Risiken nicht schutzlos ausgesetzt sind, müssen Wetterdaten der Wetterstationen kontinuierlich beobachtet und ausgewertet werden. Der Fokus und die Durchführung müssen hierbei auf der ständigen Wartung und Verbesserung der Wasserentsorgungssysteme liegen, denn nur so lassen sich die Gefahren von Starkregen mit langfristiger hoher Sicherheit reduzieren. Schutzmaßnahmen  Die Schutzmaßnahmen vor Starkregen weisen eine hohe Überdeckung mit denen der Überflutung auf (siehe Abschn. 4.1.4). Bei Starkregen ist besonders die Abdichtung durch Einsatz robuster Lösungen für Dachdeckungen bzw. Dachabdichtungen notwendig. Aber auch die planerische Minimierung von schadensanfälligen Detailpunkten des Gebäudes ist beispielsweise durch Überprüfung der Bauwerksabdichtung und Schlagregensicherheit von Fassaden nachzukommen [157]. Neben der Abdichtung ist auch der Abtransport großer Wassermassen sicherzustellen. Bei der Auslegung der Entwässerungssysteme sind Gefälleverhältnisse zu berücksichtigen sowie die entsprechenden Normungen zur Dachentwässerung (DIN EN 12056-3) zu beachten [58]. Schließlich ist nicht nur in der Bauausführung auf die Bauqualität zu achten, um mögliche Schadenspunkte zu vermeiden. Auch durch eine systematische Qualitätssicherung sowie einer wartungs- und reparaturfreundliche Konstruktion des Gebäudes können späteren Problemen in der Betriebsphase vorgebeugt werden [157].

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4.1.4 Überflutung Definition und Relevanz  Hochwasser ist als „ein Zustand in einem oberirdischen Gewässer, bei dem der Wasserstand oder der Durchfluss einen bestimmten Wert (Schwellenwert) erreicht oder überschritten hat“ [53] definiert. Neben dieser Definition gilt Hochwasser aber auch als eine zeitlich beschränkte Überflutung von Land, das normalerweise nicht von Wasser bedeckt ist [68]. Überflutungen werden häufig nach ihrer Art kategorisiert. Hierzu zählen beispielsweise Überflutungen nach Sturmfluten, Flussüberschwemmungen, Sturzflut oder Grundhochwasser. Diese Ereignisse werden nach ihrem Einzugsgebiet, ihrer zeitlichen und räumlichen Ausdehnung sowie ihrem Auftreten charakterisiert [72]. Als eine sinnvolle Einteilung sämtlicher Hochwasserereignisse lassen sich zwei Hochwasserarten unterscheiden: Diese sind die pluviale und fluviale Flut [185]. Der Unterschied zwischen diesen beiden stellt der Gewässerbezug dar. So repräsentiert die pluviale Flut eine Überschwemmung ohne Gewässerbezug, wohingegen die fluviale Flut eine Überschwemmung mit Gewässerbezug bezeichnet. Eine pluviale Flut entsteht also direkt durch starke Niederschläge. Darüber hinaus können Überflutungen durch die Parameter Überflutungstiefe, Überflutungsintensität, Anstiegsgeschwindigkeit, Anpralltasten, Sediment, Schadstoffe, Geschiebetransport, Hochwasserabfluss, Jahreszeiten des Auftretens, Fließgeschwindigkeit, Überflutungsdauer und Treibgut charakterisiert werden [114]. In Studien wurde herausgearbeitet, dass infolge des globalen Wandels und der Veränderung der Flusslandschaften mit mehr Hochwasserschäden zu rechnen sei [1]. Bezogen auf Deutschland wurde festgestellt, dass vor allem in vielen west- und süddeutschen Flüssen die Anzahl von Hochwasserereignissen zugenommen hat. Pegelmessungen haben ergeben, dass eine deutliche Veränderung des Wasserhaushaltes deutscher Flüsse innerhalb der letzten hundert Jahre zu verzeichnen ist [1]. Extreme Überschwemmungen durch die Oderflut 1997, Elbflut 2002 und dem Hochwasser in Mitteleuropa im Jahr 2010 zeigen, dass die Häufigkeit sowie Intensität von Überschwemmungen (pluviale Flutereignisse) zunehmen wird [9]. Studien des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zeigen, dass von sieben Billionen US Dollar circa ein Drittel der gesamten Wirtschaftsschäden im 20. Jahrhundert durch Flutereignisse erzeugt wurden [120]. Weiterhin zeigt sich, dass die fluviale Flutgefahr durch höhere Wassermengen in den Flüssen ansteigt und hierdurch viele Standorte gefährdet sind. Neben Überschwemmungen durch Starkregenereignisse und dem steigenden Meeresspiegel (vgl. Kap. 2) stellt eine Erhöhung des Grundwasserspiegels eine weitere Gefahr für Fabriken dar [175, 176]. Zugehörige Messdaten zeigen, dass sich der Grundwasserspiegel regional verändert. Beispielsweise ist in den letzten zwanzig Jahren in Teilen von Westdeutschland dieser deutlich gestiegen [1]. Auch der Trend kommunaler und industrieller Wasserabnahmen verstärkt diese Trendentwicklung [1]. Steigende Grundwasserspiegel sind schwer zu prognostizieren und stellen nur die eine Möglichkeit dar, Daten historisch aufzubereiten, um Veränderungen wahrzunehmen sowie Gegenmaßnahmen einzuleiten. Des Weiteren können steigende Grundwasserspiegel auch durch andere Hochwasserereignisse resultieren, die eine Änderung der Grundwasserflussrichtung zur Folge haben.

4  Planung klimagerechter Fabriken101

Die Wassermengen fließen folglich nicht zurück entsprechend ihrer natürlichen Richtung, sondern in Richtung Landesinnere und können weitere Schäden auslösen. Grundhochwasserereignisse kommen häufig unvorhergesehen und zeitverzögert, sie stellen somit eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar [16]. Fabriken, die schon Jahrzehnte an ihren Standorten stehen und plötzlich von steigendem Grundwasser gefährdet sind, befinden sich häufig in einer kritischen Situation. Bedingt durch den hohen Grundwasserspiegel können schon kleine Regenschauer eine Überflutung zur Folge haben. Darüber hinaus können Kanalisationsanlagen nicht mehr den Anforderungen entsprechend ausgelegt sein, da gewisse Bereiche dauerhaft geflutet sind und somit Wasser nicht wie ursprünglich geplant ableiten [20]. Während der Tauphase können zudem schmelzende Schneemassen Überflutungen erzeugen [37]. Wasser, das in Form von Schnee und Eis gespeichert ist, ändert durch wärmere Temperaturen seinen Aggregatzustand und sorgt für plötzlich auftretende Wassermengen. Hierbei zeigt sich, dass Fabriken unterhalb geografischer Erhöhungen besonders gefährdet sind, da das Schmelzwasser nicht schnell genug versickert und bergab in Richtung Fabrik fließen kann. Anfang März 2006 sind beispielsweise starke Schneefälle mit bis zu 60 cm Neuschnee innerhalb von 24 Stunden in Süddeutschland verzeichnet worden Durch die anschließenden Regenfälle sowie die einsetzende Schneeschmelze wurde im westlichen Bayern ein Hochwasser ausgelöst, das mehrere Regionen unvorbereitet traf. Die Gefahr des schmelzenden Schnees wird zudem durch die Eigenschaft des Schnees, unterschiedliche Durchfeuchtungsgrade zu besitzen, begünstigt. So kann eine 10 cm hohe Schneedecke einen Wassergehalt zwischen 10 mm (Pulverschnee) und 50 mm (tauender Altschnee) besitzen [7]. Zusammenfassend lassen sich vier große Überflutungsgefahren in Tab. 4.6 aufzeigen, die als pluviale und fluviale Flut auftreten können. Um angemessen auf die erläuterten Gefahren planerisch reagieren zu können, müssen diese durch geeignete Messverfahren erfasst und deren Entwicklung aufgezeigt werden. Nachfolgend werden geeignete Messmöglichkeiten genannt und erläutert. Geeignete Messmöglichkeiten  Um den Gefahren der fluvialen bzw. pluvialen Flut zu begegnen, ist eine Bestimmung der Überflutungsursachen erforderlich. Dafür müssen Messungen hinsichtlich der Ursachen Starkregen, Schneeschmelze, Grundwasserspiegelerhöhung sowie Meeresspiegelerhöhung durchgeführt werden. Für die erste Überflutungsart „Starkregen“ wurde bereits im Abschn. 4.1.3 Messmöglichkeiten aufgezeigt. Tab. 4.6  Überflutungsarten und ihre Kategorisierung Überflutung durch

Fluviale Flut

Pluviale Flut

Starkregen

X

X

Schneeschmelze

X

X

Grundwasserspiegelerhöhung

X

Meeresspiegelerhöhung

X

102

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Die Bestimmung der Schneeschmelze kann auf unterschiedliche Weise über den Schneefall erfolgen. Hierbei werden die Menge oder Höhe erfasst. Um die Schneemenge zu messen, kann auf die Methoden der Niederschlagsmessung zurückgegriffen werden. Hierzu wird der aufgefangene Schnee im Behälter zum Schmelzen gebracht und anschließend die Niederschlagsmenge in einem Messzylinder gemessen [147]. Die Schneehöhe wird im Gegensatz zum Niederschlag nicht in mm/h, sondern in cm angegeben. Zu beachten ist, dass trotz Neuschnees die Höhe nicht zwangsläufig steigen muss, da bodennaher Schnee gleichzeitig schmelzen kann [15, 178]. Weiterhin muss bedacht werden, dass Schnee durch sein eigenes Gewicht und andere Wetterwerte, wie Feuchte und Temperaturverläufe, verschieden hohe Wassergehalte aufweisen kann und eine reine Höhenangabe nichts über dessen Gehalt aussagen kann. Weiter kann Schnee durch Sublimation und Abschmelzen sein Volumen verändern [7]. Die Messung von Schneehöhen wird u. a. durch Windverfrachtungen an Wänden erschwert [232]. Zur genauen Messung der Schneehöhe und Schneemenge werden Schneepegel und Schneesonden benutzt, die durch moderne Technik die Differenz zwischen Boden und Schnee exakt bestimmen. Eine weitere präzisere Methode bietet der Schneehöhensensor, der mittels Ultraschall eine Messgenauigkeit von bis zu ±2 cm erlaubt. Hierbei werden Ultraschallimpulse zur Schneedecke gesendet und die Dauer bis zur Rückkehr der reflektierten Signale ermittelt, die zu präzisen Angaben der aktuellen Schneehöhe führen. Entsprechende Geräte zu Messungen sind teuer, da sie den Einfluss der Lufttemperatur kompensieren müssen [149]. Für die Grundwasserspiegelerhöhung ist der Grundwasserpegel kontinuierlich zu beobachten. Hierbei unterstützen historische Daten, die Veränderungen der Pegelstände sowie die optimale Standortwahl einer Fabrik festzustellen. Die Messung des Grundwasserspiegels erfolgt anhand einer Vielzahl von Grundwassermessstellen oder Brunnen mittels Brunnenpfeife bzw. Kabellichtlot. Des Weiteren können vergangene Hochwasserereignisse und ein möglicher Zusammenhang von darauffolgendem Grundhochwasser dokumentiert und recherchiert werden [7, 201]. Zusätzlich stehen für zahlreiche Flussverläufe in Deutschland sogenannte Hochwassergefahrenkarten zur Verfügung. Mithilfe dieser können Gefahren und die Eintrittswahrscheinlichkeiten besser für spezifische Standorte abgeschätzt werden [108]. Die Veränderung des Meeresspiegels wurde bereits in Abschn. 2.3.1 beschrieben [175]. Die Bestimmung des Meeresspiegels war bis 1990 mit Messfehlern verbunden, da präzise Angaben aufgrund der eingesetzten Pegelmessung nicht möglich sind. Hierbei wird der Meeresspiegel relativ zum Boden gemessen. Vertikale Veränderungen des Untergrunds durch tektonische Ereignisse führen dabei zu verfälschten Ergebnissen. Erst mittels Satellitenmessung (Radar-Altimeter-Messung, ab dem Jahr 1991) sind genauere Messungen möglich. Durch elektromagnetische Wellen wird die Entfernung zwischen der Meeresoberfläche und den Satelliten gemessen, wodurch präzise Messungen der gesamten Ozeanoberfläche möglich sind. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich der Meeresspiegel regional sehr unterschiedlich verändert [208].

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Mithilfe solider Datengrundlagen und Prognosetools können Unternehmen Überflutungen und die damit verbundeneren Schäden zukünftig minimieren oder umgehen. Die möglichen Auswirkungen auf die Fabrik werden nachfolgend beschrieben. Auswirkungsanalyse Infrastruktur:  Überflutungen stellen je nach Ausmaß eine erhebliche Belastung für die gesamte Verkehrs-, Energie- und Dateninfrastruktur dar. Die daraus resultierenden Auswirkungen zeigen sich deutlich in der Fabrikverkehrsinfrastruktur und sind demnach eine ernstzunehmende Gefahr. Fehlen für den Fabrikbetrieb essenzielle Teile und Ressourcen, kann der gesamten Produktionsprozess zum Erliegen kommen, da die benötigten Teile nicht zu den Maschinen gebracht werden können [22]. Auch die Überflutung eines weitentfernten Zulieferers kann ein indirektes Risiko darstellen, sodass Lieferengpässe entstehen. Weiterhin müssen Überschwemmungen angrenzender Gebiete, welche nicht zum Fabrikgelände gehören, ebenso bedacht werden. Eine Überflutung kann zu eingeschränkten Transporten auf allen Verkehrswegen führen, da neben gefluteter Straßen und Schienen auch ein hoher Wasserstand oder eine Überflutung der Wasserwege zu einer Beeinträchtigung dieser führen kann. Neben den kurzfristigen Schäden durch Überflutung der Verkehrsinfrastruktur, wie Produktionsausfälle etc. können auch längerfristige Schäden auftreten. Hierzu zählt vor allem die Zerstörung der Infrastruktur, welche erneut errichtet werden muss [225]. Bei Hochwasserereignissen können auch die Energie- und Dateninfrastruktur der Fabrik beschädigt oder zerstört werden. So stellt eine ausgefallene Stromversorgung einen typischen Schadensfall durch Überflutung dar. Dies zeigt auch das Versagen und der Totalausfall der Stromversorgung im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi nach einem Tsunami im März 2011 [121]. Tieferliegende Stromaggregate, Transformatoren und Batterien können bei Wasserkontakt zerstört werden und hierdurch verheerende Probleme und einen Produktionsstillstand auslösen [40, 131]. Die Dateninfrastruktur besitzt in Zeiten von Industrie 4.0 und der damit verbundenen Vernetzung von Maschinen, Menschen und Prozessen eine wachsende Relevanz für den Betrieb der Fabrik. Hierzu zählen unter anderem Server, Rechner und Rechnerverbunde sowie Kabel und Verbindungstechnologie [107]. Eine Beschädigung dieser Infrastruktur durch eintretendes Wasser kann einen erheblichen Einfluss auf die gesamte Fabrik haben. Dadurch können neben dem Ausfall von Maschinen auch gesamte Datenbanken und Informationsspeicher ausfallen und somit einen existenziellen Datenverlust über einen längeren Zeitraum erzeugen. Eine Wiederherstellung und Aufarbeitung des gesamten Datenbestandes kann selbst bei vorhandener Sicherungen (Backups etc.) mehrere Wochen dauern und hohe Kosten erzeugen [199]. Gebäude:  Gebäudeschäden können vielfältiger Art sein und werden im folgenden Abschnitt in drei Schadenstypen kategorisiert: Feuchte- und Wasserschäden, statisch relevante Schäden sowie Schäden durch Kontamination.

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Tab. 4.7  Schadenstypen und Schäden an Gebäuden durch Überflutung Schadenstyp

Schaden

Feuchte- und Wasserschäden

Durchfeuchtungsbereich Verformung von Konstruktionen Beschädigung durch Abplatzen Zerstörung von Baukonstruktionen durch Aufschwimmen Folgeschäden (Salzausblühung, Korrosion, Schädlinge)

Statisch relevante Schäden

Schäden durch hydrostatischen und hydrodynamischen Druck Schäden durch Auftriebskräfte Bauteilüberlastung durch erhöhtes Eigengewicht Schäden durch einzelne Gegenstände

Schaden durch Kontaminationen

Verfärbung Starke Geruchsbildung Ölfilme Korrosion von Metallteilen Kostenfaktor

Tab. 4.7 fasst alle Schadenstypen und die dazu gehörigen Schäden zusammen. Unabhängig von der Überflutungsart treten Feuchte- und Wasserschäden bei eintretendem Wasser im Gebäude auf. Die Art und Intensität der Schäden ist oftmals durch die spezifischen Eigenschaften des Baustoffs, der Baukonstruktionen und der Gebäudeteile bedingt. Dabei reichen die Schadensbilder von verfärbten Durchfeuchtungsbereichen, Verformung von Holzkonstruktionen, Abplatzen von Beschichtungen, Zerstörung ganzer Baukonstruktionen durch Aufschwimmen bis hin zu Folgeschäden, die erst im Laufe der Zeit auftreten. Hierzu zählen Salzausblühungen, Korrosion von Metallteilen sowie die Zerstörung von Holzbaustoffen durch Holzschädlinge. Eine entsprechende Instandsetzung nach einem Hochwasserereignis reduziert die genannten Schäden und sorgt für eine problemfreie Weiternutzung [225]. Statische Schäden treten seltener als Feuchte- und Wasserschäden auf. Hierfür relevante Faktoren sind u. a. die Fließgeschwindigkeit des Wassers, Wasserstandshöhen, die Einwirkdauer des Wassers, Baugrundverhältnisse, Gewichtskraft des Gebäudes sowie die Gründungstiefe [119]. Auftretende Schäden sind häufig Gründungsschäden durch Kolkung des Baugrundes, Schäden durch hydrostatischen oder hydrodynamischen Druck, Schäden durch Auftriebskräfte bis hin zu Schäden durch Bauteilüberlastung infolge erhöhte Eigenlast. Weitere statisch relevante Schäden können durch im Wasser schwimmende Gegenstände entstehen, wenn diese mit einem ausreichenden Impuls auf bestimmte Bauteile treffen. Da diese Schäden oft erheblichen Einfluss auf die Standhaftigkeit und somit auf

4  Planung klimagerechter Fabriken105

die Sicherheit von Gebäuden haben, müssen häufig Sofortmaßnahmen ergriffen werden, um weitere Beschädigungen oder Verletzungen zu verhindern. Hierzu zählt beispielsweise die Stützung von Decken, wenn die Balken nicht mehr die vorgesehene Deckenlast tragen können [225]. Die dritte Schadenskategorie stellt die Kontamination des Flutwassers als Transportmedium für chemische und biologische Stoffe dar. Daher werden alle Stoffe, die eine Belastung für die Gebäude darstellen als eine Kontaminationsmöglichkeit angesehen. Die häufigsten Kontaminationen treten durch ausgetretenes Öl aus Maschinen oder Heizöltanks sowie Fäkalien aus Klär- und Stallanlagen auf. Einflussgrößen einer Kontamination sind die Wasserstandshöhe, die Einwirkzeit des Wassers sowie der Kontaminationsgrad des Flutwassers. Schadensbilder sind Verfärbungen, Ölfilme in gefluteten Bereichen, starke Gerüche sowie Korrosionen. Kontaminierte Gebäude stellen für betroffene Unternehmen ein erhebliches Problem dar, da die Kosten im Vergleich zu einfachen Feuchte- und Wasserschäden um den Faktor zwei bis drei höher ausfallen [206]. Darüber hinaus können die Kosten je nach Branche deutlich darüber liegen. Insbesondere die in der Pharma- und Chemieindustrie eingesetzten Reinräume besitzen hohe Anforderungen an die Sauberkeit, sodass eine Kontamination zur totalen Zerstörung dieser Räume führen kann. Von Kontamination betroffene Unternehmen müssen sich auf einen vollständigen Produktionsstillstand in betroffenen Bereichen einstellen, welcher langfristige Auswirkungen auf das Unternehmensergebnis hat [80]. Maschinen:  Überflutungen können einen unabwendbaren Einfluss auf Maschinen haben. Bei Kontakt mit dem Flutwasser ist eine Beschädigung oder Zerstörung möglich. Auch Flutschlamm birgt ein erhebliches Zerstörungspotenzial, indem Maschinen verschmutzen und unbrauchbar werden. Hierdurch können neben erheblichen Kosten für neue Maschinen bzw. deren Reparaturen zusätzliche Kosten durch einen Produktionsstillstand entstehen [63, 133]. Mitarbeiter:  Für Mitarbeiter stellen Überflutungen meist eine indirekte Gefahr dar, die in der Regel nicht plötzlich (in weniger als einer Stunde) auftreten. Überflutungen, welche durch Starkregen entstehen, werden häufig mehrere Tage vorher prognostiziert und entsprechende Warnungen durch den Deutschen Wetterdienst herausgegeben [148]. Somit können sich Unternehmen und Mitarbeiter ausreichend hierauf vorbereiten, wodurch das Gefahrenpotenzial für den Menschen abnimmt. Dennoch stellen Überflutungen für Mitarbeiter eine Gefahr dar, wenn diese unerwartet auftreten und keine Vorbereitung möglich ist. Dadurch stellen Überschwemmungen in Bereichen, in denen stromführende Kabel im Boden verlegt sind, ein erhebliches Gefahrenpotenzial für alle Menschen in diesem Bereich dar. Weiterhin sind überflutete Verkehrsinfrastrukturen eine Gefahr für jeden Verkehrsteilnehmer [63, 122]. Fabrikprozesse:  Hochwasserereignisse nehmen erheblichen Einfluss auf die gesamte Fabrik und deren angrenzende Bereiche, wie angebundene Verkehrsnetze, und stellen damit eine der größten Gefahren für die Fabrikprozesse dar. Sämtliche Teile der Fabrik können durch die Folgen von Überflutungen betroffen sein und erzeugen neben dem großen Risiko für

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Neuanschaffungen auch erhebliche Reparaturkosten und Produktionsstillstände. Darüber hinaus können durch Überflutungen auch weitreichende Reputationsrisiken und Folgekosten durch Schadstoffeinträge ins Grundwasser entstehen, die den Gehalt von Schwermetallen und Nitraten im Grundwasser erhöhen. Werden hiervon durch Überschwemmungen noch weitere toxische Bestandteile ins Grundwasser abgeführt, stellt dieses eine weitreichende Beeinträchtigung der Wasserqualität dar, die sowohl für den Menschen als auch die Umwelt schwerwiegende Folgen hat [1]. Zusammenfassend sind Überflutungen eine der folgenreichsten Gefahren für Fabriken, die in der Regel mit hohen Kosten und Produktionsstillständen verbunden sind. Aufgrund dieser Aspekte sollte es für Unternehmen obligatorisch sein, einen Standort zu wählen, der eine minimale Überflutungsgefahr vorweist. Schutzmaßnahmen  Fabrikbetreiber haben die Verantwortung gemäß dem Gesetz zum vorbeugenden Hochwasserschutz von 2005 die von Hochwasser betroffen sein können, Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Weitere Verpflichtungen ergeben sich aus der Störfallverordnung (12. BImSchV) und der Bundesanlagenverordnung für wassergefährdende Stoffe (AwSV) [26, 27]. Zum Schutz vor Überflutung bestehen eine Vielzahl von Hilfeleistungen, die nach den schweren Hochwassern an Elbe und Oder nach der Jahrtausendwende entstanden sind. Im Anschluss wurden die Bemühungen zum Hochwasserschutz intensiviert und auch durch Versicherungen Hinweise für eine Reihe von Maßnahmen publiziert. Beispielhaft ist auf die Publikationen des VdS verwiesen, welche mit den Dokumenten „Schutz vor Überschwemmung – Leitfaden für Schutzkonzepte und Schutzmaßnahmen bei Industrie- und Gewerbeunternehmen“ und „Mobile Hochwasserschutzsysteme – Hinweise für die Beschaffung, den Einsatz und die Bereitstellung“ Lösungsmöglichkeiten zum Umgang mit Hochwassergefahren aufzeigt. Aufgrund der unternehmensspezifischen und standortspezifischen Gefahrensituationen sind allerdings keine allgemeingültigen Hinweise möglich [88]. Zu Beginn sollte eine Gefährdungsanalyse durchgeführt werden, die analog des Risikomanagementprozesses durchgeführt werden kann. Dabei sind die Gefährdungen von Starkregen, Überflutung von Gewässern, sowie Schneeschmelze durch Hochwasserkarten, die für alle größeren deutschen Flüsse zur Verfügung stehen, mit einzubeziehen. Abschließend ist aus den gewonnenen Erkenntnissen eine Schutzstrategie zu entwickeln, die sowohl Vorsorge- und Schutzmaßnahmen definiert als auch den Versicherungsschutz sowie finanzielle Eigenvorsorge sicherstellt. Beispiele für Schutzmaßnahmen, die in der Bauplanung bzw. Fabrikplanung zu berücksichtigen sind: • Errichtung von stationären Mauern und Dämmen und deren Integration in die öffentlichen Schutzeinrichtungen in der Generalbebauungsplanung/Werkstrukturplanung • Positionierung von wasserempfindlichen Produktionsanlagen außerhalb von überschwemmungsgefährdeten Bereichen des Fabrikgeländes oder Gebäudebereichen in der Layoutplanung • Einsatz von wasserunempfindlichen Baustoffen bzw. Einrichtungsgegenständen in überschwemmungsgefährdeten Gebäudebereichen in der Gebäudestrukturplanung

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• Berücksichtigung der Überschwemmungsgefährdung bei der Planung der technischen Gebäudeausstattung (TGA): Notstromversorgung, automatische Hebeanlagen oder Rückstausicherung, getrennt abschaltbare Elektroanlagen, Festlegung einer Parkposition von Aufzügen • Verwendung mobiler bzw. einfach demontierbarer Einrichtungsgegenstände in der Feinplanung/Büroplanung • Gewährleistung der Auftriebs- und Standfestigkeit von Maschinen, Tankanlagen und Gebäudeteilen (Auflast, Sandfüllung etc.) • Bereithalten von mobilen Schutzmaßnahmen (z. B. Sandsäcke mit Füllmaterial, Tauchpumpen) [88]. Neben diesen Maßnahmen ist unbedingt ein Notfallplan zu entwickeln, welcher die genauen Abläufe und die dazugehörigen Verantwortlichkeiten beschreibt, um die Vorwarnzeit so effektiv wie möglich zu nutzen. Nachfolgende Punkte sollte der Notfallplan enthalten: • Informationsquelle über das Hochwasser zur Abfrage von Pegelständen (z. B. Deutscher Wetterdienst, Hochwassernachrichtendienste) • relevante Telefonnummern und Ansprechpartner von Behörden (z.  B. lokale Krisenstäbe), Organisationen und Hilfsdienste (Feuerwehr) • Benennung eines fabrikeigenen Krisenstabs mit Telefonnummern und Verantwortlichkeiten • Definition von Maßnahmen, die in Abhängigkeit der Gefahrenlagen (Pegelhöhe) eingeleitet werden können • Maßnahmendefinition zur Sicherung von Sach- und Vermögenswerten sowie Daten und Akten • Planung der möglichen Verschiebung des Produktionsprogramms auf andere Standorte, Ausweichgebäude oder Zukaufteile [88]. Regelmäßige Aktualisierung und Übung verbessern die Wirksamkeit des Notfallplans im Ernstfall.

4.1.5 Hagel Definition und Relevanz  Hagel stellt eine Form des Niederschlages dar, der aus meist kugelförmigen Eisteilen besteht und in der Regel in den Sommermonaten in Erscheinung tritt. Bei bis zu einem Durchmesser von 0,5 cm wird von Graupel gesprochen und noch kleinere Teilchen werden als Griesel bezeichnet [195]. Hagel entsteht im Aufwindbereich von Gewitterwolken, wenn sich eine Vielzahl unterkühlter Tröpfchen (flüssiges Wasser im Temperaturbereich zwischen 0 °C und −38 °C) an Eisteilchen anlagern. Im ersten Schritt werden durch Aufwinde Wassertropfen in höhere Bereiche (bis zu 12.000 m Höhe) innerhalb der Gewitterwolke transportiert. Dort gefrieren

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Abb. 4.3  Entstehung von Hagel [225]

diese und fallen als kleine Eiskörner wieder in tiefere Wolkenschichten. Während des Fallens frieren weitere Regentropfen an den Eiskörnern und diese werden größer. In tieferliegenden Schichten werden diese Eiskörner erneut von den Aufwinden erfasst und in höhere Bereiche transportiert. Der Vorgang wiederholt sich so lange, bis die Hagelkörner zu schwer für die Kräfte der Aufwinde sind und schließlich Richtung Erde fallem [136]. Dieser Vorgang wird in Abb. 4.3 dargestellt: Hagelereignisse können je nach Größe der Hagelkörner erheblichen Schaden verursachen. So geht der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Jahr 2013 von einer Schadenssumme durch Hagel von 2,7 Milliarden Euro aus [91]. Obwohl die Auswertung und Messung von Hagelereignissen bisher als schwierig und unpräzise gilt, da sich diese hauptsächlich auf Augenzeugenberichte stützt, zeigen Aufzeichnungen, dass neben der Anzahl der Hagelereignisse auch deren Schadenspotenzial gestiegen ist. Es muss in den nächsten Jahrzehnten von einer weiteren Zunahme der Schäden und damit des gesamten Schadenpotenzials ausgegangen werden [139, 140]. So wird in einer vom GDV beauftragten Studie zu den Auswirkungen des Klimawandels für die Versicherungswirtschaft ersichtlich, dass für den Zeitraum von 2041 bis 2070, im Vergleich zu der Periode von 1983 bis 2008, ein Anstieg der Schadenssumme durch Sturm und Hagel in ganz Deutschland wahrscheinlich ist [89]. Neben dem Anstieg der Ereignisse kann auch von extremeren Erscheinungsformen ausgegangen werden. In den letzten Jahrzehnten wurden vermehrt Hagelstürme mit extremen Hagelkorngrößen dokumentiert. Das größte bis heute gemessene Hagelkorn hatte einen Durchmesser von 14,1 cm [136]. In Tab. 4.8 werden die Schadenswirkungen durch verschieden große Hagelkörner dargestellt. Dabei wird deutlich, dass bereits ab einer Hagelkorngröße von 3 bis 4 cm Schäden an Gebäuden entstehen. Leichtdächer können durchschlagen werden und weitere Folgeschäden entstehen. Ab einer Größe von 6 bis 8 cm treten signifikante Gebäudeschäden auf. Es können Dachpfannen brechen, Fassaden sowie Metallverkleidungen und Fenster beschädigt werden. Ab einer Größe von 11 cm und größer entstehen ernsthafte Beschädigungen an der Bausubstanz, dass an betroffenen Gebäuden statisch relevante Probleme entstehen können. Ein Anstieg

4  Planung klimagerechter Fabriken109 Tab. 4.8  Schadenswirkung durch Hagelkörner unterschiedlicher Größe [225] Durchmesser (in cm)

Vergleichsgrößen

Schadenswirkung

0,5–2,0

Erbse, Haselnuss, Murmel

Keine Schäden an Gebäude

2,0–3,0

Ein-Euro-Münze

Erste Schäden an Gebäude

3,0–4,0

Walnuss, Tischtennisball

Glashäuser werden zerstört, Leichtdächer durchlöchert

4,0–6,0

Golfball, Billardkugel

Fenster und Glasüberdachung gehen zu Bruch

6,0–8,0

Tennisball

Dachpfannen brechen, signifikante Gebäudeschäden (Fassaden, Metallverkleidungen, Fensterrahmen)

8,0–11,0

Baseball, Grapefruit

Gehwegplatten werden zerstört

> 11

Kleine Melone, Handball

Schäden an Gebäudesubstanz

der Häufigkeit und der Hagelkorngröße kann somit ein ernsthaftes Problem für Mensch, Gebäude und Umwelt bedeuten [225]. Hagelschauer verursachen neben der direkten Beschädigung an Gebäuden durch die Einwirkung der Hagelkörner auch weitere bauliche Folgeschäden, welche den direkt verursachten wirtschaftlichen Schaden deutlich übersteigen können. So können durch den Hagel entstandene Schäden der Gebäudeisolation bzw. der Hülle der Gebäude ein Eindringen von Wasser ermöglichen. Da Hagel häufig von Starkregenereignissen begleitet wird, stellt diese Variante eine starke Bedrohung für Gebäude dar. Auch können Hagelkörner abgerissene Äste und Blätter verursachen, was zu einer Verstopfung der Entwässerungssysteme führt und hierdurch die Überflutungsgefahr erhöht [167]. Die steigenden Schadenssummen lassen sich zwar einerseits auf die gestiegene Häufigkeit und Intensität von Hagelereignissen zurückführen, anderseits ist die moderne Bauweise vieler Gebäude ein ebenso entscheidender Punkt für diese. So werden Gebäude nicht mehr klassisch in einer Massivbauweise mit verputzten Wänden aus Mauerwerk gebaut. Stattdessen werden vermehrt Wärmedämmverbundsysteme, Lichtkuppeln, Glasfassaden sowie andere empfindlichere Bauteile an die Außenseite von Gebäuden gebaut. Diese bieten einen geringeren Widerstand gegen mechanische Beschädigung und erzeugen somit höhere Schadenssummen bei auftretenden Hagelschauern [49, 139]. Da weltweit gesehen die mittleren Breiten am stärksten von Hagelereignissen betroffen sind (besonders Zentral- und Südeuropa, die USA, Mexiko, China, Südafrika und Südost-Australien) muss auch dieses Wetterphänomen während der Standortwahl betrachtet werden [141]. Neben der reinen Standortplanung spielen auch die passende Auswahl von Baumaterialien und die Gestaltung der Gebäude eine entscheidende Rolle während der Planungsphase, damit durch geeignete Präventionsmaßnahmen auftretende Hagelschäden reduziert werden.

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Geeignete Messmöglichkeiten Die Prognose eines Hagelereignisses hinsichtlich Eintrittszeitpunkt und betroffener Fläche ist mit der heutigen Technik sehr schwer bis unmöglich realisierbar. Superzellen können bereits auf Radarbildern erkannt werden, sodass die Gefahr eines Hagelereignisses vorhergesehen werden kann, jedoch nicht der Ort, Zeitpunkt und die erwarteten Hagelkorngrößen [179]. Neuere Methoden erlauben hierzu bessere Abschätzungen, durch die Kumulation verschiedener Wetterdaten, sodass bestimmt werden kann, welche Gebiete häufig von Hagel betroffen sind. Präzise Prognosen sind bisher auch damit nicht möglich. Radardaten können dahingehend genutzt werden, um die Menge des gefallenen Hagels zu bestimmen. In der Regel ist dieser Zeitpunkt zu spät, da die Schäden bereits entstanden sind. Eine weitere Möglichkeit, um eine kurzfristige grobe Prognose abzugeben, stellen Messungen der Blitzentladungen dar. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sind hagelträchtige konvektive Zellen mit Blitzentladungen verbunden. Hierdurch kann kurzfristig von einem näher kommenden Hagelereignis gesprochen werden. Die Abschätzung der Hagelkorngröße stellt eines der größten Probleme dar, da die Größe von Hagelkörnern häufig nur auf Grundlage von Augenzeugenberichten festgehalten und nicht standardisiert dokumentiert wird [18, 126]. Um die Empfindlichkeit von Bauteilen und Baumaterialien zu messen, führte die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa in Dübendorf zahlreiche Hagelwiderstandsmessungen durch. Hierbei wurden Bauteile möglichst realitätsnah mit Eiskugeln beschossen und deren Beschädigungen gemessen. In Abhängigkeit der verwendeten Versuchskugel ändern sich Durchmesser, Masse, Geschwindigkeit und die Klassengrenze. Je höher die Widerstandsklasse der zu verbauenden Bauteile ist, desto geringer ist die Beschädigung durch Hagel. Bauteile mit der höchsten Widerstandsklasse sind sehr gut für häufig von Hagel frequentierte Standorte geeignet. Die Einteilung der Empa ermöglicht einen gezielten Einsatz von Bauteilen und Materialien, um Gebäude vor Schäden zu schützen und somit eine Unterbrechung der Produktion oder Ähnlichem zu minimieren [139]. Eine Vielzahl an Bauelementen ist durch unterschiedliche DINNormen klassifiziert, um eine Kategorisierung über die verschiedenen Hagelwiderstandsklassen zu ermöglichen. Hierzu zählt von terrestrischen kristallinen Silizium-PV-Modulen, über Dachabdichtungen bis hin zu Lichtkuppeln aus Kunststoff ein Großteil aller Außenteile an Gebäuden [181]. Auswirkungsanalyse  Infrastruktur:  Hagel stellt für die Verkehrsinfrastruktur keine große Gefahr dar. Straßen und Verkehrswege können je nach Stärke des Hagelschauers kurzfristig eingeschränkt und mit reduzierter Geschwindigkeit der Verkehrsteilnehmer befahren werden. Durch sehr starke Hagelereignisse können Fahrzeuge und Verkehrsbeleuchtung, und -beschilderung beschädigt werden, was zu Ausfällen von Lieferungen oder Verzögerungen führen kann. Dies tritt auch im Schienenverkehr durch Beschädigungen an Leuchtzeichen auf. Zudem können Oberleitungen zur Energieversorgung betroffen sein. Für den unternehmenseigenen Fuhrpark stellen Hagelereignisse ein erhebliches Gefahrenpotenzial dar. Typische

4  Planung klimagerechter Fabriken111

Schadensbilder sind hierbei Glas- sowie Karosserieschäden [90]. Bedingt durch das nur kurzzeitige Auftreten von Hagel stellt dieser für die Infrastruktur keine erhebliche Beeinflussung dar und muss deshalb bei der Planung nicht überdurchschnittlich bedacht werden. Gebäude:  Die größte Gefahr durch Hagel besteht für Gebäude. So kann, wie bereits erläutert, eine Vielzahl verschiedener Schäden auftreten. Dabei stellen nicht nur Schäden an der Außenhülle eine Gefahr dar, sondern auch mögliche Folgeschäden durch eintretendes Wasser in Form von Regen. Zudem können laut Weller et al. durch Hagel bestimmte Stellen der Gebäude beschädigt werden, die für Reparaturarbeiten nur schwer zugänglich oder schwer austauschbar sind. Dies kann wiederrum steigende Kosten und Einschränkungen im Fabrikbetrieb verursachen [225]. Die Trends zur Gestaltung moderner Gebäude ermöglichen die Verwendung innovativer und neuer Baumaterialien und Baustoffe. Weiter werden vermehrt Glasobjekte verbaut, um eine möglichst hohe Ästhetik zu erreichen sowie gleichzeitig den Mitarbeitern einen ausreichenden Zugang natürlichen Sonnenlichts zu bieten [78, 224]. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass durch die Energieverknappung und durch den Klimawandel die Nachfrage nach immer besserer Wärmedämmung steigen wird. Dies führt zu einer Zunahme der Außendämmung mit empfindlichen Materialien. Eine autarke oder zumindest eine kostengünstige Stromversorgung wird in Zukunft durch immer günstiger werdende Solarelemente möglich. Da diese ebenfalls zu gefährdeten Bauteilen zählen werden auch hier die Schadenssummen ansteigen, solange keine sinnvollen Schutzmaßnahmen gefunden werden [139]. Maschinen:  Bei der Untersuchung von Auswirkungen auf Maschinen muss zwischen freistehenden Maschinen im Außenbereich der Fabrik (hierzu zählen Gabelstapler, Pumpen usw.) und Maschinen im Inneren der Fabrikhallen unterschieden werden. Maschinen in Außenbereichen sind direkt durch den Einfluss des Hagels gefährdet. Große Hagelkörner können Teile der Maschine beschädigen oder die Maschine als Ganzes zerstören. Dies kann zu Einschränkungen des Fabrikbetriebs führen und stellt ein erhebliches Risiko für die jeweiligen Unternehmen dar [225]. Maschinen im Inneren sind vor dem direkten Einfluss der Hagelereignisse geschützt und somit nicht gefährdet. Dennoch sind Beschädigungen durch eintretendes Wasser an betroffenen Elementen der Gebäude möglich und stellen eine Gefahr für die Maschinen dar. Mitarbeiter:  Mitarbeiter, welche in Außenbereichen arbeiten, sind durch Hagel direkt gefährdet. Diese können durch große Hagelkörner direkt verletzt oder getötet werden [97]. Bedingt durch das plötzliche Auftreten von diesen sind Vorbereitungsmaßnahmen häufig nicht möglich. Ferner führen Arbeiten in Außenbereichen während starker Hagelereignisse aufgrund von Wartezeiten zu verlangsamten Prozessen. Mitarbeiter im Inneren der Fabrik können aufgrund der lauten Geräuschkulisse durch auftreffende Hagelkörner auf das Dach und die Wände beeinflusst werden. Hierunter kann sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Arbeitssicherheit leiden.

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Tab. 4.9  Hagelwiderstandsklassen gem. Hagelschutzregister [203] Hagelwiderstand

Durchmesser (in mm)

Masse (in g)

Geschwindigkeit (in m/s)

Rechn. Aufprallenergie (in J)

HW 1

10 mm ±2 %

0,5 g ± 5 %

13,8 m/s ± 5 %

> 0,04

HW 2

20 mm ±2 %

3,6 g ±5 %

19,5 m/s ± 5 %

> 0,07

HW 3

30 mm ±2 %

12,3 g ± 5 %

23,9 m/s ± 5 %

> 3,5

HW 4

40 mm ±2 %

29,2 g ± 5 %

27,5 m/s ± 5 %

> 11,1

HW 5

50 mm ±2 %

56,9 g ± 5 %

30,8 m/s ± 5 %

> 27

Fabrikprozesse:  Eine Beeinträchtigung der Fabrikprozesse durch Hagel stellt ein geringes Risiko dar. Obwohl alle zuvor untersuchten Fabrikelemente Infrastruktur, Mitarbeiter, Gebäude sowie Maschinen durch Hagelereignisse betroffen sein können, sind die Ausmaße der Beschädigungen jedoch meist so gering, dass von Hagel mit Hagelkorngrößen unter 4  cm nur eine geringe Gefährdung für die Gesamtheit der Fabrikprozesse ausgeht. Die häufigste auftretende Beschädigung (an der Außenhülle von Gebäuden) erzeugt zwar Reparaturkosten, wirkt sich aber nur kurzfristig auf die Fabrikprozesse aus. Hagel wird erst ab einer Korngröße von 4 cm und darüber eine tatsächliche Gefahr für die Fabrik. Zusammenfassend stellen Hagelereignisse für Fabriken aktuell keine große Gefahr dar. Da sich allerdings die Intensität und Häufigkeit dieser in den nächsten Jahrzehnten steigern wird, muss bei der Fabrikplanung auch über größere Hagelschäden nachgedacht und diese durch eine sinnvolle Wahl der Baumaterialien der Gebäudehülle bedacht werden. Bei der Standortwahl ist zu analysieren, inwiefern vermehrt Hagelereignisse in den favorisierten Gebieten auftreten. Schutzmaßnahmen  Beim Schutz vor Hagel ist auf die Wahl einzelner Bauteile zu achten, dass diese über eine hohe Hagelwiderstandskraft verfügen. In der Versuchsdurchführung zur Messung der Hagelwiderstandsfähigkeit wird das Baumaterial, z. B. ein Dachziegel mit einer Hagelkanone beschossen. Anhand der Versuchsergebnisse erfolgt die Einstufung in fünf Hagelwiderstandsklassen. Hierbei sind Dachfenster, Dachelemente (Ziegel, Platten), Lichtkuppeln und auch Photovoltaikanlagen auf eine möglichst hohe Einstufung auszulegen [57]. In Tab. 4.9 sind die Widerstandsklassen gemäß Hagelschutzregister aufgeführt [203].

4.1.6 Wind und Sturm Definition und Relevanz  „Stärkere gerichtete Bewegungen der Luft werden als Wind bezeichnet“ [170]. Diese entstehen durch unterschiedliche Luftdrücke in der Atmosphäre, wenn sich Luft von Gebieten mit hohem Druck in Gebiete mit tieferem Druck bewegt [129].

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Wind und Windböen mit hohen Geschwindigkeiten können direkte Schäden an Gebäuden verursachen. Je nach Windanströmrichtung werden Gebäudeteile durch Winddruck oder Windsog belastet und beschädigt. Abhängig von der Stärke des Windes bzw. des Sturms können zudem Bauteile durch eine Wechselbeanspruchung belastet werden. Neben einer daraus dynamischen Beschädigung stellen durch den Wind aufgewirbelte Teile wie Äste, Teile von Bäumen und Trümmerteile eine Gefahr für Fabriken dar. Die traditionelle Massivbauweise in Mitteleuropa sorgt zwar für eine vergleichsweise geringe Beschädigung der Gebäude (meist Dächer, Fassaden, periphere Anbauten und Fenster), allerdings ist auch hier mit einem Anstieg der Schäden durch die zuvor genannten modernen Bauweisen zu erwarten [89]. Zukünftige Klimaprojektionen zeigen, dass zum Ende des 21. Jahrhunderts eine einheitliche Entwicklung der Sturmaktivität vorliegen wird. Hierbei nehmen die extremen Windgeschwindigkeiten im Vergleich zum 20. Jahrhundert zu. Zur Vertiefung im Selbststudium wird an dieser Stelle auf die Studien von Della-Marta und Pinto 2009  verwiesen. Diese zeigen eine Verkürzung der Wiederkehrperioden von extremen Sturmereignissen in den nächsten Jahrzehnten. Auf Grundlage der Emissionsszenarien A1B und A2 wurde hierbei festgestellt, dass sich Wiederholungsintervalle stark verkürzen [43]. Beispielsweise würde der Sturm Daria, der in Europa die drittgrößte Schadenssumme erzeugte, alle 5 anstelle aller 18 Jahre auftreten. Durch die Verkürzung der Sturmzyklen sind deutlich häufiger höhere Schäden zu erwarten [225]. Des Weiteren werden als Klimafolge „Wind und Stürme“ auch Wirbelstürme und Gewitter betrachtet. Gewitter sind gefährlich, da sie häufig durch starke Niederschläge mit hohen Intensitäten und Hagelereignissen einhergehen. Auch ist bei weiter entfernten tropischen Wirbelstürmen im Atlantik in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg von Hurrikans zu verzeichnen. So gab es seit 2005 nicht nur die meisten Hurrikans seit dem Beginn der Wetteraufzeichnung, sondern mit Hurrikan Katrina, Rita und Wilma auch die stärksten [9]. Zusätzlich steigt mit der globalen Erwärmung die Möglichkeit der Luft, Wasserdampf zu speichern, welches eine Steigerung des Potenzials für schwere Gewitter, Stürme und Hagel birgt [136]. Stürme lassen sich in Sommer- und Winterstürme unterteilen. Obwohl die größten Einzelschäden durch Tornados verursacht werden, sind gesamtwirtschaftlich Winterstürme am bedeutendsten. Dies liegt daran, dass Winterstürme großflächig auftreten wohingegen Tornados in der Regel nur begrenzte Bereiche betreffen. Der Orkan Kyrill, der weite Teile Deutschlands am 18. und 19. Januar 2007 traf, stellt ein bekanntes Beispiel für hohe Schadenssummen von Winterstürmen dar. Durch Kyrill wurden rund 5,5 Milliarden US Dollar Schaden verursacht, womit dieser das schadensträchtigste Sturmereignis in der Geschichte Deutschlands darstellt. Bezogen auf ganz Europa wurden bis zu 10 Milliarden US Dollar Schaden verursacht [225]. Geeignete Messmöglichkeiten  Zur Messung der Windstärke wird in der Regel ein Anemometer verwendet. Da die höchsten Windgeschwindigkeiten bei Tornados auftreten und Winterstürme geringere Geschwindigkeiten aufweisen, werden Tornados zuerst betrachtet.

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Tornadomessungen werden anhand der höchsten Windgeschwindigkeit durchgeführt. Dabei wird zwischen der Fujita-Skala und der TORRO-Skala unterschieden. Die bisher stärksten Tornados erreichten die Klasse F5 auf der Fujita-Skala, das Windgeschwindigkeiten zwischen 420 und 512 km/h entspricht. Je nach Kontinent und Region unterscheiden sich Häufigkeit und die Stärke von auftretenden Tornados. In den USA treten jährlich starke Tornados auf, wohingegen in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnung lediglich zwei F5-Tornados dokumentiert wurden [129, 189]. Der DWD nutzt momentan 182 hauptamtliche Wetterwarten und Wetterstationen. Hinzukommend sind viele dieser Stationen in ein Sturmwarnnetz integriert. Diese messen stündlich die Windgeschwindigkeit und Windrichtung. Bei der Messung von Gewittern, bzw. der Prognose dieser werden, wie in den vorherigen Kapiteln erläutert, Radarbilder genutzt. Hierdurch können Gewitterzellen erkannt und genaue Angaben über mögliche Gewitter gemacht werden. Auswirkungsanalyse  Infrastruktur:  Stürme mit hohen Windgeschwindigkeiten können zahlreiche Beeinträchtigungen für die gesamte Infrastruktur mit sich bringen. Beispielsweise können LKWTransporte erschwert werden und Unfälle im Straßenverkehr zu Wartezeiten führen. Außerdem können Ampelanlagen beschädigt werden und Bäume sowie Trümmerteile Straßenabschnitte unbefahrbar machen. Auch eine Einschränkung der Transportwege durch auftretende Sturmfluten oder überflutete Gebiete bei plötzlich eintretendem Starkregen sind für starke Stürme charakteristisch [2, 229]. Für den Transport über Wasserwege sind Stürme ebenfalls eine Gefahr. Bei zu hohem Wellengang auf Gewässern kann es zu Einschränkung im Schifffahrtsbetrieb kommen [132]. Obwohl Schienenfahrzeuge durch Stürme weniger gefährdet als LKWs sind, können diese dennoch beeinflusst werden. Demnach verursachen beispielsweise umgestürzte Bäume eine Blockade und es kommt zu Verzögerungen und Transportausfällen. Eine Einschränkung der Stromversorgung repräsentiert ein weiteres Gefahrenpotenzial. Durch hohe Windgeschwindigkeiten, umstürzende Bäume, herumfliegende Teile und Ähnliches ist es möglich, dass Oberleitungen, Transformatoren und weitere wichtige Teile der Stromversorgung beschädigt werden können. Die Folgen reichen bis hin zu einem kompletten Stromausfall [169]. Hurrikans bergen das Risiko der vollständigen Zerstörung der Verkehrsinfrastruktur die zu einem langanhaltenden Produktionsstillstand führen können. Somit sind Hurrikans und starke Stürme eine große Gefahren für Fabriken und sollten daher stets in der Planung bedacht werden. Gebäude:  Hohe Windgeschwindigkeiten sorgen für starke, häufig unterschätzte Belastungen an Gebäuden Obwohl die auf die Gebäude wirkende Windkraft proportional zum Quadrat der Windgeschwindigkeit ist, beweisen verschiedene Modelle, dass die durch hohe Windgeschwindigkeiten erzeugte Schäden proportional zur dritten Potenz der maximal auftretenden Windgeschwindigkeit sind [225]. Demzufolge bedeutet bereits eine geringe Steigerung der Windgeschwindigkeit eine erhebliche Steigerung der Schäden.

4  Planung klimagerechter Fabriken115

Hohe Windgeschwindigkeiten stellen somit in den nächsten Jahrzehnten eine bedeutende Gefahr für Gebäude dar und sollte im Rahmen der Fabrikplanungen ein obligatorisches Planungsmerkmal sein. Schäden an Gebäuden entstehen durch Wind, wenn einzelne Bauteile oder das gesamte Tragwerk keinen ausreichenden Widerstand gegen die Windkräfte besitzen. Um eine sichere Planung zu gewährleisten, werden diese nach DIN EN 1991-1-4:2010-12 ausgelegt [51, 86]. Ähnlich dem Schadensbild durch Hagel werden durch Sturm gehäuft Dächer, Sonnenschutzsysteme, Fassaden und Photovoltaikanlagen beschädigt [189]. Die höchsten Windlasten treten am Ortgang, dem First, der Traufe und Grate auf. Besitzen Gebäude einen Dachüberstand, kann an diesem neben einem Winddruck auch ein Windsog entstehen und für eine zusätzliche Belastung sorgen. Maschinen:  Stürme haben keinen direkten Einfluss auf Maschinen im Inneren der Fabrik. Lediglich bei Beschädigung der Fabrikhallen durch Stürme können Folgeschäden, wie eindringendes Wasser und Ähnliches, auftreten. Maschinen in Außenbereichen können Schäden aufgrund hoher Windgeschwindigkeiten oder herumfliegende Teilen erleiden. Hierdurch können diese ausfallen oder hohe Reparaturkosten notwendig werden. Zudem kann eine Einschränkung von draußen stehenden Maschinen zu einer Beeinträchtigung nachgelagerter Prozesse in der Prozesskette führen. Mitarbeiter:  Die jährlich veröffentlichten hohen Todeszahlen durch Stürme und vor allem Hurrikans belegen, dass durch diese eine erhebliche Gefahr für Menschen ausgeht. Diese Zahlen belegen, dass ein gewaltiges Zerstörungspotenzial durch Stürme gegeben ist. Obwohl Wetterdienste in der Regel frühzeitig vor Hurrikans warnen, können auch diese nicht für eine vollkommene Sicherheit sorgen. Die Mitarbeiter von Fabriken sind wie alle anderen Menschen im näheren Umfeld des Sturms gefährdet und durch die direkten und indirekten Folgen betroffen. Die größten Gefahren für Mitarbeiter gehen von herumfliegenden Teilen und Überflutungen aus. Vom Wind erfasste Teile können abhängig von ihrer Größe und Beschaffenheit ähnliche Geschwindigkeit wie die des Sturms erreichen. Plötzlich auftretende Überflutungen durch Sturmfluten oder starken Niederschlag sind eine der Hauptursachen für die hohe Mortalität durch Stürme [63]. Weitere Auswirkungen von Stürmen sind die erhöhte Geräuschkulisse und die verschlechterten Lichtverhältnisse, welche beide einen psychologischen Einfluss auf Mitarbeiter haben. Stürme stellen somit im Rahmen der untersuchten Klimafolgen die größte Gefahr für Menschen im Allgemeinen dar. Fabrikprozesse:  Stürme mit hohen Windgeschwindigkeiten gefährden die Fabrik erheblich. Sämtliche Fabrikprozesse sind den Folgen von Stürmen ausgesetzt, sodass ein Produktionsstillstand drohen kann. Es wird zudem deutlich, dass vor allem Gebäude unter der möglichen Intensivierung von Stürmen leiden und hierdurch eine starke Beeinträchtigung der darin ausgeführten Prozesse zu erwarten ist.

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Da Sturmschäden bereits in der Verkehrsinfrastruktur auftreten, kann es zu Transportschwierigkeiten kommen, die weitreichende Prozessstillständen verursachen können. Im Zuge der gestörten Infrastruktur wird auch ein Abtransport fertiger Ware problematisch und kann zu einem Lagerengpass führen. Zusammenfassend birgt eine beschädigte Infrastruktur für den gesamten Logistikprozess eine enorme Herausforderung. Bei starken Stürmen und insbesondere bei Hurrikans kann es zu einem vorübergehenden Stillstand der Fabriken kommen. In der Regel wird bei solchen Ereignissen versucht, die Mitarbeiter vor möglichen Gefahren zu schützen. Durch das fern bleiben der Mitarbeiter kann es in dieser Zeit zu hohen Gewinneinbußen kommen. Schutzmaßnahmen  Sollte die Risikoabschätzung ergeben, dass der Fabrikstandort durch ein hohes oder zunehmendes Sturmrisiko gefährdet ist, werden nachfolgenden hierfür bauliche und organisatorische Schutzmaßnahmen zur Schadensminimierung erläutert. Die Windbelastungen an Gebäuden bei Stürmen sind abhängig von der Lage und Ausrichtung des Gebäudes. Besonders Höhenlagen, Hanglagen, aber auch freie Flächen oder Küstenlagenerzeugen hohe Gefährdungsgrade. Dabei sind bauliche Sturmschutzmaß­ nahmen nicht optional, sondern gemäß der Bauordnung der Bundesländer (Landesbauordnung – LBO) sind Gebäude so zu planen, zu errichten und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht gefährdet wird. Ein Unternehmen kann sich nicht auf die Versicherung verlassen, da gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (AStB 2010) der Versicherungsnehmer „die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften“ sicherzustellen hat [138]. Zur Identifizierung von gefährdeten Gebäuden sind beispielsweise für Windlasten in der DIN EN 1991-1-4 vereinfachte Lastannahmen und Rechenvorschriften definiert. So fließen die Basisgeschwindigkeiten basierend auf einer Windzonenkarte oder vier Geländekategorien in die Berechnung ein [51].

4.1.7 Schnee Definition und Relevanz  Als Schnee wird der Niederschlag in Form von feinen Eiskristallen bezeichnet. Es ist die häufigste Form des festen Niederschlags. Schnee entsteht, wenn sich in Wolken kleinste Tropfen unterkühlten Wassers an Staubteilchen festsetzt und an diesen gefriert. Nach der Kristallbildung fallen diese aufgrund ihres gestiegenen Gewichtes herab und treffen auf der Erde auf [141]. Trotz der durch den Klimawandel bedingten, steigenden Temperaturen werden auch in Zukunft je nach Region und Standort weiterhin Minusgrade auftreten. Schneefall stellt somit auch weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Planung und korrekten Auslegung von Gebäuden dar, um eine hohe Sicherheit zu gewährleisten. In Verbindung mit Schnee können folgende Wetterereignisse kategorisiert werden: Wintersturm, Schneesturm, Kältewelle und Winterschäden. In Tab. 4.10 werden drei Ereignisse der Vergangenheit und die aufgetretene Schadenssumme dargestellt. Es wird ersichtlich, dass Schäden in Höhe von 300 Millionen US Dollar in Deutschland (Wintersturm „Thorsten“) und Schäden in Höhe von 1730 Millionen US Dollar bezogen auf Europa möglich sind [153–156].

4  Planung klimagerechter Fabriken117 Tab. 4.10  Winterschäden in Europa und Deutschland

Datum

Schadensereignis Gebiet

Gesamtschäden in Mio. US Dollar

Beschreibung

25.01.–13.02.2012 Wintersturm „Thorsten“, Winterschäden

Nordrhein300 Westfalen, Niedersachsen

Windgeschwindigkeiten bis zu 100 km/h heftige Schnee- und Regenfälle

08.01.–13.01.2010 Winterschäden

Europa

1750

Schneestürme

25.11.–27.11.2005 Kältewelle, Winterschäden

Ost-, Süd-, Westeuropa

850

Schneeverwehungen bis zu 8 m, extremer Frost, Temperaturen bis −39 °C

Die Schäden aus den Winterstürmen und Schneemassen sind nicht immer direkt durch Schnee verursacht, dennoch besitzt dieser ein großes Schadenspotenzial. Die Auswirkungen von Schnee stellen sich als äußerst komplex heraus und hängen von einer Vielzahl an Faktoren ab. Hierzu zählen zum einen die Makrolage (Klimazone) und zum anderen die Mikrolage (z. B. kleinklimatische Situation). Zur Mikrolage können weiter die Meereshöhe des Geländes, die Witterungsexponiertheit des Gebäudes und die Lage zur Windrichtung betrachtet werden [8, 99]. In Tab.  4.11 sind Einflussfaktoren für die Verletzbarkeit durch Schnee und mögliche Folgen nach Makro- und Mikrolage aufgeschlüsselt. Die Schneemenge und das Gefahrenpotenzial von Schnee hängen von mehreren Faktoren und Einflüssen ab. Da die Folgen der Einflüsse noch weitere Folgen erzeugen, steigt die Komplexität der Planung erheblich an. Neben den dargestellten Einflüssen und Gefahren repräsentiert auch die steigende Niederschlagsmenge in den Wintermonaten eine weitere Gefahr. Schneedecken können Tab. 4.11  Einflussfaktoren für die Verletzbarkeit durch Schnee in Abhängigkeit des Standorts [8, 99] Faktoren

Einfluss

Folge

Folge

Makrolage

Klimazone

Klimazone bestimmt die Schneemenge

Mikrolage

Kleinklimatische Situation (Besiedlungsgrad, Ausrichtung der Gebäude)

Hohe Besiedlungsdichte

Höhere Temperaturen

Geringere Schneelast

Nordausrichtung

Weniger Sonneneinstrahlung

Höhere Schneelast

Meereshöhe des Geländes

Höhere Meereshöhe

Höhere Schneelast

Witterungsexponiertheit des Gebäudes

Höhere Exponiertheit

Höhere Schneelast und höhere Gefahr der Schneeverlagerung durch Wind

Lage der Windrichtung

Lage zur Windrichtung legt gefährdete Bereiche für höhere Belastungen durch Schneeverfrachtung fest

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zudem Flüssigkeit aufnehmen und hierdurch um ein Vielfaches schwerer werden [7]. Des Weiteren ergeben sich aus den baulichen Begebenheiten der Gebäude unterschiedliche Schadenspotenziale, bei denen zwischen der Geometrie, der Bauphysik und der Konzeption unterschieden wird. Weiterhin erzeugen die Faktoren – je nach Auslegung – unterschiedliche Einflüsse und aufgrund dessen stets verschiedene Folgenketten. In Tab. 4.12 werden ausgewählte Einflussfaktoren und die Verletzbarkeit durch Schnee aufgezeigt. Auffällig ist die hohe Anzahl von möglichen Faktoren sowie, die wiederum eine hohe Tab. 4.12  Weitere Einflussfaktoren für die Verletzbarkeit durch Schnee in Abhängigkeit des Standorts [8, 99] Faktoren Geometrie

Einfluss

Folge

Folge

Dachneigung

Höhere Dachneigung

Geringere Ablagerung von Schnee

Bessere Entwässerung

Struktur des Daches

Höhere Strukturiertheit

Höhere Anzahl von Stellen an denen sich Schnee anhäuft

Form des Daches

Form beeinflusst, wie viel Schnee auf dem Dach liegen bleibt

Größe der Dachfläche

Höhere Größe

Höhere Schneemenge

Spannweite des Daches

Größere Spannweite

Höhere Schnittgrößen infolge der Einwirkung durch Schnee

Höhe des Gebäudes

Größere Höhe

Höhere Windexposition

Dachaufbauten

Größere Anzahl Dachaufbauten

Höhere Anzahl von Stellen an denen sich Schnee anhäufen kann

Auskragungen

Größere Anzahl der Auskragungen

Mehr Schneeanhäufung durch herabfallenden Schnee von anderen Bauteilen

Stärkere Verwehung der Schneemengen

Höhere Gefahr der Schneeverlagerung

Eisbildung an kühleren Bauwerkstellen

Oberflächenrauigkeit Höhere Rauigkeit des Daches

Bessere Haftung des Schnees

Bauphysik

Wärmedurchgang an Dachflächen

Höherer Wärmedurchgang

Höhere Gefahr der Bildung von Schmelzwasser

Konzeption

Begehbarkeit der Dachdeckung

Bessere Begehbarkeit

Bessere Wartung

Einsehbarkeit und Zugänglichkeit

Höhere Einsehbarkeit

Bessere Wartung

Höhere Gefahr von Neueisbildung an anderen Stellen

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Planungskomplexität birgt. Regionen, die durch starken Schneefall gekennzeichnet sind, erzeugen komplizierte Planungsphasen und müssen tiefer geplant sowie durchdacht werden. Bei der Betrachtung der möglichen Gefahren durch Schnee sollten diese kategorisiert werden. Weller et al. identifizieren hierbei vier primäre Gefahrenbilder: • • • •

Schnee ohne Wind (gleichmäßige Schneeablagerung) Schnee mit Wind (ungleichmäßige Schneeablagerung) Schneerutsch (Gefahr für tieferliegende Gebäudekonstruktionen und Menschen) Eislast (durch Tau und erneuten Frost) [225].

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse werden in den folgenden Abschnitten die Messmöglichkeiten sowie die Auswirkungen auf die Fabrik aufgezeigt. Geeignete Messmöglichkeiten  Die Schneemessung wurde bereits in Abschn. 4.1.4 im Kontext der Überflutung durch Schneeschmelze beschrieben. Eine wichtige Entwicklung, welche in den nächsten Jahrzehnten beobachtet werden muss, stellen die Tage an denen Minusgrade vorherrschen und gleichzeitig Niederschlag zu erwarten ist dar. Durch die gewonnenen Daten können mögliche Entwicklungen ausgewertet und präzisere Planungen ermöglicht werden. Die Beobachtung und Analyse der möglichen Schneeentwicklung eines Standortes ist vor allem für die korrekte Auslegung von Gebäuden (speziell Dächer) entscheidend. Diese ist in verschiedenen Normen wie beispielsweise der DIN EN 1991-1-3: „Allgemeine Einwirkungen – Schneelast“ geregelt. Die Kraft, die durch die Schneemaße auf eine Fläche kN wirkt, wird in 2 angegeben [52]. Entscheidend bei der korrekten Auslegung ist die m Messung der richtigen Werte. So ist hier nicht die Schneehöhe, sondern das Schneegewicht entscheidend für eine korrekte Berechnung. Dabei gilt, dass Pulverschnee leichter als Nassschnee und Nassschnee leichter als Eis ist. Der Grund für die unterschiedlichen Gewichte liegt in der Dichte, der Lagerung des Schnees. Somit variiert das Schneegewicht stark und Dächer werden unterschiedlich belastet. In Tab. 4.13 werden für drei Schneearten die dazugehörigen typischen Gewichte aufgeführt. Das Gewicht einer Eisschicht ist neunmal so hoch wie das von frischem Pulverschnee [7]. Tab. 4.13  Schneeart und Schneegewicht [7] Schneeart

Schneegewicht

10 cm frischer Pulverschnee

10 kg m2

10 cm Nassschnee

40 kg m2

10 cm Eisschicht

90

kg m2

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Das Schneegewicht kann mit einfachen Möglichkeiten gemessen werden. Nachfolgend wird eines dieser Messverfahren anhand von Dachschnee erläutert: Zuerst wird mit einer Ausstechvorrichtung senkrecht zur Dachfläche ein Bohrkern über die gesamte Schneehöhe entnommen. Hierbei muss auch eine mögliche Eisschicht mit einbezogen werden. Danach wird der Bohrkern gewogen, um das Gewicht des Schnees in kg2 zu berechnen. m Beispielsweise ein Rohr mit einem Durchmesser von 10 cm, ausgestanztem Schnee mit einer Höhe von 70 cm sowie einem Gewicht von 0,5 kg führen zu einem Gewicht von 500 kg . m2

Mithilfe des Ergebnisses ist eine sinnvolle Abschätzung der Gefahr durch die Schneebelastung möglich, um gegebenenfalls Maßnahmen zur Beseitigung einzuleiten [38]. Auswirkungsanalyse  Infrastruktur:  Schneefall führt immer wieder zu massiven Einschränkungen im Straßenverkehr, mit Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit von Fabriken. Neben verschneiten und vereisten Straßen sind auch zugefrorene und vereiste Wasserwege in ihrer Funktion als Transportweg eingeschränkt. Obwohl Schneefall kurzfristig sicher prognostizierbar ist, führt dieser oft zu Überforderungen bei regionalen Straßenräumungsdiensten. Die Resultate sind Unfälle, Staus und somit Transportverzögerungen, die an die Fabriken angrenzende Verkehrsnetze, aber auch interne Verkehrsnetze betreffen [44]. Fallen die rechtzeitige Räumung des Schnees oder sinnvolle Präventionsmaßnahmen mit Streusalz aus, entsteht die Gefahr von Verdichtung und anschließender Vereisung des Schnees. Hierdurch können große Eisdecken entstehen, die durch mit Streusalzeinsatz nicht mehr beseitigt werden können [35]. Schneefall und Vereisung stellen auch für den Schienenverkehr ein erhebliches Problem dar. Meist führen vereiste Oberleitungen zu sichtbaren Lichtbögen, da Eis ein schlechter Leiter ist und die Stromabnehmer der Lokomotiven keinen ausreichenden Kontakt zur Leitung mehr haben. Je nach Vereisungsgrad kann dies bis zu einem vollständigen Ausfall der elektrischen Leitfähigkeit sorgen [61]. Gebäude:  Schnee und Eis sind vor allem für Gebäude eine Gefahr. Durch eine zu hohe Last können Gebäude beschädigt und zerstört werden. Eine korrekte und sinnvolle Auslegung der Gebäude ist somit obligatorisch. In DIN EN 1991-1-3 „Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 1-3: Allgemeine Einwirkungen Schneelasten“ ist die Auslegung der Tragwerke durch Schneelast geregelt [52]. Hierzu existieren zahlreiche Normen, die die Gebäudeauslegung regeln und die Gefahr minimieren. Um die Verletzbarkeit von Gebäuden bewerten zu können, müssen die betrachteten Bauteile im Vergleich zu den zur Verfügung stehenden Normen und Regelwerken betrachtet werden (vgl [225]). Neben den zuvor genannten primären Gefahrenbildern werden in der Literatur noch weitere sekundäre Gefahrenbilder genannt. Diese umfassen Planungsfehler (z.  B. nicht vorschriftsmäßige Dacheindeckung), Ausführungsfehler (z. B. nicht fachgerechte Ausführung der Dachhaut mit der Folge des Wassereintritts bei Frost-Tauwetter-Wechsel) sowie

4  Planung klimagerechter Fabriken121

mangelhafte Wartung (z.  B. defektes Entwässerungssystem verursacht Schmelzwasserrückstau) [225]. Es wird deutlich, dass die Dächer von Gebäuden extremen Lasten ausgesetzt werden und hierdurch Schäden verursachen können. Darüber hinaus sind die genannten Folgeschäden durch Schnee, wie beispielsweise die Beschädigung durch eindringendes Tauwasser, denkbar. Weitere Schäden treten durch tauen und erneutes erfrieren an anderen Stellen auf. Dies kommt häufig vor, wenn der Wärmedurchgang an den Dachflächen eines beheizten Dachgeschosses sehr groß ist. Das erneute Frieren kann zu einer verstärkten punktuellen Belastung führen, die für die Zerstörung anliegender Bauteile verantwortlich ist. Insbesondere Wasserentsorgungssysteme (Dachrinnen und Fallrohre) können auf diese Art Schaden nehmen und weitere Folgeschäden verursachen [116]. Maschinen:  Maschinen können durch die einwirkende Kälte und Feuchtigkeit beschädigt werden. Bei unbeschädigten Hallen betrifft das nur die Außenmaschinerie, die ein geringes Schadenspotenzial aufweisen. Dennoch können auch Maschinen in Innenbereichen bei einer möglichen Beschädigung der Gebäudehülle beschädigt werden. Mitarbeiter:  Schnee und Eis führen zu einer Verringerung des Reibungskoeffizienten zwischen Untergrund und anderen Materialien, wodurch sich das Verletzungsrisiko um ein Vielfaches erhöht. Mitarbeiter, die sich in vereisten Umgebungen fortbewegen, können sich durch Stürze Verletzungen zuziehen. Außerdem stellt die mit Schnee einhergehende Kälte eine ernstzunehmende Gefahr der Unterkühlung und Erfrierung dar. So führt dies zu Arbeitseinschränkungen, da unterkühlte Gliedmaßen ein Greifen und genaues Platzieren negativ beeinflussen und erheblich erschweren [180, 182]. Eine oft unterschätzte Gefahr sind Dachlawinen, welche an Gebäuden mit spitz zulaufenden Dächern bei hohen Schneemengen oder Tauwetter auftreten. Sind die Gebäudedächer zudem noch in großer Höhe, können Dachlawinen hohe Geschwindigkeiten und somit starke Kräfte entwickeln, die schwere bis tödliche Verletzungen induzieren können [87, 158]. Für Ältere und Mitarbeiter mit geschwächtem Immunsystem können Kälteperioden zu einer erhöhten Krankheits- und Mortalitätsrate führen. Asthma, Arthrose, Migräne, Rückenprobleme und Herzerkrankungen nehmen statistisch ab Temperaturen von −15 °C deutlich zu. Somit sind Mitarbeiter, die tiefen Temperaturen und direkter Witterung ausgesetzt sind, gefährdet [190, 219]. Mitarbeiter in Innenbereichen können durch die veränderte Lichtsituation durch zugeschneite Fenster beeinflusst werden. Gerade im Winter repräsentiert die Lichtsituation ein erhebliches Merkmal zur Mitarbeiterzufriedenheit, da Menschen in den kalten Monaten des Jahres zu Winterdepressionen neigen. Typische Symptome sind Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Verzagtheit, Ängstlichkeit und Traurigkeit [163]. Unternehmen sollten deshalb auf großzügige natürliche Beleuchtung achten, um das Risiko von Winterdepressionen zu vermindern. Fabrikprozesse:  Schnee führt vorrangig durch die Behinderung der Verkehrsinfrastruktur zu einer Beeinträchtigung der Fabrikprozesse. Neben der Verkehrseinschränkung können auch beschädigte Gebäude zu einer Produktionsbeeinträchtigung führen. Die

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Auswirkungen durch Schnee und Eis auf die Fabrikprozesse sind ähnlich wie die Auswirkungen durch Überflutung zu bewerten. Abschn.  4.1 zeigt, dass sich aufgrund der Folgen des Klimawandels verschiedenste Auswirkungen für Unternehmen ergeben. Auch in Kap. 2 wurden bereits Klimawirkungsketten beschrieben, die mittels Präventionsmaßnahmen eingedämmt werden sollten. Dies kann anhand von Anpassungsstrategien organisatorischer und technischer Natur oder indirekt durch die Reduzierung des klimaschädlichen Treibhausgasen realisiert werden. Diese beiden Möglichkeiten werden in den folgenden Kapiteln näher erläutert.

4.2

Teilaspekt Mitigation

Unter Mitigation sind die alle Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu verstehen. Besonders die Industrie ist ein wichtiger Verursacher von Treibhausgasen, allen voran CO2, das aufgrund seiner Klimawirksamkeit bei produzierender Unternehmen in Abschn. 4.2.1 genauer vorgestellt wird. Um diesen negativen Einfluss zu reduzieren, umfasst die Mitigation die Strategien der Reduzierung des Energieverbrauchs (vgl. Abschn. 4.2.2) sowie die Substitution von fossilen Energieträgern durch Einsatz regenerativer Energiequellen (vgl. Abschn. 4.2.3).

4.2.1 Klimawirksamkeit produzierender Unternehmen Die Klimawirksamkeit produzierender Unternehmen lässt sich unter anderem an den Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen feststellen. Hierbei sind 21 % der globalen Treibhausgasemission direkt auf die Industrie zurückzuführen, wie in Abb. 4.4 gezeigt ist [109]. Dennoch ist zu beachten, dass die Industrie indirekt Einfluss auf die Sektoren Energie (z. B. weitere 11 %), Transport und Bau besitzen [109]. Um einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, ist die klimaneutrale Fabrik die Vision der Industrie. In den Abschnitten energiebedingte Treibhausgasemissionen und prozessbedingte Treibhausgasemissionen werden diese Aspekte genauer analysiert. Der Weltklimarat IPCC schätzt, dass sich der industrielle Energiebedarf durch den umfassenden Einsatz modernster technologischer Verfahren um bis zu 25 % senken lässt. Zudem kann der Energiebedarf mit neuen potenziellen Technologien um weitere 20 % reduziert werden. Dies würde gleichzeitig die Treibhausgasemission senken. Der Einsatz dieser energieeffizienten Technologien wird jedoch zumeist durch die dafür notwendigen hohen Investitionen gehemmt. Ein weiterer Ansatz stellt die Dekarbonisierung der Energieerzeugung dar. Dekarbonisierung bezeichnet den Verzicht auf fossile Energieträger, indem diese durch Einsatz von erneuerbaren Energien oder die Atomenergie ersetzt werden, sodass keine Treibhausgase, bzw. nur in dem Maße wie diese von dem Ökosystem kompensiert werden kann, emittiert werden. Auf diese Weise lässt sich der Anteil energiebedingter Treibhausgasemissionen reduzieren [110]. Im Industriesektor besteht ein großes Potenzial, durch die Reduktion dieser Emissionen, Einfluss auf die Entwicklung des Klimawandels zu nehmen.

4  Planung klimagerechter Fabriken123

Abb. 4.4  Weltweite Treibhausgasemissionen nach Sektoren [109]

Analog zu den beiden Strategien wird nachfolgend zuerst auf die Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs eingegangen, um anschließend die verschiedene Varianten der erneuerbaren Energieerzeugung zu betrachten. Die Atomenergie wird aufgrund der von der Bundesregierung im Jahr 2011 beschlossenen Beendigung der Kernenergienutzung bis zum Jahr 2022 nicht Gegenstand der Betrachtung sein.

4.2.1.1 Energie- und prozessbedingte Treibhausgasemissionen Die energiebedingten Treibhausgasemissionen entstehen während der Umwandlung von fossilen Energieträgern in thermische beziehungsweise elektrische Energie. Die Emissionen werden besonders im Energie-, Haushalts- und Verkehrssektor verursacht. Zu beachten ist, dass die Emissionen, die bei der Verwertung von Biomasse entstehen, im Gegensatz zu denen aus fossilen Brennstoffen als CO2-neutral bewertet werden [76]. Im Rahmen der Berichterstattung der Klimarahmenkonvention wurden die absoluten Treibhausgasemissionen der fünf Sektoren „Haushalte“, „Gewerbe, Handel, Dienstleistung“, „Industrie“, „Verkehr“ und „Energiewirtschaft“ als CO2-Äquivalent für den Zeitraum 1990 bis 2014 in Deutschland ermittelt. Die Industrie verursachte Emissionen von 120 Mio. t CO2-Äquivalent, das einem Anteil von 16 % entspricht [211]. In Abb. 4.5 wird

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Abb. 4.5  Endenergieverbrauch der Industrie nach Anwendungsbereichen 2015 in % (in Anlehnung an [23])

der Energieverbrauch der Industrie nach Anwendungsbereichen für 2015 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Bereitstellung für sonstige Prozesswärme mit einem Anteil von 65  % der verwendeten Endenergie die größte Bedeutung aufweist. Die Anwendungen mechanische Energie und Raumwärme folgen darauf mit 23 % bzw. 7 % [23]. In der Industrie treten nicht nur energiebedingt Emissionen auf, sondern auch bestimmte Produktionsprozesse emittieren Treibhausgase. Dabei eingesetzte fossile Energieträger oder Rohstoffe, die nicht energetisch, sondern stofflich verwendet werden, verursachen Treibhausgasemissionen, die in Abhängigkeit des Produktionsvolumens prozessbedingt entstehen [76]. Diese Emissionen nehmen einen Anteil von 7 % der Gesamtemissionen in Deutschland ein [202]. Beispiele für prozessbedingte Treibhausgasemissionen sind die Herstellung mineralischer Produkte wie Zement und Kalk, die auch in der Chemie- und Metallindustrie vermehrt auftreten [196].

4.2.2 Reduzierung des Energieverbrauchs Im vorherigen Unterkapitel wurde gezeigt, dass die Industrie ein wesentlicher Energieverbraucher und damit ein bedeutender Verursacher von klimaschädlichen Treibhausgasen ist. Um die negativen Auswirkungen auf das Klima kontinuierlich zu reduzieren, müssen langfristig die Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen reduziert werden. Die planerische Festlegung des Energieverbrauchs und der Zeitpunkt des tatsächlichen

4  Planung klimagerechter Fabriken125 Abb. 4.6  Festlegung des Energieverbrauchs und tatsächlicher Energieverbrauch über den Fabriklebenszyklus [152]

Energieverbrauchs einer Fabrik finden in unterschiedlichen Phasen des Fabriklebenszyklus statt. Wie in Abb. 4.6 dargestellt, wird der zukünftige Energieverbrauch einer Fabrik bereits während der Fabrikplanung festgelegt, der jedoch erst während der späteren Betriebsphase wirksam wird. Somit ist während der Fabrikplanung besonders auf den Energieverbrauch der zu planenden Fabrik zu achten, da hier das künftige Fabriksystem festgelegt wird [124, 227]. Korrekturen in späteren Phasen sind nur begrenzt möglich. Die Festlegung des Energieverbrauchs einer Fabrik ist eng mit der Klimawirksamkeit verbunden [227].

4.2.2.1 Abgrenzung Energieeffizienz und Energiesparen Energieeffizienz und Energiesparen sind Begriffe, die im allgemeinen Sprachgebrauch oftmals als Synonym füreinander verwendet werden. Die Bedeutung der Begriffe erfordern bei näherer Betrachtung eine Abgrenzung. Energieeffizienz kann durch den in der Volkswirtschaftslehre verwendeten Begriff Energieintensität oder dessen Kehrwert Energieproduktivität beschrieben werden. In der Produktion wird die Intensität als Primärenergieverbrauch je Einheit des Produktes beschrieben und ist somit ein Maß für die zur Produktion benötigte Energie [111]. Da Unternehmen nicht direkt auf Primärenergie, sondern auf die bereits mit unterschiedlichen Verlusten (Umwandlungsverluste, Transportverluste etc.) behaftete Endenergie zurückgreifen, gilt es, eben jene möglichst effizient einzusetzen [165]. Als Endenergie wird dabei die Energie bezeichnet, die letztendlich in Form von Öl, Strom oder Gas beim Unternehmen ankommt und dessen Verbrauch abgerechnet wird [105]. Abb. 4.7 verdeutlicht, dass 34 % der Primärenergie bereits verlustig sind, bevor Unternehmen überhaupt die Möglichkeit haben, diese so effizient wie möglich einzusetzen.1 Für Großunternehmen mit eigenem Kraftwerk gilt diese Aussage nicht. Aufgabe der Unternehmenspolitik ist in diesem Fall tatsächlich die möglichst effiziente Nutzung der Primärenergie.

1

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Abb. 4.7  Energiebilanz Primär- zu Endenergie [113]

Die Energieeffizienz lässt sich durch „technische, organisatorisch-institutionelle und Struktur verändernde Energieeinsparhandlungen“ erhöhen [111]. Beispielsweise können eine verbesserte Wärmedämmung oder der Einsatz von Energiesparlampen diese verbessern. Demzufolge handelt es sich bei der Steigerung der Energieeffizienz üblicherweise um einen Substitutionsprozess. Bei den genannten Beispielen wird erhöhter Energieeinsatz durch den Produktionsfaktor Kapital ersetzt. Beispielsweise wird in bessere Materialien investiert. Aber auch weniger offensichtliche Substitutionen, wie der Einsatz von Humankapital zum Planen oder Kontrollieren zum Zweck eines reduzierten Energieeinsatzes, lassen sich der Steigerung der Energieeffizienz zuordnen. Das Energiesparen geht über diesen Substitutionsprozess hinaus und umfasst zusätzlich den Verzicht auf die Inanspruchnahme einer Energiedienstleistung oder den Tausch eines Bedürfnisses gegen ein weniger energieintensives. Energieeffizienz ist somit als ein Teilbereich des Energiesparens anzusehen [165]. Beispielhaft für einen Energiesparprozess durch Verzicht wäre die Substitution einer Flugreise durch die Fahrt in einem vollbesetzten Bus, der auch ohne den Wechsel von Einzelpersonen gefahren wäre. Ausgehend von diesem Energieeffizienzverständnis wird nachfolgend eine Übersicht von relevanten Energiegrundlagen im Fabrikbetrieb vorgestellt. Im Fokus stehen dabei Handlungsfelder, in denen mit relativ einfachen Maßnahmen Verbesserungen der Energieeffizienz oder des Energieverbrauchs umgesetzt werden können. Um das Erfolgspotenzial einzelner Maßnahmen zu verdeutlichen, wird die potenzielle Verbesserung einzelner Maßnahmen gegenüber dem Status quo in Prozent angegeben.

4.2.2.2 Handlungsfelder zur Verbesserung der Energieeffizienz Um Schwachstellen der Energiebereitstellung in der Fabrik für eine anschließende Eliminierung ausfindig zu machen, ist es zunächst notwendig, einen Überblick über relevante Prozesse und Technologien zu geben. Nachfolgend wird auf die sechs in Abb. 4.8 dargestellten Handlungsfelder im Hinblick auf Energieeffizienzsteigerung eingegangen.

4  Planung klimagerechter Fabriken127 Abb. 4.8  Handlungsfelder der Effizienzsteigerung

Allgemein gilt für die Handlungsfelder, welche auch Querschnittstechnologien sind, dass Unsicherheiten in der Planung häufig mit Überdimensionierung begegnet werden. Überdimensionierung ist jedoch „der Feind der Effizienz“ und im Sinne einer hohen Energieeffizienz zu vermeiden [105]. Im folgende Unterkapitel wird auf die Energieeffizienz im Kontext der Beleuchtung näher eingegangen.

4.2.2.3 Beleuchtung Bei der Planung der Beleuchtung von Büro-, Lager- und Fabrikgebäuden sind neben der Energieeffizienz weitere Faktoren zu beachten. Die in DIN EN 12464-1 „Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen“ definierten Mindestwerte für Arbeitsplätze geben eine Hilfe zur richtigen Arbeitsplatzgestaltung. Beispielsweise wird für Montagetätigkeiten im Automobilbau ein Wert von > 500  lx angegeben. In der Endkontrolle sind dagegen > 1000 lx erforderlich [25, 59]. Die Ausleuchtung hat einen Einfluss auf die Qualität der Arbeit, die Ermüdung sowie das Wohlbefinden des Mitarbeiters. Zur Planung der Beleuchtung sind unbedingt die Vorgaben zu berücksichtigen, die die EU-Verordnung 245/2009 (Verordnung zur „Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Leuchtstofflampen ohne eingebautes Vorschaltgerät, Hochdruckentladungslampen sowie Vorschaltgeräte und Leuchten“) stellt. Diese Vorgaben wurden in die Richtlinie 2009/125/ EG, (auch bekannt als Ökodesignrichtlinie) überführt. Beide Verordnungen beinhalten, dass nur Leuchtmittel verwendet werden dürfen, die auch die genannten Mindestanforderungen an Energieeffizienz erfüllen. Bei der Beleuchtung handelt es sich um den Bereich mit den „relativ gesehen (…) größten und am einfachsten zu realisierenden Energieeffizienzpotenzialen“ [191]. Je nach Quelle werden die Einsparpotenziale auf 30 bis 50 % beziffert [105, 191]. Der relative Anteil der Beleuchtung am Endenergieverbrauch der deutschen Industrie liegt nur zwischen rund 0,5 und 1,8 % [152]. Auch hohe Einsparungsraten wirken sich somit nur geringfügig auf den Gesamtverbrauch aus. Dennoch sollte die Beleuchtung, insbesondere aufgrund der Einfachheit der möglichen Maßnahmen, Einzug in jeden Verbesserungsmaßnahmenkatalog finden. Von Bedeutung ist eine Steigerung der Energieeffizienz in diesem Bereich, da Investitionen für neue Technologien gegenüber den Lebenszykluskosten vergleichsweise gering

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Abb. 4.9  Energieeinsparmaßnahmen Beleuchtung

ausfallen. Bis zu 50 % der entstehenden Gesamtkosten für die Beleuchtung nehmen die Betriebskosten für elektrische Energie ein [105]. Um diese Kosten bei ausreichender Beleuchtung unter Beachtung neuester arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse gering zu halten, bieten sich für Unternehmen die fünf Komponenten Vorschaltgeräte, Leuchten, Lampen, intelligente Steuerung und natürliche Lichtverhältnisse an. Während hiervon vier Lösungen aus rein technische Art abzielen, handelt es sich bei der Nutzung natürlicher Lichtverhältnisse um die möglichst optimale Nutzung des Tageslichtes. Um eine energieeffiziente Beleuchtung zu erhalten, sind alle Komponenten der Beleuchtung zu berücksichtigen (vgl. Abb. 4.9). Im unteren Teil der Abbildung sind Einsparpotenziale von bis zu 81 % gegenüber der Ausgangssituation mit Leuchtstofflampen und einem konventionellen Vorschaltgerät (T-8-Leichtstoffröhre, 26 mm Durchmesser). Allein der Einsatz eines verlustarmen Vorschaltgeräts reduziert den Energieverbrauch um 7 % [105]. Energieeffiziente Vorschaltgeräte Energieeffiziente Vorschaltgeräte und deren Komponenten stehen eng mit der Auswahl der Lampen in Zusammenhang. Vorschaltgeräte werden sowohl bei Gasentladungslampen, als auch bei Leuchtstoffröhren benötigt. Die Komponenten stellen sicher, dass sich die zum Einschalten beziehungsweise Zünden der Lampen notwendige Stoßionisation nicht zu einer lawinenartigen Ionisation ausweitet, in deren Folge der dann vorliegende erhöhte Strom die Lampe zerstören würde [105]. Grundsätzlich werden zwischen konventionellen Vorschaltgeräten (KVG), die auf einer magnetischen Funktionsweise basieren, sowie den elektronischen Vorschaltgeräten (EVG) unterschieden. Die Darstellung der Energieeffizienz der verschiedenen Funktionsweisen

4  Planung klimagerechter Fabriken129

wird mithilfe des Energy-Efficiency Index (EEI) und den Klassen A1, A2, A3, B1, B2, C und D bestimmt. Vorschaltgeräte der Klassen C und D dürfen nicht mehr verwendet werden [231]. In älteren Lampen sind Geräte dieser Bauart weiterhin im Einsatz, sollten jedoch im Zuge eines energieeffizienten Fabrikbetriebes mit einem elektronisch betriebenen Gerät ausgetauscht werden. Grundsätzlich lassen sich durch einen Wechsel von magnetischer auf elektronischer Vorschaltgeräte folgende energiebezogenen Vorteile realisieren: • Verringerung der Wärmeverlustleistung um 30–40 % • Erhöhung der Lebensdauer von Leuchtstofflampen um circa 40 % • Verringerung der Verlustleistung um bis zu 60 % [207]. Besonders effizient lassen sich elektronische Vorschaltgeräte immer dann verwenden, wenn sie funktionell zum Dimmen ausgelegt sind [41]. Energieeffiziente Leuchten  Für die effiziente Betrachtung besonders relevant ist bei der Auslegung von Leuchten der sogenannte Leuchteneffizienzfaktor, der ein Maß für den von einer Leuchte (mit Leuchtmittel) abgegebenen Lichtstrom in Bezug zur eingesetzten elektrischen Leistung darstellt. Steigern lässt sich dieser Faktor primär durch eine optimale Gestaltung von Leuchten mit Reflektoren. Durch diese wird beispielsweise das von einer Leuchtstofflampe in alle Richtungen ausgestrahlte Licht „eingefangen“ und unter anderem das nach hinten abgegebene Licht nach vorne umgelenkt [152]. Je nach Bauart der Reflektoren lässt sich das Licht gemäß gewünschtem Verwendungszweck entweder diffus verteilen oder wie beschrieben gezielt lenken. Veraltete Lampen mit fehlenden Reflektoren müssen nicht vollständig ausgetauscht werden, sondern lassen sich preisgünstig nachrüsten [105]. Durch den Einsatz energieeffizienter, mit Reflektoren ausgestatteter Leuchten lässt sich ein Energieeinsparungspotenzial von bis zu 15 % gegenüber technisch veralteten Geräten erreichen [41]. Versuche ergaben, dass mehr als eine Verdopplung der Beleuchtungsstärke gegenüber dem Einsatz einer baugleichen Lampe ohne Reflektoren möglich sind. Die Beleuchtungsstärke gibt den Lichtstrom an, der von einer Lichtquelle (Leuchtmittel) unter Berücksichtigung des Einfallswinkels auf eine bestimmte Fläche trifft [105]. Dehoff erkennt neben dem relativ großen Energiesparpotenzial zudem Probleme im Zusammenhang mit dem vollen Ausreizen der aufgewendeten Energie. Hierbei kann beispielsweise der Einsatz von Reflektoren zu störenden Blendungen führen oder das Licht konzentriert sich nur auf einen Arbeitsplatz, sodass eine für Arbeitstätigkeiten ebenfalls notwendige Ausleuchtung des Raumes vernachlässigt wird [41]. Energieeffiziente Lampen Bei der Auswahl der passenden Lampe gehen die Möglichkeiten heutzutage weit über die Differenzierung nach der Wattzahl bei Glühlampen hinaus. Unterschiedliche Beleuchtungsaufgaben oder Situationen stellen unterschiedliche

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Abb. 4.10  Einteilungen von Lampen in Gruppen

Anforderungen an Lampen. Grundsätzlich werden diese, wie in Abb.  4.10 aufgezeigt, je nach Art der Lichterzeugung in die Gruppe der Temperaturstrahler oder (Gas-)Entladungslampen eingeteilt. Darüber hinaus existieren noch Light Emitting Diodes (LED), bei denen die Lichtstrahlung aus Elektronenübergängen zwischen verschiedenen Energiebereichen resultiert und die sich damit nicht in eine der beiden anderen genannten Kategorien einordnen lassen. In der Industrie beziehungsweise in Industriehallen befindet sich seit vielen Jahren vornehmlich die (Hochdruck-)Quecksilberdampflampe im Einsatz. Neuere, effizientere Halogen-Metall- und Natriumdampflampen weisen jedoch höhere Einsparpotenziale auf. Halogen-Metalllampen weisen aufgrund einer deutlich besseren Lichtausbeute eine ca. 50-prozentige, Natriumdampflampen sogar eine über 60-prozentige Effizienzsteigerung gegenüber einer Quecksilberdampflampe auf [165]. Eine besonders hohe Lichtausbeute ist der Natriumdampf-Niederdrucklampe zuzuschreiben, die allerdings zulasten einer hohen Farbtreue erreicht wird und aus diesem Grund nicht für alle Bereiche der Produktion geeignet ist. Fast ausnahmslos einsetzbar ist dagegen die Natriumdampf-Hochdrucklampe mit einer stark verbesserten Farbwiedergabe, in diesem Fall aber unter Beeinträchtigung der Lichtausbeute. Halogen-Metalldampflampen kombinieren eine durchschnittliche, jedoch der Quecksilberlampe deutlich überlegene Lichtausbeute von ca. 200  lm/W mit guten Farbwiedergabeeigenschaften, die für den Einsatz in größeren Industriehallen prädestiniert ist. Zu beachten ist, dass die Hochdrucklampen nicht sofort nach Einschalten ihre volle Leistung liefern können, sondern einige Minuten Vorlaufzeit benötigen [231]. Tab. 4.14 fasst die genannten Eigenschaften anschaulich zusammen. Tab. 4.14  Eigenschaften einzelner Lampen Lichtausbeute

Farbtreue

Natriumdampf-Niederdrucklampe

++



Natriumdampf-Hochdrucklampe

+

+

Halogen-Metalldampflampe

o

++

Quecksilberlampe





Legende: ++ (sehr gut) bis –– (sehr schlecht)

4  Planung klimagerechter Fabriken131

Die Aufgabe der Beleuchtung im industriellen Bereich ist im Wesentlichen das Ausleuchten großer und hoher Räume. Bei der Auslegung des Beleuchtungskonzeptes gilt es, die durchzuführende Arbeitsaufgabe zu beachten. Nach Empfehlung der DIN-Norm DIN EN 12464-1:2003-03 „Licht und Beleuchtung – Beleuchtung von Arbeitsstätten – Teil1: Arbeitsstätten in Innenräumen“ sollten beispielsweise Räume einer Feinmechanik-Werkstatt sehr viel heller ausgeleuchtet werden (ca. 2000  lx) als ein Lager (bis ca. 200  lx) [55, 59]. Gegenwärtig werden im Rahmen der Bürobeleuchtung Restbestände an Glühlampen zunehmend von Energiesparlampen verdrängt: Energiesparlampen der aktuellen Entwicklungsstufe weisen Energiesparpotenziale von bis zu 80 % gegenüber der klassischen Glühlampe auf. Ein Austausch von Bürobeleuchtung dieser Art lässt sich trotz deutlich höherer Anschaffungskosten aufgrund der bis zu zehnmal längeren Lebensdauer und Energiekosteneinsparungen wirtschaftlich umsetzen. Aktuell erfreut sich die energiesparende Diodentechnik wachsender Beliebtheit, allerdings kommt sie bisher nur selten in Industriehallen zum Einsatz. Aufgrund der hohen Energieeffizienz und der breiten Anwendungsmöglichkeiten ist zu erwarten, dass zukünftig vermehrt LED-Systeme zum Einsatz kommen. Intelligente Steuerung Intelligente Steuerungsmaßnahmen der Beleuchtung, oftmals auch als Lichtmanagement bezeichnet, können in zwei übergeordneten Kategorien zugeordnet werden: Dem Steuern nach personeller Besetzung beziehungsweise Anwesenheit und dem Steuern nach Helligkeitszustand. Steuerung nach Besetzung beschreibt eine Steuerung des Lichtes in Abhängigkeit der Nutzung eines Raumes. Mittels Bewegungssensoren wird nach längerer Zeit ohne Bewegung das Licht automatisch ausgeschaltet, bis eine erneute Bewegung identifiziert wird. Diese Steuerungsart eignet sich bei stark frequentierten Räumen nur bedingt, da sich häufiges Ein- und Ausschalten negativ auf die Lebensdauer vieler Lampenarten auswirkt [106]. Elektronische Vorschaltgeräte können diesem Problem durch Erhöhen der Schaltfestigkeit entgegenwirken. Über Sensoren lassen sich beispielsweise Dimmer steuern oder Lampen gezielt ab- und zuschalten. Ziel ist es, eine ausreichende Beleuchtung entsprechend der im Beleuchtungsbereich vorzunehmenden Tätigkeiten zu gewährleisten [105]. Nicht erstrebenswert ist es dagegen, die Beleuchtung konstant zu halten [41]. Auch dies führt bei ausreichend Tageslicht lediglich zur Überdimensionierung der Beleuchtungsstärke und damit zum Verschwenden von Energie. Theoretisch ist eine rein manuelle Steuerung ohne Sensor möglich. Der Erfolg solch einer Maßnahme hängt allerdings sehr stark vom Verhalten der Beteiligten ab, sodass die Realisierung großer Einsparpotenziale fraglich ist [6]. Investitionen in die Sensortechnik sind bei fensterfernen Arbeitsplätzen zu vernachlässigen, da die dort herrschenden Lichtverhältnisse relativ konstant sind und eine dynamische Anpassung des Lichts somit entfallen kann [6]. In größeren Produktions- oder Lagerhallen ist darüber hinaus die Installation getrennter Schaltkreise sinnvoll, um eine bereichsindividuelle Steuerung zu ermöglichen [105].

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Einsparpotenziale liegen bei einer nach Helligkeit gesteuerten Lampe bei circa 30 % gegenüber einer nicht dimmbaren. Eine optionale Steuerung nach Besetzung realisiert ein weiteres Einsparpotenzial von rund 10 % [105]. Lichtverhältnisse  Die Nutzung des Tageslichtes schließt die Bereiche Architektur des Gebäudes und die Fenstergestaltung mit ein [41]. Somit lassen sich nicht alle Aspekte wie zuvor beschrieben „einfach umsetzen“, sondern sind vorrangig beim Planungsfall Neuplanung zu berücksichtigen. Allerdings kann durch Verwendung heller, reflektierender Farben an Wänden, Decken, Fußböden und Arbeitsflächen auch nachträglich die Ausnutzung von Tageslicht und künstlichem Licht verbessern und Energie zur künstlichen Beleuchtung eingespart werden [152]. Diese Maßnahmen erhöhen die Effizienz und reduzieren den Gesamtverbrauch. Die dafür zu veranschlagenden Zusatzinvestitionen können jedoch über denen der Einsparungen liegen [105]. Dennoch sollte neben der wirtschaftlichen Betrachtung der Energieeffizienz berücksichtigt werden, dass Tageslicht einen wichtigen Beitrag für das Wohlbefinden arbeitender Menschen leistet [83].

4.2.2.4 Druckluft Mehr als 10  % der in der Industrie eingesetzten elektrischen Energie wird zur Erzeugung von Druckluft benötigt [104]. Die Nutzung von Druckluft sollte insbesondere aufgrund seines schlechten Wirkungsgrads in den Fokus von Energieeffizienzmaßnahmen genommen werden. Nur 4–7 % der ursprünglich eingesetzten Energie steht in der Produktion durch Druckluft als mechanische Energie zur Verfügung, während der Großteil der eingesetzten Energie unter anderem als Kompressor- oder Ventilverluste verschwendet wird [152]. Bis zu 90 % der zur Erzeugung von Druckluft aufzuwendenden Energie geht als Wärme verloren.2 [205]. Die bei der Druckluft anfallenden Gesamtlebenszykluskosten werden weitergehend durch die Energiekosten bestimmt. In Abhängigkeit von den Betriebsstunden des Kompressors sind 70–90 % der Gesamtlebenszykluskosten den Energiekosten zuzuordnen [183]. Das Energieeinsparpotenzial wird auf 30 % bis zu 50 % geschätzt [105, 174]. Während sich Energieeffizienzsteigerung bei Druck die maximale Einsparung nur bei Neuplanungen bzw. den vollständigen Austausch der gesamten Druckluftanlagen realisieren lassen, sind bereits beim Instandhalten oder Austausch von Einzelkomponenten Verbesserungen zu erzielen. Tab. 4.15 beschreibt den Beitrag einzelner Maßnahmen. Dabei ist aber zu beachten, dass das tatsächliche Effizienzsteigerungspotenzial sich aus dem prozentualen Anteil an Anlagen ergibt, bei denen die Durchführung der Maßnahmen wirtschaftlich anwendbar ist. Das relativ niedrige Potenzial von 2 % unter „Optimierung von Druckluftgeräten“ lässt sich beispielsweise dadurch erklären, dass diese grundsätzlich sehr effiziente Maßnahme nur bei rund 5 % der in Deutschland bestehenden Anlagen wirtschaftlich durchführbar ist [174]. Endgültig „verloren“ geht die Energie dabei allerdings nur, wenn keine effiziente Wärmerückgewinnung eingesetzt wird. Vgl. dazu beispielsweise [152].

2

4  Planung klimagerechter Fabriken133 Tab. 4.15  Energieeffizienzsteigerung bei Druck (in Anlehnung an [174]) Maßnahme

Effizienzgewinn

Potenzial

Verminderung von Leckageverlusten

20 %

16,0 %

Gesamtanlagenauslegung inkl. Mehrdruckanlagen

9 %

4,5 %

Wärmerückgewinnung für Nutzung in anderen Funktionen

20 %

4,0 %

Verbesserte Antriebe

15 %

3,8 %

Einsatz effizienter und übergeordneter Steuerungen

12 %

2,4 %

Technische Optimierung des Kompressors

7 %

2,1 %

Optimierung von Druckluftgeräten

40 %

2,0 %

Andererseits existieren zahlreiche Maßnahmen, dessen Investitionen sich in sehr kurzer Zeit – teilweise in weniger als einem Jahr – amortisieren [81]. Ein Beispiel hierfür könnte der Einbau eines Kugelhahns mit Schaltuhr, der das automatische Abkoppeln von Teilen des Leitungsnetzes ermöglicht, darstellen. Der Investition stehen jährliche Einsparungen in etwa gleicher Höhe gegenüber [12]. Von besonderer Bedeutung für die Effizienzsteigerung ist die Behebung von Leckageverlusten. Diese Leckstellen haben eine Wirkung wie eine Düse an denen ohne Unterbrechung ein Druckluftverlust stattfindet. Somit lassen sich durch Reparatur von Leckagestellen schnell große Einsparungen realisieren. Ein lediglich 1 mm großes Loch in einer unter einem Druck von sechs bar stehenden Druckluftleitung verantwortet bereits einen Verlust von circa 1 Liter Luft pro Sekunde – oder monetär ausgedrückt: von 500 Euro pro Jahr [105]. Die Beseitigung von Leckagen ist somit eine elementare Aufgabe zum Verbessern der Energieeffizienz von Druckluftsystemen. Dennoch bleibt die Drucklufttechnik aufgrund thermodynamischer Gesetzte eine relativ ineffiziente Technologie. Neue Ansätze zum Erreichen einer verbesserten Energieersparnis versuchen daher, Druckluft so weit wie möglich durch elektromechanische Anlagen zu ersetzen und Druckluftanwendungen auf ein Minimum zu reduzieren. Während eine Druckluftanlage einen extrem geringen Wirkungsgrad aufweist, lassen sich bei elektromechanischen Systemen zwischen 70 und 80 % der Endenergie in Nutzenergie umwandeln [105]. Versuche an einzelnen Komponenten zeigten ein Einsparungspotenzial von bis zu 95 % pro Jahr, welches die höheren Investitionskosten für elektromechanische Anlagen bereits nach etwas mehr als einem Jahr amortisieren ließe.3 [171]. Die Substitution pneumatischer Anlagen ist folglich auch wirtschaftlich interessant und sollte bei Neuplanung oder dem Austausch einzelner Komponenten berücksichtigt werden. Im Rahmen der zitierten Untersuchung wurden die Unterschiede von pneumatischen und elektromagnetisch betriebenen Linearzylindern analysiert. 3

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4.2.2.5 Elektromechanische Antriebe Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld sind elektromechanische Antriebe. Dies hat die möglichst energieeffiziente Nutzung von Elektromotoren zum Gegenstand. Die hohe Bedeutung zeigt sich daran, dass bis zu 70 % der Stromkosten eines Industriebetriebes diesem Bereich zugeordnet werden [184]. Der Beschaffungspreis ist heutzutage immer noch ausschlaggebend für die Anschaffung neuer Motoren, obwohl der Anteil der Energiekosten an den Gesamtlebenszykluskosten mit bis zu 99  % sogar noch höher als bei Druckluftanlagen liegt [10]. Daher wird die Auswahl bei der Anlageninstallation anhand der seit 2010 geltenden Norm DIN EN 60034-2: Drehende elektrische Maschinen zugunsten effizienterer Antriebe beschränkt [60]. Gemäß der genannten Norm ist seit 2011 die Neuanschaffung von Geräten der IE1 Klasse verboten. Ab 2015 werden die Mindesteffizienzstandards weiter erhöht, sodass auch Geräte der Klasse IE2 nur dann noch neu installiert werden dürfen, wenn sie drehzahlregelbar ausgelegt sind. Ansonsten müssen Motoren die Anforderungen der Klassen IE3 oder IE4 erfüllen. In der Vergangenheit trat diese Vorgabe erst für Motoren mit Nennleistung zwischen 7,5 und 375 kW ein, ab 2017 erfolgt eine Ausweitung auf Motoren mit Leistung ab 0,75 kW [21]. Die Wirtschaftlichkeit von Motoren, hoher Klassen gegenüber denen niedriger Klassen, ist bei einer großen Betriebsstundenzahl – aufgrund der Effizienz trotz der höheren Beschaffungskosten – immer gegeben. Demzufolge wird bei Elektromotoren mit geringer jährlicher Betriebsstundenzahl verhindert, dass ein Ausweichen auf ineffizientere Motoren erfolgt. Die Zuordnung zu den einzelnen Effizienzklassen erfolgt anhand der von der EU-Kommission vorgegebene Nenn-Mindesteffizienz. Der erforderliche Mindestwert errechnet sich dabei aus der Nennausgangsleistung und der Polanzahl des Motors. So weist ein Antrieb mit 200 bis 375 kW Nennleistung und vier Polen in der Klasse IE3 eine Effizienz von 96 % auf. Dagegen wäre für einen baugleichen Motor mit einer geringen Nennleistung von 0,75 kW für die Klasse IE3 eine Effizienz von 87,7 % ausreichend. Der Einsatz hocheffizienter Elektromotoren weist ein Einsparpotenzial von bis zu 80 % auf. Dabei stellt die Verwendung eines Antriebs mit variabler Drehzahl die wirksamste Maßnahme dar, die ein Einsparpotenzial von bis zu 50 % aufweist. Tab. 4.16 stellt das Einsparpotenzial von elektrischen Antrieben bei verschiedenen Maßnahmen dar. Tab. 4.16  Energieeinsparpotenziale bei elektrischen Antrieben. (Nach [10]) Maßnahme

Einsparpotenzial

Antriebe mit veränderlicher Drehzahl

10–50 %

Getriebe mit hoher Effizienz

2–10 %

Energieeffiziente Motoren

2–8 %

Schmierung, Einstellung und Feinabstimmung

1–5 %

Korrekte Dimensionierung

1–3 %

Qualität der Stromversorgung

0,5–3 %

Energieeffiziente Motorenversorgung

0,5–2 %

4  Planung klimagerechter Fabriken135

Dabei ist zu beachten, dass sich ein Umrüsten selten wirtschaftlich abbilden lässt, sondern die Einsparpotenziale nur bei einem vollständigen Austausch des Elektromotors realisierbar sind. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass bei der Planung der Produktion bereits auf die Energieeffizienz zu achten ist, um Mehrkosten im Betrieb oder aufgrund eines daraus resultierenden Austauschs zu vermeiden [191].

4.2.2.6 Prozesskälte In vielen produzierenden Unternehmen erfordern Produktionsprozesse die Bereitstellung von Kälte. Unter Kälte ist keine eigene Energieform zu verstehen, sondern die Abwesenheit von Wärme. Die Kälteerzeugung im industriellen Sinne wird durch das Abführen von Wärme erreicht. Dazu ist ein energetischer Aufwand zu betreiben, welcher einen weiteren Ansatzpunkt für Energieeinsparungen bietet [105]. Beispielhaft zeigt Abb. 4.11 Prozesse, die den Einsatz von Kälte benötigen. Die für die Prozesse notwendigen Temperaturbereiche sind dabei stark heterogen und können je nach Anwendungsfall zwischen +20 °C bei Maschinenkühlung und −182 °C bei Gasverflüssigung liegen [4]. Bei der Gestaltung von energieeffizienten Prozessen ist das primäre Ziel, den benötigten Kältebedarf zu minimieren, sodass der Aufwand zur Wärmeabfuhr möglichst niedrig ausfällt. Zudem sind die einzusetzenden Anlagen so zu optimieren, dass auch der Kältebedarf energieeffizient erbracht wird [21]. Für die Prozesskälte gilt, dass der Grundstein energieeffizienter Kälteanwendungen bei der Neugestaltung von Anlagen gelegt wird. Einzelne nachträgliche Maßnahmen mit bis zu 50 % Einsparpotenzial (vgl. Tab. 4.16) sind bei Kälteanlagen nicht realistisch. Schmid beschreibt kleinere Maßnahmen, wie regelmäßige Wartungen oder verbesserte Wärmedämmung, die ein Gesamtenergieeinsparpotenzial von maximal 18 % an alten Anlagen

Abb. 4.11  Einsatzfelder der Prozesskälte, nach [21, 152]

136

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zulassen [196]. Maßnahmen zur verbesserten Wärmedämmung sorgen zusammen mit der Reduktion von Wärmequellen, beispielsweise Glühlampen oder ineffizienter Fördertechnik, und einer Anpassung der räumlichen Gegebenheiten (Sonnenschutzvorrichtungen) zusätzlich für einen geringeren Kältebedarf [21]. Ein wichtiger Hebel zur Minimierung der Energieverschwendung stellt die Reduzierung von Überkapazitäten dar. Um dies zu erreichen, gilt es, die Kühltemperatur von Kälteanlagen auf den Hauptverbraucher auszurichten, anstatt wie oftmals üblich auf den Verbraucher mit der erforderten tiefsten Temperatur. Prozesse, die tiefere Temperaturen benötigen, sollten an die Kühltemperatur des Hauptverbrauchers angepasst oder durch temperaturkompatible Prozesse substituiert werden [105]. Ist es nicht möglich, alle Prozesse bezüglich der tiefsten erforderlichen Temperatur des Hauptverbrauchers zu homogenisieren, dann können getrennte Kältenetze im Unternehmen installiert werden. Somit lassen sich Überkapazitäten verhindern und Kälte möglichst effizient bereitstellen [21]. Wahl und Auslegung der effizientesten Kältemaschine  Zur Bereitstellung der Kälte im industriellen Umfeld wird standardmäßig die Kompressionskältemaschine (KKM) verwendet. Diese Technologie gehört, im Gegensatz zu der auf Konvektion oder Verdunstung basierenden passiven Systemen, zu den aktiven Systemen der Kälteerzeugung. Hierbei wird analog des thermodynamischen Kreisprozesses flüssiges Kältemittel zur Wärmeaufnahme verdampft, bevor es anschließend in einem Kompressor verdichtet wird. Im dritten Element, dem Verflüssiger, wird während der Kondensation die Wärme an die Umgebung abgegeben. Abschließend wird das Kältemittel im vierten und letzten Element, dem Druckreduzierventil, abgekühlt und somit zur erneuten Wärmeaufnahme vorbereitet [152]. Untersuchungen der Energieagentur.NRW GmbH kamen zu dem Ergebnis, dass der Kompressor mit 88  % den mit Abstand größten Leistungsbedarf aller KKM-Elemente hat. Verbesserungen der Effizienz sollten folglich primär dort ansetzen. Beispielsweise wird eine Reduzierung des Energiebedarfs erreicht, indem die Temperatur- und damit verbunden die Druckdifferenz zwischen Kompressor und Verdampfer so gering wie möglich gehalten wird. Realisiert werden kann dies über eine Erhöhung des Luftdurchsatzes am Verdampfer, der unter anderem größere Wärmetauscherflächen aufweist. Eine Erhöhung der Verdampfungstemperatur um 1 °C senkt den Energiebedarf des Kompressors bereits um 4 % [64]. Trotz dessen sind KKM insbesondere aufgrund des hohen Energiebedarfs der Kompressoren nicht effizient zu betreiben, „sollten daher möglichst vermieden werden“ und durch sparsamere Technik substituiert werden [105].

4.2.2.7 Prozesswärme Neben einem Bedarf an Prozesskälte wird für bestimmte Zwecke in der industriellen Produktion Wärme benötigt, die mit technischen Hilfsmitteln bereitgestellt wird. Diese sogenannte Prozesswärme sollte in keiner energetischen Betrachtung der Produktion fehlen, da sie einen Anteil von rund 66 % am Gesamtendenergieverbrauch industrieller Betriebe aufweist. Zu beachten ist, dass ein Großteil der zur Prozesswärme eingesetzten Energieträger (ca. 50 % Gas und 15 % Strom) stark steigenden Preisen ausgesetzt ist. Daher sollte

4  Planung klimagerechter Fabriken137 Tab. 4.17  Potenzielle Effizienzsteigerungen bei Prozesswärme. (Nach [191]) Temperaturbereich

Anwendungsbeispiele

Potenzial

< 200 °C

Hauptsächlich Trocknungsvorgänge, wie z. B. nach Tauchlackierungen

Ca. 8 %

200–500 °C

Insbesondere chemische Industrie, wie z. B. Herstellung von Salzen

Ca. 11 %

> 500 °C

Herstellung von Metallen, Glas und Keramiken

Ca. 8 %

die Energiebilanz von Wärmeanlagen aus Kostengründen zwingend einer systematischen Verbesserung unterzogen werden [152]. Wärme wird für eine Vielzahl von Anwendungen benötigt, welche abhängig vom benötigten Temperaturniveau in drei Kategorien eingeteilt werden. Tab. 4.17 führte das technisch und wirtschaftlich erreichbare Verbesserungspotenzial der einzelnen Kategorien nach Seefeld et al. auf [191]. Bei der Anlagengestaltung für die energieeffiziente Bereitstellung von Prozesswärme müssen einige Grundregeln beachtet werden. Wichtigste Regel und Ausgangspunkt jeder Planung ist auch hier die Vermeidung von Überkapazität. Notwendige Prozesstemperaturen sind exakt zu berechnen und Sicherheitszuschläge so gering wie möglich auszulegen. Analog der Bereitstellung von Kälte, sollte auch bei Wärme eine Anlage auf das benötigte Temperaturniveau des Hauptverbrauchers ausgerichtet werden. Prozesse mit höheren Temperaturanforderungen sollten nach Möglichkeit in sekundäre Kreisläufe ausgegliedert oder technisch an das Niveau des Hauptverbrauchers angepasst werden. Auch eine entsprechende Wärmedämmung ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer effizient ausgelegten Wärmeerzeugung. Sollte es bei älteren Anlagen zu konstruktionsbedingten Problemen beim Anbringen von Dämmschichten kommen, ist das Aufbringen von Speziallacken zur Vermeidung strahlungsbedingter Verluste zu prüfen. Da solche Niedrigemissionslacke keinen Einfluss auf Konvektionsverluste haben, sind sie ausschließlich als Notlösung und nicht als Ersatz für reguläre Dämmstoffe wie expandiertes Polystyrol oder Polyurethan anzuwenden [106]. Diese sollten dabei nicht ausschließlich an der Anlage zum Einsatz kommen, sondern darüber hinaus eine optimale Isolation sämtlicher wärmeführender Leitungen im Betrieb gewährleisten [152]. Als weiteren Baustein jeder Prozesswärmeoptimierung ist die Nutzung von Abwärme zu sehen. Im Folgenden werden diesbezüglich zwei technische Möglichkeiten beschrieben, die durch das gezielte Nutzen existierender Energiezustände sowohl den Kühlbedarf als auch die Notwendigkeit externer Wärmegewinnung reduzieren: zum einen die Wärmepumpe und zum anderen die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Einsatz von Wärmepumpen Wärmepumpen werden verwendet, um unter Zuhilfenahme eines Aufwands (technische Arbeit) einen Wärmestrom bei niedriger Temperatur aufzunehmen und ihn anschließend bei hoher Temperatur wieder abzugeben. Bei der Wärmepumpe wird der Umwelt (Luft oder Boden) Wärme entzogen und einem Zielsystem

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U. Dombrowski et al.

zugeführt [137]. Durch diese Funktionsweise lassen sich sowohl der Kühlbedarf an der Quelle als auch der externe Heizbedarf an der Senke reduzieren. Entsprechend dem vorliegenden Anwendungsfall ist zu prüfen, ob sich die Temperatur der Abwärme durch die Pumpe effizient auf das erforderliche Niveau eines weiteren Prozesses anheben lässt [106]. In Produktionsprozessen ist der Einsatz von Wärmepumpen in den in Tab.  4.17 aufgeführten drei Temperaturbereiche anwendbar. Heidelck et al. beschreiben das potenziell sinnvoller Anwendungsgebiete bei Temperaturen von bis zu 150 °C. Es wird davon ausgegangen, dass in diesem Bereich circa 65 % des Wärmeenergiebedarfs mithilfe von Wärmepumpen abgedeckt werden kann. Zudem können Wärmepumpen nicht nur zur Bereitstellung von Prozesswärme genutzt werden, sondern darüber hinaus auch zum Nutzen der Abwärme bei Produktionsprozessen für andere Zwecke, wie beispielsweise Raumwärme [101]. Auf die Produktion bezogen, liegt das Einsparpotenzial des gesamten Nutzwärmeenergiebedarfs bei circa 30 %. Das Einsparpotenzial der wirtschaftlich umsetzbaren Maßnahmen, bei einer üblichen Amortisationsdauer von 1,5 bis 2 Jahren, dürfte deutlich unter dem theoretischen Wert liegen. Insbesondere bei bereits bestehenden Anlagen erweist sich die nachträgliche Integration einer Wärmepumpe oftmals als nicht wirtschaftlich. Bei Neuanschaffungen sollte dagegen speziell das Verhältnis von erzeugter Wärme zu eingesetzter Leistung (Leistungszahl) in den Fokus der Planer rücken [137]. Integration von Kraft-Wärme-Kopplung  Als Kraft-Wärme-Kopplung werden alle Verfahren bezeichnet, bei denen eine Anlage aus einer zugeführten Energie nicht ausschließlich Strom oder Wärme erzeugt, sondern beides. Industriebetriebe können einen Teil ihres Strom- und Wärmebedarfs somit mit einer einzelnen Anlage decken [222]. Je nach Primärfunktion wird zwischen wärme- oder stromgeführten KWK-Anlagen differenziert. Klassischer Weise wird bei der Stromerzeugung anfallende Wärme an die Umwelt abgegeben. Je nach Art des Brennstoffs liegt der potenzielle Nutzungsgrad von Stromkraftwerken bei ungefähr 35 %. Anfallende Prozesswärme wird bei stromgeführten KWK-Anlagen mithilfe eines Wärmetauschers nutzbar gemacht und beispielsweise zur Bereitstellung von Heizwasser oder Trocknungswärme zur Verfügung gestellt. Aus Energieeffizienzgründen ist dieser Vorgang relevant, da die Nutzung der Abwärme die Verwendung externer Brennstoffe ersetzt. Weniger aus Effizienzgründen, sondern vielmehr aus wirtschaftlichen Gründen sind stromgeführte Anlagen besonders attraktiv, wenn die Anlage an das Stromnetz angeschlossen ist und der erzeugte Strom gemäß Börsenpreis verbucht werden kann.4 Wärmegeführte Anlagen besitzen einen höheren Wirkungsgrad, da Wärme nur dann produziert wird, wenn sie tatsächlich benötigt wird. Von wirtschaftlichem Interesse ist jedoch aufgrund der Möglichkeit des Stromhandels eine stromgeführte Anlage sein.

Bei Anlagen bis zwei Megawatt elektrischer Leistung wird der an der European Energy Exchange für KWK-Strom quartalsweise festgelegte Preis gezahlt. Anlagen mit einer höheren Leistung nehmen regulär am Stromhandel der Börse teil [106]. 4

4  Planung klimagerechter Fabriken139

Der Anwendungsbereich der erzeugten Prozesswärme reicht bis circa 500  °C (vgl. Tab. 4.17) [166]. Grundsätzlich gilt jedoch, dass sich ein Prozess umso besser für KWK eignet, je niedriger seine erforderliche Temperatur ist [106]. Bedarfe, die über 500  °C liegen, lassen sich nicht über KWK-Anlagen realisieren. Der Nutzungsgrad der Anlagen liegt bei über 80 % und damit weit über dem der Kennwerte von typischen Heizkesseln (35 % bis maximal 60 %). Studienergebnisse gehen davon aus, dass das industrielle Potenzial von KWK noch nicht ausgeschöpft ist [166]. KWK-Anlagen sind genau wie Wärmepumpen mit baulichem und finanziellem Aufwand verbunden und müssen für eine effiziente Wärmebereitstellung von Prozessen und Räumen genauestens geplant werden. Nachträgliche bauliche Änderungen, wie Speziallacke oder der Austausch von Dämmmaterialien, sind sinnvoll, lassen in Summe jedoch nicht die Verbesserungsergebnisse realisieren, die mit Maßnahmen konzeptioneller Art umsetzbar wären.

4.2.2.8 Heizung, Lüftung, Klima Der Bereich der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik (HLK) ist ebenfalls für Unternehmen ein zu beachtender Kostenfaktor. Sowohl im Sommer, wenn unter hohem Energieaufwand Gebäude gekühlt werden müssen, als auch im kalten Winter, wenn Heizungsanlagen laufen, um Räume aufzuwärmen, entstehen erhebliche Einspar- beziehungsweise Effizienzsteigerungsmöglichkeiten. Im Folgenden wird ein Überblick über mögliche Potenziale gegeben. Mithilfe der HLK-Technik werden bei der Regulation der Raumluft in Bezug auf Wärme, Feuchte, Bewegung und Schadstoffbelastung zwei betriebliche Ziele verfolgt: das Schaffen eines behaglichen Arbeitsumfeldes für Menschen sowie das eines betriebssicheren Umfelds für Maschinen und Anlagen. Müller et al. erweitern die Aufgaben um den Aspekt der Umweltschutzanforderungen. Dies umfasst sowohl eine geringe Belastung der Umwelt durch den Brennstoffverbrauch beim Einsatz der HLK-Anlagen als auch das Abführen von Schadstoffen aus der Arbeitsumgebung an die Umwelt. Letzteres ist eine Voraussetzung des Ziels „Schaffung einer behaglichen Arbeitsumgebung“. Vorgeschriebene Reinhaltevorgaben der Luft verlangen eine Abluftführung aus der Produktion heraus, die oftmals durch Emissionen an die Umgebung und zulasten der Umwelt vorgenommen werden [152]. Für den sicheren Betrieb von technischen Anlagen sind Temperaturanforderungen einzuhalten. Darüber hinaus weisen Reinräume erhöhte Anforderungen an die Luftreinheit oder die Luftfeuchtigkeit auf [152]. Die HLK-Technik beschäftigt sich zusammengefasst mit den Prozessen des Lufttransports, der Lufttemperierung und/oder der Luftfeuchteregulation [115]. Die Bedeutung der effizienten Gestaltung dieser Prozesse verdeutlicht, dass in klimatisierten Räumen pro in der Produktion benötigter Kilowattstunde Strom weitere 0,3 kWh benötigt werden, um mithilfe von HLK-Anlagen die entstandene Wärme abzuführen [152]. Zusammenfassend mit der andererseits beschriebenen Notwendigkeit der Wärmeerzeugung wird bei HLK-Anlagen Energieaufwand benötigt für:

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• • • •

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Antrieb der Lüftung (Ventilatoren) Wärmeerzeugung und zum Betrieb von Pumpen bei Heizanlagen Wärmeerzeugung zum Entfeuchten Antrieb von Kältemaschinen und Pumpen bei der Kälteerzeugung [152].5

Die Auslegung und Installation eines HLK-Systems ist komplex und wird daher in der Regel von Experten durchgeführt. Abb.  4.12 zeigt beispielhaft Verbesserungsfelder bestehender Anlagen, die auch im Rahmen von Workshops oder Energieaudits von Mitarbeitern anderer Fachbereiche optimiert werden können. Die Themenfelder sind nicht klar voneinander abgrenzbar, da sie inhaltlich eng miteinander verbunden sind. Auch hierbei gilt wie bei Neuauslegungen von HLK-Anlagen der Grundsatz, dass Kenntnisse über die inneren Lasten eines Systems (zum Beispiel einer Produktionshalle) bekannt sein müssen, um den HLK-Aufwand so gering wie möglich zu halten [105]. So lassen sich die gestellten Anforderungen an die Anlagentechnik effektiv umsetzen, ohne durch Überkapazitäten Energie und Kosten zu verschwenden.

Abb. 4.12  Handlungsfelder zur Energieeffizienzsteigerung von HLK-Anlagen. (Nach [106])

Kältemaschinen kommen zum Kühlen von Gebäuden beziehungsweise Räumen nur in Ausnahmefällen zum Einsatz. Im Allgemeinen wird die Kühlung über Entlüftungsanlagen und dem damit verbundenem Entzug von Wärme vorgenommen [152] 5

4  Planung klimagerechter Fabriken141

Der Einsatz eines variablen Volumenstromsystems ermöglicht die bedarfsgerechte Versorgung der Produktion mit Frischluft, unter der Berücksichtigung des stark schwankenden Tages- und Jahresbedarfs. Gegenüber dem Einsatz von Konstantvolumenstromsystemen besteht ein Einsparpotenzial von bis zu 70 % [127]. Ein weiteres Handlungsfeld moderner HLK-Anlagen ist der Einsatz von integrierten Systemen zur Rückgewinnung von Feuchtigkeit und Wärme. Beide Prozesse erlauben einen Austausch zwischen dem Zu- und Abluftstrom eines Raumes. Bei der Feuchtigkeitsrückgewinnung wird entweder im Sommer der zu feuchten Zuluft durch den Abluftstrom Feuchtigkeit entzogen oder im Winter die trockene Zuluft durch die feuchtere Abluft vorbefeuchtet. Die Wärmerückgewinnung läuft analog dazu ab: Im Winter gibt der wärmere Abluftstrom einen Teil seiner Wärmeenergie an die kalte Zuluft ab, während im Sommer die relativ kühlere Abluft zur Vorkühlung der Zuluft verwendet werden kann. Das Einsparpotenzial bei der Feuchtigkeitsrückgewinnung liegt bei bis zu 60 % sowie 70 % bei der Wärmerückgewinnung gegenüber dem Aufwand von HLK-Anlagen ohne Rückgewinnungssysteme. In älteren Anlagen lassen sich solche Systeme nachrüsten, es gilt jedoch zu beachten, dass insbesondere in größeren Hallen leistungsstarke und große Geräte benötigt werden, deren Einbau sehr umfangreich ausfallen kann [127]. Ventilatoren sind Strömungsmaschinen, die zum Fördern von Luft eine wichtige Baugruppe in HKL-Systemen darstellen. Die korrekte Auslegung von Ventilatoren ist in erster Linie die Aufgabe der richtigen Dimensionierung der einzusetzenden Strömungsmaschinen. Ausgehend von einem bestimmten Bedarf an Volumenströmen sollten für eine effiziente Auslegung Ventilatoren eingesetzt werden, die diese Anforderungen mit Leistungen nahe ihrem Wirkungsgradoptimum erfüllen. Darüber hinaus ist auf die Effizienzklasse des Antriebmotors zu achten. In engem Zusammenhang mit den genannten Regelungsstrategien steht die variable Anpassung des Volumenstroms an den jeweils aktuellen Bedarf der Produktion. Dabei sollte bei Ventilatoren aus Energieeffizienzgründen auf den Einbau von Klappen- und Drosselregelungen verzichtet werden. Drosselregelungen zeigen im Teillastbetrieb hohe Druckverluste an der Drossel und damit verbundene Energieverschwendung auf, während bei der Klappenregelung ein reduzierter Volumenstrom stets unter Beibehaltung der vollen elektrischen Leistungsaufnahme realisiert wird und somit ebenfalls keine Energieersparnis umgesetzt wird. Als energetisch beste Lösung gilt es, analog der beschriebenen Optimierung von elektromagnetischen Antrieben die Umsetzbarkeit eine Drehzahlregelung durch Frequenzumformer zu prüfen. Abb.  4.13 verdeutlicht die großen Effizienzvorteile dieser Technik im Teillastbereich gegenüber der aufgrund ihres geringen Anschaffungspreises weit verbreiteten Drosselregelung: Im Teillastbetrieb wird bei dieser deutlich mehr Leistung benötigt als bei anderen technischen Lösungen [106]. Bauliche Maßnahmen, die im Rahmen von Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt werden, zielen darauf ab (Wärme-)Verluste gering zu halten. Aus baulicher Sicht gibt es dafür zwei entscheidende Parameter: zum einen das sogenannte A/V-Verhältnis, das die Fläche A eines Gebäudes ins Verhältnis zu seinem Volumen V setzt. Zum anderen ist der Wärmedurchgangskoeffizient U ein Maß für den Wärmestromdurchgang durch eine

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U. Dombrowski et al.

Abb. 4.13  Effizienzvergleich unterschiedlicher Regelungen bei Ventilatoren. (Nach [106])

Schicht. Das A/V-Verhältnis lässt sich im Vergleich zum Wärmedurchgangskoeffizienten nachträglich nicht nennenswert beeinflussen, jedoch wird versucht beide Parameter idealerweise klein zu halten. Eine verbesserte Wärmedämmung beinhaltet Dämmstoffe mit einer sehr geringen Wärmeleitfähigkeit (ca. 0,02 bis 0,04 W/mK), wie zum Beispiel expandiertes Polystyrol oder Polyurethan [165]. Eine nachträgliche Installation an bereits bestehenden Gebäuden und eine damit verbundene Optimierung des Wärmedurchgangskoeffizienten im Rahmen von Energieworkshops oder Ähnlichem ist somit möglich [70]. Bei der Optimierung von bestehenden Anlagen sollte immer die Zielleistung hinterfragt werden. Unter der Auslegung des Soll-Zustands sind Maßnahmen zu verstehen, die eine Überprüfung der Parameter, wie beispielsweise der anzustrebenden Temperatur, veranlassen. Im Rahmen der Beachtung arbeitswissenschaftlicher Anforderungen sollte das Temperaturniveau so weit wie möglich abgesenkt werden. Jedes Grad Celsius weniger führt dabei zu Wärmeenergieeinsparungen in Höhe von 6 % [106]. Des Weiteren gilt es zu überprüfen, wie stark Raumtemperaturen nachts und an Wochenenden verringert werden können, sodass die Anforderungen gerade noch erfüllt werden. Idealerweise werden die genannten Anpassungen automatisch geregelt [105]. Mit der HLK-Technik ist die Beschreibung der sechs in Abb. 4.8 genannten Handlungsfelder zur Energieeffizienzsteigerung abgeschlossen. Im folgenden Abschnitt wird auf den Aspekt der Dekarbonisierung der Energieversorgung eingegangen, indem der Einsatz erneuerbarer Energien beschrieben wird.

4.2.3 Erneuerbare Energie Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung bis 2050 einen Anteil von 80 % der elektrischen Energieerzeugung durch regenerative Energiequellen anstrebt, erfordert dies eine starke Dekarbonisierungsstrategie. Abb.  4.14 stellt hierzu den Anstieg der erneuerbarer

4  Planung klimagerechter Fabriken143

Abb. 4.14  Anteil erneuerbarer Energien an der Energieerzeugung in Deutschland. (Nach [30])

Energien an der Energiezufuhr in Deutschland dar. Im Vergleich zum Ende der 90er Jahre, als der der Anteil erneuerbarer Energien noch weniger als 5 % betrug, stieg dieser bis 2016 auf 31,7 % an [30]. In diesem Unterkapitel werden verschiedene Arten der regenerativen Energieerzeugung definiert, um anschließend die verschiedenen Formen bezüglich deren Erzeugung, der jeweiligen politischen Zielsetzungen und Anforderungen sowie der technologiespezifischen Chancen und Risiken zu betrachten. Primärenergieträger werden als regenerativ oder erneuerbar bezeichnet, wenn sie sich innerhalb menschlicher Zeitmaßstäbe von selbst erneuern bzw. nachwachsen. Ein weiteres Merkmal ist, dass sämtliche regenerative Energieträger kohlendioxidneutral sind, das heißt, dass sie kein CO2 emittieren oder nicht mehr als die Pflanzen selbst in ihrer Wachstumsphase aufgenommen haben [212]. Die erneuerbaren Energien lassen sich durch verschiedene Faktoren unterscheiden. Während die Quelle bzw. der Entstehungsursprung die wohl einfachste Art der Klassifizierung darstellt, kann auch zwischen den verschiedenen Technologien und Verwendungsarten unterschieden werden (vgl. Tab. 4.18). Der Tabelle ist zu entnehmen, dass der Sonne als Primärenergiequelle die größte Bedeutung zukommt. Neben der Solarstrahlung lassen sich auch die mechanische Energie von Wasser und Wind sowie die in Biomasse gespeicherte chemische Energie auf die Sonne zurückführen. Die Nutzung der Erdwärme (Geothermie), welche auf dem Zerfallsprozess im Erdinneren beruht, stellt die zweite primäre erneuerbare Energiequelle dar. Als dritte Quelle lassen sich Gravitationskräfte zwischen Erde und Mond feststellen, deren technische Bedeutung jedoch geringer ausfällt [186]. In Tab. 4.19 ist der Anteil der erneuerbaren Energie an der Bruttowertstromerzeugung für 2015 aufgelistet [30].

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U. Dombrowski et al.

Tab. 4.18  Arten und Nutzungsform erneuerbarer Energien Primärenergiequelle

Erscheinungsform

Natürliche Energieumwandlung

Technische Energieumwandlung

Sekundärenergie

Sonne

Solarstrahlung

Meeresströmung

Meeresströmungskraftwerk

Strom

Erwärmung

Wärmepumpen

Wärme,

Erdoberfläche/ Atmosphäre

Meereswärmekraftwerk

Strom

Solarstrahlung

Photolyse

Brennstoff

Solarzelle,

Strom

Photovoltaikkraftwerk Solarkollektor, solarthermisches Kraftwerk

Wärme

Wasserkraftwerk

Strom

Atmosphärenbewegung

Windenergieanlage

Strom

Wellenbewegung

Wellenkraft

Strom

Biomasse

Biomasseproduktion

Heizkraftwerk, Konversionsanlage

Wärme, Strom, Brennstoff

Mond

Gravitation

Gezeiten

Gezeitenkraftwerk

Strom

Erde

Isotopenzerfall

Geothermik

Geothermisches Heizkraftwerk

Wärme, Strom

Wasserkraft

Verdunstung, Niederschlag, Schmelzen

Windkraft

In den nachfolgenden Abschnitten werden die einzelnen erneuerbaren Energien näher vorgestellt.

4.2.3.1 Photovoltaik Die Solarstrahlung ist für die Energieerzeugung in vielfältiger Weise nutzbar. Generell wird zwischen Photovoltaik, zur Umwandlung solarer Strahlungsenergie in elektrische Energie, und Solarthermie, die Solarstrahlung in thermische und elektrische Energie wandelt, unterschieden. Solarthermische Kraftwerke werden primär im Sonnengürtel (Gebiet zwischen dem 20. und 40. Breitengrad) der Erde verwendet, da sie auf die direkte Sonneneinstrahlung angewiesen sind. Eine Wärmebereitstellung mittels Solarkollektoren und die Stromerzeugung mit Photovoltaikanlagen (PV) kann auch in weniger sonnenreichen Ländern wie Deutschland eingesetzt werden [103].

4  Planung klimagerechter Fabriken145 Tab. 4.19  Anteil der erneuerbaren Energie an der Bruttostromerzeugung 2015 [30] EE 2015

Anteil der erneuerbaren Energie

Vermiedene THG-Emissionen

[GWh]

[%]

[1000 t CO2-Äquivalent]

Wasserkraft

18.977

3,2

14.086

Windenergie an Land

70.922

11,9

48.058

Windenergie an See

8284

1,4

5651

Photovoltaik

38.726

6,5

23.624

Biogene Festbrennstoffe und Klärschlamm

11.033

1,9

7522

Biogene flüssige Brennstoffe

447

0,1

249

Biogas und Biomethan

31.288

5,3

12.934

Klärgas

1389

0,2

870

Deponiegas

396

0,1

248

Biogener Anteil des Anfalls

5768

1,0

4364

Geothermie

134

0,02

69

Summe

187.364

31,5

117.673

Die direkte Umwandlung der Energie des Sonnenlichts in elektrische Energie wird als photovoltaische Energieumwandlung bezeichnet. Mit einem Vertrauensindex von 99 Prozent, in einer Umfrage von TNS Emnid, nimmt die Solarenergie die Spitzenposition vor allen anderen Energieträgern ein. Während die Grundlagen der Photovoltaik bereits 1839 erforscht wurden, stellten erst die Raumfahrtprogramme in den 1960er und 70er Jahren eine kommerzielle Nutzung der Stromerzeugung aus Solarstrahlung mithilfe von Solarzellen sicher [186]. Solarzellen bestehen aus mehreren übereinander angeordneten Halbleiterschichten, die in der Regel aus Silizium, Germanium oder anderen Materialien gefertigt werden. Unabhängig von dem Halbleitermaterial funktionieren Solarzellen immer nach folgendem Prinzip: Die Photonen der Sonnenstrahlung übertragen beim Auftreffen auf den Halbleiter deren Energie und lösen dadurch gebundene Elektronen heraus. Diese Elektronen können über einen elektrischen Leiter abgeführt und einem geschlossenen Stromkreis zugeführt werden. Je nach Anzahl und Material der Halbleiter variiert die Menge der absorbierten Photonen. Die Größe der Solarzelle und die Strahlungsintensität der Sonne sind maßgebend für die erzielbare Stromstärke [75]. Durch eine serielle Verschaltung einzelner Zellen zu Strings werden Solarmodule gebildet, deren Spannung zwischen 12 V und 120 V liegt. Die Modularität ist ein signifikantes Merkmal der Photovoltaiktechnik, da abhängig von den Anforderungen mehrere Module seriell oder parallel geschaltet werden können, um so

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U. Dombrowski et al.

die benötigte Spannung zu erzielen. PV-Anlagen werden als Kleinanlagen im Bereich von 5–10 kW auf Dächern von Privathaushalten oder als Großanlagen im Megawatt-Bereich auf Freiflächen und großen Hallendächern installiert [186]. Ein entscheidender Nachteil der Photovoltaik ist, aufgrund der schwankenden Strahlungsintensität und -dauer der Sonne, die fehlende Grundlastfähigkeit. Bedingt durch die geringe Verfügbarkeit von ca. 10  % und der Abnahme der Strahlungsintensität in den Wintermonaten erzielt diese Energiequelle einen Bruchteil seiner installierten Leistung. Eine nachfragebestimmte Energieversorgung mit Photovoltaik ist somit nur durch ausreichende Speichermöglichkeiten und steuerbare Stromverteilungen zu ermöglichen [213].

4.2.3.2 Solarthermie In Abgrenzung zur photovoltaischen Nutzung wandeln Solarthermie-Anlagen die einfallende Solarstrahlung nicht in elektrische, sondern in thermische Energie um. Mithilfe von Solarkollektoren werden die einfallenden Sonnenstrahlen genutzt, eine Temperatur- und Druckerhöhung des Wärmeträgermediums, in der Regel Wasser oder ein Wasserglykolgemisch, zu erzielen. Die erzeugte Wärme wird dabei zum Heizen von Räumen oder zur Trinkwassererwärmung genutzt. Im industriellen und gewerblichen Umfeld kann Solarthermie auch zur Bereitstellung von Prozesswärme eingesetzt werden. Da in Deutschland alleine 31 % des jährlichen Energiebedarfs zur Raumheizung und 5 % zur Trinkwassererwärmung anfallen, deren Bereitstellung zu 90  % aus fossilen Energieträgern erfolgt, zeigt sich hier großes Einsparpotenzial [186]. Das Zuführen der thermischen Energie und dem Trägermedium kann mithilfe von verschiedenen Solarkollektoren (Flach-, Vakuum-, Röhrenkollektoren usw.) erfolgen [103]. In solarthermischen Kraftwerken wird über den Umweg der solarthermischen Energieerzeugung mithilfe von konventionellen Kraftwerkprozessen zudem elektrische Energie gewonnen. Das direkte Sonnenlicht wird hierbei gebündelt und erzeugt Dampf oder Heißgas. Mit entsprechender Turbine und Generator wird im nächsten Schritt Strom gewandelt. Da dieses Verfahren hauptsächlich im Bereich des Sonnengürtels zum Einsatz kommt, ist die Relevanz für den deutschen Energiemarkt gering einzustufen [103]. 4.2.3.3 Wasserkraft Wasserkraft gehört zu den ältesten und kostengünstigsten regenerativen Energieformen und wurde bereits im vorindustriellen Zeitalter genutzt, um Mühlen oder Sägewerke anzutreiben. Heute dient die Wasserkraft fast ausschließlich zur Stromerzeugung und stellte bis Anfang des vergangenen Jahrzehnts mit rund 4 % den größten Anteil der Strombereitstellung aus erneuerbaren Energien dar. Mittlerweile haben Windkraft und Biomasse im Bereich der Stromerzeugung die Wasserkraft überholt, was sich vor allem auf das im Jahr 2000 eingeführte EEG zurückführen lässt [31]. Ein entscheidender Vorteil von Wasserkraft ist, dass sie teilweise grundlastfähig ist und nicht den kurzfristigen Schwankungen der Solar- und Windenergie unterliegt [233].

4  Planung klimagerechter Fabriken147

Die Stromerzeugung mithilfe von Wasserkraft erfolgt unabhängig von den verschiedenen Nutzungsoptionen nach dem gleichen Prinzip. Die kinetische Energie des Wassers treibt Turbinen an, welche zusammen mit einem Generator mechanische Energie in Elektrizität umwandeln [102]. Die wohl gebräuchlichsten Bauformen für Wasserkraftwerke sind: Speicher-, Laufwasser- und Gezeitenkraftwerke. Laufwasserkraftwerke, auch Kleinwasserkraftwerke genannt, sind vielfach in Schiffschleusen integriert. Aufgrund der hohen Lebensdauer und den geringen Betriebskosten zählen Laufwasserkraftwerke zu den kostengünstigsten Stromerzeugungsanlagen. Die größte Bedeutung in Bezug auf die Umstellung auf erneuerbare Energien spielen Pumpspeicherkraftwerke. Sie dienen dem Ausgleich von Verbrauchsschwankungen und stellen bisher die effizienteste Energiespeicherung dar. Überschüssiger Strom, der meist nachts anfällt, wird genutzt, um Wasser in höher gelegene Speicherbecken zu pumpen. Bei Bedarf wird das Wasser in ein niedriger gelegenes Becken abgelassen und somit Turbinen zur Stromerzeugung angetrieben. Der Wirkungsgrad moderner Anlagen liegt bei rund 80 Prozent [103]. Mit der Energiewende und der starken Zunahme an ungleichmäßig produzierter Energie aus Windkraft- oder Photovoltaikanlagen nimmt der Bedarf an Pumpspeicherkraftwerken zu. In Deutschland steht dem genannten Bedarf an Neubauten gegenüber, dass einschlägige Eingriffe in Landflächen sowie ins Ökosysteme erfolgen müssten [213]. Sowohl der Tidenhub als auch der Energiegehalt in Strömung und Wellen werden bei Gezeiten-, Strömungs- und Wellenkraftwerken genutzt, um elektrische Energie zu gewinnen. Diese Technologien sind aufgrund der geringen Strömungsgeschwindigkeiten und des geringen Tidenhubs in der deutschen Nord- und Ostsee nicht wirtschaftlich und spielen für die Stromerzeugung in Deutschland keine Rolle [92]. Das jeweilige Nutzungspotenzial der Wasserkraft variiert entsprechend der geografischen Lage.  Global gesehen wurde das Potenzial von Wasserkraftwerken, deren Leistungsgrößen zwischen wenigen Kilowatt bis nahezu 1000 Megawatt reichen, bisher zu ca. einem Drittel erschlossen. Der Grad der Ausnutzung unterscheidet sich deutlich innerhalb einzelner Länder und Regionen. In Deutschland wurden bereits vor der Energiewende die Potenziale der Wasserkraft größtenteils ausgeschöpft [102]. Weitere Möglichkeiten, neue Speicherkraftwerke zu errichten, existieren praktisch nicht, hingegen bestehen laut Bundesverband der Deutschen Wasserkraftwerke e. V. (BDW) signifikante Ausbaumöglichkeiten im Bereich der Kleinwasserkraftwerke. Die Förderungen durch das EEG schaffen weitere Anreize zur Modernisierung älterer Anlagen, wodurch die ohnehin hohen Wirkungsgrade sich weiter steigern lassen. In Kombination mit der Reaktivierung bestehender Kleinkraftwerke kann in den nächsten Jahren der Anteil der Strombereitstellung durch Wasserkraft leicht erhöht werden [213].

4.2.3.4 Windenergie Im Bereich der Energieversorgung stellt die Nutzung des Windes neben Wasserkraftanlagen eine der ältesten Möglichkeiten dar. Windenergieanlagen (WEA) wandeln mithilfe von Rotorblättern und Generatoren die Strömungsenergie des Windes in mechanische bzw. elektrische Energie um. Hierzu wird zwischen zwei Wirkprinzipien unterschieden.

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Zum einen das Prinzip der Widerstandsläufer, bei denen eine geometrische Fläche dem Wind entgegengehalten wird, um die Luftwiderstandkraft zu nutzen. Zum anderen existieren sogenannten Auftriebsläufer, die analog dem Prinzip des Flugzeugauftriebs funktionieren. Widerstandsläufer nutzen maximal 12 % der Strömungsenergie, demnach arbeiten moderne Windenergieanlagen ausschließlich nach dem Auftriebsprinzip und erzielen Wirkungsgerade von bis zu 59 % [134]. In den letzten Jahren hat die Stromerzeugung aus Windenergie stark zugenommen. Ungefähr 26.000  Windenergieanlagen produzierten 2015 etwa 79  GWh elektrische Energie [30]. Die heutigen Standard-WEA weisen eine elektrische Nennleistung von zwei bis drei Megawatt auf und erreichen im Schnitt rund 2000  Vollbenutzungsstunden pro Jahr. Die energetische Amortisationszeit von WEA -Anlagen, welche zur Produktion und Errichtung nötig waren, beträgt je nach Windverfügbarkeit vier bis sieben Monate [103]. Bis zum Jahr 2009 wurden in Deutschland Windenergieanlagen vor allem an Land installiert. Am 27. April 2010 eröffnete „alpha ventus“, der erste deutsche Hochsee-Windpark. Auf dem offenen Meer konstruierte Anlagen (Offshore-Anlagen) erreichen eine Nennleistung von rund fünf Megawatt über 3500 Vollbenutzungsstunden. Mit mehr als 13 % stellt die Windenergie den größten Anteil der Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien dar. Aufgrund des großen Potenzials der Windenergie ist ein langfristiger Ausbau, sowohl on- als auch offshore, geplant [33]. Aufgrund des wechselnden Windangebotes, welches lokale mehrwöchige Windpausen mit sich bringen kann, stellt die Windenergie keine grundlastfähige Energiequelle dar. Eine konstante und sichere Stromversorgung lässt sich nur mit Speichermöglichkeiten realisieren [213].

4.2.3.5 Biomasse Biomasse als Energiegewinnung stellt die älteste vom Menschen angewandte Technik dar. Während die Verbrennung von Holz oder anderen pflanzlichen Rohstoffen bereits Jahrtausende zur thermischen Energieerzeugung genutzt wird, ist die Nutzung von Biomasse zur Stromerzeugung noch relativ jung. Grundsätzlich werden sämtliche organische Stoffe unter dem Begriff Biomasse zusammengefasst, wobei zwischen festen, flüssigen und gasförmigen Bioenergieträgern unterschieden wird. Während die flüssigen Energieträger hauptsächlich im Verkehrssektor zur Anwendung kommen, nehmen die beiden anderen Formen eine entscheidende Rolle im Bereich der Stromerzeugung ein [134]. Der Großteil der Biomasse wird in speziellen Heizungen oder Kraftwerken zur Wärme- und Stromerzeugung genutzt, wobei drei verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen: • direkte Verbrennung, • thermische Vergasung mit anschließender Verbrennung des Gases, • biologische Vergasung mit anschließender Verbrennung des Gases [213]. Die seit Beginn des 20. Jahrhunderts bekannten Verfahren mit vorgeschalteter Vergasung der Biomasse stellen gegenüber der direkten Verbrennung eine effektivere Methode zur Stromerzeugung dar und werden heute kontinuierlich weiterentwickelt. Bei der

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thermischen Vergasung erfolgt, unter der Zugabe von Sauerstoff und Wasserstoff, eine chemische Umwandlung der Biomasse. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass im Gegensatz zu der direkten Verbrennung keine gefährlichen Stoffe wie Furane oder Dioxine freigesetzt werden [213]. Die biologische Vergasung nutzt Mikroorganismen zur Biogaserzeugung durch eine anaerobe Vergärung der Biomasse. Das dabei entstehende Gas ist ein Gemisch, welches primär aus Methan, das maßgebend für den Energiegehalt des Gases ist, und Kohlenstoffdioxid besteht. Derzeit werden vor allem Rinder- und Schweinegülle, Rinderfestmist sowie Silage aus nachwachsenden Energiepflanzen, wie zum Beispiel Mais, eingesetzt, um Biomasse zur Gaserzeugung zu nutzen. Darüber hinaus tragen Deponie- und Klärgas einen erheblichen Anteil zur Stromerzeugung im Biomassesektor bei [134]. Als besonders effizient hat sich die gleichzeitige Bereitstellung von Strom und Wärme aus Biomasse mithilfe eines Kraft-Wärme-Kopplung Prozesses (vgl. Abschn.  4.2.2.7) erwiesen. Biogasanlagen werden aus logistischen Gründen primär an dezentralen Standorten (zum Beispiel auf landwirtschaftlichen Betrieben) betrieben. Die Möglichkeiten einer sinnvollen Abwärmenutzung sind somit in der Regel beschränkt. Aus diesem Grund hat die Einspeisung von aufbereitetem Biogas (Biomethan) in das Erdgasnetz in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen [103]. Derzeit steigt der Ausbau von Biomasseanlagen zur Stromerzeugung, verglichen am gesamten Zubau installierter Leistung, überproportional an. Dies hat zur Folge, dass im Jahr 2015 die Stromerzeugung aus Biomasse oder anderen biogenen Brennstoffen, hinter der Windenergie, den zweitgrößten Anteil an erneuerbaren Energien aufweist. Aufgrund des Teilgrundlastverhaltens von Biomasseanlagen erzeugen diese mehr Strom, wenngleich deren installierte Leistung nur 22 % der an Photovoltaikanlagen installierter Leistung entspricht. Da sowohl die Biomasse als auch das thermisch oder biologisch erzeugte Biogas gespeichert werden können, ist die Biomasse prinzipiell grund- und spitzenlastfähig. Weder periodische Tag/Nacht-Schwankungen der PV-Anlagen noch stochastische Schwankungen der Windkraft haben direkten Einfluss auf die Stromerzeugung aus Biomasse [213]. Die Förderung durch das EE-WärmeG und das EEG haben einen rasanten Ausbau an Biomasse-Kraftwerken bewirkt. Dies hat zur Folge, dass vermehrt Monokulturen von Mais, Raps und Getreide errichtet werden, um große Ernten an Biomasse zu erzielen. Die so entstandene Konkurrenzsituation durch die energetische Nutzung der Anbauflächen, anstelle der Nahrungsproduktion für Menschen und Tiere, steht im ökologischen Widerspruch. Aus diesem Grund sollte bevorzugt Biomasse verwendet werden, die energetisch ungenutzt vorhanden ist und nicht zusätzlich angebaut werden muss. Neben den genannten Stoffen eignen sich zudem Nahrungsmittel, Biomüll und Klärschlamm. Alleine Nahrungsmittel können einen erheblichen Teil zur Biogasproduktion beisteuern, da jeder Deutsche im Jahr rund 80 kg Essensreste entsorgt. Zudem lassen sich die Verluste auf dem Weg von der landwirtschaftlichen Erzeugung bis zum Verkauf sowie die im Handel nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums aussortierten Lebensmittel ergänzen [213].

150

U. Dombrowski et al.

4.2.3.6 Geothermie Der Begriff Geothermie umfasst die Nutzung der im Untergrund gespeicherten thermischen Energie für Nutzwärme (Raumheizung, Trinkwassererwärmung oder Prozesswärme) oder zur Stromerzeugung mithilfe eines thermischen Kraftwerkprozesses (vgl. Abschn.  4.2.3.2). Im Gegensatz zu Solar- oder Windenergie ist Geothermie eine stetig verfügbare, von Witterungseinflüssen sowie Tages- und Jahreszeiten unabhängige Energiequelle [233]. Die Erdwärme nimmt im Allgemeinen um etwa 3 °C pro 100 m Tiefe zu. Bei einer Tiefe von 3000 bis 4000 m herrscht somit eine Temperatur zwischen 100 und 130 °C [134]. In Ausnahmefällen, sogenannten geologischen Anomalien, werden solche Temperaturen bereits bei Tiefen ab 400  m erreicht. In Deutschland gibt es derzeit drei Regionen, die sich aufgrund von geologischen Anomalien besonders zur geothermischen Nutzung eignen: das norddeutsche Becken, der Oberrheingraben und das süddeutsche Molassebecken [75]. Generell wird zwischen zwei Formen der Geothermie unterschieden. Zum einen die hydrothermale Geothermie, welche die Energie von im Untergrund vorhandenen Tiefengewässern nutzt, und zum anderen die petrothermale Nutzung, bei der die in den Gesteinsschichten gespeicherte Energie genutzt wird, um Wasser oder andere Wärmeträger durch die Schichten zu pumpen [186]. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die genutzte Tiefe. Bis ungefähr 200 m Tiefe wird von der oberflächennahen Geothermie gesprochen. Die Temperaturen in diesen Tiefen werden mithilfe von Sonden (vertikale Bohrungen) oder Wärmekollektoren (horizontale, oberflächennahe ins Erdreich eingebrachte Systeme) genutzt, durch die Wasser als Wärmeträger gepumpt wird, und unter Zuhilfenahme einer Wärmepumpe auf ein Temperaturniveau gebracht wird, um es zur Raumheizung zu nutzen. Eine weitere Möglichkeit stellt die Erdwärmenutzung mit tiefen Sonden dar. Dieses Verfahren gleicht dem der oberflächennahen Geothermie, mit dem Unterschied, dass die Tiefe der Bohrungen bei mehreren 1000  m liegt und dementsprechend höhere Temperaturen erzielt werden, welche auch für industrielle Prozesswärme geeignet sind. Für die geothermische Stromerzeugung wird in der Regel eine Temperatur von mindestens 100 °C benötigt. Die Wirtschaftlichkeit stellt aufgrund der hohen Bohrkosten ein repräsentatives Problem dar. Bei entsprechenden Temperaturen kann das erhitzte Wasser zur Erzeugung von Industriedampf oder zur Stromerzeugung genutzt werden [103].

4.3

Teilaspekt Adaption und Anpassungsstrategie

Die Betrachtung der Vulnerabilität und der Mitigation in den vorherigen Kapiteln lässt die Schlussfolgerungen zu, dass für die Fabriken in Bezug auf den Klimawandel ein Handlungsbedarf besteht. Die Fülle an vorgestellten Maßnahmen erfordert eine Systematisierung sowie eine Auswahl, um bei begrenzten finanziellen Mitteln der Unternehmen einen größtmöglichen Nutzen zu generieren und die Fabriken entsprechend anzupassen [197]. Demzufolge ist in diesem Abschnitt die Entwicklung einer Anpassungsstrategie Gegenstand der Betrachtung. Dabei umfasst die Anpassungsstrategie sowohl Adaptions- als auch Mitigationsmaßnahmen (vgl. Abb.  4.15). Unter Adaption versteht das IPCC „In human

4  Planung klimagerechter Fabriken151 Abb. 4.15  Anpassungsstrategie

systems, the process of adjustment to actual or expected climate and its effects, in order to moderate harm or exploit beneficial opportunities. In natural systems, the process of adjustment to actual climate and its effects; human intervention may facilitate adjustment to expected climate.” [72]. Im Kontext der Fabrik soll unter Adaption die Summe aller technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Reduzierung der Verletzlichkeit (Vulnerablität) der Fabrik durch die Folgen des Klimawandels verstanden werden. Mitigationsmaßnahmen beschreiben dagegen im Umfeld der Fabrik alle Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Die klimapolitischen Strategieansätze Adaption und Mitigation haben beide ihre Berechtigung, da sie unterschiedlich wirken. In Tab.  4.20 sind die beiden Strategieansätze anhand ihrer Handlungscharakteristik beschrieben. Beispielsweise wirken Mitigationsmaßnahmen auf der Handlungsebene des Verursachers, da die Menge der emittierten Treibhausgase gesenkt werden soll. Die Kosten sind als hoch einzustufen und regional zu erbringen bzw. direkt vom Unternehmen. Allerdings ist die Wirkung eines einzelnen Unternehmens oder gar einer einzelnen Volkswirtschaft auf den Klimawandel als gering einzustufen, wenn nicht globale Kooperationen geschlossen werden, also multilateral agiert wird [84]. Gleichzeitig geht die Reduzierung der Treibhausgasemissionen zumeist mit einem verringerten Energieverbrauch einher, sodass sich die Höhe der Energiekosten reduziert und so auch die Wettbewerbsfähigkeit verbessert wird. Tab. 4.20  Klimapolitische Strategien und ihre Handlungscharakteristik [84] –

Mitigation

Adaption

Handlungsebene

Verursacher

Geschädigte

Kooperationsnotwendigkeit

Multilateral

Unilateral

Spezifische Effektivität

Gering

Hoch

Relative Kosten

Hoch

Hoch

Räumliche Inzidenz der Nutzen

Global

Regional

Räumliche Inzidenz der Kosten

Regional

Regional

Risiken

Gering

Gering

Konfliktpotenzial national

Hoch

Gering

Konfliktpotenzial international

Gering

Gering

Zeitliche Inzidenz von Kosten und Nutzen

Hohe Anfangskosten, später folgende Nutzen

Gleichschritt von Kosten und Nutzen

152

U. Dombrowski et al.

Die Adaption dagegen fokussiert die Handlungsebene der Geschädigten, daher kann hier auch unilateral, also ein Akteur alleine handeln. Die Wirkung einzelner Maßnahmen ist hoch, da direkt eine Reduzierung des Schadenpotenzials erfolgt. Somit treten die Kosten regional auf, allerdings ist hier auch der Nutzen regional festzustellen. Dies hat zur Folge, dass das nationale Konfliktpotenzial im Vergleich zur Mitigation als gering einzustufen ist, da Nutzen direkt wirksam wird (zeitlich und räumlich) [84]. Die Charakterisierung zeigt, dass sowohl die Mitigation als auch Adaption in einer Anpassungsstrategie zu berücksichtigen sind. Ob auf einen der beiden Aspekte ein Schwerpunkt zu legen ist, ist von der unternehmensspezifischen Situation, aber auch von dem Unternehmensumfeld abhängig. Nachfolgend werden einzelne Schritte zur Entwicklung einer Anpassungsstrategie beschrieben.

4.3.1 Entwicklung einer Anpassungsstrategie Die Anpassungsstrategie eines Unternehmens sollte sich in die Gesamtstrategie einbinden. Demzufolge wird zur Entwicklung der Anpassungsstrategie der Strategieentwicklungsprozess der Unternehmensplanung zurückgegriffen. Die Strategieentwicklung stellt die Hauptaufgabe des Top-Managements dar und wird auch als strategische Unternehmensführung bezeichnet. Sie umfasst die Definition langfristiger und grundlegend zu verfolgender Unternehmensziele [218]. Die Verankerung der Anpassungsstrategie mit der Unternehmensstrategie ist notwendig, da beiden ein langfristiger Planungshorizont zu Grund gelegt wird, welcher den Rahmen zur Initiierung kurzfristig durchzuführender Maßnahmen bildet. Die Strategieentwicklung ist als ein Prozess zu verstehen, der sich aus Planungsprozess sowie Lern- und Erfahrungsprozess zusammensetzt [5, 135, 164, 198]. Die Strategieentwicklung liegt ein systematisch-methodischer Prozess zugrunde, der sich in drei Schritte gliedern lässt. Ausgehend von der Vision, Mission und dem Leitbild des Unternehmens erfolgt der erste Schritt „Strategiefindung und -formulierung“. Dieser Schritt beinhaltet ebenso die Definition der strategischen Ziele. Erst im zweiten Schritt erfolgt die Strategieimplementierung. Schließlich erfordert jede Strategie eine strategische Kontrolle (Schritt 3), die gegebenenfalls in einer Anpassung der Strategie resultiert (vgl. Abb. 4.16). Nachfolgend werden die einzelnen Elemente des strategischen Managements beschrieben.

4.3.2 Vision, Mission, Leitbild Die Unternehmensphilosophie gibt den Unternehmen den normativen Rahmen, um für die gesamte Organisation eine Orientierung zu geben. Sie kann durch Vision, Mission oder Leitbilder formuliert werden. Dabei ist die Vision eines Unternehmens nach innen und die Mission nach außen gerichtet. Somit sollte die Vision die Fragen beantworten

4  Planung klimagerechter Fabriken153

Abb. 4.16  Systematisch-methodischer Prozess strategischen Managements

„Wo und wie wollen wir zukünftig sein?“. Die Adressaten der Mission sind Kunden, Kapitalgeber oder die Gesellschaft und sie sollte auf die Frage „Wie wollen wir von anderen gesehen werden?“ eine Antwort geben [117]. Analog zur definierten Unternehmensmission sollte im Rahmen der Anpassungsstrategie eine „Klimavision“ und eine „Klimamission“ verfasst werden. Diese geben der zu entwickelnden Strategie einen übergeordneten Rahmen sowie übergeordnete Zielstellung. Damit wird die Kommunikation an die Mitarbeiter als auch zu Kunden und Lieferanten unterstützt. Ferner kann die Strategie fester im Unternehmen und in der Unternehmenskultur verankert werden. Die Ausformulierung des Leitbilds der Anpassungsstrategie soll das Unternehmen in einen positiven Zusammenhang mit dem Klimawandel setzen. Damit ist gemeint, dass unternehmensspezifische Charakteristika wie die Branche oder die Produkte in die Ausformulierung einfließen. Eine Klimavision eines Automobilherstellers bzw. Automobilzulieferers könnte wie folgt formuliert sein: Wir möchten Vorreiter in der klimaneutralen Produktion von Systemlösungen im AutomotivBereich sein. Unsere Vision ist eine klimafreundliche Mobilität für alle Menschen.

Ein Beispiel für eine Klimamission wäre: Wir unterstützen die internationale Gemeinschaft durch unser Handeln und unsere Technologien dabei, das 2°C-Ziel der Klimakonferenz zu erreichen.

Die Klimavision und -mission stellt eine Eingangsgröße für die Strategieformulierung und -findung dar, da die zu entwickelnde Strategie diesen nicht entgegenstehen sollte.

154

U. Dombrowski et al.

4.3.3 Strategieformulierung und -findung Der erste Schritt der Strategiefindung und -formulierung kann in vier Teilschritte gegliedert werden (s. Abb. 4.17). Der erste Teilschritt ist die strategisch orientierte Gegenwarts- und Zukunftsbeurteilung und wird in Verbindung mit dem zweiten Teilschritt der Definition der strategischen Ziele durchgeführt. Der dritte Teilschritt ist die Entwicklung einer strategischen Stoßrichtung. Daran schließt sich die Festlegung der Strategie mit dem vierten Teilschritt ab [145]. Die Gegenwarts- und Zukunftsbeurteilung dient der Entwicklung interner und externer Rahmenbedingungen der Strategieformulierung, welches in die Definition der strategischen Ziele mündet. Als Instrument der beiden Teilschritte bieten sich die Umwelt-, die Umfeldund die Unternehmensanalyse an. Die Basis für die Entwicklung der Anpassungsstrategie legt die Umweltanalyse, da diese eine umfassende Analyse der Klimadaten beinhaltet. Zur Generierung von Klimadaten kann auf die in Kap. 2 beschriebenen Klimaveränderungen oder der in Abschn. 2.1 dargestellten Klimafolgen zurückgegriffen werden. Ein weiterer Ansatz ist die Nutzung der Plattform http://www.klimafolgenonline.com/, welche für verschiedene RCP-Szenarien und verschiedene Zeithorizonte die Veränderung der Klimadaten ausgibt. Mit der Unternehmens- und der Umfeldanalyse sollen die Auswirkung des Klimawandels sowie dessen Chancen und Risiken für das Unternehmen untersucht werden. Ziel der Analyse ist im ersten Teil die Identifikation und Klassifikation von Zusammenhängen zwischen dem Unternehmen und dessen Umfeld unter Einbeziehung politisch-rechtlichen, wirtschaftlichen, soziokulturellen, technologischen und ökologischen Aspekten [5]. Nachstehend werden anhand von Beispiele die einzelnen Aspekte der Unternehmensanalyse verdeutlicht. • Politisch-rechtlicher Aspekt: Ein neues Gesetz in einem Industriestaat zur Beschränkung der Emissionen von Treibhausgasen setzt die Produktion am dortigen Standort eines Stahlproduzenten unter Druck. Sollte das Gesetz beschlossen werden, ist diese

Abb. 4.17  Strategiefindung und -formulierung

4  Planung klimagerechter Fabriken155









Maßnahme zum Klimaschutz eine Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes, da noch keine technologische Lösung zur Emissionsverminderung bereitsteht Wirtschaftlicher Aspekt: Starkregen sorgt für Wassereinbruch in die Produktionsbereiche. Die erhöhte Menge Niederschlag kann nicht mehr durch die vorhandenen Einrichtungen abgeführt werden. In Folge dessen kommt es zum Stillstand der Produktion und einem wirtschaftlichen Ausfall des Unternehmens Soziokultureller Aspekt: Aufgrund der Altersstruktur des Landes ist ein Großteil der Belegschaft im fortgeschrittenen Alter. Die Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere die sommerlichen Hitzeperioden, führen zu erhöhten Arbeitsausfällen der älteren Mitarbeiter Technologischer Aspekt: Eine technische Innovation sorgt für eine Optimierung in der Kühlung des Produktionsprozesses. Die Anlagen sind nicht mehr auf Wasser aus dem nahegelegenen Fluss angewiesen. Das Unternehmen wendet eine Bedrohung des Klimawandels ab und verschafft sich einen Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern. Denn der Fluss führte in den vergangenen Jahren häufiger Niedrigwasser Ökologischer Aspekt: Der Standort eines Logistikunternehmens, welches überwiegend per Schiff operiert, befindet sich lagegünstig direkt am Ufer eines schiffbaren Flusses. Längere Trockenheitsperioden im Winter und Sommer machen den Fluss nicht befahrbar. Dem gegenüber lässt Starkniederschlag den Fluss häufiger über die Ufer treten und stellt eine Hochwassergefahr für den Standort dar. Die Aufrechterhaltung des ist möglich, weil Alternative Logistiklösungen zur Verfügung stehen

Diese Beispiele beschreiben mögliche aktuelle und zukünftige Situationen mit denen Unternehmen konfrontiert werden können. Damit wird deutlich, wie komplex die Zusammenhänge zwischen dem Unternehmen, seinem Umfeld und dem Klimawandel sind. Lühr et al. führen zudem aus, dass sich für Unternehmen die indirekten, regulatorisch-marktwirtschaftlichen Auswirkungen früher und prägnanter bemerkbar machen, als die direkten physikalischen [144]. Auf Basis der Analysen ist ein Ziel für die Anpassungsstrategie zu benennen, welches der unternehmensspezifischen Situation Rechnung trägt, ambitioniert ist und langfristig Bestand hat. Ein mögliches strategisches Ziel der Anpassungsstrategie ist beispielsweise die „Reduzierung der Treibhausgasemission um 20 % in den nächsten 5 Jahren“. Aber auch ein Unternehmen, dessen Standort aufgrund der Nähe zu einem Fluss mit häufigen Hochwasserereignissen, kann sich zum Ziel setzen „Keine hochwasserbedingten Produktionsausfälle“. Der dritte Teilschritt ist die Entwicklung der strategischen Stoßrichtung. Als probates Instrument kann hier die SWOT-Analyse zum Einsatz kommen. Bei der SWOT-Analyse (Strenghts, Weaknesses, Opportunities, Threats) wird anhand einer Identifikation der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken eines Unternehmens die strategische Stoßrichtung entwickelt. Die Bewertung der Chancen und Risiken erfolgt quantitativ in Form einer Skalierung von eins bis fünf. Dabei wird die Eintrittswahrscheinlichkeit bei beiden bewertet. Die zweite Bewertungsgröße ist bei den Risiken das Schadensausmaß und bei den Chancen das Potenzial. In der nachstehenden Tab. 4.21 sind die Bewertungsgrößen mit ihren Ausprägungen und deren Definitionen dargestellt.

Kein Potenzial

Kleines Potenzial

Mittleres Potenzial

Mittleres Risiko

Potenzial

Kleinrisiko

Bagatellrisiko

3

Schadensmaß

2

UnNiedrige Mittlere wahrscheinlich Eintrittswahrscheinlichkeit Eintrittswahrscheinlichkeit

1

Skalierung

Eintrittswahrscheinlichkeit

Bewertungsgröße

Tab. 4.21  Bewertungsgrößen von Chancen und Risiken. (Nach [98])

Großes Potenzial

Großrisiko

Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

4

Maximales Potenzial

Katastrophenrisiko

Praktisch sicher

5

156 U. Dombrowski et al.

4  Planung klimagerechter Fabriken157

Bei der quantitativen Bewertung von Chancen und Risiken entstehen Unsicherheiten, die es zu benennen gilt. Um einen aussagekräftigen Erwartungswert zu generieren, werden die Bewertungsgrößen exakt bestimmt. Nach Hasenmüller ergeben sich in der Praxis Unsicherheiten in der Ermittlung der Eintrittswahrscheinlichkeit. Im Kontext des Klimawandels werden die Unsicherheiten zusätzlich erhöht. Denn das Ausmaß und die Folgen des Klimawandels, sowohl im positiven (Chancen) als auch negativen (Risiken) Sinne, lassen sich trotz wissenschaftlicher Studien und diverser Klimamodelle nicht exakt bestimmen [98]. Um die Stärke bei der Anpassungsstrategie zu beschreiben, kann auf das Konzept der Resilienz zugegriffen werden. Resilienz ist ein vorsorglicher Ansatz zum Umgang mit Unsicherheiten und begrenzter Prognosefähigkeit komplexer dynamischer Systeme. Dieser Ansatz beinhaltet, dass resiliente Systeme sich auf die Beeinflussungen durch ihre Umwelt einstellen und trotz schwierigen Bedingungen ihre Funktionen und Dienstleistungen aufrechterhalten [94]. Dabei treten langsame und plötzliche Veränderungen bekannter oder unbekannter Art auf. Die Fähigkeiten, die zum Umgang mit den auftretenden Veränderungen benötigt werden, sind der Tab. 4.22 zu entnehmen [71, 159]. Schwächen im Rahmen der SWOT-Analyse wird durch die Vulnerabilität des Unternehmens bestimmt. Vulnerabilität setzt sich aus der Exposition, Sensitivität und Anpassungskapazität zusammen und wird mittels Vulnerabilitätsanalyse ermittelt. Die Daten der Umweltanalyse stellen dabei die Exposition dar und die soziokulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Daten der Unternehmens- und Umfeldanalyse die Sensitivität. Die Anpassungskapazität kann durch Ausweich- und Handlungsoptionen beschrieben werden. Dort werden technische (z.  B. Deichbau) und organisatorische (z.  B. Hitzewarnpläne) Maßnahmen unterschieden [28]. Ein resilientes Unternehmen besitzt eine hohe Anpassungskapazität. Als Ergebnis lassen sich aus der SWOT-Analyse folgende vier grundsätzliche Strategien ableiten, die auf dem Weg zur Anpassungsstrategie hilfreich sind: 1. Stärken (Resilienz) nutzen, um Chancen zu ergreifen 2. Stärken (Resilienz) nutzen, um Risiken zu vermindern 3. Schwächen (Vulnerabilität) vermindern, um Chancen auszuschöpfen 4. Schwächen (Vulnerabilität) vermindern, um Risiken zu vermeiden Die Auswahl von einer oder mehreren Strategien obliegt dem jeweiligen Unternehmen und sollte anhand der vorherrschenden Situation entschieden werden. Beispielsweise bietet sich zur Verminderung der Schwächen das Risikomanagement an (vgl. Abschn. 3.5.2.). So Tab. 4.22  Fähigkeiten von resilienten Systemen. (Nach [159]) –

Langsame Veränderung

Plötzliche Veränderung

Bekannte Veränderung

Anpassungsfähigkeit

Widerstandsfähigkeit

Unbekannte Veränderung

Innovationsfähigkeit

Improvisationsfähigkeit

158

U. Dombrowski et al.

Abb. 4.18  Strategien zum Umgang mit Risiken

kann das identifizierte Risiko durch drei Ansätze (Vermeidung, Verminderung, Transfer) minimiert bzw. als vierter Ansatz das Restrisiko akzeptiert werden (siehe Abb. 4.18). Aber auch für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen bestehen verschiedene Strategieansätze, die sich in ihren jeweiligen Ansatzpunkten teilweise erheblich voneinander unterscheiden. Einige Strategien setzen beim Verhalten der Konsumenten an, während andere Strategien technische Maßnahmen zur Lösungen des Emissionsproblems verfolgen [76]. Die möglichen Strategien zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen sind: • Dekarbonisierung der Energieversorgung: Abkehr von fossilen Energieträgern und Einsatz von erneuerbaren Energien [45]. (vgl. Abschn. 4.2.3) • Steigerung der Energieeffizienz: Einsparung von Energie durch Reduktion des Energieaufwands [95]. (vgl. Abschn. 4.2.2) • CO2-Abtrennung und Speicherung [76]. • Suffizienzstrategie: Einsparung von Energie durch energiebewusstes Verhalten der Konsumenten [95]. Jede dieser Strategien bewirkt eine Reduktion der Treibhausgasemissionen. Allerdings werden Unterschiede in der Effektivität der einzelnen Strategien angenommen, wodurch einige Strategien als bedeutender angesehen werden als andere. Außerdem existieren teilweise Hemmnisse, die eine Durchführung der jeweiligen Strategie erschweren beziehungsweise ausschließen [95]. Die Dekarbonisierung der Energieversorgung bedeutet eine Abkehr von der Verwendung kohlenstoffhaltiger Energieträger. Aktuell wird noch ca. 68,3  % des Bruttostromverbrauchs und 86,6  % des Endenergieverbrauchs durch nicht erneuerbare Energieträger abgedeckt [30]. Durch eine Substitution dieser Energieträger durch kohlenstofffreie

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oder kohlenstoffneutrale Energieträger können Treibhausgasemissionen deutlich reduziert werden. Die Dekarbonisierung ist folglich eine wirksame Strategie, um eine erhebliche Reduktion der Treibhausgasemissionen zu bewirken [95]. Verschiedene erneuerbare Energieträger werden in Abschn. 4.2.3 beschrieben. Die Strategie bezüglich der Steigerung der Energieeffizienz zielt darauf ab, den Energieaufwand einer Fabrik zu reduzieren. Es soll also dementsprechend die gleiche Menge an Produkten beziehungsweise Dienstleistungen produziert werden, jedoch mit einem geringeren Energieeinsatz. Durch diese Strategie werden sowohl Energiekosten eingespart als auch negative Umweltwirkungen wie z. B. Treibhausgasemissionen reduziert [95]. Insbesondere für die Produktion stellt diese Strategie einen wichtigen Ansatz dar, da sowohl die Kostensituation als auch die Klimawirksamkeit verbessert werden (vgl. Abschn. 4.2.2). Technologien zur Kohlenstoffabtrennung und Speicherung können bei Kraftwerken eingesetzt werden. In diesem Fall werden die entstehenden Treibhausgase nicht in die Atmosphäre emittiert, sondern aus dem Rauchgas abgetrennt und in entsprechenden Vorrichtungen gespeichert. Gegebenenfalls kann das gespeicherte Gas auch einer weiteren Nutzung zugeführt werden [76]. Bei dieser Methode bestehen allerdings Risiken bezüglich der sicheren Speicherung der Treibhausgase. Insbesondere die langfristige Unversehrtheit der Speicher muss gewährleistet werden [45]. Diese Strategie stellt zwar eine weitere Möglichkeit zur Reduktion von Treibhausgasemissionen dar, allerdings ist sie für eine einzelne Fabrik nicht umsetzbar. Wie oben bereits beschrieben, zielt die Suffizienzstrategie drauf ab, Energie durch eine Reduktion der Nachfrage einzusparen. Durch eine Reduktion der Menge konsumierter Produkte und Dienstleistungen wird die Energie eingespart, die ansonsten zu deren Produktion benötigt wird. Um ein energiebewusstes Verhalten der Konsumenten erzielen zu können, ist jedoch ein gesellschaftlicher Wandel notwendig. Große Teile der Bevölkerung müssten folglich ihr Konsumverhalten freiwillig ändern und ihr Handeln einer Suffizienzstrategie anpassen. Sollte ein solches Verhalten jedoch erzielt werden, kann eine Suffizienzstrategie einen sinnvollen Ansatz darstellen [95]. Diese Strategie kann jedoch zu einem Interessenskonflikt des Fabrikbetreibers führen, da er zum einen Umsatz durch den Verkauf der von ihm produzierten Produkte generieren möchte. Zum anderen müsste er seine Kunden zum Konsumverzicht animieren, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Suffizienzstrategie kann zur Anwendung kommen, wenn innerhalb des Produktionsprozesses konsequent auf Verschwendungsvermeidung geachtet wird. Nach Kombination der einzelnen Strategieansätze zu einer Anpassungsstrategie, folgt im nächsten Schritt deren Verankerung im Unternehmen.

4.3.4 Strategieimplementierung Die Implementierung der Anpassungsstrategie ist der schwierigste Teil des strategischen Managements aufgrund seiner Zeit- und Personalintensivität. Der zu leistende Aufwand resultiert aus den notwendigen Veränderungen im Unternehmen, welcher erforderlich ist,

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um die betriebliche Trägheit sowie die Hemmnisse zu überwinden. Geht mit der Strategieimplementierung eine Strukturveränderung einher, kann dies sogar zu einer Demotivation der Mitarbeiter führen [209]. Eine umfassende Restrukturierung wird allerdings nicht alleine aus der Anpassungsstrategie entstehen, sondern eher im Rahmen einer umfassenden Gesamtstrategie. In Abb. 4.19 sind die fünf Schritte zur Strategieimplementierung am Beispiel der Mitigation und Vulnerabilität aufgeführt. Ausgehend vom strategischen Ziel sind für einzelne Funktions- oder Geschäftsbereiche des Unternehmens Teilstrategien zu formulieren. Für die Mitigation ist eine mögliche Teilstrategie die Senkung der CO2-Emission, beispielsweise durch ausschließlichen Bezug von Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Als zweites sind für die einzelnen Bereiche Fähigkeiten zu entwickeln, wie der Aufbau von Kompetenz im Bereich energiesparender Fertigungstechnologien. Der dritte Schritt ist die Vorbereitung einer strategiegerechten Organisation, welche z.  B. die Einführung von Stabsstellen für Klima- und Energiebeauftragte im Kontext einer Anpassungsstrategie sein kann. Aber auch die Schaffung von neuen Geschäftsbereichen zur Vermarktung klimaneutraler Produkte wie dies beispielsweise BMW mit der Elektromobilitätsmarke BMW i umgesetzt hat, ist zu diesem Schritt zu rechnen. In einem vierten Schritt sind Führungskräfte und Mitarbeiter zu schulen. Dies ist zum einen notwendig, um ein Bewusstsein für den Klimawandel zu schaffen, zum anderen um das technologische Wissen aufzubauen. Wenn dies erreicht ist, wird in einem fünften Schritt ein Aktionsplan zur Umsetzung der Strategie aufgestellt. Dies erfordert die Benennung von konkreten Maßnahmen sowie die Formulierung von Vorgaben zur Umsetzung.

Abb. 4.19  Beispiele für die Strategieimplementierung [209]

4  Planung klimagerechter Fabriken161

4.3.5 Strategische Kontrolle Der dritte Schritt des Strategieentwicklungsprozesses ist die strategische Kontrolle. Sie ist notwendig, da das Umfeld nicht stabil bleibt und strategische Probleme frühzeitig festzustellen sind. Die strategische Kontrolle umfasst die zweckgerichtete Lenkung des Unternehmens indem ein zielgerichteter Vergleich zwischen der gegenwärtigen Situation und den Planungsgrößen stattfindet. Bei Abweichungen erfolgt eine Ursachenanalyse, die entweder zur Definition von neuen Maßnahmen oder zur Anpassung der Strategie führen. Dies kann auch eine Abweichungsanalyse miteinschließen [117]. Die Strategiekontrolle sollte sowohl zu fixen regelmäßigen Terminen (sogenannte Strategiesitzungen) als auch ad hoc bei Sonderereignissen erfolgen. Dabei werden sowohl Vergangenheitsdaten analysiert (Ergebniskontrolle) als auch eine zukunftsgerichtete Überprüfung der Unternehmensstrategie durchgeführt. Beispielsweise können Ist- und Plandaten der in einem Jahr verbrauchten Energie analysiert oder die Wirksamkeit von Energieeinsparmaßnahmen untersucht werden. Der Entwicklungsprozess der Anpassungsstrategie ist damit abgeschlossen. Der Erfolg der Strategie wird anhand der Wirksamkeit der Einzelmaßnahmen auf operativer Ebene bestimmt. Für die Planung, Umsetzung und Evaluation einer geeigneten Anpassungsmaßnahme stehen dem Anwender bzw. dem Unternehmen vielfältige Kriterien zur Verfügung. Das Umweltbundesamt hat hierfür verschiedene Kriterien entwickelt. Diese sollen als Orientierungshilfe für privatwirtschaftliche und öffentliche Akteure zur Bewertung der Strategie dienen. In Tab. 4.23 sind sechs Kriterien zur Bewertung der Anpassungsstrategie definiert und anhand eines Beispiels verdeutlicht [210]. Der Prozess zur Entwicklung der Anpassungsstrategie ist mit dem dritten Schritt abgeschlossen.

4.4

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für produzierende Unternehmen werden im Kontext des Klimawandels und -schutzes durch internationale Verträge, europäische Richtlinien sowie nationale Gesetze bestimmt (vgl. Abb. 4.20). Besonders der Bereich des Energierechts, welcher direkt mit dem Klimawandel in Bezug steht, hat in der jüngeren Vergangenheit eine hohe Dynamik erfahren. Zu beachten ist, dass die internationale, europäische und deutsche Ebene in Wechselwirkung zueinanderstehen. Wie in Kap.  2  kurz erläutert, entstand auf internationaler Ebene beispielsweise im Jahr 1992 die „Klimarahmenkonvention der vereinten Nationen“. Diese wurde bei der „Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung“ (UNCED) in Rio de Janeiro von 192 Staaten unterzeichnet. Erstrebt wird die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre, sodass eine anthropogene Zerstörung des Klimasystems verhindert werden kann. Dafür verpflichten sich die Vertragspartner, regelmäßig Berichte über nationale Treibhausgasemissionen wie auch fortlaufende Trends zu veröffentlichen.

162

U. Dombrowski et al.

Tab. 4.23  Kriterien zur Bewertung von Anpassungsmaßnahmen [210] Kriterium

Definition

Beispiel

Wirksamkeit (Effektivität)

Dauerhafte Risikominderung in Bezug auf den Klimawandel und Nutzung der Chancen

Das Logistiklager eines Unternehmens im hochwassergefährdeten Gebiet wird an einen höhergelegenen Standort verlagert.

Robustheit

Wirkung der Maßnahme ist auch in verschiedenen Klimaszenarien positiv

Ein Unternehmen wird mit einem alternativen Kühlprozess ausgerüstet, der ohne die Entnahmen von Flusswasser auskommt und bei Bedarf im Hochsommer die Wasserkühlung ersetzt.

Nachhaltigkeit

Die Maßnahme ermöglicht den Ausgleich zwischen sozialen, ökologischen und ökonomischen Interessen.

Für die Erneuerung des Werksgeländes wird hitzebeständiger Asphalt mit pflanzlichem Öl im Bitumenanteil verwendet. Dieser ist zwar teurer, jedoch auch umweltschonender in der Herstellung als konventioneller Asphalt.

Finanzielle Tragbarkeit

Die Anpassungsmaßnahme ist finanzierbar und die Alternativen weisen bei gleichen Kosten keinen höheren Nutzen auf.

Das Anlegen von Versickerungsmulden für ein Gewerbegebiet ist wegen geringer Investitions- und Unterhaltskosten problemlos zu finanzieren.

Die Maßnahme hat neben der Anpassung an den Klimawandel weitere positive Effekte.

Die Auftragsvergabe erfolgt an Zulieferer, die nah am Produktionsstandort liegen. Durch die verkürzten Lieferwege wird nicht nur Ausfallgefahr durch Extremereignisse reduziert, sondern der geringere Treibstoffverbrauch trägt auch zum Klimaschutz bei.

Die Maßnahme kann modifiziert werden.

Ein Unternehmen versichert sich gegen Elementarschäden. Das gewählte Versicherungspaket ist jährlich künd-, reduzier- und erweiterbar.

(Effizienz)

Positive Nebeneffekte

Flexibilität

4  Planung klimagerechter Fabriken163

Abb. 4.20  Internationale, europäische und nationale Rechtsvorschriften

Einerseits um internationale Transparenz zu schaffen und andererseits, um im Rahmen gemeinsamer Weltklimagipfel geeignete Konzepte sowie Maßnahmen zur Zielerreichung zu entwickeln [214]. Auf der Konferenz in Kyoto wurden 1997 erstmals verbindliche Handlungsziele und Umsetzungsinstrumente in einem Protokoll festgelegt, mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen der Industriestaaten zwischen 2008 und 2012 um mindestens 5,2 % unter das Niveau von 1990 zu senken. Bedingung für das Kyoto-Protokoll war, dass mindestens 55 Industrienationen unterzeichnen, die zusammen insgesamt 55 Prozent der globalen Treibhausgase verursachten. Erst im Jahr 2005 trat das Protokoll verbindlich in Kraft [215]. Auf das 2012 ausgelaufene Kyoto Protokoll folgte das Übereinkommen von Paris, welches die Reduktion der anthropogenen Klimaerwärmung auf unter 2  °C zum Ziel hat. Das Übereinkommen setzt auf nationale Selbstverpflichtungen, welche für Deutschland im Klimaschutzplan 2050 beschrieben werden [215]. Die Europäische Union hat im Klimaschutz eine führende Rolle eingenommen, sodass auf europäischer Ebene eine Reihe von Richtlinien beschlossen wurden, welche einen Beitrag zur Erreichung der langfristigen klima- und energiepolitischen Ziele im

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U. Dombrowski et al.

EU-2020-Klima- und -Energierahmen sowie im EU-2030-Klima- und -Energierahmen leisten sollen. Auf nationaler Ebene sind die Ziele der klima- und energiepolitischen Aktivitäten im Energiekonzept der Bundesregierung vom September 2010, dem Aktionsplan Klimaschutz vom Dezember 2014 und dem Klimaschutzplan 2050 vom November 2016. Quantitative Ziele des deutschen Zielkorridors sind in Tab. 4.24 aufgeführt [32]. Um den Ordnungsrahmen, zur Erreichung der Ziele, einzuhalten, sind eine Reihe von Gesetzen erlassen wurden, die auch die produzierenden Unternehmen als wesentliche Verursacher in die Verantwortung nehmen. Beispiele sind das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz, das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz sowie das Energiewirtschaftsgesetz. Diese Gesetze haben gemein, dass sie die durch die europäische Union gesetzten Rahmen ausfüllen. Das im Jahr 2000 in seiner ursprünglichen Fassung in Kraft getretene ErneuerbareEnergien-Gesetz unterstützt den Ausbau regenerativer Energien, indem es die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen sowie die Höhe und Art der Einspeisevergütung beschreibt. Gemäß § 1 Abs. 1 des EEG verfolgt das Gesetz folgenden Zweck: • Ermöglichen einer nachhaltigen Entwicklung der Energieversorgung • Verringerung der volkwirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung, auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte • Schonung fossiler Energieträger • Förderung der Weiterentwicklung von Technologien zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen [65] Die starke Erhöhung des Anteils der regenerativen Energiequellen in den letzten Jahren ist auf das EEG zurückzuführen (vgl. Abschn. 4.2). Mit der Novellierung von 2017 tritt die wesentliche Änderung in Kraft, von einem Einspeisevergütungsmodell auf ein Ausschreibungsverfahren zu wechseln. Die zur Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien eingeführte Umlage stellt mit 6,88 Cent je KWh (Stand 2017) einen wesentlichen Teil der Stromkosten dar [29]. Diese Umlage müssen auch produzierende Unternehmen zahlen. Allerdings wurde für im internationalen Wettbewerb stehende, stromintensive Unternehmen Sonderregelungen geschaffen, um diese vor Benachteiligungen zu schützen. Dazu gehören: • Stromverbrauch einer Abnahmestelle von mehr als 1 GWh • Stromintensivität des Unternehmens mit einem Stromkostenanteil von min. 14 % bzw. min. 20 % des Umsatzes (je nach Branche) • ein zertifiziertes Energie- oder Umweltmanagementsystem Insgesamt profitierten im Jahr 2017 2.092 Unternehmen von der Ausgleichsregelung, sodass 105.683 GWh von der EEG-Umlage befreit waren [24].

18 %

Anteil am Bruttoendenergieverbrauch

−10 % 25 % 2,1 % pro Jahr (2008– 2015)

Bruttostromverbrauch (gegenüber dem Jahr 2008)

Anteil der Stromerzeugung aus Kraft-WärmeKopplung

Endenergieproduktivität

Verdopplung auf 2 % pro Jahr

Sanierungsrate −10 % 1 Million

Endenergiebedarf (gegenüber dem Jahr 2005)

Anzahl Elektrofahrzeuge

6 Millionen

−40 %

– −20 %

Primärenergiebedarf

Verkehrsbereich

45 %

Mindestens 50 % (2035: 55 bis 60 %)

−70 %

2040



In der Größenordnung von −80 %



−25 %

−50 %

30 %

Mindestens 50 % (2025: 40 bis 45 %)

−55 %

2030

Wärmebedarf

Gebäudebestand

−20 %

Primärenergieverbrauch (gegenüber dem Jahr 2008)

Effizienz

Mindestens 35 %

−40 %

2020

2050

Anteil am Bruttostromverbrauch

Erneuerbare Energien

Treibhausgasemissionen (gegenüber dem Jahr 1990)

Treibhausgasemissionen

Kategorie

Tab. 4.24  Quantitative Ziele der Energiewende. (Nach [32])

60 %

Mindestens 80 %

−80 % bis −95 %

2050

4  Planung klimagerechter Fabriken165

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U. Dombrowski et al.

Ein weiteres für die Industrie bedeutendes Gesetz ist das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG), welches die Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft umsetzt. Das Gesetz bildet in Deutschland die Grundlage für das europäische System zum Handel mit Treibhausgas-Zertifikaten. Gegenstand des TEHG ist, dass Unternehmen mit einer hohen Emission an Treibhausgasen für ihre Fabriken und Anlagen Emissionsrechte (Zertifikate) besitzen. Die Zertifikate wurden anfänglich an Unternehmen nach bestimmten Kriterien kostenlos verteilt, werden aber zunehmend versteigert und gehandelt. In der dritten Handelsperiode (2013–2020) werden die Emissionsrechte gegenüber 2005 um 21 % reduziert. Die Zuteilung der Emissionsrechte wird im Zuteilungsgesetz (ZuG) und der Zuteilungsverordnung (ZuV) geregelt. Ziel des Handelssystems ist es durch Verknappung der Emissionsrechte über den aufgrund von reduziertem Angebot und gleicher Nachfrage steigenden Preis finanzielle Anreize für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu schaffen [143]. Das in 2002 beschlossene Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) (letzte Novellierung 2016) hat die Erhöhung der Nettostromerzeugung aus der KWK-Anlagen auf 110 TWh bis 2020 und 120 TWh bis 2025 zum Ziel. Analog zum EEG erfolgt die Förderung durch eine Einspeisevergütung sowie dem Einspeisevorrang in das öffentliche Netz, wobei sich die Höhe der Förderung nach der Größe der Anlage richten. Finanziert wird die Einspeisevergütung durch eine Umlage auf Verbraucher die mehr als eine GWh je Abnahmestelle verbrauchen. Bei der Nutzung der erzeugten Energie direkt im Umfeld des erzeugenden Unternehmens besteht die Möglichkeit einer Befreiung von der Stromsteuer und von Netznutzungsentgelten. Näheres regeln das Stromsteuergesetz (StromStG), Energiesteuergesetz (EnergieStG) sowie die Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV). Die kurze Vorstellung einiger Gesetze zeigt die breite Förderung von regenerativen Energien, sodass eventuelle Hemmnisse durch Investitionszuschüsse oder die möglicherweise geringere Rentabilität durch Einspeisevergütungen beseitigt werden. Aufgrund der regelmäßigen Novellierung der Förderinstrumente sollten Unternehmen vor der Beschaffung von neuen Anlagen stets prüfen, inwieweit eine Förderung möglich ist. Die Ausführungen der Abschnitte zeigen, dass Unternehmen sich zunehmend auf Auswirkungen des Klimawandels einstellen müssen. Bereits heute reagieren einige Unternehmen und implementieren Methoden und Werkzeuge, um den Auswirkungen wie Hochwasser, Sommerhitze oder Starkregen zu begegnen. Im folgenden Abschnitt wird anhand eines Praxisbeispiels näher erläutert, welche Mitigations- und Adaptionsstrategien in der Fabrik berücksichtigen.

4.5 Praxisbeispiel Vulnerabilität am Beispiel des Volkswagen Motorenwerks Chemnitz Die Stadt Chemnitz ist eine kreisfreie Stadt im Südwesten Sachsens. Sie ist mit knapp 250.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Sachsens und liegt am Nordrand des Erzgebirges. Die Würschnitz und die Zwönitz nehmen hier Wasser auf und bilden gemeinsam im Süden der Stadt den gleichnamigen Fluss Chemnitz. Das mitgeführte Wasser erfährt hierbei auf nur 30 km einen Höhenunterschied von 500 bis 800 m. Auffällig ist, dass im Raum Chemnitz

4  Planung klimagerechter Fabriken167

seit 2006 dreimal Hochwasserereignisse auftraten, die dem Jahrhunderthochwasser sehr nahekamen. Das Motorenwerk Chemnitz der Volkswagen Sachsen GmbH ist neben dem Fahrzeugwerk Zwickau und der Gläsernen Manufaktur Dresden einer der wichtigsten Produktionsstandorte in Sachsen. Aktuell sind im Werk rund 1650  Mitarbeiter beschäftigt. Das Werk stellt täglich etwa 3200 Motoren und bis zu 3500 Satz Ausgleichswellen her. Das Werk befindet sich in der Nähe zum Fluss Chemnitz und ist daher direkt von Hochwasserereignissen des Flusses betroffen [221]. Neben den Risiken durch Hochwasser herrschen in den Fabrikhallen während der Sommermonate wie anderenorts auch erhöhte Temperaturen. Im Folgenden werden die Themen vertiefend beleuchtet und mögliche Potenziale zur nachhaltigen Risikominderung vorgestellt, um sowohl die Einwirkungen von Umwelteinflüssen zu minimieren als auch die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Mitarbeiter weiter zu verbessern.

4.5.1 Maßnahmen aufgrund von Starkregen und Überflutung Auswertungen der Starkregenereignisse und der Menge des Niederschlages des DWD zeigen spürbare Veränderung seit 2000. In Tab. 4.25 werden die Ergebnisse der KOSTRAAnalyse (Koordinierte Starkniederschlagsregionalisierung-Auswertung) deutlich. Der Vergleich der Niederschlagsdaten des KOSTRA-DWD-2000  mit KOSTRADWD-2010 zeigt, dass vor allem in den Starkniederschlagsmengen bei einer Dauer größer 4 h eine Erhöhung der Niederschlagsmenge zu verzeichnen ist. So ist beispielsweise für eine Jährlichkeit, welche die Wiederkehrwahrscheinlichkeit von Naturereignissen beschreibt, von 5 Jahren und einer Dauer von 4 h eine Starkniederschlagsmenge von 40,5 mm zu erwarten. Für das Jahr 2000 waren es nur 38,0 mm [46]. Die Kombination steigender Wassermengen mit weiteren Einflussfaktoren bedarf der näheren Betrachtung. Da bei der ursprünglichen Planung von Standorten nicht alle zukünftigen Entwicklungen abschätzbar sind, können nur bestimmte präventive Annahmen getroffen werden. So werden im Generalbebauungsplan (s. Abschn.  3.4.2.2) zwar Tab. 4.25  Veränderung der Niederschlagshöhen [46] KOSTRA-DWD-2000 in mm

KOSTRA-DWD-2010 in mm

T = 1a T = 5a T = 20a

T = 100a

5 min.

6,2

10,4

14,0

18,2

5 min.

15 min.

11,7

18,6

24,6

31,5

60 min.

17,4

30,5

41,7

54,8

4 h

24,5

38,0

49,5

12 h

32,2

45,9

24 h

40,2

60,3

72 h

52,7

85,7

T = 1a T = 5a T = 20a

T = 100a

6,2

10,2

13,7

17,7

15 min. 11,7

18,7

24,6

31,6

60 min. 17,4

31,4

43,4

57,4

63,0

4 h

26,2

40,5

52,9

67,3

57,8

71,5

12 h

36,2

50,9

63,5

78,2

77,6

97,5

24 h

44,4

70,5

92,9

119,0

114,2

147,2

72 h

61,2

105,4

143,5

187,7

168

U. Dombrowski et al.

mögliche Erweiterungen und Ähnliches abgebildet, allerdings können sich im Laufe der Jahre Veränderungen ergeben, welche nicht betrachtet werden konnten. Bezogen auf den Fall des Motorenwerks in Chemnitz kann neben der Zunahme der auftreffenden Niederschlagsmenge der vergangenen 20  Jahren mit einer Zunahme der Versiegelungsfläche von bis zu 15  % ausgegangen werden [46]. Dies lässt das Risiko möglicher Hochwasserereignisse anwachsen, was in der Folge zur Beeinträchtigung der Produktionsprozesse führen könnte. In den vergangenen zehn Jahren waren solche Ereignisse temporär nachweisbar. Hinzukommend wird für das Werk Chemnitz eine Höhendifferenz von bis zu 5 m zwischen dem Nord- und Südbereich gemessen, was eine differente Verteilung der Wassermengen im Werk begünstigt. Die Stadt Chemnitz hat zur Erhöhung der Sicherheit gegenüber Hochwasser im Jahr 2008 die Uferbereiche entlang der Straße „Kauffahrtei“ (siehe Abb. 4.21) erhöht. Für das Werk Chemnitz wurden mehrere technische Maßnahmen in einem Stufenplan erarbeitet und operativenMaßnahmen geplant, welche bei einer möglichen Gefahr durch Hochwasser ad hoc umgesetzt werden. Zu den operativen Maßnahmen ist vor allem die Nutzung von Abfüllanlagen für Sandsäcke zu rechnen. Mit den Sandsäcken können gefährdete Bereiche durch temporäre Dämme geschützt werden. Außerdem werden Retentionsbecken genutzt, um einen Teil des Regenwassers aufzufangen und zu nutzen. Ist die Aufnahmekapazität der Sammler erschöpft, kann über mehrere Pumpensysteme überschüssiges Wasser vom Nordbereich in den Fluss Chemnitz eingeleitet werden.

4.5.2 Maßnahmen aufgrund von Sommerhitze Neben den Folgen durch Hochwasser wird das Motorenwerk auch durch Phasen hoher Temperaturen in den Sommermonaten belastet. Wie in allen ähnlich gestalteten Produktionshallen in Europa sind in den Sommermonaten besonders starke Erwärmungen

Abb. 4.21  Hallenluftkühlung im Volkswagen Werk Chemnitz

4  Planung klimagerechter Fabriken169

der Halleninnentemperaturen gegeben. Das führt unweigerlich zu einer erhöhten Belastung der Anlagen und zu Beeinträchtigung der Arbeitsbedingungen. Damit steigen auch jährlich die physischen Anforderungen an die Mitarbeiter. Um dieser Herausforderung zu begegnen und den Mitarbeitern ein angemessenes Klima in der Arbeitsumgebung zu geben, nutzt Volkswagen zur Kühlung der Fertigungshalle unterschiedliche Kühlungssysteme. Hierzu zählen die Hallenluftkühlung in Form einer Spotkühlung, einer Brunnenluftkühlung, einer adiabaten Kühlung und einer Prozesskühlung. In Abb.  4.21 sind die verschiedenen Bereiche und die dazugehörige Kühlung abgebildet. Um den hohen Temperaturen zu begegnen, werden in intensiven Phasen, in denen die Temperatur die Grenzwerte der ASR erreichen, Leihklimageräte genutzt, um die Temperatur zu senken. Hierdurch können Gesamtluftmengen von 60.000 m³/h mit einer Temperatur von ca. 15 °C umgeschlagen werden. Durch den rechtzeitigen Einsatz kann die Temperatur unter 35 °C gesenkt und somit eine Belastungsreduzierung für die Mitarbeiter realisiert werden. Der Einsatz der Leihgeräte weist die in Tab. 4.26 aufgeführten Vor- und Nachteile. Die notwendige extreme Genauigkeit der Anlagenprozesstechnik wird dadurch sehr positiv beeinflusst. In einer anderen Halle wird auf die Spotkühlung verzichtet und hingegen eine Brunnenwasserkühlung verwendet, um auch in diesen Bereichen eine Temperaturreduzierung zu erreichen. Im Gegensatz zu der zuvor beschriebenen Halle, welche eine Größe von 35.000 m2 besitzt, hat diese Halle lediglich eine Größe von 20.000 m2. Die Brunnenwasserkühlung zeichnet sich durch die Nutzung zweier Brunnen aus, welche in den Sommermonaten Wasser mit einer durchschnittlichen Temperatur von 10 °C führen. Das Brunnenwasser steht an 365 Tagen im Jahr für die Hallenluft- und für die Anlagenkühlung zur Verfügung und stellt darüber hinaus durch den geschickten Einsatz von Wärmetauschern noch Brauchwasser mit einer Temperatur von 22 °C zur Verfügung. Das Brunnenwasser hat somit einen doppelten Nutzen: die thermische Nutzung zur Hallenkühlung sowie die stoffliche Nutzung für Anlagen und Kühltürme. Tab. 4.27 verdeutlicht die Vor- und Nachteile der Brunnenwasserkühlung. Tab. 4.26  Vor- und Nachteile der Hallenkühlung mit Leihgeräten Vorteil

Nachteil

Kosten

• Relativ gering • Energie und Miete • Einmalige Installation

• Kleine Nutzfläche

Fläche/Infrastruktur

• Kleine Aufstellfläche • Wenig Kanäle

• Jährlich zu installieren

Nutzen

• Guter Kühleffekt

• Nur für Spots • Nicht großflächig einsetzbar • Geringer Effekt – psychologisch

170

U. Dombrowski et al.

Tab. 4.27  Vor- und Nachteile der Brunnenwasserkühlung Vorteil

Nachteil

Kosten

• Gering bei vorhandener Infrastruktur

• Brunnenwasser muss ausreichend zur Verfügung stehen

Fläche/Infrastruktur

• Keine Fläche

Nutzen

• Guter Kühleffekt

• Auf kleiner Fläche

• Energieeffizient

Durch den Einsatz der Brunnenwasserkühlung werden Temperaturreduzierungen von bis zu 4  °C erreicht. Dabei ist zu beachten, dass die Kühlleistung der Brunnenwasserkühlung bei langanhaltenden hohen Temperaturen nachlässt, da sich das Brunnenwasser selbst auch erwärmt. Um im Westflügel der Halle 100 eine weitere Temperaturreduzierung zu erreichen, wurde eine Adiabate Kühlung verbaut. Diese trägt warme Außenluft durch einen Gegenstromwärmetauscher in dem im Gegenstrom warme Hallenluft herausgeführt wird. Bei der Abfuhr der Luft wird diese stark befeuchtet und somit abgekühlt. Für die Befeuchtung wird ein Teil des Brunnenwassers genutzt, wodurch eine Kühlung der Hallenluft um bis zu 6 °C erreicht wird. Einen Nachteil stellt hierbei die hohe Luftfeuchtigkeit der eingetragenen Luft dar, welche sich in Bereichen zwischen 50–60 % bewegt. Hohe Luftfeuchtigkeit führt zu einer Verstärkung der wahrgenommenen Wärme, da der Körper durch Transpiration keine Wärme mehr abführen kann (siehe Abschn. 4.1.2). Die Vor- und Nachteile der Adiabaten Kühlung sind in Tab. 4.28 aufgeführt. Die dritte verwendete Kühlung ist die Prozesskühlung. Merkmale dieser Kühlung sind die Trennung des Kühlwassers in Primär- und Sekundärkreis. Hierdurch wird sauberes Kühlwasser für die Maschinen bereitgestellt und gleichzeitig keine dezentralen Kälteaggregate an den Maschinen benötigt. Ferner kann für die Kühlwassernachspeisung Tab. 4.28  Vor- und Nachteile der adiabaten Kühlung

Kosten

Vorteil

Nachteil

• Geringere Kosten bei neuen Lüftungsgeräten

• Hohe Kosten bei Nachrüstung • Zusätzlicher Wasserverbrauch

• Brauchwasser möglich Fläche/Infrastruktur Nutzen

• Zusätzliches Register in Lüftungsanlage erforderlich • Sehr guter Kühleffekt • Sehr effizient • Geringe Betriebskosten

4  Planung klimagerechter Fabriken171

Regenwasser genutzt werden. Im Winter kann das System zur freien Kühlung genutzt werden, indem Kaltwasser über Kühltürme bereitgestellt wird. Darüber hinaus können die Energiekosten gesenkt werden, da die Kältemaschinen nur im Spitzenbetrieb benutzt und in Perioden mit geringer Last abgeschaltet werden. Durch den Einsatz dieser Kühlsysteme können große Teile des Werkes temperaturseitig positiv beeinflusst, die Prozesstechnik stabilisiert und die physischen Belastungen für Mitarbeiter gesenkt werden. Allerdings stellt die Spotkühlung lediglich ein Provisorium dar und sollte langfristig durch effizientere Kühlungssysteme ausgetauscht werden. Darüber hinaus sollte eine höhere Kühlleistung anvisiert werden, um die Temperaturbelastung für die Mitarbeiter weiter zu senken und höhere Qualität zu sichern.

4.6 Zusammenfassung Die Planung klimagerechter Fabriken beinhaltet die Aspekte der Vulnerabilität und der Mitigation, welches die Anpassung der Fabrik an mögliche Folgen des Klimawandels als auch eine Reduzierung der Treibhausgasemission einschließt. Dieser Aufteilung folgend, wird Abschn. 4.1 die Vulnerabilität zur Analyse möglicher Klimafolgen vorgestellt. Eine hohe Vulnerabilität zeigt sich darin, dass einzelne negative Auswirkungen auf die Fabrik, die durch den Klimawandel ausgelöst werden, vermehrt auftreten, also ein erhöhtes Risiko darstellen. In Abschn. 4.1.1 wurden negative Auswirkungen den Klimafolgen zugeordnet und in die vier Risikogruppen physische, infrastrukturelle, Wettbewerbs- und Reputationssowie regulative Risiken geclustert. Anschließend werden die sechs wichtigsten Folgen des Klimawandels Sommerhitze, Starkregen, Überflutung, Hagel, Wind und Sturm sowie Schnee detailliert analysiert. Dazu wird für jede dieser Klimafolgen zu Beginn auf die Definition und Relevanz eingegangen, um die Begriffe einzuordnen und die Motivation für die Betrachtung der Folge aufzuzeigen. Danach werden Messmöglichkeiten genannt, um sicherzustellen, dass der Fabrikbetreiber auch die relevanten Daten bestimmen kann. Die darauf basierende Auswirkungsanalyse benennt negative Auswirkungen für die Fabrik auf den Ebenen Infrastruktur, Gebäude, Maschinen, Mitarbeiter und Fabrikprozesse. Schließlich werden Schutzmaßnahmen benannt, um anhand von Beispielmaßnahmen eine Hilfestellung zu geben, wie mit einem erhöhten Risiko umgegangen werden kann. Im anschließenden Abschn.  4.2 wird der zweite Teilaspekt Mitigation dargestellt. Dazu wird zuerst die Klimawirksamkeit der Industrie beschrieben, indem energie- und prozessbedingte Treibhausgasemissionen voneinander abgegrenzt werden. In den beiden darauffolgenden Teilkapiteln wird auf die Mitigation durch Reduzierung des Energieverbrauchs sowie durch Einsatz regenerativer Energien eingegangen. Zur Energieverbrauchsreduzierung werden verschiedene Maßnahmen für die Handlungsfelder Beleuchtung, Druckluft, elektromechanische Antriebe, Prozesskälte und -wärme sowie Heizung, Lüftung  und  Klima vorgestellt. Abschn.  4.2.3 zu den erneuerbaren Energien beschreibt die Energieträger Photovoltaik, Solarthermie, Wasserkraft, Windenergie, Biomasse sowie

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U. Dombrowski et al.

Geothermie sowohl technisch als auch hinsichtlich ihrer Bedeutung. Damit wird deutlich, dass sich einige erneuerbare Energien sehr gut auf dem Fabrikstandort integrieren lassen (bspw. Photovoltaikanlagen auf dem Fabrikdach), andere erfordern allerdings eine Betrachtung die über die Standortgrenzen hinausgeht und ggf. nur über die Verhandlung mit einem Energieversorger bewältigt werden können. Nachdem die beiden Teilaspekte der klimagerechten Fabrik abgehandelt wurden, wird in Abschn. 4.3 auf die Anpassungsstrategie eingegangen. Zur Entwicklung einer Anpassungsstrategie wird empfohlen, diese analog einer Unternehmensstrategie zu entwickeln, um der Langfristigkeit einer Anpassungsstrategie Rechnung zu tragen sowie um mögliche Zielkonflikte mit der Unternehmensstrategie zu verhindern. Zu Beginn der Entwicklung einer Anpassungsstrategie kann auf die Unternehmensphilosophie Einfluss genommen werden, indem die Unternehmensvision und -mission durch eine Klimavision und eine Klimamission ergänzt werden. Der darauffolgende Prozess erfolgt in drei Schritten, welche mit der Strategiefindung und -formulierung beginnen. Dazu werden zuerst eine Gegenwarts- und Zukunftsbeurteilung sowie die Zieldefinition für die Anpassungsstrategie durchgeführt. Als Ziel kann beispielsweise gesetzt werden, dass die Produkte klimaneutral hergestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die strategische Stoßrichtung beispielsweise mit der SWOT-Analyse bestimmt, sodass am Ende der ersten Phase eine Strategie definiert ist. Der zweite Schritt ist die Strategieimplementierung, welche die Dekomposition der Strategie auf einzelne Unternehmensbereiche, die Schaffung von organisatorischen Voraussetzungen (Reorganisation, Schulung der Führungskräfte) sowie die Benennung von Maßnahmen zur Umsetzung. Für den Erfolg der Anpassungsstrategie ist nicht nur das Wissen um die Strategie, sondern insbesondere bei der Umsetzung Verständnis für die Vielschichtigkeit des Klimawandels sowie ein Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels erforderlich. Daher nimmt die Schulung der Fach- und Führungskräfte eine Schlüsselrolle ein. Im dritten und letzten Schritt erfolgt ein regelmäßiges Review der Strategie, indem die bisherige Umsetzung der Strategie sowie die Notwendigkeit für Anpassungen der Strategie untersucht werden. So kann beispielsweise untersucht werden, wie weit die Reduzierung der Treibhausgasemission gegenüber einem Basisjahr reduziert werden konnte, um die klimaneutrale Herstellung der Produkte zu erreichen. Die Strategiekontrolle kann nicht nur turnusmäßig, sondern im Bedarfsfall, also bei besonderen Ereignissen erfolgen. Dazu gehören u. a. Änderungen im Unternehmensumfeld, wie beispielsweise durch rechtliche Anpassungen. Der rechtliche Rahmen eines Unternehmens ist Gegenstand des Abschn. 4.4 und wird auf unterschiedlichen Ebenen gesetzt. So haben internationale Vereinbarungen wie das Pariser Übereinkommen hohe Relevanz für die nationalen Gesetzgebungen. Besonders für Deutschland spielt die europäische Ebene eine besondere Rolle. So hat zum Beispiel das Kyoto-Protokoll auf internationaler Ebene Ziele zur Treibhausgasemission für jedes Land festgelegt, welche u. a. durch ein Handelssystem für CO2-Zertifikate erreicht werden soll. Der Ordnungsrahmen für dieses Handelssystem wurde dann in einer europäischen Richtlinie festgelegt. Die deutsche Gesetzgebung hat dann diesen Rahmen mit Gesetzen ausgefüllt und z. B. die Zuteilung von kostenlosen Zertifikaten in der Anfangsphase geregelt.

4  Planung klimagerechter Fabriken173

Aber auch andere Handlungsfelder, wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz, haben einen Einfluss auf die Gestaltung der Produktion, da die Kostensituation für den Energieverbrauch stark beeinflusst wird. So können solche Gesetze die Ausgangsbasis für fabrikplanerische Aktivitäten werden, indem die Bestrebungen zum Energiesparen im Produktionsprozess erhöht werden oder ein eigenes Blockheizkraftwerk auf dem Fabrikgelände geplant wird. Abschließend wird in Abschn. 4.5 mit dem Volkswagen Motorenwerk in Chemnitz ein Praxisbeispiel gegeben. Das Werk in Chemnitz ist sowohl aufgrund seiner Lage an einem hochwassergefährdeten Fluss sowie der großen Erfolge im Bereich der Energieeinsparungen sehr dazu geeignet, die Maßnahmenumsetzung aufzuzeigen. Die im gesamten Kap. 4 aufgeführten Maßnahmen zeigen, dass es für die erfolgreiche klimagerechte Planung von Fabriken notwendig ist, bei allen Beteiligten ein Verständnis für das Thema Klimawandel und dessen Folgen zu erzeugen. Um zudem Wissen nachhaltig zu vermitteln, sind neue innovative Lehrformen angebracht. Insbesondere das problembasierte Lernen ist ein Ansatz der sich dadurch auszeichnet, dass die Wissensvermittlung mit der Entwicklung der Problemlösungskompetenz kombiniert wird [62]. Nachdem im ersten Teil des Buches die klimagerechte Fabrik im Zentrum stand, wird im anschließenden zweiten Teil die Beschreibung der Didaktik zum Einsatz des problembasierten Lernens beschrieben.

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4  Planung klimagerechter Fabriken175 Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe a des Gesetzes vom 06.10.2011 (BGBl. I S. 1986) und § 62 Absatz 4 zuletzt durch Artikel 320 der Verordnung vom 31.08.2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden sind. [27] Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz: Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Störfall-Verordnung, vom vom 15.03.2017 (BGBl. I S. 483), die durch Artikel 58 des Gesetzes vom 29.03.2017 (BGBl. I S. 626) geändert worden ist. [28] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) Vulnerabilitätsanalyse in der Praxis: Inhaltliche und methodische Ansatzpunkte für die Ermittlung regionaler Betroffenheiten. BMVBS-Online-Publikation 2011(21). [29] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017) EEG-Umlage: Fakten und Hintergründe. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/eeg-umlage-2017-fakten-undhintergruende.pdf?__blob=publicationFile&v=12. Accessed 28 June 2017. [30] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017) Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland: unter Verwendung von Daten der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat). [31] Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2012) Erster Monitoring-Bericht "Energie der Zukunft". Publikationsserver ibib, Berlin/Bonn. [32] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014) Zweiter Monitoring-Bericht "Energie der Zukunft".Kurzfassung. Publikationsserver ibib, Berlin/Bonn. [33] Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2011) Forschung für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung: Das 6. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung, Berlin. [34] Bundesanstalt für Straßenwesen (2014): Leitfaden zum Umgang mit Hitzeschäden an Betonfahrbahndecken. Hg. v. Bundesanstalt für Straßenwesen. [35] Burg H (2009) Handbuch Verkehrsunfallrekonstruktion. ATZ/MTZ-Fachbuch. Springer Fachmedien, Wiesbaden. [36] Buth M, Kahlenborn W, Savelsberg J (2015) Vulnerabilität Deutschlands gegenüber dem Klimawandel [Hrsg.: Umweltbundesamt]. Climate change, 2015, 24. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau. [37] Buja HO (2015) Das Original Handbuch des Spezialtiefbaus Geräte und Verfahren: Band 1. Books on Demand, Norderstedt. [38] Cimolino U (2016) Einsatzleiter-e-book Feuerwehr, 3rd ed. ecomed Verlagsgesellschaft in Hüthig Jehle Rehm, Heidelberg. [39] Constantinescu-Simon L, Fransua A, Saal K (1999) Elektrische Maschinen und Antriebssysteme: Komponenten, Systeme, Anwendungen. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden, s.l. [40] Coulmas F, Stalpers J (2011) Fukushima: Vom Erdbeben zur atomaren katastrophe. Beck'sche Reihe, vol 6018. C.H. Beck, München. [41] Dehoff P (2010) Beleuchtung von Büroumgebungen mit Tages- und Kunstlicht. In: Spath D (ed) Green Office: Ökonomische und ökologische Potenziale nachhaltiger Arbeits- und Bürogestaltung, 1. Aufl. Gabler, Wiesbaden, pp 83–97. [42] Della-Marta PM, Haylock MR, Luterbacher J, Wanner H (2007) Doubled length of western European summer heat waves since 1880. Journal of Geophysical Research: Atmospheres (1984?2012) 112 (D15). https://doi.org/10.1029/2007JD008510. [43] Della-Marta PM, Pinto JG (2009) Statistical uncertainty of changes in winter storms over the North Atlantic and Europe in an ensemble of transient climate simulations. Geophys. Res. Lett. 36(14). https://doi.org/10.1029/2009GL038557. [44] Destatis - Statistisches Bundesamt (2017) Ursachen von Unfällen mit Personenschaden. https://www. destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/TransportVerkehr/Verkehrsunfaelle/Tabellen/

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Teil II Problembasiertes Lernen in den Ingenieurwissenschaften

Wir werden in diesem zweiten Teil des vorliegenden Fachbuchs das Problembasierte Lernen (PBL)1 als Lehrmethode in den Ingenieurwissenschaften vorstellen. Zunächst gehen wir auf die Historie und die allgemeinen Merkmale von PBL ein. Dem schließt sich ein Abschnitt zur theoretischen Verortung sowie ein Überblick zu Ergebnissen der Wirkungsforschung von PBL an. Es folgt die ausführliche Darstellung der Lehrveranstaltung „KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken“, wie sie in der Fakultät für Maschinenbau durchgeführt wurde.

Im Englischen heißt es Problem-Based Learning (PBL). Im Deutschen wurde dies zunächst mit problemorientiertem Lernen (POL) übersetzt. Besonders in der Medizin ist der Ausdruck POL bis heute verbreitet. Inhaltlich meinen die beiden Begriffe dasselbe. In der Hochschuldidaktik hat sich mittlerweile der Begriff des problembasierten Lernens (PBL) für die beschriebene Methodik durchgesetzt. 1

5

Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre Sabine Marx und Diana Götze

Das Problembasierte Lernen (PBL) gehört zu den international meistverbreiteten konzeptionellen Methoden in der Hochschullehre und ist sowohl punktuell einsetzbar als auch Grundlage von Curriculumgestaltung. PBL hat vor allem in der medizinischen Ausbildung Verbreitung gefunden, kann jedoch in jeder Fachdisziplin und ebenso interdisziplinär eingesetzt werden. Wie wir ausführen werden, erscheint uns PBL insbesondere auch für die Ingenieurwissenschaften geeignet. Für ein grundlegendes Verständnis der Methode gehen wir im folgenden Kapitel auf die Entstehungsgeschichte, didaktische Hintergründe und Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit von PBL ein.

5.1 Entstehungsgeschichte PBL hat seinen Ursprung in der Medizindidaktik der 1960er Jahre. Auslöser war die Unzufriedenheit einiger Dozenten1 der McMaster Universität in Hamilton, Kanada, mit ihrer Lehre. Die Studierenden schienen mit der Fülle an frontal vermittelten Informationen häufig überfrachtet zu sein; nicht selten machten sie in den Vorlesungen einen gelangweilten Eindruck. Die Dozenten stellten zudem fest, dass die Studierenden zwar viel auswendig lernten und über ein umfangreiches Faktenwissen verfügten, dieses aber in berufsbezogenen Kontexten, z. B. anlässlich der Diagnosestellung bei realen oder fiktiven

1

James E. (Jim) Anderson, John Evans, Bill Walsh und J. Fraser Mustard (vgl. [7, 53]).

S. Marx (*) · D. Götze Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen, Bültenweg 74/75, 38106 Braunschweig, Deutschland e-mail: [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 U. Dombrowski, S. Marx (Hrsg.), KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56590-2_5

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190

S. Marx und D. Götze

Patienten, nur unzulänglich anwenden konnten. Auffällig war, dass ein verstärktes Interesse der Studierenden sich häufig dann artikulierte, wenn medizinische Praxisfälle in die Lehre eingebracht wurden. Die Medizindozenten suchten nach einem Ansatz, der Studierende motivieren und transferfähiges Wissen vermitteln konnte, ohne den Erwerb von Grundlagen- und Aufbauwissen zu vernachlässigen (vgl. [53, 70]). Aus diesen Überlegungen heraus entwarf Jim Anderson medizinische Problemfälle und begann, mit Studierenden anhand dieser Fälle zu arbeiten (vgl. [7]). Daraus entwickelte Howard S. Barrows die Methode des Problembasierten Lernens, die Fallgeschichten als Ausgangspunkt zur Erschließung der Fachgebiete nutzt (vgl. [6, 20, 52]). PBL verbreitete sich zunächst im Fachbereich Medizin und entwickelte sich zu einem weltweit anerkannten Lehrkonzept, nach dem nicht nur einzelne Lehrveranstaltungen aller Disziplinen gestaltet werden, sondern mit dem ganze Fachbereiche und Universitäten arbeiten. Zu nennen sind hier neben der McMaster Universität in Kanada2 besonders die Universität Aalborg in Dänemark3 sowie die Universität Maastricht4 in den Niederlanden.

5.2

PBL in den Ingenieurwissenschaften: Beispiele

Seit 1994 wird PBL an der Technischen Universität Eindhoven (Niederlande) im Fachbereich Maschinenbau in Kombination mit traditionellen Vorlesungen und Projektstudium eingesetzt. Inspiriert durch die Universität Maastricht wurde das Curriculum für den Fachbereich Maschinenbau an PBL ausgerichtet. Es wurde ein Studienmodell entwickelt, das Vorlesungen und tutoriell begleitetes Selbststudium in Kleingruppen mit Problembasiertem Lernen kombinierte. Nach Einführung des neuen Curriculums gingen die Abbruchquoten im Fach Maschinenbau deutlich zurück und die Lehrveranstaltungsevaluationen zeichneten ein positives Bild des neuen Studienmodells: Nach anfänglicher Skepsis waren sowohl Lehrende als auch Lernende von dem neuen Curriculum überzeugt, insbesondere hinsichtlich der Fallarbeit (vgl. [40]). Die Universität Aalborg in Dänemark arbeitet hochschulweit mit einer Mischform aus Problembasiertem Lernen und Projektstudium („problem-based project work“) in allen, überwiegend technisch-naturwissenschaftlichen Fachbereichen. Ausgangspunkt des Lernens der Studierenden in allen Fachbereichen bilden authentische, komplexe Probleme (PBL-Komponente), deren Lösung in fertigen Produkten mündet (Projektstudium-Komponente). Dabei arbeiten die Studierenden in Gruppen, teils eigenständig, teils betreut durch qualifizierte Lehrende sowie Tutorinnen und Tutoren (vgl. [3]). Auch an der McMaster Universität in Kanada wird PBL nicht nur in der Medizindidaktik, sondern auch in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen auf Curriculumsebene eingesetzt.

http://www.eng.mcmaster.ca/hatchcentre/ http://www.en.aau.dk/ 4 https://www.maastrichtuniversity.nl/education/why-um 2 3

5  Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre191

Die Universität Maastricht arbeitet durchgängig in allen Fachbereichen mit PBL als Lehrmethode.

5.3

PBL am KHN

Das Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen (KHN) bietet seit 2004 Qualifizierungen für Lehrende in PBL an. Diese richten sich an Dozentinnen und Dozenten aller Fachrichtungen und sind meist interdisziplinär zusammengesetzt. Hinzu kommen fachdidaktische Qualifizierungen für Medizinerinnen oder Mediziner (Medizinische Hochschule Hannover, MHH) und Tiermedizinerinnen oder -mediziner (Tierärztliche Hochschule Hannover). Auch in der Folge der Aktivitäten des KHN wird PBL bisher nur in der Medizinausbildung regelmäßig curricular eingesetzt, zum Beispiel in der Pädiatrie an der MHH. Dozentinnen und Dozenten anderer Fachdisziplinen verließen die Qualifizierungen häufig begeistert und voller Elan, die Methode anzuwenden, scheiterten jedoch, soweit Berichte zur Umsetzung vorliegen, nicht selten bei der Umsetzung in der Praxis und verfolgten den Ansatz nicht weiter – auch weil die (curricularen) Rahmenbedingungen den Einsatz häufig erschwerten. Das Projekt KlimaIng liefert in diesem Kontext ein Good-Practice-Beispiel zum Einsatz von PBL in den Ingenieurwissenschaften.

5.4

PBL: Vorgehensweise und didaktische Tiefenstruktur der Methode

Ausgangspunkt des Lernens mit PBL bilden realistische Problemstellungen aus dem jeweiligen Fachgebiet. Diese Problemstellungen sind nicht in erster Linie dazu gedacht, praktisch gelöst zu werden, sondern sie dienen als Lernimpuls (Trigger) für die Studierenden, um sich in komplexe Wissensgebiete einzuarbeiten. PBL-Lernimpulse können die Form einer Fallgeschichte haben, es kann ein erklärungsbedürftiges Phänomen dargestellt oder eine aktuelle Problematik in Szene gesetzt werden. Der Trigger wirft Fragen auf, macht neugierig und motiviert zum tieferen Erforschen des Gebiets. Im weiteren Vorgehen werden die (Fall-)Szenarien von den Studierenden in kleinen Gruppen von sechs bis acht Personen, kombiniert mit individuellen Selbstlernphasen, weitgehend selbstständig entlang einer vorgegebenen Systematik bearbeitet (Seven Jump).5 Lehrenden kommt hier eine andere Rolle zu als in der klassischen Hochschullehre. Sie agieren stärker als

Besonders in der deutschsprachigen Literatur wird unter Problembasiertem Lernen häufig ein allgemein gefasster Unterrichtsansatz verstanden, der sich weniger an den hier referierten Schritten orientiert (vgl. [49]). In dieser Publikation behandeln wir die Schritte-Methode (Seven Jump) des PBL, wie sie international diskutiert und rezipiert wird und besonders an den genannten PBL-Universitäten praktiziert wird.

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Lernbegleiter, weniger als Wissensvermittler. Daher müssen Lehrende, die PBL einsetzen wollen, teilweise umlernen, was ihre bisherige Vorgehensweise in der Lehre betrifft, denn PBL stellt das traditionelle Vorgehen sozusagen „auf den Kopf“. Am Anfang steht nicht die Wissensvermittlung, die erst im fortgeschrittenen Studium zum Praxistransfer befähigt, sondern lerngerecht aufgearbeitete Praxis bildet den Aufhänger, um sich zunehmend komplexe Wissensgebiete anzueignen. Hier (vgl. Abb. 5.1) zunächst eine Übersicht zum klassischen Vorgehen beim Problembasierten Lernen:6 In der hier vorgestellten Lehrveranstaltung wurde in leichter Abwandlung mit acht Schritten gearbeitet (vgl. [35, 57]). Im klassischen Seven Jump erfolgt die Reflexion des Gruppenarbeitsprozesses nicht in einem eigenen Schritt, sondern ist Teil von Schritt sieben, zusammen mit der Diskussion der Lernergebnisse. Die Reflexion des Gruppenarbeitsprozesses in einem gesonderten Schritt auszuweisen ist sinnvoll, da so das Augenmerk auf Gruppendynamik als Ressource für Lernen gelenkt wird. Im Allgemeinen verläuft die Arbeit mit PBL so, dass eine Tutorin oder ein Tutor7 die Studierenden bei der Befolgung und Bearbeitung der Schritte unterstützt. Schwerpunkt der tutoriellen Begleitung ist die prozessuale, weniger die inhaltliche Unterstützung, das heißt, im Wesentlichen werden die Studierenden dazu angehalten, die Schritte selbstständig zu befolgen. Bei entsprechender Vertrautheit mit der Methodik können die Studierenden PBL weitgehend ohne Begleitung durch Expertinnen und Experten durchführen. Es handelt sich also auch um eine Selbstlernmethode. Damit werden die Expertinnen oder Experten jedoch nicht überflüssig, sondern sie erhalten eine neue Rolle als

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Abb. 5.1  Siebensprung-Methode (Seven Jump) der Universität Maastricht nach Weber [66]

Eine ähnliche Strukturierung produktiver Lernprozesse findet sich bereits bei Dewey (vgl. [12]). Im Zusammenhang mit PBL bedeutet „Tutorin“ bzw. „Tutor“ nicht zwangsläufig, dass es sich um eine Studentin oder einen Studenten handelt, sondern die Rolle als Lernbegleiterin oder -begleiter wird betont. Somit fungieren auch die Dozierenden als ausgewiesene Expertinnen oder Experten ihres Fachgebiets im Rahmen der Methode als Tutorinnen und Tutoren. 6 7

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Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter und sie bringen ihr Wissen in veränderter Form in den Lernprozess ein: bei der Fallkonstruktion, in der PBL-Moderation, bei der Zusammenstellung der Lernmaterialien, in der Diskussion und im Feedback zu den Lernergebnissen sowie beim Entwickeln passender Prüfungen. Idealerweise sind PBL-Tutorinnen und -Tutoren Fachexpertinnen und -experten für ihr Lehrgebiet und verfügen zusätzlich über PBL-spezifisches Know-how. Ein kritischer Aspekt von PBL ist, dass eine reine Schritte-Methode den vielfältigen Handlungserfordernissen in der Hochschullehre nicht gerecht wird. Auch PBL entfaltet sein ganzes Potenzial erst im Rahmen einer breit angelegten didaktischen Vorgehensweise und wird wie jede Unterrichtsmethode erst von den beteiligten Personen mit Leben gefüllt. PBL ist besonders geeignet zum Kennenlernen aktivierender Methoden in der Hochschullehre, da es sich um eine in ihren Grundprinzipien so differenziert didaktisch konzipierte Methode handelt, dass sie selbst bei einer reinen Schritte-Anwendung schon zu guten Ergebnissen führen kann, die diejenigen aus klassischer Vermittlung nicht selten übertreffen, insbesondere was die Motivation und Zufriedenheit der Studierenden und Lehrenden anbelangt (s. Abschn. 5.8). Denn PBL folgt in der Tiefenstruktur äußerst wirksamen didaktischen Prinzipien, während auf der Oberfläche scheinbar nur simple Schritte gegangen werden. Wir beschreiben daher die didaktische Tiefenstruktur von PBL, beginnend bei Kriterien für die Fallkonstruktion und im Anschluss auf der Ebene der acht Schritte.

5.4.1 Ausgangspunkt von PBL: ein guter Trigger Beim PBL bilden realistische Problemstellungen aus dem jeweiligen Fachgebiet den Ausgangspunkt des Lernens. Der Terminus „Problem“ entspricht in diesem Zusammenhang nicht der Alltagsauffassung des Begriffs, denn Ziel des Lernprozesses bei PBL ist es nicht, ein Problem praktisch zu lösen. Dennoch gehören Probleme und mit ihnen der Impuls, diesen zu begegnen und Lösungen zu suchen zur menschlichen Grunderfahrung, an die PBL unmittelbar anschließt. Problemsituationen, Konflikte, offene Fragen u. a. m. dienen beim Problembasierten Lernen dazu, einen stofflich repräsentativen Lernausgangspunkt zu gestalten, der für die Studierenden das Themengebiet öffnet und sie dazu bringt, sich gedanklich in das Gebiet hineinzubegeben. Diese Problemstellungen sollten möglichst spannend sein, daher wird auch von Triggern gesprochen. Es handelt sich dabei zwar häufig um in Erzählform niedergelegte Fallgeschichten, es können aber u. a. auch Cartoons, Videos, gemalte Bilder, Fotoserien oder Zeitungsartikel sein (vgl. [4]). Warum Fallgeschichten? Die Frage könnte genauso lauten: Warum Geschichten in der Lehre erzählen? (Fall-)Geschichten sind einer der wirksamsten Aspekte von PBL. Geschichten hören, lesen und erzählen gehört zur menschlichen Urerfahrung. Wissen ist über sehr lange Zeit hinweg narrativ weitergegeben worden. Geschichten sprechen Emotionen und bildhaftes Denken an und haften besonders gut in der Erinnerung. Folglich können sie als Anker zur Übermittlung und Festigung abstrakter Informationen fungieren.

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Für die Hochschullehre können Geschichten vielfältig genutzt werden, zum Beispiel um Aufmerksamkeit zu wecken, um Wissen zu illustrieren oder auch als Skript für längere Lernprozesse. In PBL-Fällen wird dieses Potenzial der Narration genutzt, ebenso wie in anderen Formen der Fallarbeit, die es zu unterscheiden gilt. Fallarbeit wird in der Hochschullehre verschieden eingesetzt, z. B. als Fallstudie, Simulation oder Planspiel, etwa in der Managementausbildung, oder als didaktisches Material, um Berufspraxis exemplarisch abzubilden und fallbezogen Handlungsoptionen zu erarbeiten, beispielsweise im Studium der Sozialpädagogik. Fallarbeit wird außerdem als eigener authentischer Fall aus der Praxis im Rahmen kollegialer Beratung zum Aufbau von Beratungskompetenz eingesetzt, etwa in der klinischen Psychologie. Die jeweilige Fallarbeit ist dabei immer in ein spezifisches didaktisches Design eingebettet. Beim Problembasierten Lernen ist das Spezifikum, dass die Fälle zwar situiert und auf authentischen Problemen basierend konstruiert sind, jedoch nicht zuerst praktische Lösungskompetenz „im Feld“ adressieren, sondern auf den flexiblen Wissensaufbau in einem komplexen Fachgebiet abzielen. Besonders zu Beginn eines länger dauernden Arbeitsprozesses sind (Fall-)Geschichten eine elegante Form, Personen in fremde Lernwelten zu „entführen“, da sie zunächst das bildhafte Denken anregen, bevor abstraktere Szenarien folgen. Es lohnt sich, beim Story Telling – denn genau das kennzeichnet eine gute Fallkonstruktion – auf die Aktualität und Sinnhaftigkeit der implizierten Aufgabe Wert zu legen. Die Lehrveranstaltung KlimaIng und die Eingangsgeschichte „Grüne Wiese“ sind hierfür ein gutes Beispiel, denn den Studierenden leuchtete der Sinn, sich mit der Thematik zu beschäftigen, unmittelbar ein. Was kennzeichnet gute Trigger?  Im Laufe der Zeit haben sich Merkmale herausgebildet, die gute Trigger kennzeichnen: • Gute Trigger sind zwar zielbezogen, jedoch nicht geschlossen formuliert („well-defined“). Sie sind also offen formuliert („ill-defined“) und enthalten bewusst Lücken, implizite Fragen, ungelöste Probleme usw. • Sie knüpfen an Vorwissen der Studierenden an und greifen aktuelle Ereignisse auf, die für die Studierenden (und Lehrenden) bedeutsam sind, also „Sinn machen“. • Sie sind sowohl kognitiv als auch emotional aktivierend. • Sie nehmen Bezug auf die (künftige) Berufspraxis der Studierenden. • Sie haben interdisziplinäres Potenzial und bieten die Möglichkeit, den Themenbereich aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. • Sie sind herausfordernd und mit ausreichend relevantem Stoff unterlegt, sodass Lernprozesse über einen längeren Zeitraum getragen werden.8 Beispielhaft der erste Fall aus der Lehrveranstaltung:

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s. [18, 22, 26, 28, 70].

5  Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre195 Grüne Wiese

Joachim Haase sitzt in seinem neuen Büro und schaut auf die grüne Wiese am Stadtrand von Gifhorn. Dort soll die neue Fabrik des expandierenden Mittelständlers für Autozulieferung entstehen. Als Maschinenbauingenieur hat er aufgrund guter Leistungen nach nur zwei Jahren im Betrieb die Projektleitung dafür bekommen. Es ist ein heißer Sommer und er denkt an das Gespräch mit seiner Frau beim Frühstück. „Der Sommer ist so heiß“, hatte sie gesagt. „Manchmal wollen sogar die Kinder nicht mehr zum Spielen rausgehen. Meinst du, das wird so bleiben oder sogar noch schlimmer werden?“ „Keine Ahnung“, hatte er nur gebrummt und war zur Arbeit gefahren. Während er das Fenster öffnet und an sein Projekt denkt, holt ihn die Frage seiner Frau wieder ein … Diese Fallbeschreibung, die zu Beginn der Lehrveranstaltung als Trigger in Form eines Paper Case eingesetzt wurde, illustriert idealtypisch die genannten Kriterien: • der Text ist sehr kurz und bietet allein dadurch Raum für eigene Bildproduktionen der Studierenden, • er ist gespickt mit impliziten Fragen, die eine Lückenfunktion haben und die Studierenden anregen, die Lücken zu füllen (u. a.: Welche Auswirkungen wird der Klimawandel haben? Welche Wetterphänomene sind durch den Klimawandel zu erwarten? Wie wirken sich die möglichen Phänomene auf private Lebensumstände aus? Welche Herausforderungen ergeben sich für die Berufswelt von Ingenieurinnen und Ingenieuren? Wie könnte eine klimagerechte Fabrik aussehen?)9, • der Fall ist emotional ansprechend, denn die Sorgen, die der Klimawandel den Menschen bereitet, werden angesprochen, • der Fall ergibt Sinn, denn es handelt sich um ein drängendes hochaktuelles Thema, • der Fall kann aus unterschiedlichen (interdisziplinären) Perspektiven betrachtet werden, z. B. aus der Perspektive der Fabrikplanung bzw. aus der Perspektive des Wissens zum Klimawandel oder auch aus der Perspektive der Auswirkungen technischen Handelns auf das Alltagsleben der Menschen, • der Fall bietet berufspraktische Bezüge, da er eine typische Situation des Ingenieurhandelns als Ausgangspunkt hat, • der Fall ist ausreichend komplex in der Hinführung auf die Thematik der Fabrikplanung im Zeichen des Klimawandelns, da er keine eindeutige Lösung ermöglicht, • der Fall ist umfangreich mit aktuellem Wissen hinterlegt, das sich die Studierenden erschließen können.

Die Fallbeschreibung ist also bewusst offen gehalten, wodurch der Impuls entsteht, die offene Gestalt zu schließen, eine menschliche Wahrnehmungsfunktion, wie sie als Grundprinzip in der Gestalttheorie oder der Gestaltpsychologie beschrieben wird.

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5.4.2 Mit den acht Schritten arbeiten: die didaktische Tiefenstruktur des Problembasierten Lernens Ist der PBL-Fall konstruiert und ggf. getestet, kann er in der Lerngruppe eingesetzt werden. Entlang der acht Schritte des PBL wird die didaktische Tiefenstruktur der Methode erläutert. Der erste Schritt: mit der Aufgabe Kontakt aufnehmen10

Schritt 1: Klärung grundsätzlicher Verständnisfragen

Das Fallbeispiel wird von allen Anwesenden gelesen. Inhaltliche Unklarheiten (noch keine fachlichen!) werden in einer offenen Diskussionsrunde geklärt. Zu Beginn werden die Studierenden mit einer Fallgeschichte/Problemstellung konfrontiert und gebeten, diese zu lesen. Der Vorgang klingt simpel, ist jedoch aus didaktischer Perspektive anspruchsvoller als zunächst vermutet: Die Studierenden müssen nämlich – einzeln und als Gruppe – in Kontakt mit der Problemstellung/Lernaufgabe kommen. Dazu brauchen sie zunächst einmal Zeit, um Vertrauen zur Lehrperson und zur Gruppe zu gewinnen. Ebenso benötigen sie Zeit, um sich gedanklich und emotional in die Fallgeschichte einzuarbeiten. Der Trigger ermöglicht eine individuelle Aufgabenrepräsentation und die Fokussierung der Gruppe auf eine gemeinsame Aufgabe. Dabei wirken gruppendynamische Aspekte, die für den weiteren Lernprozess bedeutsam sind, nämlich das Herstellen einer positiven Interdependenz und die Übernahme individueller Verantwortung für den kollektiven Erfolg der Gruppe (vgl. [16, 21, 33]). Auf der Instruktionsebene ist dieser Schritt mit der Anweisung verbunden, Verständnisfragen zu klären. Gemeint ist damit, dass Schlüsselbegriffe erläutert werden können, ohne die der Text unverständlich bleibt; gemeint ist nicht, dass die Gruppe bereits in die inhaltliche Diskussion eintritt. Auch das ist didaktisch hinterlegt: Die Studierenden sollen nicht direkt zu ihren Lösungsideen springen (ein Impuls, der hier im Allgemeinen sichtbar wird), sondern diese ersten Ideen zugunsten einer tieferen Durchdringung und Elaboration des Themas/Stoffs zurückstellen, eine Voraussetzung für wissenschaftliches Denken im Sinne tiefenorientierten Lernens.11 Die Tutorin bzw. der Tutor stoppt also an diesem Punkt und leitet zum nächsten Schritt über. Die Schritte werden zitiert nach Marks und Thömen [35, S. 4 ff.]. In Abschn. 7.1 folgt am Beispiel einer der PBL-Lerngruppen eine detaillierte Beschreibung, wie diese Schritte mit Leben gefüllt wurden. 11 Tiefenorientiertes Lernen ist auf das Verstehen von Inhalten ausgerichtet. Es ist von einer intensiven Auseinandersetzung der Lernenden mit Inhalten und zentralen Konzepten und Prinzipien eines Sachverhaltes gekennzeichnet. Informationen werden kritisch geprüft, mit Vorwissen verknüpft und 10

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Der zweite Schritt: die Studierenden eignen sich das Thema an

Schritt 2: Sammlung der Problemaspekte und Definition des Problems

Die Gruppe trägt zunächst die Teilprobleme des Fallbeispiels zusammen. Dabei sollten unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden. Die herausgearbeiteten Problemaspekte werden schriftlich festgehalten. Die Gruppe bestimmt die Problematik des Fallbeispiels näher. Erst nachdem Übereinstimmung erzielt worden ist, geht die Gruppe zum nächsten Bearbeitungsschritt über. Nachdem die Studierenden im ersten Schritt Verständnisfragen zur Problemstellung geklärt haben, werden sie im zweiten Schritt aufgefordert, das Problem näher zu definieren. Didaktisch betrachtet geht es in dieser Phase darum, dass sich die Studierenden das zu bearbeitende Problem aneignen und dass sie anfangen, sich mit der Aufgabenstellung zu identifizieren. Es geht darum, dass sie die Fragen zu ihren eigenen machen, indem sie eine eigene Problemdefinition vornehmen. Wesentlich in diesem Schritt ist weiterhin, dass die Studierenden sich zunächst auf der Ebene der Fakten bewegen und (noch) nicht auf der Ebene von Hypothesen und Lösungsideen. Dies schult die wissenschaftlich bedeutsame Fähigkeit, zwischen Fakten und Hypothesen zu unterscheiden, die für analytische Prozesse aller Disziplinen von hoher Relevanz ist. Die Formulierung von Teilproblemen in diesem Schritt ermöglicht eine erste Ordnung des Themas sowie die Betrachtung der Problemstellung aus verschiedenen Perspektiven. Visualisierungen unterstützen diesen Prozess (vgl. [27, 47, 48]). Der dritte Schritt: die Gruppe als Lernort und Raum der Kreativität

Schritt 3: Sammlung von Hypothesen und Ideen

Zu dem festgelegten Problem werden Vorkenntnisse, Vermutungen und Ideen durch die Gruppe gesammelt und für alle sichtbar z. B. auf Karteikarten, Tafel oder Flipchart geschrieben (Brainstorming). Zu diesem Zeitpunkt sollte noch keine Diskussion und kritische Bewertung der eingebrachten Kenntnisse und Ideen erfolgen. Wenn die Gruppe sich auf eine Problemdefinition geeinigt hat, werden dazu Vorkenntnisse, Hypothesen und Ideen formuliert. Als Methode kommt hier meist Brainstorming in Form von Kartenabfragen zum Einsatz, um die Gedanken und Ideen der Beteiligten bewertungsfrei sammeln zu können. Die Karten können auf einer Pinnwand für alle sichtbar angebracht werden. Die Phase ist didaktisch vielfältig: Zum einen werden Vorkenntnisse auf andere Theorien und Konzepte, aber auch auf Alltagserfahrungen bezogen (vgl. [10, 17, 19]). Ein tiefen- und verstehensorientiertes Lernen der Studierenden zu fördern, ist ein Ziel von Hochschuldidaktik [67].

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der Studierenden aktiviert, eine elementare Voraussetzung für Lernen (vgl. [47]), zum anderen wird der Kenntnisstand der Einzelnen verbalisiert und für die Gruppenmitglieder sichtbar nach außen getragen. Die Gedanken werden untereinander ausgetauscht, ohne dass Bewertungen zur Qualität oder zum Umfang des Vorwissens gemacht werden. Diese Herangehensweise kommt der Heterogenität der Studierendenschaft entgegen, da ebenso multiple wie individuelle Zugänge ermöglicht werden. Im Anschluss an einige erste Ideen entwickelt sich im Laufe der Phase im lebhaften Austausch in der Gruppe, durch assoziatives Denken oft eine erstaunliche Fülle weiterer Ideen. Häufig tauchen neue Aspekte auf. Die Studierenden können hier die Gruppe als Lernmotor und Ort der Kreativität sowie als Vertrauensraum für eigenes (Un-)Wissen erleben (vgl. [33, 36]). Zudem fördert die Methode im Sinne von Cognitive Flexibility12 die Fähigkeit, Wissen in Anpassung an situative Anforderungen spontan zu rekonstruieren, die besonders in komplexen, wenig strukturierten Wissensgebieten verlangt ist. Während die Studierenden ihre Hypothesen und Ideen entwickeln, bekommt die Lehrperson als Tutorin oder Tutor einen guten Eindruck vom Kenntnisstand der Studierenden. Der vierte Schritt: eine eigene Ordnung schaffen

Schritt 4: systematische Ordnung der Hypothesen und Ideen

Die Gruppe ordnet nach selbst gewählten Prinzipien die vorgetragenen Inhalte und Ideen. Daraus wird ausgewählt, welche Aspekte für relevant und welche für entbehrlich gehalten werden. Nachdem die Gruppe das Brainstorming abgeschlossen hat, also keine neuen Ideen mehr auftauchen, folgt als nächster Bearbeitungsschritt die Ordnung nach selbst gewählten Prinzipien. Eine sinnvolle Ordnung in ein komplexes Wissensgebiet zu bringen, gehört zu den zentralen Fähigkeiten, über die Studierende verfügen müssen. Häufig arbeiten sie sich während des Studiums jedoch an vorgegebenen Systematiken ab und versuchen, nach ihnen zunächst fremden Logiken Stoff zu lernen. Dabei kommt die eigenständige Entwicklung von Systematiken als Orientierungshilfe zu kurz. Daher sollten in diesem Schritt auch keine Ordnungen vorgegeben, sondern den Studierenden der Freiraum gelassen werden, diese selbst zu entwickeln. Für die weitere Arbeit erweisen sich diese Systematiken im Allgemeinen als sinnvoller, auch wenn die anwesende Lehrperson eine vermeintlich „bessere“ Logik im Kopf hat. Weiterhin leitet die Systematisierung der Ideen zur Formulierung der Lernziele über, denn es werden Wissenslücken und Pfade zur Erschließung des neuen Wissens sichtbar. Dieses Vorgehen folgt den Prinzipien einer konstruktivistischen Didaktik (s. Abschn. 5.7).

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Siehe zum Cognitive Flexiblity Ansatz [58].

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Der fünfte Schritt: eigene Lernziele formulieren

Schritt 5: Formulierung der Lernziele

In diesem Schritt wird geklärt, welche Sachverhalte bereits bekannt sind und welche noch erarbeitet werden müssen. Zur systematischen Erweiterung des Vorwissens definiert die Gruppe genaue Lernziele. Diese werden ebenso schriftlich fixiert. In diesem Schritt werden die Studierenden angehalten, auf Grundlage des bisherigen Arbeitsprozesses eigene Lernziele zu formulieren. Diese Vorgehensweise folgt der konstruk tivistischen Logik, dass Lernziele nicht vorgegeben, sondern nur in einer aktiven Auseinandersetzung übernommen oder selbst erarbeitet werden können. Lernziele, die Studierende selbst entwickeln und formulieren, sind motivierender, passender und tragfähiger als von außen herangetragene Lernziele (vgl. [50]). Lernende fühlen sich selbstgesetzten Lernzielen eher verpflichtet (Commitment), was die Handlungs- und Selbstregulation unterstützt und sich damit positiv auf das Erreichen der Ziele auswirken kann (vgl. [54]). Die Lehrenden geben aber beim Problembasierten Lernen (implizit) den Lernzielrahmen vor, durch Fallkonstruktionen, Feedback, Zusammenstellung bzw. Hinweis auf Lernmaterialien usw. Die Phase endet mit der Vergewisserung, dass die Studierenden sich die Lernziele zu Eigen gemacht haben, dass sie also erläutern können, welche Rechercheaufgaben als Nächstes anstehen. Meist wird dies mit der Aufforderung verbunden, dass jeder Student, jede Studentin in der kommenden Lernphase alle in der Gruppe entwickelten Lernziele zunächst individuell bearbeitet, bevor die Gruppe wieder zusammenkommt. Der sechste Schritt: im Selbststudium lernen, individuell und in der Lerngruppe

Schritt 6: Erarbeitung der Lerninhalte, je nach Absprache einzeln oder in Untergruppen

Die formulierten Lernziele werden durch Nutzung von Bibliotheken und anderen Ressourcen (z. B. Internet, Expertinnen oder Experten) erarbeitet. Dabei muss jedes Gruppenmitglied für sich und in Abstimmung mit den anderen entscheiden, wie die Lerninhalte im Einzelnen erarbeitet werden sollen. In dieser Phase bearbeiten die Studierenden ihre Lernziele, wobei sie unterschiedliche Quellen nutzen können (Literatur, Expertenbefragung, Exkursionen, Internet u.  a.  m.). Der Grad der Selbstständigkeit bei der Bearbeitung ist abhängig vom Kenntnisstand der Studierenden. In der Lehrveranstaltung KlimaIng für Masterstudierende konnte die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten vorausgesetzt werden. In jedem Fall sollte sich die Tutorin oder der Tutor vergewissern, wie die Studierenden vorzugehen beabsichtigen. Die Schlüsselfrage ist an dieser Stelle: „Was werden Sie tun, um die Lernziele zu erreichen?“. Die Antworten vermitteln einen Eindruck vom Niveau der Fähigkeiten wissenschaftlichen Arbeitens der Beteiligten und die Lehrperson kann auf dieser Grundlage nach Bedarf

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Auskunft geben zur geforderten Güte der Quellen mit Blick auf die Bearbeitung der Lernziele, die Abschlusspräsentation und die Prüfungsleistungen. Die tutorielle Unterstützung wird dem Kenntnisstand angepasst, sodass Studierende zu Beginn des Studiums eher mit erstellten Literaturlisten oder auch ausliegender Literatur „versorgt“ werden und von fortgeschrittenen Studierenden anspruchsvollere Recherchen verlangt werden können (internationale Aufsätze, aktuelle Forschung, Expertenbefragung usw.). Wesentlich ist hier die Stärkung metakognitiver Strategien, indem die Studierenden angeregt werden, ihre Lernprozesse zu reflektieren. Das Vorgehen, den eigenen Lernprozess mit Blick auf die Erreichung von Lernzielen zu überwachen und wenn nötig anzupassen, ist wesentlich für erfolgreiches Lernen (vgl. [11, 21, 32]). Bei PBL werden Gruppen- und Selbstlernphasen kombiniert. Zunächst beschäftigen sich die Studierenden einzeln im Selbststudium mit der Erarbeitung der Lernziele, im Anschluss treffen sie sich in der Gruppe (ohne Tutorin oder Tutor) und berichten von ihren Ergebnissen. Durch den Austausch werden Wissenslücken geschlossen, neue Wissenslücken sichtbar gemacht und weitere Rechercheaufgaben formuliert. Diese Vorgehensweise folgt Prinzipien des kooperativen Lernens („Think – (Pair –) Share“) (vgl. [56]) auf dem Weg zu einer Community of Practice (s. unter „Der siebte und achte Schritt: Lernen durch Artikulation, Lernen durch Reflexion“). Die Lehrperson sollte während der Selbststudiumsphase im Hintergrund für Rückfragen zur Verfügung stehen; auch Treffen der Gruppe mit den Tutorinnen oder Tutoren finden statt, die Feedback geben, um den Lernprozess zu sichern, zu begleiten und zu fördern, zum passenden Zeitpunkt auch mit Blick auf die Ergebnispräsentation. Der siebte und achte Schritt: Lernen durch Artikulation, Lernen durch Reflexion

Schritt 7: Synthese und Diskussion der zusammengetragenen Lerninhalte

Beim nächsten Treffen erfolgt die Präsentation des erarbeiteten Wissens, aufgrund dessen das Problem erneut in der Gruppe diskutiert wird. Nach Möglichkeit werden die wichtigsten Informationen schriftlich festgehalten und kritisch reflektiert. Dabei steht die Lösung des Problems nicht im Vordergrund. Oftmals sind verschiedene Lösungen möglich.

Schritt 8: Evaluation der Inhalte sowie des Gruppenprozesses

Jede PBL-Gruppensitzung sollte mit einer kurzen Evaluation abgeschlossen werden. Die Teilnehmenden können sich dazu äußern, wie sie die Lernprozesse und die Interaktion in der Gruppe einschätzen. In diesem Schritt stellen die Gruppen ihre Arbeitsergebnisse in Anwesenheit der Lehrperson vor. Die Ergebnispräsentation kann unterschiedliche Formen haben, z.  B. Kurzvorträge, Visualisierungen oder Abstracts. In der Lehrveranstaltung KlimaIng fand am Ende eine Posterpräsentation der verschiedenen Gruppen statt. Diese hatte den zusätzlichen

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Lerngewinn, dass die Studierenden sich im Erstellen wissenschaftlicher Poster üben konnten. Didaktisch zentral in diesem Schritt ist zunächst die Artikulation des Gelernten, die zu einer Sicherung und Behaltensfähigkeit des „Stoffs“ beiträgt (vgl. [30]). PBL kann besonders in dieser Phase weitergehend als Element einer (entstehenden) Community of Practice verstanden werden. Die Lehrperson repräsentiert die Expertenkultur und nimmt die Studierenden durch die gemeinsame Diskussion der Ergebnisse in den Kreis der Expertinnen und Experten auf. Dieser Schritt geht über den Lerngewinn durch Gruppenarbeit hinaus, denn die Community of Practice ist die „Fortführung einer Learning Community zur Enkulturation von Novizen in eine Gemeinschaft von Experten“ (vgl. [69]). Der Expertenstatus der Lehrperson kommt hier abschließend noch einmal besonders zum Tragen, sind doch die Studierenden aufgrund der erfolgten intensiven Lernprozesse vorbereitet, als (angehende) Expertinnen und Experten in die Diskussion einzusteigen. Es können offene Fragen geklärt werden, Fehler besprochen, Arbeitsergebnisse in aktuelle wissenschaftliche Diskurse eingeordnet werden. Diese Rückmeldungen durch die Lehrenden und der wissenschaftliche Austausch mit ihnen sind für die Motivation der Studierenden zentral, denn damit werden die Bedürfnisse nach Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit angesprochen (vgl. [50]). Die Studierenden können sich als kompetent Handelnde in einer sozialen Gemeinschaft erleben und Anerkennung ihres Tuns durch Expertinnen und Experten eines Fachgebietes in Form von Diskursen auf Augenhöhe erfahren (vgl. ebd.). Ein Gespräch über die Gruppendynamik als achter Schritt in problembasierten Lernprozessen rundet diesen Schritt ab. Kooperative Lernformen bieten dann einen Mehrwert, wenn die Potenziale sozialer Interaktion beim Lernen auch effizient genutzt werden können (vgl. [21]). Dies betrifft nicht nur den Austausch über bearbeitete Inhalte, sondern auch eine Reflexion, wie bei deren Bearbeitung vorgegangen wurde. Durch die Schilderung individueller Lernhandlungen und Lernstrategien können Gruppenmitglieder ihr eigenes Vorgehen mit dem anderer in Beziehung setzen und Anregungen für eine Verbesserung des eigenen Lernprozesses erhalten (vgl. [24]). Damit wird ein wesentlicher Aspekt selbstregulierten Lernens adressiert: die Überwachung und Optimierung des eigenen Lernprozesses (vgl. [32]). Darüber hinaus dient die Reflexion von Gruppenarbeitsprozessen dazu, störende und hinderliche Verhaltensweisen (z. B. fehlende Weitergabe von Informationen) zu erkennen, zur Sprache zu bringen und gemeinsam positiv zu verändern (vgl. [21]). Der PBL-Lernprozess in der Gruppe endet hier. Das Treffen kann Ausgangspunkt eines neuen rekursiven PBL-Lernprozesses sein oder es schließen sich Lernphasen beispielsweise in Vorbereitung auf Prüfungen an.

5.5 Prüfen Lernziele, Lehrmethoden und Prüfungen sind Elemente von Lehr-Lern-Situationen, die miteinander in Beziehung stehen und aufeinander abgestimmt sein sollten. Diese Kohärenz wird als Constructive Alignment bezeichnet (vgl. [9]).

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Ausgangspunkt für die Gestaltung von Lehre und Prüfung ist dabei die Formulierung von Lernzielen (vgl. [8]). Lehrhandlungen sollten darauf ausgerichtet sein, dass sie zu Lernhandlungen aufseiten der Lernenden führen, die sich dazu eignen, die intendierten Lernziele zu erreichen. Die Prüfung muss diese wiederum abbilden können. Wenn beispielsweise eine Lehrveranstaltung mit Problembasiertem Lernen und Fallgeschichten gestaltet wurde, ist es eher ungünstig, am Ende in einer Klausur rein wissensbasiert „abzufragen“. Günstiger ist es, auch die Klausur entsprechend aufzubauen und anhand von Fallszenarien zu prüfen. In der Hochschuldidaktik wird die Thematik im Zuge des Bologna-Prozesses unter der Überschrift „kompetenzorientiert prüfen“ behandelt. Mit Blick auf formulierte Learning Outcomes von Studiengängen soll Wissen als Bestandteil des Könnens geprüft werden und Prüfungen sollten darauf abgestimmt werden. Auch die Funktion von Prüfungen gerät stärker in den Blick. Neben summative Prüfungen, die einer abschließenden Leistungsbewertung und -beurteilung dienen, treten formative Prüfungen, die das Ziel haben, Bewertungen begleitend zum Lernprozess einfließen zu lassen und Studierende sukzessiv in ihrem Kompetenzaufbau zu unterstützen.13 In der hier beschriebenen Lehrveranstaltung wurde durch eine Vielzahl von Feedbackmöglichkeiten diesen Prinzipien Rechnung getragen und eine fallbasierte Aufgabenstellung in die Abschlussklausur integriert. Es wurde jedoch nicht formativ geprüft, sondern es handelte sich abschließend um eine summative Prüfung – wie in der Fakultät üblich.

5.6

PBL im Vergleich zu projektorientiertem und forschendem Lernen

PBL legt den Schwerpunkt auf den Erwerb anwendbaren Wissens, im Unterschied zu forschendem Lernen, das die Generierung neuen wissenschaftlichen Wissens zum Ziel hat, und auch im Unterschied zu projektorientiertem Lernen, bei dem die berufsnahe Anwendung bereits vorhandenen Wissens im Sinne eines Erprobungsraums im Vordergrund der Lernaktivitäten und am Ende ein Produkt steht (vgl. [37, 43]). Auch hinsichtlich der Art des Lernprozesses unterscheiden sich problembasiertes, forschendes und projektorientiertes Lernen: Beim problembasierten Lernen ist der Lernprozess stärker vorstrukturiert, während beim forschenden und projektorientierten Lernen die Studierenden ihren Lernund Arbeitsprozess selbst planen und strukturieren (vgl. [43]). Zur Verdeutlichung folgende Übersicht, in der die wesentlichen Unterschiede zusammengefasst sind: Tab.  5.1 zeigt die unterschiedliche Fokussierung problembasierten, forschenden und projektorientierten Lernens. Unter Beachtung des Fokus können die methodischen Ansätze miteinander kombiniert werden und es können Mischformen kreiert werden. In der Lehrveranstaltung KlimaIng führte die Arbeit mit PBL beispielsweise zu einer projektförmigen

13

Zu kompetenzorientiertem Prüfen s. [65].

5  Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre203 Tab. 5.1  Vergleich von PBL, Forschendem Lernen und Projektstudium Problembasiertes Lernen

Forschendes Lernen

Projektstudium

Schwerpunkt der Vermittlung

Komplexe Wissensgebiete

Forschung

Lösungen (technisch, sozial, serviceorientiert)

Lernfokus

Aneignung von Wissen

Forschen

Lösungen im Team entwickeln

Instruktionsfokus

Schritte des PBL

Wissenschaftliches Arbeiten, Forschungszyklus

Projektmanagement

Ergebnis

Selbst aufgearbeitetes Wissen

Eigener Forschungsbeitrag

Eigenes Produkt

Aufgabe, obwohl am Ende kein Produkt im engeren Sinne entstand und der Wissenserwerb im Lernfokus blieb.

5.7

Theoretische Verortung von PBL: konstruktivistische Bezüge

Die neuere hochschuldidaktische Diskussion um gute Lehre nimmt in erster Linie Bezug auf konstruktivistische Ansätze zu Lehren und Lernen. Der Grundgedanke folgt dabei der Vorstellung, dass Lernen ein aktiver selbstgesteuerter Prozess ist und dass folglich Wissen nicht passiv aufgenommen, sondern nur aktiv angeeignet werden kann. Radikal konstruktivistisch gedacht können Inhalte nicht vermittelt werden, das Verstehen bleibt ein autonomer Vorgang der Individuen. Der Vorgang der Vermittlung und der Vorgang des Verstehens finden dieser Vorstellung nach in getrennten Systemen statt und sind nicht direkt miteinander verbunden. Die aus der Erkenntnistheorie stammenden Ansätze des radikalen Konstruktivismus (u. a. [63]) können nicht nahtlos in didaktische Konzepte überführt werden. Die Bemühungen um eine konstruktivistische Sicht auf Lehren und Lernen sind vielschichtig. Zum einen sind konstruktivistische Überlegungen nicht genuin pädagogisch, sondern werden in sehr verschiedenen Disziplinen und Theorierichtungen diskutiert, u. a. in der Philosophie, Neurobiologie, Kybernetik und Wissenssoziologie. Zum andern können unter einem didaktischen Blickwinkel erkenntnistheoretische, lernpsychologische und didaktische Ebenen mit Bezug zum Konstruktivismus unterschieden werden und damit auch die Ebene der Überzeugung der Lehrpersonen von der Ebene didaktischen Handelns (vgl. [13]). Eine weitere gängige Unterscheidung ist die zwischen mehr oder weniger „radikalen“ konstruktivistischen Vorstellungen von Wissen und Lernen, wobei die Pole einmal einer eher subjektivistischen bzw. relativistischen und auf der anderen Seite einer objektivistischen Betrachtungsweise zugeordnet sind. Zwischen den beiden Polen wäre dann der

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sogenannte „gemäßigte“ Konstruktivismus angesiedelt (vgl. ebd.). Auch wenn die Klassifikation eher pragmatischen als systematischen Charakter hat,14 haben „radikalkonstruktivistische“ Sichtweisen auf Hochschullehre ihre besondere Bedeutung, wenn es um die Schaffung von Innovation geht, denn ein vorgefertigter Rahmen etwa in Form von Lehrzielen begrenzt qua Definition das Erkunden völlig neuer Welten und Denkweisen. So betrachtet finden radikalkonstruktivistische Ansätze in der Lehre zu wenig Beachtung, nämlich wenn es um die Erweiterung von Freiheitsgraden für die Studierenden während ihres Studiums geht. In der aktuellen Hochschulentwicklung werden die Grenzen dagegen eher enger gesteckt, indem sich der Fokus zunehmend auf definierte Lernziele richtet (Learning Outcomes), ergänzt durch möglichst umfassende Qualitätssysteme, Lerncoaching usw. usf. Statt Freiheit im Sinne autonomen Lernens und Gestaltens (in) der Hochschule besetzt ein Mehr an Instruktion und Kontrolle Hochschulraum und -zeit. Radikalkonstruktivistische Sichtweisen haben dabei wenig Platz.15 In der reformorientierten Hochschuldidaktik dominieren „gemäßigt“ konstruktivistische Sichtweisen, um Lehre (neu) zu gestalten. Die Bemühungen konzentrieren sich hierbei auf die Gestaltung der Lernumgebungen („situiertes Lernen“) und den Lernprozess („Lernbegleitung“), basierend auf der Vorstellung „selbstgesteuerten Lernens“.

5.7.1 Konstruktivistische Perspektiven auf das Lernen Laut Reinmann-Rothmeier und Mandl ([44], S. 4 ff) ergeben sich aus der konstruktivistischen Perspektive fünf zentrale Prozessmerkmale für das Lernen: • Lernen ist ein aktiver Konstruktionsprozess. Wissen kann nur über eine selbstständige und eigenaktive Beteiligung des Lernenden am Lernprozess erworben werden. • Lernen ist ein konstruktiver Prozess. Wissen kann nur erworben und genutzt werden, wenn es in die bereits vorhandenen Wissensstrukturen eingebaut und auf der Basis individueller Erfahrungen interpretiert werden kann. • Lernen ist ein selbstgesteuerter Prozess. Die Auseinandersetzung mit einem Inhaltsbereich erfordert die Kontrolle und Überwachung des eigenen Lernprozesses durch den Lernenden. 14 Der Begriff „gemäßigter“ Konstruktivismus wird zwar in der Literatur häufig gebraucht, ist aber eigentlich irreführend, da sehr unterschiedliche Ansätze der Lehr-/Lerntheorie darunter gefasst werden, die nach ihren Begründungen und Zielsetzungen unterschieden werden sollten und nicht nach der Zuschreibung von (mangelnder) Radikalität. 15 Siebert ([55], S. 19) mit einem Erklärungsversuch für Widerstände aus der Kollegenschaft:

… auch wegen der Kritik an normativen Erziehungs-, Aufklärungs- und Vermittlungskonzepten. Zugespitzte Formulierungen wie die von Niklas Luhmann (die Normalität des Missverstehens, die ‚Unwahrscheinlichkeit intentionaler Erziehung‘, der Appell, ‚die Sozialisation so laufen zu lassen, wie sie läuft, und die Belehrung der Welt zu überlassen‘) verstärken die Widerstände der Pädagogen offenbar.

5  Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre205

• Lernen ist ein sozialer Prozess. Der Erwerb von Wissen geschieht in der Interaktion mit anderen. • Lernen ist ein situativer Prozess. Wissen weist stets situative und kontextuelle Bezüge auf; der Erwerb von Wissen ist an einen spezifischen Kontext oder an eine Situation gebunden. So findet Lernen immer im Rahmen einer bestimmten Lernumgebung statt, die für den Erwerb zentraler Kompetenzen ausschlaggebend ist. Lernende konstruieren ihr Wissen auf Basis bisheriger Erfahrungen und Wissensbestände, die sie mit neuen Informationen in Beziehung setzen. Lernen ist damit ein Prozess des aktiven, selbstgesteuerten Aufnehmens und Verarbeitens von Informationen, der in sozialer Interaktion stattfindet und kontextgebunden ist. Aktiv lernen meint nicht ausschließlich die sichtbaren Aktivitäten. Es wäre falsch, zu behaupten, Lernen passiere nur, wenn Lernende sich für Außenstehende sichtbar mit Lerngegenständen beschäftigen. Lernen ist ein kognitiver, emotionaler, im Körper verankerter Prozess und findet in den Individuen statt. Diese Lernprozesse sind für andere Menschen nicht sichtbar. Sichtbare (scheinbare) Lernhandlungen können mit kognitiven Lernhandlungen einhergehen, müssen es aber nicht (vgl. [45]). Am Beispiel der Aktivität wird der Aspekt der Individualität von Lernprozessen deutlich: Selbst wenn Lernende beobachtbare Lernaktivitäten zeigen, bedeutet dies noch nicht, dass diesen auch die zum Lernen notwendigen kognitiven Prozesse zugrunde liegen.

5.7.2 Lernen aus lernpsychologischer Sicht Eine Erklärung, warum eine eins-zu-eins-Übertragung von Wissen als geschlossene Einheit nicht möglich ist, liefern Modelle kognitiven Lernens, bzw. der Informationsverarbeitung. Das „Drei-Speicher-Modell“ geht davon aus, dass das Gedächtnis aus drei unterschiedlichen, aber miteinander verbundenen Speichern besteht, dem Ultra-Kurzzeitgedächtnis (oder auch sensorisches Register), dem Arbeitsgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis (vgl. [21]). Im Ultra-Kurzzeitgedächtnis werden eintreffende Daten optischer und akustischer Signale sehr kurz gespeichert. Einige dieser Daten gelangen in das Arbeitsgedächtnis, wo sie durch sinnvolle Interpretation mit Bezug zu bereits bestehenden Wissensstrukturen zu Information werden. Diese Informationen werden dann zu sinnvollen Einheiten zusammengefasst – so werden Einzelheiten zu Informationseinheiten und im Langzeitgedächtnis abgelegt. Damit wird die Information zu Wissen (vgl. [45]). Ein Beispiel: Eine Kunsthistorikerin und eine Hobbymalerin gehen zusammen in eine Kunstausstellung und treffen auf ein ihnen unbekanntes Werk. Während die Kunsthistorikerin anhand von Motiven und Stil das Bild zum Expressionismus zählt und einen ungefähren Entstehungszeitraum benennen kann, ist die Malerin mit dem Pinselduktus, dem Motiv und der Farbwahl beschäftigt und stellt fest: Öl auf Leinwand, Stillleben,

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Komplementärkontraste als Mittel zur räumlichen Darstellung. Zwei Personen treffen hier auf die gleiche Information zur selben Zeit und unter denselben Rahmenbedingungen und doch verarbeiten sie diese Information aufgrund ihres Vorwissens sehr unterschiedlich. Hier wird deutlich, dass der Gedanke der direkten Übertragbarkeit von Information von den Köpfen der Lehrenden in die Köpfe der Studierenden ein Trugschluss ist, denn bereits beim Eintreffen der Informationen bei den Lernenden werden diese durch Vorwissen determiniert, selektiert und organisiert (vgl. [31, 46]). Lehrpersonen können nicht davon ausgehen, dass das, was sie vortragen, auch genauso von den Studierenden aufgenommen wird und erst recht nicht, dass das vermeintlich vermittelte Wissen bei den Lernenden genauso abrufbar ist. Dem Modell folgend erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, Wissen abrufen zu können, mit der Anzahl an Verknüpfungen (neuronale Netzwerke) neuer Informationen zu anderen bereits vorhandenen Wissensbeständen (vgl. [47]). Das Vorwissen, dessen Aktivierung und das In-Beziehung-Setzen von Vorwissen mit neuen Informationen ist zentral beim Abrufen von Wissen und Weiterlernen: „Damit neue Inhalte verstanden, behalten und angewendet werden, müssen neue Informationen mit vorhandenem Wissen verknüpft, also elaboriert werden“ ([31], S. 41). Es handelt sich beim Lernen im Sinne der Informationsverarbeitung also um einen kognitiv aktiven Prozess der Lernenden, der zwar durch Lehrende unterstützt und angeregt werden kann, sich letztendlich jedoch im Lernenden selbst vollzieht. Lernpsychologisch betrachtet, geht es bei diesen Prozessen um eine möglichst effiziente Verarbeitung von Information mit dem Ziel, sie so zu speichern, dass sie abrufbar ist. Auch wenn hier schon der individuelle und aktive Charakter des Lernens aufgegriffen wird (vgl. [21]), bleibt das Lernen ausgerichtet auf Memorierung und nicht auf Anwendung und Verstehen (vgl. ebd.). Mit Blick auf die Anforderungen an ein Studium ist die Zielsetzung von Hochschulunterricht zwar anteilig, aber nicht überwiegend auf der Ebene bloßer Abbildungsprozesse angesiedelt, sondern ebenso auf Verstehen zentraler Konzepte und Prinzipien eines Faches sowie auf das Anwenden von Wissen in unterschiedlichen Situationen ausgerichtet. Dies setzt anspruchsvollere kognitive Prozesse voraus als ein Aufnehmen, Speichern und Abrufen von Information. Verstehen ist ein aktiver, bewusst oder unbewusst gesteuerter kognitiver Prozess mit dem Ziel, Informationen sinnvoll und dem jeweiligen Kontext angemessen in bestehende kognitive Strukturen zu integrieren und diese zu verändern (vgl. [61]). Verstehen geht damit über das Speichern und Abrufen von Information hinaus. Beim Speichern und Abrufen von Information wird eine Einbettung neuer Information in vorhandene Wissensstrukturen angestrebt. Beim Verstehen von Sachverhalten steht die Intention der Herstellung eines sinnvollen und kohärenten Gesamtbildes durch die Veränderung vorhandener Wissensstrukturen durch neue Informationen im Vordergrund (vgl. ebd.).

5  Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre207

5.7.3 Hochschuldidaktik: von der Lehrenden- zur Lernendenorientierung In der Hochschuldidaktik werden diese Phänomene mit den Begriffen einer lehrendenbzw. lernendenorientierten Haltung und Vorgehensweise in der Lehre beschrieben (Shift from Teaching to Learning). Eine lernendenzentrierte Lehre unterstützt Lernende beim eigenständigen Durchdenken der Lerninhalte, bietet Verknüpfungsmöglichkeiten der Inhalte mit eigenen Vorerfahrungen sowie mit Vorwissen und ermöglicht das Reflektieren von Anwendungsoptionen des Gelernten. Ergebnisse der Lehr-Lern-Forschung sprechen für diese Perspektive auf das Lernen (vgl. [5, 15, 40]). Hinsichtlich der Maße für den Erfolg von Lehre unterscheiden sich lehrenden- und lernendenzentrierte Lehre, indem sie die Qualität des Unterrichts an den Lernergebnissen der Studierenden und nicht mehr an den Lehrhandlungen der Lehrenden misst. Im Folgenden eine Gegenüberstellung „alter“ und „neuer“ Verständnisse vom Lehren und Lernen: Eine Gegenüberstellung (vgl. Tab. 5.2) lehrenden- bzw. lernendenorientierter Lehre ist zum einen historisch interessant, da ein Wandel im Lernverständnis deutlich wird: weg von der Frontallehre – hin zur Aktivierung der Studierenden, wie von zahlreichen Akteuren auf dem Weg zu guter Lehre propagiert. State of the Art der Hochschuldidaktik ist jedoch nicht die Abwertung des lehrendenzentrierten Pols dieses Spektrums, sondern der Verweis auf die Bandbreite der Möglichkeiten und die lernzielgerechte Auswahl von Ansätzen und Methoden zwischen den Polen stark strukturierter Formen der Vermittlung (klassischerweise eine Vorlesung in Verbindung mit einem Skript) bis hin zu Formaten, die Studierenden große Freiräume des Lernens einräumen (beispielsweise eine Forschungsarbeit zu einem selbst gewählten Thema). Allerdings ist es so, dass Lehrenden – aufgrund ihrer Tab. 5.2  „Wandel im Lehrverständnis“ (gekürzt) nach Reich. (Vgl. [42], S. 15) Alte Sichtweisen

Neue Sichtweisen

lehrendenzentriert

lernendenzentriert

Frontalunterricht

multimodaler Unterricht

an Expertinnen und Experten objektiviert

an Handlungen objektiviert

von Expertinnen und Experten vorgegeben

partizipativ erarbeitet

bürokratisiert

selbst organisiert

Vollständigkeitspostulat

Viabilitätspostulat

rationalisiert

beziehungsorientiert

individualisiert

subjektiviert im Team

(…)

(…)

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eigenen Lernbiografie – klassische Vermittlungsformen meist vertrauter sind als aktivierende Formate, die sie sich häufig neu aneignen müssen (vgl. [29]). Ebenso sind nicht alle Studierenden aufgrund ihrer Vorkenntnisse in der Lage, selbstständig (wissenschaftlich) zu arbeiten, und werden durch freiere Formate u. U. überfordert. Die Herausforderung für Lehrende besteht folglich in der Auswahl und Kombination geeigneter Vorgehensweisen und auch im Verlernen tradierter Vorgehensweisen.

5.7.4 Problembasiertes Lernen zwischen Instruktion und Konstruktion PBL ist für diese erforderliche Flexibilität ein gutes Beispiel, da die Methodik selbst zwischen den Polen Instruktion und Konstruktion aufgespannt ist (vgl. Abb. 5.2): Das Problembasierte Lernen thematisiert ebenso die Instruktionsprozesse der Lehrenden wie die Konstruktionsprozesse der Lernenden. PBL versteht den Lernprozess als selbstgesteuert und konstruktiv, die Instruktion zielt auf die Unterstützung der Lernprozesse der Studierenden durch die Lehrenden, in Abhängigkeit vom Vorwissen und den zu vermittelnden Inhalten, ab. In der Anwendung von PBL geht es folgerichtig um die Balance und das Wechselspiel zwischen Instruktion und Konstruktion. Die Arbeit mit Lernzielen beim Problembasierten Lernen folgt diesem Muster, denn die Lernimpulse werden im Hinblick auf zu erreichende Lernziele konstruiert und gleichzeitig wird den Studierenden Gelegenheit gegeben, eigene Lernziele zu formulieren und zu bearbeiten. Abb. 5.2  Die Balance zwischen Instruktion und Konstruktion. (Nach [44], S. 625)

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5  Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre209

5.7.5 Arbeit mit Lernzielen im Rahmen Problembasierten Lernens In der Praxis ist Lehrenden jedoch häufig nicht klar, wie mit Lernzielen produktiv gearbeitet werden kann. Daher einige grundlegende Anmerkungen: Für Veranstaltungen formulierte Lernziele sind nicht dazu gedacht, von den Studierenden mechanisch umgesetzt zu werden. Vielmehr sind Lernziele eine Orientierungshilfe für Lehrende und Studierende: Für Lehrende bei der Planung und Durchführung von Veranstaltungen – für Studierende zur Orientierung in neuen Wissensgebieten. Formulierte Lernziele ermöglichen die Überprüfung von Handlungsabsichten und können der „rote Faden“ in den Turbulenzen des Lernens sein (vgl. [70]). Für die Motivation und Orientierung ist es erforderlich, dass Studierende eigene Lernziele formulieren und Lehrende bereit sind, ihre Zielvorstellung flexibel zu nutzen, auch von Zielvorstellungen abzuweichen, Lernziele zu pointieren oder zu ändern und sich auf die Ideen der Studierenden einzulassen und diese in die Abläufe zu integrieren. Beim Problembasierten Lernen sind die Lernziele eingebettet in die Fallgeschichten/ Trigger und das Gesamtdesign der Veranstaltung. Die Lehrenden konstruieren die PBLFälle also im Hinblick auf Lernziele, veröffentlichen diese Lernziele jedoch nicht (vgl. ebd.). Die Studierenden sind vielmehr aufgefordert, auf Basis der Fälle und angeleitet durch die vorgegebenen Schritte, eigene Lernziele zu formulieren (Schritt fünf der Methode). Diese können von den (impliziten) Lernzielen der Lehrenden abweichen und es erforderlich machen, dass diese ihre Ziele überprüfen, ggf. modifizieren bzw. über geeignete Impulse im Lernprozess „nachsteuern“, zum Beispiel im Hinblick auf das Quellenmaterial oder durch sukzessiven Fallaufbau. Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch hervorzuheben, dass auch bestens formulierte Lernziele immer nur einen Teil des Lernens abbilden können, denn Lernen bleibt ein unberechenbares Geschehen. Lernen ist immer eigensinnig, informell, widerständig – das sind Charakteristika aller echten Lernprozesse, die über formale Prozesse nicht abgebildet werden können, jedoch Hochschullehre erst lebendig und erfolgreich machen.

5.8

Wirksamkeit von PBL: Forschungsergebnisse

Da es sich bei PBL um eine der international meistverbreiteten Lehrmethoden handelt, ist sie auch eine der am besten erforschten Methoden in hochschuldidaktischen Kontexten. Der weit überwiegende Teil der Forschung zur Wirksamkeit von PBL bezieht sich auf die Medizin, da hier die umfangreichsten Erfahrungen mit PBL vorliegen. Es liegen Metaanalysen bezüglich der Wirksamkeit von PBL auf verschiedene Zielvariablen vor. Hierzu gehören die Arbeiten von Albanese und Mitchell [1], Dochy et al. [14] Vernon und Blake [62], sowie Gijbels et al. [20]. Ihnen gemeinsam ist, dass sie PBL-Lernumgebungen mit klassischen Lehrformen hinsichtlich der Outcomevariablen wie z. B.

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Problemlösefähigkeit, Faktenwissen oder die Fähigkeit, erworbenes Wissen auf neue Situationen anwenden zu können, vergleichen (vgl. [15, 60]). Alle Metaanalysen stammen aus dem Fachbereich der Medizin. Wirkung von PBL auf medizinisch relevantes Faktenwissen und klinisches Wissen  Das Faktenwissen wurde in den o.g. Metaanalysen häufig im Multiple-Choice-Format überprüft z. B. mit dem NBME,16 ein zur Zeit der Entstehung der Metaanalysen weit verbreitetes Prüfungsinventar in den USA, das in vielen Staaten absolviert werden musste, um für die Tätigkeit als Ärztin bzw. Arzt zugelassen zu werden (vgl. [38]). Der NBME besteht aus drei Teilen. Teil eins zielt auf die Wiedergabe von Faktenwissen aus naturwissenschaftlichen Disziplinen, das für die Medizin von Bedeutung ist (z.  B. Anatomie und Mikrobiologie) und überprüft darüber hinaus das Wissen über zentrale Konzepte des jeweiligen Themengebiets (vgl. [59]). Teil II des NMBE prüft praxisrelevantes klinisches Faktenwissen ab, z. B. Wissen über Pädiatrie, Psychiatrie etc. Teil III fokussiert auf die Erfassung der klinischen Performanz und besteht aus einem Komplex aus Multiple-Choice-Fragen und der Bearbeitung von neun Fallbeispielen zur Behandlung von Patienten (vgl. [2]). Hinsichtlich des naturwissenschaftlichen Faktenwissens und des Wissens über zentrale Konzepte des jeweiligen Faches, gemessen mit dem NBME I, schnitten Lernende von PBL-Gruppen gegenüber Lernenden in Vergleichsgruppen, die mit klassischen Lehrformen unterrichtet wurden, schlechter ab (vgl. [2, 14, 60]). Anders verhält es sich mit Lernergebnissen, die mit dem zweiten oder dritten Teil des NBME erfasst wurden. Wirkung von PBL auf klinische Performanz  Albanese und Mitchell (vgl. [1]) kommen in ihrer Metaanalyse zu dem Schluss, dass die Lernenden der PBL-Gruppen hinsichtlich der klinischen Performanz (getestet mit dem NBME II17) besser abschnitten als die Vergleichsgruppen. Die Ergebnisse waren in fünf von sieben der inkludierten Studien signifikant. Vernon und Blake (vgl. [62]) kommen in ihrer Metaanalyse zu dem Ergebnis, dass die PBL-Gruppen hinsichtlich klinischen Wissens und klinischer Performanz den Vergleichsgruppen in 13 von 16 Fällen überlegen und die Effektstärken signifikant waren. Strobel und van Barneveld (vgl. [60]) kommen in ihrer Synthese der Metaanalysen zu einem ähnlichen Schluss: Lernende in problembasierten Lernumgebungen schneiden in Untersuchungen zur klinischen Performanz (unter anderem gemessen mit dem NBME II) besser ab als Lernende in traditionellen Lehr-Lern-Arrangements. Wirkung von PBL auf das Verstehen zentraler Prinzipen und Konzepte des jeweiligen Faches  Sahin (vgl. [51]) konnte in seiner Untersuchung mit Studierenden der Physik nachweisen, dass sich die Testergebnisse hinsichtlich des Verstehens zentraler Konzepte

National Board of Medical Examiners Teil II des Tests untersucht das klinische Wissen und die klinische Performanz der Lernenden (vgl. [59]). 16 17

5  Problembasiertes Lernen in der Hochschullehre211

der Newton’schen Mechanik sowohl bei Studierenden der PBL-Gruppe (55 Studierende) als auch bei der Vergleichsgruppe (69 Studierende) im Verlauf der Lehrveranstaltung verbesserten. Die Zunahme in der PBL-Gruppe war aber signifikant höher als in der Vergleichsgruppe, die mit traditionellen Lehrmethoden unterrichtet wurde. Yadav et al. (vgl. [68]) kamen zu ähnlichen Ergebnissen: PBL wurde hier in einem Basiskurs der Elektrotechnik mit 55 Studierenden an einer großen Universität im mittleren Westen der USA eingesetzt. In dem Kurs wechselten sich Phasen traditioneller Vorlesung mit Phasen des Lernens mit PBL ab. Die Untersuchung der Wirksamkeit Problembasierten Lernens bezog sich auf das Verstehen und Anwenden zentraler Konzepte der Elektrotechnik, erhoben zu vier Messzeitpunkten mittels Quizaufgaben, die eine Erklärung von Ursache und Lösung typischer Probleme der jeweiligen behandelten Themenbereiche der Lehreinheit fokussierten. Die Studierenden kamen in Phasen, in denen mit PBL gearbeitet wurde, sowohl hinsichtlich des Verstehens zentraler Konzepte als auch hinsichtlich der Wissensanwendung zu besseren Ergebnissen als in Phasen, in denen die Inhalte in klassischen Vorlesungen behandelt wurden. Die Steigerung der Punktzahlen in Pre- und Post-Tests waren in den PBL-Phasen doppelt so hoch wie in Phasen traditioneller Vorlesungen. Gijbels et al. (vgl. [20]) kamen in ihrer Metaanalyse zu dem Ergebnis, dass Lernende in PBL-Gruppen hinsichtlich des Verstehens zentraler Konzepte und Prinzipien des Faches ebenso gut abschnitten wie Studierende in traditionellen Lehr-Lern-Arrangements. Fokussierte die Prüfung das Verstehen zentraler Prinzipien und Konzepte und ihre Beziehungen zueinander, zeigte sich für PBL ein positiver Effekt. Weitere Ergebnisse der Forschung über die Wirksamkeit Problembasierten Lernens  Was das längerfristige Behalten von Informationen angeht, ist PBL Studien zufolge traditionellen Lehrformen überlegen – bei kurzfristigem Abruf von Informationen schnitten PBL-Lernende zwar schlechter ab als Lernende in traditionellen Lehrformen; wurde der Test allerdings zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt, konnten PBL-Lernende mehr Inhalte erinnern als die Vergleichsgruppen (vgl. [39]). Neben auf klinische Performanz bezogenem Wissenserwerb und längerfristiger Behaltensfähigkeit von Wissen scheint PBL besonders hinsichtlich des Erwerbs sozialer Kompetenzen erfolgreich zu sein (vgl. [41]). Der Grund dafür wird darin gesehen, dass die Lernenden in Kleingruppen miteinander kooperieren und kommunizieren müssen (vgl. [34]). Wenn es um die Akzeptanz der Methode und die Motivation der Studierenden geht, sind problembasierte Lernumgebungen erfolgreicher als lehrendenzentrierte Arrangements, wie Metaanalysen zeigen konnten (vgl. [1, 59],). Auch nach Abschluss ihres Studiums beurteilten Lernende die Arbeit mit Problembasiertem Lernen positiv. Prince (vgl. [41]) untersuchte in einer Einzelstudie Absolventinnen und Absolventen von vier Universitäten. Davon studierten 920 an vier Universitäten mit traditionellen Medizincurricula und 239 Absolventinnen und Absolventen an einer Universität mit einem problembasierten Medizincurriculum. Alle Absolventinnen und Absolventen beurteilten die Qualität ihrer universitären Ausbildung hinsichtlich der Vorbereitung auf die Berufspraxis als gut. Absolventinnen und Absolventen der Universität mit dem problembasiertem Curriculum fühlten

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sich aber signifikant besser auf die berufliche Praxis vorbereitet als die Absolventinnen und Absolventen der traditionell ausgerichteten Universitäten. Zusammenfassung der Forschungsergebnisse Insgesamt sind die Ergebnisse von Arbeiten, in denen PBL mit traditionellen Unterrichtsformen verglichen wurde, nicht konsistent (vgl. [25, 60]), was u. a. darauf zurückgeführt werden kann, dass Lernergebnisse in den einzelnen Studien sehr unterschiedlich operationalisiert und gemessen wurden (vgl. [20, 60]). Vor allem, wenn Lernergebnisse über Mulitple-Choice-Verfahren (MC) erfasst wurden, die den kurzfristigen Abruf von Faktenwissen erheben, schnitten PBL-Lernende schlechter ab als Vergleichsgruppen, die in traditionellen Lehr-Lern-Arrangements lernten (vgl. ebd.), was wenig erstaunt, da die PBL-Lernenden nicht auf MC-Fragen hin lernen. Wurden Lernergebnisse über anwendungsbezogene und kompetenzorientierte Prüfungsverfahren, wie z. B. Fallanalysen von Patienten im Fach Medizin gemessen, ergab sich ein anderes Bild: Wenn es darum ging, Wissen in Handlung zu überführen bzw. die Voraussetzungen dafür in Form des Erwerbs anwendbaren prozeduralen Wissens zu schaffen, schnitten PBL-Lernende besser ab als Vergleichsgruppen, die in traditionellen Lehrformaten unterrichtet wurden (vgl. [1, 20, 60, 70]). Weiterer Forschungsbedarf  Weiterer Forschungsbedarf besteht vor allem darin, Erkenntnisse zum Einsatz von PBL in anderen Disziplinen als der Medizin zu gewinnen und zu erklären, unter welchen Bedingungen PBL in welcher Weise wirkt (vgl. [15, 23, 64]). Anschließend an die o.g. Desiderate soll mit der Begleitforschung im Rahmen von KlimaIng ein Beitrag dazu geleistet werden, Informationen über den Einsatz von PBL in einer anderen Disziplin als der Medizin zu generieren und das Zusammenspiel von Lehrenden, Lernenden und PBL zu untersuchen (s. Abschn. 7.11).

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216

S. Marx und D. Götze

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6

Konzept und Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng Sabine Marx und Diana Götze

Im folgenden Kapitel stellen wir das didaktische Konzept der Lehrveranstaltung „KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken“ und dessen Umsetzung im Sommersemester 2016 vor. Wir gehen auf die universitären Rahmenbedingungen und notwendigen Vorbereitungen ein, um davon ausgehend die Planung und Durchführung der gesamten Lehrveranstaltung detailliert zu beschreiben. Wir möchten so interessierten Lehrpersonen die Möglichkeit geben, unser Vorgehen nachzuvollziehen und sich für eigene Lehrkonzepte inspirieren zu lassen.

6.1

Die Projektidee: innovatives Thema – innovative Lehre

Die Idee, den Klimawandel zum Thema der Fabrikplanung zu machen, war in der Fakultät für Maschinenbau schon vor einiger Zeit entstanden, da das Institut für Fabrikplanung (IFU) sich intensiv mit der Thematik beschäftigt hatte und die Inhalte in der aktuellen Ausbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren stark vernachlässigt werden. Es lag also umfangreiches Material zu einer aktuellen Thematik des Ingenieurwesens vor, die bisher nicht Bestandteil der universitären Ausbildung an der TU Braunschweig war. So reifte die Idee für ein Lehrprojekt, in dem nicht die üblichen Pfade der Vermittlung beschritten, sondern ein innovatives Thema auch mit innovativen Lehrmethoden bearbeitet werden sollte. Als Kooperationspartner für die Idee wurde das Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen (KHN) gewonnen.

S. Marx (*) · D. Götze Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen, Bültenweg 74/75, 38106 Braunschweig, Deutschland e-mail: [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 U. Dombrowski, S. Marx (Hrsg.), KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56590-2_6

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218

S. Marx und D. Götze

Diese Form der Kooperation eines Hochschuldidaktikzentrums mit einem Institut des Maschinenbaus ist bereits eine Besonderheit des Projekts. Während die Qualifizierung einzelner Dozentinnen und Dozenten für Lehraufgaben – auch in den Ingenieurwissenschaften – immer häufiger stattfindet, gibt es nach wie vor vergleichsweise wenige Kooperationen zwischen der Hochschuldidaktik und technischen Fächern, die intensiv im personellen Austausch an der Innovation der Lehre arbeiten, wie es die Projektförderung erlaubte. Zu Beginn des Projekts galt es zunächst, die „zwei Welten“ – die der Fabrikplanung und die der Hochschuldidaktik – zusammenzubringen. Bereits im Vorfeld war die Entscheidung gefallen, in der Lehrveranstaltung mit Problembasiertem Lernen (PBL) zu arbeiten, da diese Methode zum Erreichen der Projektziele als besonders geeignet erschien. PBL entspricht dem State oft the Art der Hochschuldidaktik und ist theoretisch gut begründet. Außerdem ist PBL von Nicht-Pädagoginnen und Nicht-Pädagogen relativ leicht anzuwenden und ist wissenschafts- und berufsorientiert. Letztlich folgt PBL in der Zielrichtung insgesamt den Kriterien einer modernen Ausbildung von Ingenieurinnen oder Ingenieuren. Zudem versprach der Einsatz der Methode einen Effekt auf die Bewusstseinsbildung der Studierenden im Hinblick auf die Problematik des Klimawandels. Die Methode war den Mitarbeitenden fremd – allenfalls hatten sie eine Vorstellung zum Begriff Problem als zentrale Handlungskategorie in der Ingenieurwelt. Daher galt es zunächst, die Dozentinnen und Dozenten mit der Methode sowie umgekehrt die Hochschuldidaktikerinnen mit den fachspezifischen Inhalten bekannt zu machen, um daraus ein gemeinsames Konzept zu entwickeln.

Lehre in den Ingenieurwissenschaften: Befunde und Beobachtungen Lehre in den Ingenieurwissenschaften ist allgemein durch überfrachtete Curricula, knappe Regelstudienzeiten und hohe Studierendenzahlen im Verhältnis zur Zahl der angebotenen Lehrveranstaltungen gekennzeichnet (vgl. [9]). Traditionellerweise wird in den Ingenieurwissenschaften mittels Vorlesungen und begleitenden Übungen gelehrt. Bei der Vorlesung wird Studierenden das notwendige Basiswissen strukturiert und aufbereitet vorgestellt, in der Übung sollen die Studierenden das zuvor vermittelte Wissen zur Anwendung bringen. In der abschließenden Prüfung wird bewertet, inwieweit die Studierenden über das Wissen verfügen und es auf verschiedene Aufgabenstellungen anwenden können (vgl. [12, 15, 20]). Das Lernverhalten der Studierenden folgt dabei oft dem Schema: mitschreiben, Inhalte auswendig lernen, bei der Prüfung wiedergeben und vergessen, um Platz für die nächsten Inhalte zu machen (vgl. [15]). Um einen aktuellen Einblick in die universitäre Lehre im Maschinenbau zu gewinnen, nahm die pädagogische Mitarbeiterin im Projekt die Möglichkeit wahr, Veranstaltungen im Fachbereich zu besuchen. Die Beobachtungen, die durch diese Veranstaltungsbesuche gemacht werden konnten, lassen sich wie folgt zusammenfassen. Die Vorlesungen waren gut strukturiert, ansprechend gestaltete digitale Folienpräsentationen illustrierten die Vorträge der Lehrenden, die ihre persönlichen Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis in ihre Ausführungen einbrachten und sie damit interessant und teilweise auch humorvoll gestalteten. Ein detailliert ausgearbeitetes Skript unterstützte die Studierenden bei der

6  Konzept und Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng219

Vor- und Nachbereitung der Vorlesungen. Jedoch nahmen die Studierenden in den besuchten Veranstaltungen fast ausschließlich die Rolle passiver Zuhörer ein. An kaum einer Stelle ergab sich für die Studierenden ein Dialog mit den Lehrenden oder den Kommilitoninnen und Kommilitonen. Wenn die Lehrenden Fragen ins Plenum gaben, handelte es sich meist um Fragen, die auf Wissensreproduktion und Wiederholung fokussierten (z. B. „Wissen Sie noch, welche Phasen der Fabrikplanung es gibt?“). Oft wurden solche Fragen durch die Lehrenden umgehend selbst beantwortet, ohne eine studentische Antwort abzuwarten, anscheinend, um den Stoff wie geplant durchzubringen. Konnten nicht alle Inhalte in der Vorlesung referiert werden, wurden die Vorträge in der anschließenden Übung zu Ende gebracht. Die Übungen, in denen die Studierenden eigentlich die Gelegenheit haben sollten, Wissen aus den Vorlesungen anzuwenden, waren ebenfalls frontal organisiert. Neben der Weiterführung der Vorlesung wurden Übungen genutzt, um einstündige Gastvorträge von Praktikern zu integrieren. Die Übung war so oft eine erweiterte Vorlesung, in der die Studierenden passiv blieben und weiterhin keine Gelegenheit für Rückfragen, Diskussion oder Anwendung und Übung hatten, z. B. für bestimmte Rechenoperationen. Auch wenn es sich nur um punktuelle Beobachtungen handelt, decken diese sich mit der in der Literatur beschriebenen Praxis ingenieurwissenschaftlicher Lehre. Daher war anzunehmen, dass auf die Studierenden in der Lehrveranstaltung KlimaIng viel Neues zukommen würde: Sie würden kaum (Folien-)Vorträge hören, es erwartete sie kein fertiges Skript und keine besonderen Hinweise zur Klausurrelevanz und sie würden viel Gelegenheit bekommen, zu fragen und in den Dialog mit den Lehrenden und ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen zu treten.

6.2

Rahmen und Zielgruppe der Lehrveranstaltung

Die Lehrveranstaltung KlimaIng wurde erstmals im Sommersemester 2016 im Rahmen der Masterprogramme Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau angeboten. Ein zweiter Durchgang erfolgte im Wintersemester 2016/2017; in diesem Semester wurde die Veranstaltung auch im Studiengang Technologieorientiertes Management angeboten. In allen drei Studiengängen wurde die Veranstaltung im Wahlpflichtbereich verortet. Bei der Zielgruppe handelte es sich um Masterstudierende, sodass davon ausgegangen werden konnte, dass ein ausreichendes Wissen um Inhalte, Techniken und Methoden des Maschinenbaus bzw. des Wirtschaftsingenieurwesens vorhanden war. Vorausgesetzt werden konnten aufgrund des Studienfortschritts der Studierenden auch Fähigkeiten zum selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten. Weniger Gelegenheit hatten die Studierenden bisher bekommen, selbst Inhalte und Interessenschwerpunkte zu bestimmen. Mit aktivierenden Lehrmethoden waren sie bisher kaum in Berührung gekommen. Daher wurde ein Beobachtungsschwerpunkt darauf gelegt, inwiefern die Studierenden in der Lage waren, selbstständig zu arbeiten und wie sie auf Methoden reagieren würden, die ihnen mehr Freiräume zum Lernen und zur eigenen Themensetzung ermöglichten.

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S. Marx und D. Götze

Im Fall der Lehrveranstaltung KlimaIng stand ein Workload von 150 Arbeitsstunden zur Verfügung. Von diesen 150 Stunden entfielen 30 auf Plenumszeiten. Die verbleibenden 120 Stunden verteilten sich auf • • • • •

Selbstlernzeiten, individuell und in der Lerngruppe, Beratungstreffen mit den Tutorinnen und Tutoren, eine eintägige Exkursion, Prüfungsvorbereitung und die Abschlussklausur.

In der Aufteilung der Stunden für Präsenz und Selbststudienzeiten spiegelt sich die Bedeutung des selbstgesteuerten Lernens im PBL-Prozess wider. Die Plenumstermine und Gruppentreffen setzten Impulse für das eigenständige Arbeiten der Studierenden, das den Großteil der Lernzeit einnahm.

6.3 KlimaIng-Team Eine Besonderheit von KlimaIng bestand in der Zusammenstellung eines erweiterten Dozententeams: • • • • • •

Prof. Dr. Uwe Dombrowski, Geschäftsführender Leiter des IFU, Projektleitung Dr. Sabine Marx, Geschäftsführende Leiterin KHN, Anne Reimer (Dipl.-Wirtsch.-Ing.), wissenschaftliche Mitarbeiterin IFU, Stefan Ernst (Dipl.-Wirtsch.-Ing.), wissenschaftlicher Mitarbeiter IFU, Diana Götze (Dipl.-Päd.), wissenschaftliche Mitarbeiterin KHN, Studentische Hilfskräfte aus dem Fachbereich Maschinenbau.

Diese interdisziplinäre Zusammensetzung des Teams aus zwei sehr unterschiedlichen Fachbereichen hat sich als Erfolgsfaktor für die Lehrveranstaltung erwiesen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem IFU fungierten als Expertinnen und Experten für Fachwissen und Methoden der Fabrikplanung, die Mitarbeiterinnen aus der Hochschuldidaktik als Expertinnen für Lehren und Lernen, sodass die Studierenden sowohl in Fachfragen als auch in Fragen effektiven Lernens unterstützt werden konnten. Besonders fruchtbar war die Einbeziehung der studentischen Mitarbeiter. Die von ihnen tutoriell begleiteten Gruppen kamen nach Einschätzung der Beteiligten zu qualitativ ebenso hochwertigen Ergebnissen wie die Gruppen, die durch qualifiziertere Lehrende betreut wurden. Hinzu kam der Lerngewinn für die studentischen Mitarbeiter, die in diesem Setting mit fachlicher Unterstützung die Möglichkeit hatten, ihre Gruppenleitungskompetenzen auszubauen.1 Diese Beobachtung deckt sich mit dem bisherigen Forschungsstand zum Einsatz studentischer Tutorinnen und Tutoren in PBL-basierten Lernumgebungen (einen Überblick dazu geben [18]).

1

6  Konzept und Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng221

6.4

Vorbereitung der Lehrveranstaltung im Dozententeam

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IFU wurden seitens des KHN mit der PBLMethode vertraut gemacht. Anhand selbst geschriebener Fälle wurde die Moderation von PBL-Gruppen erprobt und gleichzeitig wurden die gemeinsam geschriebenen Fälle validiert. Im Anschluss wurden die Fälle in das didaktische Design der Veranstaltung eingebunden. Bei der zweiten Durchführung der Lehrveranstaltung übernahmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IFU, einschließlich der studentischen Hilfskräfte, sukzessive mehr Moderationsanteile, um den Wissenstransfer im Sinne der nachhaltigen Verankerung des Konzepts zu gewährleisten. Die pädagogische Mitarbeiterin aus dem Projekt besuchte die Vorlesung Fabrikplanung des IFU und eignete sich mit Unterstützung der Ingenieurinnen und Ingenieure unter Einbezug entsprechender Fachliteratur Grundlagenwissen in den Bereichen Fabrikplanung und Klimawandel an. Hinzu kamen Exkursionen und Besprechungen mit Firmenvertreterinnen und -vertretern, um ein möglichst aktuelles und praxisnahes Bild der Klimawandelproblematik in der Fabrikplanung zu generieren. Die gesammelten Erkenntnisse wurden zur Grundlage der Fallkonstruktionen und flossen in das Design der Veranstaltung ein.

6.5

Lernziele der Veranstaltung

Das übergeordnete Ziel der Lehrveranstaltung war es, bei den Studierenden ein Bewusstsein für die Existenz des Klimawandels und seiner Folgen im Umfeld der Fabrikplanung zu schaffen. Ein weiteres zentrales Ziel der Lehrveranstaltung war die Anwendung fachspezifischer Methoden und Werkzeuge der Fabrikplanung auf Problemstellungen des Berufsfeldes unter Berücksichtigung der Aspekte des Klimawandels. Es wurden also die beiden Themenkomplexe „Klimawandel“ und „Fabrikplanung“ in der Lehrveranstaltung gemeinsam gedacht und bearbeitet. Dies entspricht einem ganzheitlichen Konzept von Fabrikplanung, das Umweltfragen und gesellschaftliche Verantwortung im globalen Maßstab integriert und so zu einer zeitgemäßen Ingenieurausbildung beiträgt. Gleichzeitig ist der Anspruch, Umweltbewusstsein und Umwelthandeln zu beeinflussen, im Rahmen universitärer Lehre nicht einlösbar, ohne die entsprechenden Diskurse aufzugreifen. Für die Veranstaltung waren u. a. Erkenntnisse der Umweltpsychologie von Relevanz.

6.5.1 Umweltschützendes Verhalten aus Sicht der Umweltpsychologie Ein Anliegen der Umweltpsychologie ist es, zu erklären, warum Menschen sich umweltschützend verhalten und warum nicht (vgl. [2, 8]). In Bezug auf den Klimawandel zeigen Studien einen Zusammenhang zwischen Wissen zu Ursachen und Folgen des

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Klimawandels in Form von mentalen Modellen2, Vorstellungen, Konzepten oder Fehlkonzepten und der Auswahl von Handlungsoptionen mit Blick auf klimaschützende Verhaltensweisen. Bord und O‘Connor [3] zeigten, dass fehlerhaftes Wissen über Ursachen und Folgen des Klimawandels eine Vorhersagekraft für die Bewertung der Eignung eigener Handlungen und politisch gesteuerter Maßnahmen zur Abmilderung des Klimawandels hat: Viele Befragte wussten nicht, welche Handlungen besonders viel CO2-in die Atmosphäre emittieren und damit den Treibhauseffekt verstärken. Entsprechend wurden naheliegende Handlungen, die den CO2-Ausstoß reduzieren können nicht als solche erkannt und nicht als Handlungsoption für klimaschützendes Verhalten in Erwägung gezogen.3 Es bedarf laut Bord und O‘Connor also korrekten Wissens zu Ursachen und Folgen des Klimawandels, um klimafreundliche Handlungsoptionen als solche zu erkennen und für eine Umsetzung in Betracht ziehen zu können. Ein weiteres Beispiel illustriert diese Befunde. Ein verbreitetes Fehlkonzept zum Klimawandel ist es, dass das Ozonloch für die Erderwärmung verantwortlich ist (vgl. [10]). Durch das „Loch“ kommen mehr Sonnenstrahlen in die Atmosphäre. Bei Sonne wird es warm, also wird es bei zu viel Sonnenstrahlen zu heiß. Um den Klimawandel abzumildern, sollte nach dieser Vorstellung das Ozonloch möglichst nicht noch größer werden. In der Folge sollte man alles tun, was die Vergrößerung des Ozonlochs verhindert, z. B. die Freisetzung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW). Somit werden Menschen, die über dieses Konzept verfügen, ihre Handlungsmöglichkeiten zur Abmilderung des Klimawandels darin sehen, weniger Sprühdosen zu verwenden, in denen FCKW enthalten ist, das für das Ozonloch verantwortlich ist (vgl. [13, 14]). Zwar ist Ozon ein Treibhausgas, das in der Nähe der Erdoberfläche durch Emission von Autoabgasen und Ähnlichem durchaus klimaschädlich wirkt, die Ozonschicht in der Stratosphäre und das Ozonloch, das durch die Freisetzung von FCKW entstanden ist, ist damit aber nicht zu verwechseln und stellt ein anderes atmosphärisches Problem dar: Sie schützt die Lebewesen auf der Erde vor der energiereichen UV-Strahlung der Sonne. Das Loch in der Ozonschicht führt dazu, dass die UV-Strahlen, die z. B. Hautkrebs verursachen können, kaum gefiltert auf die Erde und ihre Bewohner treffen können (vgl. [5]). Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass es Wechselwirkungen zwischen der Ozonlochproblematik und dem Klimawandel gibt (vgl. [7, 16]). Die Vorstellung, dass Ozonlöcher in der oben beschriebenen Form für den Klimawandel verantwortlich sind, ist jedoch ein Fehlkonzept, das auch heute noch verbreitet ist (vgl. [17, 19]). Der Klimawandel ist ein hochkomplexes Geschehen, das sich nicht direkt beobachten, verstehen und erfahren lässt und bei dessen Erklärung und Bewertung Laien auf die Aussagen von Expertinnen und Experten angewiesen sind (vgl. [2]). Mentale Modelle

2 Die Vorstellung, die der Einzelne über Ursachen, Einflussfaktoren, zeitliche Entwicklung und mögliche Konsequenzen eines komplexen Sachverhalts hat, wird in der Psychologie als mentales Modell bezeichnet (vgl. [2]). In den hier zitierten Untersuchungen werden die Begriffe „Modell“ (z.  B. [10]), „Konzept“ und „Vorstellungen“ (z. B. [14]) oder „Wissen über“ synonym oder in Verbindung, bzw. als Teil mentaler Modelle verwendet (z. B. [4]). 3 In der Studie aus 2000 betraf dies zum Beispiel weniger Autofahren; aktuell wären naheliegende Handlungsoptionen denkbar wie Ressourcenschonung oder regionales Wirtschaften.

6  Konzept und Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng223

zum Thema Klimawandel sind häufig fehlerhaft, was zur Entwicklung ungeeigneter Handlungsstrategien führt – wie in dem Beispiel des Ozonlochs als Ursache der globalen Erwärmung dargestellt. Fehlkonzepte zum Klimawandel sind auch unter Studierenden der Ingenieurwissenschaften verbreitet. Unter Berücksichtigung der umweltpsychologischen Perspektive auf das Thema ist also Wissen zu den Ursachen und Folgen des Klimawandels notwendig, wenn auch nicht hinreichend, um beruflich wie privat verantwortungsvoll und nachhaltig handeln zu können. Neben dem Wissen spielen auch Faktoren wie die Einschätzung des persönlichen Risikos durch den Klimawandel, die Wahrnehmung einer Mitverantwortung für dessen Entstehung und die Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf den Beitrag, den eine Person leisten kann, eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, sich klimaschützend zu verhalten (vgl. [1, 11]). Diese Überlegungen sind in die Formulierung der Lernziele eingeflossen.

6.5.2 Formulierung der Lernziele Die Lernziele der Veranstaltung wurden gemeinsam im Dozententeam entwickelt. Hier zunächst die übergeordneten Ziele, die formuliert wurden: • Die Studierenden erkennen die Relevanz der Klimawandelproblematik für berufliches und privates Handeln. • Die Studierenden können das komplexe Geschehen Klimawandel vor dem Hintergrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse im Hinblick auf dessen Ursachen und meteorologisch-physikalischen Folgen erläutern. • Die Studierenden kennen die Auswirkungen produzierender Unternehmen auf den Klimawandel und können sie erläutern. • Die Studierenden kennen die Auswirkungen des Klimawandels auf produzierende Unternehmen und können sie erläutern. • Die Studierenden kennen die Einflussmöglichkeiten, die produzierende Unternehmen auf den Klimawandel haben und leiten daraus Handlungsoptionen zur Realisierung klimagerechter Fabriken ab. • Die Studierenden kennen die verschiedenen Ebenen der Fabrikplanung und können Erkenntnisse zum Klimawandel darauf beziehen. Aus diesen übergeordneten Zielen wurden mögliche Teilziele abgeleitet: • Die Studierenden können die spezifischen Auswirkungen der Folgen des Klimawandels auf Gelände, Gebäude und Prozesse produzierender Unternehmen benennen und die Vulnerabilität von Unternehmen (ingenieur-)wissenschaftlich bewerten. • Die Studierenden können die physischen, infrastrukturellen und regulativen Risiken der Folgen des Klimawandels beschreiben und in praxisorientierten Problemdarstellungen identifizieren.

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S. Marx und D. Götze

• Die Studierenden kennen den Risikomanagementprozess zur Identifikation und Bewertung von Unternehmensrisiken, können die einzelnen Schritte benennen und am Fallbeispiel ausführen. Dabei nutzen sie geeignete Möglichkeiten der Datengewinnung und -interpretation. • Die Studierenden können Maßnahmen der Mitigation und der Adaption hinsichtlich ökologischer und ökonomischer Wirksamkeit und Machbarkeit und unter Einbezug gesetzlicher Vorgaben bewerten.

6.6

Die Konstruktion der PBL-Fälle: Teamarbeit

Alle Fälle, die in der Lehrveranstaltung zum Einsatz kamen, wurden im Dozententeam mit Blick auf die intendierten Lernziele getestet. Der Test der Fallkonstruktionen erhöht die Chance, dass die Fälle auch in der Veranstaltung „funktionieren“ und sie sich potenziell im Lernzielrahmen bewegen. Im späteren Lernprozess formulieren die Studierenden die Lernziele selbst, in Abhängigkeit ihres Vorwissens und ihrer thematischen Schwerpunkte (s. Abschn. 5.7.5). In der Lehrveranstaltung KlimaIng wurden pro Durchführung jeweils zwei Fälle nacheinander von allen Studierenden bearbeitet. Der erste Fall adressierte Basiswissen zu Ursachen und Folgen des Klimawandels und die Relevanz des Klimawandels für die allgemeine Praxis der Fabrikplanung. Der zweite Fall vertiefte den Themenbereich und ging stärker auf spezifische Verfahren und Methoden der Fabrikplanung ein, die für die Klimawandelproblematik relevant sind.

6.6.1 Der erste PBL-Fall: „Grüne Wiese“ Der bereits in Abschn. 5.4.1 vorgestellte Fall „Grüne Wiese“ diente zunächst als Demonstra­ tionsfall, um die beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieure mit der Methode vertraut zu machen. Der Fall wurde auf Grundlage der übergeordneten Lernziele konstruiert (Abschn. 6.5.2).

Grüne Wiese

Joachim Haase sitzt in seinem neuen Büro und schaut auf die grüne Wiese am Stadtrand von Gifhorn. Dort soll die neue Fabrik des expandierenden Mittelständlers für Autozulieferung entstehen. Als Maschinenbauingenieur hat er aufgrund guter Leistungen nach nur zwei Jahren im Betrieb die Projektleitung dafür bekommen. Es ist ein heißer Sommer und er denkt an das Gespräch mit seiner Frau beim Frühstück. „Der Sommer ist so heiß“, hatte sie gesagt. „Manchmal wollen sogar die Kinder nicht mehr zum Spielen rausgehen. Meinst Du, das wird so bleiben oder sogar noch schlimmer werden?“ „Keine Ahnung“, hatte er nur gebrummt und war zur Arbeit gefahren. Während er das Fenster öffnet und an sein Projekt denkt, holt ihn die Frage seiner Frau wieder ein …

6  Konzept und Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng225

Der Fall adressiert konkret folgende Lernziele: • Die Studierenden erkennen die Relevanz der Klimawandelproblematik für berufliches und privates Handeln. • Die Studierenden können das komplexe Geschehen Klimawandel vor dem Hintergrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse im Hinblick auf dessen Ursachen und meteorologisch-physikalischen Folgen erläutern. • Die Studierenden kennen die verschiedenen Ebenen der Fabrikplanung und können Erkenntnisse zum Klimawandel darauf beziehen. • Die Studierenden kennen die Auswirkungen produzierender Unternehmen auf den Klimawandel und können sie erläutern. • Die Studierenden kennen die Auswirkungen des Klimawandels auf produzierende Unternehmen und können sie erläutern. Im Test wurden folgende Lernziele formuliert: • • • •

Was ist der Klimawandel? Welche Folgen hat der Klimawandel (meteorologisch)? Welche Folgen hat der Klimawandel auf Fabriken? Welche Auswirkungen haben produzierende Unternehmen auf den Klimawandel?

Diese Fragen wurden als gut geeignet eingestuft, um die intendierten Ziele der Veranstaltung bearbeiten zu können, sodass beschlossen wurde, den Fall in der Lehrveranstaltung mit den Studierenden unverändert einzusetzen.

6.6.2 Fälle zur Vertiefung der Thematik Planung klimagerechter Fabriken Der zweite Fall der Lehrveranstaltung baute auf dem Einstiegsfall auf und fokussierte die Erarbeitung fachspezifischer Methoden der Fabrikplanung zur Anpassung produzierender Unternehmen an die Folgen des Klimawandels (Adaption s. Abschn.  4.3) sowie die Möglichkeiten der Abmilderung des Klimawandels (Mitigation s. Abschn. 4.3) durch die Anwendung entsprechender Maßnahmen, wie z. B. die Nutzung erneuerbarer Energien. Bei der ersten Durchführung der Veranstaltung im Sommersemester 2016 wurde der Fall „Am Saalestrand“, im Wintersemester 2016/2017 der Fall „Novemberregen“ eingesetzt. Beide Fälle wurden mit Unterstützung produzierender Unternehmen konstruiert, angelehnt an reale Probleme, denen sich die Unternehmen aufgrund des Klimawandels stellen müssen. Der zweite PBL-Fall: „Am Saalestrand“ Die Konstruktion dieses Falles erfolgte mit Beteiligung eines Unternehmens aus der Chemiebranche, das in der Vergangenheit in zweierlei Hinsicht von den Folgen des Klimawandels betroffen war bzw. aktuell betroffen ist. Zum einen sind die Produktionsprozesse in dem Unternehmen besonders energieintensiv, weshalb

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S. Marx und D. Götze

das Unternehmen nach Einführung des CO2-Handels und des Erneuerbare-EnergienGesetzes (EEG) neue Wege in der Energieversorgung beschreiten muss. Zum anderen befindet sich das Betriebsgelände geografisch in einer ungünstigen Lage an einem großen deutschen Fluss. Es war mehrfach bei Hochwasser zur Überflutung von Teilen des Betriebsgeländes – mit entsprechenden Produktionsausfällen – gekommen. Diese Informationen bildeten im Kontext der formulierten Lernziele die Grundlage für die Konstruktion des Falles.

Am Saalestrand

Svenja Kuhlemann ist leitende Ingenieurin eines großen Baustoffherstellers. Das Unternehmen erzeugt täglich ca. 1500 m3 Porenbeton. Einst sehr erfolgreich, hat das Unternehmen nun seit mehreren Jahren mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, deren Überwindung weitreichende Veränderungen der Fabrik erforderlich machen. Frau Kuhlemann soll sich in ihrer Funktion als Projektleiterin dieser Schwierigkeiten annehmen … Ursprünglich gewährleistete ein eigenes Gas-Kraftwerk die Energieversorgung der gesamten Fabrik. Die Erdgasvorkommen der ansonsten strukturschwachen Gegend gehen zur Neige – mit entsprechenden Auswirkungen auf den regionalen Energiemarkt: Zunehmend wurden in den letzten Jahren Stellen abgebaut, um die steigenden Energiekosten aufzufangen, vor allem seit der Energiewende 2012 und der Einführung des CO2-Handels. Neben diesen Schwierigkeiten kommt es zunehmend zu Hochwasserperioden und Hitzewellen. In den letzten zehn Jahren wurde das Fabrikgelände, das direkt an der Saale liegt, durch Hochwasser bereits drei Mal stark beschädigt, was zu mehrtägigen Produktionsausfällen geführt hat. Zwar gibt es auf dem Gelände eine eigene Feuerwehr, die liegt aber näher an dem Fluss als die Produktionsstätten selbst, sodass die Feuerwehr bei den letzten drei Hochwassern zuerst überspült wurde und daher keine Hilfe leisten konnte. Im Sommer sind die Kühlaggregate regelmäßig überlastet, sodass die Produktion in den Hitzeperioden gedrosselt werden muss – dies liegt daran, dass das Kühlwasser in den nahegelegenen Fluss eingeleitet wird und die gesetzlichen Regelungen für die Einleitung bestimmte Wassertemperaturen und -mengen vorgibt. Werden diese überschritten, muss die Einleitung gedrosselt werden und damit auch die Produktion des Unternehmens. Auf Basis der folgenden Lernziele wurde der Fall konstruiert: • Die Studierenden können die spezifischen Auswirkungen der Folgen des Klimawandels (hier Hochwasser, Hitzeperioden) auf Gelände, Gebäude und Prozesse produzierender Unternehmen benennen und die Vulnerabilität von Unternehmen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse bewerten. • Die Studierenden können die physischen (hier: Gebäudeschäden), infrastrukturellen (hier u. a. Feuerwehr) und regulativen Risiken (hier besonders: Teilausfall der Produktion durch gesetzlich verordnete Drosselung) der Folgen des Klimawandels beschreiben und in praxisorientierten Problemdarstellungen identifizieren.

6  Konzept und Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng227

• Die Studierenden kennen den Risikomanagementprozess zur Identifikation und Bewertung von Unternehmensrisiken, können die einzelnen Schritte benennen und am Fallbeispiel ausführen. Dabei nutzen sie geeignete Möglichkeiten der Datengewinnung und -interpretation. • Die Studierenden können Maßnahmen der Mitigation (hier Umstieg auf erneuerbare Energien) und der Adaption (hier Hochwasserschutz, Kühlkonzept) hinsichtlich ökologischer und ökonomischer Wirksamkeit und Machbarkeit sowie unter Einbezug gesetzlicher Vorgaben bewerten. Wie der Fall „Grüne Wiese“ wurde auch der Fall „Am Saalestrand“ zunächst im Team mit Blick auf die intendierten Lernziele getestet. Der Fall wurde dieses Mal von einer Lehrperson aus dem IFU moderiert, das restliche Team nahm die Rolle der Lernenden ein. Fallvalidierung, Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IFU in der Moderation von Problembasiertem Lernen sowie die inhaltliche Fortbildung der pädagogischen Mitarbeiterinnen gingen bei dieser Vorgehensweise Hand in Hand. Im Test ergab sich eine gute Übereinstimmung der herausgearbeiteten Lernziele mit denen, die die Grundlage des Falles bildeten. Es konnten aber auch neue interessante Aspekte des Falles betrachtet werden, die bei der Fallkonstruktion zunächst nicht bedacht worden waren, z. B. die mögliche Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens beim Hochwasserschutz. Hieran zeigte sich, dass der Fall gut geeignet war, wesentliche Lernziele der Veranstaltung abzubilden und gleichzeitig ausreichend komplex und offen gestaltet war, um individuelle Schwerpunktsetzungen und weiterführende Ideen der Lernenden anzuregen. In Bezug auf den Informationsgehalt des Falles ergab sich im Test, dass eine leichte Überarbeitung notwendig war. Einige Informationen fehlten, die die Studierenden für die Bearbeitung des Falles benötigen würden (z. B. die Produktionsmenge zur Berechnung von Produktionsausfallkosten). Diese wurden so weit ergänzt, dass der Fall den Studierenden eigene Rechercheleistungen abverlangte. Es wurde z.  B. die Produktionsmenge eingepflegt, das Produkt jedoch offen gelassen. So mussten die Studierenden verschiedene Produkte miteinander vergleichen und sich in der Gruppe für ein Produkt entscheiden und recherchieren, welche Rohstoffe benötigt werden, was sie kosten und was das Endprodukt auf dem Markt an Umsatz erzielen kann, um die zu erwartende Schadenshöhe für das Risikomanagement ermitteln zu können.

6.6.3 Industrieschulung zur Anpassung von Fabriken an die Erfordernisse des Klimawandels Nach einem ähnlichen Muster entstand während einer Industrieschulung ein weiterer Fall, der in einem zweiten Durchlauf der Lehrveranstaltung im Wintersemester 2016/2017 eingesetzt werden sollte. Eines der Ziele von KlimaIng war die Dissemination der Projektergebnisse in die Industrie. Zu diesem Zweck wurde eine Industrieschulung zum Thema „Anpassung von Fabriken an die Erfordernisse des Klimawandels“ konzipiert und

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S. Marx und D. Götze

durchgeführt. Das Projekt hat bei Industriepartnern schnell Interesse geweckt – offenbar ist die Thematik in der Praxis bereits von hoher Relevanz. Während der Industrieschulung schilderten Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen Praxisprobleme, die sie mit den Folgen des Klimawandels in Verbindung brachten. Auf der Suche nach neuen Lösungsansätzen brachte das Projekt KlimaIng die Erarbeitung modellhafter Lösungsansätze für die Problematiken durch Studierende auf den Weg. Mehrwert für das Projekt war die Generierung von PBL-Fällen mit aktueller Praxisrelevanz. Es konnten Problemszenarien auf Grundlage echter Daten entworfen werden, sodass die Studierenden über den Wissenserwerb hinaus Herausforderungen der Fabrikplanung im Zeichen des Klimawandels in der Praxis kennenlernen und eigene Lösungsansätze entwickeln konnten. Das Interesse der Firmenvertreter an ihren Lösungsideen während der Abschlusspräsentation wirkte für die Studierenden zusätzlich motivierend. In dieser Konzeption enthält die PBL-Vorgehensweise Elemente von Projektarbeit. Ein Industrievertreter aus dem Bereich Automobilbau schilderte während der Schulung das Anliegen, zur Steigerung der Energieeffizienz eine Fassade neu zu dämmen. Darüber hinaus berichtete er von Überspülungen der Anlieferungs- und Produktionsbereiche, die in der Vergangenheit bei Starkregen auftraten. Empfindliche Betriebseinheiten waren durch den Wassereintritt beeinträchtig worden, mit der Konsequenz von Störungen des Produktionsprozesses, Lieferverzug u. a. m. Im Unternehmen wird der Klimawandel bei solchen Problemen zum Thema, denn es stellt sich die Frage, ob Ereignisse wie Starkregen künftig vermehrt auftreten werden und wie die Produktionsabläufe an entsprechende Risiken angepasst werden können. Für die Lehrveranstaltung im Wintersemester 2016/2017 wurde die geschilderte Problematik des Unternehmens in einem Fall aufgegriffen und nach den Inhaltsbereichen der Lehrveranstaltung aufbereitet und angepasst. Es entstand der Fall „Novemberregen“ zum Themenbereich Fassadendämmung (Teil III Abschn. 8.3). Die Problematik des Wassereintritts greift zum einen die Identifizierung von Unternehmensrisiken auf, zum anderen die Frage, wie mit diesen Risiken in einem Unternehmen umgegangen werden kann. Die Recherche und Entwicklung von Maßnahmen der Adaption sowie deren Bewertung stellt eine dieser Möglichkeiten dar und wird entsprechend im Fall thematisiert. Der Fall wurde vor dem Einsatz sowohl im Unternehmen als auch im Dozententeam getestet. Eine Exkursion in das fallgebende Unternehmen während der Lehrveranstaltung ermöglichte den Studierenden den Praxistest ihrer Ideen.

6.6.4 Die Konstruktion von PBL-Fällen mit Industriepartnern: mehrfacher Nutzen Das beschriebene Konzept einer Industrieschulung im Zusammenhang mit einer universitären Lehrveranstaltung erscheint in mehrfacher Hinsicht sinnvoll. Es entsteht ein wechselseitiger Wissenstransfer zwischen Industrie und Hochschule. Die Studierenden erhalten die Möglichkeit, „brennende“ Praxisthemen auf wissenschaftlichem Niveau zu bearbeiten und damit zur Elaboration in der Hochschule außerhalb unmittelbarer Praxiserfordernisse.

6  Konzept und Planung der Lehrveranstaltung KlimaIng229

Außerdem erhalten die Unternehmen die Möglichkeit, ihr Know-how aufgrund neuen Ingenieurwissens aufzufrischen. Die Studierenden stärken ihre Schlüsselkompetenzen, indem sie die Ergebnisse nach außen tragen und mit Firmenvertretern diskutieren und (neu) bewerten. Darüber hinaus können Vorgehensweise und Arbeitsergebnisse der Studierenden für Unternehmen den Ausgangspunkt zur Lösung eigener Problemstellungen bilden, die sich im Zusammenhang mit dem Klimawandel ergeben.

6.7

Struktur der Lehrveranstaltung

Die Lehrveranstaltung setzte sich aus vier Präsenzterminen, einer Exkursion und einem Klausurtermin zusammen. Zwischen den Präsenzterminen lag jeweils eine mindestens zweiwöchige Selbstlernphase (vgl. Abb. 6.1): Präsenztermine  In jedem der Präsenztermine gab es eine Phase der Arbeit im Plenum und eine Phase der Arbeit in Kleingruppen. Die Plenumsphasen wurden genutzt, um Zwischenergebnisse der Gruppenarbeiten zu präsentieren und zu diskutieren und den Austausch unter den Studierenden zu fördern. Die Studierenden sollten die Möglichkeit erhalten, ihr neu erworbenes Wissen mit dem aus den anderen Gruppen zu vergleichen, um die eigene Vorgehensweise zu sichern, Lücken zu identifizieren und die Recherchen zu vertiefen. Die Möglichkeit des Vergleichs der Arbeitsergebnisse zwischen den Lerngruppen hat zusätzlich einen „sportlichen“ Aspekt, denn die Studierenden möchten wissen, ob sie besser oder schlechter dastehen als die anderen; das erhöht die Motivation und hilft den Lernenden „am Ball“ zu bleiben, da sie auf ein Ziel hinarbeiten. Diese Motivationsebene wurde in der Veranstaltung durch adäquate Methoden unterstützt. So kam im zweiten Präsenztermin ein Wissensquiz zu bis dato erworbenen Kenntnissen zum Einsatz

Abb. 6.1  Struktur der Lehrveranstaltung KlimaIng im Sommersemester 2016

230

S. Marx und D. Götze

(„Der große Preis“). Im dritten Präsenztermin arbeiteten die Studierenden mit der „Denkhüte“-Methode. Letztere Methode weist den Studierenden unterschiedliche Rollen zu, die eine bestimmte Denkweise repräsentieren – z.  B. „Ökologe“ und „Ökonom“ – und ermöglicht so einen Perspektivwechsel bei der Herangehensweise an Problemstellungen. Die Methode geht über einen rein kognitiven Perspektivwechsel hinaus, da durch die szenische Rollenübernahme eine personale Aneignung von Wissen durch Argumentation erfolgt. Hierdurch sollte das Bewusstsein zum Klimawandel bei den Studierenden angesprochen und gefördert werden, ein zentrales Ziel der Veranstaltung. Eine Veränderung des Bewusstseins gegenüber Umwelthandeln kann nicht allein durch Wissensaufbau erreicht werden, sondern erfordert eine persönliche Bezugnahme und Auseinandersetzung mit Sichtweisen und Argumenten.4 Die Kleingruppenarbeit schloss in jedem Präsenztermin an die Plenumsphase an. Hier erfolgte die Arbeit nach den Schritten des Problembasierten Lernens mit tutorieller Begleitung. Eine Besprechung des weiteren Vorgehens schloss die Arbeit in der Kleingruppe ab und leitete die kommende Selbstlernphase ein. Selbstlernphasen  In jeder der Selbstlernphasen begannen die Studierenden zunächst mit der Erarbeitung der Lerninhalte in Einzelarbeit. Nach einer ersten Phase der Orientierung und der Recherche tauschten sie Zwischenergebnisse in der Gruppe aus, diskutierten diese und vereinbarten die weitere Vorgehensweise. In der Mitte der Selbstlernphasen wurde ein Gruppentreffen mit der Tutorin oder dem Tutor vereinbart. Weitere Besprechungstermine mit der Lerngruppe und den Tutorinnen und Tutoren fanden nach Bedarf statt. Klausur  Die Lehrveranstaltung wurde mit einer Klausur abgeschlossen, auf deren Basis die Noten vergeben wurden. Die Klausur diente der individuellen Leistungsbeurteilung und setzte sich aus Wissensfragen, Transferaufgaben sowie einer an PBL angelehnten Fallbearbeitung zusammen.

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4

Zur Wissenskonstruktion über Argumentation s. [6].

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232

S. Marx und D. Götze

[19] Wolf, Johanna; Moser, Susanne C. (2011): Individual understandings, perceptions, and engagement with climate change. Insights from in-depth studies across the world. In: WIREs Clim Change 2 (4), S. 547–569. https://doi.org/10.1002/wcc.120. [20] Yadav, Aman; Subedi, Dipendra; Lundberg, Mary A. Bunting, Charles F. (2011): Problem-based Learning: Influence on students' Learning in Electrical Engineering Course. In: Journal of Engineering Education 100 (2), S. 253–280. Online verfügbar unter http://onlinelibrary.wiley. com/doi/10.1002/j.2168-9830.2011.tb00013.x/abstract, zuletzt geprüft am 09.12.2015.

7

Durchführung der Lehrveranstaltung Sabine Marx und Diana Götze

Nachdem Konzept, Vorbereitung und Planung der Lehrveranstaltung vorgestellt wurden, folgt nun die detaillierte Beschreibung der Umsetzung. Die Durchführung der Lehrveranstaltung für 30 Studierende wird am Beispiel des Durchgangs im Sommersemester 2016 beschrieben.

7.1

Präsenztermin I – Arbeit mit dem PBL-Fall „Grüne Wiese“

Plenumsphase  Der erste Termin (vgl. Tab. 7.1) begann nach Begrüßung und Vorstellung des KlimaIng-Teams mit einem kurzen Vortrag der Lehrenden zur Motivation für das Projekt und zur Bedeutung des Klimawandels für produzierende Unternehmen, um eine erste Orientierung im Thema zu ermöglichen. Es folgte ein Kurzvortrag der Leiterin des KHN zur Methode des Problembasierten Lernens, um Klarheit über die Arbeitsweise zu erlangen. Im Anschluss wurden die Gruppen gebildet. Die Gruppenzusammensetzung wurde ausgelost, im Sinne einer maximalen Heterogenität der Gruppen. Es entstanden vier Kleingruppen mit sechs bis acht Studierenden, die jeweils eine Tutorin oder einen Tutor zugewiesen bekamen. Diese Konstellationen blieben über das gesamte Semester bestehen. Arbeit mit PBL in den Lerngruppen  Die Gruppenarbeitsphase verlief in den vier parallelen Lerngruppen gleich. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde zur Orientierung in der Gruppe bekamen die Studierenden den Fall „Grüne Wiese“ und eine Übersicht der Schritte des Problembasierten Lernens ausgehändigt. Der Fall diente neben dem inhaltlichen S. Marx (*) · D. Götze Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen, Bültenweg 74/75, 38106 Braunschweig, Deutschland e-mail: [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 U. Dombrowski, S. Marx (Hrsg.), KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56590-2_7

233

234

S. Marx und D. Götze

Tab. 7.1  Ablaufplan des ersten Präsenztermins Uhrzeit

Inhalt

10.00–10.20

Begrüßung

10.20–10.35

Kurzinput Klimawandel und Fabrikplanung

10.35–10.45

Kurzinput PBL

10.45–10.55

Einteilung der PBL-Gruppen

10.55–11.15

Pause und Wechsel in die Gruppenräume

11.15–14.00

Bearbeitung Fall „Grüne Wiese“ in PBL-Gruppen

Einstieg dazu, die Studierenden mit der Methodik vertraut zu machen. Die Moderation des Falls wurde von dem jeweiligen Tutor oder der jeweiligen Tutorin übernommen. Ihre Aufgabe war es, den Lernprozess der Studierenden an den Schritten entlang zu moderieren. Inhaltliche Anmerkungen und Hinweise seitens der Tutorinnen und Tutoren erfolgten nach Möglichkeit nicht. Die Vorgehensweise und didaktische Hintergründe der PBL-­ Moderation wurden in Kap. 5 ausführlich dargelegt. Vorgehen und Arbeitsergebnisse am Beispiel der Lerngruppe A  Im Folgenden werden das Vorgehen und die Ergebnisse der jeweiligen Arbeitsschritte bis zur Formulierung der Lernziele (Schritt 5) am Beispiel der Lerngruppe A beschrieben. Bestimmung der Problematik des Fallbeispiels „Grüne Wiese“ (Schritte 1 und 2)  Nachdem die Studierenden das Fallbeispiel gelesen hatten und inhaltliche Unklarheiten ausgeschlossen werden konnten (Schritt 1), ging die Gruppe zu Schritt zwei über und bestimmte die Problematik des Fallbeispiels näher. Nach einer Diskussion über mögliche Zusammenhänge, Gemeinsamkeiten und Überschneidungen zwischen den Teilproblemen konnte von diesen ausgehend die Gesamtproblematik des Fallbeispiels herausgearbeitet und auf einem Flipchart visualisiert werden (vgl. Abb. 7.1)1. An der Definition durch die Gruppe zeigte sich, dass wesentliche Problemdimensionen des Falls aufgegriffen wurden. Bei der Fallkonstruktion waren Lernziele sowohl in Bezug auf das Bewusstsein zum Klimawandel als auch in Bezug zur Fabrikplanung hinterlegt – beides taucht hier an erster und zweiter Stelle auf. Die Studierenden spannten mit der Ebene „Lebensqualität“ noch einen weiteren Bogen auf. Interessant sind die Formulierungen der gewählten Dimensionen „ökonomisch“, „ökologisch“ und. „sozio-kulturell“. Die Studierenden wählten eine nicht genuin ingenieurwissenschaftliche Herangehensweise, die technischen Lösungen standen (noch) nicht im Vordergrund und die Problemdefinition hätte ähnlich von einer Gruppe Sozialwissenschaftlerinnen oder Sozialwissenschaftler formuliert worden sein können. Das heißt zum einen, dass der Fall im Hinblick auf die intendierten Lernziele gut konstruiert war, da sich die Studierenden im erhofften Rahmen bewegten. Zum andern wurde bei den Studierenden ein breites Kompetenzspektrum des Ingenieurhandelns sichtbar, das für die Thematik von 1 Fotografie des Originals. Nachfolgend zugunsten der besseren Lesbarkeit digitalisierte Abschriften der Originaldokumente.

7  Durchführung der Lehrveranstaltung235 Abb. 7.1  Schritt 2 der Lerngruppe A: Definition des Problems

besonderem Interesse ist und für die weitere Fallbearbeitung genutzt werden konnte, nämlich eine Sensibilisierung für mögliche Folgen des Klimawandels, wobei die Studierenden treffend einen „Zielkonflikt“ der genannten Problemdimensionen benannten. Sammlung von Hypothesen und Ideen (Schritt 3)  In diesem Arbeitsschritt trugen die Studierenden möglichst viele Ideen und Hypothesen zu ihrer Problemdefinition in Form eines Brainstormings zusammen. Dabei sollte noch keine Wertung der Beiträge vorgenommen werden. Auf diesen zentralen Aspekt eines Brainstormings musste der Tutor mehrfach hinweisen. Ergebnis dieses Arbeitsschrittes war folgende Sammlung von Hypothesen und Ideen (vgl. Abb. 7.2.).

Abb. 7.2  Schritt 3 der Lerngruppe A: Sammlung von Hypothesen und Ideen

236

S. Marx und D. Götze

Bei genauerer Betrachtung der Moderationskarten wird das Potenzial des Schritts deutlich: Vorwissen zum Klimawandel wurde aktiviert („Treibhauseffekt durch CO2-Emmission, von Menschen verursacht“) und auch weniger „korrekte“ Überlegungen fanden Platz („Vorteile durch Erderwärmung?“). Ebenso artikulierten sich verschiedene Perspektiven auf die Thematik, wie beispielsweise der Karriereaspekt, wobei Sorgen durchklangen („Zukunftsunsicherheit im Automobilbau“). Die Lehrperson konnte, während die Studierenden ihre Ideen zusammentrugen, durch aufmerksames Zuhören und Beobachten Informationen über den Kenntnisstand, die Interessen und Gefühlslagen der Studierenden sowie deren Zusammenarbeit gewinnen. Ordnen der Hypothesen und Ideen (Schritt 4)  In Schritt vier ordneten die Studierenden ihre Hypothesen und Ideen nach selbst gewählten Prinzipien. Sie nutzten Formulierungen aus der Problemdefinition als Kategorien („ökonomisch“, „ökologisch“, „soziokulturell“) und pflegten sie in die Sammlung ein: Die Abb.  7.3 zeigt einen Zwischenschritt im Ordnungsprozess. Die Studierenden strukturieren das Themengebiet entlang verschiedener Perspektiven. Wer einen solchen Prozess zum ersten Mal als Beobachterin oder Beobachter verfolgt, nimmt häufig über längere Zeit nur Chaos wahr und denkt, dass die Studierenden inhaltlich wenig sortiert sind, das Naheliegende übersehen und einen eher inkompetenten Eindruck hinterlassen. Sie schieben scheinbar sinnlos Karten hin und her, debattieren über unausgereifte Strukturierungsvorschläge, verwerfen diese und beginnen wieder ganz von vorn – nicht nur einmal, sondern mehrmals hintereinander. Studierende erleben diesen Schritt häufig als anstrengend, denn er erfordert Konzentration über eine längere Zeitspanne, das entstehende Chaos löst Frustrationsgefühle aus, Durchhaltevermögen und Toleranz gegenüber

Abb. 7.3  Schritt 4 der Lerngruppe A: Ordnen der Hypothesen und Ideen – Zwischenschritt

7  Durchführung der Lehrveranstaltung237

den Gruppenmitgliedern sind gefordert. Die spezielle Herausforderung für die Tutorinnen und Tutoren besteht in dieser Phase darin, Geduld zu zeigen. Auch in der hier beschriebenen Lerngruppe war es so, dass der begleitende Tutor immer wieder den Impuls verspürte, einzugreifen und rasch für Ordnung zu sorgen. Da die PBL-Methode jedoch Zurückhaltung verlangt, ließ er sich auf das Geschehen ein und wartete ab. Nach und nach gelang es der Gruppe, die Karten zu ordnen und ihr eigenes Bild aufzubauen. Das Ergebnis zeigt die Grafik in Abb. 7.4. Die Gruppe hatte eine Ordnung erstellt, die eine strukturierte Weiterarbeit ermöglichte. In diesem Vorgehen zeigte sich der multiperspektivische Blick auf das Problem

Abb. 7.4  Schritt 4 der Lerngruppe A: Ordnung der Hypothesen – Ergebnis

238

S. Marx und D. Götze

und seine Teilaspekte. Die möglichen Interessen des Unternehmens (z. B. „Expansion“) wurden berücksichtigt und die Sichtweise des Fallprotagonisten in seiner Rolle als junger Ingenieur mit wenig Berufserfahrung lenkte den Blick in Richtung berufsrelevanter Kompetenzen im Umfeld der Fabrikplanung. Der ökologische Aspekt des Problems, dessen Ursachen und die subjektive Wahrnehmung seiner Folgen wurden ebenfalls bei der Strukturierung berücksichtigt. Formulieren der Lernziele (Schritt 5)  In Schritt 5 leiteten die Studierenden ihre Lernziele ab. Dieser Schritt fiel den Studierenden in dieser ebenso wie in den anderen Gruppen recht schwer, da ihnen der Begriff „Lernziel“ und seine Anwendung nicht geläufig waren, wie bereits im Vorfeld zu vermuten war. Die Tutorinnen und Tutoren unterstützten den Prozess der Lernzielformulierung durch die Leitfrage „Was müssen Sie tun, um Wissenslücken zu schließen und Ihre Fragen zum Thema zu beantworten?“ Das Ergebnis der Lerngruppe A waren die in Abb. 7.5 dargestellten Lernziele. Diese Lernziele zeigen, wie die Studierenden der Gruppe A die Thematik Schritt für Schritt ausdifferenziert, fokussiert, tiefer erfragt und strukturiert haben. Im Vergleich zur anfänglichen Problemdefinition und ersten Stoffsammlung hat sich die Thematik stark versachlicht, der Lernfokus ist wissens- und wissenschaftsorientiert geworden. Das ist ein beabsichtigter Effekt der Methode, die analytisches multiperspektivisches Denken fördert und sich, richtig angewandt, nicht zu einem frühen Zeitpunkt mit oberflächlichen Lösungsvorschlägen zufrieden gibt.

Abb. 7.5  Schritt 5 der Lerngruppe A: Formulierung der Lernziele

7  Durchführung der Lehrveranstaltung239

Lernziele der Parallelgruppen im Vergleich  In der Lehrveranstaltung arbeiteten vier Gruppen parallel. Der Arbeitsprozess wurde im vorigen Abschnitt nur an einer Gruppe detailliert ausgeführt und es zeigte sich, dass die selbst formulierten Lernziele der Lerngruppe A große Ähnlichkeit mit den dem Fall unterlegten Zielen aufwiesen. Interessant sind im Vergleich auch die Lernziele der jeweils anderen Gruppen. Hier die Lernziele der anderen drei Gruppen zum Vergleich (vgl. Abb. 7.6, 7.7 und 7.8). Abb. 7.6  Lernziele der Lerngruppe B

Abb. 7.7  Lernziele der Lerngruppe C

240

S. Marx und D. Götze

Abb. 7.8  Lernziele der Lerngruppe D

Der Vergleich ergab Gemeinsamkeiten, aber auch vielfältige Unterschiede. Zunächst ist festzustellen, dass in allen Gruppen sinnvolle Lernziele formuliert wurden, mit denen die Studierenden in der anstehenden Recherchephase weiterarbeiten konnten. In allen Gruppen tauchte die Aneignung von Wissen zum Klimawandel als Lernziel auf, die Studierenden hatten also offenbar die Notwendigkeit der Aneignung von Basiswissen zu Ursachen und Folgen des Klimawandels für die weitere Bearbeitung des Falles erkannt. Darauf aufbauend setzten sie unterschiedliche Schwerpunkte. Bemerkenswert ist insgesamt die Vielfalt der Inhaltsbereiche der Lernziele der Gruppen. Das Themengebiet erstreckte sich von naturwissenschaftlichem Basiswissen zum Klimawandel über technische Fragestellungen („Technische Möglichkeiten für den Beitrag zum Klimaschutz beim Fabrikbau“, Lerngruppe A) bis hin zur Diskussion der Verantwortung von Unternehmen für die Gesellschaft („Welche Vorteile hat eine umweltgerechte Fabrik für die Firma/Gesellschaft?“, Lerngruppe C). Die Lernziele der Gruppen wiesen auch hinsichtlich des Anforderungsniveaus an die kommende Recherchearbeit ein beachtliches Spektrum auf. Es reichte von der Definition eines Begriffes (z. B. „Was umfasst Klimawandel? Wie ist er definiert?“, Lerngruppe A) über das Interesse an rechtlichen Rahmenbedingungen („Vorgaben, Motivation des Gesetzgebers beim Neubau einer Fabrik“, Lerngruppe B) bis hin zur Erklärung komplexer Sachverhalte (z. B. „Auswirkungen des Klimawandels auf die Fabrikplanung“, Lerngruppe D). Die Idee von PBL ist eine multiperspektivische Betrachtung von Problemstellungen. Die formulierten Lernziele der verschiedenen Gruppen spiegeln dies wider (z. B. die Perspektive des Protagonisten aus dem Fall in der Formulierung „Kompetenzen eines Fabrikplaners“, Lerngruppe A, oder die gesetzgeberische Perspektive, Lerngruppen B und C). Es wurden auch persönliche Bezüge zur Rolle von Ingenieurinnen und Ingenieuren in der Gesellschaft hergestellt („Wie können wir aufklären?“, Lerngruppe C).

7  Durchführung der Lehrveranstaltung241

In den formulierten Lernzielen wird deutlich, dass nicht nur inhaltliches, sondern auch methodisches Vorwissen der Lernenden aktiviert wurde. So nutzte Gruppe C „W-Fragen“ (Weshalb? Warum? etc.) als Mittel, sich dem Inhaltsbereich fragend-forschend zu nähern. Die Studierenden dieser Gruppe greifen explizit auf eine ihnen bekannte Möglichkeit zurück, sich Themengebiete zu erschließen. Auch in den anderen Gruppen tauchen Lernziele in Form von Fragestellungen auf, insbesondere solche, die mit „Wie“ beginnen. Während geschlossene Fragen, die mit ja oder nein beantwortet werden können, lediglich auf die Feststellung der Existenz oder des Fehlens von Sachverhalten abzielen, fokussieren Fragen, die mit „Warum“ oder „Wie“ beginnen, die Suche nach Ursachen und Erklärungsansätzen für Sachverhalte und gehen damit über eine reine Beschreibungsebene hinaus (vgl. [22]). Wer nach dem „Wie“ fragt, will Sachverhalte, Mechanismen, Prozesse verstehen. Insofern sind in den schriftlich niedergelegten Lernzielen der Studierenden Suchbewegungen erkennbar, die sich auf das Verstehen zentraler Konzepte und Prinzipien ausrichten und nicht auf die Memorierung von Faktenwissen (s. Abschn. 5.7.2). Nach der Formulierung von Lernzielen wurde das weitere Vorgehen in den Lerngruppen besprochen. Dabei wiesen die Tutorinnen und Tutoren darauf hin, dass es keine thematischen Aufteilungen innerhalb der Gruppen geben sollte, sondern jedes Mitglied der Gruppe angehalten war, alle Lernziele zu bearbeiten. Die organisatorischen Aufgaben, wie z. B. das Einrichten einer gemeinsamen Cloud für den Informationsaustausch, wurden in den Gruppen selbstständig durch die Lernenden verteilt.

7.2

Selbstlernphase I – erste Recherchen und Reflexion der Arbeitsergebnisse

Die erste Selbstlernphase dauerte knapp drei Wochen, nach der Hälfte der Zeit war ein gemeinsamer Termin mit der jeweiligen Tutorin bzw. dem jeweiligen Tutor vereinbart. Die Studierenden arbeiteten zunächst individuell mit den Lernzielen und der recherchierten Literatur in Form wissenschaftlicher Texte. Als Ressourcen nutzten sie sowohl die Universitätsbibliothek der TU Braunschweig als auch das Internet. Bei der Arbeit mit der Literatur nutzten die Studierenden Prozesse der Informationsverarbeitung, die für Wissenserwerb vorteilhaft sind. Sie selegierten, indem sie zentrale Aussagen und Argumente aus Texten herausarbeiteten und so relevante und weniger relevante Informationen trennten. Weiterhin strukturierten sie, indem sie Kernaussagen und Unterpunkte in Texten exzerpierten. Letztlich organisierten sie vorhandene Informationen, indem sie inhaltliche Zusammenhänge in Schaubildern darstellten. Darüber hinaus fertigten die Studierenden kurze Zusammenfassungen von Texten an und generierten somit neues Material, das sie sich innerhalb ihrer Gruppe u.  a. über Clouds zur Verfügung stellten. Dieses Vorgehen bestätigte die Annahme, dass die Studierenden im Masterstudium über die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten verfügten (Exzerpieren, Zusammenfassen, Visualisieren).

242

S. Marx und D. Götze

Die meisten Studierenden lernten nicht nur anhand wissenschaftlicher Texte. Sie suchten im Online-Angebot öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten nach Dokumentationen und Diskussionsrunden zum Thema Klimawandel, rezipierten und diskutierten die gefundenen Beiträge sowohl individuell als auch in ihrer Lerngruppe. Darüber hinaus informierten sie sich auf Webseiten von Umweltschutzorganisationen und Ministerien und reflektierten die dortige Darstellung der Klimawandelproblematik vor dem Hintergrund des erarbeiteten Wissens. Sie wählten mit diesem Vorgehen auch bei den Recherchearbeiten einen multiperspektivischen Blick auf das Thema Klimawandel, indem sie Quellen aus Medien und Politik in ihre Arbeit einbezogen. Der Termin der Lerngruppen mit ihren Tutorinnen und Tutoren diente der Reflexion der bisherigen Arbeit. Etwaige Defizite konnten identifiziert werden, weniger relevante Aspekte aus der weiteren Bearbeitung ausgeklammert und neu entdeckte relevante Inhalte in die weitere Bearbeitung einbezogen werden. Die Tutorinnen und Tutoren gaben Hinweise zur Quellengüte und zu weiteren Recherchemöglichkeiten und unterstützten die Studierenden nach Bedarf bei (gruppendynamischen) Arbeitsschwierigkeiten. In Vorbereitung auf den zweiten Präsenztermin bekamen die Studierenden am Ende der ersten Selbstlernphase eine Aufgabe:

Arbeitsauftrag

Erarbeiten Sie auf Basis Ihrer Lernziele drei Fragen, die Sie Ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen beim nächsten Präsenztermin stellen könnten. Für jede der Fragen arbeiten Sie eine Ihrer Ansicht nach korrekte Antwort aus. Bitte bringen Sie die Fragen zum nächsten Präsenztermin mit. Seien Sie für diesen Termin so vorbereitet, dass Sie Ihre eigenen Fragen korrekt beantworten könnten. Ziel der Aufgabenstellung war es, beim zweiten Plenumstreffen den Austausch der bisherigen Arbeitsergebnisse zwischen den Gruppen zu organisieren. Dabei sollte eine reine Präsentation der Ergebnisse durch die Gruppen vermieden werden, da dabei in der Zuhörerschaft oft nicht viel hängenbleibt. Vielmehr wurde eine Methode gewählt, die die Studierenden dazu anregt, den bisher erarbeiteten Stoff erneut zu durchdringen, indem zunächst ein „Frage-Antwort-Spiel“ intern in den Gruppen stattfand. Die Gruppenmitglieder mussten Fragen zum Stoff generieren und zu jeder Frage eine Musterantwort vorbereiten. Während die Studierenden Fragen entwarfen, entdeckten sie Wissenslücken und passten das Frageniveau stufenweise an, bis sie ihre neu erworbenen Kenntnisse fundiert wiedergeben konnten. Ein solches Vorgehen festigt den Wissensaufbau und fördert das Verstehen von Informationen, insbesondere wenn es im Hinblick auf Rückmeldung durch die Dozierenden und Austausch mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen gestaltet wird (siehe Abschn. 5.4.2. „Der siebte und achte Schritt: Lernen durch Artikulation, Lernen durch Reflexion“). Hierzu diente das nächste Plenum mit dem Wissensquiz „Der große Preis“(vgl. [7]).

7  Durchführung der Lehrveranstaltung243

7.3

Präsenztermin II – „Der große Preis“ und Arbeit mit dem zweiten PBL-Fall „Am Saalestrand“

Plenumsphase (vgl. Tab. 7.2) mit Wissensquiz „Der große Preis“  Die Gruppen sollten die mitgebrachten Fragen gut lesbar auf farbige Fotokartonstreifen schreiben (jede Gruppe bekam eine andere Farbe). Im Anschluss waren sie aufgefordert, ihre Fragen nach Schwierigkeit zu ordnen und mit Punkten auf der Rückseite des Fotokartons zu versehen (je höher die Punktzahl, desto schwieriger die Frage). Die Fragen wurden auf einer vorbereiteten Pinnwand nach Gruppen geordnet angebracht. Zunächst war nur die mit Punkten beschriftete Kartenseite sichtbar. Die beginnende Gruppe wurde ausgelost. Die Studierenden konnten eine Frage der anderen Gruppen auswählen und hatten kurz Zeit, sich zu beraten und dann eine Antwort zu geben. Die Gruppe, die die Frage gestellt hatte, entschied, ob die Frage ihrer Ansicht nach „korrekt“ beantwortet wurde. Für den Fall, dass die Frage „nicht korrekt“ oder „unvollständig“ beantwortet wurde, musste die Gruppe, die die Frage gestellt hatte, diese Entscheidung begründen. Wurde die Frage „korrekt“ beantwortet, bekam die antwortende Gruppe die Punkte, wurde die Frage „falsch“ beantwortet, bekam die Gruppe, die die Frage gestellt hatte die Punkte. Für den Fall eines „Unentschieden“ war eine Masterfrage vorbereitet worden. Für die „Gewinnergruppe“ hatte das IFU mit einem 3-D-Drucker als Preis eine Fabrikminiatur hergestellt. Abb. 7.9 zeigt die Fragen der Lerngruppen C und D. Die hier dokumentierten Fragen bezogen sich auf unterschiedliche Wissensgebiete der Thematik. Gruppe C knüpfte offenbar an Vorwissen an, um eine Brücke zum Thema Fabrikplanung und Klimawandel herzustellen („urbane Fabrik“), und näherte sich dem Thema über die Beziehung zwischen Umwelt und Fabrik („Welche Auswirkungen hat die Fabrik auf die Umwelt und welche die Umwelt auf die Fabrik?“). Der Klimawandel als Problematik wurde hier noch nicht spezifiziert und tauchte nur indirekt als Bestandteil allgemeiner Umweltproblematiken auf. Im Vergleich dazu bezogen sich die Fragen aus Gruppe D bereits deutlicher auf die Thematik im engeren Sinne („Treibhauseffekt“, „klimafreundlich“, „Klimawandel und Fabrikplanung“). Durch den Austausch der Fragen wurden die Studierenden der verschiedenen Gruppen dazu angeregt, sich breiter im Thema zu orientieren und ihre Schwerpunkte im Anschluss (neu) zu setzen. Für die Studierenden aus Gruppe C beispielsweise konnte eine stärkere Ausrichtung der Arbeit auf die Klimawandelproblematik klar werden, für Gruppe D konnten Ansätze zur urbanen Fabrik Inspirationsquelle für praktische Lösungsideen sein. Tab. 7.2  Ablaufplan des zweiten Präsenztermins Uhrzeit

Inhalt

09.00–10.30

Wissensquiz „Der große Preis“

10.30–16.00

PBL-Gruppenarbeit mit dem neuen Fall „Am Saalestrand“

244

S. Marx und D. Götze

Abb. 7.9  Fragen von zwei Lerngruppen aus dem Quiz „Der große Preis“

In den Diskussionen zwischen fragenstellender und antwortender Gruppe zeigte sich, inwieweit (neues) Wissen zu den Themenbereichen abgerufen und eigenständig wiedergegeben werden konnte. Die Studierenden bekamen einen Überblick über die Inhalte, die in den anderen Gruppen bearbeitet worden waren und konnten so neue Aspekte in ihre weitere Arbeit aufnehmen, die sie selbst noch nicht berücksichtigt oder bisher nur oberflächlich bearbeitet hatten. Die Methode griff auch einen Aspekt problembasierten Lernens auf, mit dem Lehrende wie Lernende konfrontiert sind, nämlich den flexiblen Umgang mit Diskrepanz zwischen intendierten und tatsächlichen Ergebnissen. Die Gruppen hatten sich Musterantworten für ihre Fragen überlegt, von denen die Antworten der Kommilitoninnen und Kommilitonen im Spiel häufig abwichen. Diese Antworten konnten dennoch nicht als „falsch“ bezeichnet werden. Sie stellten vielmehr eine Alternative zu den vorbereiteten Musterlösungen der fragenstellenden Gruppen dar und erweiterten damit Themenbereiche um neue, bisher nicht bedachte Aspekte. Im Vordergrund der Methode „Der große Preis“ in der Hochschullehre steht die spielerisch-dynamische Komponente. Es muss schnell reagiert werden, Entscheidungen werden ohne langes Nachdenken herbeigeführt, es herrscht Wettbewerbsatmosphäre. Der Lerngewinn für die Studierenden entsteht eher im Hintergrund der Methode, nämlich während der Vor- und Nachbereitung der Fragen und Antworten. Hinzu kommt, dass die Dozentinnen oder Dozenten mit dem Wissensquiz einen Überblick über den bisher erworbenen Kenntnisstand der Studierenden erhalten. Der Dozent fungierte bei der Methode als Fachexperte. Konnten sich fragenstellende und antwortende Gruppe nicht einigen, ob die gegebene Antwort korrekt und ausreichend war, entschied er über die (Nicht-)Vergabe von Punkten und begründete seine Entscheidung. So erhielten die Studierenden im Verlauf des Spiels bereits erste Rückmeldung zu den Ergebnissen ihres bisherigen Lernprozesses.

7  Durchführung der Lehrveranstaltung245

Die Fragestellungen beider Gruppen adressierten Anforderungen, die ähnlich in Klausuren an die Studierenden gestellt werden: das Memorieren von Faktenwissen, das Erläutern von Sachverhalten und das Nennen von Beispielen. Werden einige der Fragen ähnlich in der Abschlussklausur aufgegriffen – wie es in KlimaIng geschah – bereitet die Arbeitsleistung Stück für Stück auf die Klausur vor. Aus dem Spiel wurde auf diesem Weg sozusagen Ernst. Es folgte der Übergang zur Gruppenarbeitsphase (vgl. Tab. 7.2). Arbeit mit PBL in den Lerngruppen: der Fall „Am Saalestrand“  In dieser Gruppenarbeitsphase erhielten die Studierenden den neuen Fall „Am Saalestrand“:

Am Saalestrand

Svenja Kuhlemann ist leitende Ingenieurin eines großen Baustoffherstellers. Das Unternehmen erzeugt täglich ca. 1500 m3 Porenbeton. Einst sehr erfolgreich, hat das Unternehmen nun seit mehreren Jahren mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, deren Überwindung weitreichende Veränderungen der Fabrik erforderlich machen. Frau Kuhlemann soll sich in ihrer Funktion als Projektleiterin dieser Schwierigkeiten annehmen … Ursprünglich gewährleistete ein eigenes Gas-Kraftwerk die Energieversorgung der gesamten Fabrik. Die Erdgasvorkommen der ansonsten strukturschwachen Gegend gehen zur Neige – mit entsprechenden Auswirkungen auf den regionalen Energiemarkt: Zunehmend wurden in den letzten Jahren Stellen abgebaut, um die steigenden Energiekosten aufzufangen, vor allem seit der Energiewende 2012 und der Einführung des CO2-Handels. Neben diesen Schwierigkeiten kommt es zunehmend zu Hochwasserperioden und Hitzewellen. In den letzten zehn Jahren wurde das Fabrikgelände, das direkt an der Saale liegt, durch Hochwasser bereits drei Mal stark beschädigt, was zu mehrtägigen Produktionsausfällen geführt hat. Zwar gibt es auf dem Gelände eine eigene Feuerwehr, die liegt aber näher an dem Fluss als die Produktionsstätten selbst, sodass die Feuerwehr bei den letzten drei Hochwassern zuerst überspült wurde und daher keine Hilfe leisten konnte. Im Sommer sind die Kühlaggregate regelmäßig überlastet, sodass die Produktion in den Hitzeperioden gedrosselt werden muss – dies liegt daran, dass das Kühlwasser in den nahegelegenen Fluss eingeleitet wird und die gesetzlichen Regelungen für die Einleitung bestimmte Wassertemperaturen und -mengen vorgibt. Werden diese überschritten, muss die Einleitung gedrosselt werden und damit auch die Produktion des Unternehmens. Im Unterschied zum ersten Fall enthielt die Problembeschreibung „Am Saalestrand“ deutlich mehr Informationen, die die Studierenden zu verarbeiten hatten. Diese Informationen sind auf der Grundlage von Praxisdaten der Firma zusammengestellt worden, mit der „Am Saalestrand“ konstruiert wurde. Die Anreicherung mit Informationen war dazu gedacht, die Entscheidungsrealität als Ingenieurin oder Ingenieur der Fabrikplanung zu „triggern“: Die Fallgeschichte führt die Studierenden in eine Fabrik, die mit Hochwasser

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S. Marx und D. Götze

als möglichem Vorboten des Klimawandels kämpft. Es sind zahlreiche Anker in die Fallgeschichte integriert, die zu Lernzielen werden können. Zu nennen sind hier die Lage der Fabrik an einem großen deutschen Fluss, die Überflutungsgefahr für die Feuerwehr, Hochwasserrisiken, gesetzliche Vorgaben zur Einleitung von Abwasser in Gewässer, energieintensive Produktion, Fragen der Energieeffizienz, die Form der Energieversorgung, der regionale Energiemarkt u.v. a. m. Der Fall enthält mehrere mögliche Perspektiven, die eingenommen werden können. Neben der Fallprotagonistin, die ingenieurwissenschaftliche Probleme bearbeiten soll, werden auch die Perspektiven von Arbeitnehmern („Stellenkürzungen“), Anwohnern („strukturschwache Gegend“) und zuständigen Behörden („gesetzliche Regelungen“) angesprochen. An der Vielzahl beteiligter Akteure zeigt sich die Relevanz und Brisanz der Klimawandelproblematik. Sie betrifft nicht nur Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern die Umwelt und letztlich alle Mitglieder und Institutionen der Gesellschaft. Der Fall „Am Saalestrand“ ist als Aufbaufall konstruiert und knüpft inhaltlich an den Fall „Grüne Wiese“ an. Während die Studierenden mit dem ersten Fall Basiswissen aufbauen konnten, können sie mit dem zweiten Fall tiefer in die komplexe Materie eintauchen. Das aufzubauende Wissen kann sich potenziell verästeln und es können neue Perspektiven einbezogen werden. Die Bearbeitung des Falls erfolgte erneut nach den Schritten des problembasierten Lernens. Die Tutorinnen und Tutoren konnten sich bei der zweiten Fallbearbeitung stärker zurückziehen, die Studierenden führten die PBL-Schritte weitgehend selbstständig durch, sodass die Tutorinnen und Tutoren nur noch gelegentlich Hinweise zur Vorgehensweise geben mussten. Lernziele der Gruppen zum PBL-Fall „Am Saalestrand“  Die schriftlich niedergelegten Lernziele der Gruppen dokumentieren, wie die Studierenden den neuen Fall aufgegriffen und als Grundlage für die Weiterarbeit genutzt haben. In den Abb. 7.10 bis 7.15 sind die Lernziele der verschiedenen Gruppen abgebildet. Abb. 7.10  Lernziele der Lerngruppe A, Fall „Am Saalestrand“

7  Durchführung der Lehrveranstaltung247 Abb. 7.11  Lernziele der Lerngruppe B, Fall „Am Saalestrand“, Teil 1

Abb. 7.12  Lernziele der Lerngruppe B, Fall „Am Saalestrand“, Teil 2

Die formulierten Lernziele der Gruppen zeigen, wie die Studierenden den neuen Fall aufgegriffen haben. Der Fallkonstruktion folgend formulierten sie Rechercheaufgaben in Richtung differenzierter „Lösungen“ für das Firmenbeispiel. Dabei wird deutlich, dass das Beispiel nicht zu echten praktischen Lösungen anregte, sondern die Studierenden – ganz im Sinne der Methode – allgemeine Suchraster erstellten, die geeignet waren, auf unterschiedliche Praxissituationen übertragen zu werden. Eine solche Vorgehensweise

248 Abb. 7.13  Lernziele der Lerngruppe C, Fall „Am Saalestrand“

Abb. 7.14  Lernziele der Lerngruppe D, Fall „Am Saalestrand“, Teil 1

Abb. 7.15  Lernziele der Lerngruppe D, Fall „Am Saalestrand“, Teil 2

S. Marx und D. Götze

7  Durchführung der Lehrveranstaltung249

dient dem Aufbau analytischer Problemlösekompetenz im Ingenieurbereich, hier besonders unter der Perspektive des Klimawandels. Wie schon beim Einstiegsfall „Grüne Wiese“ waren die Lernzielformulierungen der Gruppen zwar unterschiedlich (verschiedene Inhaltsakzente, unterschiedlicher Grad der Präzisierung und Detailtiefe), sie kamen jedoch alle zu sinnvollen Formulierungen, die ertragreiche Lernprozesse erwarten ließen. Weiterhin fällt eine vermehrte Verwendung von Fachtermini auf. Was zuvor bei der Formulierung von Lernzielen bei der Bearbeitung des Falles „Grüne Wiese“ noch in alltäglichem Vokabular umschrieben worden war, wurde bei der Formulierung der Lernziele zum Fall „Am Saalestrand“ wissenschaftlich ausgedrückt und in Fachbegriffen zusammengefasst. Zum Beispiel wurde die Frage „Wie baut man Fabriken, damit sie dem Klimawandel standhalten?“ (s. Abb. 7.5) von Lerngruppe A in der Formulierung der Lernziele für den zweiten Fall nun in den Begriff der Adaption überführt (s. Abb. 7.10). Im Unterschied zu den anderen Gruppen formulierten die Studierenden aus Gruppe C Lernziele, die eher allgemeinen Charakter hatten und sich weniger auf die Ebene prozeduralen Wissens, also des Wissens über Methoden und Werkzeuge des Fachgebiets und deren Anwendung, bezogen, wie beispielsweise die Berechnung von Produktionsausfällen und die Anwendung des Risikomanagements. Sie wollten sich anscheinend mehr mit der Grundsatzfrage befassen, ob Extremwetterereignisse, die als Folgen des Klimawandels immer wieder genannt werden und auf Unternehmen verheerende Auswirkungen haben können, tatsächlich durch den Klimawandel verursacht werden. Hier schienen weiterhin Zweifel über diesen Zusammenhang zu bestehen, sodass sich die Gruppe mit dieser Thematik noch einmal tiefer auseinandersetzen wollte. Darin zeigten sich Merkmale wissenschaftlichen Denkens und Handelns: Wissen wurde von den Studierenden nicht als unumstößliche Wahrheit akzeptiert, nur weil es durch Expertinnen und Experten oder Autoritäten geäußert wurde, sondern vor dem Hintergrund aktueller (wissenschaftlicher) Diskurse kritisch geprüft. Es verdeutlichte sich auch der Einfluss der Politik auf Wissenschaft und „Wahrheit“, denn die studentischen Diskussionen nahmen explizit Bezug auf die Negierung des Klimawandels durch politische Strömungen. Im Anschluss an die Formulierung der Lernziele besprachen die Studierenden in ihren Lerngruppen das weitere Vorgehen gemeinsam mit der jeweiligen Tutorin bzw. dem jeweiligen Tutor. Die Studierenden hatten den Prozess des Problembasierten Lernens bereits einmal durchlaufen und waren als Gruppen zusammengewachsen, sodass hier deutlich weniger Unterstützung durch die Tutorinnen und Tutoren nötig war.

7.4

Selbstlernphase II – Reflexion des Lernprozesses, Exkursion

Die zweite Selbstlernphase dauerte insgesamt fünf Wochen. In den ersten zwei Wochen erarbeiteten die Studierenden die Inhalte entlang ihrer Lernziele selbstständig individuell und tauschten sich anschließend dazu in ihren Lerngruppen aus. Der thematische Fokus verschob sich: An die Stelle der Arbeit an wissenschaftlichem Textmaterial trat vermehrt die Recherche praxisrelevanter Methoden und Werkzeuge der Fabrikplanung, die bei der Analyse und Lösung der Fallproblematik relevant sein konnten. Regelmäßige Treffen als Gruppe gaben Raum für Austausch und Diskussion der individuellen Arbeitsergebnisse.

250

S. Marx und D. Götze

Bei einem der Gruppentreffen war die jeweilige Tutorin bzw. der jeweilige Tutor anwesend. Die Studierenden beschrieben die Zusammenarbeit in den Gruppen in dieser zweiten Selbstlernphase insgesamt als reibungslos und zielführend. Lediglich gemeinsame persönliche Treffen waren schwierig zu organisieren. Hierfür fanden die Gruppen selbstständig Lösungen durch den Einsatz digitaler Medien. Alle Gruppen nutzten Clouds zum Austausch von Material unter den Gruppenmitgliedern und Chatprogramme zur kurzfristigen Terminkoordination. Eine Gruppe traf sich virtuell in einer Videokonferenz. Die Reflexion der inhaltlichen Arbeit und des Gruppenprozesses gemeinsam mit der jeweiligen Tutorin bzw. dem jeweiligen Tutor gestaltete sich in allen Lerngruppen recht knapp, da die Studierenden an anderer Stelle Gesprächsbedarf signalisierten. Bei Studierenden aller Gruppen zeigte sich zu diesem Zeitpunkt eine Unsicherheit im Umgang mit Lernzielen und Inhalten, vor allem im Hinblick auf die abschließende Prüfung in Form einer Klausur. Viele der Studierenden waren aufgrund der Themenvielfalt, deren Bearbeitung sie sich zum Ziel gesetzt hatten, unschlüssig, wie „tief“ sie sich mit den Inhalten auseinandersetzen sollten. Die Themenbereiche hatten sich bei der Recherche als umfangreicher und komplexer herausgestellt als zunächst angenommen. Die Fülle des zu bearbeitenden Stoffes war dadurch so angewachsen, dass mehrere Studierende ein Gefühl der Überforderung und Orientierungslosigkeit artikulierten. An diesem Punkt unterstützten die Tutorinnen und Tutoren in ihrer Rolle als Lernbegleiterinnen und -begleiter die Studierenden dabei, die Relevanz der Inhalte zu bestimmen und für sich die Frage nach der Bearbeitungstiefe und Detailliertheit zu klären. Die Tutorinnen und Tutoren regten die Studierenden an, den Blick nochmals auf die Problematik des Fallbeispiels und auf die daraus abgeleiteten Lernziele zu lenken. Sie gaben Impulse auf der Ebene der Metakognition des Lernprozesses, z. B.: „Schauen Sie sich noch einmal in Ruhe Ihre Lernziele an und reflektieren Sie Ihren bisherigen Lernprozess“. Durch diesen oder ähnliche Impulse wurde ein Abgleich von Ist- und Sollzustand im Lernprozess initiiert. Die Studierenden konnten dabei inhaltliche Lücken aufdecken, Redundanzen identifizieren und so zu einer sinnvollen Auswahl relevanter Inhalte kommen. Als Entscheidungskriterium für Auswahl und Bearbeitungstiefe diente so weniger die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens des Themas in der Klausur, sondern stärker die Bedeutung des Wissens in dem jeweiligen Themengebiet für das Erreichen der formulierten Lernziele und für die Entwicklung von Ansätzen zur Problemlösung. Die Tutorinnen und Tutoren waren in dieser Situation gleichzeitig gefordert, den Studierenden die Sicherheit zu geben, dass ihr Arbeitseinsatz im Hinblick auf die abschließende Prüfungsleistung von Relevanz war. In allen Gruppen hatten sich die Studierenden bis zu dem gemeinsamen Treffen mit der jeweiligen Tutorin bzw. dem jeweiligen Tutor besonders mit technischen (z. B. Bau von Dämmen zum Hochwasserschutz) und nicht-technischen Möglichkeiten (z. B. Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Hinblick auf Katastrophenpläne) zur Bearbeitung der Fallproblematik beschäftigt und theoriegeleitet Vor- und Nachteile ihrer Umsetzung herausgearbeitet. Exkursionen ermöglichten es den Studierenden, Maßnahmen der klimafreundlichen Fabrikgestaltung in ihrer tatsächlichen Umsetzung zu sehen und ihre eigenen Ideen vor dem Hintergrund der Unternehmenspraxis zu situieren.

7  Durchführung der Lehrveranstaltung251

Exkursion zu einer klimafreundlichen Fabrik Die Exkursion führte die Studierenden zu einem regionalen Unternehmen, das als Best-Practice-Beispiel für die Gestaltung klimafreundlicher Fabriken bezeichnet werden kann. Die Studierenden konnten ein Gesamtkonzept aus unterschiedlichen Maßnahmen der Energieeffizienzsteigerung und der Ressourcenschonung kennenlernen und so einen Abgleich zwischen Theorie und praktischer Umsetzung von Maßnahmen vollziehen. Sie nutzten die Gelegenheit, dem für Energiefragen zuständigen Mitarbeiter Fragen zu stellen, die sich auf die konkrete Umsetzung von Maßnahmen und den Einsatz technischer Lösungen in der Praxis bezogen und ließen die daraus gewonnenen Informationen in ihre Lösungsansätze für die Problematik des Fallbeispiels einfließen. Durch die Perspektive der Unternehmenspraxis wurde die Sinnhaftigkeit der Lehrveranstaltung in Bezug auf die Thematik und eine mögliche spätere Ingenieurtätigkeit erfahrbar. Spezifika des Einsatzes von PBL in der Lehrveranstaltung KlimaIng  Da die Fälle in Kooperation mit Unternehmen entstanden waren und ein starkes Interesse von Firmenseite an der Thematik bestand, bot es sich an, diese Aspekte in das Design der Veranstaltung zu integrieren. Daher wurden die PBL-Fälle für die Studierenden so konstruiert, dass sie, auf authentischen Problemstellungen des Klimawandels in der Fabrikplanung basierend, das Potenzial enthielten, modellhafte Lösungen für die skizzierte Situation zu entwickeln. Für Studierende ist die Arbeit an Problemlösungen für die Praxis im Allgemeinen sehr motivierend, wie aus dem Format des Projektstudiums bekannt ist (vgl. [6]). Der Wissenserwerb findet dabei oft weniger systematisch statt, da der Lernfokus auf der Erstellung eines Produkts liegt (s. Abschn. 5.6 Tab. 5.1). In dem für KlimaIng gewählten Veranstaltungsdesign wurden daher PBL-Elemente mit Projektstudiums-Elementen kombiniert. Die Art der Fallkonstruktion enthielt für die Studierenden den Impuls, Lösungsideen für das Fallszenario zu entwickeln – gleichzeitig blieb das Lernarrangement auf Wissenserwerb, Systematisierung der Ergebnisse und modellhaften Transfer für unterschiedliche Praxisanforderungen fokussiert.2 Vorbereitung des dritten Präsenztermins Der Lernprozess entwickelte sich folglich zunehmend hin zur Synthese und Anwendung des erworbenen Wissens in Form des Entwerfens von Lösungsansätzen für die spezifische Problematik des Fallbeispiels. Die Studierenden sollten beim nächsten Präsenztermin die Gelegenheit haben, ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen erste Ideen zu präsentieren, zu diskutieren und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Dies sollte in Form von zehnminütigen Vorträgen realisiert werden. Die Vorbereitung der Vorträge erforderte unter anderem die Zusammenfassung von Inhalten, die Konzentration auf wesentliche Aspekte von Themengebieten, die Erläuterung von Sachverhalten, Beispielen und Darstellungen sowie die Begründung von Entscheidungen und Bewertungen – Prozesse, die zu tiefenorientiertem Lernen führen.

2

Zum Mehrwert für studentisches Lernen durch Learning-by-Doing in der Ingenieurpraxis s. [10].

252

7.5

S. Marx und D. Götze

Präsenztermin III – Integration neuer Aspekte mit den „Denkhüten“

Plenumsphase  Zunächst erhielten die Studierenden eine kurze Einführung über Inhalt und Struktur dieses Termins (vgl. Tab. 7.3). Jede Gruppe sollte den Kommilitoninnen und Kommilitonen der anderen Gruppen ihre Zwischenarbeitsergebnisse in einem zehnminütigen Vortrag präsentieren. Im Anschluss an jeden Vortrag sollten die Studierenden der vortragenden Gruppe Rückmeldung aus unterschiedlichen Perspektiven geben. Hierbei kam die Methode „Denkhüte“ zum Einsatz (vgl. [20]). Reflexion der Zwischenergebnisse mit den „Denkhüten“  Ursprünglich als Kreativitätstechnik für die Bearbeitung von Aufgabenstellungen durch Arbeitsgruppen in Unternehmen entwickelt, wird die Methode auch im Kontext von Hochschullehre angewendet. Grundgedanke der Methode ist es, dass die Gruppenmitglieder Rollen einnehmen, die nicht wie in einem Rollenspiel als Protagonisten mit z. B. sozialen oder politischen Positionen ausgestaltet werden, sondern über bestimmte Denkweisen und Einstellungen definiert sind. In der Originalbeschreibung sind dafür sechs farbige Hüte vorgesehen, die sich die Gruppenmitglieder „überstülpen“.3 Ziel der Methode ist es, durch die Übernahme unterschiedlicher, auch konträrer Denkmuster zu einer umfassenderen Betrachtung von Sachverhalten zu kommen (vgl. ebd.,). Die Methode enthält ein Potenzial von Selbsterfahrung, da die Akteure dazu angehalten werden, Positionen zu vertreten, die sie aus Vernunftgründen vielleicht nicht einnehmen würden und die ihnen nicht als erstes zugänglich sind. In der Lehrveranstaltung wurde die Methode dazu eingesetzt, das Spannungsfeld Ökonomie – Ökologie auf die Seminarbühne zu bringen und über kognitive Zugänge hinaus erfahrbar zu machen. Diese beiden Perspektiven wurden in den Rollen des „Ökonomen“ und des „Ökologen“ aufgegriffen und pointiert. Eine weitere Perspektive, die sich in den Diskussionen mit Unternehmensvertreterinnen und -vertretern herauskristallisiert hatte, war die, Sachverhalte grundsätzlich pessimistisch und konzentriert auf mögliche Probleme und Hindernisse zu betrachten. Diese Rolle wurde durch die „Kritikerin“ oder den „Kritiker“ besetzt, ähnlich dem „schwarzen Hut“ bei de Bono (vgl. ebd.). Tab. 7.3  Ablaufplan des dritten Präsenztermins

3

Uhrzeit

Inhalt

09.00–09.15

Begrüßung, Erklärung „Denkhüte“

09.15–11.00

Vorträge und Diskussionen im Wechsel

11.00–11.15

Abschluss Plenumsphase

11.15–16.00

Arbeit in PBL-Gruppen inklusive Pausen

Eine kurze Beschreibung der „Denkhüte“ findet sich bei [7], eine ausführlichere bei [20].

7  Durchführung der Lehrveranstaltung253

Die Anzahl der Rollen wurde folglich auf drei reduziert, sodass bei jedem Vortrag eine der Perspektiven von einer der anderen drei Gruppen vertreten wurde. Die Studierenden jeder Gruppe konnten so jede Perspektive einmal übernehmen. Jedem Vortrag folgte eine Diskussionsrunde, an der zwei Mitglieder pro Gruppe teilnahmen, also zwei „Ökonomen“, zwei „Ökologen“, zwei „Kritiker“ und zwei Vertreterinnen oder Vertreter der vortragenden Gruppe. Sie diskutierten die präsentierten Zwischenergebnisse aus ihrer jeweiligen Perspektive heraus. Die Diskussionen gestalten sich sehr lebhaft. Den Studierenden schien es Spaß zu machen, in die Rollen zu schlüpfen und sie konnten auf diesem spielerischen Weg die unterschiedlichen Perspektiven näher erkunden. Die Integration dieser Erfahrung in den weiteren Lernprozess erfolgte in den Kleingruppen. Arbeit mit PBL in den Lerngruppen  In der Gruppenarbeit, die sich an die Plenumsphase anschloss, trugen die Studierenden die Hinweise der Kommilitoninnen und Kommilitonen zu ihren Präsentationen zunächst zusammen, um dann zu bewerten, welche Anregungen sie in die weitere Arbeit integrieren und welche sie verwerfen wollten. Den Studierenden stand es frei, wie sie dieses dokumentieren sowie visualisieren wollten. Auf den folgenden Abbildungen am Beispiel der Lerngruppe B lässt sich die Sammlung und Priorisierung (gerahmte Stichpunkte) erkennen4: Die Aspekte aus Sicht des „Ökonomen“, die die Gruppe für die Integration in die weitere Arbeit ausgewählt hatte (s. Abb. 7.16), fokussierten überwiegend die Konkretisierung der Lösungsansätze durch die Ermittlung von Kennzahlen, die bei einer Bewertung hinsichtlich der Machbarkeit von Maßnahmen bedeutsam sind, z. B. eine Berechnung des Abb. 7.16  Sammlung von Hinweisen aus der Perspektive des „Ökonomen“ der Lerngruppe B

4 Die Anmerkungen der „Kritikerin“ bzw. des „Kritikers“ werden nicht explizit in einer eigenen Grafik dargestellt. Die Gruppen hatten sie nicht auf einem eigenen Flipchart gesammelt, sondern in die Sammlung der Hinweise aus den anderen Rollen integriert.

254

S. Marx und D. Götze

Abb. 7.17  Sammlung von Hinweisen aus der Perspektive des „Ökologen“ der Lerngruppe B

Einsparpotenzials durch die von der Gruppe erarbeiten Maßnahmen zur Umstellung der Energieversorgung auf die Nutzung erneuerbarer Energien in Form von Solarthermie. Die Hinweise des „Ökologen“ (s. Abb. 7.17) bezogen sich auf Randbedingungen (z. B. gesetzliche Vorgaben wie der CO2-Handel), die die Gruppe noch nicht in den Blick genommen hatte und auf mögliche Konsequenzen der Umsetzung der von der Gruppe recherchierten Maßnahmen zur Problembearbeitung, z. B. in Form explosionsartiger Reaktionen bei der Ableitung von eventuell verunreinigtem Kühlwasser. Die Synthese der Arbeitsergebnisse aus den Zwischenpräsentationen in den Lerngruppen führte zur tieferen Auseinandersetzung mit einem Themenbereich (z. B. Kostenberechnungen) und der Ausweitung der Recherchen auf Themen, die im Kontext der Problematik des Falles bisher zu wenig beachtet wurden. Die Studierenden diskutierten, wie sie diese Ergebnisse in ihrem weiteren Vorgehen berücksichtigen wollten und dokumentierten ihre Überlegungen auf einem Flipchart. Abb. 7.18 zeigt, an welchen Inhalten die Studierenden der Lerngruppe B in der nächsten Selbstlernphase vertieft arbeiten wollten. Es wurden Themen aus der weiteren Bearbeitung ausgeklammert (z.  B. Dachbegrünung) und neue Inhalte zur Bearbeitung ergänzt (z. B. CO2-Handel). Der Anwendungsbezug wurde deutlicher: Es wurden Methoden der Fabrikplanung genannt, die im Kontext der Anpassung produzierender Unternehmen an die Folgen des Klimawandels zur Analyse, Bewertung und Bearbeitung von Unternehmensrisiken genutzt werden, um Maßnahmen und Handlungsoptionen zu generieren, z. B. die Szenario-Analyse und das Risikomanagement (s. Abschn. 4.1.4). Die Arbeit mit polarisierenden Perspektiven führte dazu, dass die Gruppe das Spannungsverhältnis von Ökologie und Ökonomie in eine übergeordnete Strategie einfließen ließen, nämlich „Ökonomie unter ökologischen Gesichtspunkten“.

7  Durchführung der Lehrveranstaltung255 Abb. 7.18  Weiteres Vorgehen und Integration der Hinweise von Lerngruppe B

7.6

Selbstlernphase III – Synthese der Ergebnisse und Vorbereitung auf die Abschlusspräsentation

In dieser Selbstlernphase konzentrierten sich die Studierenden auf die Konkretisierung ihrer zu bearbeitenden Inhalte und Lösungsansätze. Im Prozess des Zusammenführens von Informationen zu Lösungsansätzen offenbarte sich, in welchen Bereichen die Studierenden noch nicht über ausreichendes Wissen verfügten, um Lösungen generieren und spezifizieren zu können. Die Identifikation von Wissenslücken hatte die Modifikation von Lernzielen der Gruppen und damit auch die Bearbeitung neuer Lernaufgaben zur Folge. Bisher nicht thematisierte Inhaltbereiche mussten erschlossen werden, bereits in den Lernzielen aufgenommene Inhalte mussten differenzierter betrachtet werden, Lernziele mussten angepasst und neu formuliert werden. Die Erarbeitung der Lernziele endete nicht mit der Ausarbeitung von Lösungen, sondern erfolgte iterativ im Prozess der Lösungsfindung. Die Vorstellung der Arbeitsergebnisse sollte als Posterpräsentation erfolgen. Durch das Format Poster ist der Raum für Informationen begrenzter als in einer Folienpräsentation, Informationen müssen auf das Wesentliche reduziert werden, Zusammenhänge grafisch dargestellt werden, Texte und Bilder so angeordnet werden, dass sich dem Betrachter eine ansprechend gestaltete Informationslandschaft bietet. Darüber hinaus bieten Posterpräsentationen den Vorteil, dass Präsentierende und Zuhörende allein schon räumlich in einen engeren Kontakt kommen. Die Betrachter gruppieren sich um das Poster herum, treten näher heran, um sich Grafiken und Text genauer anzuschauen. Die Frontalsituation, die in

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S. Marx und D. Götze

klassischen Vorträgen eine Distanz zwischen Vortragenden und Auditorium herstellt, ist aufgelockert und lädt zu Interaktion ein. Den Studierenden wurde über das Lernmanagementsystem der TU Braunschweig eine Formatvorlage bereitgestellt, an der sie sich orientieren konnten. Synthese der Ergebnisse und Diskussion im Plenum  Bisher hatten die Studierenden ihre Zwischenergebnisse überwiegend mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen ausgetauscht und in den gemeinsamen Treffen mit ihrer jeweiligen Tutorin oder ihrem jeweiligen Tutor diskutiert. Zwei Wochen vor der Abschlusspräsentation mit Firmenvertretern konnten die Studierenden dem Dozententeam ihren Entwurf der Poster vorstellen, ihre Arbeitsergebnisse in großer Runde diskutieren und Rückmeldung von den Dozentinnen und dem Dozenten erhalten. Aufgrund der bisherigen Arbeit standen dabei neben technischen und finanziellen Aspekten der Fallbearbeitung auch Fragen nach der eigenen Haltung zum Klimawandel im Mittelpunkt und es konnten kontroverse Punkte angesprochen werden. Beispielsweise verfolgten die Studierenden aus Lerngruppe C weiterhin die Hypothese, der Klimawandel sei nicht eindeutig wissenschaftlich bewiesen, die sie während eines früheren Brainstormings formuliert hatten. Didaktisch betrachtet geht es in einer solchen Situation darum, keine „Stammtisch“-Debatte zum Klimawandel zuzulassen, sondern eine fundierte wissenschaftliche Debatte zu fördern. Eine solche Debatte kann durchaus emotional geführt werden und sollte Studierende dafür sensibilisieren, zwischen „Bauchgefühl“, Argumenten und nachprüfbaren Fakten zu unterscheiden. In der Plenumsdiskussion stellte sich heraus, dass die Studierenden aus Lerngruppe C ihren Standpunkt nicht begründen konnten und beispielsweise keine entsprechenden Studien nennen und ausführen konnten, die die Existenz des Klimawandels anzweifeln. Indem die Lehrenden sie auf dieses Defizit hinwiesen, konnten die Studierenden ihren Standpunkt einer kritischen Revision unterziehen. Vorbereitung der Abschlusspräsentation  Nach dem Termin zur Synthese der Inhalte arbeiteten die Gruppen im weiteren Verlauf der Selbstlernphase an der Finalisierung ihrer Arbeitsergebnisse für die Abschlusspräsentation. Die Recherche notwendiger Informationen erfolgte vermehrt über eine Kontaktaufnahme (per E-Mail bzw. telefonisch) der Studierenden mit Unternehmen und anderen außeruniversitären Einrichtungen wie Ministerien und Umweltorganisationen. Die Studierenden holten bei Unternehmen, die sich auf den Hochwasserschutz spezialisiert haben, Angebote zu Materialien und Dienstleistungen ein (z. B. zu mobilem Hochwasserschutz), um Kostenberechnungen zu konkretisieren und technisch relevante Eckdaten zu recherchieren. Bei Umweltorganisationen und Behörden erfragten sie Daten zur Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Hochwasser und Hitzeperioden, um daraus die Risiken für das Unternehmen des Fallbeispiels einschätzen zu können. Sie erweiterten damit ihr fachwissenschaftliches Wissen zunehmend um Wissen aus der Praxis und wandten vermehrt berufsnahe Strategien der Informationsgewinnung an.

7  Durchführung der Lehrveranstaltung257

7.7

Präsenztermin IV – Abschlusspräsentation mit Praxisvertretern

Bei dem letzten Präsenztermin (vgl. Tab. 7.4) im Plenum hatten die Studierenden die Gelegenheit, ihre Arbeitsergebnisse sowohl dem Projektteam als auch Vertretern aus der Praxis zu präsentieren. Es konnten sowohl Firmen vertreter gewonnen werden, die sich in ihrer Funktion mit Maßnahmen zur Energieeffizienz und Klimaschutzfragen befassen, als auch Vertreter öffentlicher Einrichtungen, die mit der Thematik vertraut sind. Das Engagement der Praxisvertreter beim Abschlusstermin verdeutlichte den Studierenden die branchen- und institutionsübergreifende Relevanz des Klimawandels. Die Rückmeldungen der Praxisvertreter ermöglichten den Studierenden eine erneute Reflexion und teilweise eine Validierung der eigenen Arbeitsergebnisse. Erfreulich war die Perspektivvielfalt, die die Praxisvertreter in die Abschlusspräsentation einbrachten. Die Perspektive der Politik wurde über einen Mitarbeiter des Fachbereichs Klimaschutz der Stadt Braunschweig repräsentiert, die Perspektive der Gesetzgebung durch einen Mitarbeiter der Gewerbeaufsichtsamtes, die Perspektive produzierender Unternehmen durch einen Mitarbeiter aus der Automobilbranche, die Perspektive der Fabrikplanung durch einen Mitarbeiter einer auf die Thematik spezialisierten Unternehmensberatung. Nach einer kurzen Einführung in Thema und Didaktik der Lehrveranstaltung und die Vorstellung der Fälle, die die Grundlage der Arbeit der Studierenden waren, wurden die finalen Arbeitsergebnisse der PBL-Gruppen präsentiert. Die Gruppen führten nacheinander ihre Posterpräsentationen durch. Für jede Präsentation waren 25  Minuten Zeit eingeplant, wovon 20  Minuten für die Präsentation und 5  Minuten für Rückfragen zur Verfügung standen. Im Anschluss an die Präsentationen hatten die Praxisvertreter und Mitglieder des erweiterten Projektteams Gelegenheit, sich auszutauschen und ihre Ideen und Anmerkungen zu diskutieren, um den Gruppen Rückmeldung zu ihren Ergebnissen und Präsentationen zu geben. Ergebnisse der Lerngruppen  Die Studierenden aller Lerngruppen kamen aus Sicht des Dozententeams insgesamt zu differenzierten und wissenschaftlich fundierten Ergebnissen, die sie auf der Grundlage ihrer selbst formulierten Lernziele erarbeitet hatten. Sie konnten die Problematik des Fallbeispiels prägnant und verständlich darlegen und Bezüge zwischen Tab. 7.4  Ablaufplan des vierten Präsenztermins Uhrzeit

Inhalt

10.00–10.10

Vorstellung des Projekts, seiner Beteiligten, der Lehrmethode und des bearbeiteten Falls „Am Saalestrand“ durch das erweiterte Projektteam

10.10–12.10

Posterpräsentationen der Lerngruppen

12.45–12.50

Rückmeldung von Praxisvertretern und erweitertem Projektteam zu den Ergebnissen der Studierenden

12.50–13.00

Zusammenfassung und Abschluss des offiziellen Teils

258

S. Marx und D. Götze

Problemdefinition und Arbeitsergebnissen herstellen. Sie begründeten ihre Überlegungen und Entscheidungen schlüssig auf Basis realer Daten und des erworbenen Wissens. Bei der Darstellung von Berechnungen und Prozessen, wie z.  B. dem Risikomanagement, zeigten sie die Fähigkeit, Methoden ihres Faches auf konkrete Problemstellungen anzuwenden. Einzelpersonen konnten auf Rückfragen prägnant antworten und zeigen, dass sie sich vertieft mit den jeweiligen Inhalten auseinandergesetzt und Wissen erworben hatten, das über die Inhalte der Poster weit hinausging. Sie konnten z. B. technische Details der vorgestellten Lösungen benennen, reale Beispiele der Umsetzung vorgeschlagener Maßnahmen anführen und mögliche Einsatzvarianten beschreiben. Seitens der Praxisvertreter war hervorzuheben, dass die Studierenden insbesondere Lösungsideen für die Problematik des Fallbeispiels entwickelt hatten, die auf die Zukunft ausgerichtet waren, also nicht auf der Ebene einer kurzfristigen Intervention sondern auf der Ebene einer langfristig gedachten Strategie angesiedelt waren – der Gedanke der Nachhaltigkeit kam darin besonders zum Tragen. Die Poster der Studierenden für die Abschlusspräsentation5  Lerngruppe A hat sich mit vier Handlungsfeldern der Thematik befasst (vgl. Abb. 7.19). Zum Problem Hochwasser wurden Hochwasserkarten herangezogen. Drei Lösungsideen wurden erarbeitet und anhand realistischer Parameter miteinander verglichen. Die Wahl fiel auf mögliche Schutzwände, die am effektivsten wären aufgrund des geringeren Mitarbeitereinsatzes im Vergleich zu Sandsäcken, die eine Lagerfläche benötigen würden und ebenfalls im Vergleich zu Dämmen, die aufgrund der hohen Kosten zu unwirtschaftlich wären. Ein weiteres Thema der Lerngruppe war der CO2-Handel. Da das Unternehmen durch seine Produktion zum anthropogenen Treibhauseffekt beiträgt, müsste es zu einem Zertifikatehandel kommen und folglich zu höheren Kosten. Eine Lösung sieht die Gruppe darin, die Emissionen zu verringern und die Wärmeverluste einzudämmen. Auch hier wurden wieder mehrere Maßnahmen angegeben, die sich zur Reduktion von Wärmeverlusten und der Emittierung von Treibhausgasen eignen. Das Einsparpotenzial wurde bestimmt anhand von verschiedenen Parametern, wie beispielsweise dem Energiepreis mit angegebenem Datum und den Kosten pro Zertifikat, was einen Gesamtbetrag von 850 Euro pro Kilogramm CO2-Äquivalent ausmachen würde. Die Gruppe vermutet in einem Ausblick, dass die Preise für die Zertifikate steigen werden. Als zweites Problemfeld wurde die aktuelle Abhängigkeit von Erdgas beschrieben, sodass hier die regionale Versorgung langfristig nicht mehr erfolgen kann. Aus Sicht der Gruppe wird als Lösung die Nutzung alternative Energieträger genannt (Kraftwärmekopplung mit Biogas). In der anschließenden Diskussion wurde angemerkt, dass es an dieser Stelle interessant wäre, einen Kostenvergleich zu machen, beispielsweise durch Gegenüberstellung von am Weltmarkt eingekauftem Gas.

5

Jedes Poster wurde durch ein ausführliches Quellenverzeichnis ergänzt.

7  Durchführung der Lehrveranstaltung259

Abb. 7.19  Poster der Lerngruppe A

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Zum Thema Kühlsystem wurden je nach Häufigkeit und Intensität der zu erwartenden Hitzewellen Produktionsdrosselungen von 70 bis 80 % bestimmt. Als Lösungsidee schlägt die Gruppe vor, einen Kühlteich anzulegen. In der mündlichen Präsentation begründeten sie die Entscheidung für den Kühlteich mit dem positiven Nebeneffekt, ein Sekundärbiotop für Pflanzen und Tiere zu schaffen. Bezogen auf die Lernziele (s. Abb. 7.10) kann festgehalten werden, dass die Studierenden sich im Lernzielrahmen bewegt haben. Mit der Betrachtung des CO2-Handels gingen sie eigenständig über die geforderten Inhaltsbereiche hinaus, was die Dozentinnen und Dozenten besonders positiv hervorhoben. Lerngruppe B hat sich zunächst mit der Ist-Situation befasst und die Analyse der Gesetzgebung als wichtigen Bezugspunkt für die weitere Bearbeitung gewählt (vgl. Abb. 7.20). Aus Dozentensicht wurde dies positiv hervorgehoben, da die Gruppe dadurch gesetzliche Rahmenbedingungen definiert hat, die nachhaltiges und klimafreundliches Handeln wesentlich beeinflussen. Im Anschluss daran wurden, analog zu anderen Gruppen, Risiken und Abhängigkeiten des Standortes von Naturereignissen abgeschätzt, also das Schadensausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit. Dabei wurde deutlich, dass für mittleres und schweres Hochwasser in jedem Fall Handlungsbedarf besteht. Die Begründung stützte sich auf Hochwassergefahrenkarten und eine Szenario-Analyse zur Bewertung der standortentsprechenden Gefahrenlage. Eine solche wurde auch für die zu erwartenden Hitzewellen durchgeführt. Hitzewellen führen zu einer Drosselung der Produktion und entsprechenden Schadenshöhen. Die dazu passenden Lösungsansätze tauchen stichpunktartig auf, Fragen der technischen Machbarkeit sind auf dem Poster wenig ausgearbeitet. Am Beispiel Deichbau wird dies deutlich, da nicht geprüft wurde, ob auf dem Fabrikgelände genügend Platz für Deiche vorhanden ist – die anderen Gruppen kamen zu dem Schluss, dass das nicht der Fall ist. Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Punkt auf dem Plakat, der Kühlung. Vorgeschlagen werden ein Kühlteich und eine Absorptionskältemaschine, es wird auf dem Plakat keine genauere Bewertung vorgenommen. Hinsichtlich der Nutzung alternativer Energieträger befasste sich auch diese Gruppe mit Solarthermie, wobei Kennzahlen zur Grundlage der Berechnung verwandt wurden. Auf Rückfrage hin konnten die Studierenden zeigen, dass sie sich mit Fragen der Berechnung beschäftigt hatten und die Stichpunkte weiter ausführten. Bezogen auf die Lernziele hat sich auch Gruppe B mit den aus Dozentensicht relevanten Fragestellungen befasst und mit dem Fokus auf Gesetzgebungen einen eigenen Schwerpunkt gesetzt. Es gab auch viele Anknüpfungsmöglichkeiten an die Ergebnisse der anderen Gruppen, etwa zu Fragen des Kühlsystems und der Nutzung alternativer Energieträger. Die Lerngruppe C erfasst Extremwetterereignisse als Fakten – sie prognostizierte, dass sowohl Hitzeperioden als auch Starkniederschläge in Häufigkeit und Intensität zunehmen werden (vgl. Abb. 7.21). Grundsätzlich zweifelte die Gruppe aber an der Erwiesenheit des Klimawandels. Die Gruppe hat das Werksgelände entsprechend der Hochwassergefahrenkarte dargestellt, also Überflutungszonen und zusätzlich noch die unterschiedlichen Gebäude benannt,

7  Durchführung der Lehrveranstaltung261

Abb. 7.20  Poster der Lerngruppe B

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Abb. 7.21  Poster der Lerngruppe C

S. Marx und D. Götze

7  Durchführung der Lehrveranstaltung263

die bei Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen werden. Darauf basierend wurden verschiedene Möglichkeiten dargestellt, wie diesen Gefahren begegnet werden könnte. Ein Deich und mobiler Hochwasserschutz werden hierfür miteinander verglichen (Vor- und Nachteile, Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sowie ein technisches Umsetzungskonzept). Bei den Alternativen zur Wärmeversorgung wurde auf die Vernetzung der Prozesswärme, Solarthermie zur Vorwärmung und den Wärmespeicher eingegangen. Neben technischen Aspekten wurden auch Handlungsempfehlungen wie organisatorische Schutzmaßnahmen erarbeitet. Das Plakat ist aus Dozentensicht grafisch ansprechend aufbereitet und visualisiert den Lösungsprozess für den Betrachter sehr gut. Es leitet den Betrachter durch die einzelnen Textfelder, sodass die Interpretation des Lösungspfades unterstützt wird. Auch Gruppe C bewegte sich mit ihrer Erarbeitung im Lernzielrahmen der Veranstaltung und ging mit interessanten Überlegungen darüber hinaus – insbesondere durch Einbezug nichttechnischer Ansätze zum Thema (Mitarbeiterschulungen, persönliche Maßnahmen, regionale Vernetzung). Hervorzuheben ist die Risikomanagement-Matrix als Arbeitsergebnis der Lerngruppe D (s. Abb. 7.22). In der Matrix sind die einzelnen Gefahren und die einzelnen Szenarien aufgelistet. Dadurch wird der Handlungsbedarf für die einzelnen Risiken deutlich. Darauf basierend wurden für drei Szenarien im Hochrisikobereich Lösungen erarbeitet. Das Hochwasserschutzkonzept sieht verschiedene Spundwände vor, zu denen die jeweiligen Vorteile herausgestellt werden. Bei der Bewertung wurden auch Kosten hinzugezogen. So können Produktionsausfallkosten gegenüber den Investitionskosten abgewogen werden. Der zweite Maßnahmenbereich ist das Kühlkonzept, auch hier basierend auf Produktionsausfallkosten. Dabei wurden beispielsweise Hitzetage betrachtet, um durchschnittliche Ausfallkosten zu berechnen. Als Maßnahme wurde hier der Nasskühlturm näher untersucht. Schließlich erörtert die Gruppe als dritte Maßnahme zum Energieversorgungskonzept die Umstellung von Erd- auf Biogas. Diese einzelnen Aspekte wurden mit verschiedenen Fakten, z. B. Investitionsvolumen, benötigte Flächen, CO2-Einsparung etc. bewertet. Bezogen auf die Lernziele kam auch Gruppe D zu einer Erarbeitung, die der Breite des Themas angemessen ist. Auffällig ist darüber hinaus der Einbezug unternehmensstrategischer Gedanken zum Energieversorgungskonzept, wobei sowohl soziale als auch ökologische Aspekte genannt werden, was aus Dozentensicht sehr positiv erschien. Diskussion im Anschluss an die Posterpräsentation  Die Poster hatten in der Lehrveranstaltung neben der abschließenden Präsentation der Arbeitsergebnisse auch die Funktion, die Studierenden mit den Dozierenden, den Kommilitoninnen und Kommilitonen und den Firmenvertretern ins Gespräch zu bringen. Hier konnte durch Nachfragen festgestellt werden, wie tief die Studierenden jeweils die Thematik bearbeitet hatten. Lösungsideen konnten ausgetauscht und miteinander verglichen werden. Die Studierenden konnten sich über den Bearbeitungsstand der anderen informieren und

264

Abb. 7.22  Poster der Lerngruppe D

S. Marx und D. Götze

7  Durchführung der Lehrveranstaltung265

eigene Lücken in der Bearbeitung identifizieren. Mit den Firmenvertretern konnten sie die Praxistauglichkeit der Ansätze besprechen und von Fachexperten noch mehr über die Gesamtproblematik des Klimawandels in der Fabrikplanung erfahren. Damit konnte die Veranstaltung sinnvoll abgerundet werden, auch im Hinblick auf die anstehende Klausurvorbereitung.

7.8

Selbstlernphase IV – Klausurvorbereitung

Die abschließende Klausur erfolgte sieben Wochen nach dem letzten Präsenztermin. Den Studierenden wurde deutlich gemacht, dass die Klausur sich an den im Verlauf der Veranstaltung von ihnen erarbeiteten Inhalten auf der Grundlage ihrer selbst formulierten Lernziele orientieren würde. Das Vorgehen förderte die aktive Beteiligung der Studierenden. Darüber hinaus wurden die Studierenden dazu angehalten, Inhalte bereits im Verlauf des Semesters selbstständig individuell so aufzubereiten, dass sie zur Klausurvorbereitung nutzbar waren. Die Studierenden luden ihre Erarbeitungen in einem zentralen Ordner im Lernmanagementsystem der TU Braunschweig hoch, sodass die Studierenden auf einen wachsenden sich verzweigenden Materialpool zugreifen konnten. Die Aufbereitung des Materials erfolgte in Form von: • • • • •

Zusammenfassungen von Texten, Glossaren/Definitionen von Fachbegriffen, Erstellung von Schaubildern, Fotodokumentationen, Links zu interessanten Internetquellen und Videos.

Offenbar waren die Studierenden routiniert und effektiv in der Organisation ihres Selbstlernens. Sie zeigten sich ausgesprochen sozial und teilten ihr Wissen mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen. Seitens des Dozententeams stand ein Literaturverzeichnis zur Verfügung, das sich die Studierenden kontinuierlich entlang ihrer Lernziele, Ideen und Interessen erschließen konnten. Auf Nachfrage verwiesen die Lehrenden auch auf weitere Quellen und Recherchemöglichkeiten.

7.9

Prüfung in Form einer Klausur

Als notenrelevanter Abschluss der Lehrveranstaltung wurde das Prüfungsformat Klausur gewählt. Damit sollte den Studierenden die Möglichkeit gegeben werden, in konzentrierter Einzelarbeit das neu erworbene Wissen unter Beweis zu stellen. Nachdem während der Lehrveranstaltung eine Vielzahl an personen- und gruppenbezogenen Feedbackformaten

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S. Marx und D. Götze

zur Stärkung der Lernprozesse zum Einsatz gekommen war, sollte abschließend der Blick besonders auf das individuell erworbene Wissen und Können gelenkt werden. Die Klausur wurde im Dozententeam gemeinsam entwickelt, um möglichst kohärent zur eingesetzten Lehrmethode PBL bzw. kompetenzorientiert zu prüfen (vgl. [21]). Das Ergebnis war eine Klausur, die mit einer Reihe von Fragen zu Grundlagen und Begrifflichkeiten des Klimawandels begann, einem zentralen Ziel der Lehrveranstaltung folgend, den Studierenden wissenschaftlich basiertes Wissens zum Klimawandel zu vermitteln. Es folgte ein Fragen- und Aufgabenteil, in dem die Anwendungsorientierung des erworbenen Wissens im Fokus stand und schließlich eine Fallbeschreibung, in der die Studierenden – angelehnt an die Schritte von PBL – die erworbenen Kompetenzen synthetisieren konnten. In der Klausur wurde also nicht nur Bezug auf den Erwerb fachwissenschaftlichen Wissens und dessen adäquate Anwendung genommen, sondern auch auf die Fähigkeit, komplexe Problemstellungen zu analysieren, Hypothesen zu deren Ursache und Lösung zu generieren und das eigene Wissen oder fehlendes Wissen zu reflektieren, um daraus das weitere Vorgehen in Form von Lernzielen, die es für eine Problemlösung zu erarbeiten gilt, abzuleiten. Damit wurden wesentliche Aspekte von Problemlösekompetenz mit Relevanz für das Ingenieurhandeln erfasst.

7.10

Evaluation der Lehrveranstaltung

Mittlerweile gehört Lehrveranstaltungsevaluation zum Standardrepertoire der Qualitätssicherung von Lehre an Hochschulen. Die Fakultät für Maschinenbau der TU Braunschweig evaluiert alle ihr zugehörigen Lehrveranstaltungen mit dem Ziel, die Lehre an der Fakultät stetig weiterzuentwickeln und die Lehrleistungen von Lehrenden der Fakultät einzuschätzen und zu verbessern. Als Grundlage hierfür dienen standardisierte Evaluationsbögen, die die Studierenden am Ende der Veranstaltung ausfüllen können. Das entspricht der in der Hochschullehre verbreitetsten Form der Lehrveranstaltungsevaluation (vgl. [1, 11]). Solche Instrumente erfassen im Allgemeinen institutionelle Rahmenbedingungen sowie Merkmale von Studierenden und Lehrenden, die Rückschlüsse auf die Qualität der Lehrveranstaltung erlauben (vgl. [5, 16]). Die Beurteilung der Performanz der Lehrperson sowie der Zufriedenheit der Studierenden mit der Veranstaltung und der subjektiv wahrgenommene Lernzuwachs sind dabei zentrale Aspekte. Faktoren, die einen entscheidenden Einfluss auf den Lehrerfolg haben, wie z.  B. das Vorwissen der Studierenden oder der objektive Lernzuwachs, können durch diese Art der Rückmeldebögen nicht erfasst werden (vgl. [1, 5]).6

6

Zu Items, die einen hohen Zusammenhang zwischen Lernerfolg und Itemabfrage aufweisen s. [17].

7  Durchführung der Lehrveranstaltung267

Um das Informationsspektrum zu erweitern und Impulse für die Weiterentwicklung der Lehrveranstaltung KlimaIng zu erhalten, wurden zusätzliche Daten erhoben. Die Evaluation der Lehrveranstaltung setzte sich aus folgenden Komponenten zusammen: 1. Lehrveranstaltungsevaluation in Form einer standardisierten Befragung durch die Fakultät für Maschinenbau 2. Plenumsgespräch mit Lehrenden und Studierenden am Ende der Lehrveranstaltung 3. Kurzinterviews mit den Lehrenden der Veranstaltung Durch die Begleitforschung (s. Abschn. 7.11) konnte das Informationsspektrum über den unmittelbaren Nutzen für die Lehrveranstaltung hinausgehend nochmals deutlich erweitert werden. Es erfolgten: 1. Erhebung des Vorwissens zum Thema Klimawandel 2. Vergleich von Vorwissen und Lernergebnissen der Studierenden zum Thema Klimawandel 3. Untersuchung des Lernverhaltens der Studierenden

7.10.1 Ergebnisse der Lehrveranstaltungsevaluation der Fakultät für Maschinenbau Die Lehrveranstaltung KlimaIng wurde von den Studierenden sehr positiv bewertet. Die folgende Grafik in Abb. 7.23 zeigt einen Ausschnitt aus der Evaluation im Vergleich zur Gesamtevaluation in der Fakultät. Besonders hervorzuheben ist die Wahrnehmung des

Abb. 7.23  Ausgewählte Ergebnisse der Lehrveranstaltungsevaluation. (Rote Linie: Ergebnisse der Lehrveranstaltungsevaluation KlimaIng. Blaue Linie: Ergebnisse der Lehrveranstaltungsevaluation aller Lehrveranstaltungen der Fakultät für Maschinenbau)

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S. Marx und D. Götze

persönlichen Wissensgewinns, die Steigerung des Interesses am Fach und die Einschätzung der Nützlichkeit für die spätere Berufspraxis. Die Veranstaltung verstärkte das Interesse für dieses Fachgebiet und wurde von den Studierenden als sehr nützlich für die spätere berufliche Praxis eingeschätzt (rote Linie) – vor allem im Vergleich zum Mittelwert aller Lehrveranstaltungen der Fakultät für Maschinenbau (blaue Linie). Neben den geschlossenen Frageformaten gaben vor allem die Freitextantworten der Studierenden Impulse für die Weiterentwicklung der Veranstaltung. Auf die Frage „Was hat Ihnen an der Lehrveranstaltung besonders gut gefallen?“ und „Was könnte man verbessern?“ gaben die Studierenden folgende Rückmeldungen: Besonders positiv beurteilten die Studierenden: • • • • • • • • • • • •

„problembasiertes Lernen als Methode super“ „spannendes Thema“ „Präsentation vor Industrievertretern“ „freie Schwerpunktsetzung“ „Feedback von Leuten aus der Wirtschaft/von der Stadt bei der Abschlusspräsentation“ „Vortragen der Zwischenergebnisse und anschließende Diskussion aus verschiedenen Gesichtspunkten (Kritiker, Ökologie, Ökonomie)“ „Zeitiger Abschluss der Präsentation“ „Gruppenarbeit“ „Präsentation“ „Abschlusspräsentation“ „sehr interessantes Konzept“ „durch die sehr intensive Auseinandersetzung mit den Fragestellungen wird das Thema wohl nachhaltiger hängen bleiben“

Negativ beurteilten die Studierenden: • • • •

„Keine Klausur → Ausarbeitungen und Abschlusspräsentation als Prüfungsleistung“ „Bewertung nur über Klausur“ „ein Skript ausgeben (am Ende)“ „Fallbeispiel war sehr schwammig“

7.10.2 Plenumsgespräch mit den Studierenden Das Plenumsgespräch wurde am Ende des letzten Präsenztermins im Anschluss an die Abschlusspräsentation geführt. Die folgenden Ausführungen bilden eine Zusammenfassung der Beiträge. Fast alle Studierenden berichteten, dass es zunächst ungewohnt gewesen war, derart aktiv in der Lehrveranstaltung zu sein, sie es aber genossen hatten, „endlich auch mal selbst etwas zu tun.“ Das schrittweise Vorgehen in PBL bezeichneten sie als unterstützend

7  Durchführung der Lehrveranstaltung269

für die ungewohnt aktive Rolle. Hierzu trug offenbar auch das als „locker“ und „angenehm“ beschriebene Arbeitsklima in Plenums- und Gruppenarbeitsphasen und die intensive Betreuung durch die Tutorinnen und Tutoren bei. Negativ äußerten sich einige Studierende über die Prüfungsform. Eine Klausur sei zwar üblich, eigne sich ihrer Ansicht nach aber nicht allein, um ihre gesamte Leistung zu erfassen. Es wurde angemerkt, dass in dieser Lehrveranstaltung mehr gearbeitet wurde als in anderen, traditioneller gestalteten Veranstaltungen, sodass die Motivation durch die fehlende Berücksichtigung dieses Engagements in der Leistungsbewertung ein wenig gesunken sei. Einige der Studierenden hätten sich eine Beurteilung der Gruppenarbeiten gewünscht, die in Form von Leistungspunkten in die Gesamtbewertung hätte eingehen sollen. Ein Student machte den Vorschlag, die Studierenden zukünftig eine Art Portfolio als Prüfungsleistung erstellen zu lassen, um den Lernprozess und dessen Ergebnisse zu erfassen. Ein weiterer Punkt, der viele der Studierenden beschäftigte, war die Unklarheit über Inhalte und Lernziele. Sie seien es gewohnt, in Form von Klausureingrenzungen und durch Skripte genaue Vorgaben zu haben. Es sei ihnen zunächst schwer gefallen zu glauben, dass sie durch ihre Arbeit in den Gruppen die Inhalte der Veranstaltung in einem bestimmten Rahmen mitgestalten konnten. Es wurde die Befürchtung geäußert, dass am Ende in der Klausur doch Dinge abgefragt würden, die nicht von ihnen erarbeitet worden seien. Diese Befürchtungen seien ihnen im Verlauf der Veranstaltung durch die Tutorinnen und Tutoren jedoch überwiegend genommen worden. Die große Bedeutung der Prüfungsleistung schwang auch in der Wortmeldung eines Studenten mit, der das Plenumsgespräch abschloss: „Es hat viel Spaß gemacht und ich glaube, das hat auch echt was gebracht, wir haben wirklich was gelernt, aber wie viel, das werden wir erst sehen, wenn die Klausurergebnisse kommen.“7

7.10.3 Kurzinterviews mit den Lehrenden Nicht nur für die Studierenden, auch für die Lehrenden des Maschinenbaus war die Veranstaltung eine neue Erfahrung – in dieser Form hatten sie bisher weder selbst gelernt noch gelehrt. In teilstandardisierten Kurzinterviews beantworteten sie folgende Frage: Wie haben Sie das Arbeiten mit problembasiertem Lernen erlebt?8

7 Die Klausurergebnisse lagen im oberen Drittel des Leistungsbereichs, genauere Angaben können aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gemacht werden. 8 Es folgt die vollständige Abschrift der Audiomitschnitte der Antworten ohne Berücksichtigung von Transkriptionsregeln.

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Lehrperson A

„Alles zusammen war die Erfahrung sehr positiv. Man musste sich für diese neuen Lernmethoden erst öffnen, das heißt also, zu Beginn vor der ersten Lehrveranstaltung war zuerst Unsicherheit im Dozententeam zu verspüren, auch bei mir selber, Unsicherheiten dahingehend, weil wir die Kontrolle über den Lernprozess und die Lernziele abgeben mussten. Es hat sich dann gezeigt, nachdem wir selber in den Workshops die Fälle ausprobiert und entwickelt haben, dass dies unbegründet ist. Auch die Ergebnisse der Studierenden haben gezeigt, dass dies unbegründet ist. Im Vergleich zu anderen Vorlesungen muss ich sagen, die Fülle des behandelten Stoffes ist gefühlt größer als bei einer klassischen Lehrveranstaltung. Die Nachhaltigkeit des Lernens und wie vertieft dieses Wissen bei den Studenten hängen geblieben ist, würde ich sagen, ist auf jeden Fall bei den PBLern wesentlich größer. Also noch einmal zusammengefasst, in der klassischen Veranstaltung ist die Stoffmenge wesentlich größer, die größtenteils nicht hängen bleibt bei den Studenten. Bei den PBL-Veranstaltungen oder unserer PBL-Veranstaltung ist die Stoffmenge geringer, dafür würde ich sagen, sitzt es bei den Studenten nahezu zu 100 %. Die Qualität der Ergebnisse ist sehr stark abhängig von der Motivation der Studenten und auch von der Gruppendynamik in den einzelnen Teams. Da ist es wichtig, das hat sich besonders gezeigt in den beiden Veranstaltungen, dass man nicht nur als Lerncoach, sondern auch im Teambuilding in den gruppendynamischen Prozessen einwirkt und bei Verstimmungen hilft, um die Motivation über das gesamte Semester aufrechtzuerhalten.“ Lehrperson B

„Für mich war es auf jeden Fall eine spannende Erfahrung, weil ich im Vergleich eine Frontalvorlesung habe, die ich mit dem Professor mitbetreue, und die Gruppenarbeit, die ich mitbetreut habe. Im Vergleich dazu war die Interaktion mit den Studierenden viel größer, es hat mir viel mehr Spaß gemacht, weil man die Inhalte mit den Studierenden diskutieren konnte, wirklich auch diskutieren, weil sie sich mehr damit beschäftigt haben und dadurch auch erstmal eine Diskussion entstanden ist. Wenn ich im Frontalunterricht immer vorne stehe und ich nur Input liefere an die Studierenden, aber nichts bis kaum etwas zurückkommt, ist das auch manchmal für mich frustrierend. Und das fand ich beim PBL viel, viel spannender und auch, glaube ich, viel effizienter.“ Nachfrage: „Und können Sie noch etwas zu den Lernergebnissen sagen, also die Leistungen, die die Studierenden da erbracht haben?“ „Also ich fand, aus meiner Perspektive waren die Ergebnisse sehr gut. Denn die Studierenden sind aktiv geworden, sie sind aktiv auf Unternehmen zugegangen, haben Angebote eingeholt. Sie haben sich getroffen und miteinander im Team gearbeitet. Jeder hatte vielleicht sein kleines Päckchen, was er erarbeitet hat und dann vorgestellt hat, auch wenn sie alle die gleichen Lernziele bearbeiten sollten, sie haben es trotzdem sich untereinander aufgeteilt und zusammen erarbeitet. Am Ende in der Klausur haben sie auch gute Ergebnisse geliefert. Sie haben verstanden, um was es ging. Die Umstellung

7  Durchführung der Lehrveranstaltung271

von Auswendig-aus-einem-Skript-lernen zu Gar-kein-Skript-zur-Verfügung-haben und mit den Informationen, die ich erarbeitet habe, aus der Perspektive des Studierenden, damit zu lernen, war eine große Umstellung, die aber gut funktioniert hat.“ Nachfrage: „Wie war für Sie der Wechsel als Lehrkraft in einer Frontalveranstaltung, in der man in einer anderen Position mit anderen Aufgaben ist als im Problembasierten Lernen? Können Sie dazu noch etwas sagen, ist es Ihnen schwer gefallen oder ob Sie sagen, das ist eine Position, in der ich mich lieber sehe oder vielleicht weniger gern?“ „Also ich persönlich finde, meine Erfahrung war sehr, sehr positiv mit dem PBL. Die Umstellung war gewöhnungsbedürftig, denn auch einfach die Zusammenarbeit im Team, denn ich habe Ingenieurwissenschaften studiert und das ist einfach eine andere Erfahrung gewesen. Bei uns war es immer frontal und man war es einfach gewohnt. Ich habe drei Monate Frontalvorlesungen, dann kommen die Prüfungen, dann ist es abgeschlossen. Und dann beginnt der Zyklus von vorne über zehn Semester. Jetzt wenn man es aus der Perspektive des Lehrenden sieht, ist es zwar die einfachste Lösung, für den Studierenden aber nicht die effizienteste. Diese Umstellungen auch im Team, mit Didaktikern zusammen zu arbeiten und Pädagogen, war eine ganz andere Erfahrung, weil wir auch gar nicht in dem Ausmaß ausgebildet sind. Die Herausforderungen sind zum einen, es didaktisch so rüberzubringen, dass es verstanden wird, aber auch die Inhalte erstmal mir anzueignen, das war eine ganz interessante Erfahrung. Mir hat es extrem viel Spaß gemacht. Auch wenn es am Anfang mehr so war, erstmal gucken, was da passiert. Erstmal zurückhalten aber dann wurde man offener, weil man gemerkt hat, dass es den Studierenden Spaß macht. Dann wird man auch offener für solch neue Formate.“

7.11 Begleitforschung Eine Begleitforschung in Verknüpfung mit KlimaIng ermöglichte die Erhebung von Daten zur Wirksamkeit von PBL in der Hochschullehre. Vorgestellt werden sollen im Folgenden der Forschungsbedarf im Anschluss an bisher vorliegende Ergebnisse sowie erste Überlegungen und Schritte der Begleitforschung. Forschungsbedarf  Zum einen stellt die Konzentration auf das Fach Medizin ein Informationsdefizit dar, denn im Vergleich zur Medizin liegen kaum Erkenntnisse über die Wirkung von PBL in anderen Fachdisziplinen vor. Es stellt sich also die Frage, inwiefern PBL für das Lehren und Lernen in unterschiedlichen Fachbereichen geeignet ist. Für die Ingenieurwissenschaften wurde dies von Mills et al. [12] und Perrenet et al. [13] theoretisch diskutiert – sie kommen zu dem Schluss, dass PBL sich für die Ingenieurwissenschaften eher zu Studienbeginn eignet (vgl. ebd. [12]) und aufgrund der hierarchischen Struktur von ingenieurwissenschaftlichem Wissen in Grundlagenfächern, wie z. B. Mathematik, mit Formen direkter Instruktion, wie beispielsweise klassische Vorlesung und Übung, flankiert werden sollte (vgl. [13]). Belastbare Evidenz, die diese Überlegungen stützen oder widerlegen könnte, ist aber bisher nicht vorhanden. Es wäre also interessant

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zu erkunden, inwiefern sich PBL für verschiedene Stufen der ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung eignet oder auch, wie PBL mit eher instruktiv angelegten Lehrformen kombiniert werden kann. Oder noch grundlegender: Inwieweit PBL in der Lage ist, klassische Formen der Lehre zu ersetzen. Ein anderer Aspekt, der in der Forschung zu PBL bisher wenig Berücksichtigung fand, sind die Voraussetzungen, die Studierende in eine Lehrveranstaltung mitbringen (vgl. [1, 5]). Hier sind vor allem das Vorwissen und die Lernorientierungen der Studierenden zu nennen, die den Lernerfolg, mediiert über die Interaktion der Lernenden mit der Lernumgebung, maßgeblich mitgestalten (vgl. [8, 14, 18]). PBL ist auf tiefenorientiertes und selbstgesteuertes Lernen ausgerichtet. Insofern dürften Lernende mit einer tiefenorientierten Lernorientierung besonders von PBL profitieren (vgl. [4, 23]). Denkbar ist umgekehrt, dass Lernende, die eher mit Oberflächenlernen vertraut sind und über weniger Fähigkeiten zum selbstgesteuerten Lernen verfügen, nicht im selben Ausmaß profitieren und/oder durch PBL überfordert werden. Es stellt sich also beispielsweise die Frage, für welche Studierenden sich PBL unter welchen Bedingungen eignet (vgl. [2, 15]). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass PBL zwar intensiv erforscht wurde, die Studienlage aber inkonsistente Ergebnisse zeigt, die schwer generalisierbar sind, weil sie von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst werden, die wiederum sehr unterschiedlich operationalisiert und gemessen werden können. Die Forschung zu PBL weist damit typische Probleme der Forschung zur Wirksamkeit von Lehrmethoden auf. Die Komplexität des Geschehens von Hochschulunterricht erlaubt nur sehr begrenzt Rückschlüsse auf die spezifische Wirkung einer didaktischen Innovation auf Zielvariablen (vgl. [9, 19]).9 Insofern sollte sich zukünftige Forschung zu PBL weniger an der allgemeinen Fragestellung „Wie wirkt PBL im Vergleich zu konventionellen Unterrichtsmethoden?“ orientieren, sondern spezifischer werden und einen Beitrag dazu leisten, zu erkunden, unter welchen Bedingungen PBL, warum und in welcher Weise wirkt (vgl. [3]). Begleitforschung zu KlimaIng  Anschließend an die o.g. Forschungsdesiderate soll die Begleitforschung im Rahmen von KlimaIng einen Beitrag dazu leisten, Informationen über den Einsatz von PBL in den Ingenieurwissenschaften zu generieren und das Zusammenspiel von Lehrenden, Lernenden und PBL näher zu erkunden. Dazu werden Merkmale der institutionellen Rahmenbedingungen (z. B. Fachkultur im Bereich Maschinenbau an der TU Braunschweig), der Lehrenden (z. B. Lehrorientierungen), der Lernenden (z. B. Vorwissen und Lernorientierungen) und der Intervention (PBL) erfasst und deren Auswirkungen auf bestimmte Zielvariablen (z. B. Lernorientierungen

Das BMBF-Projekt „Kompetenzentwicklung und Lerntransfer in der Hochschullehre“ (KoLeHo) in Kooperation mit dem KHN unternimmt zur Zeit eine Wirkungsanalyse hochschuldidaktischer Qualifizierungen und untersucht, wie sich das Wissen und die Kompetenzen von Lehrenden im pädagogischen, methodisch-didaktischen Bereich entwickeln und welche Einflussfaktoren den Lerntransfer von Hochschullehrenden, die in entsprechenden Inhalten qualifiziert wurden, befördern bzw. erschweren: https://www.tu-braunschweig.de/wbm/forschung/aktuell/koleho.

9

7  Durchführung der Lehrveranstaltung273

und Lernergebnisse) untersucht. Die Begleitforschung zum Projekt berührt damit einen zentralen Themenbereich hochschuldidaktischer Forschung, nämlich die Beschreibung und Beobachtung von Merkmalen von Lehrenden, Lernumgebung und Lernenden einerseits und die Frage nach der Interaktion zwischen diesen Merkmalen andererseits (vgl. [9, 19]). Im Verlauf der Lehrveranstaltung KlimaIng war es möglich, ein erstes Instrument zu entwickeln, einzusetzen und zu testen. Da die Veranstaltung in der Fakultät fortgeführt wird, kann die Forschungsarbeit gut verankert werden und verspricht einen Mehrwert weit über den unmittelbaren Erfolg der Lehrinnovation hinaus für die hochschuldidaktische Forschung mit ingenieurwissenschaftlichem Schwerpunkt.

7.12

Bilanz und Folgerungen aus dem Projekt

Nach Projektende stellt sich die Frage, welche Schlussfolgerungen aus den gesammelten Erfahrungen gezogen werden können. Was waren Erfolgsfaktoren? Wo wird Verbesserungspotenzial gesehen? Im Folgenden zusammenfassend die Bilanz der gemeinsamen Arbeit: • Die Lehrveranstaltung KlimaIng wird auch nach Abschluss des Projekts im Wahlpflichtbereich verschiedener Studiengänge wie dem des Wirtschaftsingenieurwesens Maschinenbau oder dem des Maschinenbaus weitergeführt. Das ist vielleicht der größte Ausdruck des Projekterfolgs. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor scheint der enge fachliche und personelle Austausch zwischen Hochschul- und Fachdidaktik (hier Ingenieurwissenschaften) zu sein. Aufgrund der positiven Erfahrungen von Studierenden und Lehrenden wird die Veranstaltung weiterhin in Kooperation mit der Hochschuldidaktik durchgeführt. Das erhöht die Chance, dass die Ansätze zur Innovation der Lehre auch längerfristig wirksam bleiben. • Die Evaluationsergebnisse zeigen ein sehr positives Bild des Lehrprojekts KlimaIng, denn in der standardisierten Erhebung der Technischen Universität Braunschweig werden Werte erreicht, die sogar noch über die generell positive Bewertung der Lehre in der Fakultät hinausgehen. Die ergänzenden Evaluationsverfahren festigen das Bild. Die Studierenden äußerten eine hohe Zufriedenheit mit dem Format und auch die Lehrenden waren sehr zufrieden. • Rückmeldungen der Studierenden wiesen auf eine hohe Sensibilität gegenüber Lehrhandeln hin – sie hoben ihren Lerngewinn aufgrund des methodischen Vorgehens hervor, dabei besonders die kontinuierliche Begleitung durch die PBL-Tutorinnen und -Tutoren. Verbesserungswünsche wurden hinsichtlich des Prüfungsformats geäußert, das von einigen Studierenden nicht als kongruent zur Arbeit mit PBL erlebt wurde; Rückmeldungen zeigten immer wieder, wie aufmerksam die Studierenden auf Lehrimpulse reagierten. • Die Studierenden äußerten sich auch zur fachlichen Qualität der Veranstaltung. Sie wussten das hohe wissenschaftliche Niveau, die Aktualität und Praxisrelevanz des

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Themas zu schätzen. Ihnen wurde bewusst, dass das Thema eine über technisch-ingenieurwissenschaftliches Know-how hinausgehende Expertise erfordert und sie lobten besonders den Einbezug von Fachvertreterinnen und Fachvertretern zum Thema Klimawandel aus dem öffentlichen Bereich. Diese trugen dazu bei, die Thematik über den Tellerrand technischer Lösungen im Rahmen betrieblicher Ökonomie hinausgehend zu betrachten. • Die gesammelten Eindrücke lassen vermuten, dass die Methode PBL, die sich durch ein hohes Maß an diskursivem Vorgehen auszeichnet, besonders geeignet ist, die Thematik des Klimawandels in die Ingenieurausbildung zu integrieren. Dies zeigte sich darin, dass die Studierenden laufend gefordert waren, sich im Gespräch miteinander und im Austausch mit den Lehrenden mit dem Thema zu befassen. Aufgrund der Fallkonstruktionen fanden sie sich in der Rolle von Problemlösern wieder, die den Herausforderungen des Klimawandels begegnen mussten und wurden mit weitreichenden Aspekten der Problematik konfrontiert. • Differenzierte Aussagen zu der Frage, ob und wie PBL zu einem erhöhten Umweltbewusstsein bei Ingenieurstudierenden beitragen kann, verspricht die Begleitforschung, die durch die Entwicklung und den ersten Einsatz von Forschungsinstrumenten initiiert werden konnte. • Mit entsprechendem Ressourceneinsatz konnte ein erfolgreiches Kooperationsprojekt zwischen Ingenieurwissenschaften und Hochschuldidaktik auf den Weg gebracht werden, das gute Aussichten hat, auch längerfristig zu einer Veränderung der Lehr-/ Lernkultur und zu bewussterem Handeln angesichts des Klimawandels beizutragen.

Literatur [1] Bialowas, Nina (2016): Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation der Lehre. In: Qualität in Studium und Lehre. Kompetenz- und Wissensmanagement im steirischen Hochschulraum. Wiesbaden: Springer VS (Lernweltforschung, 26), S. 263–281. [2] Cisneros, Robert M.; Salisbury-Glennin, Jill D.; Anderson-Harper, Heidi M. (2002): Status of Problem-Based Learning Research in Pharmacy Education: A Call for Future Research. In: American Journal of Pharmaceutical Education 66, S. 19–26. [3] Dolmans, Diana H J M; Grave, Willem de; Wolfhagen, Ineke H A P ; van der Vleuten, Cees P M (2005): Problem-based learning: future challenges for educational practice and research. In: Medical education 39 (7), S. 732–741. https://doi.org/10.1111/j.1365-2929.2005.02205.x. [4] Dolmans, Diana H J M; Schmidt, Henk G. (2006): What do we know about cognitive and motivational effects of small group tutorials in problem-based learning? In: Advances in health sciences education : theory and practice 11 (4), S. 321–336. https://doi.org/10.1007/s10459-006-9012-8. [5] Döring, N. (2005): Für Evaluation und gegen Evaluitis. Warum und wie Lehrevaluation an deutschen Hochschulen verbessert werden sollte. In: B. Berendt, H.-P. Voss und J. Wildt (Hg.): Neues Handbuch Hochschullehre (Ergänzungslieferung Juli 2005). Berlin: Raabe, S. Griffmarke I 1.7, S. 1–22. [6] Görts, Wim (2003): Einleitung. In: Wim Görts und Susanne Prediger (Hg.): Projektveranstaltungen in Mathematik, Informatik und Ingenieurwissenschaften. 1. Aufl. Bielefeld: UVW Univ.-Verl. Webler (Hochschulwesen Wissenschaft und Praxis, N.F., 1), S. 1–13.

7  Durchführung der Lehrveranstaltung275   [7] Hoffmann, Sarah G.; Kiehne, Björn (2016): Ideen für die Hochschullehre. Ein Methodenreader. Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin (Fokus gute Lehre – Transferideen aus den Berliner Hochschulen, 1).   [8] Hoidn, Sabine; Kärkkäinen, Kiira (2014): Promoting Skills for Innovation in Higher Education: A Literature review on the Effectiveness of Problem-based-Learning and of Teaching Behaviours. Hg. v. OECD Directorate for Education and Skills. OECD. o.O. (Working Paper, 100). Online verfügbar unter http://www.oecd.org/officialdocuments/publicdisplaydocumentpdf/ ?cote=EDU/WKP%282013%2915&docLanguage=En, zuletzt geprüft am 14.08.2015.  [9] Jütte, Wolfgang; Walber, Markus; Lobe, Claudia (2016): Hochschulbezogene Lehr-/Lern-­ Forschung als Basis für die Professionalisierung. In: Taiga Brahm, Tobias Jenert und Dieter Euler (Hg.): Pädagogische Hochschulentwicklung. Von der Programmatik zur Implementierung. 1. Auflage. Wiesbaden: Springer VS, S. 83–99. [10] Marx, Sabine (2007): Jenseits des Hörsaals. Studentische TutorInnen qualifizieren betriebliche MitarbeiterInnen. Vermittlung von Schlüsselkompetenzen an der TU Braunschweig. In: Brigitte Berendt, Hans-Peter Voss und Johannes Wildt (Hg.): Neues Handbuch Hochschullehre. Lehren und Lernen effizient gestalten, Griffmarke F 6.3. 2. Aufl. Stuttgart: Raabe (Raabe nachschlagen, finden), S. 1–20. [11] Metje, Brigitte; Kelle, Udo (2016): Konstruktvaliditätsprobleme von Lehrevaluationen und die Potentiale einer Methodenintegration zur Entwicklung von Befragungsinstrumeten - eine Mixed-Methods-Studie. In: Daniel Großmann und Tobias Wolbring (Hg.): Evaluation von Studium und Lehre. Grundlagen, methodische Herausforderungen und Lösungsansätze. Wiesbaden: Springer VS, S. 263–288. [12] Mills, Judith E.; Treagust, David F. (2003): Engineering Education - Is Problem-Based or Project-Based Learning the Answer? In: Australasian Journal of Engineering Education (4), S.  2–15. Online verfügbar unter http://pandora.nla.gov.au/pan/10589/20060128-0000/www. aaee.com.au/journal/2003/mills_treagust03.pdf, zuletzt geprüft am 10.12.2015. [13] Perrenet, J. C.; Bouhuijs, P. A. J.; Smits, J. G. M. M. (2000): The Suitability of Problem-based Learning for Engineering Education. Theory and practice. In: Teaching in Higher Education 5 (3), S. 345–358. https://doi.org/10.1080/713699144. [14] Phan, Huy P. (2008): Predicting change in epistemological beliefs, reflective thinking and learning styles. A longitudinal study. In: British Journal of Educational Psychology 78 (1), S. 75–93. https://doi.org/10.1348/000709907X204354. [15] Reusser, Kurt (2005): Problemorientiertes Lernen - Tiefenstruktur, Gestaltungsformen, Wirkung. In: Beiträge zur Lehrerbildung 23 (2), S. 159–182. [16] Rindermann, H. (2016): Lehrveranstaltungsevaluation an Hochschulen. Der Einfluss der Rahmenbedingungen auf die Qualität von Lehre und Ergebnisse von Lehrevaluation. In: Daniel Großmann und Tobias Wolbring (Hg.): Evaluation von Studium und Lehre. Grundlagen, methodische Herausforderungen und Lösungsansätze. Wiesbaden: Springer VS, S. 227–262. [17] Schneider, Michael; Mustafić, Maida (2015): Hochschuldidaktik als quantitativ-empirische Wissenschaft. In: Michael Schneider und Maida Mustafić (Hg.): Gute Hochschullehre: Eine evidenzbasierte Orientierungshilfe. Wie man Vorlesungen, Seminare und Projekte effektiv gestaltet. Berlin: Springer. [18] Schüßler, Ingeborg (2012): Zur (Un-)Möglichkeit einer Wirkungsforschung in der Erwachsenenbildung. Kritische Analysen und empirische Befunde. In: Zeitschrift für Weiterbildungsforschung 35 (3), S. 53–63. Online verfügbar unter http://www.die-bonn.de/doks/report/2012lernforschung-02.pdf. [19] Tremp, Peter (2009): Hochschuldidaktische Forschungen - Orientierende Referenzpunkte für didaktische Professionalität und Studienreform. In: Ralf Schneider (Hg.): Wandel der Lehrund Lernkulturen. 40  Jahre Blickpunkt Hochschuldidaktik. Bielefeld: Bertelsmann (Blickpunkt Hochschuldidaktik, 120), S. 206–219.

276

S. Marx und D. Götze

[20] Uhlenwinkel, A.; Wienecke, M. (2013): Rollenspiele und Denkhüte. In: Potsdamer geographische Praxis (6), S. 41–74. Online verfügbar unter https://publishup.uni-potsdam.de/opus4ubp/files/6392/uhlenwinkel_41_47.pdf, zuletzt geprüft am 01.02.2017. [21] Walzik, Sebastian (2012): Kompetenzorientiert prüfen. Leistungsbewertung an der Hochschule in Theorie und Praxis. Opladen: Budrich (Kompetent lehren, 4). [22] Winkelmann, Constance; Melzer, Marlen; Hacker, Winfried (2008): Ist die Wirkung fragenbasierten reflexiven Auseinandersetzens mit Entwurfslösungen aufgabenabhängig? In: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie A&O 52 (3), S. 153–159. https://doi. org/10.1026/0932-4089.52.3.153. [23] Woods, Donald R.; Hrymak, Andrew N.; Wright, Heather M. (2000): Approaches to Learning and Learning Environments in Problem-based versus lecture-based learning. ASSEE Annual Conference. St. Louis, Missouri (Papers presented at 2000 Annual Conference). Online verfügbar unter https://peer.asee.org/8167, zuletzt geprüft am 17.02.2016.

Teil III Fallsammlung zur Lehrveranstaltung „KlimaIng“

In diesem Buchteil werden Fälle vorgestellt, die im Rahmen des Projekts KlimaIng entwickelt wurden. Die nachfolgend präsentierten Fälle decken verschiedene Bereiche der Planung klimagerechter Fabriken ab. Um den Dozentinnen und Dozenten die Anpassung und Schwerpunktsetzung zu ermöglichen, sind die nachfolgend aufgeführten Fälle in Abb. III.1 verschiedenen Schlagwörtern zugeordnet. Zu empfehlen ist ebenfalls, dass die Fälle an die örtlichen Begebenheiten oder an Praxisbeispiele aus dem Umfeld der Anwender angepasst werden.

278

Teil III Fallsammlung zur Lehrveranstaltung „KlimaIng“

Abb. III.1  Übersicht über die Schwerpunkte der Fälle

8

Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen Uwe Dombrowski, Sabine Marx, Stefan Ernst, Diana Götze und Anne Reimer

Drei der nachfolgend vorgestellten Fälle wurden in der Lehrveranstaltung eingesetzt und der Einsatz von zwei Fällen in Kap. 7 ausführlich beschrieben. Die weiteren Fälle wurden im Projektteam bzw. mit Firmenvertretern konstruiert und getestet. Die Fälle sollten zum Einsatz in eigenen Lehrveranstaltungen nach Bedarf angepasst werden. Oder noch besser: Sie können als Anregung für Dozentinnen und Dozenten dienen, eigene Fälle für die Lehrpraxis zu entwickeln. Erfahrungsgemäß funktionieren PBL-Fälle besonders gut, wenn ihnen echte Praxisfälle zugrunde gelegt werden. In dem Projekt KlimaIng bestand die Möglichkeit, gemeinsam mit Unternehmen der Region Fälle zu konstruieren. Die Fallkonstruktion zum Einsatz in der Lehre verändert die Fälle dennoch so stark, dass die Firmenpraxis nicht mehr im Mittelpunkt steht. Die hier vorgestellten Fälle wurden anonymisiert und im Sinne verallgemeinerbarer Lernziele im Bereich Klimawandel und Fabrikplanung verfasst. Die Lernziele, die den Fällen hinterlegt wurden, illustrieren das Potenzial der Fälle – sie sollten nach Bedarf an den Kenntnisstand der Studierenden angepasst werden. Bei der Fallkonstruktion wurde ein mittleres Kenntnisniveau bei Studierenden der Ingenieurwissenschaften nach drei bis vier Semestern vorausgesetzt. Die Ortsnamen, Produkte und Produktionsmengen, die in

U. Dombrowski (*) · S. Ernst · A. Reimer Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung, Langer Kamp 19, 38106 Braunschweig, Deutschland e-mail: [email protected]; [email protected]; [email protected] S. Marx (*) · D. Götze Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen, Bültenweg 74/75, 38106 Braunschweig, Deutschland e-mail: [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 U. Dombrowski, S. Marx (Hrsg.), KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56590-2_8

279

280

U. Dombrowski et al.

den Fällen auftauchen, sind keine Hinweise auf reale Firmen, sondern stellen Informationen bereit, die die Studierenden benötigen um, z. B. die Vulnerabilität von Unternehmen einschätzen zu können.

8.1

Fall „Grüne Wiese“

Fallbeschreibung 

Grüne Wiese

Joachim Haase sitzt in seinem neuen Büro und schaut auf die grüne Wiese am Stadtrand von Gifhorn. Dort soll die neue Fabrik des expandierenden Mittelständlers für Autozulieferung entstehen. Als Maschinenbauingenieur hat er aufgrund guter Leistungen nach nur zwei Jahren im Betrieb die Projektleitung dafür bekommen. Es ist ein heißer Sommer und er denkt an das Gespräch mit seiner Frau beim Frühstück. „Der Sommer ist so heiß“, hatte sie gesagt. „Manchmal wollen sogar die Kinder nicht mehr zum Spielen rausgehen. Meinst Du, das wird so bleiben oder sogar noch schlimmer werden?“ „Keine Ahnung“, hatte er nur gebrummt und war zur Arbeit gefahren. Während er das Fenster öffnet und an sein Projekt denkt, holt ihn die Frage seiner Frau wieder ein … Hinweise zum Fall  Der Fall „Grüne Wiese“ diente in der Lehrveranstaltung KlimaIng im Sommersemester 2016 der Einführung in die Thematik und zum Kennenlernen der Methode des Problembasierten Lernens. Er zielt auf den Erwerb von Grundlagenwissen zum Klimawandel ab und spricht Emotionen an, die auf bewussteres Handeln und bewussteres Bewerten von Handlungsoptionen in diesem Zusammenhang ausgerichtet sind. Er ist als Einstiegsfall konzipiert, beabsichtigt war von vornherein, einen Aufbaufall folgen zu lassen („Am Saalestrand“ bzw. „Novemberregen“). Als Einzelfall könnte er für einen kürzeren Lernzeitraum zum Erwerb von Grundlagenwissen zum Klimawandel auch interdisziplinär eingesetzt werden.

Lernziele Folgende Lernziele werden im Fall „Grüne Wiese“ adressiert: • Die Studierenden erkennen die Relevanz des Klimawandels für berufliches und privates Handeln. • Die Studierenden können das komplexe Geschehen Klimawandel vor dem Hintergrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse im Hinblick auf dessen Ursachen und meteorologisch-physikalischen Folgen erläutern. • Die Studierenden kennen die verschiedenen Ebenen der Fabrikplanung und können Erkenntnisse zum Klimawandel darauf beziehen.

8  Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen281

• Die Studierenden kennen die Auswirkungen produzierender Unternehmen auf den Klimawandel und können sie erläutern. • Die Studierenden kennen die Auswirkungen des Klimawandels auf produzierende Unternehmen und können sie erläutern. Auf der Ebene der Teilprobleme sind folgende Feinziele – hier formuliert in Frageform – denkbar: • • • •

Was ist der Klimawandel und wodurch wird er verursacht? Welche meteorologisch-physikalischen Folgen hat der Klimawandel? Welche Auswirkungen hat der Klimawandel für die moderne Fabrikplanung? Welche Auswirkungen haben produzierende Unternehmen auf den Klimawandel?

Literaturempfehlungen Bentz-Hölzl J (2014): Der Weltklimavertrag: Verantwortung der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen den Klimawandel. Wiesbaden: Springer Fachmedien. [1] Förstner U: Umweltschutztechnik. 8. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer-Verlag 2012. Fouad NA (Hrsg.) (2013): Bauphysik-Kalender 2013. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Berlin: Ernst & Sohn. [3] Hasenmuller P (2009): Unternehmensrisiko Klimawandel: Risiken managen und Chancen strategisch nutzen. Wiesbaden: Gabler. [4] Prutsch A, Grothmann T, McCallum S, Schauser I, Swart R (2014): Climate Change Adaptation Manual: Lessons learned from European and other industrialised countries. New York: Routledge 2014. [5] Rahmstorf S, Schnellnhuber HJ (2007): Der Klimawandel: Diagnose, Prognose, Therapie. 5. Auflage. Munchen: Beck Verlag. [6] Schenk M, Wirth S, Müller E (2014): Fabrikplanung und Fabrikbetrieb. Methoden für die wandlungsfähige, vernetzte und ressourceneffiziente Fabrik. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer-Verlag. [7] Von Storch H, Claussen M (Hrsg.) (2011): Klimabericht fur die Metropolregion Hamburg. Berlin-Heidelberg: Springer-Verlag.

8.2

Fall „Am Saalestrand“

Fallbeschreibung 

Am Saalestrand

Svenja Kuhlemann ist leitende Ingenieurin eines großen Baustoffherstellers. Das Unternehmen erzeugt täglich ca. 1500 m3 Porenbeton. Einst sehr erfolgreich, hat das

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Unternehmen nun seit mehreren Jahren mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, deren Überwindung weitreichende Veränderungen der Fabrik erforderlich machen. Frau Kuhlemann soll sich in ihrer Funktion als Projektleiterin dieser Schwierigkeiten annehmen … Ursprünglich gewährleistete ein eigenes Gas-Kraftwerk die Energieversorgung der gesamten Fabrik. Die Erdgasvorkommen der ansonsten strukturschwachen Gegend gehen zur Neige – mit entsprechenden Auswirkungen auf den regionalen Energiemarkt: Zunehmend wurden in den letzten Jahren Stellen abgebaut, um die steigenden Energiekosten aufzufangen, vor allem seit der Energiewende 2012 und der Einführung des CO2-Handels. Neben diesen Schwierigkeiten kommt es zunehmend zu Hochwasserperioden und Hitzewellen. In den letzten zehn Jahren wurde das Fabrikgelände, das direkt an der Saale liegt, durch Hochwasser bereits drei Mal stark beschädigt, was zu mehrtägigen Produktionsausfällen geführt hat. Zwar gibt es auf dem Gelände eine eigene Feuerwehr, die liegt aber näher an dem Fluss als die Produktionsstätten selbst, sodass die Feuerwehr bei den letzten drei Hochwassern zuerst überspült wurde und daher keine Hilfe leisten konnte. Im Sommer sind die Kühlaggregate regelmäßig überlastet, sodass die Produktion in den Hitzeperioden gedrosselt werden muss – dies liegt daran, dass das Kühlwasser in den nahegelegenen Fluss eingeleitet wird und die gesetzlichen Regelungen für die Einleitung bestimmte Wassertemperaturen und -mengen vorgibt. Werden diese überschritten, muss die Einleitung gedrosselt werden und damit auch die Produktion des Unternehmens. Hinweise zum Fall  Der Fall „Am Saalestrand“ ist als Aufbaufall für den zuvor beschriebenen Fall „Grüne Wiese“ konzipiert. Grundlagenwissen zum Klimawandel wird vorausgesetzt, um tiefer in das Thema klimagerechte Fabrikplanung und -gestaltung einzusteigen.

Lernziele Mit dem Fall „Am Saalestrand“ werden folgende Lernziele verfolgt: • Die Studierenden können die spezifischen Auswirkungen der Folgen des Klimawandels (hier Hochwasser, Hitzeperioden) auf Gelände, Gebäude und Prozesse produzierender Unternehmen benennen und die Vulnerabilität von Unternehmen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse bewerten. • Die Studierenden können die physischen (hier: Gebäudeschäden), infrastrukturellen (hier u. a. Feuerwehr) und regulativen Risiken (hier besonders: Teilausfall der Produktion durch gesetzlich verordnete Drosselung) der Folgen des Klimawandels beschreiben und in praxisorientierten Problemdarstellungen identifizieren. • Die Studierenden kennen den Risikomanagementprozess zur Identifikation und Bewertung von Unternehmensrisiken, können die einzelnen Schritte benennen und am Fallbeispiel ausführen. Dabei nutzen sie geeignete Möglichkeiten der Datengewinnung und -interpretation. • Die Studierenden können Maßnahmen der Mitigation (hier: Umstieg auf erneuerbare Energien) und der Adaption (hier: Hochwasserschutz, Kühlkonzept) hinsichtlich

8  Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen283

ökologischer und ökonomischer Wirksamkeit und Machbarkeit sowie unter Einbezug gesetzlicher Vorgaben bewerten. Auf der Ebene der Teilprobleme sind folgende Feinziele – hier formuliert in Frageform – denkbar: • Wie hoch ist die Eintrittswahrscheinlichkeit von Hochwasser in der Region in den nächsten Jahren? • Welche Folgen hat Hochwasser auf Gelände, Gebäude und Prozesse? • Welche Formen des Hochwasserschutzes gibt es? • Welche Möglichkeiten der Nutzung erneuerbarer Energien gibt es für Unternehmen mit energieintensiven Produktionsprozessen? • Welche gesetzlichen Regelungen gibt es für die Ableitung von Kühlwasser? • Welche alternativen Kühlsysteme gibt es, die auch Hitzeperioden abfangen können? • Was ist Risiko? Wie kann das Risiko gemessen werden? Literaturempfehlungen Dombrowski U, Ernst S (2014): Risiken des Klimawandels für die Fabrikplanung. In: Industrie Management 30, Heft 5, S. 23-26. [9] Dombrowski U, Ernst S (2014): Effects of Climate Change on Factory Life Cycle. 21st CIRP Conference on Life Cycle Engineering, 18.-20.06.2014, Trondheim, Norwegen. VdS 3521 (2007): Schutz vor Überschwemmungen. Publikationen der deutschen Versicherer (GDV e.V.) zur Schadenverhütung. 2007-09 (01). [11] VdS 6001 (2014): Mobile Hochwasserschutzsysteme. Publikationen der deutschen Versicherer (GDV e.V.) zur Schadenverhütung. 2014-02 (01). [12] Weller B, Fahrion MS, Horn S, Naumann T, Nikolowski J (2016): Baukonstruktion im Klimawandel. Wiesbaden: Springer Vieweg. [13] Patt H, Jüpner R (2013): Hochwasser-Handbuch. 2. Aufl. 2013. neu bearb. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg 2013. [14] Heimerl S, Meyer H (2014): Vorsorgender und nachsorgender Hochwasserschutz. Wiesbaden: Springer Vieweg 2014. [15] Hatzfeld F, Kurz S (2010): Klimaangepasstes Bauen - Kriteriensteckbrief „Widerstandsfähigkeit gegen Naturgefahren: Wind, Starkregen, Hagel, Schnee/feuchte Winter und Hochwasser“. Aachen: 2010. [16] Europäische Union: Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken. Zuletzt abgerufen am 06.11.2007. [17] Egli T (1996): Hochwasserschutz und Raumplanung. Zürich: vdf Hochsch.-Verl. an der ETH 1996. [18] Adam, V.: Hochwasser-Katastrophenmanagement. 1. Aufl. s.l.: DUV Deutscher Universitäts-Verlag 2006. [19]

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U. Dombrowski et al.

Wietschel M, Ullrich S, Markewitz P, Schulte F, Genoese F (2015): Energietechnologien der Zukunft. Erzeugung, Speicherung, Effizienz und Netze. Wiesbaden: Springer Vieweg 2015. [20] Abwasserabgabengesetz – AbwAG: Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer. Neugefasst durch Bek. v. 18.1.2005 I 114. Zuletzt geändert durch Art. 2 V v. 1.6.2016 I 1290. [21]

8.3

Fall „Novemberregen“

Fallbeschreibung 

Novemberregen

Johanna Sparwasser wurde als Projektingenieurin bei einem Hersteller für Landmaschinen in Hannover neu eingestellt. Ihr erstes Projekt zielt auf die Reduzierung von CO2-Emissionen durch die Verbesserung der Fassade des in den 1950ern gebauten Fabrikgebäudes mit angeschlossenem Bürogebäude. In wenigen Wochen findet der erste Termin zur Vorstellung des Zwischenergebnisses statt. Mitten in ihren Recherchen über mögliche Varianten, wird sie zu ihrem Chef gerufen. Er berichtet ihr, dass nach einem mehrtätigen Starkregen bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate ein wichtiger Logistikbereich überflutet worden ist. Dies hatte zur Folge, dass das Montageband gestoppt werden musste, da es nicht mehr mit Material versorgt werden konnte. Bei der letzten Überflutung wurde von einem einmaligen Unglücksfall gesprochen, doch das Risiko für weitere Wiederholungen scheint zu steigen. Sie erinnert sich, dass in einem Gespräch mit einem erfahrenen Mitarbeiter von der schlechten baulichen Beschaffung des Regenwasserentsorgungssystems gesprochen wurde, lediglich der Regensensor auf dem Sheddach wurde kürzlich erneuert. Das Fabrikgelände ist großflächig bebaut und versiegelt. Neben dem Oberflächenwasser im Logistikbereich gelangt auch Wasser in das unterirdische Lüftungssystem und unterirdische Kabelschächte. Bei der letzten TV-Befahrung wurden zusätzlich auch starke Verunreinigungen und Sand in den Regenwasserkanälen festgestellt. Regenwasser- und Lüftungssystem sowie Kabelschächte sind allerdings nur bedingt mit Kameras befahrbar, da sie nur schwer zugänglich sind und weitläufig unter der Fabrikhalle verlaufen. Es ist daher unklar, woher Wasser, Verunreinigungen und Sand genau kommen. Es wird aber vermutet, dass das Regenwassersystem mit den Starkregenmengen überlastet ist. Nachdem ihr Vorgesetzter den Sachverhalt geschildert hat, fragt sie, ob man das Regenwassersystem nicht über Verrieselung entlasten könnte. Ihr Chef winkt ab: „Hier war mal eine Galvanisierungsanlage, was meinen Sie, was da alles an Altlasten im Boden steckt.“ Frau Sparwasser wird klar, dass sie es hier mit einer heiklen Aufgabe zu tun

8  Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen285

hat, die sich so einfach nicht bewältigen lassen wird. Und dann ist da ja auch noch die Sache mit der Fassade … Hinweise zum Fall  In der Lehrveranstaltung wurde dieser Fall ebenso wie „Am Saalestrand“ als Aufbaufall im Anschluss an „Grüne Wiese“ eingesetzt. Er setzt ebenfalls Grundlagenwissen zu Klimawandel und Fabrikplanung voraus und bietet die Möglichkeit zur vertieften Erarbeitung der Thematik. Der Unterschied zwischen den beiden Fällen besteht in der Schwerpunktsetzung. Während „Am Saalestrand“ auf Hochwasser und extreme Hitzeperioden als Hauptproblematik fokussiert, stehen bei „Novemberregen“ Starkregen und Dämmmaßnahmen im Mittelpunkt. Die Lernziele des Falles sind fast gleichlautend mit denen des Falles „Am Saalestrand“.

Lernziele Die folgenden Lernziele leiten sich aus dem Fall „Novemberregen“ ab: • Die Studierenden können die spezifischen Auswirkungen der Folgen des Klimawandels (hier: Starkregen) auf Gelände, Gebäude und Prozesse produzierender Unternehmen benennen (hier: Produktionsausfall) und die Vulnerabilität von Unternehmen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse bewerten. • Die Studierenden können die physischen, infrastrukturellen und regulativen Risiken der Folgen des Klimawandels beschreiben und in praxisorientierten Problemdarstellungen identifizieren. • Die Studierenden kennen den Risikomanagementprozess zur Identifikation und Bewertung von Unternehmensrisiken, können die einzelnen Schritte benennen und am Fallbeispiel ausführen. Dabei nutzen sie geeignete Möglichkeiten der Datengewinnung und -interpretation. • Die Studierenden können Maßnahmen der Mitigation (hier: Energieeffizienz durch Dämmmaßnahmen,) und der Adaption (hier: Rückhaltung und Einleitung von Regenwasser) hinsichtlich ökologischer und ökonomischer Wirksamkeit und Machbarkeit und unter Einbezug gesetzlicher Vorgaben bewerten. Auf der Ebene der Teilprobleme sind folgende Feinziele – hier formuliert in Frageform – denkbar: • Wie hoch ist die Eintrittswahrscheinlichkeit von Starkregen in der Region? • Welche Folgen hat Starkregen für Gelände, Gebäude und Prozesse? • Welche Möglichkeiten gibt es, die Ursache von Verunreinigungen in Regenwassersystemen zu ermitteln? • Welche technischen Lösungen zur Rückhaltung von Regenwasser gibt es? • Wie können Fassaden gedämmt werden, um die Energieeffizienz von Produktionsgebäuden zu erhöhen?

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• Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind bei der Fassadendämmung zu berücksichtigen? • Welches Risiko stellen Altlasten in Böden für die unterirdische Ableitung von Regenwasser dar? Literaturempfehlungen Beyer R (2016): Starkregen und Sturzfluten. Landsberg: ecomed Sicherheit. [22] Hatzfeld F, Kurz S (2010): Klimaangepasstes Bauen - Kriteriensteckbrief „Widerstandsfähigkeit gegen Naturgefahren: Wind, Starkregen, Hagel, Schnee/feuchte Winter und Hochwasser“. Aachen: 2010. [16] Kunz M, Mohr S, Werner P (2017): Klimawandel in Deutschland: regionale Besonderheiten und Extreme - Niederschlag. In: Brasseur G, Jacob D, Schuck-Zoller S (Hrsg.) (2017): Klimawandel in Deutschland. Berlin: Springer Spektrum. [23] Strahler A, Strahler A (2009): Physische Geographie. 4., vollstandig uberarbeitete Auflage. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer. [24] Kreienkamp F, Deutschlander T (2016): Starkniederschlage in Deutschland. Deutscher Wetterdienst. [25]

8.4

Fall „Brockenblick“

Fallbeschreibung 

Brockenblick

Max Müller ist oberster Controller in einem Produktionswerk eines mittelständischen Unternehmens nahe Goslar. Die Fabrik liegt direkt am Fuße eines steilen Berghangs, an dem die Sträucher und Hecken kürzlich entfernt wurden. Er wurde vom geschäftsführenden Inhaber des Unternehmens beauftragt das Ausfallrisiko der Produktion zu bewerten, da für einen anstehenden Großauftrag für die Automobilindustrie hohe Strafzahlungen vereinbart wurden. Er weiß, dass nur sein Standort diese Zündmechanik für die Airbagauslösung fertigen kann. Heute ist schon der fünfte stürmische, stark verregnete Tag in Folge. Das langsam ablaufende Wasser auf dem Parkplatz erinnert ihn daran, wie ein Hochwasser in Thailand vor einigen Jahren die Auslieferung seines ersten Firmenwagens verzögert hat, da ein elektronisches Bauteil für den Schlüssel nicht mehr geliefert werden konnte … Hinweise zum Fall  Der Fall wurde im Rahmen des Projekts konstruiert und im Team getestet und angepasst. Er nimmt auf reale Gegebenheiten der Automobilindustrie in Zeiten des Klimawandels Bezug. In der Lehrveranstaltung wurde der Fall in der Klausur eingesetzt, um den Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihre erworbenen Kompetenzen

8  Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen287

auf Grundlage einer Fallbearbeitung unter Beweis zu stellen Der Fall könnte ebenso als Einstiegsfall in die Thematik klimagerechte Fabrikplanung genutzt werden oder als Einzel- bzw. Aufbaufall, um die Aspekte Starkregen, internationale Lieferketten und Risikominimierung in den Blick zu nehmen.

Lernziele Diese Lernziele werden mit dem Fall adressiert: • Die Studierenden können die spezifischen Auswirkungen der Folgen des Klimawandels (hier: Starkregen, Erdrutsch) auf Gelände, Gebäude und Prozesse produzierender Unternehmen benennen (hier: Produktionsausfall) und die Vulnerabilität von Unternehmen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse bewerten. • Die Studierenden können die physischen, infrastrukturellen (hier: Unterbrechung der Lieferkette) und regulativen Risiken der Folgen des Klimawandels beschreiben und in praxisorientierten Problemdarstellungen identifizieren. • Die Studierenden kennen den Risikomanagementprozess zur Identifikation und Bewertung von Unternehmensrisiken, können die einzelnen Schritte benennen und am Fallbeispiel ausführen. Dabei nutzen sie geeignete Möglichkeiten der Datengewinnung und -interpretation. Auf der Ebene der Teilprobleme sind folgende Feinziele – hier formuliert in Frageform – denkbar: • • • • • •

Wie hoch ist die Eintrittswahrscheinlichkeit von Starkregen in der Region? Welche Risiken bestehen für den Standort bezüglich des Produktionsausfalls? Wie lassen sich diese Risiken bewerten? Welche Strategien eignen sich zur Risikominimierung? Welche Maßnahmen können durchgeführt werden? Welche Folgen haben Produktionsausfälle für die Lieferkette (Unterbrechung der Lieferkette, Lieferverzug)?

Literaturempfehlungen Beyer R (2016): Starkregen und Sturzfluten. Landsberg: ecomed Sicherheit. [22] Hatzfeld F, Kurz S (2010): Klimaangepasstes Bauen - Kriteriensteckbrief „Widerstandsfähigkeit gegen Naturgefahren: Wind, Starkregen, Hagel, Schnee/feuchte Winter und Hochwasser“. Aachen: 2010. [16] Kunz M, Mohr S, Werner P (2017): Klimawandel in Deutschland: regionale Besonderheiten und Extreme - Niederschlag. In: Brasseur G, Jacob D, Schuck-Zoller S (Hrsg.) (2017): Klimawandel in Deutschland. Berlin: Springer Spektrum. [23] Strahler A, Strahler A (2009): Physische Geographie. 4., vollstandig uberarbeitete Auflage. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer. [24]

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U. Dombrowski et al.

Kreienkamp F, Deutschlander T (2016): Starkniederschlage in Deutschland. Deutscher Wetterdienst. [25] Hasenmuller P (2009): Unternehmensrisiko Klimawandel: Risiken managen und Chancen strategisch nutzen. Wiesbaden: Gabler. [4]

8.5

Fall „Neues vom Gipfel“

Fallbeschreibung 

Neues vom Gipfel

Die Kanzlei der Juristin Anna Schulze läuft gut, aber ihre Gutachtertätigkeit für die Industrie und Handelskammer Braunschweig (IHK) ist eine gern gesehene Abwechslung zu den langen Verhandlungstagen bei Vertragsstreitigkeiten zwischen Industrieunternehmen. Auf dem Unternehmensjuristenkongress lernte sie einen Arbeitsrechtler einer Gießerei kennen, welcher von den hohen Auflagen für die Befreiung von der EEG-Umlage sowie die Sinnhaftigkeit des CO2-Zertifikatshandels berichtete. In Kürze beginnt der nächste Vortrag zu einem für sie eher unwichtigen Thema. Frau Schulze schnappt sich eine Zeitung und von der Titelseite lacht sie Frau Merkel an, welche auf dem heutigen Klimagipfel über die Begrenzung von Treibhausgasen spricht … Hinweise zum Fall  Ein wichtiger Aspekt des Themas klimagerechte Fabrikplanung sind gesetzliche Vorschriften und Rahmenbedingungen. Die Studierenden formulieren bei den hier vorgestellten Fällen zwar meist selbst Lernziele, die diesen Bereich betreffen, jedoch kann es je nach Seminaraufbau auch sinnvoll sein, das Thema gesetzliche Rahmenbedingungen deutlicher in den Lernfokus zu rücken. Dazu kann dieser Fall dienen. Es handelt sich daher um einen Erweiterungsfall, der Grundlagenwissen zum Thema Klimawandel und Aufbauwissen eher technischer Art sinnvoll ergänzen kann. Der Fall eignet sich auch für den Einsatz in interdisziplinär ausgerichteten Lehrveranstaltungen.

Lernziele Diese Lernziele werden mit dem Fall adressiert: • Die Studierenden können die spezifischen Auswirkungen der Folgen des Klimawandels (hier: Begrenzung der Emission von Treibhausgasen zur Abmilderung des Klimawandels) auf Gelände, Gebäude und Prozesse produzierender Unternehmen benennen und die Vulnerabilität von Unternehmen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse bewerten. • Die Studierenden können die physischen, infrastrukturellen und regulativen Risiken der Folgen des Klimawandels beschreiben (hier besonders regulative Risiken bezüglich

8  Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen289

der Verbrennung fossiler Rohstoffe, CO2-Zertifikate) und in praxisorientierten Problemdarstellungen identifizieren. • Die Studierenden kennen den Risikomanagementprozess zur Identifikation und Bewertung von Unternehmensrisiken, können die einzelnen Schritte benennen und am Fallbeispiel ausführen. Dabei nutzen sie geeignete Möglichkeiten der Datengewinnung und -interpretation. Auf der Ebene der Teilprobleme sind folgende Feinziele – hier formuliert in Frageform – denkbar: • • • • •

Welche gesetzlichen Regelungen gibt es für die Nutzung fossiler Energieträger? Welche gesetzlichen Regeln gibt es zur Emission von Treibhausgasen? Was ist der CO2-Zertifikatehandel und welche Folgen hat er für Unternehmen? Welche rechtlichen Risiken bestehen für produzierende Unternehmen? Welche Gesetze betreffen produzierende Unternehmen im Zusammenhang mit dem Klimawandel? • Wie müssen gesetzliche Vorgaben bei der Fabrikplanung berücksichtigt werden? Literaturempfehlungen Bundesregierung (2011): Aktionsplan Anpassung der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel. 1. Auflage. Berlin: Bundesregierung. [29] Muller E, Engelmann J, Loffler T, Strauch J (2009): Energieeffiziente Fabriken planen und betreiben. 1. Auflage. Berlin: Springer Verlag 2009. [30]

8.6

Fall „In die Jahre gekommen“

Fallbeschreibung 

In die Jahre gekommen

Martin Grübel hat vor kurzem den Galvanisierungsbetrieb seines Vaters übernommen. Eigentlich ist er Ingenieur für Maschinenbau mit Schwerpunkt Fahrzeugtechnik, hat aber seine Projektleiterstelle bei einem großen deutschen Automobilhersteller gekündigt, um das Familienunternehmen in Pasing (Bayern) weiterzuführen. Die Auftragslage ist gut, bei den Gewinnen ist eine steigende Tendenz zu verzeichnen. Sorgen machen ihm eher andere Dinge. Jeden Morgen geht er durch die Produktionshalle, begrüßt die Mitarbeiter des mittelständischen Familienbetriebs – einige von ihnen kennt er seit seiner Kindheit. Immer häufiger melden sich vor allem die älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krank. Es wird Winter und in der Halle

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herrscht ein andauernder Durchzug, die alte Ölheizung kommt gegen diese Kälte kaum an. Das in die Jahre gekommene Gebäude hatte bei einem Unwetter vor einigen Monaten Schäden davongetragen. Hagel hat Löcher in dem alten Sheddach hinterlassen und die Versicherung wollte den Schaden zunächst nicht übernehmen. Das Dach wurde daher nur notdürftig geflickt. Bis heute ist ungeklärt, wie mit dem beschädigten Dach weiter verfahren werden soll und wer die Kosten dafür trägt. Hinweise zum Fall  Der Fall wurde im Rahmen des Projekts konstruiert und im Team getestet und angepasst. Nicht nur Konzerne, sondern auch mittelständische Betriebe sind von den Folgen des Klimawandels betroffen. In diesem Fall kommt auch die persönliche Verantwortung von Unternehmerinnen und Unternehmern für die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Tragen. Hiermit werden Folgen des Klimawandels angesprochen, die sich indirekt auf den Erfolg des Unternehmens auswirken.

Lernziele Diese Lernziele werden mit dem Fall adressiert: • Die Studierenden können die spezifischen Auswirkungen der Folgen des Klimawandels (hier: Hagel, Schnee) auf Gelände, Gebäude und Prozesse produzierender Unternehmen benennen und die Vulnerabilität von Unternehmen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse bewerten. • Die Studierenden können die physischen, infrastrukturellen und regulativen Risiken (hier: Erkrankung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Folge von Gebäudeschäden) der Folgen des Klimawandels beschreiben und in praxisorientierten Problemdarstellungen identifizieren. • Die Studierenden kennen den Risikomanagementprozess zur Identifikation und Bewertung von Unternehmensrisiken, können die einzelnen Schritte benennen und am Fallbeispiel ausführen. Dabei nutzen sie geeignete Möglichkeiten der Datengewinnung und -interpretation. • Die Studierenden können Maßnahmen der Mitigation (hier: Modernisierung des Heizsystems) und der Adaption (hier: bauliche Anpassung des Daches, Schadensregulierung durch Versicherung) hinsichtlich ökologischer und ökonomischer Wirksamkeit und Machbarkeit und unter Einbezug gesetzlicher Vorgaben bewerten. Auf der Ebene der Teilprobleme sind folgende Feinziele – hier formuliert in Frageform – denkbar: • Welche Auswirkungen können Folgen des Klimawandels auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen haben?

8  Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen291

• Wie kann ein Unternehmen zur Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zeiten des Klimawandels kurz- und langfristig beitragen? • Wann und wie treten Versicherungen für die Regulierung von Gebäudeschäden ein? • Wie hoch ist die Eintrittswahrscheinlichkeit für Hagel in der Region? • Welche Möglichkeiten gibt es, das Dach zu reparieren und für zukünftige Unwetter zu rüsten? • Welche Möglichkeiten zur Modernisierung veralteter Ölheizsysteme gibt es? Literaturempfehlungen Klein, H (2012): Allgemeine Witterungskunde. 1. Aufl. Paderborn: Salzwasser Verlag . [31] Lateltin O, Jordi M (2008): Elementarschutzregister Hagel. Bern. [32] Perk T (2015): Sach- und Vermögensversicherungen leicht gemacht. 3. Aufl. s.l.: Verlag Versicherungswirtschaft GmbH 2015. [33] Schertenleib MH, Egli-Broz H (2011): Globale Klimatologie: Meteorologie, Wetterinformation und Klimatologie. 2., überarb. Aufl. Zürich: Compendio Bildungsmedien. [34] Suda J, Rudolf-Miklau F (Hrsg.) (2012): Bauen und Naturgefahren. Wien: Springer. [35] Weller B, Fahrion MS, Horn S, Naumann T, Nikolowski J (2016): Baukon-struktion im Klimawandel. Wiesbaden: Springer Vieweg. [36]

8.7

Fall „Smogalarm am Modehimmel“

Fallbeschreibung 

Smogalarm am Modehimmel

Magdalena Bauer ist als Projektleiterin in einem namhaften deutschen Modeunternehmen für Bekleidung beschäftigt. Das Familienunternehmen mit Hauptsitz in einer Großstadt war jahrelang erfolgreich – vor allem, seit die Produktion von Deutschland zunehmend nach Südasien verlagert wurde. Regelmäßig besucht Frau Bauer die Produktionsfabrik in Südasien, um sich ein Bild von der Qualität und der Arbeitsumgebung vor Ort zu machen. Die Fabrik ist mittlerweile nicht mehr die Neuste. In den Sommermonaten kommt es häufig zu Produktionsausfällen in den südasiatischen Nähereien aufgrund der fehlenden Klimatisierung. Zudem muss Frau Bauer sich in dieser Zeit einen Mundschutz mitbringen, da der Smog in der Sommerzeit doch schon sehr belastend ist. Trotz dieser Unannehmlichkeiten hält das Modeunternehmen an der Textilfabrik wegen der extrem günstigen Produktionskosten fest. Der Kunde ist ja schließlich weit weg. Dies stellt Frau Bauer jedoch auch vor Herausforderungen.

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Frau Bauer überlegt sich, wie die Ware nun am besten zum Kunden gelangt. Bisher hat sie sich wenig Gedanken zu dem Thema gemacht. Ein Zeitungsartikel sowie der Smog lassen Frau Bauer jedoch nachdenklich werden. „Bei uns gibt es doch nicht so starken Smog“, denkt sie sich. „Wieso denn eigentlich hier?“ Während des Rückflugs lehnt sie sich zurück und schließt die Augen. Das Thema verfolgt sie jedoch bis in den Schlaf. Frau Bauer ist skeptisch: Die Käufer werden bei ihren Entscheidungen bewusster, Nachhaltigkeit ist zu einem werbewirksamen Prädikat geworden. Außerdem hört man nichts Gutes über die Produktionsbedingungen im Ausland. Noch vor ein paar Tagen hat Sie einen interessanten Artikel dazu gelesen. Hinweise zum Fall  Der Fall „Smogalarm am Modehimmel“ betrachtet die Problematik des Klimawandels als Teilaspekt einer nachhaltigen Entwicklung produzierender Unternehmen. Er fokussiert weniger auf technische Lösungen, sondern regt zu einer ethischmoralischen Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Fragen der Unternehmensentwicklung an. Darüber hinaus werden in diesem Fall sowohl regionale als auch internationale Produktionsbedingungen thematisiert. Hier spielt der Aspekt der Globalisierung und der damit verbundenen Emissionen für den Warentransport eine wichtige Rolle.

Lernziele Diese Lernziele werden mit dem Fall adressiert: • Die Studierenden erkennen die Relevanz des Klimawandels für berufliches und privates Handeln. • Die Studierenden kennen die Auswirkungen produzierender Unternehmen auf den Klimawandel (hier: Transport, Abfallwirtschaft in Südostasien) und können sie erläutern. • Die Studierenden können die spezifischen Auswirkungen der Folgen des Klimawandels (hier: Hitze) auf Gelände, Gebäude und Prozesse produzierender Unternehmen benennen und die Vulnerabilität von Unternehmen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse bewerten. • Die Studierenden können die physischen, infrastrukturellen und regulativen Risiken (hier: Unterbrechung der Supply Chain in Hitzeperioden, Gesundheitsgefährdung der Mitarbeiter durch fehlende Klimatisierung) der Folgen des Klimawandels beschreiben und in praxisorientierten Problemdarstellungen identifizieren. Auf der Ebene der Teilprobleme sind folgende Feinziele – hier formuliert in Frageform – denkbar: • Lohnt sich die Produktion von Mode in Südasien für das deutsche Unternehmen noch? Wie lässt sich das berechnen? • Welche Klimarisiken sind mit der Produktion von Mode (inklusive Transport, Lieferketten und Abfallwirtschaft) in Südostasien verbunden?

8  Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen293

• Wie lassen sich die Risiken ermitteln? (Berechnung, Bewertung) • Lässt sich Mode in Deutschland zur Zeit bzw. perspektivisch (Klimawandel) rentabel produzieren? • Wie könnte eine nachhaltige klimagerechte Produktionsstätte für Mode in Deutschland gestaltet sein? • Welche Forderungen stellen Konsumentinnen und Konsumenten an Unternehmen hinsichtlich des Themas Nachhaltigkeit? Literaturempfehlungen IPCC (2014): Climate Change 2014: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. [37]

8.8

Fall „Elbinsel“

Fallbeschreibung 

Elbinsel

Barne Sturmberger schaut gerade die Tagesschau. Beim Wetterbericht wird ihm fast schwindelig, als er sieht, dass für die Deutsche Bucht und die norddeutsche Tiefebene eine Unwetterwarnung für einen orkanartigen Sturm herausgegeben wurde. Herr Sturmberger ist für die Flugzeugteile AG am Standort Jork nahe Hamburg für das Gebäudemanagement verantwortlich. Erst beim letzten Sturm traten große Schäden durch herumfliegende Fassadenteile des 50 Jahre alten Fabrikgebäudes auf. Der Standort der Flugzeugteile AG ist auf der Elbinsel Hahnöfersand gelegen und stellt für einen Flugzeughersteller in Hamburg Strukturkomponenten her. Die Fertigung ist in einer 4000 m2 großen Halle konzentriert. Geschützt wird die Fabrik durch einen Damm, der mittlerweile schon in die Jahre gekommen ist. Obwohl das Unternehmen bestrebt ist, immer weniger klimaschädliche Gase zu emittieren, wurde bisher das Risiko häufigerer Stürme und der steigende Meeresspiegel für die Sicherheit des Standorts nicht thematisiert. Hinweise zum Fall Auf der genannten Halbinsel befindet sich aktuell keine Fabrik, allerdings wurde diese konkrete Standortbeschreibung gegeben, um den Studierenden standortspezifische Wetter- und Klimadatenanalyse zu ermöglichen. Diese Daten sind entsprechend aufzubereiten und daraus Risikoprofile für den Fabrikstandort zu erarbeiten. Zudem sollen Maßnahmen zur Adaption der Fabrik an die veränderten Klimabedingungen erarbeitet und Maßnahmen zur Mitigation und Adaption der Fabrik an Extremwetterereignisse insbesondere in Form von Stürmen erarbeitet werden.

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U. Dombrowski et al.

Lernziele Diese Lernziele werden mit dem Fall adressiert: • Die Studierenden können die spezifischen Auswirkungen der Folgen des Klimawandels (hier: Stürme und Sturmflut, Meeresspiegelanstieg, Hochwasser) auf Gelände, Gebäude und Prozesse produzierender Unternehmen benennen und die Vulnerabilität von Unternehmen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse bewerten. • Die Studierenden können die physischen (hier: Verletzung von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern, Gebäudeschäden), infrastrukturellen (hier: Verkehrswege) und regulativen Risiken (hier: Regressansprüche verletzter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Verstoß gegen die Arbeitsstättenverordnung) der Folgen des Klimawandels beschreiben und in praxisorientierten Problemdarstellungen identifizieren. • Die Studierenden kennen den Risikomanagementprozess zur Identifikation und Bewertung von Unternehmensrisiken, können die einzelnen Schritte benennen und am Fallbeispiel ausführen. Dabei nutzen sie geeignete Möglichkeiten der Datengewinnung und -interpretation. Auf der Ebene der Teilprobleme sind folgende Feinziele – hier formuliert in Frageform – denkbar: • Wie hoch ist die Eintrittswahrscheinlichkeit von Stürmen und Sturmfluten in der Region? • Welche Risiken bestehen für den Standort durch Stürme und den Anstieg des Meeresspiegels? • Wie lassen sich diese Risiken bewerten? • Welche Strategien eignen sich zur Risikominimierung? • Welche Maßnahmen zum Schutz vor Sturmfluten können durchgeführt werden? • Welchen Stellenwert haben Adaptions- und Mitigationsmaßnahmen in Unternehmen? Literaturempfehlungen Petermann T, Bradke H, Lüllmann A, Poetzsch M, Riehm U (2013): Was bei einem Blackout geschieht. 2. Aufl. Berlin: ed. sigma 2013. [38] Pinto J, Reyers M (2017): Klimawandel in Deutschland: regionale Besonderheiten und Extreme - Winde und Zyklone. In: Brasseur G, Jacob D, Schuck-Zöller S (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland. Berlin: Springer Spektrum. [39] VdS 2389 (2016): Schutz vor Sturm. Publikationen der deutschen Versicherer (GDV e.V.) zur Schadenverhütung. 2016-03 (02). [40] VdS 3521 (2007): Schutz vor Überschwemmungen. Publikationen der deutschen Versicherer (GDV e.V.) zur Schadenverhütung. 2007-09 (01). [11] VdS 6001 (2014): Mobile Hochwasserschutzsysteme. Publikationen der deutschen Versicherer (GDV e.V.) zur Schadenverhütung. 2014-02 (01). [12] Weller B, Fahrion MS, Horn S, Naumann T, Nikolowski J (2016): Baukonstruktion im Klimawandel. Wiesbaden: Springer Vieweg. [13]

8  Allgemeine Hinweise zur Arbeit mit den Fällen295

Literatur und Quellen [1] Bentz-Hölzl, J.: Der Weltklimavertrag: Verantwortung der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen den Klimawandel. Wiesbaden: Springer Fachmedien 2014. [2] Förstner, U.: Umweltschutztechnik. 8. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer-Verlag 2012. [3] Fouad, N. A. (Hrsg.): Bauphysik-Kalender 2013: Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Berlin: Ernst & Sohn 2013. [4] Hasenmüller, P.: Unternehmensrisiko Klimawandel: Risiken managen und Chancen strategisch nutzen. Wiesbaden: Gabler 2009. [5] Prutsch, A.; Grothmann, T.; McCallum, S.; Schauser, I.; Swart, R.: Climate Change Adaptation Manual: Lessons learned from European and other industrialised countries. New York: Routledge 2014. [6] Rahmstorf, S.; Schnellnhuber, H. J.: Der Klimawandel: Diagnose, Prognose, Therapie. 5. Auflage. München: Beck Verlag 2007. [7] Schenk, M.; Wirth, S.; Müller, E.: Fabrikplanung und Fabrikbetrieb: Methoden für die wandlungsfähige, vernetzte und ressourceneffiziente Fabrik. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer-Verlag 2014. [8] Von Storch, H.; Claussen, M. (Hrsg.): Klimabericht für die Metropolregion Hamburg. BerlinHeidelberg: Springer-Verlag 2011. [9] Dombrowski, U.; Ernst, S.: Risiken des Klimawandels für die Fabrikplanung. In: Industrie Management 30 (2014) Heft 5, S. 23-26 [10] Dombrowski, U.; Ernst, S.: Effects of Climate Change on Factory Life Cycle. 21st CIRP Conference on Life Cycle Engineering, 18.-20.06.2014, Trondheim, Norwegen [11] VdS 3521: Schutz vor Überschwemmungen. Publikationen der deutschen Versicherer (GDV e.V.) zur Schadenverhütung. 2007-09 (01) [12] VdS 6001: Mobile Hochwasserschutzsysteme. Publikationen der deutschen Versicherer (GDV e.V.) zur Schadenverhütung. 2014-02 (01) [13] Weller, B.; Fahrion, M.-S.; Horn, S.; Naumann, T.; Nikolowski, J.: Baukonstruktion im Klimawandel. Wiesbaden: Springer Vieweg 2016. [14] Patt, H.; Jüpner, R.: Hochwasser-Handbuch. 2. Aufl. 2013. neu bearb. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg 2013. [15] Heimerl, S.; Meyer, H.: Vorsorgender und nachsorgender Hochwasserschutz. Wiesbaden: Springer Vieweg 2014. [16] Hatzfeld, F.; Kurz, S.: Klimaangepasstes Bauen - Kriteriensteckbrief „Widerstandsfähigkeit gegen Naturgefahren: Wind, Starkregen, Hagel, Schnee/feuchte Winter und Hochwasser“. Aachen: 2010. [17] Europäische Union: Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken.06.11.2007. [18] Egli, T.: Hochwasserschutz und Raumplanung. Zürich: vdf Hochsch.-Verl. an der ETH 1996. [19] Adam, V.: Hochwasser-Katastrophenmanagement. 1. Aufl. s.l.: DUV Deutscher UniversitätsVerlag 2006. [20] Wietschel, M.; Ullrich, S.; Markewitz, P., Schulte, F.; Genoese, F.: Energietechnologien der Zukunft. Erzeugung, Speicherung, Effizienz und Netze. Wiesbaden: Springer Vieweg 2015. [21] Abwasserabgabengesetz – AbwAG: Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer. Neugefasst durch Bek. v. 18.1.2005 I 114. Zuletzt geändert durch Art.  2  V v. 1.6.2016 I 1290 [22] Beyer, R.: Starkregen und Sturzfluten. Landsberg: ecomed Sicherheit 2016. [23] Kunz, M.; Mohr, S.; Werner, P.: Klimawandel in Deutschland: regionale Besonderheiten und Extreme - Niederschlag. In: Brasseur, G.; Jacob, D.; Schuck-Zöller, S. (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland. Berlin: Springer Spektrum 2017.

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U. Dombrowski et al.

[24] Strahler, A.; Strahler, A.: Physische Geographie. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer 2009. [25] Kreienkamp, F.; Deutschländer, T.: Starkniederschläge in Deutschland. Deutscher Wetterdienst 2016. [26] Beyer, R.: Starkregen und Sturzfluten. Landsberg: ecomed Sicherheit 2016. [27] Bundesregierung: Aktionsplan Anpassung der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel. 1. Auflage. Berlin: Bundesregierung 2011. [28] Müller, E.; Engelmann, J.; Löffler, T.; Strauch, J.: Energieeffiziente Fabriken planen und betreiben. 1. Auflage. Berlin: Springer Verlag 2009. [29] Klein, H.: Allgemeine Witterungskunde. 1. Aufl. Paderborn: Salzwasser Verlag 2012. [30] Lateltin, O.; Jordi, M.: Elementarschutzregister Hagel. Bern: 2008. [31] Perk, T.: Sach- und Vermögensversicherungen leicht gemacht. 3. Aufl. s.l.: Verlag Versicherungswirtschaft GmbH 2015. [32] Schertenleib, M.-H.; Egli-Broz, H.: Globale Klimatologie: Meteorologie, Wetterinformation und Klimatologie. 2., überarb. Aufl. Zürich: Compendio Bildungsmedien 2011. [33] Suda, J.; Rudolf-Miklau, F. (Hrsg.): Bauen und Naturgefahren. Wien: Springer 2012. [34] Weller, B.; Fahrion, M.-S.; Horn, S.; Naumann, T.; Nikolowski, J.: Baukon-struktion im Klimawandel. Wiesbaden: Springer Vieweg 2016. [35] IPCC: Climate Change 2014: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [36] Petermann, T.; Bradke, H.; Lüllmann, A.; Poetzsch, M.; Riehm, U.: Was bei einem Blackout geschieht. 2. Aufl. Berlin: ed. sigma 2013. [37] Pinto, J.; Reyers, M.: Klimawandel in Deutschland: regionale Besonderheiten und Extreme Winde und Zyklone. In: Brasseur, G.; Jacob, D.; Schuck-Zöller, S. (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland. Berlin: Springer Spektrum 2017. [38] VdS 2389: Schutz vor Sturm. Publikationen der deutschen Versicherer (GDV e.V.) zur Schadenverhütung. 2016-03 (02)

Stichwortverzeichnis

A Anpassen, 69 Anwendungsbezug, 254 Aufbaufall, 246 B Befürchtungen, 43 Begleitforschung, 267, 271 Behaglichkeit, 87–89 Betrieb, 69 Betriebsanalyse, 57 Biomasse, 148 Bologna-Prozess, 202 Brainstorming, 197, 235 Büroplanung, 67 C CO2-Handel, 258 Cognitive Flexibility, 198 Commitment, 199 Community of Practice, 201 Constructive Alignment, 201 D Debatte, wissenschaftliche, 256 Deichbau, 260 Denken, multiperspektivisches, 238 E Eintrittswahrscheinlichkeit, 260 Eis-Albedo-Rückkopplung, 27 Entwässerungssystem, 98–99 Erosion, 97 Exkursion, 251 Expertenkultur, 201

F Fabrik, 52 Fabriklebenszyklus, 54 Fabrikplanung, 52 umweltgerechte, 71 Fallarbeit, 194 Fallgeschichte, 191, 193, 209 Fallkonstruktion, 193, 224 Fallvalidierung, 227 Feedback, 193 Fehlkonzept, 222 Fertigungsprinzip, 62 Fertigungstypologie, 62 Flut fluviale, 100 pluviale, 100 G Gebäudestrukturplanung, 61 Generalbebauungsplan, 60 Gletscherschwund, 36 Grobplanung, 58 Grundwasserspiegel, 100 Grundwasserspiegelerhöhung, 102 Gruppe Gruppentreffen, 250 Heterogenität, 233 Lerngruppen, 249 Zusammensetzung, 233 Gruppendynamik, 192, 196, 201, 270 H Hagel, 107 Handlungs- und Selbstregulation, 199 Heterogenität, 198 Hitzewelle, 260

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 U. Dombrowski, S. Marx (Hrsg.), KlimaIng – Planung klimagerechter Fabriken, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56590-2

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298Stichwortverzeichnis Hochschuldidaktik, 207 Forschung, 272 State of the Art, 218 Hochwasser, 100, 258 Hochwassergefahrenkarte, 102 Hochwasserschutz, 106 mobiler, 263 Hochwasserschutzkonzept, 263 I Industrialisierung, 19 Industrieschulung, 228 Instruktion, 208 Interaktion mit Studierenden, 270 Intergovernmental Panel on Climate Change, 21 K Klausur, 230, 265 Klausurvorbereitung, 265 Klima, 21 änderung, 23 folgen, 40 gerechtigkeit, 81 modell, 29 risiko, 83 schwankung, 23 system, 22 wandel, 20 wirkungskette, 35 Kompetenzspektrum des Ingenieurhandelns, 234 Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen, 191, 217 Konstruktion, 208 Konstruktivismus konstruktivistische Ansätze, 203 konstruktivistische Perspektive, 204 radikaler und gemäßigter, 203 Konzentrationspfad, 30 Kühlteich, 260 Kühlungsmaßnahme, 93 L Lagerhaltung, 65 Lagerplanung, 66 Layoutplanung, 63 Learning Outcomes, 202, 204

Lehre in den Ingenieurwissenschaften, 218 lernendenzentrierte, 207 Lehrveranstaltungsevaluation, 266 Leistungsbewertung, 269 Leistungsfähigkeit, 92 Lernbegleiter, 192–193, 204, 250 Lernbiografie, 208 Lernen aus lernpsychologischer Sicht, 205 forschendes, 202 kooperatives, 200–201 problembasiertes Siehe PBL projektorientiertes, 202 selbstgesteuertes, 272 selbstreguliertes, 201 situiertes, 204 tiefenorientiertes, 196, 251, 272 Lernerfolg, 272 Lernimpuls, 191, 208 Lernorientierung, 272 Lernumgebung, 205, 272 Lernwelten, fremde, 194 Lernziele, 199, 209, 225, 238–239 Arbeit mit, 208 der Lehrveranstaltung KlimaIng, 221, 223 intendierte, 234 Lernzielrahmen, 199, 224, 263 Modifikation, 255 Lernzielformulierung, 238 Logik, konstruktivistische, 199 M Materialfluss, 62 McMaster Universität, Kanada, 189–190 Medizindidaktik, 189 Medizinische Hochschule Hannover, 191 Meeresspiegel, 38, 102 Meeresströmung, 38 Metakognition, 250 Methode aktivierende, 193 Denkhüte, 252 Selbstlernmethode, 192 Wissensquiz \Der große Preis\, 243 Modell mentales, 222 Motivation, 229, 269–270 Multiperspektive, 242

Stichwortverzeichnis299 N Nachhaltigkeit des Lernens, 270 Nachnutzung, 70 Niederschlag, 33 advektiver, 95 konvektiver, 95 Niederschlagsentwicklung, 94 Niederschlagsmesser, 96 Notfallplan, 107 Nützlichkeit für die spätere Berufspraxis, 268 O Outcomevariablen, 209 Ozeantemperatur, 27 P Paper Case, 195 PBL Akzeptanz der Methode, 211 Fälle, 209, 224 Am Saalestrand, 225, 245 Grüne Wiese, 224, 233 Novemberregen, 228 Lernprozess, 201 Moderation, 193, 221 Schritt 1, 196, 234 Schritt 2, 197, 234, 258 Schritt 3, 197, 235 Schritt 4, 198, 236 Schritt 5, 199, 238 Schritt 6, 199 Schritt 7 und 8, 200 Seven Jump, 191 Wirksamkeit, 209 auf das Verstehen zentraler Prinzipen und Konzepte eines Faches, 210 auf den Erwerb sozialer Kompetenzen, 211 auf klinische Performanz, 210 auf längerfristiges Behalten von Informationen, 211 auf medizinisch relevantes Faktenwissen und klinisches Wissen, 210 auf Motivation, 211 Permafrost, 39 Permafrostboden, 27 Perspektive, interdisziplinäre, 195 Perspektivvielfalt, 257 Pflanzendecke, 27

Planung, 52 Planungsebene, 55 Planungsfall, 55 Posterpräsentation, 200, 255 Praxisvertreter, 257 Problem (Terminus), 193 Problem-based project work, 190 Problembasiertes Lernen Siehe PBL Problemlösekompetenz, 266 Produktion, 52 Produktionsausfallkosten, 263 Produktionsdrosselung, 260 Projektarbeit, 228 Projektstudium, 190, 251 Prüfung, 193, 202 formative, 202 kompetenzorientierte, 202 summative, 202 R Rechnerunterstützung, 71 Reflexion, 242 Revitalisierung, 70 Risiko, 76 infrastrukturelles, 84 physisches, 84 regulatives, 85 analyse, 76 identifikation, 76 management, 74 managementprozess, 75 steuerung, 77 überwachung, 78 Rückkopplungssystem negatives, 26 positives, 27 S Schadensausmaß, 260 Schlüsselkompetenz, 229 Schneeschmelze, 102 Selbsterfahrung, 252 Selbstlernphase, 191, 230, 241, 249, 255 Selbststudium, 190, 200 Sensitivität, 41 Shift from Teaching to Learning, 207 Solarthermie, 146, 260 Sommerhitze, 87 Standortplanung, 59

300Stichwortverzeichnis Starkregen, 94 Stefan-Boltzmann-Gesetz, 26 Stoffmenge, 270 Story Telling, 194 Strahlungsantrieb, 30 Strahlungshaushalt, 26 Strategie, metakognitive, 200 T Techniken wissenschaftlichen Arbeitens, 241 Technische Universität Eindhoven, Niederlande, 190 Temperatur, 31 Tierärztliche Hochschule Hannover, 191 Treibhauseffekt, 24 anthropogener, 28 Trigger, 191, 193–194, 196, 209, 245 Trockenperiode, 34 Tuning, 69 Tutorin/Tutor, 192, 234–235, 237, 250 U Überflutung, 100 Umsetzung, 67 Umsetzungsplanung, 68 Umweltbewusstsein, 221 Umwelthandeln, 221 Universität Aalborg, Dänemark, 190 Maastricht, Niederlande, 190 Unterbodenstromversorgung, 99 V Versiegelungsgrad, 96 Vorkenntnisse, 197 Vorwissen, 194, 206, 241, 272 Vulnerabilität, 82 W Wärmestrahlung, 90 Wärmeverlust, 258 Wasserkraft, 146 Wasserverfügbarkeit, 42 Wettbewerbs- und Reputationsrisiko, 85

Wetter, 21 Wetterextreme, 33 Wissenstransfer zwischen Industrie und Hochschule, 228 Wolken-Wasserdampf-Kopplung, 27 Z Zertifikatehandel, 258