Karl Löwith: Eine philosophische Biographie [1. Aufl. 2021] 3476057437, 9783476057433

Ein dauerndes Unbehagen und eine unbeirrbare Treue zur Philosophie durchziehen Karl Löwiths Leben und Werk. Unter Rückgr

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Karl Löwith: Eine philosophische Biographie [1. Aufl. 2021]
 3476057437, 9783476057433

Table of contents :
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Danksagung
Vorbemerkung des Übersetzers
Inhaltsverzeichnis
Enrico Donaggio: Karl Löwith. Eine philosophische Biographie
Philosophie als Beruf
Das Pathos der Beschreibung
Der Riese, der Dichter und Geheimrat Endlich
Der kleine Zauberer von Meßkirch
Der letzte europäische Philosoph
Der Weg zur Einfachheit
Geschichte einer Versuchung
Die Entdeckung des Anderen
Ein vorsichtiges Buch
Das Gespenst des Lehrers
Eine Anthropologie der Moderne
Die Methode des trojanischen Pferdes
Anthropologische Philosophie
Das Maß der Zweideutigkeit
Individuum und Weltgericht
Eine positive Glaubenslosigkeit
Die Ambivalenz der Entzauberung
Die Verantwortung der Philosophie
Eine private Apokalypse
Die Revolution des Nihilismus
Magie des Extrems und Zauber der Mäßigkeit
Sensei Löwith
Eine Ethik der Begrenzung
Wieviel Geschichte braucht der Mensch?
Der Stern der Ewigkeit
Die letzte Religion
Ein Maskenball der zwanziger Jahre
Eine Frage der Proportionen
Ein Rahmen ohne Bild
Literaturverzeichnis
Karl Löwith: Schriften und Briefe
Siglen
Schriften
Anhang
Archivalienverzeichnis
Forschungsbibliographie Karl Löwith 2004–2020
Einleitung
Bibliographie
Personenregister

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Enrico Donaggio

Karl Löwith Eine philosophische Biographie

Karl Löwith

Enrico Donaggio

Karl Löwith Eine philosophische Biographie Aus dem Italienischen übersetzt von Antonio Staude Unter Mitarbeit von Mike Rottmann

Enrico Donaggio Dipartimento di Filosofia e Scienze dell’Educazione Università degli Studi di Torino Turin, Italien Übersetzt von Antonio Staude Heidelberg, Deutschland

Autor, Übersetzer und Verlag danken der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur für die Ermöglichung der vorliegenden Übersetzung.

ISBN 978-3-476-05743-3 ISBN 978-3-476-05744-0  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-476-05744-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Giangiacomo Feltrinelli Editore, 2004. First published as Una sobria inquietudine. Karl Löwith e la filosofia in September 2004 by Giangiacomo Feltrinelli Editore, Milan, Italy. All rights reserved. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Umschlagabbildung: Karl Löwith in seinem Heidelberger Arbeitszimmer, o. J. © DLA Marbach Planung/Lektorat: Franziska Remeika J.B. Metzler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Klaus Stichweh gewidmet, für die geschenkte Zeit

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Von 1993 bis 2003 habe ich zehn Jahre meines Lebens diesem Buch gewidmet. Zehn Jahre, die im Ergebnis keine zweihundert Seiten Text ausmachen. Es ist gleichsam die Spitze des Eisbergs, die Quintessenz meiner Erforschung einer philosophischen Biographie, die alles Wertvolle enthält, das ich von einer Reise zu berichten hatte, die mich – auf den Spuren dessen, was über Karl Löwith und sein Denken damals noch unbekannt war – durch drei Kontinente führte. Begegnungen mit letzten Zeitzeugen oder ihren Nachkommen, ein weltweit zerstreuter Nachlass aus unveröffentlichten Dokumenten, die es zu sammeln und zu deuten galt, und zwar mit dem Ziel, den Lebensweg, die geistige Physiognomie und die Beweggründe eines Menschen, dem es trotz allem gelungen ist, seiner Zeit philosophierend standzuhalten und sie zu überdauern, sichtbarer und verständlicher zu machen. Mein Buch versteht sich als Würdigung einer fast unsichtbaren Form der Radikalität des Denkens. Denn Karl Löwith wurde stets Eleganz und Maßgefühl bescheinigt, wohingegen seine Radikalität nur wenig Anerkennung fand. Dabei kann sein Denken als einer der radikalsten Angriffe auf die Gründungsmythen der westlichen Denkweise gelesen werden, so etwa auf den Mythos, wonach der Mensch seine eigene Geschichte ist und macht. Diese Überzeugung hielt Löwith für eine illusorische Vorstellung von der Conditio humana, die durch eine übertrieben philosophische Sichtweise bestimmt ist, und die Mensch und Geschichte mit einem Blick betrachtet, der kaum noch als menschlich zu bezeichnen ist. Dass dieser „ungeheuer reife Skeptiker“ als „der entschiedene Humanist unter den deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts“ – wie ein VII

VIII      Vorwort zur deutschen Ausgabe

Freund ihn einmal treffend charakterisiert hat – angesehen werden konnte, hängt nicht zuletzt mit seinem Versuch zusammen, Welt und Mensch mit menschlichem Blick zu betrachten und dieser Sichtweise eine philosophische Verbindlichkeit zu verleihen. In diesem philosophischen Projekt liegt mehr und anderes als jener Fatalismus, den man mit Löwiths Persönlichkeit und Denken zu verbinden pflegt. Es bezeugt vielmehr einen politischen Sinn für Proportionen, eine mögliche Humanitas der Haltung, eine Ethik oder eine Weisheit der Begrenzung, die in Anbetracht des kollektiven Leidens nicht gleichgültig bleibt. Ein Leiden, welches die Geschichte einer Menschheit zugefügt hat, die von dem Vorurteil geblendet war, Herr über den Sinn des eigenen Handelns zu sein, und sich des zweideutigen Charakters der eigenen Freiheit nicht mehr bewusst war. Dieses Buch hätte nach dem Willen von Bernd Lutz schon im Jahr 2004, wenige Monate nach Veröffentlichung der italienischen Erstausgabe, im Verlag J.B. Metzler erscheinen sollen. Ebendort erscheint es nun bald zwanzig Jahre später, nachdem es inzwischen auch in spanischer und in französischer Übersetzung vorliegt. Meine Dankbarkeit gegenüber jenen, die die vorliegende Ausgabe ermöglicht haben – vor allem dem Verlag und dem Übersetzer – ist darum nicht geringer. Die Eigenart des Textes und der derzeitige Forschungsstand zu Karl Löwith, verbunden mit meiner nach zehn gemeinsam verbrachten Jahren gefällten Entscheidung, mich – zumindest was das geschriebene Wort betrifft – von diesem Autor zu trennen, sind die Gründe dafür, dass die vorliegende deutsche Ausgabe nicht eigens von mir überarbeitet wurde. Sommer 2020

Enrico Donaggio Institut d’études avancées d’Aix-Marseille Université

Danksagung

An Pietro Rossi für sein Vertrauen, an Claudio Cesa für seine Ratschläge, an Herbert Schnädelbach für seine Bedenken, an Hans-Georg Gadamer für seine Erinnerungen. Und an Klaus Stichweh für alles das auf einmal. An die Alexander von Humboldt-Stiftung, schließlich, für die Förderung meines einjährigen Aufenthaltes in Berlin. Für ihre Erläuterungen, Hinweise und Anregungen danke ich Miguel Abensour, Minoru Akima, Takao Ayoama, Ferruccio Andolfi, Jeffrey A. Barash, Thomas Baumeister, Marco Biondi, Steven Blackburn, Maurizio Boccia, Remo Bodei, Roberto Bordiga, Paolo Costa, Kah Kyung Cho, Antonio Ferraro, Serena Fogaroli, Peter Kammerer, Eiho Kawahara, Theodore Kisiel, Sakiko Kitagawa, Heiner F. Klemme, Reinhart Koselleck, Paul Oskar Kristeller, Michael Krüger, Sumuhiko Kumano, Massimo Mezzanzanica, Annegret Nagel, Keiichi Noe, Akira Ota, Giovanna Sarti, Gennaro Sasso, Sergio Scalzo, Wolfgang Schluchter, Wolfgang Schwenkter, Livio Sichirollo, Paolo Simoncelli, Yasunari Takada, Aldo Venturelli, Valerio Verra und Yasushi Yamanouchi. Für ihre Ermöglichung des Zugangs zu unveröffentlichten Unterlagen bin ich Adelheid Krautter, Hermann Heidegger und Ulrich von Bülow zu Dank verpflichtet. Außerdem danke ich Bruno Berni, Uwe Bredehorn, Laura Calogero, Donatella Di Cesare, Susanne Fink, Dieter Lange, Luca Lombardi, Sebastian Luft, Luisa Montevecchi, Vittoria Nasti, Anne Quirin,

IX

X      Danksagung

Ursula Rehs, Agnese Sacilotto, Milletta Sbrilli, Angela Schinaia, Ursula Seemann-De Boor, Klaus Voigt und Paola Zambelli.



Enrico Donaggio Università degli Studi di Torino

Vorbemerkung des Übersetzers

Enrico Donaggios Studie über das ereignisreiche Philosophenleben und den komplexen Denkweg Karl Löwiths hat seit ihrem Erscheinen im Jahr 2004 zahlreiche Impulse für die internationale Löwith-Forschung gesetzt, wozu auch die vorhandenen Übersetzungen ins Spanische (2006) und Französische (2013) beitragen konnten. Im deutschsprachigen Raum stieß die Monographie, deren mitfühlender Originaltitel „Eine nüchterne Unruhe. Karl Löwith und die Philosophie“ lautet, in philosophischen Fachkreisen ebenfalls auf sichtbares Interesse. Ziel der vorliegenden Übersetzung ist es nun, eine breitere Leserschaft zu erreichen und das Lebendige von Donaggios Schreibstil mitsamt der Informationsfülle seiner Erkundung in noch stärkerem Maß für die deutschsprachige Auseinandersetzung mit Löwiths Denken zu erschließen, zumal seine „philosophische Biographie“ – gerade auch für jüngere Leser – eine Begegnung mit Löwith auf Augenhöhe ermöglichen will. Nachdem sich eine intensivere Löwith-Forschung in der deutschen Philosophie trotz Fertigstellung der Ausgabe Sämtlicher Schriften (1981–1988) und der grundlegenden Monographien von Wiebrecht Ries (1992) und Burkhard Liebsch (1995, 22020) lange Zeit nicht einstellen wollte, und sich die Auslegung seiner Werke weitgehend in andere Sprach- und Kulturräume verlagert hatte, ist in den letzten Jahren ein neues Interesse gewachsen. 2013 hat Giovanni Tidona Löwiths Habilitationsschrift Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen, der auch der Verfasser dieses Buches eine hohe Bedeutung beimisst, neu herausgegeben und kommentiert. Die 2017 publizierte Edition des Briefwechsels zwischen Löwith und seinem Lehrer XI

XII      Vorbemerkung des Übersetzers

Martin Heidegger hat große Aufmerksamkeit gefunden und wurde bereits 2018 ins Italienische übersetzt. Gerade jetzt, in einer Zeit vermeintlich unaufhaltsamer Umbrüche, scheint der günstige Augenblick gekommen, das Œuvre Karl Löwiths und den ruhenden Pol seines Denkens einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Hierzu hält dieses Buch nicht nur eine Vielfalt möglicher Zugänge bereit, die vom Autor in jedem Kapitel aufgezeigt werden, sondern auch ein praktisches Hilfsmittel im Anhang – in Form eines Archivalienverzeichnisses und insbesondere des bibliographischen Überblicks zur neueren internationalen Löwith-Forschung –, der eigens von Mike Rottmann erstellt wurde. Ihm bin ich ferner dankbar für das Lektorieren des Übersetzungsmanuskripts und die Überarbeitung des Fußnotenapparats – unter Einführung von Siglen und Kurztiteln –, dessen Systematik im Literaturverzeichnis sowie im Archivalienverzeichnis im Anhang erläutert wird. Auch danke ich Franziska Remeika vom Verlag J.B. Metzler für ihre Anregungen und Ermutigungen während der Ausarbeitung und Umsetzung des Manuskripts. Weiterer Dank gilt dem Verfasser, Enrico Donaggio, für seine Bereitschaft, punktuell auf Fragen einzugehen und für eine Reihe technischer Hinweise. Schließlich sei mir eine letzte Bemerkung zur Übersetzungsarbeit erlaubt, für deren Ermöglichung ich an dieser Stelle, vor allem auch im Namen des Verlages, der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur und ihrem Vorstand Jan Philipp Reemtsma danken möchte: Es ist freilich etwas Besonderes, ein derart reich dokumentiertes Werk in die sprachliche Heimat seiner allermeisten Zitate zu übertragen. Dies hat – bei der nicht immer unkomplizierten Suche nach dem eigentlichen Wortlaut – nicht nur Bibliotheksgänge und Archivanfragen nötig gemacht, sondern bedeutete zugleich eine ständige Anregung, die Gedankengänge des Autors in ihrem jeweiligen Kontext nachzuvollziehen. Heidelberg, im Oktober 2020

Antonio Staude

Inhaltsverzeichnis

Enrico Donaggio: Karl Löwith. Eine philosophische Biographie Philosophie als Beruf 3 Das Pathos der Beschreibung 5 Der Riese, der Dichter und Geheimrat Endlich 11 Der kleine Zauberer von Meßkirch 19 Der letzte europäische Philosoph 26 Der Weg zur Einfachheit 37 Geschichte einer Versuchung 37 Die Entdeckung des Anderen 45 Ein vorsichtiges Buch 52 Das Gespenst des Lehrers 59 Eine Anthropologie der Moderne 65 Die Methode des trojanischen Pferdes 66 Anthropologische Philosophie 71 Das Maß der Zweideutigkeit 78 Individuum und Weltgericht 82 Eine positive Glaubenslosigkeit 87 Die Ambivalenz der Entzauberung 95 Die Verantwortung der Philosophie 107 Eine private Apokalypse 108 Die Revolution des Nihilismus 116 XIII

XIV      Inhaltsverzeichnis

Magie des Extrems und Zauber der Mäßigkeit 126 Sensei Löwith 134 Eine Ethik der Begrenzung 142 Wieviel Geschichte braucht der Mensch? 151 Der Stern der Ewigkeit 152 Die letzte Religion 159 Ein Maskenball der zwanziger Jahre 166 Eine Frage der Proportionen 178 Ein Rahmen ohne Bild 186 Literaturverzeichnis 197 Karl Löwith: Schriften und Briefe 197 Schriften 199 Briefe 207 Quellen- und Literaturverzeichnis 207 Anhang. Erstellt von Mike Rottmann Archivalienverzeichnis 231 Forschungsbibliographie Karl Löwith 2004–2020 237 Einleitung 237 Bibliographie 239 Personenregister 259

Enrico Donaggio: Karl Löwith. Eine philosophische Biographie Übersetzt aus dem Italienischen von Antonio Staude

Philosophie als Beruf

Nach seiner Rückkehr aus dem Exil, das ihn nach Italien, Japan und in die Vereinigten Staaten geführt hatte, rief Karl Löwith am Tag seines sechzigsten Geburtstags die Zeit seiner beginnenden leidenschaftlichen Hingabe an die Philosophie wie folgt in Erinnerung: Je länger man lebt, desto mehr Dinge überlebt man […]. Gehe ich aber der Frage nach, welche Phase meines Lebens die beste und vollständigste war, so kann man sicher sein, dass es die Katastrophenjahre nach dem Ersten Weltkrieg waren, als ich nach Freiburg ging, um bei Husserl zu studieren, beim jungen Heidegger und bei dem Biologen Spemann zu hören […]. Geistig betrachtet zehren wir noch heute ganz und gar von dem, was in jenen Jahren gedacht worden ist: Der Untergang des Abendlandes von Oswald Spengler, Der Römerbrief von Karl Barth, Heideggers Sein und Zeit; Max Weber, Karl Jaspers, Stefan George, Hofmannsthal, Rilke, Kafka. Und was man sich in den ersten Jahren des Studiums entgehen lässt, wird man in der Zukunft nicht wiedererlangen.1

Auch bei den wenigen anderen Gelegenheiten, als er daran ging, die eigene intellektuelle Biographie öffentlich zu erzählen, versäumte Löwith

1Typoskript

der am 9. Januar 1957 an der Universität Heidelberg gehaltenen Rede (DLA A:Löwith).

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 E. Donaggio, Karl Löwith, https://doi.org/10.1007/978-3-476-05744-0_1

3

4     E. Donaggio

es nie, jene außerordentliche Epoche zu rühmen.2 Denn damals – und der folgende Satz zielte gegen Ende der sechziger Jahre polemisch auf eine neue revoltierende Generation – war eine gefestigte Tradition durch eine Kritik erschüttert worden, „von deren Radikalität sich die heutige junge Generation keine rechte Vorstellung machen kann, weil sie nicht, nach einer eben überstandenen Katastrophe, aus einem echten Hunger und Drang, sondern aus Saturiertheit und Überdruß rebelliert.“3 Eine derart zeitbedingte Rhetorik lässt wenig bis gar nichts von den Zweifeln und Unwägbarkeiten durchblicken, die mit Löwiths Entscheidung verbunden waren, die Philosophie zum Lebensberuf zu wählen. Karl Löwith wurde am 9. Januar 1897 in München als Sohn des erfolgreichen Kunstmalers Wilhelm Löwith geboren, eines aus Böhmen stammenden Juden, der eine Wiener Jüdin geheiratet hatte. Von seiner Jugendzeit erzählte er im Medium der Fiktion in einem autobiographischen Roman von 1926: Fiala. Die Geschichte einer Versuchung. In diesem Werk, das Löwith für die eigene Schublade geschrieben hatte, wird der Protagonist Hugo Fiala nicht als Held dargestellt, sondern als „geborener Flüchtling“, als Opfer seiner „empfindliche[n] Leidenschaft für exklusive Freund2Zu den explizit autobiographischen Texten zählen: Löwiths Antrittsrede vor der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 9. Januar 1959, gekürzt veröffentlicht in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1958/59, 23–27, abgedruckt als Curriculum vitae [1959], in: LS 1, 450–462 (Sigle: CV), und die Ansprache zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Bologna [1969], in: LS 1, 463–465. Aus den übrigen Werken siehe vor allem: Zu Heideggers Seinsfrage: Die Natur des Menschen und die Welt der Natur [1969], LS 8, 276–289. Von den unveröffentlichten Texten ist insbesondere das 1940 im japanischen Exil verfasste Harvard Paper (DLA A:Löwith) zu nennen, ein reflektierter Erfahrungsbericht, der posthum 1986 unter dem Titel Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933 herausgegeben wurde (Sigle: ML). Vgl. hierzu Weissberg, Preisfragen zu einem Leben in Deutschland vor und nach 1933 – das Beispiel Karl Löwiths, 14–23. Die erste, künstlerisch verklärte Autobiographie des Autors datiert auf Herbst 1926 und ist als Typoskript im Nachlass erhalten: Fiala. Die Geschichte einer Versuchung (DLA A:Löwith, Sigle: Fiala 1926). Dominic Kaegi hat 1997 einen Auszug hiervon herausgegeben und eingeleitet (Sigle: Fiala 1997). Weitere unveröffentlichte autobiographische Schriften finden sich in Tagebüchern aus dem japanischen Exil, entstanden in der Zeit vom 11. Oktober 1936 bis 25. April 1940 (DLA A:Löwith) sowie in den Reisetagebüchern der fünfziger und sechziger Jahre (DLA A:Löwith). Das bislang einzige veröffentlichte Tagebuch ist unter dem Titel Von Rom nach Sendai. Von Japan nach Amerika. Reisetagebuch 1936 und 1941 (DLA A:Löwith, Sigle: RS) ediert worden. Bemerkenswert ist schließlich ein an Leo Strauss gerichteter handschriftlicher Arbeitsplan vom 13. Mai 1933, in dem Löwith die Entwicklung seines Denkens nachzeichnet und auch skizziert, in welche Richtung er es in den weiteren Jahren zu lenken gedenkt (Löwith/Strauss, Korrespondenz, 607–697, hier: 621–622, Sigle: KL/LS). Für die Rekonstruktion seines Lebenslaufs relevante Quellen sind ein als Typoskript vorliegender Lebenslauf vom 14. Dezember 1933 in Löwiths Marburger Personalakte (HStAM/PA Löwith) sowie ein an Benedetto Croce gerichteter, knapperer Lebenslauf als Anhang zum Brief vom 21. Januar 1936, publiziert in: Cantillo/Viti Cavaliere (Hg.), La tradizione critica della filosofia. Gedenkschrift für Raffaello Franchini, 13. Schließlich existiert eine Vita, die als Typoskript in englischer Sprache in Löwiths Personalakte des Hartford Theological Seminary (HTSA/PA Löwith) aufbewahrt wird. 3Löwith, Martin Heidegger im Zeugnis [1970], 38.

Philosophie als Beruf     5

schaften“ und einer „zähe[n], fast verbissene[n]“ Denkungsart (Fiala 1926, 1). In den Augen des Vaters, den mit dem gehobenen Münchener Bürgertum Geschäfte und Werte verbanden, war hingegen der Sohn „höchstens ein lebendiger Widerstand“ (Fiala 1926, 5). „Enträtseln“ wollte dieses „unverständliche Rätsel“ nur „seine Mutter, die ihn zwar oft durchschaute, aber nie erkannte“ (Fiala 1926, 5). Bei Ausbruch des Weltkriegs verließ Löwith im Oktober 1914 das Gymnasium, um sich als Kriegsfreiwilliger zu melden. Persönliche Enttäuschungen und eine erste Lektüre von Nietzsches Zarathustra hatten ihn, wie viele andere seiner Altersgenossen auch, zu der Überzeugung geführt, dass der Weg zu sich selbst notwendig über einen gefährlichen Bruch mit der Normalität führen müsse. Mit Begeisterung beteiligte er sich also an einem Krieg, der „das Ende nicht nur eines Jahrhunderts, sondern einer ganzen Epoche war“ und für die europäische Kultur einen entschiedenen Neubeginn bedeutete.4 Nach einer Verwundung in den Dolomiten im August 1915 verblieb er bis in die zweite Jahreshälfte 1917 als Gefangener in Italien. In der „vollkommenen Schönheit des Südens“ ergriff ihn eine nachhaltige Liebe zur ‚Italianità‘, verstanden als ursprüngliche Form der humanitas, als ein instinktiver Respekt vor dem Sinn für Begrenzung, der den Deutschen seiner Überzeugung nach abgeht.

Das Pathos der Beschreibung Nach Deutschland zurückgekehrt, schrieb sich Löwith 1917 für ein Studium der Philosophie und der Biologie an der Münchener LudwigMaximilians-Universität ein. Das kombinierte Studium beider Fächer wurde durch die von dem humboldtschen Bildungsideal geprägte Studienordnung der Philosophischen Fakultät begünstigt.5 Doch auch mit seinem Wechsel

4Löwith,

Der europäische Nihilismus. Betrachtung zur geistigen Vorgeschichte des europäischen Krieges [1940], in: LS 2, 473–540, hier: 447. Vgl. außerdem ML, 3–18, und Ansprache zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Bologna [1969], 464. Zu den existenziellen Folgen dieser Erfahrung siehe Fiala 1926, 6–13, auch Fiala 1997, 140–145. Im Marbacher Nachlass befinden sich ferner Tagebücher aus der Gefangenschaft und ein für seine militärischen Vorgesetzten geschriebener Bericht über die italienische Gefangenschaft (DLA A:Löwith). 5Aus dem Lebenslauf vom 14. Dezember 1933 (HStAM/PA Löwith) geht hervor, dass Löwith als Pflichtnebenfächer Pädagogik und Botanik gewählt hatte. In seinen Lebensläufen hob er stets auch das Studium der Soziologie hervor, wobei er Max Weber als einzigen Lehrmeister nannte. Über das deutsche Bildungssystem an Gymnasien und Universitäten jener Zeit vgl. Ringer, The Decline of the German Mandarine. The German Academic Community 1890–1933, 25–80. Für Betrachtungen zur Generation von Löwiths Zeitgenossen siehe Plessner, Brief an Karl Löwith, 7.

6     E. Donaggio

nach Freiburg im Frühjahr 1919 besuchte er weiter biologische Lehrveranstaltungen. Die Vorlesungen in Embryologie beim späteren Nobelpreisträger Hans Spemann folgten auf jene des Botanikers Karl von Goebel. Die Neugier war also nicht vorübergehend, und die Resultate dürften vielversprechend gewesen sein, denn Martin Heidegger warf in seinem Brief vom 23. August 1923 vorsichtig die Frage auf, ob Löwith nicht „in die Biologie durchbrechen“ könnte (MH/KL 104)6. Bereits im Januar 1921 hatte dieser ihm aber geschrieben, dass er gerne weiter „bei Spemann Missgeburten fabrizieren“ wolle, vorausgesetzt, dass ihm dies nicht zu viel Zeit für seine „philosophischen Geburten“ (MH/KL 30) wegnähme. Die Begegnung mit seinem künftigen Lehrer fegte letztlich jeden Zweifel hinfort, nachdem er kurzzeitig zwischen Philosophie und Biologie geschwankt hatte: „Ich entschied mich für Heidegger […]“ (CV 452). Die Bedeutung des Interesses an den Naturwissenschaften in der Ausbildung eines Denkers, der gerade den Begriff der Natur ins Zentrum seiner ausgereiftesten Reflexion stellen sollte, ist es dennoch wert, hier etwas vertieft zu werden. In seinen autobiographischen Aufzeichnungen erwähnt Löwith das Studium der Biologie nicht als entscheidende Etappe auf seinem Bildungsweg, und ebenso wenig – Heideggers Bedenken folgend – als mögliches Arbeitsfeld. Was seine eigentliche Berufung angeht, so sollte er, wie wir noch sehen werden, vielmehr in einen beklemmenden Zwiespalt zwischen Kunst und Philosophie geraten. Seine frühen Schriften bezeugen jedenfalls gute Fähigkeiten, sich innerhalb der Debatten zu orientieren, die sowohl die Embryologie als auch die Botanik in jenen Jahren bewegten. Diese Kompetenz, verbunden mit den Laborerfahrungen aus den ersten Semestern, führte bei Löwith zu einer theoretischen Haltung, die sich von den Positionen anderer, die sich im deutschsprachigen Denkpanorama verschiedentlich auf die Naturwissenschaften beriefen, absetzte. Hiervon zeugt ein langer Brief vom 15. September 1920 an Erich von Kahler. In seiner Schrift Der Beruf der Wissenschaft hatte Kahler nicht nur Max Weber, sondern mit ihm zugleich die „Sterilität“ sämtlichen modernen Wissens kritisiert. Dies tat er im Namen einer „neuen Wissenschaft“,7 von der die Vertreter des um Stefan George gescharten Dichterkreises, aber auch Biologen wie Oscar Hertwig und Jacob von Uexküll, bereits vereinnahmt 6Der Briefwechsel zwischen Heidegger und Löwith befindet sich im DLA Marbach (A:Heidegger, A:Löwith) und liegt seit 2017 auch ediert vor: Heidegger/Löwith, Briefwechsel 1919–1973 (Sigle: MH/KL). 7Vgl. Kahler, Der Beruf der Wissenschaft, 79. Auch die Briefe von Löwith an Kahler werden im DLA Marbach aufbewahrt (DLA A:Kahler). Zu Kahler vgl. Kiel, Erich von Kahler. Ein ‚uomo universale‘ des 20. Jahrhunderts.

Philosophie als Beruf     7

waren. Dem abstrakten Verhältnis von Ursache und Wirkung, auf dem die moderne „alte Wissenschaft“ beruhte, stellte Kahler einen vitalistischen Formkult und einen an Goethe angelehnten Pantheismus entgegen. Löwith lehnte diesen Ansatz ab, da er vielmehr von Erfahrungswerten und von einer folgenreichen theoretischen Überzeugung ausging. Tatsächlich stellte er seinem Briefpartner gegenüber klar, dass, was auch immer die von einzelnen Gelehrten vertretene „Philosophie des Biologischen“8 sei, diese sich bei ihrem konkreten Hinarbeiten auf wissenschaftliche Ergebnisse stets innerhalb eines Netzes aus kausalen Zusammenhängen bewegen würde. Dieser Unterschied zwischen Theorie und Praxis in der Forschung blieb von all jenen unbeachtet, die, mit Kahlers Worten gesprochen, in der Wissenschaft naiverweise einen Weg suchten, um „auf treue und empfindsame Weise“ dem Leben zu folgen. Während diese Schriften keine Anhaltspunkte enthalten, aus denen eine Verbindung zwischen biologischem Wissen und philosophischen Ansichten des jungen Löwith zu rekonstruieren wäre, führen einige Sätze aus einer späteren Schrift ein abweichendes Motiv ein. In seinem Aufsatz von 1969 Zu Heideggers Seinsfrage: Die Natur des Menschen und die Welt der Natur, in dem Löwith zu unterschiedlicher Zeit gewonnene Kategorien und Überzeugungen gegenüberstellte, führte er gerade das Studium der Biologie als Ausgangspunkt für seine gegen Ende der zwanziger Jahre vorgetragene Kritik an den Thesen Heideggers an. Im Rückblick erweist sich das wissenschaftliche Interesse an der Natur mithin als Vorbote der späteren philosophischen Hinwendung zu derselben: „Was ich demgemäß an der existenzial-ontologischen Fragestellung vermißte, war die Natur – um uns herum und in uns selbst.“9 Diese Vermutung wird durch eine Passage aus einem Brief vom 20. August 1927 bekräftigt, in dem Heidegger, den Zweifeln und jugendlichen Widerständen seines Schülers entgegnend, seine Skepsis in Bezug auf die Möglichkeit äußerte, „von der Natur her einen Grund und einen Leitfaden für die begriffliche Interpretation des Daseins zu gewinnen“ (MH/ KL 150). Eine genaue Betrachtung der betreffenden Stelle widerlegt aber die These, wonach sich der für Löwiths Spätwerk kennzeichnende Naturbegriff

8Karl

Löwith an Erich von Kahler, 15. September 1920 (DLA A:Kahler). Zu Heideggers Seinsfrage: Die Natur des Menschen und die Welt der Natur [1969], 280.

9Löwith,

8     E. Donaggio

bereits in den frühen Schriften und im Zuge seiner Leidenschaft für die Biologie herausgebildet haben könnte.10 Die Aussage von 1969 scheint also eher von dem Bedürfnis diktiert gewesen zu sein, den Beginn der ausufernden Polemik mit Heidegger vorzuziehen, und weniger von der Absicht, einen Aspekt der eigenen intellektuellen Biographie historisch präzise wiederzugeben. Der Hinweis auf die Biologie erlaubt allerdings, eine vorsichtige Deutungshypothese zu formulieren. Tatsächlich erklärte Löwith in seinem Curriculum vitae von 1959: [D]ie philosophische Reflexion auf das eigene Dasein im Ganzen der natürlichen Welt, wie sie mir zuerst durch Schopenhauer und Nietzsche vermittelt wurde, und die unreflektiertere Wissenschaft vom Lebendigen haben mich […] veranlaßt, in München und Freiburg nebeneinander Philosophie und Biologie zu studieren. (CV 450)

Löwiths regelmäßige Lektüre von Autoren, deren Beziehung zur Biologie keineswegs bloß episodisch war, und seine Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften überschnitten sich beim Thema des Lebens, dem im deutschsprachigen Diskurs zu Jahrhundertbeginn eine zentrale Bedeutung zukam.11 Vor diesem Hintergrund dient Löwiths naturwissenschaftliche Bildung jedoch eher als indirekter Ausgangspunkt für eine geistige Haltung und markiert weniger den Anspruch, ein spezifisches Wissen zur Geltung zu bringen. Seine ersten Arbeiten, in denen er die Hauptphänomene der menschlichen Existenz, also die Selbstinterpretation oder die Ich-Du-Beziehung, untersucht hatte, sind in der Tat ebenso weit entfernt von einem naiven Biologismus wie von der in der Philosophie jener Jahre verbreiteten, grundsätzlichen Abneigung gegen die Naturwissenschaften. Löwiths Kritik zielt vielmehr auf Denker wie Nietzsche und Ludwig Klages, die das Leben in 10Vgl. Papenfuss/Pöggeler, Zur philosophischen Aktualität Heideggers, 36. Heidegger beantwortete einen Brief vom 2. August 1927, in dem Löwith erklärte, dass in Sein und Zeit „die (‚sinnliche‘) ‚Natur‘ des Menschen“ (MH/KL 141) nicht in ihrer Natürlichkeit zum positiven Ausdruck gebracht werde. Das Thema der Selbstständigkeit der Natur im Unterschied zu der des Menschen, das Löwith im Nachhinein mit seiner biologischen Ausbildung in Verbindung bringt, wird in Paragraph 8 seiner Habilitationsschrift von 1928 Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen behandelt, die in dem Aufsatz von 1969 nicht zufällig emphatisch in Erinnerung gerufen und an der eine der zwei einzigen Textänderungen der Neuauflage von 1962 vorgenommen wird. Nicht im ursprünglichen Kontext, sondern im Lichte der Ergebnisse von Löwiths philosophischem Ansatz betrachtet, nimmt die Stelle eine weit größere Tragweite an. Vgl. Löwith, Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen [1928], in: LS 1, 9–197, hier: 62 (Sigle: IR). 11Vgl. Schnädelbach, Philosophie in Deutschland 1831–1933, 172–196.

Philosophie als Beruf     9

einem jeder logischen Bestimmtheit entzogenen Gebiet verorteten, aber auch auf den Ansatz all derer – nämlich in erster Linie auf Heidegger –, die jenes Element der Natürlichkeit der Existenz abwerteten, das sich nicht auf einen stummen biologischen Grund reduzieren lässt. Löwiths eigene Untersuchungen gingen demgegenüber von der unnatürlichen Ambivalenz des menschlichen Lebens aus, von der Kluft, die es von anderen Lebensformen trennt, wobei er die Erträge von Disziplinen wie Literaturwissenschaft oder Psychoanalyse berücksichtigte, die Entdeckungen der biologischen Forschung aber vernachlässigte. Eben darin unterschieden sich diese Arbeiten von jenen Helmuth Plessners und Max Schelers, den Begründern der philosophischen Anthropologie, die sich in den zwanziger Jahren als eine der spannendsten Herangehensweisen zur Erkundung der menschlichen Natur durchzusetzen begann. Die elegante Klarsichtigkeit und die Ehrfurcht vor den Tatsachen als solchen, die Löwith in seinen Schriften unter Beweis stellt, tragen jedenfalls die „Handschrift eines Philosophen, der ein biologisches Studium zurückgelegt hatte“ und der mit dem „völlig unpathetischen Pathos der schlichten Beschreibung“12 forscht. Diese geistige Haltung wurde auch von den Vertretern der von Edmund Husserl begründeten phänomenologischen Bewegung sehr geschätzt. Der Phänomenologie näherte sich Löwith unter Anleitung von Alexander Pfänder und Moritz Geiger, die beide Mitglieder des ‚Münchner Kreises‘ waren. Diese interdisziplinäre Gelehrtengruppe erreichte ihre größte Lebendigkeit in der Zeit von 1904 bis zum Ausbruch des Weltkriegs, nicht zuletzt dank der Mitwirkung von Adolf Reinach, Theodor Conrad und Max Scheler.13 Als Schüler von Theodor Lipps hatten diese das in Husserls Logischen Untersuchungen entfaltete Vorhaben mit Begeisterung aufgenommen. 1913 erreichte die Zusammenarbeit mit dem Vater der Phänomenologie indes ihren kritischen Punkt, denn in jenem Jahr erschien das erste Buch der Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Darin wurde eine Wende der Husserlschen Lehre verkündet, infolge der sie immer mehr von ihrem anfänglichen, auf dem reinen Schauen begründeten Ansatz abrücken sollte, und zwar zugunsten einer Methode, die – zumindest nach Ansicht ihrer Kritiker – weit stärker den traditionellen idealistischen Konstrukten der Philosophie verhaftet war. 12Vgl. Löwith, Grundzüge der Entwicklung der Phänomenologie zur Philosophie und ihr Verhältnis zur protestantischen Theologie [1930], in: LS 3, 34, 53–54. Zum Thema siehe auch Koselleck, Vorwort, IX. 13Vgl. Kuhn/Avé-Lallemant/Gladiator (Hg.), Die Münchener Phänomenologie; Spiegelberg, The Phenomenological Movement, 168–227; Sepp (Hg.), Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung, 61–75.

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Diese Kurskorrektur sollte zuerst die Vorbehalte, und sodann die schrittweise Loslösung der Münchner Gruppe hervorrufen. Die vornehmlich auf ästhetische und psychologische Phänomene ausgerichtete Forschung seiner ersten Dozenten scheint in Löwiths Texten keine nennenswerten Spuren hinterlassen zu haben. Das Interesse an Pfänder erschöpfte sich in der bloßen Erwähnung der Abhandlung Motive und Motivation von 1911 und in der Kritik seiner Betrachtungen zur Charakterologie, die Löwith im Rahmen der Habilitationsschrift von 1928 (Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen ) entfaltete.14 Das Verhältnis zu Geiger könnte hingegen Löwiths Annäherung an die Psychoanalyse beeinflusst haben. Tatsächlich teilte er in seiner Dissertationsschrift über Nietzsche von 1923 (Auslegung von Nietzsches Selbst-Interpretation und von Nietzsches Interpretationen) Geigers Polemik gegen die Reduzierung der Psyche auf das bloße Bewusstseinsmoment, da er darin eine Richtung erkannte, „in welcher sich die Untersuchung von Grundstrukturen des Psychischen zu bewegen hat […]“ (ND 247).15 Diese Wertschätzung führte jedoch nicht zu einer vorbehaltlosen Unterstützung der Thesen Freuds, die das Seelenleben in fehlerhafter Weise erklärten, indem sie sich ausschließlich auf das Libido-Prinzip beriefen.16 Gleichwohl sollte Löwith, wie ein Brief von Heidegger vom 7. Dezember 1922 bezeugt, stets die „Genialität“ der Freudschen Lehre anerkennen, die für das Verständnis der menschlichen Natur weitaus fruchtbarer sei als die klassische philosophische Spekulation. Die von Löwith gegenüber Pfänder und Geiger gewahrte Distanz spiegelte zunächst sein Desinteresse an solchen Persönlichkeiten, die nicht imstande waren, durch ihr Charisma oder durch den Radikalismus theoretischer Vorhaben eine Antwort auf das Unbehagen einer von der Erfahrung des Krieges gezeichneten Generation anzubieten.17 Im Fall Löwiths ging diese Haltung jedoch auf ein tieferes Motiv zurück. Die unvoreingenommene Gelassenheit, die von späteren Interpreten oft konstatiert 14Vgl. IR 51. Löwith kritisiert hier die in Pfänders Aufsatz Grundprobleme der Charakterologie dargelegte Theorie. Eine zeitweilige Bekannte Löwiths bezeugt, dass dieser „Pfänder nicht sehr schätzte“ (Walther, Zum anderen Ufer. Vom Marxismus und Atheismus zum Christentum, 212). 15Ein Typoskript von Löwiths Münchner Dissertation Auslegung von Nietzsches Selbst-Interpretation und von Nietzsches Interpretationen befindet sich im Marbacher Nachlass (DLA A:Löwith, Sigle: ND). Eine weitere Fassung wird in der Universitätsbibliothek München (UBMN 0014/W U 23–9592) aufbewahrt. Die beiden Fassungen weisen nur unwesentliche Abweichungen auf. Löwith bezieht sich hier auf die Abhandlung Geigers, Das Unbewusste und die psychische Realität. 16Vgl. ND, 57–58. 17Mit folgenden Worten, aus denen die Erwartungen einer ganzen Generation sprechen, wird Pfänder von Gadamer, Philosophische Begegnungen, 382, beschrieben: „Das war der nüchternste, trockenste, undämonischste Phänomenologe, den man sich denken konnte.“

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und zuweilen gerühmt wird, bildete nicht von Anfang an die Grundfärbung seiner Existenz, sondern stellte die Krönung einer äußerst mühevollen Suche nach dem Gleichgewicht dar. Es handelt sich dabei nicht um eine ursprüngliche Neigung, sondern vielmehr um das Ergebnis einer vielschichtigen und leidvollen Selbsteroberung. Aus gutem Grund schildert Löwiths Lebensgeschichte die Figur Fiala als „halbwegs wissenschaftlichen und halbwegs geistig-ästhetischen Menschen“, in dem widerstreitende Neigungen wohnen: eine „angeborene, äußerst entwickelte Nüchternheit“, die auf dem Untergrund eines „sensiblen, hautlos empfindsamen Gefühlsorganismus“ reift; eine gelassene „Skepsis“ als diejenige Tugend, die von Seiten der Interpreten unausbleiblich gelobt werden würde, obschon sie in erster Linie als „Schutz und Schirm“ gegen die Schicksalsschläge des Lebens diente (Fiala 1926, 1–3). All dies sind Anzeichen einer Unruhe sich selbst und der Philosophie gegenüber, die Karl Löwiths gesamten biographisch-intellektuellen Weg durchzieht und einer Auslegung seiner Person im Zeichen einer olympischen Harmonie im Weg stehen. Während sich diese Entbehrung in den späteren Schriften allmählich auflösen und ernüchtern sollte, steht sie in den frühen Schriften noch ganz klar im Vordergrund. Tatsächlich schrieb Löwith bis zu dem Schritt, der ihn zum Berufsphilosophen machte – die Verleihung der Venia legendi im Sommer 1928 – mehr oder weniger abstrakt über sich selbst und die Fragen, die ihn bedrängten. Ein Heidegger am 17. August 1922 anvertrauter Satz bietet eine wirkungsvolle Bestätigung dieser Annahme: „Das Verhältnis zu Menschen – genauer ‚Freundschaft‘ – ist für mich von jeher der andre Pfahl im Fleisch – die Philosophie der eine.“ (MH/KL 61) Diese zwei Stacheln, die dauernd heraufbeschworen werden, helfen weit mehr als rein theoretische Begründungen dabei, die vom jungen Löwith eingenommene Haltung zu verstehen, die er gegenüber den ‚großen Persönlichkeiten‘ einnahm, mit denen er in Verbindung trat und deren Einfluss er in unterschiedlicher Weise auf sich wirken ließ: Max Weber und Stefan George in München, Edmund Husserl und Martin Heidegger in Freiburg.

Der Riese, der Dichter und Geheimrat Endlich Am 7. November 1917 hielt Max Weber in München den Vortrag Wissenschaft als Beruf auf Einladung des bayerischen Landesverbandes des Freistudentischen Bundes, einer Gruppe von liberalen Studenten mit fortschrittlichen Ideen.

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Zu deren Mitgliedern zählte auch der zwanzigjährige Karl Löwith, damals im ersten Universitätssemester und bei seiner ersten und letzten Erfahrung als politisch Aktiver.18 Der Vortrag war von keinem besonderen Erfolg gekrönt, vielmehr rief er die Kritik eines Großteils der Zuhörer und der damaligen gebildeten Kreise hervor. Ein Zeitzeuge erinnert daran, dass die spärlichen Würdigungen von den Kennern von „Professor Husserls Logos-Aufsatz“ kamen, sowie von jenen, die die Debatte über die Methode der Historiker und über die Werturteile in der politischen Ökonomie verfolgt hatten.19 Diese Interessen deckten sich nicht mit jenen des jungen Löwith, bei dem Webers Worte nichtsdestoweniger einen „überragend[en]“ (ML 20) Eindruck hinterließen. Von einigen Grauzonen in seiner politischen Theorie abgesehen, würde er Weber fortan als außerordentliche Gestalt bewundern, war er doch so etwas wie ein ‚Letzter‘, ein Riese im Angesicht „mehr oder minder belesene[r] Larven“ (MH/KL 70), die an seiner Seite unterrichteten. Und, aus eben diesen Gründen, ein Sinnbild für den moralischen Widerstand, den die deutsche Kultur der durch das Naziregime vorangetriebenen Verflachung hätte entgegensetzen müssen.20 Webers Aufruf zu einer intellektuellen Aufrichtigkeit, welche die Achtung der Grenzen der modernen Verfasstheit forderte, beeindruckte Löwith sehr.

18Vgl. Weber, Wissenschaft als Beruf, 71–111. Das Datum des Vortrags scheint endgültig gesichert. Löwiths Bericht, der ihn im Winter 1918/19 ansiedelt, ist also nicht korrekt. Vgl. z. B. ML 18–19, ferner Löwith, Max Webers Stellung zur Wissenschaft [1964], in: LS 5, 423–424; Martin Heidegger im Zeugnis [1970], 38. Eine von der Forschungsgruppe um Wolfgang Mommsen durchgeführte Überprüfung hat ergeben, dass Löwith im Wintersemester 1917/18 bereits an der Universität München immatrikuliert war. Ferner gingen die beinahe täglich von den Eltern an den gefangenen Sohn versandten Briefe seit Juli 1917 zurück an die Absender. Schließlich ist im Gefangenentagebuch (DLA A:Löwith) als letzte Haftzeit „Como 28.VIII [1917]“ verzeichnet. Der Fehler mag sich dahingehend erklären lassen, dass Löwith etliche Jahre später in Marianne Webers Biographie, wo sich als Datum tatsächlich der Winter 1918 findet, nach einer Stütze für seine Erinnerung gesucht hat. Vgl. Marianne Weber, Max Weber. Ein Lebensbild, 719. Zu diesen Fragen vgl. auch Schluchter, Einleitung und Editorischer Bericht, 1–46, 49–69, mit geringen Abweichungen wiedergegeben bei dems., Handeln und Entsagen. Max Weber über Wissenschaft und Politik als Beruf, 9–70. 19Brief von Immanuel Birnbaum an Max Weber vom 26. November 1917, teilweise zitiert in Schluchter, Editorischer Bericht, 60–61. Bei dem besagten Aufsatz Husserls handelt es sich um Philosophie als strenge Wissenschaft. Zum Werturteilsstreit siehe Nau (Hg.), Der Werturteilsstreit. Wiederum laut Birnbaum stellte sich der Schar von Weber-Verehrern der Zusammenschluss zweier traditionell verfeindeter Fronten aus dem studentischen Umfeld jener Epoche entgegen: Die „Freunde der Bildung“, die der Universität den Auftrag zuschrieben, einen Faustischen Menschen zu formen, und „die Enthusiasten eines ‚wissenschaftlichen Gebrauchs des Verstandes‘“, die für die Ausbildung jener „Spezialisten ohne Seele“ Partei ergriffen, auf die Weber am Schluss von Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus zu sprechen kommt. 20Vgl. zum einen den Brief von Löwith an Kahler vom 17. Juni 1920, in dem er auf Webers Tod eingeht (DLA A:Kahler), zum anderen den Brief an Heidegger vom 20. November 1922 (MH/KL 70–71), wo ein desolates Bild der Münchener Universität nach seinem Hinscheiden gezeichnet wird, sowie ML 18–19.

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Mehr noch werden ihn jene Passagen des Vortrags überzeugt haben, in denen sich die karge Nüchternheit, mit der Weber jeden Ausweg aus einer entzauberten Welt versperrte, mit einem bezaubernden Charme umgab.21 Um die Bedeutung dieser Episode zu ermessen, ist jedoch zu bedenken, dass in Löwiths frühen wissenschaftlichen Texten, wie auch in der ersten Autobiographie, Weber praktisch unerwähnt bleibt. Anhand der Briefwechsel lässt sich aber festmachen, dass sein Umgang mit Webers Schriften bis in die frühen dreißiger Jahre ausgesprochen intensiv war. Indem er sich in seinen Briefen an Heidegger, Jaspers und Kahler im Wesentlichen auf das Thema der ‚Wissenschaft als Beruf‘ konzentrierte, tat Löwith kund, dass er die von Weber angedachte Lösung teilte und sich weigerte, den ‚Zwiespalt‘ zwischen Person und Wissenschaft, zwischen Leidenschaft und Objektivität aufzulösen. Dennoch wollte er zugleich ‚in sich selbst permanent‘ machen, was sich an ‚Unbefriedigendem‘ und Tragischem an jener ‚verzweifelten‘ Position befand (vgl. ND 1, 6, 7, 16).22 In der charismatischen, ganz der eigenen Forschung ergebenen Gestalt Max Webers hätte Löwith wohlwollend seinen Lehrer finden können. Allerdings waren Politische Ökonomie oder Soziologie nicht die Wissensgebiete, denen er sich widmen wollte. Mit Pfänder oder Geiger hatte das philosophische Umfeld Münchens gewiss keine ebenbürtigen Persönlichkeiten anzubieten. Aber die Stadt war zugleich der Ausgangsort eines der verführerischsten kulturellen Phänomene des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts, dem gegenüber auch Löwith keineswegs gleichgültig bleiben sollte. Hierbei handelte es sich um den Kreis von Adepten, die sich um Stefan George scharten, um jenen Dichter also, der in der deutschen Kultur der Anfangsjahrzehnte des Jahrhunderts eine Art Gegenpol zu Max Weber darstellte.23 Durch Erich von Kahler, ein oben schon erwähnter Denker, der zu jenem Kreis gehörte, wurde im Ausgang von Webers Vortrag eine Polemik angestoßen, an der unter anderem Arthur Salz, Ernst Robert Curtius, Ernst Troeltsch und Max Scheler beteiligt waren.24 In seiner Schrift Der Beruf der 21Vgl. Löwith, Max Webers Stellung zur Wissenschaft [1964], 421–422. Eine Deutung mehrerer einschlägiger philosophischer Modelle des 20. Jahrhunderts im Sinne einer Reaktion auf Webers Diagnose bietet der Versuch von Bolz, Auszug aus der entzauberten Welt. Philosophischer Extremismus zwischen den Weltkriegen. 22Vgl. auch die Briefe Löwiths an Kahler vom 15. September 1920, 2. Dezember 1920 und 29. August 1922 (DLA Marbach A:Kahler). 23Eine eindrucksvolle Beschreibung der Treffen des Kreises bietet Thomas Mann, Beim Propheten, 362– 370. 24Vgl. Massimilla, Intorno a Weber. Scienza, vita e valori nella polemica su ‚Wissenschaft als Beruf‘.

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Wissenschaft schrieb Kahler dem Wissenschaftsmenschen wiederum jene prophetische Rolle zu, der Weber jegliche Legitimität abgesprochen hatte. Erst sehr viel später, im Jahr 1964, sollte Löwith diese Einwände als „ohnmächtige Reaktionen“ auf Webers klarsichtige Diagnose vom Schicksal des modernen Intellektuellen abtun.25 Ein solches Urteil war jedoch für seine Haltung gegenüber dem George-Kreis nicht von Anfang an kennzeichnend gewesen. In seiner Dissertation beispielsweise erkannte er in Kahlers Schrift eine „krass[e]“ Formulierung der wichtigsten Probleme innerhalb des Themas der ‚Wissenschaft als Beruf‘. Das Fehlen einer genauen kategorialen Klärung brachte es allerdings mit sich, dass hier das „Zwischenglied zwischen ‚Leben‘ und ‚Wissenschaft‘“ (ND XVI, Anm. 85) irrtümlich in der Kunst gesehen wurde. Die Bedeutung, die Löwith dem George-Kreis zuschrieb, ging freilich über die Erörterung der von Kahler angegangenen Themen hinaus. So bezeichnete er im Curriculum vitae von 1959 die Wahl, entweder dem Intellektuellen- und Dichterkreis um George beizutreten oder den von Heidegger vorgezeichneten ‚einsamen Weg‘ einzuschlagen, als die wichtigste Entscheidung seiner Ausbildungsjahre (CV 452). Die Aussage findet keine unmittelbare Bestätigung in seinen Schriften, wo die Positionen des Dichterfürsten und seiner Schüler kaum von Bedeutung sind, und muss daher durch die Kombination biographischer und anderer Faktoren des geistigen Klimas jener Jahre aufgehellt werden. Dabei ist nicht zu vergessen, dass in Löwiths autobiographischen Schriften die nachträgliche Anerkennung der Beispielhaftigkeit bestimmter Figuren – wie etwa Husserls – mit massiven Abwertungen von Persönlichkeiten – und im Fall Georges beinahe mit einer Verdrängung – einhergeht, denen zunächst grundlegende Bedeutung zugekommen war. Und gerade in diesem Wandel der Bewertungskriterien von Erfahrung offenbaren die Texte eine auch philosophische Natur.26

25Vgl. Löwith, Max Webers Stellung zur Wissenschaft [1964], 446. Siehe auch Löwith, Paul Valéry. Grundzüge seines philosophischen Denkens [1971], in: LS 9, 259. Die Gegnerschaft, „die er aus dem Kreise um Stefan George erfuhr – nicht von George selbst, und nicht von Gundolf, der Weber aufs höchste verehrte […]“ (Max Webers Stellung zur Wissenschaft, 446), spricht auch aus der Stellungnahme eines anderen Mitglieds des Kreises. In einer Postkarte vom 18. August 1965 schrieb Edgar Salin an Löwith: „Auch für mich war und bleibt Max Weber eine der stärksten Gewalten meiner Lebenszeit. Aber haben Sie nie das Unselige empfunden, das um ihn witterte?“ (DLA A:Löwith). 26Eine philosophische Lesart des Harvard Paper (ML) – als Antithese zu Nietzsches Ecce homo – wurde mit eindrucksvollen, wenn auch nicht immer überzeugenden Ergebnissen vorgestellt von Jaeger, Autobiographie und Geschichte. Wilhelm Dilthey, Georg Misch, Karl Löwith, Gottfried Benn, Alfred Döblin, 133–211. Treffender scheint mir eine Interpretation, die nicht nur explizit theoretisch durchwirkte Teile von anderen, weitgehend dokumentarischen unterscheidet, sondern innerhalb der letzteren die philosophischen Bewertungskriterien der biographischen Erfahrung ermittelt.

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Der Zwiespalt, mit dem sich der junge Löwith konfrontiert sah, ist vor allem auf sein Verhältnis zu Percy Gothein zurückzuführen, dem bei George beliebten Sohn des renommierten Heidelberger Kulturhistorikers Eberhard Gothein, der unter den Anhängern noch am ehesten mit philosophischer Bildung vertraut war.27 Löwith war lange von Percy fasziniert, bis er schließlich schmerzhaft erfahren musste, dass der Zauber, der von ihm ausging, nur ein fahles Abbild von jenem des Meisters war. Zu jener Zeit betrachtete er die Freundschaft sicherlich als sein „verhängnisvollstes“ Problem, als Ausgangspunkt von Allem, „was ich bisher menschlich an Entscheidendem und Großem, an Freude und Qual erlebt habe.“28 Die Beziehung zu Gothein muss ausgesprochen schwierig gewesen sein, wenngleich dieser sich in einem Brief vom 8. Dezember 1929 daran erinnerte, dass es „wohl schon zwölf jahre her [ist] seit sich unsere lebensbahnen so schmerzlich kreuzten, so dass das gedächtnis daran sich nicht mehr verwischt.“29 Es war aber nicht allein diese Verbindung, die Löwith in das Umfeld des Kreises zog. Das „geistig-ästhetische“ Bewusstsein Löwiths, das in der Kunst einen weitaus konkreteren Zugang zum Leben vorfand, war dementsprechend empfänglich für die Plastizität von Georges Lyrik und sah darin einen Gegenentwurf zur Philosophie. Folgerichtig bemühte er sich lange darum, einen Zugang zu Georges Versen zu finden.30 Was Löwith mehr als alles andere bezauberte, war allerdings das pseudoreligiöse Charisma des Dichters, das in Gotheins „Außergewöhnlichkeit von zweiter Hand“ erstrahlte. Inmitten der Orientierungslosigkeit, die auf den Ersten Weltkrieg folgte, gehörte auch er zu den vielen, die bereitwillig glaubten, dass dunkle, in hellseherischem Ton getätigte Äußerungen Schätze unerforschlicher Weisheit bergen. Angesichts der Unterwürfigkeit, die Percys Verhältnis zu seinem Meister kennzeichnete, bildete sich dennoch ein zunehmender Widerstand 27Vgl. Kluncker, Percy Gothein. Humanist und Erzieher. Das Ärgernis im George-Kreis, vor allem 40–56. Eine Erforschung der Wirkungsgeschichte des George-Kreises im philosophischen Bereich steht noch aus. Einige erste Hinweise finden sich bei Gadamer, Die Wirkung Stefan Georges auf die Wissenschaft; Kluncker, Stefan George. Poeta doctus und die Distanz zur Philosophie. 28Die hier zitierten Ausdrücke finden sich in zwei Briefen Löwiths an Heidegger vom 26. Februar 1921 und 29. November 1920 (MH/KL 39, 26). 29Percy Gothein an Karl Löwith, 8. Dezember 1929 (DLA A:Löwith). 30In der Autobiographie von Gerda Walther wird eine vielsagende Episode erzählt. Als er die Freundin beim Durchblättern von Georges Der siebente Ring überraschte, nahm Löwith ihr das Buch unwirsch aus der Hand: „Das ist nichts für Sie!“ Als er Jahre später über die Bedeutung dieser Geste befragt wurde, gestand ihr Löwith, selbst nicht allzu viel damit anfangen zu können, obwohl ein Freund (Gothein) es ihm so angepriesen hatte. „Der Gedanke ärgerte ihn, daß ich vielleicht eher einen Zugang dazu finden würde.“ (Walther, Zum anderen Ufer, 291).

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aus, der Löwith dazu drängte, von dem Freund und von der Absicht, dem Kreis beizutreten, Abschied zu nehmen.31 Erstmals war seine Ablehnung eines für Angehörige einer Sekte oder einer Gruppe von Bekehrten typischen Verhaltens zutage getreten. Diese Haltung sollte für Löwiths Weg fortan bezeichnend sein. Erst im Reifealter, beim Nachdenken über George und die diesem janusartig verwandte Persönlichkeit Heideggers, sollte er begreifen, dass es „in Zeiten der Auflösung […] verschiedene Arten von ‚Führern‘ [gibt], die sich nur darin gleichen, daß sie das Bestehende radikal verneinen und entschlossen sind, einen Weg zu dem ‚Einen das Not tut‘ zu weisen“ (CV 452).32 Zu Anfang der zwanziger Jahre vollzog sich die Trennung vom Radikalismus der Aristokratie des Geistes, die sich um George versammelt hatte, im Namen eines noch radikaleren Anspruchs, den Löwith nun, nachdem er sein Echo in Webers Worten vernommen hatte, gerade in der Gestalt Heideggers verkörpert fand. Im Frühjahr 1919 begab sich Löwith auf Anraten von Pfänder und Geiger nach Freiburg, um sein Studium unter Anleitung von Edmund Husserl fortzusetzen.33 Was ihn neben der Verlockung, die von dem Begründer der Bewegung ausging, innerhalb der er seine philosophische Ausbildung begonnen hatte, zur Veränderung anspornte, war der Wunsch, „sich gleichsam seelisch zu enterben“ (Fiala 1926, 5), indem er eine Situation hinter sich ließ, in der er sich nie ganz wohl gefühlt hatte. Dieses Streben nach Unabhängigkeit wurde durch die Ereignisse, die in jenen Monaten München und das ganze Land in Aufruhr versetzten, gewiss nicht aufgehalten. Denn auf den Versuch, in Deutschland eine Räterepublik einzusetzen, blickte Löwith mit verdrießlicher Gleichgültigkeit. Die Politik war

31Ein

Brief an Heidegger vom 22. September 1922 erlaubt, das Ende der Beziehung zu Gothein auf diese Zeit zu datieren (MH/KL 67). Nichtsdestotrotz kommentierte ein weniger involvierter Beobachter wie Leo Spitzer seine Lektüre des Harvard Paper in einem Brief an Löwith vom 8. Mai 1940 wie folgt: „Percy Gothein schneidet vielleicht zu gut ab – er war der von George aus der Bahn geworfene Mignon, dem nur übrig blieb – ein Hochstapler zu werden, geistig und materiell“ (DLA A:Löwith). Der nicht erfolgte Eintritt in den George-Kreis bedeutete nicht das Ende der Verbindungen zu einzelnen Mitgliedern – neben Kahler seien hier Kurt Singer, Karl Wolfskehl, Edgar Salin und Rudolf Fahrner genannt – und auch keinen Verlust des Interesses für die Beweggründe ihrer Arbeiten. Dies gilt, wie schon erwähnt, für das Verhältnis von Kunst, Wissenschaft und Leben, aber auch, wie noch zu sehen sein wird, für die Nietzsche-Auslegung von Autoren wie Ernst Bertram oder Ludwig Klages, die dem Kreis vormals verbunden waren. 32Zu Affinitäten zwischen George und dem späten Heidegger vgl. auch Löwith, Heidegger, Denker in dürftiger Zeit [1953, 21960], in: LS 8, 230–232. 33Am 5. April 1919 schrieb Geiger an Husserl: „Herr Löwith, Student der Naturwissenschaften und Philosophie, der seit 2 Semestern Übungen bei mir mitmacht, will im nächsten Semester in Freiburg studieren. Er ist eifrig, wenn auch noch nicht sehr vorgerückt. Ich bitte Sie ihn freundlich aufnehmen zu wollen.“ (Husserl, Briefwechsel. Bd. 2, 108).

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längst an den Rand seiner Interessen gerückt. Von 1933 an würde die Politik sich allerdings für ihn interessieren. Zu den Studenten, die von Frühjahr 1919 bis Sommer 1922 in Freiburg lebten oder sich dort aufhielten, gehörten Günther Anders, Oskar Becker, Heinrich Besseler, Walter Bröcker, Ludwig Ferdinand Clauß, Ludwig Curtius, Afra Geiger, Aron Gurwitsch, Max Horkheimer, Hans Jonas, Fritz Kaufmann, Alexandre Koyré, Walter Marseille, Hans Reichenbach, Kurt Reinhardt, Leo Strauss, Wilhelm Szilasi, Martin Thust, Dimitri Tschitschewski und Gerda Walther. An der Seite von Husserl, der 1916 Heinrich Rickert nachgefolgt war, brillierte mit Martin Heidegger ein junger, im Vorjahr eingestellter Privatdozent, der bald darauf Berühmtheit erlangen sollte. Anfang der zwanziger Jahre war Husserl bereits ein hochrenommierter Philosoph, der sich dafür einsetzte, die grundlegenden Errungenschaften der phänomenologischen Bewegung auszufeilen und zu verbreiten. So ist er vielen seiner Schüler in Erinnerung geblieben: als typischer Gelehrter des ausgehenden 19. Jahrhunderts, vornehm, höflich und geradezu manisch seiner Lebensaufgabe verschrieben. In den Vorlesungen stellte er bereits erprobte Gedankengänge vor und verfolgte einen verschulten, monologartigen Ansatz, der die Studenten nicht mitzureißen vermochte. Von dieser Kluft zwischen den Erwartungen einer ganzen Generation und Husserls Angebot bieten Löwiths Schriften ein beredtes Zeugnis. In seinen frühen wissenschaftlichen Arbeiten ist der Husserlsche Ansatz in der Tat fast vollständig abwesend. In Löwiths Dissertation hingegen wird seinen Forschungen, wie auch jenen Heideggers, das Verdienst zuerkannt, „es heute wieder möglich“ gemacht zu haben, „an eine ursprüngliche Erfassung dessen, was eine ‚Kategorie‘ ist, heranzukommen.“ (ND 211) Auf das Lob folgt jedoch ein wesentlicher Vorwurf, wonach die Theorie der transzendentalen Reduktion eine ethisch konnotierte Neuauflage von Descartes’ cogito sei, eine „theo-rationale Ethik“ ohne jede Plausibilität (ND 26–28). In seiner Habilitationsschrift zitierte Löwith die Logischen Untersuchungen dann nur in den Fußnoten, um Kritik an ihrer Entwertung des kommunikativen Moments der Sprache zu üben (IR 124). Diese Vorbehalte schlagen sich in der porträthaften Darstellung des „Geheimrats Endlich“ nieder, der in Löwiths autobiographischer Reflexion von 1926 seiner Enttäuschung, die auf die Begegnung mit dem Begründer der Phänomenologie gefolgt war, freien Lauf lässt. Mit der Erbarmungslosigkeit eines von der Duldsamkeit der Skepsis noch weit entfernten jungen Herrn wird Husserl als ein Mann beschrieben, der „sich längst überlebt hatte“, ein „ebenso prophetische[r] wie professorale[r]“ Visionär (Fiala

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1926, 17), der überzeugt davon war, dass die exakte Analyse des reinen Zeitbewusstseins eine endgültige Lösung für das schwierige Problem der Unsterblichkeit hervorbringen werde. Im Verlauf der Darstellung wird Fiala beim Besuch einer psychiatrischen Klinik ein geisteskranker Patient vorgestellt, der von sich behauptet, eine lebensverlängernde „Lebensmaschine“ erfunden zu haben. Doch groß war seine Verwunderung, als man ihm nicht „jene[n] Philosophen“ vorführte, „um dessentwillen er nach F. gekommen war“: Der einzige Unterschied zwischen Husserl und jenem verstörten Geist bestand darin, „daß der Erstere frei herumlief und mit seinen Wahnideen gesunde Köpfe in Verwirrung brachte, der Letztere aber nicht.“ (Fiala 1926, 17) Diese mitleidslose Karikatur lässt jenes Lobeswort fast unvorstellbar erscheinen, das Löwith 1939 im japanischen Exil als Widmung für Von Hegel zu Nietzsche wählte, um seine Wertschätzung für Husserl zu bekunden, die jedoch niemals über eine theoretische Affinität verfügte. Der durch den Nationalsozialismus hervorgerufene Bruch sollte auf die für die Gestalt Husserls charakteristische Distanz zur Welt ein neues Licht werfen, auf den geduldigen Heroismus, mit dem dieser „große Erforscher des Kleinsten“ (ML 28) in turbulenten Jahren fortfuhr, seine Vorlesungen zu halten und dabei in aller Nüchternheit die Ergebnisse gewissenhafter Forschungen darlegte.34 Doch Löwiths Urteil über den Kern von Husserls Forschung, die Begründung des Wissens durch die Lehre der transzendentalen Reduktion, sollte unverändert bleiben. Löwith erschien Husserls Glauben an eine definitive philosophische Methode stets genauso „naiv“ wie das Wesen des Verfechters dieser Methode. Husserl vermochte niemals zu durchschauen, dass der „Grund des Ausbleibens weiterer Fortschritte“35 bei dem vielversprechenden Schüler von einer wachsenden Ratlosigkeit ihm gegenüber abhing. Die Verbindung zu Heidegger entstand nicht zuletzt auf der Grundlage einer gemeinsamen Ablehnung Husserls. In einem Brief vom 26. Februar 1921, in dem er – wie in vielen seiner Briefe an Heidegger – versuchte, das eigene Verhältnis zur Philosophie zu klären, behauptete Löwith, er habe Husserl niemals ernstlich in Betracht gezogen und seinem philosophischen Ansatz gegenüber stets starke Vorbehalte gehegt: „Heute ist es mir ganz klar, dass Husserl im tiefsten Grunde kein großer Philosoph ist, dass es eine massive Täuschung ist ihn mit Kant auf eine Stufe zu stellen 34Vgl. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche [1941], in: LS 4, 540–541. Später weggelassen, in die Gedenkschrift, sowie in das Curriculum vitae desselben Jahres jedoch wieder aufgenommen, wurde Eine Erinnerung an E. Husserl [1959], in: LS 8, 235–241. 35Löwith, Eine Erinnerung an E. Husserl [1959], 235.

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[…]. Lieber zu einseitige und scharfe Ablehnung als diesen ertötenden Ballast mitschleppen.“ (MH/KL 36) Am 17. August 1922 forderte er, dasselbe Motiv variierend, Heidegger sogar dazu auf, seine Missbilligung mit mehr Mut zu äußern: „[I]ch war mir […] sofort darüber klar, dass Sie – nicht Husserl – mein Lehrer sind […]. Der Logos-Artikel wirkte auf mich seinerzeit verheerend – so kann ein geistig lebender Mensch nicht schreiben – heute […]. [I]ch bedauerte immer, dass Sie und Becker es sich leider nicht immer leisten können, immer in klarer Luft in Freiburg zu leben.“ (MH/ KL 60–61) Und am 20. Februar 1923 sollte ihm Heidegger unvermittelt zustimmen, indem er schrieb: „Husserl war nie auch nur eine Sekunde seines Lebens Philosoph.“ (MH/KL 84).

Der kleine Zauberer von Meßkirch In den von Martin Heidegger gehaltenen Vorlesungen nahm die phänomenologische Forschung andere Richtungen als jene, die ihr Begründer eingeschlagen hatte.36 Husserls junger Assistent machte das Hauptthema der Phänomenologie in der „Faktizität des Lebens“ fest und kritisierte den Primat der „theoretischen“ Haltung, die seiner Meinung nach die moderne Philosophie seit Descartes charakterisierte und einem Zugang zur Existenz in ihrer Konkretheit im Weg stand. Der revidierten Version der cartesianischen Subjektivität, die Husserl als Grundlage seiner Methode genommen hatte, folgten nun Begriffe vom „Dasein“, vom „situationalen Ich“, dessen Physiognomie Heidegger deutlich von jener des traditionellen ‚subiectum‘ unterschied. In ihrer ersten Freiburger Fassung (1919–1923) präsentierte sich Heideggers Phänomenologie als eine „ursprüngliche Wissenschaft“, als eine „prätheoretische Forschung“, die auf die Erarbeitung eines Kategorienapparates ausgerichtet war, der imstande sei, die besonderen Eigenschaften des Lebens auszudrücken. Diese „Logik der Lebensphänomene“ verfolgte die Absicht, die definitorische Strenge mit einer effektiven Durchdringung der Erfahrung zu verbinden. Mit dieser Bewegung hin „zu den Sachen selbst“ traten die Motive der Interpretation und Auslegung deutlich in den Vordergrund.

36Für eine Rekonstruktion der Biographie Heideggers vgl. Ott, Martin Heidegger. Unterwegs zu seiner Biographie; Safranski, Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit. Für eine Gesamtübersicht siehe z. B. Pöggeler, Der Denkweg Martin Heideggers. Zu den frühen Freiburger Vorlesungen vgl. Kisiel, The Genesis of Heidegger’s „Being and Time“sowie den Thementeil im Dilthey-Jahrbuch 4 (1986/1987).

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Im Sommersemester 1923 sollte sich Heidegger aus Freiburg verabschieden und präsentierte ein Kompendium seines theoretischen Programms, für das er den Namen „Hermeneutik der Faktizität“ prägte. Darin entfernte er sich von den Positionen Friederich Schleiermachers und Wilhelm Diltheys. Unter Hermeneutik verstand man nicht länger die Kunst der Interpretation eines Textes, und ebenso wenig die methodische Grundlegung der Geisteswissenschaften. Ihre Aufgabe fasste Heidegger in Begriffe, die ihm einen Teil seines Ruhms einbringen sollten: Sie bestand nun darin, „das je eigene Dasein in seinem Seinscharakter diesem Dasein selbst zugänglich zu machen“ – also das unwiederholbare und besondere Sein einer jeden Existenz, ihre ‚Eigentlichkeit‘ – es „mitzuteilen, der Selbstentfremdung, mit der das Dasein geschlagen ist, nachzugehen. In der Hermeneutik bildet sich für das Dasein eine Möglichkeit aus, für sich selbst verstehend zu werden und zu sein“.37 Das Begreifen der Eigenheit des Lebens ist demnach eine hermeneutische Leistung des Lebens selbst; die Interpretation ist kein Verfahren außerhalb der Existenz, sondern eine Seinsweise des menschlichen Daseins oder, genauer gesagt, eine Daseinsmöglichkeit. Bereits in den methodischen Grundzügen, die dem berühmten NatorpBericht von 1922 beigefügt waren, wurde die Philosophie jedoch von Heidegger als „der genuine explizite Vollzug der Auslegungstendenz der Grundbewegtheiten des Lebens“ definiert.38 Die Hermeneutik der Faktizität positionierte sich so auf halbem Weg zwischen der Sorge um die jedem stets eigenen Möglichkeiten und der Kritik einer „Selbstentfremdung“, die gleichermaßen die Existenz und die Philosophie betraf. Durch ihr „destruktives“ Verhältnis zur Tradition widerlegte sie die unangemessenen Interpretationen, die der Mensch im Lauf der Jahrhunderte von sich selbst gegeben hatte, wodurch sie ihn aus dem „Fall“ in eine uneigentliche Verfasstheit erlöste und den Zugang zu einer ursprünglichen Freiheit eröffnete.39 Die Erinnerungen der Hörer und Teilnehmer der Freiburger Vorlesungen und Seminare stimmen in einer Grundeinschätzung überein: Mit Heidegger hielt eine Art und Weise des Philosophierens und Lehrens Einzug in die deutsche Universität, die mit dem damaligen Angebot nichts gemein hatte. Die neuartigen, obskuren und als fesselnd empfundenen Begriffe,

37Heidegger,

Ontologie (Hermeneutik der Faktizität). (Sommersemester 1923), 15. Phänomenologische Interpretation zu Aristoteles (Anzeige der hermeneutischen Situation), 246. 39Vgl. Heidegger, Ontologie, 105. Zum Thema siehe Grondin, Die Hermeneutik der Faktizität als ontologische Destruktion und Ideologiekritik. Zur Aktualität der Hermeneutik Heideggers. 38Heidegger,

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das persönliche Charisma, die Intensität und Strenge der theoretischen Bemühung, in der sich der erforschte Gegenstand beinahe zu materialisieren schien, sogar seine Kleidung und die nicht gerade weltgewandte Art verzauberten die Studenten, für die Heidegger „der heimliche König im Reich des Denkens“ war.40 Seine Bekanntheit und seine Karriere – eine historische Ausnahmeerscheinung in der akademischen Welt – gründeten in diesem erstaunlichen didaktischen Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt galt das gesprochene Wort eher mehr als das geschriebene, zumal Heidegger damals noch keines der Werke veröffentlicht hatte, die ihn berühmt machen sollten. In einem geistigen Klima, das jenem nach Hegels Tod verwandt gewesen sein dürfte, „schien sich die seit einem Jahrhundert aufgerissene Kluft zwischen der akademischen Philosophie und dem weltanschaulichen Bedürfnis zu schließen“.41 Eine Vielzahl von Studenten, die nach Freiburg gekommen war, um unter Anleitung Husserls an die Phänomenologie herangeführt zu werden, fand in Heidegger ihren Lehrer. Und Karl Löwith war einer von ihnen. In einem Brief an Heidegger vom 17. August 1927 zog Löwith eine Art Bilanz ihres Verhältnisses. In den Eingangszeilen zitierte er eine Äußerung des mit ihm befreundeten Husserlschülers Martin Thust – ein leidenschaftlicher Kierkegaard-Kenner –, die das Wesen dieser Beziehung genau auf den Punkt bringt: „Ja, Heidegger scheint mir für Sie eine Art ‚Schicksal‘ zu sein – Sie reagieren merkwürdig heftig in Ihrem Verhältnis zu seiner Philosophie“ (MH/KL 145). Allein seiner Entdeckung der Schriften Nietzsches würde Löwith eine ähnlich schicksalhafte Bedeutung beimessen können. Tatsächlich stellt die Begegnung mit Heidegger für seine Ausbildung das entscheidende Ereignis dar; es bildet den Anfangspunkt eines Dialogs sowie eines Konflikts: Heidegger ist Löwiths Lehrer, und das obwohl oder gerade weil letzterer „keinen Schritt getan hat, zumindest keinen für die Öffentlichkeit sichtbaren, der nicht auch eine Kritik an Heidegger einschloß.“42 Seinen japanischen Lesern, die ihm wegen der beständigen Kritik am eigenen philosophischen Leitstern verunsichert schienen, gab Löwith einmal folgende Erklärung: „Die Dankbarkeit gegenüber dem Lehrer widerspricht bei uns nicht der schärfsten Auseinandersetzung mit ihm, vielmehr werden wir oft gerade das, wodurch wir am meisten gelernt haben, auch der strengsten Kritik unterziehen. Im Grunde ist die Kritik am eigenen Lehrer

40Vgl.

Arendt, Martin Heidegger zum 80. Geburtstag, 893. Heideggers Wege. Studien zum Spätwerk, 189. 42Henrich, Sceptico sereno. Rede am 9.1.1967, 460. 41Gadamer,

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zugleich eine solche an einem selbst“.43 Der Briefwechsel zwischen beiden bestätigt diese Erwägungen, denn er lässt einen jungen Mann erkennen, der zwar Mühe hat, in dem Verhältnis das rechte Maß zu finden, vor dieser Schwierigkeit aber nicht kapituliert. Ein Gleichgewicht, das sich – philosophisch wie auch menschlich – endlich einzustellen schien, wurde von der Wirklichkeit gleichsam überrannt, als Heideggers politische Option 1933 das faktische, wenn auch nur vorläufige Ende der Beziehung einleitete: Löwith sah sich nun gezwungen, den Weg ins Exil zu wählen, und erst in den sechziger Jahren würde es zu einer öffentlichen Aussöhnung kommen. Löwiths Aufzeichnungen über seinen Lehrer scheinen durchweg zu divergieren: Erkennbar liegt ihnen der Versuch zugrunde, die Umrisse einer nur schwer greifbaren Persönlichkeit festzuhalten. Mit glücklicher Hand beschreibt er die Fülle der Elemente, aus denen „der kleine Zauberer von Meßkirch“ den „selbstenergischen Ernst“ seines Reizes bezieht: Seiner Herkunft nach ein einfacher Messnerssohn wurde er durch seinen Beruf zum pathetischen Vertreter eines Standes, den er als solchen negierte. Jesuit durch Erziehung wurde er zum Protestanten aus Empörung, scholastischer Dogmatiker durch Schulung und existenzieller Pragmatist aus Erfahrung, Theologe durch Tradition und Atheist als Forscher, Renegat seiner Tradition im Gewande ihres Historikers. Existenziell wie Kierkegaard mit dem Systemwillen eines Hegel, so dialektisch in der Methode wie einschichtig im Gehalt, apodiktisch behauptend aus dem Geiste der Verneinung, verschwiegen gegen andere und doch neugierig wie wenige, radikal im Letzten und zu Kompromissen geneigt in allem Vorletzten […]. (ML 46)44

Eine derart ausgeprägte Individualität schien sich nicht mit einem Schülerkreis umgeben zu wollen, was einen weiteren grundlegenden Unterschied gegenüber Husserl bedeutete, der nach seiner Vorstellung von Philosophie die Entstehung einer Schule erstrebte. In dieser einsamen Außergewöhnlichkeit, der ein mystagogischer Gestus keineswegs fremd war, sah Löwith einen entscheidenden Grund, Heidegger als seinen Lehrer zu wählen. Hinsichtlich der Radikalität des theoretischen Angebots, lässt ein Satz von Leo Strauss – mit dem Löwith ab Anfang der dreißiger Jahre seinen reichsten philosophischen Briefwechsel führen würde45 – wenig Raum für 43Löwith,

Der europäische Nihilismus [1940], 528–529, Anm. 6. auch Fiala 1997, 148–150. 45„Löwith sagte mir [zu Anfang der sechziger Jahre], dass alle seine Werke, wenn man sie ernsthaft verstehen wollte, nicht nur als Kontrast zu Heideggers Werken gelesen werden müssten, sondern auch und vor allem als Kontrast zu jenen von Leo Strauss“ (Sasso, La fedeltà e l’esperimento, 231 – Übersetzung: A. Staude). Vgl. hierzu auch Esposito, Sull’orlo del precipizio; Stichweh, Dialogue philosophique sur fond politique. 44Vgl.

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Zweifel. Seine Erinnerung an das erste Treffen mit Heidegger im Jahr 1922 kommentierte Strauss wie folgt: „Bis zu diesem Zeitpunkt war ich stets, wie zahlreiche meiner Zeitgenossen in Deutschland, von Max Weber sehr beeindruckt gewesen“; verglichen mit Heidegger, ist er allerdings „ein ‚Waisenkind‘ im Hinblick auf Akribie, geistige Tiefe und Sachverstand“.46 In Heideggers Ansatz sah Löwith die entscheidende Erfahrung seiner Generation gespiegelt: die Krise einer Kultur, die ihre Fähigkeit verloren hatte, gegenwartsrelevante Antworten zu bieten. Obwohl er zu den Ersten gehörte, die das theoretische Format seines Lehrers erkannten, und dabei nicht zögerte, Heidegger mit Autoren vom Rang eines Nietzsche oder Kierkegaard zu vergleichen, hatte Löwith dennoch Mühe zu verstehen, wie es Heidegger gelingen konnte, das existenzielle Pathos des „subjektiven Denkers“ mit der leidenschaftslosen Nüchternheit eines „Mann[es] der Wissenschaft“ zu vereinen. In Löwiths Gemüt, wie auch in der Art seines Philosophieverständnisses, herrschte zwischen diesen Ansprüchen ein beißender Zwiespalt.47 In einer Weise, die den Kenner des reifen Löwith vielleicht überraschen mag, erklärte dieser sich indes stärker von einer „Selbstreflexion“ angezogen, die auf psychologischen Inhalten beruht, vor allem auf dem „Problem Leben und Begriff“. Laut einem Brief vom 26. Februar 1921 lag darin das entscheidende ‚aut-aut‘ für die Philosophie, denn auch die klügsten Positionen neigen dazu, die theoretische Untersuchung mit der „ursprünglicheren“ Ebene des Lebens zu vermischen, indem sie die nie ganz aufhebbare Distanz zwischen Denken und Existenz abschaffen.48 Folglich ignorierte Löwith die „sterilen“ methodischen Fragen, um sich auf die von dem „problematischen“ Denker übernommenen Modalitäten zu konzentrieren und sich solchen Rätseln anzunähern, die aufgrund der Dringlichkeit philosophisch sind, die sie an die „wesentliche Weise der existenziellen Artikulation“ bindet, an den obersten „Sinn meines Existierens“ (MH/KL 54). Die Schlussfolgerung aus seinen Ausklügelungen bestand darin, dass nur die Intensität des Verweises auf sich selbst – was in Nietzsches Begriffen hier als „Kraft“ bezeichnet wurde – eine übersteigerte Innenschau in die ursprüngliche Erfahrung der Theorie umwandeln konnte.

46Strauss, An Introduction to Heideggerian Existentialism, 28 (Übersetzung: A. Staude). Eine ähnliche Formulierung findet sich auch in einem in englischer Sprache verfassten Brief an Löwith vom 3. Juni 1964 (KL/LS 690). 47Vgl. Löwith, Zu Heideggers Seinsfrage: Die Natur des Menschen und die Welt der Natur [1969], 279. 48Vgl. MH/KL 35–39.

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Löwith wusste wohl, dass ihn Ansichten dieser Art bis an die Schwelle zur künstlerischen Sphäre führten. Doch er schien sich mit einer einsamen Stellung abgefunden zu haben: „Eine Welt trennt einen von den literarischen Prophetchen, eine nicht minder große Kluft von den wissenschaftlich-philosophischen Taglöhnern“ (MH/KL 28). Eine Form aktiver Resignation, eine aufwertende Akzeptanz der eigenen Grenzen sollte ihm einen ersten Ausweg aus diesen Zweifeln aufzeigen. Der Brief an Heidegger vom 18. Februar 1921 bezeugt, dass dieser Weg zumindest eingeschlagen wurde: Was meinen Sie überhaupt? Hab ich das Zeug zum Philosophen, d. h. zu was für einem Philosophen taugt es? […] Die innere überquellende GedankenProduktivität verspüre ich nicht. Ich weiß auch nicht recht, wie ich mich zu der geforderten sogenannten sachlichen Leidenschaftlichkeit des Denkens stellen soll – mit dem Hammer philosophiere ich auch nicht – womit denn? Vielleicht […] mit innerer Unzufriedenheit und Klarheitsbedürfnis und Neugierde – Denken-müssen gehört zu meinem Leben […] (MH/KL 33).

Diese Zweifel hinderten Heidegger nicht daran, Löwith als seinen ersten Schüler anzunehmen, ihn unter zahlreichen anderen, die mit ihren Anfragen drängten, auszuwählen, um dann seine Doktorarbeit zu begleiten und die Habilitationsschrift zu betreuen. In einem Brief vom 22. Januar 1921 schrieb er an Jaspers: „Ich habe in diesem Jahr schon vier [Studenten] hinausgeworfen. Einen einzigen halte ich formal zunächst fest, es ist Herr Löwith – was er macht und wie es wird, weiß ich gar nicht“.49 Im Jahr 1952, auf dem Höhepunkt ihrer Auseinandersetzung, sollte Heidegger indes wehmutsvoll an den jungen Herrn zurückdenken, „der seit 1919 volle neun Jahre hindurch bei mir Vorlesungen und Übungen gemacht hat (und in Marburg fast jeden zweiten Tag ins Haus zu uns rannte, um mich auszuquetschen)“.50 Die Bitterkeit dieser Worte bestätigt den Umstand, dass für einen Mann, „dessen Stärke sicher nicht auf dem Gebiet intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen lag, jene zum jungen Löwith eine 49Heidegger/Jaspers,

Briefwechsel 1920–1963, 18. Auf einen Stern zugehen. Begegnungen mit Martin Heidegger 1929–1976, 98. Löwith besuchte alle Vorlesungen und Seminare, die Heidegger in Freiburg hielt, mit Ausnahme der Veranstaltungen im Kriegsnotsemester 1919 sowie in den Wintersemestern 1920/21 und 1922/23. Eine entsprechende Aufstellung findet sich in ND, IX, Anm. 42. In Form von Mitschriften oder Skripten verfügte er ferner über sämtliche Vorlesungen Heideggers bis zum Sommersemester 1927, von denen er nicht wenige teilweise selbst besucht hatte, sowie über die Nietzsche-Vorlesungen von 1936/37 und 1937. Die beiden Letztgenannten befinden sich in einem 1948 von Paul Oskar Kristeller an Löwith übersandten Umschlag. Jedoch lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob Absender und Eingangsdatum des Materials tatsächlich mit den Angaben auf dem Kuvert übereinstimmen. 50Petzet,

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durchweg positive Ausnahme bildete“, die – wiederum nach Gadamer – nur „mit der zu Jaspers gepflegten Freundschaft zu vergleichen wäre“.51 Heidegger nahm sich der Ausbildung Löwiths an, ohne die Schwierigkeiten außer Acht zu lassen, die eine komplexe und sperrige Persönlichkeit wie die seine bei einem Studenten bewirken konnte, der sich seit kurzem der Philosophie angenähert hatte. Ein umfangreicher Brief an den Schüler vom 19. August 1921 schloss mit folgenden Worten: „[…] [D]ass Sie mich im Verhältnis zu der Deutlichkeit, mit der Sie mich interpretieren und abmessen, noch viel zu wichtig nehmen. Aber Sie müssen selbst entscheiden, wie viel ich Ihnen ‚schade‘ oder nütze“ (MH/KL 55). Weder die theoretischen Missverständnisse noch die Divergenzen zwischen seinem subjektiven dogmatischen Relativismus und dem ihm zufolge durch Löwith gestützten objektiven Relativismus bedeuteten für Heidegger einen Grund zur Sorge: sicherlich aufgrund einer autarkischen Auffassung von Forschung, doch vor allem, weil die „wirkliche Freundschaft“ (MH/KL 152) ausschließlich von dem gemeinsamen Einsatz für die Philosophie abhing. Und gerade auf diesem Gebiet traten einige Vorbehalte zutage, denn nicht immer offenbarte Löwith die gebührende Begeisterung für jene „Bestimmung des Gelehrten“, auf die Heidegger als Heilmittel gegen die Routine der beruflichen Verpflichtungen zurückgriff, und die bisweilen den Ton einer mehr oder weniger säkularen Bekehrungsforderung annahm. Ein Brief vom Februar 1921 warnte den Schüler dahingehend: „Philosophie ist kein Vergnügen, man kann daran zugrunde gehen und wer das nicht riskiert, kommt nie zu ihr. […]. Und Sie müssen sich klar sein, daß eine akademische Existenz für den Philosophen sehr schwer ist – ich meine nicht […] Fortkommen und Karriere“. Einige Monate später verkündete ein weiteres Schreiben in feierlichem Ton: „Was dann Universitätsphilosophie ist, kann man nur durch sein Leben beweisen“ (MH/KL 53). Und das heißt so viel wie: „[N]icht mit halber Kraft arbeiten, sondern die Reflexion im Philosophieren selbst aufschmelzen“ (MH/KL 34), den behandelten Gegenstand genauestens beherrschen, und dabei jene beiden Ansprüche zusammenbringen, die Löwith für unversöhnlich hielt: subjektives Pathos und wissenschaftliche Objektivität. Diese und weitere Einwände in Bezug auf Referate und Seminararbeiten – eine davon betraf die Ästhetik Benedetto Croces –, die noch weit von der stilistischen Brillanz entfernt waren, die ihr Verfasser später erreichen würde,

51Hans-Georg Gadamer, Brief an den Autor vom 24. Mai 1995 (Übersetzung: A. Staude); siehe außerdem Gnoli/Volpi: „Vi racconto questo secolo aggrappato al Titanic”, 37 (Übersetzung: A. Staude).

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schwächten die Grundüberzeugung nicht, an der Heidegger beständig festhielt.52 Als er sich am 23. August 1923 bereit erklärte, die Forschungsarbeit zu betreuen, mit der Löwith den Eintritt in die Akademie versuchen sollte, verbarg er nicht seine Unsicherheit: „Zunächst weiß ich noch nicht, ob Sie sich bei der Wissenschaft zuhause fühlen werden und nicht eines Tages wütend auskratzen“, fügte dann aber hinzu: „Auf das eine können Sie bestimmt rechnen, daß ich Ihnen helfen werde, wenn Sie sich konkret für die Wissenschaft – welche immer – entschieden haben“.

Der letzte europäische Philosoph Am 27. April 1923 erlangte Löwith an der Münchener Universität mit der Note magna cum laude den Titel eines Doktors der Philosophie. Die am 8. März verteidigte, im September des Vorjahrs fertiggestellte Arbeit trug einen „bis zur Unverständlichkeit gelehrten Titel“: Auslegung von Nietzsches Selbst-Interpretation und von Nietzsches Interpretationen.53 Sein Doktorvater war Moritz Geiger, da Heidegger zu jener Zeit noch Privatdozent war – und Husserl, der in Nietzsche einen „geistreichen Grillenfänger“ sah, hätte eine Dissertation zu diesem Autor niemals angenommen, zumal aus der Feder eines Promovenden, der für die von ihm begründete philosophische Methode so wenig Begeisterung zeigte. Trotz Heideggers Bemühungen blieb der Text unveröffentlicht, wozu auch die um sich greifende Inflation beitrug. Diese befreite nämlich die Verfasser von Doktorarbeiten einige Jahre

52An Löwiths „dichte und schwierige Referate“ erinnerte sich Hans Jonas. Vgl. Young-Bruehl, Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit, 105. 53Fiala 1926, 59. Die Entscheidung, Nietzsche als Dissertationsthema zu wählen, wurde im Sommer 1921 getroffen. Im Herbst formulierte Löwith die Anfangsseiten über Reflexion und Selbsterfahrung. Der letzte Teil, verfasst im September 1922, war Nietzsches frühen Schriften gewidmet. Die Absicht, bei Heidegger zu promovieren, wenn auch nominell unter Anleitung Husserls, reifte im Sommer 1920. Auch Jaspers wurde in Betracht gezogen, da er aus Löwiths Sicht der einzige Lehrstuhlinhaber war, „dessen Absichten ungefähr in ähnlicher Richtung verlaufen [wie die Heideggers]“ (MH/KL 66). Am 20. September 1922 schrieb Heidegger an Löwith, Jaspers sei „sehr gespannt auf Ihre Arbeit“ (MH/ KL 64), er hätte gerne zugesagt, unter der Bedingung, den Text selbst durchsehen zu können. Löwith prüfte die Option eingehend. Eine Promotion in Heidelberg hätte jedoch mindestens zwei Semester Anwesenheitspflicht bedeutet, und um die Erlangung des Titels zu beschleunigen, entschied er sich letztlich für München, wobei er Heidegger mehrfach über das desolate philosophische Panorama im Universitätsbetrieb der bayerischen Hauptstadt unterrichtete. In einem Brief vom 19. November 1922 teilte Heidegger Jaspers die Entscheidung mit folgenden Worten mit: „Löwith hat sich offenbar die Sache leichter gemacht. Die Arbeit soll bei Geiger eingereicht werden. Da ich von der verlangten Umarbeitung nichts zu Gesicht bekam, hab ich jede Verantwortung abgelehnt.“ (Heidegger/Jaspers, Briefwechsel 1920–1963, 34). Drei Tage später schrieb er dem Schüler, dass er seine Arbeit erst nach absolvierter Prüfung lesen werde.

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lang von der in der Promotionsordnung verankerten Publikationspflicht.54 Allerdings war dies nicht der einzige Umstand, der die Veröffentlichung verhinderte. Die Bedeutung dieser Schrift für eine Rekonstruktion von Löwiths philosophischer Biographie rechtfertigt nun nicht, ihre zahlreichen Grenzen zu verschweigen, die den Text sehr schwer lesbar machen; dies taten übrigens auch die Mitglieder der Prüfungskommission nicht. Denn obgleich sie das überdurchschnittliche Niveau lobten, stellten Geiger, Baeumker und Pfänder den vertrackten, oft unverständlichen Duktus der Arbeit heraus, „die eine Interpretation sein möchte“, aber „so gärig-trüb und vergrübelt geschrieben [ist], daß sie eigentlich selbst noch einer Interpretation bedürfte.“55 Diese Schwächen sollte Löwith wenige Jahre später in seinem Brief vom 25. August 1926 an Erich Rothacker einräumen: „Meine Diss. über Nietzsches ‚Methode‘ ist nicht gedruckt worden – weil in der Inflationszeit eingereicht. Doch soll daraus noch eines Tages ein lesbares Buch werden. Heute erschrecke ich schon selbst über die unnötige Undurchsichtigkeit u. Unleserlichkeit.“56 Neben der Unerfahrenheit des Autors und dem monologischen Darstellungston, lässt sich die Glücklosigkeit seiner Schrift auf die enge Verbindung zurückführen, die Löwith, wie er im selben Brief erläuterte, zwischen Schreib- und Denkweise hergestellt hatte – in beiden Fällen als die gleichsam von seinem Lehrer entliehene Weise. Als erster einer riesigen Schülerschar erfuhr Löwith somit, wie eine übertriebene Nähe zu Heideggers Ansatz und Wortschatz Gefahr läuft, die

54Löwith referierte Husserls Urteil über Nietzsche in einem Brief an Heidegger vom 26. Februar 1921 (MH/KL 38). Weitere erhellende Briefstellen sind versammelt in Storck/Kisiel (Hg.), M. Heidegger und die Deutsche Vierteljahrschrift. Eine Dokumentation. Am 16. April 1924 setzte sich Heidegger bei Erich Rothacker, zu dieser Zeit gemeinsam mit dem Germanisten Paul Kluckhohn Herausgeber der Deutschen Vierteljahrschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, für die Publikation eines Auszugs der Arbeit ein, in der „die Rolle der Interpretation – entsprungen aus der Philologie – innerhalb der Philosophie N[ietzsche]s“ (ebd., 206) behandelt wird. Am 21. September 1924 schrieb Heidegger an Rothacker, Löwiths Arbeit sei „in der Überprüfung“ (ebd., 207). Am 21. April 1923 hatte er Löwith bereits darüber informiert, dass einer Veröffentlichung in der Zeitschrift nichts im Wege stehe und er selbst uneingeschränkt dafür sei (MH/KL 86). In der Zeitschrift wurde der Artikel jedoch niemals veröffentlicht. Für einen erschöpfenden Bericht über den Hergang vgl. Kisiel, Why the first Draft of „Being and Time“ was never published. In der von Rothacker herausgegebenen Zeitschrift publizierte Löwith in der Folge zwei wichtige Aufsätze: Jacob Burckhardts Stellung zu Hegels Geschichtsphilosophie [1928], in: LS 7, 1–38, sowie Kierkegaard und Nietzsche [1933], in: LS 6, 75–99. In seinen Aufsatz Nietzsche im Licht der Philosophie von Ludwig Klages [1927], in: LS 6, 7–52, der in einer ebenfalls von Rothacker herausgegebenen Publikation erschien, übernahm Löwith vermutlich Teile des unveröffentlicht gebliebenen Artikels. 55Alexander Pfänder, Votum, 1. März 1923 (UAMN/PA Löwith). 56Karl Löwith an Erich Rothacker, 25. August 1926 (UAB NL Rothacker). Der handschriftliche Brief wird mit weiteren Schreiben Löwiths an Rothacker aufbewahrt.

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Ehrerbietung, die damit ausgedrückt werden soll, in eine Karikatur oder in Nonsens zu verwandeln. Die Dissertationsschrift markiert den Punkt größter Nähe zu Heideggers philosophischem Ansatz; darin interpretierte Löwith Nietzsches Werk mit Kriterien, die er aus den Freiburger Vorlesungen abgeleitet hatte.57 Historisch gesehen lässt sich die Doktorarbeit mithin als Anwendung wichtiger Thesen der „Hermeneutik der Faktizität“ auf einen Denker auffassen, der dem Horizont Heideggers in jenen Jahren noch fernstand. In der Geschichte der Nietzsche-Rezeption ist diese „allzuwenig phänomenologisch-orthodoxe Nietzsche-Interpretation“ hingegen als der erste Versuch betrachtet worden, das hermeneutische Motiv im Denken Nietzsches zur Geltung zu bringen.58 So machte sich Löwith einerseits die Grundzüge des Heideggerschen Ansatzes zu eigen, während er andererseits seinen Forschungsgegenstand selbständig bestimmte. Die Schuldigkeit gegenüber seinem Lehrer sollte er stets anerkennen, und zugleich die Urheberschaft der philosophischen Aufwertung Nietzsches unbeirrt für sich beanspruchen. In einem Brief an Heidegger vom 22. Dezember 1929 erklärte Löwith, seine Forschung wäre ohne die von seinem Lehrer erfahrene „Erziehung zur wissenschaftlichen Interpretation“ gänzlich unmöglich gewesen; dass dieser seine Vorlesungen zu Augustinus oder Aristoteles abgehalten hatte, war ohne Bedeutung, denn „[…] was dabei zu lernen war, dient ja genau so einem Studium Nietzsches“. Doch erst Ende der zwanziger Jahre begann Heidegger, Nietzsche als einen epochalen Denker anzusehen.59 Am 20. November 1929 sollte er dem Schüler – mit der Zusendung des Textes seiner öffentlichen Antrittsvorlesung Was ist Metaphysik? – die Ausrichtung

57„Hier sei ein für allemal bemerkt, daß sich methodischen Grundgedanken dieses Versuchs aus dem Studium der Vorlesungen (1919–1922) des Dr. M. Heideggers in Freiburg ergaben. Ihm sei an dieser Stelle der Dank ausgesprochen für seine entscheidende philosophische Förderung; sie schließt in sich die persönliche und wissenschaftliche“ (ND 5). 58Das Urteil über mangelnde phänomenologische Orthodoxie findet sich bei Gadamer, Erinnerungen an Heideggers Anfänge, 4. Für eine Bewertung im Rahmen der Nietzscheliteratur, wo die Arbeit weitgehend unbeachtet blieb, vgl. Figl, Interpretation als philosophisches Prinzip. Friedrich Nietzsches universale Theorie der Auslegung im späten Nachlaß, 5–7; Hofmann, Hermeneutik nach Nietzsche. Thesen und Überlegungen im Anschluß an Nietzsches Begriff der Interpretation, 262, 264, 266. Für eine Zusammenfassung der nun folgenden Ausführungen vgl. Donaggio, Zwischen Nietzsche und Heidegger. Karl Löwiths anthropologische Philosophie des faktischen Lebens. 59Einen weiteren Beweis liefert ein Brief von Herbert Marcuse an Maximilian Beck vom 9. Mai 1929, in dem Heideggers Erfolg in Freiburg mit gehöriger Ironie thematisiert wird. In seinem Bericht über die Vorlesung Der deutsche Idealismus und die philosophische Problemlage der Gegenwart bemerkt Marcuse, dass bei diesem Anlass „Nietzsche – das erste Mal von Heidegger – positiv angesehen wurde.“ (BSB Ana 354).

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beschreiben, die er seinem eigenen Denken nach Vollendung der Niederschrift von Sein und Zeit aufprägen wollte: „[…] [J]etzt bin ich erst am entscheidenden Anfang und imstande, die Destruktion gegen mich selbst zu richten; ohne zum Nihilismus zu kommen“. Auf eine Aussage von solcher Tragweite folgte die erstmalige, explizite Anerkennung der Bedeutung Nietzsches: „Mir ist seit einiger Zeit aufgegangen, daß die heutige Zeit Nietzsche noch nicht begriffen hat.“ Heideggers Einfluss auf Löwiths Interesse für diesen Autor kann somit als weitgehend unbedeutend angesehen werden. Ein Umstand, den Letzterer übrigens stets beteuert hat. So würde er sich beispielsweise in den ersten Monaten des Jahres 1962 bei Franco Lombardi über eine Rezension beklagen, die eine diesbezügliche Mutmaßung vorbrachte, und erklärte ihm gegenüber: „Während der Heidegger von Sein und Zeit Nietzsche niemals für einen großen Philosophen hielt, hatte ich meine Erörterung über Nietzsche bereits 1923 verfasst, und zwar gegen den Rat meines Lehrers, der damals zu mir sagte: ‚Ich verstehe Ihr Interesse an Nietzsche nicht, er hat doch nur Aphorismen ausgespuckt!‘“60 Der Denker, den Heidegger sich zum Forschungsgenossen erwählt hatte, war in der Tat ein anderer. Es nimmt daher nicht wunder, dass ihm Löwith am 20. November 1922 – um die Wichtigkeit Nietzsches zu bekräftigen – geschrieben hat: „Für mich ist Nietzsche anders aber doch ähnlich ‚prinzipiell‘ – Ausgang – Ansatz usf. wie für Sie Aristoteles.“ Neben Heidegger stellte Nietzsche somit den zweiten wesentlichen Bezugspunkt in Löwiths Denken dar. Aus einem beständigen Dialog mit diesen beiden Denkern heraus entschloss er sich dazu, die Philosophie zu seinem Lebensberuf zu machen; und in dauernder Auseinandersetzung mit ihren Thesen ordnete und entfaltete er die eigene theoretische Position. Anhand zweier entschiedener Behauptungen Löwiths lässt sich dieser Umstand belegen: Am 1. Mai 1927 schrieb er Heidegger, um ihm für die Zusendung eines druckfrischen Exemplars von Sein und Zeit zu danken, und begründete seine abweichende Haltung mit einer kategorischen Äußerung zu dem darin beschriebenen Wesen der Freiheit als Idee einer philosophischen Existenz: „[…] [I]ch stelle mir darunter etwas anderes vor, weil meine philosophische Muttermilch Nietzsche und meine philosophische

60Karl Löwith an Franco Lombardi, 1962. Der Brief in italienischer Sprache befindet sich in einem Privatarchiv (Übersetzung: A. Staude). Die Rezension, auf die Löwith polemisch reagiert, ist von Quattrocchi [1962], 103–114: Vgl. auch Löwith, Heidegger, Denker in dürftiger Zeit [1953, 21960], in: LS 8, 124–234, hier: 130.

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Heimat der Süden ist“. Und am 14. November 1944 gestand Löwith im amerikanischen Exil gegenüber Eric Voegelin, mit dem er die mögliche Abfassung eines gemeinsamen Buches über Nietzsche erörterte: „Für mich ist Nietzsche seit meiner Schulzeit das grosse moderne Ereignis.“61 In Löwiths Augen – und bis zu einem gewissen Grad galt dies für eine ganze Generation, die sich Ferdinand Tönnies zufolge von einem verderblichen „Nietzsche-Kultus“ verzaubern ließ – war der Autor des Zarathustra der letzte wahre Denker Europas, das Sprachrohr schlechthin für die Konstitution des modernen Menschen. Mit Franz Overbeck hätte er sagen können: „Nietzsche ist der Mensch, in dessen Nähe ich am freiesten geatmet […] habe.“62 Zugleich wird er bei Löwith als Protagonist eines der bemerkenswertesten philosophischen Schiffbrüche aller Zeiten dargestellt.63 Bis 1933, und bis zu jener theoretischen Wende, deren Prüfstein gerade in einem veränderten Verhältnis zu Nietzsche bestand, wird das Scheitern dieses Denkers dem unangemessenen theoretischen Instrumentarium zugeschrieben, dessen er sich bediente.64 Im Rahmen einer späteren Reflexion über die vielfache politische Verantwortung der Philosophie sollte sein „Radikalismus“ ohne „Mitte und Maß“ nicht mehr als ein bloß begrifflicher Mangel erscheinen. Als er diese Frage am 30. Juni 1935 mit Jean Wahl erörterte, definierte Löwith das Denken Nietzsches als „einen einfachen Widersinn und nicht als einfachen falschen Zug.“ Als letzter europäischer Philosoph wandelt sich Nietzsche also zu einem „Kompendium der deutschen Widervernunft“ (ML 7) und folglich zu einem „gefährlichen“ Denker.65 Anders als viele andere Exegeten66 verfolgte Löwith schon in seiner ersten Forschungsarbeit die Absicht, das eigentlich philosophische Moment 61Löwith/Voegelin,

Briefwechsel, 766. Franz Overbeck und Friedrich Nietzsche. Eine Freundschaft. Bd. 2, 423. Zur Einstellung der Löwith vorausgehenden Generation vgl. Tönnies, Der Nietzsche-Kultus. Eine Kritik. In einem Interview von 1969 wunderte sich Löwith darüber, dass ein von ihm außerordentlich geschätzter Intellektueller wie Habermas im jungen Marx, und nicht in Nietzsche, den Hauptdenker der Moderne sieht, was ihm als Generationensprung erscheint. Vgl. Wozu heute noch Philosophie? Spiegel-Gespräch mit dem Philosophen Karl Löwith, 209. 63Vgl. Guida, Löwith e Nietzsche. 64„Daß Nietzsche persönlich sein Versuch missglückt ist, spricht aber so wenig gegen diesen Versuch wie ein Schiffbruch gegen das Befahren des Meeres“ (Löwith, Kierkegaard und Nietzsche oder philosophische und theologische Überwindung des Nihilismus [1933], in: LS 6, 74). Löwith paraphrasiert hier aus Overbeck, Christentum und Kultur, 170. 65Löwith, Brief an Jean Wahl. 66Vgl. Löwith, Kritik der bisherigen Darstellungen von Nietzsches Lehre [1935]. Aus politischen Gründen konnte diese 36-seitige Kritik nicht in die im selben Jahr erschienene Monographie über die ewige Wiederkunft eingehen, und zirkulierte vielmehr als unverkäufliches Druckheft. Ein Exemplar befindet sich in der Arbeitsbibliothek von Karl Jaspers (UBO/KJB 22 kJ 5605). In geringfügig ergänzter Form wurde der umfangreiche Rezensionstext als Anhang in die zweite, 1956 publizierte Auflage von Löwiths 62Bernoulli,

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von Nietzsches Entwurf zu erfassen, nämlich die unerbittliche Kohärenz eines Diskurses, der zwar darauf verzichtete, sich als System zu gestalten, dafür aber eine ganz eigene Strenge annahm. So konzentrierte er sich auf die Interpretationsproblematik, die – in Form einer Frage nach dem Sinn von Lebensphänomenen – auch das Motiv von Nietzsches Selbstinterpretation einschloss: „[U]nd zugleich war philosophisch mit dem Primat der Fragestellung nach dem Sinn von Lebensphänomenen der Primat der Interpretationsproblematik gegeben.“ (ND 91) Das Auffinden eines roten Fadens, der das gesamte Werk Nietzsches durchzieht und ihm bei aller scheinbaren aphoristischen Zerstreuung eine grundsätzliche Einheit verleiht, erweist sich in seinen Nietzschestudien als eines der Hauptanliegen. Während im Nietzschebuch von 1935 das Thema der ewigen Wiederkehr als Leitstern dienen sollte, auf den Löwith Nietzsches „System in Aphorismen“ hingeordnet sieht, bildet in der Doktorarbeit vielmehr der Interpretationsbegriff das Kernmotiv der Arbeit. Die Dissertation beginnt mit der Untersuchung der Grundintention von Nietzsches Forschen. Gemäß der Diltheyschen Richtung, an die sich Löwith explizit anlehnte, dient dieser Fokus dazu, die „Konkretheit“ der Lebensphänomene ans Licht zu bringen. Verwirklicht wird dieses Ziel durch eine „positive Destruktion“ der traditionellen moralischen und gnoseologischen Kategorien, die jedoch, im Gegensatz zu dem sie leitenden Anspruch, nihilistische Ergebnisse erreicht. So zeichnet sich der Grundkonflikt in Nietzsches Denken ab, also jener zwischen einer der beständigen Sinnsuche gewidmeten Existenz und einer Interpretation dieser Erfahrung, die kein sinnvolles Ergebnis hervorbringt. Ein derartiger Zwiespalt äußert sich am deutlichsten in der Lehre von der ‚ewigen Wiederkunft‘, sofern sie als nihilistische Antwort auf die Sinnfrage aufgefasst wird. Ein Kategorienapparat, der nicht fähig ist, die Lebensphänomene zu erfassen, führt nämlich zu einer rein reaktiven und entwerteten Pseudokritik, und nicht zur Über-

Monographie Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen übernommen, hier unter dem Titel Zur Geschichte der Nietzsche-Deutung (1894–1954), in: LS 6, 345–384. Vgl. dazu auch ND 101– 106, woraus einige Zitate übernommen sind. Löwith besprach die Monographien von Andreas-Salomé, Nietzsche in seinen Werken; Ewald, Nietzsches Lehre in ihren Grundbegriffen; Simmel, Schopenhauer und Nietzsche. Ein Vortragszyklus; Bertram, Nietzsche, Versuch einer Mythologie. In ND erörterte er ferner das Werk von Theodor Lessing, Schopenhauer-Wagner-Nietzsche, und thematisierte Gundolf/Hildebrandt, Nietzsche als Richter unserer Zeit, sowie die Nietzsche-Aufsätze von Max Scheler.

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windung des widerlegten Horizonts, also desjenigen der platonisch-christlichen Interpretation des Lebens. Allein Heideggers Phänomenologie war Löwith zufolge dazu imstande, aus dieser Sackgasse herauszufinden, um dorthin zu gelangen, wohin die unerfüllten Tendenzen von Nietzsches Vorhaben führen. Löwith konzentrierte seine Vorbehalte ganz auf Nietzsches Interpretationsbegriff. Indem er „Interpretation“ als ein Verfahren beschrieb, das „dem eigentlichen geistigen Leben“ fremd ist und seinerseits als ein dunkles „Ereignis an sich“ verstanden wird, versuchte Nietzsche, die „Kluft“ zwischen Sein und Bedeutung in der Überzeugung zu „überbrücken“, das Sein erschließe sich einer Interpretation, die imstande ist, seinen „Sinn an sich“ (ND 9, 25) zu erfassen. Doch zugleich sah er sich zu dem Zugeständnis gezwungen, dass Nietzsches Versuch – sofern nach dem unbewusst als normatives Kriterium angenommenen naturwissenschaftlichen Exaktheitsideal bemessen – in eine Unmenge perspektivischer Anblicke zerbrach, ohne je das definitive Erfassen des Lebens als solches zu erreichen. In der Unvereinbarkeit dieser Kategorien mit dem Zweck, für den sie eingesetzt werden, lag Löwith zufolge der Grund für Nietzsches Niederlage, das Scheitern einer Methode, die Sein und Bedeutung unbefugt voneinander trennt, um dann zu versuchen, sie nachträglich zu verbinden. Wenn man den Gegenstand der Interpretation, also das Leben selbst, als eine unerkennbare „Tatsache an sich“ behandelt, für die man „mit dem Hammer“ philosophierend einen Sinn „schaffen“ muss, dann wird dieser Gegenstand eben zu „Nichts“ und seine Erfahrung verflüchtigt sich in der Illusion oder in der Fiktion. Nach einem Axiom der heideggerschen Hermeneutik, die Löwith hier aufnimmt, ist die für jeden Weltbezug konstitutive Dimension die der Bedeutsamkeit: Sie ist das unhintergehbare Prius jeglicher Welterfahrung und nicht ein Prädikat, das ein Subjekt ex post der Erfahrung eines „Objektes“ hinzufügt.67 Löwith ging sodann zu einer Betrachtung der Modalitäten über, nach denen Nietzsche dem Hauptgegenstand der eigenen Untersuchung begegnet: dem eigenen Selbst. Hierbei konnte der Autor des Zarathustra gewiss nicht auf ein unbefangenes theoretisches Wissen zurückgreifen. Vielmehr drückte er aus, was der junge Heidegger im Gefolge des Aristoteles als die ursprünglichste „Tendenz des faktischen Lebens“ erachtete: die Fähigkeit, sich selbst in einer Reihe zeitlich aufeinanderfolgender Selbstinterpretationen zu begreifen. Gerade auf dieser Ebene von Nietzsches 67Vgl.

Heidegger, Zur Bestimmung der Philosophie, 73.

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Selbstdeutungsentwürfen, und nicht auf jener seiner widersprüchlichen Interpretationen der Lebensphänomene, erkannte Löwith in den Ausführungen Nietzsches eine „rückwärtsgewandte Sinnkontinuität“ (vgl. ND 35–44). In den posthumen Vorreden, die Nietzsche seinen Schriften beigefügt hat, offenbart sich tatsächlich eine Art der Kohärenz, die einer „konkreten Logik“ entspringt, so eindeutig, „wie sie nur der Ausdruck eines Schicksals sein kann“, und eine „Zeitlichkeit der Selbsterfahrung“, anders als jene, die einer abstrakten Zeiterfahrung folgt. Am „Mittag des Lebens“, als die „Tendenzen und Motive seines effektiven Lebens“ zur Reife kamen, erwarb Nietzsche jene „absolute Gewissheit darüber, was ich bin“68, die ihn dazu führte, sich nicht länger in reaktiven Ausdrücken, etwa als der AntiChrist, darzustellen, sondern als der Jünger des Dionysos, „der erste tragische Philosoph“, der Lehrer der ewigen Wiederkunft. Löwith besorgte eine systematische Einteilung der Kategorien, die in Nietzsches Selbstinterpretationen am Werk sind. Unter diesen stach der Begriff der „Selbsterfahrung“ hervor, die er von der „Selbstreflexion“ und der „Parenthesen-Reflexion“ unterschied (vgl. ND 45–54). Erstere ist die eines denkenden Ichs, das in einer theoretischen Einstellung die Tendenzen des wirklichen Lebens ihrer Wirksamkeit beraubt; bei Letzterer – die auch in Dostojewskis Aufzeichnungen aus dem Kellerloch vorkommt – handelt es sich um eine geschlossene Widerspiegelung, um eine künstliche Distanz zum Leben. In diesen Reflexionsmodellen kommen ein „theoretisches Ich“ und ein „egoistisches Ich“ zum Ausdruck. Die authentische Selbsterfahrung besitzt hingegen die Konkretheit eines „vollen Phänomens“; in ihr wird das Leben erfahren und interpretiert, und zwar nach Kriterien, die nicht „von außen“ kommen, sondern der Ertrag einer „Lebendigkeit“ sind, die sich unaufhörlich erneuert und darin das eigene „Auslegungsbedürfnis“ zum Ausdruck bringt. Die Suche nach den Bedingungen einer idealen, endgültigen Interpretation erscheint daher ebenso unplausibel, wie die umgekehrte Annahme einer unendlichen Interpretation. Denn beide beruhen auf dem Postulat eines „an sich“ existierenden Sinns. Das Kriterium für eine „sinngemäße“ Interpretation des Lebens ist „faktisch, wie das Leben selbst“ und wurde von Löwith als die Wirklichkeit der Motivationen erfasst, die die hermeneutische Analyse zutage fördert (ND 58). Das Selbst wird somit in einer Erfahrung 68Nietzsche, Ecce homo, 312–313. Löwith schrieb den Schriften des reifen Nietzsche eine systematische Überlegenheit hinsichtlich des Themas der Interpretation zu. Diese These wird wieder aufgenommen von Stegmaier, Nietzsches Kritik der Vernunft seines Lebens, 165, und ders., Philosophie der Fluktuanz. Dilthey und Nietzsche, 12, 311.

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zugänglich, die seine Eigenheiten teilt; sie ist nicht eine psychische Tatsache, die theoretisch beschrieben und untersucht werden kann, sondern vielmehr ein Erlebniszusammenhang, dessen fundamentale Eigenschaften Bedeutsamkeit und Zeitlichkeit sind: „Mit der Zeit und zu seiner Zeit“ wird die Grundtendenz der Selbsterfahrung manifest (vgl. ND 59–61). Jedoch wird gerade diese grundlegende Regel der „Grammatik des faktischen Lebens“ durch Nietzsches Kategorien verletzt. Im Schlussteil seiner Arbeit hinterfragte Löwith den rätselhaften, „abgründlichen Gedanke[n]“ der ‚ewigen Wiederkehr des Gleichen‘. Im Unterschied zu zahlreichen Interpreten betonte er allerdings nicht den Zwiespalt zwischen dieser Lehre und jener vom Übermenschen, sondern den Umstand, dass eine Prophezeiung des ständigen Wiederauftretens des Sinnlosen sich als eine naturwissenschaftliche Wahrheit ankündige. Mit der Verschiebung des Fokus der Untersuchung vom Inhalt zur Bedeutung der Theorie wurde dies als Ausdruck des grundlegenden Konflikts von Nietzsches Existenz aufgefasst: des Konflikts zwischen einem unaufhörlichen Verlangen nach Sinn und der stets perspektivischen, interpretatorischen Art der Antworten, zu denen es hinführte. Die Forderung, „ein Sein zu interpretieren, welches so gefasst ist, dass es principiell nicht mehr ein interpretierbares Sein (Phänomen) ist“ (ND 105), musste zu folgendem nihilistischen Schluss führen: „[…] Tatsachen gibt es nicht, nur Interpretationen. Wir können kein Faktum ‚an sich‘ feststellen: vielleicht ist es ein Unsinn, so etwas zu wollen“. Mit dieser Feststellung blieb Nietzsche jedoch auf der Schwelle zur völligen hermeneutischen Bewusstwerdung stehen, ohne sie zu überschreiten. Er erfasste zwar den Primat der Bedeutsamkeit, reduzierte diesen aber gleichsam auf eine Frage des Gesichtspunktes, auf eine bloße Meinung: „An sich liegt nichts darin.“ Löwith zufolge hätte dagegen „die Antwort […] lauten müssen: An sich liegt nichts darin, aber nicht, weil nichts darin liegt, sondern weil Erlebnisse nichts ‚an sich‘ sind, liegt auch nichts darin.“ (ND 79)69 Eine solche Verneinung jeglichen Sinns findet in der Lehre von der ewigen Wiederkehr, in dieser „modernen Theodizee“, ihren zweideutigen Ausdruck. Sie ist „die Interpretation der Interpretationsproblematik“ und zugleich das Emblem von Nietzsches philosophischem Scheitern: „Nihilismus und Wiederkunftslehre gehören aufs engste zusammen; beide sind die Konsequenz seiner [d.h. von Nietzsches] antagonistisch objektiv-theoretischen Fragestellung nach

69Eine prägnante Neuformulierung dieser Kritik findet sich in Löwith, Nietzsche im Licht der Philosophie von Ludwig Klages [1927], 35–37, 49–51.

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dem Sinn. Was er erkannte, konnte er nicht schätzen und was er schätzen wollte, vertrug sich nicht mit diesem Erkennen!“ (ND 112) Aus diesem philosophischen Bankrott von Nietzsches Denken wird Löwith Anregungen und Anweisungen gewinnen, um mit Heidegger und über ihn hinausgehend seine Suche nach den interpretatorisch „angemessenen Lebenskategorien“ fortzusetzen.

Der Weg zur Einfachheit

Am 2. April 1930 verlieh Löwith seiner Freude über Heideggers Berufung an die Berliner Universität Ausdruck. Aus seinem Brief von diesem Datum spricht neben der Anerkennung auch das Bewusstsein darüber, dass das Schülerverhältnis nun zum Abschluss gekommen war: Je mehr Abstand ich zu der Problematik des Lehrer-Schüler-Verhältnisses – problematisch von beiden Seiten aus und zumal in der Philosophie – gewinne, desto ähnlicher erscheint sie mir mit der von „Vätern und Söhnen“ – weil beidemal das Entscheidende ist: die rechte und rechtzeitige Art der Ablösung, der Verselbständigung und der Bewahrung dessen, was der Jüngere dem Älteren schuldig ist. (MH/KL 176).

Geschichte einer Versuchung Von Juni 1923 bis März 1924 arbeitete Löwith als Hauslehrer auf dem Mecklenburgischen Gut der Familie von Flotow in Kogel bei Malchow. In dieser aristokratischen Enklave inmitten des inflationsbedingten Elends entschloss sich der junge Doktor der Philosophie dazu, seine universitäre Laufbahn fortzusetzen und den Schritt der Habilitation zu wagen. Gestützt wurde dieser Entschluss durch eine neue Einstellung gegenüber dem „andre[n] Pfahl im Fleisch“ (MH/KL 61), der ihn bis dahin gequält hatte – was als Sackgasse empfunden worden war, wurde nun mit Blick auf ein Vorhaben abgelehnt.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 E. Donaggio, Karl Löwith, https://doi.org/10.1007/978-3-476-05744-0_2

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In einem Brief an Heidegger vom 6. August 1923 behauptete Löwith das Folgende, ohne die Augen vor den ihm bevorstehenden Schwierigkeiten zu verschließen: „[W]ährend mir früher der Gedanke an ‚Wissenschaft als Beruf‘ höchst problematisch für mich war, weil ich mir selbst darin zu problematisch vorkam, glaube ich heute doch, in dieser Problematik meine Existenz auswirken zu können.“ (MH/KL 101) Die Unruhe hatte ihre hemmende Wirkung auf das Philosophieren eingebüßt und war zu einer Möglichkeit geworden, sich auszudrücken. Eine Verwandlung, die in der autobiographischen Erzählung, hier einmal mehr auf den Spuren Nietzsches, emphatisch als die Bekehrung von einem „großen Nein“ zu einem „großen Ja“ zum Leben beschrieben wird.1 Von diesem Zeitpunkt an begann ein Drang zur Wirklichkeit und zur Tat Löwiths Absichten zu befeuern: Das Ende einer ‚Blindheit‘ gegenüber der ‚weiblichen Welt‘, die Fähigkeit, weniger beschwerliche Beziehungen zu Seinesgleichen einzugehen und sein neues Verhältnis zur Philosophie verbinden sich zu einer Meditation über das Erwachsenenalter, die an jene erinnert, mit der Hegel sich von der Romantik seiner Jugend verabschiedet hat. Diese Worte entstammen der Feder eines Menschen, der spürt, erstmals zu sich selbst gefunden zu haben; aus ihnen spricht das Lob der Gelassenheit, die eine besondere Form der Resignation als Gabe spenden kann: Fialas Entwicklung kam jetzt zu ihrer Entfaltung. Dieser zweiten Lebensphase fehlt naturgemäß der pittoreske Effekt eines romantischen Durchbruchs. Das Leben wird in seiner zweiten Hälfte uninteressanter, wie ein Strom, der nun weiß, was er will und mit dem breiten Pathos der Gelassenheit seine Nebenflüsse aufnimmt und zum Meere fließt. Aber die Freuden und Leiden der Reife sind nur verborgener; in Wahrheit sind sie lebendiger und dauerhafter als die vorübergehenden Entzückungen und Betrübnisse der ersten Entwicklung, an deren Grenze der farblose aber gewaltige Markstein der Resignation steht. An dieser Grenze resignieren die Meisten mehr oder minder ‚männlich‘, d. h. sie werden ‚gesetzter‘, indem sie auf die größeren Pläne ihrer schöneren Jugend verzichten und sie unter der harten Kruste einer mühsam erworbenen Sicherheit begraben. Was sie mit dreißig nicht halten, versprachen sie mit zwanzig. Fialas bewußte Resignation war anderer Art. ‚Resignieren‘, das bedeutete ihm ein Sich-zurückfinden in die wirklichen Möglichkeiten seines Lebens. Er verzichtete also im Grunde auf nichts, aber er wollte wirklichwerden, und sich

1Vgl. Fiala 1926, 2–3. Dass das Motiv der „Bekehrung“, das in komplexerer Form auch in ML vorkommt, wegen seiner christlichen Herkunft Nietzsches grundlegender Ermahnung Amor fati entgegensteht, wurde klug herausgearbeitet von Jaeger, Autobiographie und Geschichte. Wilhelm Dilthey, Georg Misch, Karl Löwith, Gottfried Benn, Alfred Döblin, 143–148.

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verwirklichen und um dessentwillen resignierte er nur auf das bloß Wünschbare aber nie wirklich Mögliche. Diese Resignation machte ihn daher auch nicht älter sondern jünger. Alt war er geworden und greisenhaft hatte er als Knabe sein Leben bedacht, aber gegen das Ende seiner Jünglingsjahre wurde er jung. (Fiala 1926, 66).

Heidegger, der in der Zwischenzeit den Ruf an die Universität Marburg erhalten hatte, willigte ein, diese Forschungsarbeit zu betreuen, mit der sein erster akademischer Schüler den Eintritt in die Universitätslaufbahn versuchen wollte: die Habilitationsschrift. Auch dieses Mal nahm er sich der Aufgabe keineswegs leichtfertig an. Tatsächlich wurde die Entscheidung im März 1924 unter Vorgabe strenger Auflagen formalisiert: Keine Unterrichtstätigkeit vor Erlangung des Titels und Anfertigung einer „soliden“ (MH/KL 108), nicht schulmäßigen Arbeit, die seinen Ansprüchen genügen sollte. Als Abgabefrist war das Sommersemester 1925 vorgesehen. Im August bot sich die Gelegenheit eines Aufenthalts in Italien, die sich Löwith nicht entgehen ließ. Heidegger stimmte dem Aufbruch in ein Land zu, das weitab von dem „verfilzten“ (MH/KL 112) Marburger Umfeld und auch von ihm selbst lag. Damit war der Grundstein zur Abfassung einer eigenständigen Schrift ohne die Pflicht zur Ehrerbietung an den Lehrer gelegt. Die „Flucht aus der Zeit“ nach Italien sollte zwölf Monate dauern.2 Nachdem er die Halbinsel durchstreift hatte, ließ sich Löwith im November in Rom nieder, wo er mit der Abfassung der Habilitationsschrift begann, um im darauffolgenden Frühjahr nach Settignano, unweit von Florenz, umzuziehen. Es war „ein eigenartiges Jahr“, das zugleich das Ende eines Lebensabschnitts markierte. Löwith merkte wohl, dass er sich verändert hatte, und auch Heidegger war dies nicht entgangen, wie sein Kommentar zu einem der ersten, aus Italien erhaltenen Briefe beweist: „Daß Sie selbst den Weg zur Einfachheit – auch der menschlichen Beziehungen – gefunden haben, ist das Wertvollste. Damit kommen die Möglichkeiten des rechten Arbeitens von selbst. Wichtige Arbeit gedeiht nur, wenn man gelernt hat, im Ernst einsam zu sein.“ (MH/KL 120–121) Zwei Jahre später schrieb er an Jaspers: „Löwith ist seit Italien sehr viel ruhiger und sicherer geworden, und ich glaube, daß etwas aus ihm wird in gewissen Grenzen.“3 Nachdem er im August 1925 nicht ohne Unbehagen nach München zurückgekehrt war, beschloss Löwith, sich alle nötige Zeit zu nehmen, um

2Vgl.

ML 62–64, sowie insbesondere Fiala 1926, 81–105. Briefwechsel 1920–1963, 61.

3Heidegger/Jaspers,

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die Arbeit abzufassen.4 Im Herbst desselben Jahres zog er nach Marburg um, wo er fast zwei Jahre lang zur Untermiete in der prächtigen Villa von Lisa De Boor wohnen sollte. Diese mit Löwith gut befreundete Schriftstellerin beschrieb ihn mit Worten, die stets etwas Widerstreitendes an sich haben, etwa so: „Ein heidnischer Geist und ein christliches Herz.“5 Ein Zwiespalt, der nicht so sehr auf Glaubensoptionen zurückführbar scheint, als vielmehr auf die Tatsache, dass sich die Akzeptanz des modernen Polytheismus der Werte bei Löwith mit einem ausgesprochenen Gespür für die eigene Fragilität und diejenige anderer verband. Die von der Religion auferlegte Verweigerung des Opfers des Verstandes schloss Themen wie die mittelalterliche Mystik oder das Urchristentum nicht aus seinem eigenen Horizont aus, wie es beim jungen Heidegger oder bei Franz Overbeck, dem Theologen wider Willen der Fall ist. Vor diesem Hintergrund dürfte wohl einleuchten, warum einer der ersten in Marburg abgefassten Texte die Übersetzung einer senesischen Schrift aus dem 14. Jahrhundert gewesen ist, worin die Weisungen des heiligen Franziskus an Bruder Bernhard, seinen Gefährten versammelt waren. In seiner kurzen Einleitung behauptete Löwith, dass die in dieser Summa der Weisheit des Evangeliums enthaltenen psychologischen Intuitionen „den Vergleich mit Kierkegaards oder Nietzsches Psychologie nicht scheuen müssen.“6 In den Jahren, als mit der Marburger Philipps-Universität die älteste deutsche protestantische Hochschule zu Löwiths akademischer Heimat wurde, war sie für ihre Theologische Fakultät, für ihre hervorragenden Gelehrten im Fach Romanistik und für die philosophische Schule Hermann Cohens und Paul Natorps berühmt.7 Doch Cohen war bereits 1918 verstorben und Natorp hatte sich 1922 aus der Lehre zurückgezogen, wobei 4Am 23. August 1925 teilt Heidegger Hannah Arendt mit: „Löwith schrieb mir dieser Tage aus München – er kann sich noch nicht wieder in die alte Welt zurückfinden. Er kommt im Herbst nach Marburg.“ (Arendt/Heidegger, Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse, 45). 5Persönliche Mitteilung von Lisa De Boors Tochter Ursula Seemann-De Boor während eines Gesprächs mit dem Verfasser am 13. Dezember 1995 in Marburg. In ML hat Löwith Lisa De Boor wie folgt in Erinnerung gerufen: „Sie hat uns nach 1933 mit Vertrauen, Verständnis und Hilfsbereitschaft durch trübe Tage begleitet, und an sie denke ich noch heute vor allem bei dem Wort ‚Marburg‘.“ (ML 65) Der Nachlass von Lisa De Boor, der in Marburg in einem Privathaushalt aufbewahrt wird, enthält keine Briefe von Löwith. Vgl. auch De Boor, Tagebuchblätter aus den Jahren 1938–1945. Zu ihrer Person vgl. z. B. Bauer, Passage Marburg. Ausschnitte aus vierundzwanzig Lebenswegen, 233–239. 6Löwith, Anno Santo 1925. Eine Papstfeier, 1. (DLA A:Löwith). 7Vgl. Sieg, Die Marburger Universitätsgeschichte. Probleme und Perspektiven ihrer Erforschung, vor allem 213–214; Sieg, Die Geschichte der Philosophie an der Universität Marburg von 1527 bis 1970, 54–61. Anlässlich ihres 400. Jubiläums bat die Universitätsleitung Heidegger, eine kurze Geschichte der Marburger Lehre im Fach Philosophie zu verfassen: Heidegger, Zur Geschichte des philosophischen Lehrstuhles seit 1866, 681–687.

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er Nicolai Hartmann zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, und nicht Heidegger, zu dem er gleichwohl gute Verbindungen unterhielt. So nahm Heidegger im Wintersemester 1923/24 seine Tätigkeit als außerordentlicher Professor in einem Umfeld auf, in dem er sich niemals recht wohlfühlen würde. Seine Erfolge riefen zudem die Feindseligkeit der anderen Philosophiedozenten, Dietrich Mahnke und Erich Jaensch, sowie des Religionshistorikers Rudolf Otto hervor, die sich auch auf Löwith auswirken sollte. An der Theologischen Fakultät hielt Heidegger Seminare sowie bedeutende Vorträge8 und baute eine sehr intensive intellektuelle Bindung zu dem dort wirkenden Rudolf Bultmann auf. Auch Paul Tillich, der Löwith später im japanischen Exil unterstützen sollte, einen Lehrstuhl in den Vereinigten Staaten zu erlangen, unterrichtete an dieser Universität, allerdings brachten ihm Heidegger und sein Schülerkreis wenig Interesse entgegen. Hinsichtlich der „verstaubten“ Marburger Szene ließ der Zirkel der Heideggerianer der ersten Stunde – bestehend aus den AltFreiburgern Löwith, Walther Marseille und Walter Bröcker, denen sich die Neu-Marburger Hans-Georg Gadamer, Jacob Klein und Gerhard Krüger angeschlossen hatten – keine Gelegenheit aus, das eigene Anderssein hervorzukehren. Dabei nahmen sie, sowohl den übrigen Dozenten als auch den jüngsten Bewunderern des Lehrers gegenüber, eine dünkelhaft verschlossene Haltung ein: Hans Jonas und Günther Anders, die Löwith bereits aus Freiburg kannte, Hannah Arendt, die eine geheime Liebesgeschichte an Heidegger band, und schließlich, in abseitiger Stellung, Leo Strauss.9 In Marburg gab Löwith seine ersten beiden Arbeiten in den Druck.10 Sie unterscheiden sich nach Umfang und theoretischem Anspruch und sind als nicht ganz unbefangene Rezensionen der Werke zweier Außenseiter aufzufassen. Der erste ist Ludwig Ferdinand Clauß, Schüler und Assistent Husserls, und Erfinder einer auf Empathie beruhenden Methode; um diese

8Berühmt

ist Heideggers Vortrag vom Juli 1924, in dem sich nach Meinung vieler Gelehrter bereits die Struktur von Sein und Zeit vorgezeichnet findet: Heidegger, Der Begriff der Zeit. 9In einer Rückschau auf diese Zeit erinnerte sich Gadamer, der sich gemeinsam mit Krüger von Hartmann abgewandt hatte, um Heidegger zu folgen, an ein Seminar, von dem er berichtet: „Löwiths beharrliches Reflektieren über die ‚Methode‘ der Hegellektüre reizte den ganz reflexionslos auf die ‚Kategorienlehre‘ eingestellten Hartman aufs äußerste. Es kam zum Konflikt. Die Heidegger-Schüler blieben weg“ (Gadamer, Einzug in Marburg, 110). 10Löwith, Besprechung des Buches ‚Rasse und Seele‘ von Ludwig Ferdinand Clauss [1926/1927], in: LS 1, 198–208, und Nietzsche im Licht der Philosophie von Ludwig Klages [1927], in: LS 6, 7–52. Auf die Schwierigkeiten beim Verfassen von Rezensionen geht Löwith in einem Brief an Tillich vom 4. Oktober 1941 ein: „Was die Vermittlung des Inhalts angeht, bin ich nie ein guter Rezensent gewesen, denn ich habe stets Bücher rezensiert, die mir aufgrund ihres Inhalts so nahestanden, dass ich sogleich mit der Kritik begann“ (UBM/PTA).

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zu erproben – oder aus reinem Opportunismus –, war Clauß aus Freiburg fortgegangen, um in Palästina als Beduine unter Beduinen zu leben, und anschließend in Deutschland als Nazi unter Nazis zu hetzen, wobei er sich in eine jüdische Kollaborateurin verliebte, die er vor seinen eigenen Kameraden in Sicherheit bringen musste.11 1926 schrieb Clauß das von Löwith besprochene Buch Rasse und Seele, in dem er eine auf dem Begriff der „nordischen Seele“ basierende „Rassenseelenkunde“ präsentierte, die in Hitlerkreisen größten Anklang fand. Der zweite und weitaus berühmtere ist Ludwig Klages, der dem Zirkel um Stefan George nahestand, als Experte auf dem Gebiet der Graphologie und Charakterologie galt und vor allem als Kenner von Nietzsches Denken in Erscheinung trat. Unter einem Gesichtspunkt, der von der Verachtung für den Dilettantismus der beiden Autoren ebenso frei ist wie von der Begeisterung, die ihre Thesen im kulturellen Dickicht von Weimar ausgelöst hatten, versuchte Löwith, den philosophischen Kern dieser Entwürfe einzugrenzen. Indem er eine Forschungsrichtung initiierte, die sich in seinen ersten Dozentenjahren deutlich abzeichnen sollte, zeigte er sich insbesondere an ihren anthropologischen Implikationen interessiert. Tatsächlich entwarfen Clauß und Klages ein Menschenbild, das zwei antithetische Pole miteinander versöhnte. Entscheidend bei der Clauß’schen Theorie war das Prinzip des „Lebensbildes“ einer Rasse, in dem sich die Übereinstimmung zwischen den Manifestationen des Körpers und der Seele eines Volkes vollziehen sollte;12 bei Klages hingegen jenes des „Formniveaus“, verstanden als Moment der Vermittlung zwischen den dunklen, rhythmischen und alogischen Trieben des kosmischen „Lebens“ und den aufhellenden, analytischen und logischen Anforderungen des individuellen „Geistes“, der als unerbittlicher Widersacher des Lebens auftritt.13 Als er unverhoffte Bewunderer für sich vereinnahmen konnte – etwa Elisabeth Förster-Nietzsche, Friedrich Nietzsches Schwester, die ihn im Namen des Weimarer Archivs beglückwünschte und zugleich ein Exemplar seiner Promotionsarbeit erbat –, stellte sich Löwith einem derartigen Ansatz entgegen, der letztlich auf den Kontrast zwischen Dionysischem und Apollinischem zurückführbar ist, den Nietzsche in der Geburt der Tragödie beschrieben hat. Seines Erachtens brachte diese Dichotomie Interpretationen hervor, die nicht in der Lage sind, die grundlegende Fraglichkeit

11Vgl.

Weingart, Doppel-Leben. Ludwig Ferdinand Clauss: zwischen Rassenforschung und Widerstand. Besprechung des Buches ‚Rasse und Seele‘ von Ludwig Ferdinand Clauss [1926/1927],199. 13Löwith, Nietzsche im Licht der Philosophie von Ludwig Klages [1927], 8–13. 12Löwith,

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der menschlichen Existenz auszudrücken. Folglich führte ihre Anwendung – bei Clauß auf die Rassenkunde, und bei Klages auf Nietzsches Schriften – nicht zu einer „von Menschen selbst vollzogenen Auslegung menschlichen Lebens“.14 Tatsächlich hielten beide den Möglichkeitscharakter des Lebens – seine Nicht-Übereinstimmung mit sich selbst und mithin seine Ambivalenz – in einem endgültigen, gänzlich unpassenden Bild fest. Der ikonoklastische Wahn, von dem diese Autoren beseelt waren, erwies sich demnach als weniger radikal als jener der von ihnen untersuchten Denker. Wilhelm von Humboldts „europäische Sachlichkeit“15 hatte gegenüber dem unbewussten Dogmatismus von Clauß letztlich leichtes Spiel, während Nietzsches Bewusstsein und philosophische Strenge denjenigen von Klages weit überlegen waren, wodurch die wahre „Zweideutigkeit“16 des Menschen begreiflich wurde. Das interessanteste Werk, an dem Löwith in jenen Jahren arbeitete, ist jedoch nicht unter seinen veröffentlichten Schriften zu suchen. Die Rede ist wiederum von Fiala: Die Geschichte einer Versuchung, einem nur schwer einzuordnenden Text, der verschiedene Lesarten erlaubt. Zunächst als Bildungsroman, wobei das ästhetische Moment nur mit Mühe eine Selbstständigkeit gegenüber der Darlegung der biographischen oder begrifflichen Inhalte erreicht. Ferner als getreuer, wenn auch künstlerisch verklärter Bericht17 über die Lebensgeschichte des Verfassers bis zum Herbst 1926. Vor allem lässt sich Fiala aber als ein Werk beschreiben, das gerade durch seinen zwischen Autobiographie und Gleichniserzählung schwebenden Duktus philosophisch sein will. Gegenüber der systematischen Behandlung universal bedeutsamer Inhalte zieht Löwith hier einen stark persönlich gefärbten Stil vor, der im Gefolge der „Psychologen der Modernität“ – also Nietzsche, Kierkegaard und Dostojewskij – paradigmatische existenzielle Situationen stilisiert, und diese zu Beispielen für etwas erhebt, das sich im Leben nur auf unechte oder verschwommene Weise erfahren lässt.

14Löwith,

Nietzsche im Licht der Philosophie von Ludwig Klages [1927], 13. Besprechung des Buches ‚Rasse und Seele‘ von Ludwig Ferdinand Clauss [1926/1927], 200. 16Löwith, Nietzsche im Licht der Philosophie von Ludwig Klages [1927], 14. 17Nimmt man das Kriterium der historischen Exaktheit zum Maßstab, so weichen nur wenige Details ab: eine auffällige Verjüngung Husserls, die sich auf der Basis seiner infantilen philosophischen Begeisterung rechtfertigen lässt, und eine Vorwegnahme der Veröffentlichung von Sein und Zeit. Dass Heidegger die Absicht verfolgte, sein „System“ zu veröffentlichen, war jedenfalls denen, die in einem engeren Kontakt standen, wohl bekannt. Vgl. z. B. Kisiel, The Genesis of Heidegger’s Being and Time, 477–489; von Herrmann, Heideggers „Grundprobleme der Phänomenologie“. Zur „Zweiten Hälfte“ von „Sein und Zeit“, 13–21. 15Löwith,

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Zu diesen Gesichtspunkten tritt noch ein weiterer, persönlicher hinzu, denn Fiala ist ein Buch für die eigene Schublade. Es wurde geschrieben, um Ordnung in eine Innerlichkeit zu bringen, die allmählich daran ging, die heftigsten Formen der Unruhe hinter sich zu lassen. Wie das lebenslang praktizierte Schreiben einer Vielzahl von Tagebüchern bezeugt, hat Löwith im Schreiben ‚über sich selbst‘ fortwährend Antworten von beinahe therapeutischem Wert auf seine existenziellen Zweifel gesucht. So ist es nicht schwer zu verstehen, warum er selbst niemals in Betracht gezogen hat, dieses Werk zu veröffentlichen, und ebenso wenig das Harvard Paper, seine zweite Autobiographie, die erst auf Initiative seiner Frau Ada und unter Mitwirkung von Reinhardt Koselleck posthum erschienen ist. Hugo Fiala – Löwiths Alter ego und Protagonist der Erzählung, der auch als Autor des Aufsatzes über Carl Schmitt von 1935 sowie der autobiographischen Schrift von 1940 firmiert – besitzt alle Eigenschaften eines Antihelden. Er ist ein junger Mann von durchdringender Intelligenz und übersteigerter Sensibilität, der exklusive Beziehungen unterhält und sich durch eine radikale Ausübung der Skepsis vor den Verwirrungen der Wirklichkeit schützt. Die „ersten Versuchungen“ (Fiala 1926, 6), denen er nicht widerstehen kann, sind der Aufbruch als Kriegsfreiwilliger, die Begegnung mit Percy Gothein und dem George-Kreis, der „sterile“ Umgang mit den „zwei Entdeckern der Wahrheit“ (Fiala 1926, 16): mit „Geheimrat Endlich“ und mit dem Denker (auch „Professor Ansorge“ genannt), den ätzenden Karikaturen von Husserl und Heidegger (Fiala 1926, 16, 20). Löwith schildert ferner, indem er höchst eintönige Stellen aus ihrem Briefwechsel anführt, seine Liaison mit Agnes Schlegel, einem Mädchen, deren Schicksal jenem des bekehrten romantischen Philosophen ebenso gleicht wie dem so vieler junger Menschen zur Zeit der Weimarer Republik.18 Fiala fühlt sich angezogen von diesem Grenzwesen, das zu verstehen ihm größere Mühe bereitet als die Annäherung an die Spekulation Heideggers. Was die beiden verbindet, ist die gemeinsame Suche nach einer Verwurzelung in der Welt, nach einer Antwort auf die Frage nach dem Sinn der Existenz, die beide mehr als einmal in den Bann von Selbstmordgedanken treibt. Aber der ‚salto mortale‘ in den Glauben, mit dem sich Agnes der Unruhe entzieht, bewirkt einen unüberwindlichen Bruch zwischen ihnen. Tatsächlich deutet Fiala diese Entscheidung mit einem Urteilskriterium, das 18Entgegen der Annahme des ersten Herausgebers von Fiala (Fiala 1997, 288), verbirgt sich hinter dem Pseudonym „Agnes Schlegel“ nicht Afra Geiger, sondern Charlotte Grosser, die zunächst in Freiburg klassische Philologie studierte, Heidegger ob ihrer Beherrschung des Griechischen imponierte und später bei Karl Barth in Göttingen Theologiestudentin war.

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sich auf Weber und Nietzsche beruft. In ihrer Unfähigkeit, die Ambivalenz des Polytheismus hinzunehmen, entschied sich Agnes „gegen die ‚vielen Götter‘ ihres Lebens für den, der gesagt hatte ‚ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben‘“ (Fiala 1926, 47). Ein Weg, der Fiala ebenso versperrt blieb wie jedem, der nicht beabsichtigt, „sein Leben dogmatisch zu binden“ (Fiala 1926, 47). So endet die Beziehung mit dem emphatischen, überaus kitschigen Wehklagen der jungen Dame: „Lieber Freund, wenn Dich Jesus statt Nietzsche gefangen genommen hätte!“ (Fiala 1926, 50). Die Begegnung mit den schwankenden Überzeugungen und zerbrechlichen Nerven von Agnes folgt auf die schwierigere Phase von Fialas Jugend, die in jener Nacht des Jahres 1922 gipfelte, als er den „Dämon der Negation“ (Fiala 1926, 62) bezwang, der ihn bis zu diesem Moment gequält hatte. Was ihn davon abhielt, von der Welt Abschied zu nehmen, war die Freundschaft zu Walther Marseille.19 Die Bande der zwischenmenschlichen Beziehungen erlaubten es ihm, dem „großen Nein“ (Fiala 1926, 2–3) zu widerstehen, das ihn lange Zeit versucht hatte. So begann ein „neues Leben“ (Fiala 1926, 81), das nach für Goethe und Burckhardt typischen Stilmustern beschrieben wird und in einer italienischen Landschaft von „zarter Bestimmtheit“ und „expressionistischer Klassizität“ (Fiala 1926, 83) seinen vorhersehbaren Rahmen findet.20 Zwischen Rom, Florenz und Neapel schlägt Fiala den „Weg zur Einfachheit“ (MH/KL 120) ein, der ihn endlich zu sich selbst führen sollte, wobei er gewiss nicht auf das Denken verzichtete, aber auf die Sterilität der reinen Philosophie.

Die Entdeckung des Anderen Die flüchtigen Aufzeichnungen aus Fialas philosophischem Tagebuch sind vollständig der ‚Idee‘ schlechthin gewidmet, also der Versuchung des Selbstmords. Ein Nachdenken über den Sinn des Existierens verwebt sich auf diesen Seiten mit einer Untersuchung des Wesens interpersonaler Bindungen. Um eben diesen Kern kreist Löwiths Forschung bei der Abfassung seiner Habilitationsschrift. Es handelt sich um eines der originellsten Motive seines Denkens, das in den Schriften der R ­ eifezeit

19Marseille war der Freund, dem Löwith die Promotions- sowie die Habilitationsschrift widmete. Marseille wurde 1926 von Heidegger in Marburg mit der Dissertation Beiträge zur Untersuchung der dem graphologischen System von J. H. Michon und L. Klages zugrunde liegenden Begrifflichkeit promoviert. 20Vgl. Donaggio, Introduzione, 7–16.

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wieder hervortreten wird.21 Abweichend ist in jenen Aufsätzen allein der Ton der Darstellung, der stärker an die vom Autor erreichte Selbstbeherrschung angelehnt ist. In den frühen Aufzeichnungen wurde das Motiv noch mit einem Extremismus angegangen, der einen einzigartigen Kontrast zu der von Löwith so ersehnten Wendung zur Einfachheit bildet. Im Einklang mit diesem Gemütszustand wurde die ursprüngliche Reflexionserfahrung gerade in der Möglichkeit erkannt, sich das Leben zu nehmen: „Als Dreizehnjähriger hatte er das erstemal an Selbstmord gedacht und infolgedessen zu philosophieren begonnen“ (Fiala 1926, 47). Wenn er über seine eigene Vernichtung nachdenkt, stößt der Mensch auf die „denkwürdigste aller Paradoxien“ (Fiala 1926, 47), nämlich die, auf der Welt zu sein, ohne es darum notwendig weiter bleiben zu müssen. Die Möglichkeit zu erwägen, sich das Leben zu nehmen, stellt folglich eine Art notwendigen Übergangs zu einer sich selbst bejahenden Existenz dar. In dieser Hinsicht erfreut sich der Selbstmörder gegenüber den Vielen, die diese Krise nicht durchmachen und sich daher niemals eigentlich dazu entschließen, leben zu wollen, am „moralischen (sic!) Vorteil des Radikalismus“ (Fiala 1926, 91). Dem „perfekten Selbstmörder“ (Fiala 1926, 91) kann also gar keine sinnvolle Frage gestellt werden, da er sich gemäß der von Kierkegaard so bezeichneten „Krankheit zum Tode“,22 der Vereinzelung des Verzweifelten, bereits in einer Dimension jenseits von Gut und Böse befindet. Eine These aus seiner Habilitationsschrift vorwegnehmend – und die entscheidende existenzielle Erfahrung jener Jahre theoretisch nutzbar machend – erklärte Löwith: „[…] [D]er Selbstmörder beginnt ja damit, daß er sich vor der Welt verschließt und sich auf sich selbst stellt. Es gehört aber zum Sinn des menschlichen Lebens in einer Welt von Seinesgleichen zu sein. Dadurch allein hat das Leben Sinn und bekommt es Sinn. Niemand kann sich selbst tragen.“ (Fiala 1926, 91–92) Die Reflexion über Selbstmord gelangte so zu einer absoluten Infragestellung der Autonomie des Subjekts, also jener „Erfindung des theoretischen und existenziellen Idealismus, dessen Vertreter konsequenterweise zum Selbstmord kommen müßten, wenn sie faktische Solipsisten wären.“ (Fiala 1926, 92). Auf dieser Grundlage versetzte Löwith in Fiala einen ersten Stoß gegen die Positionen seines eigenen Lehrers. Die Interpretation des Lebens, die

21Vgl. zum Thema Löwiths Abhandlungen Töten, Mord und Selbstmord: Die Freiheit zum Tode [1962], in: LS 1, 399–417, und Die Freiheit zum Tode [1969], in: LS 1, 418–425. 22Kierkegaard, Die Krankheit zum Tode.

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Heidegger in Freiburg entwickelt und ausgearbeitet hatte, war tatsächlich in ein „System der Existenz“ eingeflossen, das „an Konsequenz, Kompliziertheit, Unverständlichkeit, Scharfsinn und fundamentaler Baufälligkeit“ den Vergleich mit den großen spekulativen Konstrukten der Vergangenheit nicht zu scheuen brauchte (Fiala 1926, 148).23 Noch kritikwürdiger als dieses unerwartete Ergebnis war allerdings der Umstand, dass Heideggers Untersuchung, obwohl sie um das Todesphänomen als um ihren eigentlichen Schwerpunkt gravitierte, dem Thema Selbstmord keinerlei Aufmerksamkeit schenkte.24 Das „Sein zum Tode“, mit dem Sein und Zeit den Sinn und die Eigentlichkeit der Existenz verband, stellte tatsächlich eine nur theoretische Vorwegnahme des wirklichen Todes dar, eine philosophische Möglichkeit, die der Selbstmord durch seine „brutale, bloße Wirklichkeit“ (Fiala 1926, 150) vernichtet.25 Ungeachtet seiner erklärten Absichten machte Heidegger das Individuum weiter zu einer autarken Instanz, zum Beherrscher der Welt und sogar des eigenen Todes. Zumindest in dieser Hinsicht besaß sein Abbau der Tradition nicht die nötige Radikalität, um aus der neuzeitlichen Metaphysik herauszutreten. Am 15. Dezember 1927 reichte Löwith bei der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg eine Abhandlung ein, die diesen Betrachtungen ein systematischeres Gewand zu verleihen suchte: Phänomenologische Grundlegung der ethischen Probleme. Es handelt sich um die schriftliche Arbeit, mit der er sich um die Venia legendi für Philosophie bewarb. Am 5. Mai 1928 nahm die Kommission die Arbeit an und erteilte dem Kandidaten die Zulassung zu den weiteren Prüfungsteilen: die Probevorlesung L. Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, gehalten am 23. Juni, sowie die am 30. Juni vollzogene öffentliche Antrittsvorlesung über Jacob Burckhardts Stellung zu Hegels Geschichtsphilosophie.26 Im Sommer desselben Jahres wurde die Schrift nicht ohne einige Änderungen unter dem

23Siehe

auch Löwith, Heidegger, Denker in dürftiger Zeit [1953, 21960], 157. vielsagender Nähe zur Thematik der Skepsis wird das Motiv untersucht von Heidegger, Sein und Zeit, 302–303. 25Siehe auch Löwith, M. Heidegger und F. Rosenzweig. Ein Nachtrag zu „Sein und Zeit“ [1958], in: LS 8, 87–88, sowie, in einem anderen Zusammenhang, Löwith, Les implications politiques de la philosophie de l’existence chez Heidegger [1946], 349–350. 26Aus dem in Löwiths Marburger Personalakte aufbewahrten Antrag geht hervor, dass die beiden anderen vorgeschlagenen und durch die Fakultät abgelehnten Themen wie folgt lauteten: Dialektisches und dialogisches Denken und Diltheys Grundlegung der Geisteswissenschaften (HStAM/PA Löwith). Es deutet nichts darauf hin, dass Löwith zu diesen Themen Vorarbeiten verfasst hätte. 24In

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Titel Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen. Beiträge zur anthropologischen Grundlegung der ethischen Probleme publiziert.27 In seiner Habilitationsschrift untersucht Löwith das Verhältnis zwischen Ich und Du, zwischen Mensch und „Mitmensch“. Oder, um es mit der in der Abhandlung selbst verwendeten Begrifflichkeit zu sagen: die Struktur des „Miteinanderseins“. Er wirft die Frage auf, inwieweit ein jeder sich, sowohl ontologisch als auch moralisch betrachtet, als ungeteilte und selbstständige Instanz ansehen kann, wenn er erst die grundlegende Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen erkannt hat. Von den Faktoren, die den traditionellen Individualitätsbegriff untergraben, ragt gerade „der Andere“ hervor, also der zweite Begriff im Verhältnis zwischen zwei Menschen, der von radikal verschiedener Qualität ist gegenüber jener der Wesen, auf die das Subjekt die eigenen Handlungen und Vorstellungen bezieht. Weitab vom Zentrum der philosophischen Aufmerksamkeit wurde das Thema der Alterität von Seiten einer Reflexion lange vernachlässigt, die seit ihren Anfängen auf universale Elemente, und folglich auf das reguläre Vorkommen von Identitäten, weniger hingegen auf das problematische Aufkommen von Unterschieden ausgerichtet war. Die Vorstellung, dass sich das Individuum im Wesentlichen auf sich selbst und auf eine Welt der Objekte bezieht, deren Bestimmtheit es durch das eigene Bewusstsein angewandter Feststellungsverfahren gewährleistet, hat so ein anhaltendes erkenntnistheoretisches und ethisches Monopol ausgeübt. Im Zuge seiner Kritik an diesem fast hegemonialen Paradigma berief sich Löwith vor allem auf die Thesen Ludwig Feuerbachs, also auf jenen Autor, der es seines Erachtens als erster zu überwinden versucht hatte.28 In den Prinzipien des „Sensualismus“ und des „Altruismus“ erkannte er die Vektoren einer zentrifugalen Kraft im Verhältnis zum Begriff des Selbstbewusstseins als dem eigentlichen Leitstern im modernen philosophischen Diskurs. Feuerbachs großes Verdienst bestand im Erkennen der Grenzen einer Anthropologie, die das spezifisch menschliche Element in der Bewusstheit des Selbst erkannte. Dabei beharrte er darauf, dass in ihrer Bedeutung

27Das Originalexemplar der Arbeit ist nicht überliefert. Sowohl im Hessischen Staatsarchiv (HStAM) als auch in der Universitätsbibliothek Marburg (UBMN) werden lediglich Kopien des Manuskripts aufbewahrt. Einige Abweichungen zwischen der maschinengeschriebenen und der gedruckten Fassung lassen sich dem Briefwechsel mit Heidegger sowie dessen Gutachten entnehmen. Briefe aus den Anfangsmonaten des Jahres 1928 weisen auf eine geplante Veröffentlichung im Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, dem Publikationsorgan der phänomenologischen Bewegung, hin, zu der es aber nicht gekommen ist. 28Vgl. IR, 19–28, 72–74. Die Aktualität Feuerbachs bekräftigte in jenen Jahren auch ein Artikel von Karl Barth, Ludwig Feuerbach.

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eines eigentlichen „Selbstbewusstseins“ diese Kategorie ihre eigenen unbewussten Voraussetzungen nicht zu erläutern vermag, insbesondere jene natürliche „Sinnlichkeit“, die auf den Geschlechterunterschied zurückführbar ist. Verstanden als autarkische und absolute „Selbst-bewusstheit“, vernachlässigt sie hingegen die Existenz von jenem „Du“, welches das andere Subjekt als ein „Ich“ bestimmt. Auf eine grundsätzliche Würdigung des Feuerbach’schen Ansatzes ließ Löwith aber einige Bedenken folgen, die die begriffliche Kargheit dieser Intuitionen beklagten. Das hinter ihnen stehende Menschenbild erweist sich in der Tat als unsicher, und auch die Untersuchung der Ich-Du-Beziehung verharrt bei einer Unbestimmtheit, die ihre erneuernde Fähigkeit einschränkt: Der Mangel dieser Klarstellung ist der Grund, weshalb Feuerbach trotz aller Tendenz, die Fragestellung nach dem Subjekt und Objekt zu verändern, doch nur an Stelle des Subjekts ein „Ich“ und an Stelle des Objekts ein „Du“ einzusetzen vermochte. Wenn aber der Ansatz mit „Ich und Du“ […] etwas anderes sein soll als eine personifizierte Subjekt-Objekt-Beziehung, so kann dies nur auf Grund einer Explikation der eigenartigen Beziehungsweise geschehen, welche zwischen „Personen“ im Unterschied zu ihrem Bezug auf „Sachen“ stattfindet. (IR 74).29

Von der beinahe ausschließlichen Urheberschaft, die Löwith Feuerbach hinsichtlich der Aufwertung der Ich-Du-Beziehung zuzuschreiben scheint, darf man sich indes nicht täuschen lassen. Allgemeine Andeutungen zu dem Thema enthielt bereits die Dissertationsschrift von 1923. Darin wurde hervorgehoben, dass Nietzsches ‚Psychologie der Masken‘ das Spiel der menschlichen Beziehungen wirkungsvoll treffen und die Auflösung der metaphysischen Kategorie des Subjekts anstreben würde, indem sie deren Wesen als reine regulative Fiktion enthülle. Der Glaube an die Individualität, verstanden als einheitliche Substanz, wurde sowohl auf dem Gebiet der Erkenntnis als auch auf dem der Moral geschwächt und folglich als einer der „vier großen Irrthümer“ aufgefasst.30 Was den Begriff des Mitmenschen angeht, der im Titel von Löwiths Buch erscheint, so entstammt dieser einem wiederum anderen spekulativen Terrain. Es war Hermann Cohen, der ihn in seiner 1919 erschienenen 29Vgl. auch Löwith, L. Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie [1928], in: LS 5, 1–26. 30Nietzsche, Götzen-Dämmerung, 82–91.

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Studie Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums auf philosophischem Gebiet einführte, indem er die „Entdeckung des anderen Menschen“ in einem theologischen Rahmen ansiedelte. Diese Neuerung bedeutete einen wichtigen Impuls für jene als „Begegnungsphilosophie“ bekannte Strömung des jüdischen Denkens, die wenige Jahre später durch Franz Rosenzweigs Der Stern der Erlösung und Martin Bubers Ich und Du eingeläutet wurde.31 Allerdings dürfte Löwith, als er Das Individuum verfasste, keines dieser Werke gekannt haben.32 Vielmehr unterzog seine Schrift die eben erwähnten, nicht sehr weit entfernt liegenden Ansätze des katholischen Theologen Ferdinand Ebner und seines protestantischen Kollegen Friedrich Gogarten einer entschiedenen Kritik. Die Atmosphäre in Marburg gab Löwith gewiss Gelegenheit, die religiösen Kehrseiten der Ich-Du-Thematik zu vertiefen, wenngleich die Einreihung seiner Forschung in diese Tradition eher auf äußerlichen thematischen Affinitäten als auf verlässlichen Indizien beruht. In den Elementen, die seine ‚blasphemische‘ Anthropologie diesem Stil der Reflexion annähern, offenbart sich keine echte Gemeinsamkeit der Voraussetzungen, sondern vielmehr ein Grundzug des deutschen philosophischen Klimas der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Zu jener Zeit kam es oft vor, „daß Denker auf mancherlei Weise die Mitmenschlichkeit entdeckten, den Dialog als Lebensprinzip […]. Die Philosophie schien sich aus ihrem Egotismus zu lösen, das Ich rückte heraus aus der paradigmatischen Position, die es so lange besetzt gehalten hatte […].“33 31Vgl.

Böckenhoff, Die Begegnungsphilosophie. Ihre Geschichte. Ihre Aspekte. Werk Bubers wird lediglich im Vorwort zur Neuauflage von Das Individuum aus dem Jahr 1962 zitiert. Michael Theunissen geht davon aus, dass diese Schrift, obwohl sie unerwähnt bleibt, als Inspirationsquelle für Löwiths „Miteinandersein“ diente. Am 1. Februar 1963 schrieb Theunissen an Buber und befragte ihn über seine möglichen Einflüsse auf die Verfechter einer Phänomenologie Heidegger’scher Prägung. Bubers Antwort lautete: „[…] [V]on Einflüssen auf andere weiß ich nichts zu sagen, da ich mich damit gar nicht befaßt habe“ (Buber, Briefwechsel aus sieben Jahrzehnten. Bd. 3, 569, 581). Allerdings hatte Buber am 11. August 1951 an Maurice Friedman geschrieben, um in Bezug auf Das Individuum seinerseits die gegenteilige Annahme auszuschließen: „Als ich Löwiths Buch las, war alles bereits voll ausgereift, und ich konnte nichts von seiner Methode übernehmen“ (Ebd., 290). Löwith erinnerte hingegen daran, dass Cohens Religion der Vernunft „ähnlich wie Rosenzweigs Stern […] ebenfalls in deutschen akademischen Kreisen unbekannt blieb“ (Löwith, M. Heidegger and F. Rosenzweig or Temporality and Eternity [1942/1943], 54, Anm. 4), und ferner, dass Heidegger Cohens Werk in seiner 1927 verfassten Geschichte des philosophischen Lehrstuhls in Marburg nicht einmal in die Übersicht der Veröffentlichungen des Autors aufgenommen hatte. In IR zitierte Löwith Texte Cohens, in denen das Thema des Mitmenschen vorkommt, wenngleich er in einem Brief an Leo Strauss vom 15. April 1935 einräumt, Cohen „nur sehr wenig studiert“ zu haben, da er „von vornherein so unjüdisch aufgewachsen“ (KL/LS 645) sei. Entsprechende Stellungnahmen finden sich auch in einem anderen Brief an Strauss vom 25. September 1962 (Ebd., 689). 33Sternberger, Gang zwischen Meistern, 23–24. Vgl. auch das Nachwort zu Buber, Das dialogische Prinzip, 299–320, vor allem 309. 32Das

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Das Individuum geht indes aus der phänomenologischen Tradition hervor. Seit längerem hinterfragte die von Husserl begründete Bewegung die Bedingungen der Begegnung des „Ich“ mit Anderen sowie die Konstitution der Intersubjektivität und der Sozialität. Mehrere Forschungsvorhaben galten dem Begriff der ‚Person‘, verstanden als unbeugsame, sowohl den Leistungen eines transzendentalen Ego als auch jenen eines im idealistischen oder psychologistischen Sinne verstandenen Selbstbewusstseins gegenüber kritische Instanz, die auch gegen eine substanzielle Individualität opponierte. Nach Max Schelers paradigmatischer Definition stellte die Person die konkrete Einheit wesensverschiedener intentionaler Akte dar.34 Auf diese Versuche berief sich auch Heidegger in seiner im Sommersemester 1925 in Marburg gehaltenen Vorlesung über die Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs. In Schelers Schriften und in Husserls Vorlesungen zur phänomenologischen Psychologie, die in Dilthey ihren Wegbereiter sahen, zeigte er jedoch eine bedeutsame Begrenzung auf.35 Beiden gemeinsam war das Fehlen einer Überlegung zum ontologischen Status der Person und ihrer intentionalen Akte. Der Zugang zur persönlichen Wirklichkeit, die meisterhaft von jener der Sache, der Substanz und des Subjekts unterschieden wird, erwies sich so als durch die versteckte oder unausgesprochene Herrschaft einer verderblichen Voraussetzung der metaphysischen Tradition verhindert: nämlich von der Bestimmung des Menschen als Vernunftwesen. Die grundlegende Fragestellung von Heideggers Untersuchung wurde folgendermaßen formuliert: Wenn das Wesen der Person erst im Vollzug intentionaler Akte besteht, „welches ist der ontologische Sinn von ‚vollziehen‘, wie ist positiv ontologisch die Seinsart der Person zu bestimmen?“36 Diese Frage wird Löwith sehr wahrscheinlich bei der Wahl seines Themas inspiriert haben. In den Seiten von Sein und Zeit kommt der Begriff „Mitmensch“ nicht vor. Eine erschöpfende Behandlung der zwischenmenschlichen Beziehungen gehört nicht zu den Zwecken von Heideggers existenzialer Analytik. Diese erklärt lediglich die Phänomene, die bezüglich der sie leitenden methodischen Absicht – nämlich der Seinsfrage – als grundlegend erachtet 34Vgl. z. B. Scheler, Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. Neuer Versuch der Grundlegung eines ethischen Personalismus, 393–406. Zum Thema allgemein vgl. Kobusch, Die Entdeckung der Person. 35Vgl. Heidegger, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs (Sommersemester 1925), 157–182. Husserls Vorlesungen sind jetzt zusammengefasst in Husserl, Phänomenologische Psychologie. Am 30. Juni 1925 schrieb Heidegger an Löwith: „Husserl liest diesen Sommer: Phänomenologische Psychologie alias orthodox rektifizierte Hermeneutik der Faktizität. Beginnt mit Dilthey!“ (MH/KL 126). 36Heidegger, Sein und Zeit, 48.

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werden. Der Ansatz ist mithin bewusst unvollständig, zumal seine ontologische Konnotation ihn von jeglicher Art philosophischer Anthropologie unterscheidet.37 Das Thema des Anderen zeigt sich im ersten Teil des Werkes, wenn Heidegger die Frage nach dem „Wer“ der Struktur des „In-der-Welt-seins“ stellt. Innerhalb dieses Kontextes definiert er das „Mitsein“ als konstitutives Moment des Daseins,38 wobei er das traditionelle Modell eines verschlossenen Ichs ablehnt, dem wesensverschiedene äußere Objekte gegenüberstehen. Ein solches Modell resultiert nämlich aus der unberechtigten Spaltung jener Beziehung der Öffnung, welche das Dasein ursprünglich an die „umgebende Welt“ und an die „gemeinsame Welt“ bindet.39 In Sein und Zeit hält Heidegger dennoch in beinahe ausschließlicher Weise an der Untersuchung des Mitseins auf der Ebene der „Uneigentlichkeit“ fest. In der Anonymität der öffentlichen, pluralischen Sphäre verliert sich das Dasein selbst und die Begegnung mit dem Anderen geschieht innerhalb eines Horizonts der Zielgerichtetheit. Das Dasein realisiert hingegen seine Eigentlichkeit, indem es sich auf die Möglichkeit bezieht, die ihm wesentlich eigen ist, also jene des Todes. Die Selbsteroberung stimmt also überein mit einer Absonderung von den intersubjektiven Beziehungen,40 und die Eigenschaften eines „eigentlichen Miteinanderseins“, auf die der Text übrigens flüchtig hinweist,41 werden nicht jener Klärung unterzogen, die ihr grundlegender Charakter erfordert hätte.

Ein vorsichtiges Buch Die Habilitationsschrift nahm Löwith länger als vorgesehen in Beschlag. Als er im Frühjahr 1924 die Abgabe seiner Arbeit für den Sommer des darauffolgenden Jahres in Aussicht stellte, deutete nichts darauf hin, dass das Manuskript erst im Sommer 1927 in Heideggers Hände gelangen sollte, und dass dieser seinen Schüler zu Anfang des Jahres 1928 noch darum bitten müsste, keine weiteren Änderungen mehr vorzunehmen.

37Heidegger,

Sein und Zeit, 23, 175, 265. Sein und Zeit, 152–73. Zum Thema vgl. Theunissen, Der Andere. Studien zur Sozialontologie der Gegenwart, 156–186, sowie Schuck, Il rapporto interumano in Essere e tempo di M. Heidegger, 72–138. 39Heidegger, Sein und Zeit, 266–281. 40Heidegger, Sein und Zeit, 349, 427–429. 41Heidegger, Sein und Zeit, 395. 38Heidegger,

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Ständige Überarbeitungen begleiteten die Erstellung einer Abhandlung, die Heidegger als „Arbeit über den Personalismus“ (MH/KL 126) bezeichnete. Die Niederschrift wurde vermutlich 1924 in Rom begonnen und einige Briefe legen nahe, dass Löwith ihre Fertigstellung im Sommer 1925 bereits in greifbarer Nähe wähnte. In den ersten Entwürfen fegte er die Thesen Schelers, der innerhalb der phänomenologischen Bewegung für dieses Thema die Autorität war, kurzerhand vom Tisch, suchte aber zugleich in den Werken eines philosophisch weit inspirierteren Schriftstellers neue Anregungen. Tatsächlich forderte er in einem Brief vom August 1925 Heidegger dazu auf, einer Inszenierung von Luigi Pirandellos So ist es, wenn es Ihnen so scheint42 (Così è, se vi pare ) beizuwohnen,43 jedoch ohne auf die „typischen schwachsinnigen“ Kommentare derer zu hören, die „Wirklichkeit“ und „Wahrheit“ der Figurenbeziehungen hinterfragten. Löwith erklärte sich „kindlich erfreut“ darüber, seine eigenen Überlegungen so schön bestätigt zu sehen und behauptete, das entscheidende Element des Stückes sei vielmehr im „‚In‘ sein der Verhältnisse der zwei ‚wir‘“ zu finden (MH/ KL 132). Begrifflichkeit und Inhalte entsprachen bereits der Endfassung der Arbeit, deren Fertigstellung allerdings zwei weitere Jahre beanspruchen sollte. Diese Verspätung scheint nicht auf Verpflichtungen im Zusammenhang der ersten Publikationen zurückführbar zu sein: der Grund ist woanders zu suchen. Der „Weg zur Einfachheit“ (MH/KL 120), den Löwith spürte eingeschlagen zu haben, führte ihn dazu, den Sinn der bis dahin geknüpften Beziehungen neu zu bestimmen. Auf philosophischem Gebiet bestand das wichtigste Verhältnis zweifellos zu Heidegger. Die Habilitationsschrift veränderte also in fieri ihr Wesen. Konzipiert als Arbeit über den Personalismus, dessen Grundzüge rasch skizziert wurden, verwandelte sie sich im Zuge der ersten entschiedenen Auseinandersetzung mit dem Lehrer. Das Erscheinen des Buches Sein und Zeit, dessen Druckfahnen Löwith bereits

42Dieser Titel entspricht der heutigen Standardübersetzung. Zur Zeit der Niederschrift von Das Individuum wurde der Titel mit „So ist es – wie Sie meinen“ übersetzt: Löwith diskutierte das Übersetzungsproblem und interpretierte: „So ist es, sofern es Euch so erscheint“ (IR 102). 43Die Begegnung mit dem Werk Pirandellos erfolgte über den Pfarrer von Settignano, wie Löwith Heidegger in einem Brief vom 29. August 1925 berichtet (vgl. MH/KL 131). Und in Bezug auf Scheler: „[E]r ist und bleibt doch der Alte, gescheit, belesen, seine paar stereotypen Ideen immer neu im alten Geleise verwertend und ausbreitend – Systemskizzen, Programme und ‚metaphysische‘ Ausblicke und Einrennen offener Türen – es genügt sein Stil, um die Unglaubwürdigkeit seines gebildeten ‚Erlösungswissens‘ zu sehen“ (MH/KL 131).

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mit zunehmend finsterer Miene gelesen hatte, verstärkte diesen Drang nach Selbstständigkeit nur noch weiter.44 In einem Dankesbrief an Heidegger für die Zustellung eines Exemplars seiner Summa erklärte Löwith am 1. Mai 1927 die Gründe für die verlängerte Ausarbeitung der eigenen Schrift: Der eigentliche Grund, weshalb ich sie 2 Jahre später ausarbeite, als ich zuerst vorhatte, war: dass ich diese Zeit brauchte, um mich damit [d. h. mit Sein und Zeit ] auseinandersetzen zu können, und ohne solche Auseinandersetzung hätte sie für mich keinen Sinn gehabt; über die Möglichkeit einer ganz anspruchslosen, phänomenologischen Schülerarbeit war ich schon hinausgewachsen. Der dankbare Schüler meines Lehrers bleibe ich trotzdem – aber ich muss Sie bitten, sich in Ihre ehemalige Freiburger Situation gegenüber Husserl zurück zu versetzen, um in meinem unebenbürtigen Angriff die Dankbarkeit des Schülers wiederzuerkennen. (MH/KL 139).

In dieser unverlangten Rechtfertigung kristallisiert sich die ganze Ambivalenz jener Monate. Denn Heidegger wird schwerlich vergessen haben, was er seinem Schüler einige Jahre zuvor geschrieben hatte: „Vermutlich merkt der Alte dann wirklich, daß ich ihm den Hals umdrehe – und dann ist es mit der Nachfolgerschaft aus. Aber ich kann mir nicht helfen.“ (MH/KL 88)45 In Marburg pflegten die Theologiestudenten ihren philosophischen Lehrer „Löwith, mein süßes Gift“46 zu nennen – ein Spitzname, der in Anbetracht dieses Briefes nicht ganz unverdient war. Eine rege Korrespondenz im August 1927 verdeutlicht, dass die Suche nach einem neuen Maß in der Beziehung zu Heidegger Löwith dazu führte, zwischen der ruhigen Darlegung seiner Bedenken und dem Bedürfnis nach einer Antwort auf drängende Zweifel zu schwanken. Die Habilitationsschrift hatte er bereits eingereicht, aber die Sommerferien ließen die noch ausstehende Verteidigung in die Ferne rücken. Da ihm die Wartezeit schwer erträglich war, schrieb Löwith an Heidegger, um einmal mehr die Intentionen und den Sinn seiner Arbeit zu erläutern. Was hier zum Ausdruck kommt, ist zuallererst eine andere Art, Philosophie zu praktizieren: „Wenn ich bedenke, wie intensiv und ununterbrochen Sie seit 10 Jahren 44Vgl. Gadamer, Philosophische Lehrjahre. Eine Rückschau, 44. Am 20. August 1927 beschrieb Heidegger die Arbeit als „gegenüber dem ersten Entwurf ganz wesentlich verändert sowohl im Niveau der Fragestellung als auch in der Durchsichtigkeit des Aufbaus und der sprachlichen Darstellung“ (Papenfuss/Pöggeler, Zur philosophischen Aktualität Heideggers. Bd. 2, 33). 45Vgl. Pöggeler, Neue Wege mit Heidegger, 26–27, wo die Briefstelle zusammengefasst wird. 46Gadamer, Philosophische Lehrjahre. Eine Rückschau, 46.

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ohne wesentliche Kommunikation arbeiten, so – staune ich; ich könnte das nicht ohne die belebenden Zwischenstadien der Kontakte […].“ (MH/KL 142) Letztlich wohnt den Briefen aber die Wahrnehmung eines Wandels in der Art der Beziehung inne, wie auch das Bewusstsein, dass der Bruch gegenüber dem Heideggerschen Denken nunmehr vollzogen ist. Wie schon aus der Lektüre von Fialas philosophischem Tagebuch deutlich wurde, stellte das in Sein und Zeit errichtete System in Löwiths Augen einen Verrat gegen das Programm dar, das Heidegger in Freiburg auf den Weg gebracht hatte: Ein dekonstruktives Werk, das nicht darauf aus war, „etwas dem Negierten Entsprechendes, Inhaltliches“ (MH/KL 108) entgegenzustellen. Es handelte sich vielmehr um eine in Einsamkeit zu vollführende Zerstörungstätigkeit, und das ungeachtet des Umstands, „ob daraus eine ‚Kultur‘ wird, oder eine Beschleunigung des Untergangs“ (MH/ KL 20). In einem Brief vom 17. August 1927 erklärte Löwith, der gerade 30 Jahre alt geworden war, diesem destruktiven Anspruch treu bleiben zu wollen, der ihn zur Philosophie gedrängt hatte. Schwerlich hätte die Loslösung allerdings auf gelassene Art und Weise stattfinden können: Dass wir aber […] nicht mehr in derselben Weise zusammen sind wie früher, bummeln durch Freiburg, das brauche ich Ihnen ja nicht weiter zu erklären […] – gerade ich muss ja wissen, wie sehr die sogenannte Schuld in diesen Verhältnissen eine ‚wechselseitige‘ und ‚gegenseitige‘ ist – sofern dabei überhaupt von ‚Schuld ‘ und nicht nur von Schicksal […] gesprochen werden kann. (MH/KL 146).

Die theoretischen Voraussetzungen dieser Trennung finden sich in einem Brief vom 2. August 1927 erläutert, in dem Heideggers philosophische Auffassung und die anthropologischen Bausteine seines Denkens behandelt werden. In diesem Schreiben behauptete Löwith, dass Sein und Zeit einen Wendepunkt auf Heideggers Weg markiert und so die Abkehr von einer Theorie des tatsächlichen Lebens hin zu einer „ontologischen Analytik des Daseins“ (MH/KL 140) bewirkt hatte. Unter Berufung auf bekannte Schüler, die ihre noch berühmteren Lehrer kritisiert hatten, hüllte sich Löwith zunächst in das Gewand Feuerbachs und erklärte, dass in Heideggers Meisterwerk die „ontisch-existenziell[en]“ Unterschiede, also die „Akzentfragen“, in einer des schlechtesten Hegels würdigen „‚absoluten Indifferenz‘“ verloren gehen (MH/KL 140). Um seine Bedenken besser klarzustellen, rehabilitierte er dann sogar seine ersten Münchner Dozenten, indem er an Heidegger schrieb: „[I]ch fühle mich Ihrer Arbeit gegenüber jetzt auf einem

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analogen Punkt wie seinerzeit die ‚Münchner‘ gegenüber Husserls Fortgang zur Konstitutions-Phänomenologie […].“ (MH/KL 140).47 Zu diesem grundlegenden methodischen Einwand kam ein weiterer hinzu, der den Bezug zur anthropologischen Seite von Heideggers Philosophie betraf. Der Analytik des Daseins hielt Löwith einen ähnlichen Vorwurf entgegen, wie er ihn zuvor contra Clauß und Klages gerichtet hatte: nämlich die ontologische Ambivalenz des Menschen, die Gleichzeitigkeit von „Existenz“ und „Leben“, Geist und Natur sein nicht erfasst zu haben. Jedoch entwertete seiner Ansicht nach eine spezifischere Begrenzung auch die Bestimmung der Authentizität des Daseins. Der Nachdruck, der in Sein und Zeit auf den „immer meinen“ Charakter des Daseins gelegt wird, verrät in der Tat die Beibehaltung eines Paradigmas, das in der Beziehung zum Objekt seinen privilegierten Zugang zur Welt findet, ohne die Grenzen der modernen Metaphysik des Subjekts zu überschreiten. Zwischen der Intensität der Kritik, die den Briefwechsel entflammen lässt – und noch mehr zwischen der Art, wie Löwith in seinen Briefen die eigene Haltung gegenüber Heidegger beschreibt – und dem, was davon in den Paragraphen von Das Individuum durchscheint, ist eine beträchtliche Diskrepanz festzustellen. Die Einwände grundsätzlicher Art finden sich in einem Vorwort verdichtet, das die Untersuchung als „Grundstück der philosophischen Anthropologie“ bezeichnet, die sich auf eine „streng phänomenologisch[e]“ Methode gründet (IR, 11–13). Aufgrund dieser Kennzeichnung positioniert sich Löwiths Ansatz außerhalb des Horizonts von Sein und Zeit. Um zu vermeiden, als Resultat eines Missverständnisses abgetan zu werden, nämlich die existenziale Analytik als Theorie des Menschen aufzufassen, und nicht als eine Propädeutik der Seinsfrage, bemüht er sich, die größere Ursprünglichkeit zu beweisen, also den Umstand, dass nur „das anthropologische ‚Fundament‘ der Philosophie als das wahrhaft glaubwürdige, als das fundierende oder grundlegende […] zu gelten hat“.

47In zwei Aufsätzen von 1930 wird diese Überzeugung ausführlicher zum Ausdruck gebracht. Heidegger wird hier als beispielhafter Vertreter eines hermeneutischen ‚Abdriftens‘ von der Phänomenologie gezeichnet, eines Ansatzes, bei dem die Interpretation der Tatsachen stufenweise ihre Beschreibung verdrängt. Während die von Husserl begründete Bewegung jene angezogen hatte, die den klassischen Ansatz des Philosophierens ablehnten, führt die Tendenz zur Konstruktion, die Sein und Zeit durchzieht, die Phänomenologie wieder an eine Art und Weise heran, die Wirklichkeit zu betrachten, die ihr Paradigma in der Hegel’schen Spekulation gefunden hatte. Löwith betrachtet Heideggers Denken also als eine „Logik des Ontischen“, die eine bestimmte empirische Grundlage vorsätzlich verschwiegen formalisiert, für die sie dann im Nachhinein eine unplausible Universalität beansprucht. Vgl. Löwith, Grundzüge der Entwicklung der Phänomenologie zur Philosophie und ihr Verhältnis zur protestantischen Theologie [1930], in: LS 3, 40, 64, 91, sowie Phänomenologische Ontologie und protestantische Theologie [1930], in: LS 3, 16.

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An entscheidenden Stellen seiner Schrift ordnet Löwith die Ontologie folglich der Anthropologie unter.48 Andernorts verliert das anthropologische Moment seinen Primat, um eine nicht näher bestimmte Koordinationsfunktion zwischen den verschiedenen Verweisen auf die Welt einzunehmen; entsprechend den im Briefwechsel geäußerten Befürchtungen geschieht dies zur Vermeidung einer Auflösung der ontischen Probleme in einer scheinbar neutralen ontologischen Undeutlichkeit. Im Übrigen verzichtet die anthropologische Reflexion nicht darauf, ihre eigenen ontologischen Forderungen zu erheben. Ausgehend von einer bestimmten Lebensstruktur zielt diese darauf, ein ursprüngliches oder grundlegendes Verständnis des ‚Sinns‘ der menschlichen Existenz im Allgemeinen zu erlangen. Die Verknüpfung dieser widerstrebenden Ansprüche hat zur Folge, dass der Kategorienapparat von Das Individuum mit jenem von Sein und Zeit nur hinsichtlich der Signifikanten, oder, in seinen unglücklicheren Aspekten, hinsichtlich der Obskurität der Alltagssprache übereinstimmt. Die Bedeutung bleibt gleichwohl anders, sofern sie der Trennung von ontischer und ontologischer Valenz der Begriffe angepasst wird, die in Heideggers Werk verankert ist, das immerfort zwischen ‚existenzialer‘ und ‚existentiver‘ Ebene schwankt.49 Die Anmerkungen zu den anthropologischen Implikationen von Heideggers Lehre tragen hingegen eine entschiedenere Handschrift und setzen die im Briefwechsel dargelegte radikale Infragestellung der Ontologie teilweise um. Doch auch in diesem Fall zügelt die Vorsicht Löwiths Feder, und viele Aussagen nehmen einen beinahe apodiktischen Ton an, der die dahinterstehende Motivation im Dunkeln lässt, oder es sind schüchterne Ergänzungen zu Heideggers Konstruktion. Nur in der Auseinandersetzung mit dem Thema der Eigentlichkeit des Daseins kann die Kritik ihre Stärke und Anschaulichkeit zurückerlangen.50 Der existenzialen Analytik wird entgegengehalten, sie verfüge nicht über den nötigen theoretischen Raum, um eine sich selbst tragende, gegenseitige und verantwortliche Beziehung zwischen Ich und Du zu ordnen. Denn auch die befreiende Modalität der Sorge für die Anderen, die in Sein und Zeit diejenige Kategorie ist, die sich 48Dies gilt für einige der tragenden Kategorien von Löwiths Analyse. So heißt es bezüglich des Heidegger’schen Mitsein: „[…] [A]us einem solchen anthropologisch-bestimmten Mitsein entspringt auch der allgemeine Sinn eines ‚ontologischen‘ Begriffs von Mitsein“ (IR 71). Dasselbe gilt für die Objektbeziehung: „Anthropologisch ursprünglicher als jedes Besorgen von Zuhandenem ist das Sorgen für Andere, denn jenes Besorgen entspringt der Sorge für sich selbst und andere“ (IR 72). 49Dies wird auf beispielhafte Weise in der Definition von „Mitwelt“ deutlich, was einerseits, ontisch, die Mitmenschen bezeichnet, andererseits, ontologisch, das Miteinandersein (IR 12). 50Vgl. IR 96–98.

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am meisten einer Form mehrzahliger Eigentlichkeit annähert, kann auf die Freiheit des sie umsetzenden Einzelindividuums reduziert werden: ein den Anderen Loslassen, das in einer nihilistischen Vereinzelung fernab jeder ethischen Bindung schließlich danach strebt, sich von ihm zu befreien.51 Es sollte bis in die frühen 1940er Jahre dauern, bis Löwith in einem Aufsatz explizit einräumen würde, sich selbst ein ehrgeizigeres Ziel gesetzt zu haben als nur eine Nachbesserung des Ansatzes seines Lehrers: Es fehlt in Heideggers Analyse das Phänomen der wechselseitigen „Anerkennung“ (Hegel). Wenn das Verhältnis zwischen zwei ersten Personen einseitig an meinem Verhalten zur zweiten als einer andern festgemacht ist, dann „begegnet“ das Dasein, trotz seines Mitseins, immer nur wieder sich selbst. Diese „Einseitigkeit“ von Heideggers Analyse ist nicht zu beseitigen, indem man sie etwa mit der andern Seite ergänzt, vielmehr gehört sie zur Eindeutigkeit von Heideggers philosophischem Fundament.52

Und erst in den Werken, die nach vollzogener Habilitation entstanden, sollte Löwith seinen während der Arbeit an der Qualifikationsschrift angesammelten Vorbehalten gegenüber Heidegger offen und in ihrer ganzen Tragweite Ausdruck verleihen. Bei einer Lektüre von Das Individuum im Licht der nachfolgenden Schriften – und vor allem der antiheideggerschen Polemik, die dann beinahe aus allen Texten Löwiths spricht – wird sich in diesem Werk unschwer die erste entschiedene Distanzierung von den Positionen des Lehrers erkennen lassen. Dies dürfte all jenen weniger leicht gefallen sein, die das Buch unmittelbar nach seinem Erscheinen lasen.53 Nur wenige waren später imstande, in den Vorlesungen oder anhand einzelner Stellen aus Heideggers Schriften der späten zwanziger Jahre, diejenigen

51Vgl.

Heidegger, Sein und Zeit, 163. M. Heidegger und F. Rosenzweig. Ein Nachtrag zu „Sein und Zeit“ [1960], in: LS 8, 72–101, hier: 81–82. 53Es ist hervorzuheben, dass – anders als bei den Schriften aus der Zeit nach dem Bruch mit Heidegger – keine der Rezensionen der ersten Auflage des Werkes die Kritik gegenüber dem Lehrer ins Zentrum rückte: Vgl. Groethuysen [1929], 2192–2194; Gadamer, Ich und Du (K. Löwith), 234–239; Krüger [1930], 175–176; Brock [1930], 156–161; Kaufmann [1932], 150–151. Das Buch weckte nicht nur das Interesse von Philosophen. Unter den Psychologen und Psychiatern, die daraus Anregungen bezogen, sei nur Ludwig Binswanger genannt, der den großen Einfluss des Werkes auf das eigene Denken offen anerkennte (Binswanger, Grundformen und Erkenntnis menschlichen Daseins, 11). Für das Interesse der Sozialpsychologie vgl. die Rezensionen von Stoltenberg [1929], 138–141, und Lehmann [1929], 141–142. Weniger ernsthaft wurde Löwiths Forschung hingegen von den Soziologen rezipiert, vgl. Habermas, Texte und Kontexte, 197. Die Bedeutung des Buchs für die eigene Entwicklung betont allerdings König, Leben im Widerspruch. Versuch einer intellektuellen Autobiographie, 78. 52Löwith,

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Sätze auszumachen, die als indirekte Antworten auf die durch den Schüler erhobenen Einwände aufgefasst werden konnten.

Das Gespenst des Lehrers Die Vorsicht, von der sich Löwith bei der Veröffentlichung seiner Einwände gegen Heideggers Ontologie leiten ließ, hängt eher mit dem Wesen und Zweck seiner Habilitationsschrift zusammen als mit der Einstellung, die sein Lehrer ihm gegenüber vertrat. Kurz vor seiner Berufung nach Freiburg, wo er Husserls Nachfolge auf dessen Lehrstuhl antreten sollte, zog Heidegger Feindseligkeiten eines Großteils der Kollegen auf sich. Löwith hätte seinerseits keine besondere Umsicht an den Tag gelegt, hätte er in der Arbeit, mit der er den Eintritt in die akademische Welt erreichen wollte, seinen einzigen Gewährsmann frontal attackiert. Solche strategische Klugheit lässt sich auch vor dem Hintergrund eines mühevollen Ringens nach Selbstständigkeit verstehen. Bestätigt findet sich dieser Umstand in den Worten, mit denen Heidegger mehr als ein Jahr nach Löwiths Habilitation versuchte, die Sorgen seines Schülers zu beschwichtigen, der seinen ersten universitären Verpflichtungen als Privatdozent nachging. Am 3. September 1929 schrieb er in einem Brief: „Die Schlußbemerkung Ihrer Karte klingt so, als sähen Sie Gespenster. […]. Ob einer mit Sein und Zeit mitgeht, ist mir gänzlich gleichgültig.“ (MH/KL 168) Diese Freimütigkeit wurde nicht einmal durch den Umstand beschwert, dass Löwith weiter in die mit Das Individuum eingeschlagene Richtung voranging, zumal er Lehrveranstaltungen zu Themen und Denkern abhielt, die Heidegger sehr entlegen vorkamen: „Wie sollte ich Ihnen aber dergleichen übelnehmen! Dann hätte ich am bequemsten und ohne große Schwierigkeit Ihre Habilitation unterbinden können. Suchen Sie einen unter den regierenden Bonzen, der einen Schüler mit einer solchen entgegengerichteten Arbeit habilitiert!“ (MH/KL 169) Sich von Heidegger loszusagen, oder gegenüber einer so raumgreifenden Persönlichkeit zumindest den rechten Abstand zu wahren, bedeutete keine einfache Aufgabe. All denen, die ein enges Verhältnis mit ihm eingingen, gereichte dies schlechterdings zu einer Lebensaufgabe. Wie Fiala intuitiv erahnt hatte, „verstand [er] es, die Studenten dadurch anzuziehen, daß er sie abstieß und sie auf sich selbst verwies – mit dem Erfolg, daß sie de facto an ihm hängen blieben und solchermaßen seine Anhänger wurden. Unter dem scheinbaren Verzicht

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auf Schüler und ‚Schule‘ züchtete er wie ein kleiner Hegel seine Hegelianer heran.“ (Fiala 1997, 148)54 Auf die philosophischen Einwände seines Schülers antwortete Heidegger mit der Gemütsruhe eines Mannes, der die eigenen Absichten missverstanden sieht, ohne je zu fürchten, dass das Fundament seines Theoriegebäudes auch nur ansatzweise erschüttert werden könnte. Er betrachtete diese „versteckten Angriffe“ als typische Reaktion eines jungen Denkers, der seine „ersten Sachen herausbringt“ (MH/KL 148). Er war sich indes nicht im Klaren darüber, hier etwas zu formulieren, das Löwith selbst rund 40 Jahre später und in Anspielung auf die lange Reihe von Polemiken, die mit jenen Sätzen eingeläutet wurde, als „eine allzu optimistische Prognose!“55 bezeichnen sollte. Doch mit einer erhellenden Beweisführung hinsichtlich der Art, seinen Kritikern entgegenzutreten, bestritt er stets beharrlich den immanenten Charakter von Löwiths Widerlegungen, indem er diese auf eine weniger „anfängliche“ als die aus Sein und Zeit entlehnte Stufe zurücksetzte.56 In seiner Beurteilung für die Habilitationskommission attestierte Heidegger dem Schüler nichtsdestoweniger eine außergewöhnliche Unabhängigkeit im Urteil wie auch im Ansatz. Weit vom Charakter einer bloßen akademischen Übung entfernt, war der ausgearbeitete Text „zuweilen sogar eher übertrieben selbständig, so daß die Kritik an Schelers und meinen eigenen Untersuchungen nicht überall zum Positiven vordringt“ (MH/KL 199). Unentschieden zeigte sich Heidegger hinsichtlich der historischen Zuverlässigkeit der Interpretation Feuerbachs, die er abtat als „Umdeutung […] mit Hilfe von Einsichten, die F[euerbach] nie gehabt hat.“57 Diese Anmerkungen trafen sowohl das grundlegende Moment der Löwith’schen Kritik als auch das zentrale Motiv seines anthropologischen Einwands. Mit Blick auf den ersten Aspekt enthält die für die Kommission erstellte Beurteilung einige ausführlichere Betrachtungen, die entsprechend auch in einem Brief vom 20. August 1927 zu finden sind, der Löwiths Kritikpunkte beantwortet. Laut Heidegger habe dieser es sich beim Lesen von Sein und Zeit etwas zu leicht gemacht, indem er die existenziale Analytik nach Art einer ‚ontologischen Anthropologie‘ aufgefasst habe, nicht jedoch 54Vgl. auch Grondin, Hans-Georg Gadamer. Eine Biographie, 152, und Gadamer, „Caro professor Heidegger“. Lettere da Marburgo 1922–1929. 55Löwith, Zu Heideggers Seinsfrage: Die Natur des Menschen und die Welt der Natur [1969], 278. 56Löwith, Heidegger, Denker in dürftiger Zeit [1953, 21960], 210. 57Heideggers Habilitationsgutachten aus Löwiths Marburger Personalakte (HStAM/PA Löwith) ist wiederabgedruckt in LS 1, 470–473, hier: 472–473, sowie in MH/KL 197–200.

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als Propädeutik zur Frage nach dem Sinn von Sein. Unter Berücksichtigung der in Freiburg entwickelten Hermeneutik der Faktizität würde diese keineswegs verworfen, geschweige denn verraten werden, sondern nähme lediglich eine andere Entwicklung als die von Löwith und seinem ‚ontisch-psychologischen‘ Philosophiebegriff vorhergesehene. Bei seiner Erörterung des Primats des zwischenmenschlichen Verhältnisses gegenüber dem zu einem Gegenstand – also mit Blick auf das tragende Prinzip in Löwiths Ansatz – kam Heidegger endlich zu dem Schluss, dass auch das persönliche Verhältnis schlechthin, nämlich das dialogische, stets auf ‚etwas‘ gerichtet sei, über das man diskutiert. In der Zeit nach der vollzogenen Habilitation überschritt die Erörterung dieser Themen den Bereich der Privatsphäre und schlug sich mithin in Heideggers Lehrveranstaltungen und Schriften nieder. Dem Ich-Du Verhältnis widmete Heidegger einige Passagen seiner Vorlesung Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz, mit der er sich im Sommersemester 1928 aus Marburg verabschiedete. Nachdem er daran erinnert hatte, dass sich die existenziale Analytik weder mit Anthropologie noch mit Ethik befasst, lenkte er die Aufmerksamkeit seiner Hörer auf die „metaphysische Neutralität des Daseins“58. Das besondere „Existieren im Hinblick auf sich selbst“ des Daseins war jedoch nicht als Form des Egoismus zu verstehen, und noch weniger als solipsistische Bestimmung, sondern vielmehr als Bedingung einer Beziehungsmöglichkeit zu anderen Menschen, die sich dann entweder in egoistischen oder in altruistischen Verhaltensweisen niederschlagen konnte. Ferner behauptete Heidegger, sehr wahrscheinlich in Anlehnung an Löwiths Schrift, aber entgegen der Absicht ihres Verfassers: „Keine noch so mannigfaltige und interessante Analyse der möglichen Ich-Du-Bezüge vermag das metaphysische Problem des Daseins zu lösen, weil sie es nicht einmal stellen kann, sondern durchgängig und mit dem ersten Ansatz schon die ganze Analytik des Daseins in irgendeiner Form voraussetzt und ständig von ihr Gebrauch macht.“59 Somit bildete eine neutrale „Selbstheit“ die transzendentale Bedingung jeglicher „Ichheit“, die – wie Heidegger 1929 in der Abhandlung Vom Wesen des Grundes bekräftigt – „immer nur im Du sich erschließt. Nie aber ist Selbstheit auf Du bezogen, sondern – weil all das erst ermöglichend – gegen das Ichsein und Dusein und erst recht etwa gegen die ‚Geschlechtlichkeit‘ neutral.“60

58Heidegger,

Metaphysische Anfangsgründe der Logik (Sommersemester 1928), 174. Metaphysische Anfangsgründe der Logik (Sommersemester 1928), 241. 60Heidegger, Vom Wesen des Grundes, 157–158. 59Heidegger,

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Unterdessen wurde die existenziale Analytik aus Sein und Zeit immer mehr als Beitrag zu einer Theorie des Menschen aufgefasst. So begann sich Heidegger dessen bewusst zu werden, dass die „ontisch-anthropologische“ Missdeutung seines Werkes kein ausschließliches Vorrecht eines engagierten Schülers, sondern eine tatsächlich im Werk selbst angelegte Deutungsmöglichkeit war. Sogar sein Lehrer Husserl, der schließlich von der unterschwelligen Polemik erfahren hatte, der er viele Jahre lang ausgesetzt gewesen war, begann nun ähnliche Zweifel zu hegen. In den Randbemerkungen in seinem Handexemplar von Heideggers Hauptwerk aus der Zeit zwischen Juli und August 1929 heißt es: „Heidegger transponiert oder transversiert die konstitutiv-phänomenologische Klärung aller Regionen des Seienden und Universalen, der totalen Region Welt ins Anthropologische; […] dabei wird alles tiefsinnig unklar und philosophisch verliert es seinen Wert“.61 Das ‚incipit‘ eines Vortrags aus dem Jahr 1931 brachte die Kritik an dem Schüler, der ihm bereits auf seinem Lehrstuhl nachgefolgt war, in radikalerer Form zum Ausdruck. In dem wachsenden Interesse für die philosophische Anthropologie erkannte Husserl eine Gefährdung der phänomenologischen Bewegung und forderte diejenigen, die seiner Lehre treu bleiben wollten, zu einer Grundsatzentscheidung zwischen Anthropologismus und Transzendentalismus auf.62 Wenige Monate vor seinem Tod sollte er diese These in einer Postkarte an Löwith unterstreichen. Nachdem er jegliche Anthropologie als „philosophisch naive Positivität“ definiert hatte, bezeichnete Husserl die phänomenologische Reduktion als die „einzige“ annehmbare philosophische Methode und folgerte daraus: „Vielleicht werden Sie verstehen, daß Scheler, Heidegger – und so alle früheren ‚Schüler‘ den eigentlichen und tiefen Sinn der Phänomenologie – der transzendentalen als der einzig möglichen – nicht verstanden haben […].“63 Heidegger seinerseits bekräftigte die scharfe Trennung zwischen Fundamentalontologie und anthropologischer Philosophie, wobei er die letztgenannte Disziplin in seiner Schrift Kant und das Problem der Metaphysik von 1929 einer Kritik unterzog, die ihr jeglichen Begründungsanspruch absprach.64 In ihrer polemischen Ausrichtung gegen Scheler

61Breeur, Randbemerkungen Husserls zu Heideggers Sein und Zeit und Kant und das Problem der Metaphysik, 3–63, hier: 13. 62Husserl, Phänomenologie und Anthropologie, 164–181. 63Löwith, Eine Erinnerung an E. Husserl [1959], 236. 64Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik, 229–230. Zur Kritik der philosophischen Anthropologie siehe 208–214. Zu diesem Thema Bonola, Heidegger e Scheler: il mondo, l’uomo, e il problema dell’essenza, 39–55, sowie Sinha, Zu Heideggers Wendung der anthropologischen Frage, 100–111.

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stützte sich die Widerlegung auf dieselben Argumente, die den Diskussionen mit Löwith zugrunde gelegen hatten. Es ist also kein Zufall, wenn dieser am 22. Dezember 1929 an seinen Lehrer schrieb, dass ihm aus dem Schlusskapitel des Kant-Buches nicht klar werde, „warum das ‚Dasein‘ ‚ursprünglicher‘ sein soll als der Mensch […].“ (MH/KL 171) Diese Evidenz geht nicht auf eine formal korrekte Deduktion zurück, sondern auf die Phänomene selbst. Er entdeckte sie jedoch in einer von Heideggers gelungensten Beschreibungen, in der Antrittsvorlesung von 1929 Was ist Metaphysik?, wo die Angst des Menschen vor dem Nichts wie folgt vorgestellt wurde: „Daher ist im Grunde nicht ‚dir‘ und ‚mir‘ unheimlich, sondern ‚einem‘ ist es so. Nur das reine Da-sein […] ist noch da“.65 In dieser Behauptung sah Löwith den Beweis für die ‚Reinheit‘ des Daseins, ausgehend von dem ‚einen‘ (und nicht von ‚ich‘ oder ‚du‘), der Angst verspürt. Denn die Angst verwandelt den Menschen in ein reines Dasein, und die ontische Neutralität der existenzialen Analytik erwies sich, zumindest in diesem besonderen Fall, als in überzeugender Weise bestätigt. Für einen Moment schienen die Zweifel zu schwinden und das dem Lehrer gezollte Lob besitzt die ungebührliche Naivität eines Bekenntnisses. So bemerkte Löwith, dass Ihnen auch nach der Publikation eines ‚Systems‘ des Daseins die innere Freiheit und Elastizität verblieben ist, welche Sie allenthalben auf Wandlungen und Entdeckungen unterwegs sein lässt – für ‚verknöchert‘ habe ich Sie zwar nie gehalten, aber die unwillkürliche Tyrannei eines eigenen ‚Werkes‘ schien mir manchmal gefährlich zu werden. So kann ich auch gut verstehen, dass Sie gerade erst jetzt mit Nietzsche zusammentreffen […]. (MH/KL 171)

Aus diesen Worten spricht das Ende der Lehrer-Schüler-Beziehung und der Beginn eines Verhältnisses, das zwar ausgeglichener, aber sicher nicht spannungsfrei werden sollte. Hier klingt jener Wunsch an, hinter dem sich Löwith mühsam zu verbergen suchte und mit dem er seinen Brief an Heidegger vom 2. August 1927 beschloss: „Ich wünsche Ihnen einen wissenschaftlich ebenbürtigen Partner, um nicht zu sagen ‚Gegner‘ […].“ (MH/KL 143) Nur wenige Tage später schrieb Löwith erstmals in dem Glauben, die Teilnahme an Heideggers Seminaren könne ihm eher schaden als nützen:

65Heidegger,

Was ist Metaphysik?, 112.

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Aber jetzt ist es wohl am besten, ich [….] übe mich allein weiter in den mühsam erlernten eigenen Gehbewegungen – an ‚Material‘ fehlt es mir nicht – wenn Sie Lust haben, erzähl ich Ihnen dann mal hier, wie meine diesbezüglichen Pläne sind – ‚Anthropologie‘ –, weshalb es für mich ein Glück ist, dass ich nicht von vornherein bei der ‚Ontologie‘, sondern bei der ‚Hermeneutik der Faktizität‘ zu lernen angefangen habe. (MH/KL 147).

Die Kritik an Heidegger und die Ankündung jener Anthropologie der Moderne, an der Löwith in seinen Marburger Jahren als Privatdozent arbeiten würde, stehen miteinander in Zusammenhang. Nach einem alten Brauch in der Geschichte der Philosophie entfernt sich der Schüler auf dem eigenen Weg von seinem Lehrmeister, und meint dabei, jenen zu beschreiten, den dieser unbegreiflicherweise verlassen hat.

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„Dabei hatte ich Sie mir immer als Witwer vorgestellt!“ So reagierte Robert Oboussier auf die Nachricht von der Hochzeit, die der Freund Karl Löwith und Adelheid Kremmer im September 1929 in Berlin feiern sollten. Der Komponist und Musikpublizist, dem Löwith später sein philosophisches Vermächtnis über Paul Valéry zueignen würde, war nicht als Einziger verwundert. In einem Brief vom 8. September desselben Jahres kommentierte Gerhard Krüger, der mit Löwith und Gadamer zur Riege der ersten Heidegger-Schüler gehörte, die bevorstehende Vermählung, indem er die Kategorien aus Das Individuum ironisch imitierte: „Sie anzutreffen, das Individuum, in dieser neuen Rolle – Sie jetzt wirklich anzutreffen – ist in der Tat schwer vorstellbar für jemanden, der Gelegenheit hatte, Sie in Ihrer philosophischen Einsamkeit kennenzulernen, die derjenigen Burckhardts gleichkommen will.“1 Auch Heidegger versäumte es nicht, seine Glückwünsche zu übermitteln, wobei er dem Schüler, der die Aussicht auf „‚Bürgerlichkeit‘“ (MH/KL 167) fürchtete, die Vorteile erläuterte, die sich für seine Arbeit aus den neuen Verhältnissen ergeben würden. Einige Monate zuvor hatte jedoch ein anderes unvorhergesehenes Ereignis großen Eindruck unter Löwiths Bekannten gemacht. Denn im Herbst 1928 hatte dieser seine Tätigkeit als Privatdozent begonnen, wobei er beachtliche Erfolge erzielte und sich ohne besondere Schwierigkeiten in das universitäre Umfeld einfügte. Beides war für einen „verschlossenen, einsamen und zurückhaltenden“ Menschen, der bis dahin der Philosophie als Beruf mit Unruhe entgegengesehen hatte, gewiss keine Selbstverständlichkeit. 1Gerhard

Krüger an Karl Löwith, 8. September 1929 (UBT NL Krüger).

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 E. Donaggio, Karl Löwith, https://doi.org/10.1007/978-3-476-05744-0_3

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Die Methode des trojanischen Pferdes Löwith war der erste Schüler Heideggers, der Dozent an einer deutschen Universität wurde. Als bald darauf auch Krüger und Gadamer habilitiert worden waren, sollten Heideggers „drei Sterne“ – so der Spitzname des nachwachsenden, am Karriereanfang stehenden Dreigespanns – am kleinen Marburger Firmament erstrahlen.2 Es wurde behauptet, der Lehrer habe bei Löwiths Habilitationsfeier, als er selbst im Aufbruch nach Freiburg begriffen war, seinen Schülern die Aufgabe überantwortet, den in Sein und Zeit ausgestreuten philosophischen Samen in verschiedenen Wissensbereichen keimen zu lassen. Im Rahmen dieses Bekehrungsstrebens sei Löwith das Feld der Sozialwissenschaften und der Anthropologie zugedacht worden, wohingegen Krüger die Theologie und Gadamer die Ästhetik sowie die Klassische Philologie vorbehalten blieben.3 Eine derart strategische Planung mag man bezweifeln – doch sicherlich blieben die von Heidegger in Marburg gelegten „merkwürdigen Eier“4 im philosophischen Lehrbetrieb nicht unbemerkt, sondern verstärkten vielmehr jene feindselige Haltung ihm gegenüber, die aufgrund unumstößlicher theoretischer Differenzen oder aus Neid unter den anderen Philosophiedozenten weit verbreitet war. Begünstigt durch die zufällige Abwesenheit aller Ordinarien nahm Löwiths Lehrtätigkeit „einen glänzenden Anfang“. 150 Personen hörten seine erste Vorlesung über Nietzsche, für die er vergebens darum ersucht hatte, Heideggers Toga anlegen zu dürfen. Seither entwickelte sich das Verhältnis zu den Studierenden im Zeichen gegenseitiger Wertschätzung, auch wenn in Briefen aus dieser Zeit mit vorzeitigem professoralem Hochmut bereits der Verfall einer Universität beklagt wird, die drauf und dran war, ihre elitären Züge einzubüßen.5 Auch die Beziehungen zu den Kollegen 2Zu autobiographischen Zeugnissen vgl. ML 65–81; Gadamer, Philosophische Lehrjahre. Eine Rückschau, 44–47; Lombardi, L’uomo, il pensatore e la morte, 208–214. 3Diese Vermutung wird ohne Anführung konkreter Anhaltspunkte aufgestellt von Grondin, HansGeorg Gadamer, 153. 4Arnold von Buggenhagen berichtet, wie Heidegger davon sprach, in Marburg „drei merkwürdige Eier“ abgelegt zu haben (Buggenhagen, Karl Löwith. Erinnerungen an Löwith aus der Marburger Zeit 1928 bis 32, 6). 5Ursula Seemann-De Boor spricht von „Verehrung“ durch die Studenten. In einem Brief vom 21. Oktober 1928 (Privatarchiv) kommentiert Anne Mentzingen, eine Freundin Löwiths, diesen Umstand wie folgt: „Hoffen wir, dass sich ein ausreichend großer Saal findet, der alle Ihre Hörer fasst. Der Nachfolger [Heideggers] ist noch nicht berufen worden, Mahnke wird krank sein, also werden Sie den Bereich der Philosophie ganz für sich haben.“ Unter Löwiths Schülern ist der Dichter und Schriftsteller Ernst Meister hervorzuheben, dem zunächst das Exil des Lehrers und später die Teilnahme am Zweiten Weltkrieg die Ausarbeitung seines Dissertationsvorhabens über Seefahrts- und Meeresmetaphern in Nietzsches Schriften versagte. Vgl. Bauer, Passage Marburg, 224–231.

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waren insgesamt entspannt, blieben allerdings auf einen kleinen Kreis beschränkt. Neben Gadamer und Krüger, die beide erst 1933 einen Lehrauftrag erhielten und bis dahin mit spärlichen Gehältern auskommen mussten, knüpfte Löwith gute Beziehungen zu Heideggers Nachfolger Erich Frank sowie zu Rudolf Bultmann. Zusammen mit Rudolf Fahrner und Hermann Deckert hielt er außerdem Lehrveranstaltungen in Sprachphilosophie und Kunstgeschichte. Einem guten Philosophieren stand also nichts im Wege. Von 1928 bis 1933 konnte sich Löwith ganz der eigenen Forschung widmen, ohne dabei jenen Kräften, die kurz davorstanden, die damalige Welt und sein eigenes Leben umzuwälzen, größere Beachtung zu schenken. Auch der erzwungene Weggang aus Deutschland als Folge der nationalsozialistischen Machtergreifung sollte diese Geisteshaltung nicht nachhaltig beeinträchtigen; allerdings würde sich die Distanz gegenüber einem nicht frei gewählten Schicksal bisweilen nur um den Preis einer künstlichen Strenge wahren lassen. Davon ist in diesen Marburger Jahren noch keine Spur. Vielmehr steht die auf ihre Weise einzigartige Zeitspanne für eine glückliche Normalität. Ab Wintersemester 1928/29 hielt Löwith Vorlesungen und Seminare, zunächst als Privatdozent, und dann ab Sommersemester 1931 auch als Lehrbeauftragter für Sozialphilosophie. Die behandelten Themen reichten von Marx bis Nietzsche, von philosophischer Anthropologie bis Psychoanalyse, von Soziologie bis Sprachphilosophie. Ein ständig erweitertes Lehrprogramm war fast schon verpflichtend für einen Dozenten, der eine größtmögliche Zahl von Studenten anlocken musste, um seinen mageren Lohn durch Hörergelder aufzustocken. Heideggers Schüler waren aber auch stolz darauf, denn es stellte – genau wie das regelmäßige Fernbleiben von Fachtagungen – eine Möglichkeit dar, sich entschieden von solchen Kollegen abzugrenzen, die stets ein und dasselbe Themenspektrum anboten. Es braucht sicher nicht verwundern, dass die wenig klassischen Themen, die Löwith behandelte, im akademischen Umfeld und in gewissen Marburger Zirkeln für Verblüffung oder für Gerede sorgten. Bezeichnender ist doch der Umstand, dass Heidegger zu Beginn der 1950er Jahre und damit auf dem Höhepunkt ihres Zwists so weit ging, seinen Schüler als „rötesten Marxisten“ zu diskreditieren.6 In Hans-Georg Gadamers Worten

6Vgl.

Petzet, Auf einen Stern zugehen, 98. Mit denselben Worten bezeichnete Heidegger seinen Schüler in einem Brief an Elisabeth Blochmann vom 19. Januar 1954 (Heidegger/Blochmann, Briefwechsel 1918–1969, 103). Zu seinem Ruf als Marxist, den sich Löwith in Marburg verdiente, vgl. ML 12, 68–69.

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ging das Festhalten an einem traditionellen Theoriebegriff hingegen mit der exakten Wahrnehmung des Anspruchs einher, der die Lehre des Freundes beseelte: „Er war gewissermaßen der Philosophieprofessor für all jene, die nicht auf Philosophie aus waren.“7 Beginnend mit seiner Vorlesung über Feuerbach, also nach Fertigstellung der Habilitationsschrift, nahmen Löwiths Schriften, in denen er die Themen seiner Lehrveranstaltungen und Vorträge ausarbeitete, eine andere Richtung. Er etablierte eine neue Form und verabschiedete sich teilweise vom Stil der bis dahin verfassten, monologisch angelegten Arbeiten. Seine Darstellung ist auf einmal transparent, aber fast ausschließlich der Auslegung fremder Gedanken gewidmet, also weder der systematischen Entfaltung einer Argumentation noch der Verkündigung epochaler Wahrheiten. Der Aussicht, die großen spekulativen Diskussionen selbst leidenschaftlich mitzugestalten, zieht er die Alternative vor, die maßgeblichen Entwicklungen des philosophischen Modernitätsdiskurses zu verstehen und für sich selbst nachzubilden. Dies entspricht einer vagen, scheinbar bescheidenen Haltung, die aus lakonischen Einschüben spricht, sowie aus dem besonderen Nachdruck, mit dem – oft weit über ein Textzitat hinaus – eine Stelle wiedergegeben wird, die Löwiths Überzeugungen widerspiegelt. So begegnet der Leser einem ebenso elegant wie nüchtern wirkenden Ideenhistoriker. Sein theoretisches Profil erweist sich aber als zu stark ausgeprägt, um die Verfechter einer besonnenen, unvoreingenommenen Geschichtsschreibung nicht zu beunruhigen, jedoch auch als zu flüchtig, um die Aufmerksamkeit von Seiten der militanten Denker auf sich zu ziehen. Die spärlichen Äußerungen hierüber erweisen sich insgesamt als unzureichend, um die Methode zu verstehen, die einmal als „kritisch-vergleichend“ bezeichnet wurde und auf der Löwiths Arbeiten aufbauen.8 Der vielversprechendste Hinweis liegt anscheinend in der These beschlossen, die der junge Heidegger als Grundlage für seinen „phänomenologischhistorischen“ Vergleich mit der Tradition aufgestellt hatte, als er behauptete, dass die „Scheidung von historisch und systematisch, die die Philosophie

7Die Beurteilung geht auf ein privates Gespräch des Autors mit Hans-Georg Gadamer am 28. Februar 1995 zurück. 8Vgl. hierzu Gadamer, Karl Löwith, 420–421, sowie ders., Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, 364–368. Siehe außerdem Riedel, Karl Löwiths philosophischer Weg, 126–127; Saß, Urbanität und Skepsis, 3–4; Pievatolo, Senza scienza né fede. La scepsi storiografica di Karl Löwith, 111–116; Trincia, Marx, Weber, Löwith e il problema dell’origine del capitalismo, 86–90, 106– 107; Guida, Filosofia e storia della filosofia in Karl Löwith, 54–56.

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heute noch überall beherrscht, eine unechte ist“.9 Löwith macht sich diese Überzeugung zu eigen, indem er sie mit einigen Thesen aus seiner Habilitationsschrift in Wechselwirkung treten lässt. In seiner Arbeit über Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen behauptete er, ein phänomenologisch korrekter Zugang zu den Dingen selbst – in diesem Fall zur philosophischen Tradition – könne niemals ohne eine Art hermeneutischer ‚Fürsprache‘ erfolgen. Der daraus resultierende Objektivitätsbegriff beruht weder auf formaler Kohärenz noch auf einer sicheren Quellenlage, sondern auf der Möglichkeit, dass andere den einseitigen Standpunkt des Interpreten korrigieren und eingrenzen: „In der Auseinandersetzung des einen mit dem Andern und nur darin kann die Sache selbst ihre sachentsprechende Auseinandersetzung erfahren. Die Sache kommt zu Wort, indem der eine darauf hört, was ein anderer dazu zu sagen hat.“ (IR 82–83) Der Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der Habilitationsschrift und der methodischen Anlage der nachfolgenden Arbeiten wird indirekt durch einen Aufsatz aus den 1950er Jahren über Heideggers NietzscheAuslegung bestätigt.10 Das Verstehen eines Textes wird hier als Sonderform des Verhältnisses zum Anderen beschrieben, dessen Anderssein auch angesichts der ganz eigenen Prägung seines geschriebenen Wortes bewahrt werden muss. Löwith zufolge ist dieser Vorgang nur dann möglich, wenn sich die Bedingungen der Auslegung jenen eines „echten Miteinanderseins“ annähern. Jedoch würde eine solipsistische Auffassung des Daseins jede tatsächliche Begegnung mit dem Mitmenschen unmöglich machen. Folglich, und nicht anders, als es dem in Sein und Zeit entworfenen Dasein im Rahmen der intersubjektiven Beziehungen widerfährt, wird Heidegger in seiner Auseinandersetzung mit den großen Denkern der Vergangenheit letztlich immer und ausschließlich sich selbst wiederfinden. Anders als sein Lehrer nähert sich Löwith den Schriften anderer Denker nicht mit dem Ziel an, die eigenen Überzeugungen oder Obsessionen zu bekräftigen. Seine Abhandlungen setzen vielmehr verschiedene Positionen zueinander in Beziehung, bilden thematische Paare, Reihen oder Konstellationen, die sich gegenseitig widerspiegeln und begrenzen, um in dem, was sie von anderen unterscheidet, ihre Relativität zu offenbaren. Nicht zu Unrecht hatte Leo Spitzer in einem Brief vom 20. April

9Heidegger,

Phänomenologie und transzendentale Wertphilosophie (Sommersemester 1919), 125. Löwith, Heidegger, Denker in dürftiger Zeit [1953, 21960], 196–203, aber auch Löwith, Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche [1967], in: LS 9, 48–49. 10Vgl.

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1937 von „einer Art geistiger Geographie eines Miteinanders von Werken“11 gesprochen. Doch eher als in der Haut eines Kartographen oder, wie Strauss einmal behauptet hat, eines ein Fresko gestaltenden Malers, scheint Löwith in der Haut eines Theatermachers zu stecken, der beim Inszenieren eines Stückes jeden Darsteller auffordert, einfach nur ‚sich selbst‘ zu spielen. Das für das Ergebnis der Aufführung entscheidende Element liegt aber nicht in den gesprochenen Sätzen der verschiedenen Personen, sondern in der vom Regisseur kunstreich erschaffenen Wirkung ihrer gegenseitigen Verflechtung. Eine solche Inszenierung schwächt in diesem Fall den Wahrheitsanspruch, der von den einzelnen Denkern erhoben wird. Ihre Theorien werden so, entgegen ihrer Absicht, zu bloßen Variationen über das von Löwith ausgesuchte Thema. Daraus resultiert eine skeptische Hermeneutik, die den untersuchten Sichtweisen ihre absolute Gültigkeit versagt und somit weniger urteilend als vielmehr beschreibend verfährt. Gleich der von Leo Strauss erarbeiteten Methode, dessen Schriften ähnliche Deutungsprobleme aufwerfen, zielt auch diese insgeheim auf die Frage nach der ‚Wahrheit‘ eines philosophischen Denkens, also auf den ‚Punkt‘, der jeglichen Unterschied zwischen ‚den Gedanken jenes Philosophen‘ und den ‚eigenen Gedanken‘ des Interpreten aufhebt.12 Denn auch Löwiths Skepsis kennt Momente dogmatischer Kristallisation, in denen einige theoretische Positionen dem endlosen Spiel der Verweise entzogen werden, aus dem die Tradition zunächst zu bestehen scheint. Dieser Umstand entging Eugen Fink nicht. In einem 1937 verfassten Bericht an Edmund Husserl warnte er seinen Lehrer vor dem Schaden, den Löwiths wenig orthodoxer Ansatz einer Verbreitung der phänomenologischen Bewegung in Japan zuführen könnte, wohin dieser nunmehr exiliert war.13 Das steckbriefartige Schreiben bringt in wenigen Zeilen auf den Punkt, was weitaus umfangreicheren Untersuchungen entgangen ist. Es beschreibt eine „Methode des trojanischen Pferdes“, eine Art urbaner Variante der von Heidegger praktizierten Destruktionsmethode. Es geht dabei um eine ganz eigene Form der zersetzenden Einfühlung: eine strategische Empathie, die von innen her auf die Aushöhlung und letztlich

11Leo

Spitzer an Karl Löwith, 20. April 1937 (DLA A: Löwith). Die Denkbewegung von Leo Strauss. Die Geschichte der Philosophie und die Intention des Philosophen, 41–42. 13Bei dem Text handelt es sich um ein Typoskript mit der Anmerkung: „[Vorschlag für E. Husserl am 23.I.37]“. Das Original ist im Besitz von Susanne Fink. Eine Kopie befindet sich außerdem im Husserl-Archiv in Löwen (HA P II 2). Vgl. hierzu Cristin, Teoria e scepsi. Sul rapporto fra Löwith e la fenomenologia, 109–125, außerdem Fellmann, Ein Philosoph im trojanischen Pferd. 12Meier,

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auf den Einsturz des untersuchten Denkgebäudes zielt. Bei allem Scharfsinn versäumte Fink jedoch hervorzuheben, dass sich Löwith dieses mimetischen Talents nicht nur bediente, um die Thesen anderer bis zur Auszehrung zu entkräften, sondern auch, um seine eigenen zu stärken. Wie mit einem Hauch von Arglist festgestellt wurde, dienen die Zitate in seinen Schriften „als leichte Verstärkung seiner eigenen Stimme“14 – der Stimme eines Skeptikers, der die Übung des Zweifels nur in Gegenwart gleichgesinnter Geister aufhebt.

Anthropologische Philosophie Die Marburger Schriften enthalten wenige Passagen, in denen – zumeist unvermittelt und entschlossen – verkündet wird, welcher wichtigsten „philosophischen Aufgabe“ nachzugehen, welches „wirkliche Problem“ zu lösen oder welche „Problemstellung“ vorzugeben sei (IR 194).15 Die Behauptungen, zu denen die Briefwechsel verschiedentlich Entsprechungen aufweisen, stellen allesamt eine Reflexion über den Menschen oder, mit Löwith gesprochen, eine „anthropologische Philosophie“ dar. In dieser Absicht brachte er sich auf originelle Weise in eine höchst zeitgemäße theoretische Konstellation ein. 1928 erschienen zwei Werke, die den Beginn der philosophischen Anthropologie markieren: Max Schelers Die Stellung des Menschen im Kosmos und Helmuth Plessners Die Stufen des Organischen und der Mensch. Die noch junge Fachrichtung brachte die Notwendigkeit einer Erforschung des menschlichen Daseins zum Ausdruck, die ebenso vom spezifischen Charakter der Einzelwissenschaften wie auch von der Hypothek der metaphysischen 14Gadamer, Karl Löwith zum 70. Geburtstag, 455. Die äußerst großzügige Verwendung von Zitaten bei Löwith löste zahlreiche Unmutsbekundungen aus. Selbst ein gewogener Leser wie Rudolf Bultmann kam, als er in einem Brief vom 12. Juli 1936 auf das Nietzsche-Buch einging, nicht umhin, folgenden Rat zu erteilen: „Ich wünschte mir, dass Sie die zahlreichen Nietzsche-Zitate […] in die Fußnoten nehmen. Es ist nicht bloß etwas Äußerliches, denn es hätte den Umstand zur Folge, dass der Text, der die Zitate nun bloß miteinander verbindet, tiefergehende Analysen bieten müsste“ (UBT NL Bultmann). Ein Kritiker wie Walther Rehm gründete auf dieser Eigenartigkeit seinen Verriss der Burckhardt-Studie: „Das Buch […] ist eine echte Enttäuschung. Mit wachsender Verwunderung sieht man sich beim Lesen letztlich mit der Tatsache konfrontiert, dass das Buch […] über gut zwei Drittel nichts weiter bietet als weitläufige und umständliche Paraphrasen, und Zusammenfassungen von Burckhardts Gedankengängen. Wer bereits mit Burckhardt vertraut ist, verzichtet gerne auf derartige Berichte; wer ihn aber noch nicht kennt, hat mehr davon, mit dem Lesen der Quellen anzufangen, anstatt sich dieser Arbeit zuzuwenden. […]. Alles in allem ist dieses Buch überflüssig.“ 15Vgl. auch Löwith, Phänomenologische Ontologie und protestantische Theologie [1930], 15; Kierkegaard und Nietzsche [1933], in: LS 6, 97.

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Tradition entfernt sein sollte. Dieser Anspruch schien der Philosophie ein Forschungsfeld und einen neuen Sinnhorizont zu eröffnen.16 Wenngleich in polemischer Absicht, wusste Heidegger die Stimmung jener Jahre wie folgt zu schildern: Keine Zeit hat so viel und so Mannigfaltiges vom Menschen gewusst wie die heutige. […]. Aber auch keine Zeit wusste weniger, was der Mensch sei, als die heutige. […]. Aber ist nicht gerade diese Weite und Unruhe des anthropologischen Fragens geeignet, eine philosophische Anthropologie entstehen zu lassen und den Bemühungen um sie eine besondere Kraft zu verleihen? Ist nicht mit der Idee einer philosophischen Anthropologie diejenige Disziplin gewonnen, auf die sich das Ganze der Philosophie konzentrieren muss?17

Als er an seinem Vorhaben arbeitete, war Löwith der Ansicht, die Erörterung der Natur des Menschen habe nicht erst Ende der zwanziger Jahre eine zentrale Bedeutung erlangt, sondern bereits im vorangegangenen Jahrhundert, genauer gesagt: in der Zeit nach Hegels Ableben. Diesen Zeitabschnitt hatte die Philosophiegeschichtsschreibung seither als unfruchtbares Anhängsel des Idealismus betrachtet, das mit einer heilsamen Rückbesinnung auf Kant seinem Ende zugehen sollte. Demgegenüber sah Löwith in dieser unruhigen Zeit den Ursprungsort einer neuen Theorieauffassung: „Mit Hegels Tod beginnt allererst unsere eigenste ‚Geistes‘-Geschichte.“18 Am deutlichsten äußerte sich diese Zäsur in einer radikalen Vermenschlichung des philosophischen Diskurses. Hatte sich Löwith in seiner Habilitationsschrift noch darauf beschränkt, ein der Wirklichkeit des Anderen gegenüber gleichgültiges Denken zu kritisieren, so begann er mit seiner Feuerbach-Vorlesung von 1928 hingegen jene Wege zu rekonstruieren, entlang derer die post-hegelianische Reflexion ihrem Wesen nach zu einer anthropologischen Philosophie wird: Diese endliche, bestimmte Wirklichkeit, von welcher Feuerbach im Gegensatz zur absoluten Philosophie ausgeht und von welcher am Ende des neunzehnten Jahrhunderts wiederum Nietzsche und Dilthey ausgingen und von welcher de facto auch Heideggers Ontologie trotz ihrer Abgrenzung gegen die

16Vgl.

Schnädelbach, Philosophie in Deutschland 1831–1933, 263–281. Kant und das Problem der Metaphysik, 209. 18Löwith, Hegel und Hegelianismus [1931], in: LS 5, 45. Zur Kontinuität der akademischen Philosophie angesichts des bei Löwith hervorgehobenen Bruchs vgl. Köhnke, Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. 17Heidegger,

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philosophische Anthropologie ausgeht, ist der Mensch in seiner unmittelbaren Wirklichkeit – dieses „Elend der Philosophie“ (Marx). Die neue, unklassische Philosophie, der Feuerbach den Boden bereitet hat, ist damit grundsätzlich philosophische Anthropologie, oder richtiger gesagt: anthropologisch begründete Philosophie.19

Das Menschenthema ins Zentrum seiner Forschung zu stellen, bedeutete für Löwith – anders als für die Begründer der philosophischen Anthropologie20 – also nicht, die Grenzen der Philosophie auf der Suche nach einem neuen Forschungsfeld zu forcieren, sondern diese im Bewusstsein des „revolutionären Bruchs“ auszuüben, der das Denken des 19. Jahrhunderts entzweit. Die ersten Marburger Arbeiten führen diese Verwandlung innerhalb der philosophischen Reflexion auf den Verlust des von der Theologie ererbten absoluten Charakters zurück – auf ihre Wandlung von der Betrachtung dessen, was unverändert bleibt, in eine ‚Diesseits‘-Kritik, also in eine Erforschung der historisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die klassische ‚theoria‘, die bei Hegel ihre Krönung erfahren hatte, büßt ihr gutes Gewissen ein, mit dem sie sich seit aristotelischer Zeit gerne als eine Wahrheitslehre ‚sub specie aeternitatis‘ und als höchste Möglichkeit des Menschseins verstanden hatte.21 Es ist äußerst wichtig zu bemerken, dass die Schriften aus jenen Jahren einen solchen Paradigmenwechsel nicht als Verfall oder als Entartung, sondern – mit vorwärtsgewandtem Blick – als produktives Experiment auslegen, das die Herausforderungen der Moderne annimmt. Denn dies ist der einzige intellektuell aufrichtige Weg, um weiter zu philosophieren.

19Löwith,

Grundzüge der Entwicklung der Phänomenologie zur Philosophie und ihr Verhältnis zur protestantischen Theologie, 75. Zum Thema vgl. Decher/Hennigfeld, Die anthropologische Wende in der Philosophie des 19. Jahrhunderts, 11–12; Weiland (Hg.), Philosophische Anthropologie der Moderne. 20Max Scheler ist der einzige Vertreter der philosophischen Anthropologie, dem Löwith eine Untersuchung gewidmet hat: Max Scheler und das Problem einer philosophischen Anthropologie [1935], in: LS 1, 219–242. Vgl. aber auch Die Einheit und die Verschiedenheit der Menschen [1938], in: LS 1, vor allem 249–258. Über Schelers Nietzscheinterpretation vgl. ND 12, 70, und Nietzsche im Licht der Philosophie von Ludwig Klages, 20. Zu Ehren Plessners verfasste Löwith den Aufsatz Natur und Humanität des Menschen [1957], in LS 1, 259–294. Dieser antwortete mit seiner Laudatio anlässlich des 70. Geburtstags von Löwith. Ein autobiographischer Hinweis findet sich auch in Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch, 20–22. Einen Vergleich zwischen den beiden Autoren wurde skizziert von Lepenies, Tradition ohne Kontinuität. Karl Löwiths und Helmuth Plessners „Gesammelte Schriften“, 17. Arnold Gehlen, eine weitere Schutzgottheit der philosophischen Anthropologie, bezeichnete sein Zusammentreffen mit Löwith in einem Brief vom 22. Februar 1958 als „Begegnung in nicht mehr jungen Jahren“ (DLA A:Löwith). 21Vgl. Löwith, Hegel und Hegelianismus; Theorie und Praxis als philosophisches Problem [1931], in: LS 5, 46–61.

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Die Grundzüge von Löwiths anthropologischer Philosophie finden sich in zwei gedankenreichen Abhandlungen von 1930 skizziert, in denen er ungeachtet ihrer Überschriften die bereits in der Habilitationsschrift geäußerten Vorbehalte gegenüber Heideggers Denken mit einer größeren Fülle von Argumenten bekräftigte. Nicht von ungefähr schrieb Leo Strauss dem Freund am 15. November 1932, er würde gerne seine HeideggerKritiken zu Sein und Zeit lesen, also jene „Aufsätze, die offiziell von Phänomenologie und Theologie handeln.“ (KL/LS 608) Die betreffenden Schriften – Phänomenologische Ontologie und protestantische Theologie und Grundzüge der Entwicklung der Phänomenologie zur Philosophie und ihr Verhältnis zur protestantischen Theologie – waren zu einem Zeitpunkt erschienen, als in Deutschland eine Debatte um die mögliche Übernahme der Ontologie Heideggers durch die Theologen im Gange war.22 Als ihr Hauptinitiator behauptete Rudolf Bultmann, die existenziale Analytik des Daseins wäre dazu imstande, einen ‚objektiv‘ gültigen Ausgangspunkt zur Klärung der Grundphänomene religiöser Erfahrung zu liefern. Heidegger zufolge, der sich in einem Brief an Löwith vom August 1921 noch selbst als „christlicher Theologe“ (MH/KL 53) bezeichnet hatte,23 besaßen die grundlegenden, von seiner Forschung herausgestellten Daseinsweisen einen eher formalen Charakter, der sie gegenüber der Wahlfreiheit zwischen Glauben und Atheismus in einer ursprünglicheren Sphäre verortete. Mit Hilfe dieser existenzialen Strukturen gelang es Bultmann jedenfalls, eine theologisch plausible Interpretation der menschlichen Verfasstheit vorzulegen. Dass die Abhandlung Sein und Zeit als Stütze für ein Menschenbild dienen mochte, das eine diesseitsgerichtete Philosophie überwunden zu haben glaubte, bewog Löwith dazu, die Auseinandersetzung mit seinem Lehrer innerhalb einer weiter angelegten Reflexion über Wesen und Aufgaben der Philosophie zu verorten. Denn gerade in der Auflösung jeglicher Bindungen an die theologische Tradition hatte er das Unterscheidungsmerkmal des post-hegelianischen Denkens ausgemacht. Von nun an würde seine Forschung die Modernität der untersuchten Positionen erkunden und ihr Verhältnis zur christlichen Begriffskonstellation genau überprüfen. 22Die

entscheidenden Beiträge zu diesem theologischen Disput stammten von Kuhlmann, Zum theologischen Problem der Existenz. Fragen an Rudolf Bultmann, 28–57; Heim, Ontologie und Theologie, 325–338; Bultmann, Die Geschichtlichkeit des Daseins und der Glaube, 339–364; Brunner, Theologie und Ontologie – oder die Theologie am Scheidewege, 111–122; Kuhlmann, Krisis der Theologie?, 123–146. Die Texte sind versammelt in Noller (Hg.), Heidegger und die Theologie. Beginn und Fortgang der Diskussion. Zu diesem Thema siehe z. B. Gethmann-Siefert, Das Verhältnis von Philosophie und Theologie im Denken Martin Heideggers, die wichtigsten Angaben zu Löwith finden sich auf den Seiten 173–180, 268–276. 23Hierzu vgl. Kisiel, War der frühe Heidegger tatsächlich ein ‚christlicher Theologe‘?, 59–75.

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Der Mensch in seiner ‚unnatürlichen‘ Wirklichkeit gilt Löwith als der einzig legitime Gegenstand einer Theorie, die ihre ‚nachklassische‘ Phase erreicht hat. Die anthropologische Philosophie begreift sich folglich als Selbst-Interpretation des Menschen, als eine Wissenschaft von dem, was dieser von sich selbst und der Welt wissen kann, wenn der Glaube an eine absolute Wahrheit gewichen ist.24 Dank seiner phänomenologischen Prägung war sich Löwith der Tatsache wohl bewusst, dass sich das Leben, da es unsere Wünsche verhöhnt, niemals ‚unverhüllt‘, sondern stets anhand einer unausweichlichen hermeneutischen Selektion zu erkennen gibt. Bei seinem Vorhaben ging es Löwith – in den Worten Eugen Finks, der Husserl in dem bereits erwähnten Bericht seine Bedenken eröffnete – gerade nicht um eine direkte und systematische Sorge um das menschliche Wesen, sondern um dessen ‚geschichtlich vermitteltes Selbstverständnis‘. In einem Brief vom 20. August 1946 sollte auch Leo Strauss diese Absicht genau erkennen, obwohl er das ihr eigene Übermaß an Modernität kritisierte: Sie nehmen den einfachen Sinn der Philosophie nicht wörtlich genug: die Philosophie ist der Versuch, Meinungen über das Ganze durch echtes Wissen vom Ganzen zu ersetzen. Für Sie ist Philosophie nichts anderes als Selbstverständnis oder Selbstauslegung des Menschen und d. h. natürlich des historisch-bestimmten Menschen, wenn nicht des Individuums. Das heißt, platonisch gesprochen, Sie reduzieren Philosophie zur Beschreibung der Innendekoration der jeweiligen Höhle […], die dann nicht mehr als Höhle gesehen werden kann. (KL/LS 666).

Die systematische Prämisse von Löwiths Programm, zu der er mittels Verallgemeinerung seiner Auseinandersetzung mit Heidegger gelangte, besagt, dass jede philosophische Position, meist in unreflektierter und unausgesprochener Form, ein exemplarisches oder normatives Bild des Menschen voraussetzt. Sie weist also einer von unzähligen Interpretationen des menschlichen Lebens einen impliziten Primat zu und verleiht ihr so die zweifelhaften Merkmale der Universalität. Daraus leitete sich die grundlegende Fragestellung seiner Forschungen ab: „[S]o ergibt sich als letzte und eigentlich erste und radikalste – wenngleich von dem ‚wissenschaftlichen‘ Bewusstsein zumeist stillschweigend übergangene – Frage die nach der menschlichen Richtigkeit und Wahrheit des maßgebenden Existenzideals. Sein kritischer Maßstab kann aber immer nur wieder das menschliche Leben selber sein.“25 24Vgl.

Löwith, Phänomenologische Ontologie und protestantische Theologie [1930], 1, 22. Grundzüge der Entwicklung der Phänomenologie zur Philosophie und ihr Verhältnis zur protestantischen Theologie [1930], 41. 25Löwith,

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Die Exaktheits- und Wahrheitsansprüche des beispielhaften Ideals verweisen nicht auf eine ursprüngliche Echtheit oder auf eine von jeher mit sich selbst identische Menschennatur, sondern auf einen Beweisgehalt, der imstande ist, das Feld der Erfahrung mit Blick auf eine mit der Verfasstheit des modernen Menschen übereinstimmende Interpretation zu ‚roden‘ und von nun unbrauchbaren theoretischen Anschauungen zu befreien. Nachdem das Vertrauen in metaphysische Definitionen erschöpft war, musste sich der Versuch, das spezifisch menschliche Element zu erfassen, Löwith zufolge an eine besondere Form der Objektivität halten, die auf jede Deduktion a priori verzichtet, ohne deshalb dem deskriptiven Moment einen ausschließlichen Primat zuzuweisen. Gemäß einem der Fixpunkte des hermeneutischen Ansatzes erscheint in der Tat jede Art der Beschreibung als durch Voraussetzungen bedingt. Nicht so sehr die Beseitigung der Vorurteile – eine unerreichbare Schimäre der Aufklärungsströmungen aller Zeiten –, sondern vielmehr die Feststellung ihrer historisch-systematischen Plausibilität wurde daher von Löwith als das Haupterfordernis einer „natürlichen“ oder „neutralen“ Interpretation der menschlichen Wirklichkeit erkannt. Der verführerischen Geschlossenheit eines Systems oder dem Festhalten an überkommenen Prämissen stellte er einen Ansatz entgegen, der „die entscheidenden Fragen fraglich, d. h. offenlassen [kann], so offen, wie es das menschliche Leben selber tut“. Diese Behauptung scheint weniger auf einen Verzicht auf das Denken im Namen einer vermeintlichen Unmittelbarkeit des Daseins anzuspielen, als vielmehr auf eine „verweilende Distanz zum Leben inmitten des Lebens“, also auf eine Philosophie, die als „ursprüngliche Lebensferne des Lebens zu sich selbst“ aufgefasst wird, und die imstande ist, die komplexe Vielschichtigkeit des Menschen als „Phänomen“ zu respektieren und ihm letztlich „die geschichtlich gebundene Freiheit lässt: auf grundverschiedene Weise zu leben und zu sterben“.26 26Löwith, Phänomenologische Ontologie und protestantische Theologie [1930], 15; Grundzüge der Entwicklung der Phänomenologie zur Philosophie und ihr Verhältnis zur protestantischen Theologie [1930], 87, 89. In dieser Phase seiner Forschung stand Löwith dem Ansatz von Georg Misch sehr nahe, der in denselben Jahren – in einigen, schließlich in seine Schrift Lebensphilosophie und Phänomenologie von 1930 eingegangenen Einzeluntersuchungen – eine an Dilthey anschließende Kritik an Heideggers Ontologie vorbrachte. In einem Brief an Misch vom 1. bzw. 3. Juli 1929 schrieb Löwith diesem vertraulich: „Die Art und Richtung, in der Sie die kritischen Fragen an Heideggers ‚ontologische‘ ‚Analytik des Daseins‘ vom Boden der ‚Hermeneutik‘ des menschlichen ‚Lebens‘ her stellen, deckt sich so weitgehend mit meiner eigenen Interessenrichtung an Heideggers Arbeit, dass ich Ihren Ausführungen Satz für Satz mit dem Bleistift in der Hand in Spannung gefolgt bin“ (SUB NL Misch). Stellungnahmen zu dieser Würdigung finden sich in Löwith, Grundzüge der Entwicklung der Phänomenologie zur Philosophie und ihr Verhältnis zur protestantischen Theologie, 86–93. Zum Werk Mischs vgl. Dilthey-Jahrbuch 11 (1997/98) und Mezzanzanica, Georg Misch. Dalla filosofia della vita alla logica ermeneutica.

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Eine derartige Haltung resultierte nicht aus einer Theorie, sondern aus einer menschlichen Praxis, nämlich der Skepsis. Löwith bezeichnete diese Einstellung in ihrer Wertigkeit als Epoché oder „Enthaltung“ als die philosophischste und weiseste „Lebenshaltung“, als Ergebnis jener gleichmütigen Indifferenz sowohl in Bezug auf sich selbst als auch auf die Welt, welche die meisten erst im Tode erreichen, obgleich sie die ausgezeichnete Möglichkeit des philosophischen Daseins darstellt. Die ‚philologische‘ Seite der Skepsis, die Nietzsche flüchtig hervorgehoben hat, verweist hingegen auf die Kunst, „Tatsachen ablesen [zu] können, ohne sie durch Interpretation zu fälschen“, eine Fähigkeit, die „eine große und späte Neutralität des Beobachtenden“ voraussetzt.27 Diese Auffassungsweise der Skepsis hatte Fink in seinem weiter oben genannten Bericht dazu veranlasst, Löwith ein Verständnis von Epoché zuzuschreiben, das sich deutlich von jenem Husserls unterscheidet. Diese bestehe nicht in einer Aufhebung der Zustimmung, die – durch die Reduktion auf das transzendentale Ego – zur Erreichung einer sicheren Begründung führt, sondern im Philosophieren selbst. Indem er die Epoché wie ein „menschliches Verhalten“, und nicht wie einen Zugangsweg zum reinen Ich auffasste, beklagte Fink das Anzeichen eines „tiefen und maßlosen Misstrauens gegenüber jeglicher Systematik“ oder gar eines „nihilistischen Agnostizismus“.28 Es fiel ihm schwer zu begreifen, dass die anthropologische Philosophie nicht danach strebte, die Bedeutung des menschlichen Daseins zu erfassen, sondern vielmehr diejenige Dimension, in der eine nicht durch widersprüchliche Bewertungen verfälschte Deutung des Lebens zumindest angenommen werden konnte. Zu diesem Zweck konzentrierte sich Löwith hingegen auf jenes Existenzideal, das die Denker, die den Gegenstand seiner Marburger Arbeiten ausmachten, mehr oder weniger ausdrücklich und bewusst verteidigt hatten. Diese Studien bieten somit eine Anthropologie der Moderne, eine Phänomenologie der Menschenbilder, die der nachhegelianische philosophische Diskurs zwar nicht unterteilen, aber zumindest als Hintergrund der eigenen Ergebnisse ansetzen konnte. Die entschiedenen Widerlegungen, wie auch die wenig ausgeprägte Zustimmung, die in diesen Schriften, trotz des scheinbar neutralen Vorgehens, einigen der untersuchten Positionen zugeschrieben werden, verweisen auf die Deutung, die Löwith für die Verfasstheit der Moderne als die passendste erachtete. Seine Habilitationsschrift bietet hiervon die einzige anschauliche Abhandlung, gleichwohl sie bedeutsame Überarbeitungen erfahren würde, welche zumeist in indirekter und wenig expliziter Form vorgenommen werden sollten. 27Vgl.

Nietzsche, Der Antichrist, 231, sowie ders., Nachgelassene Fragmente, Frühjahr 1888, 254. Vorschlag für E. Husserl am 23.1.37, 1.

28Fink,

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Das Maß der Zweideutigkeit Die Absicht, das zweideutige Wesen der Natur und der menschlichen Freiheit zu begreifen – eine Eigenschaft, die oft nur mühsam in philosophische Begriffe gefasst werden kann –, bildet den Ausgangspunkt von Löwiths erster Monographie, einer unter seinen Werken aufgrund ihres dezidiert systematischen und konstruktiven Charakters eigenständigen Schrift.29 Die Untersuchung geht von einer suggestionsreichen Alltagserfahrung aus: Im Rahmen einer Beziehung zwischen zwei Menschen ist das andere Subjekt niemals in seiner Individualität zugänglich, sondern erweist sich stets als jemand, also stets gemäß der Rolle, die es für sich und für die anderen einnimmt; nicht in einer substanziellen Identität mit sich selbst, die außerhalb der Beziehung steht, sondern als ‚dieser‘ oder ‚jener‘, als ‚persona‘, in einem dem lateinischen Wortstamm und den theatralischen Anklängen des Begriffs möglichst naheliegenden Sinne, das heißt als Maske. Die Menschen knüpfen ihre Verbindungen also im Zeichen einer „Bedeutsamkeit“, die aus jedem einen „Anderen“ macht, sowohl seinen Mitmenschen als auch einem Ich gegenüber, das als Gegenbegriff der Unterscheidung dient. Das ausgeprägte hermeneutische Bewusstsein, das unter Anleitung des jungen Heidegger gereift war, untersagte es Löwith, diese Komponente der Bedeutsamkeit als absolute Eigenschaft anzunehmen, und warf indirekt einen substanziellen Individualitätsbegriff wieder auf. Denn auch diese Dimension ist verhältnismäßig: „Wollte man von dieser ‚Realität‘ als etwas Unwesentlichem absehen, und nach einer absoluten, singularen Bedeutung eines jeden je für sich suchen, so ergäbe sich zunächst wiederum kein pures Individuum in seiner unaussprechlichen Einzigkeit, sondern nur eine andere Art von verhältnismäßiger Bedeutsamkeit.“ (IR 68)

29Tatsächlich bemerkenswert ist unter den Darlegungen zu diesem Werk nur Theunissen, Der Andere, 413–439. Eine ausführliche Zusammenfassung findet sich in Guida, Filosofia e storia della filosofia in Karl Löwith, 11–51. Vgl. auch Riesterer, Karl Löwith’s View of History. A Critical Appraisal of Historicism, 14–23; Riedel, Karl Löwiths philosophischer Weg, 122–123; Saß: Urbanität und Skepsis, 1–23; Dietrich, Das Verständnis von Natur und Welt bei R. Bultmann und K. Löwith, 153–163; Moretto, Intersoggettività e natura in Karl Löwith, 179–199; Pievatolo, Senza scienza né fede. La scepsi storiografica di Karl Löwith, 53–84; Sung-Sik, Der Mensch als Mitmensch. Eine Untersuchung über die Strukturanalyse des Miteinanderseins von Karl Löwith im Vergleich mit dem dialogischen Denken von Martin Buber, 31–48, 73, 78–79, 95–96, 128–96; Matzka, Ich und Du, Welt und Staat. Untersuchungen zum Denken von Karl Löwith; Ries/Kiesow, Karl Löwiths Beiträge zur philosophischen Anthropologie der Gegenwart, 81–83; Jauss, Karl Löwith und Luigi Pirandello. („Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen“ – wiedergelesen), 200–226; Donaggio, La misura dell’ambiguità. L’io e l’altro in uno scritto di Karl Löwith, 43–53.

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Auf Grundlage dieser Koordinaten fragte sich Löwith ferner, ob es eine Form des Verhältnisses gäbe, in der sich „der eine und der andere so zeigt, wie er an sich selbst ist.“ (IR 87) Die Bedeutsamkeit der Beziehungsstruktur verhindert eine Antwort, die den Umstand unberücksichtigt lässt, dass auch wenn eine authentische Form der Individualität existierte, diese sich im Rahmen des Verhältnisses jedenfalls als unzugänglich erweisen würde. Innerhalb dessen kann sich jedes Individuum lediglich als „das Du eines Ich“ manifestieren, als Individualität in der zweiten Person. Nichtsdestoweniger suchte Löwith durch eine bedeutsame Abwendung von der gnoseologischen Sphäre im Bereich der moralischen Erfahrung nach einer Lösung des Problems. Die Reflexivität und somit die Zweideutigkeit der Beziehung von Ich und Du – also stets und zur selben Zeit „Individuum“ und „Person“ zu sein, sowohl für sich selbst als auch für den Anderen, für die Subjekte der Beziehung – hinderte ihn nämlich nicht daran, ein „absolutes“ oder „verantwortliches“ Verhältnis anzunehmen, das gleichsam die höchste Form der Anerkennung und des Respekts der eigenen ebenso wie der fremden Identität darstellte. Diese Annahme erforderte eine plausible Rechtfertigung der Selbstständigkeit des Anderen, jener individuellen Dimension, die innerhalb des Verhältnisses zwar sichtbar wurde und sich als zugänglich erwies – also „in der zweiten Person“ –, sich aber nicht als auf das Verhältnis selbst bezogen zeigte. Dies ist eine Aufgabe, zu deren Ausführung Löwith sich zum ersten und letzten Mal in seinem Œuvre auf die kantische Philosophie beruft, wobei er das Thema der Achtung in entscheidender Weise hervorkehrt. In diesem moralischen Gefühl, das nach Kant mit einer Notwendigkeit a priori ausgestattet ist, sah Löwith die Quelle des freien Erkennens des Anderen. Innerhalb eines auf gegenseitigem Respekt gegründeten Verhältnisses kann die menschliche Selbstbestimmtheit, genauso wie das „Ding an sich“, nur wiedererkannt und nicht wie ein Gegenstand erkannt werden. Der noumenische Aspekt des Menschen besteht in der Tat nicht in seiner potenziellen Freiheit, in der Fähigkeit, für sich selbst die eigenen Ziele zu bestimmen. Dies spiegelt sich im formalen Charakter der kantischen moralischen Normen wider, deren Leere, die zum Gegenstand von Hegels Kritik wurde, von dem Umstand herrührt, dass die Freiheit über keinen bestimmten Inhalt verfügt. Was die Universalität der moralischen Maximen angeht, so liefert diese Löwith zufolge eine Bestätigung von deren intrinsisch intersubjektivem Charakter: „Der primäre Sinn der Anerkennung und Achtung [des Menschen als eines Selbstzwecks] ist aber nicht: den in seiner Selbstständigkeit Anerkannten nun auf sich selbst zu stellen, sondern ihm

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eine freie Begegnung zu ermöglichen, ein Verhältnis von freier Verbindlichkeit zu begründen.“ (IR 168)30 Kants Philosophie, die „ebenso streng wie menschlich ist“, erkennt also den Anderen als einen „Selbstzweck“, der die Freiheit hat, sich in selbstständiger Weise und wie meinesgleichen zu bestimmen, mit gleicher ethischer und ontologischer Würde ausgestattet, und deren Gebrauch als Mittel einen unerträglichen Missbrauch bedeuten würde. Löwith veranschaulicht diese Errungenschaft, indem er das kantische Verständnis von Freundschaft nachzeichnet. Als innerste Einheit von Liebe und Achtung – frei von jenem Element egoistischer Instrumentalität, das auch die Beziehung zwischen Liebenden kennzeichnet, und selten wie ein ‚schwarzer Schwan‘ – bringt sie ein echtes ‚Miteinandersein‘ zum Ausdruck. Ein derartiger Ansatz wirft die Frage auf, welcher Raum noch jener Wahrnehmung der eigenen Individualität vorbehalten ist, die jedes Sich-in-Beziehung setzen zu anderen und zu sich selbst beständig begleitet, zu jenem Kern der Einzigartigkeit, der unter der Maske zu existieren scheint, die ein jeder auf der Bühne der Welt trägt. Denn Löwith versteht jedes Verhältnis zu sich selbst als privative Bestimmung einer wesentlicheren Zugehörigkeitsbedingung. Die Position des Einzelnen und sein Isolationswille zeugen von einem Willen zur Nichtgemeinschaft, von einer Auflehnung gegen eine gemeinsame Wirklichkeit. Auch die äußerste Geste der Vereinzelung, der Suizid, wäre – laut Hugo Fialas philosophischem Tagebuch – letztlich durch die zwischenmenschlichen Beziehungen desjenigen bedingt, der ihn begeht. Die Aufhebung der eigenen Individualität stellt demnach den letzten Akt dar, der von einem ‚Individuum in der Rolle des Mitmenschen‘ inszeniert wird. Doch die Eindringlichkeit, mit der Löwith den Umstand unterstreicht, dass die menschliche Selbstbestimmung nur innerhalb der Beziehungen einer gemeinsamen Welt zum Ausdruck kommt und zugänglich wird, bringt nicht die Aufgabe eines Individualitätsmoments mit sich. Die Unterscheidung, die er zwischen Individuum und Person einführt und beibehält, gibt somit offenbar Anlass zu einem unversöhnlichen Zwist. Der Text scheint eine substanzialistische Lesart einer solchen Distinktion aber nicht zu bestätigen, und erst recht 30Ein

Kantkenner wird unschwer die Grauzonen ausmachen, die in dieser Neuauslegung enthalten sind. Zu den undurchdringlichsten zählt die ausgebliebene Problematisierung des Unterschieds zwischen der Achtung vor dem Moralgesetz und der Achtung des „konkreten Anderen“ – das die beiden Herangehensweisen an die Fragestellung zusammenhalten zu wollen scheint, die in der neueren ethischen Diskussion meist voneinander getrennt werden – sowie die Auseinandersetzung zwischen der Bevorzugung der privilegierten Beziehung von Ich und Du und der Unvoreingenommenheit der Universalität der Maximen.

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nicht vom Vorhandensein einer Dimension auszugehen, die dem Spiel der gesellschaftlichen Masken durch die Aufdeckung des dahinter verborgenen ‚wahren‘ Gesichts ein Ende bereiten könnte. In seinen Untersuchungen erscheint Löwith vielmehr von der Absicht geleitet, das für menschliche Beziehungen kennzeichnende Element der Ambiguität zu bewahren. Der Bezug zum Individuum verhindert eine eindeutige Bestimmung des Menschen und sein vollständiges Aufgehen in der Vielfalt der auf der gesellschaftlichen Bühne verkörperten Rollen. In dieser Hinsicht kann die Individualität als ein wiederholter Differenzierungsprozess verstanden werden, als eine durch die Übernahme verschiedener Masken hervorgebrachte „Bewegungsfreiheit“. Letztere ist ein Motiv, das bei der Auseinandersetzung mit Max Weber von entscheidender Bedeutung sein würde. Das Individuum ist weder eine den weltlichen Beziehungen vorausgehende Entität noch eine rein gesellschaftliche Funktion, sondern ein ‚In-der-Welt-sein‘, das kraft einer besonderen Form der Selbstbeziehung imstande ist, zwischen sich und der eigenen Rolle eine Kluft zu erschaffen. Die Wahrnehmung einer Diskrepanz zwischen dem eigenen Selbstbild und den Zuschreibungen anderer, womit die Fähigkeit einhergeht, das Beziehungsgeflecht zu durchbrechen oder nur Teile von sich darin einzusetzen, ist gleichfalls auf die Leistungen der Individualität zurückführbar. Löwith vermeidet es sorgfältig, diesem Begriff einen Inhalt zuzuschreiben, indem er ihm einen zutiefst formalen Status vorbehält. Dieser Kern der Nicht-Nachvollziehbarkeit drückt negativ eine Freiheit aus, die in der Fähigkeit zu bestehen scheint, die eigene Selbstständigkeit in den Grenzen der Zugehörigkeit zu üben, also eine Art Maß für die innere Zweideutigkeit menschlicher Beziehungen zu finden, und so weder restlos der Maske anzuhängen, die man trägt, noch eine letzte, unwahrscheinliche Enthüllung anzustreben. Zu diesem Schluss gelangte Löwith, indem er zwei gegensätzliche Versuche widerlegte, sich der Ambivalenz der Beziehung zu entziehen: die Verabsolutierung eines der beiden Subjekte der Beziehung – die erste Person, in den emblematischen Positionen von Heidegger und Stirner, oder die zweite, als Spur der göttlichen Gegenwart, im Falle von religiös inspirierten Denkern – und die Verabsolutierung der Beziehung selbst, wie sie beispielhaft in Pirandellos Dramen beschrieben wird, deren philosophischen Implikationen die Schrift eine geistreiche Analyse widmet. Im ersten Fall zeigte Löwith, lange vor weit wirkmächtigeren Lesarten, wie sich Heideggers Ansatz aufgrund eines Existenzbegriffs als fehlerhaft erwies, der nicht imstande ist, jene Beziehung von Ich und Du zu berücksichtigen, die in seinen Augen die Verwirklichung der menschlichen Echtheit ausmacht. Im

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zweiten Fall beschäftigte er sich mit einem möglichen „Verfallen“, welches das Miteinandersein ständig bedroht. Dabei ist es die Zweideutigkeit der Verbindung selbst, die reflexiv wird, wenn die Subjekte nicht länger in Beziehung zueinander treten, sondern bloß auf die Funktion des sie verbindenden Verhältnisses beschränkt bleiben und dergestalt jeden Zugang nicht allein zur Alterität, sondern auch zu ihrer eigenen Individualität verwehren. In dieser paradoxen Situation lebt, wie viele andere Figuren aus Pirandellos Dramen auch, die rätselhafte Protagonistin aus So ist es (wenn es Ihnen so scheint), die Löwith zufolge den Satz gar nicht aussprechen könnte, in dem sich ihr totaler Identitätsverlust verdichtet: „‚[…] [F]ür mich bin ich diejenige, wofür man mich nimmt.‘“ (IR 114) Denn ihre bloße leibhaftige Gegenwart auf der Bühne stellt eine Verneinung ihres Aufgehens in der gesellschaftlichen Rolle dar, die ihr zugeteilt wurde und die sie, ohne sich ihrer wahren Identität bewusst zu sein, weiter spielen würde. Allein die Tatsache des Existierens – so lautet scheinbar die Grundannahme – impliziert und erlaubt eine Distanz zu den eigenen Masken, die eine ihrer bedeutsamsten Ausprägungen im autobiographischen Erzählen findet, einer Betätigung, der Löwith selbst ein Leben lang leidenschaftlich nachgegangen ist. Die Arbeiten, die Löwith im Anschluss an seine Habilitationsschrift in Angriff nimmt, sind geprägt von der Einsetzung der Anthropologie des Mitmenschen in einen immer breiteren Horizont. Ziel ist es, zu überprüfen, inwieweit das Individuum imstande ist, die eigene Selbstständigkeit zu üben und den Sinn der eigenen Freiheit in einem Umfeld von Begrenzungen aufzufinden, das vielschichtiger ist als jenes, das durch die Beziehung von Ich und Du repräsentiert wird. Der erste Schritt in diese Richtung brachte ihn dazu, über die von der Geschichte auferlegten Zwänge nachzudenken. Und dies geschah durch die Gegenüberstellung zweier klassischer Variationen zu diesem Thema.

Individuum und Weltgericht Einer der beharrlichsten Gründungsmythen der abendländischen Moderne besagt, dass der Mensch zugleich Autor und Darsteller seiner eigenen Geschichte sei.31 Die Verfechter dieser Tradition haben sich daher stets

31Der Inhalt dieses Abschnitts geht teilweise zurück auf Donaggio, L’individuo e il tribunale del mondo. Antropologia e filosofia della storia in Karl Löwith, 29–37.

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bemüht, den einer Reihe von Wechselfällen – sprich: der Geschichte – innewohnenden Sinn zu entschlüsseln, in denen ein profaner Blick nur eine zufällige Folge von Wandlungen erkennt. „Die philosophische Betrachtung“ der Geschichte, urteilt Hegel und erhebt sich zum Wortführer dieser Denkweise, „hat keine andere Absicht, als das Zufällige zu entfernen.“32 In diesem Sinn erhebt sich die Geschichte, wie es in Schillers resignierenden Worten heißt, die für Hegel „das Tiefste [sind], was man sagen kann“, in den Rang des „Weltgeists“ oder des „Weltgerichts“.33 Seit seinen ersten Arbeiten hielt Löwith diese Position für eine trügerische Darstellung der Wirklichkeit, die einem Übermaß an Philosophie zuzuschreiben sei, also einer Weltsicht, der im Grunde nur wenig Menschliches anhaftet. Er fragte sich daher, welches Existenzideal einer solchen Vision Rechtmäßigkeit verleihe. Um eine Antwort auf die Frage zu finden, stellte er den Hegel’schen Ansatz jenem Jacob Burckhardts gegenüber, eines von der akademischen Philosophie oft gemiedenen Autors, dem Nietzsche hingegen, am Rande des Wahnsinns stehend, das Zepter des Menschheitserziehers abgetreten hatte, indem er erklärte: „Nun sind Sie – bist du – unser grosser grösster Lehrer […].“34 Diese Worte dienten als Motto zur Antrittsvorlesung über Burckhardts Stellung zu Hegels Geschichtsphilosophie, mit der Löwith am 30. Juni 1928 sein offizielles Debüt auf der universitären Bühne Marburgs vollzog.35 Die Vorlesung erkannte das Spezifikum von Burckhardts Standpunkt in seiner Menschlichkeit, betrachtete er doch die Geschichte weder „mit den Vorurteilen eines Philosophen, noch mit denen eines Historikers, sondern mit dem unbefangenen Blick eines philosophisch besonnenen Beobachters, als Mensch, aber nicht als Denker, wenngleich als ein denkender Mensch,

32Hegel,

Die Vernunft in der Geschichte, 29. Vorlesungen über Naturrecht und Staatswissenschaft, 257. Der Vers aus dem Gedicht Resignation wird zitiert nach Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 503. Siehe hierzu Lavoie, Hegel et le ‚tribunal du monde‘, 175–185, und Bubner/Mesch (Hg.), Die Weltgeschichte – das Weltgericht? Stuttgarter Hegel-Kongress 1999. 34Friedrich Nietzsche an Jacob Burckhardt, 4.1.1889 (KGB 3/5, 574). 35Der Hinweis in Bezug auf das Motto der Vorlesung findet sich in ML 171. Allein aufgrund der Länge ist es unwahrscheinlich, dass der Artikel der tatsächlich gehaltenen Vorlesung entspricht. Eine Bemerkung Heideggers legt nahe, dass der Text, nicht nur dem Umfang nach, sondern auch hinsichtlich seiner wenig behutsamen Aussagen von der Vorlesung abweicht. Der Briefwechsel mit Erich Rothacker dokumentiert (UAB NL Rothacker), wie die bereits im Sommer 1926 konzipierte Schrift im April 1928 in einer Fassung abgeschlossen wurde, die umfangreicher war als jene, die schließlich gedruckt wurde. Auf Anraten Rothackers nahm Löwith insbesondere im Schlussteil Streichungen und Kürzungen vor. 33Hegel,

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dessen Vorurteile den Vorzug haben, allgemein menschlicher Natur zu sein“.36 Diese Besonderheit spiegelt jene des untersuchten Gegenstands wider. Tatsächlich begreift sich die Burckhardt’sche Geschichtsschreibung als „anthropologisch“ oder als „pathologisch“, da sie, einem berühmten Ausspruch gemäß, „vom duldenden, strebenden und handelnden Menschen, wie er ist und immer war und sein wird“, ausgeht.37 Die Dimension der Geschichtlichkeit menschlicher Existenz wird so nach Modalitäten erforscht, die von jenen der Hegel’schen Philosophie radikal abweichen.38 Einem Ansatz spekulativer Natur stellt Burckhardt einen intuitionsaffinen Blick entgegen, der auf das gerichtet ist, was sich in menschlichen Angelegenheiten wiederholt und gegenüber fortschrittlichen oder erbaulichen Geschichtsvisionen skeptisch ist. Diese Eigenheiten hatten Löwith seit seiner ersten Lektüre von Burckhardts Werken beeindruckt. Ende August 1925 schrieb er dem Basler Historiker in einem Brief an Heidegger eine glücklich unzeitgemäße Haltung zu: „1914/18 – nun ja, eben ein verlorener Krieg – nun möglichst geordneter ‚Wiederaufbau‘ – so im Staat – wie in der Philosophie. Umgekehrt ist es erstaunlich zu sehen, wie weit schon ein so schönheitsdurstiger, aber großer Mensch wie Burckhardt entfernt war von jeglicher optimistischer, ästhetischer und humanistischer Geschichtsauffassung“ (MH/KL 132). Und auch Heidegger, der über die Entdeckung seines Schülers erfreut war, hatte die „innere Ruhe“ und die „Sicherheit“ dieses Freigeists gelobt (MH/KL 129). In den stark autokratischen Zügen von Hegels Ansatz erkannte Löwith die Quintessenz einer nun überkommenen Wissensauffassung. Denn nur wer noch bereit war zu glauben, dass das Denken „die einzige Wahrheit und höchste Wirklichkeit“ darstellt, und dass der Geschichtsphilosoph über die „Gesamtheit aller Gesichtspunkte“ verfügt,39 konnte das Dogma hinnehmen, wonach „ein göttlicher Wille“ – und nicht der Zufall – „gewaltig in der Welt herrscht“. Über diese ungebührliche Vergöttlichung des Philosophenblicks hinaus beklagte Löwith den Umstand, dass Hegel, in der Absicht, die von den Subjekten verfolgten Ziele mit der Bestimmung des Sinns ihres Handelns durch eine listige Vernunft und Lenkerin des Schicksals des Wirklichen zu versöhnen, als normatives Existenzmodell 36Löwith,

Burckhardts Stellung zu Hegels Geschichtsphilosophie [1928], in: LS 7, 1. Weltgeschichtliche Betrachtungen, 45. 38Vgl. z. B. Heftrich, Hegel und Jacob Burckhardt. Zur Krisis des geschichtlichen Bewusstseins. Für eine allgemeine Einordnung vgl. Schnädelbach, Geschichtsphilosophie nach Hegel. Die Probleme des Historismus, 48–76. 39Vgl. hierzu Schnädelbach, Der Blick aufs Ganze. Zur Optik der Weltanschauung, 36–44. 37Burckhardt,

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jenes vom „politischen Menschen der Geschichte“ – einem durch eine eigensinnige Form negativer Freiheit gekennzeichneten Individuum – übernahm.40 Löwith zufolge beruhte das Hegel’sche Ideal auf unhaltbaren anthropologischen Voraussetzungen, die reich an zweifelhaften praktischen Auswirkungen sind. Allen voran das Vorhandensein einer totalisierenden Dimension, die es versteht, dem Handeln des Einzelnen Sinn zu verleihen; um nicht eine gequälte Subjektivität zu bleiben, welche die Welt aufgrund der eigenen Innerlichkeit und eines „Gottverlassene[n] Rechts“41 beurteilt, muss der Mensch sich selbst in einer universalen Instanz objektivieren. Und als „dem Individuum immanente Möglichkeit, zu einer eigentlichen Existenz zu kommen“42 gab Hegel die substanzielle Universalität des Staates an. Das Erkennen der Chance, man selbst sein zu können, ging so mit der Neigung einher, das Spektrum der Rollen, die das Individuum auf der Bühne der Welt verkörpern kann, auf die politische Sphäre zu beschränken. Trotz des Versuchs, diese Einseitigkeit durch eine Theorie der bürgerlichen Gesellschaft abzumildern, existiert der Mensch für Hegel in erster Linie als Mitglied eines politischen Kollektivs. Und, wie Löwith später in einem Exiltagebuch notieren sollte, als er die Unterstützung kritisierte, die Giovanni Gentile dem Faschismus gerade auf Grundlage der Hegel’schen Geschichtsphilosophie angeboten hatte: „Dieser Plural der Gemeinschaft rechtfertigt die Abdikation der Individuen an den Erfolg des Geschehens […].“ (R 10–11) Bereits in der Habilitationsschrift hatte er jedoch den Verfall der Verantwortung unter gleichartigen Bedingungen beschrieben: „Die Rolle, welche er [der verantwortliche Mensch] als persona spielt, ist ihm vorgezeichnet durch die Tendenz seines Kreises.“ (IR 99) Ein Aufsatz der Reifezeit sollte für diese These dann eine – nur dem Anschein nach – widersprüchliche Bestätigung liefern, indem das Verhältnis zwischen der privatesten Geste überhaupt – dem Suizid – und der Art und Weise untersucht wird, wie die Hegel’sche Rechtsphilosophie das menschliche Handeln schildert. In den Paragraphen dieses Werkes ermittelte Löwith eine bloß formale Anerkennung des Rechts auf Leben, da hierüber letzten Endes die Sittlichkeit des Staates ihr Monopol ausübt. Im Namen der Geschichte als

40Zum Folgenden vgl. vor allem Löwith, Burckhardts Stellung zu Hegels Geschichtsphilosophie [1928], 17–30. 41Löwith, Burckhardts Stellung zu Hegels Geschichtsphilosophie [1928], 23. 42Löwith, Burckhardts Stellung zu Hegels Geschichtsphilosophie [1928], 24.

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‚jüngster Tag‘ oder ‚jüngstes Gericht‘ würde Hegel das Individuum demnach sogar seiner „Freiheit zu sterben“ berauben.43 Das Existenzideal, das Burckhardts Betrachtungen leitet, nimmt laut Löwith eine gegenüber Hegel diametral gegensätzliche Position ein. Denn als spezifisch menschlichen Faktor erkennt er die Fähigkeit an, innerhalb eines aus Begrenzungen bestehenden Umfelds eine Form der Unabhängigkeit zu bewahren. Seine problematische Crux besteht daher nicht darin, die Absichten des Einzelnen mit den gegen seinen Willen von einer listigen Vernunft festgelegten Plänen in Einklang zu bringen, sondern in der Suche nach der zu einem unpolitischen Rückzug aus dem Weltgeschehen passendsten Haltung: weder eine Flucht noch eine Auflehnung, sondern eine Annahme der Wirklichkeit, die einen grundlegenden Wunsch nach Selbstständigkeit im Rahmen des Möglichen befriedigen soll. Diese Funktion erfüllt das „Nachdenken über Geschichte“, das eingedenk der Vergangenheit in einer kontemplativen „Überwindung des Irdischen“ von der Last der Gegenwart befreit. Die „Freiheit“ oder „Unabhängigkeit“ von der Geschichte ist also nach Burckhardt der „archimedische Punkt“, auf dem ein Kriterium zur Bewertung der menschlichen Angelegenheiten beruht, das zwar veränderlich ist, aber nicht vorübergehend, und das dem Fluss der Ereignisse entzogen ist, obwohl es „inmitten der Geschichte“ liegt. Sowohl diese „ehrliche Bewertung des Lebens“ als auch die sie nährende Skepsis weisen bedeutsame Elemente der Übereinstimmung mit den Grundthemen von Löwiths Anthropologie auf. Und auch das von Burckhardt – der nebenbei als ‚moderner Mensch‘ bezeichnet wird – verkörperte und vorgestellte Individualitätsmodell scheint sich dem Existenzideal anzunähern, das seinem Forschungsprogramm als implizites Kriterium dient. Aus diesem Grund verspürte er wahrscheinlich das Bedürfnis, einen durchweg nietzscheanischen Verdacht zu zerstreuen: Es liegt unserer Generation nahe, Burckhardts kontemplative und auf persönliche Unabhängigkeit bedachte Haltung als einen fragwürdigen Anachronismus aus der Zeit Goethes und Humboldts zu beargwöhnen und gegen eine solche Haltung Nietzsches Psychologie der kontemplativen Naturen ins Feld zu führen […] und darin eine ‚latente Verzweiflung‘ aufzuspüren. Es wäre aber sehr kurzsichtig, wollte man über dem, was in Burckhardts Haltung an bloßer Beruhigung geheimer und offenbarer Schwächen gelegen sein mag, die ruhige

43Löwith, Töten, Mord und Selbstmord [1962], 408–411. Der Verweis bezieht sich auf Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 152.

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Sicherheit dieses freien Geistes verkennen, der anderen etwas sein konnte, weil er sein eigenes Zentrum in sich hatte und ‚das Unbehagen an sich selber‘.44

Doch nicht diese Apologie beschließt Löwiths Aufsatz, sondern eine weitere Widerspiegelung der Positionen, die zeigen soll, in welchem Maß Burckhardt unbewusst vom Geist seiner Zeit, und Hegel von seinen eigensten innersten Trieben beeinflusst war. Bei diesem Versuch, die Unparteilichkeit der Darstellung wiederherzustellen – vielleicht motiviert durch einen Verdacht gegenüber dem ausgeprägten Individualismus, der den Ansatz des Basler Historikers kennzeichnet45 –, kommt die Annahme über die Ambiguität der menschlichen Freiheit von neuem zur Geltung, die auch der Habilitationsschrift zugrunde lag. Und obgleich in der „Epoche der Psychoanalyse“ die Schriften Freuds eine solide Basis bereithalten, um dieses Thema anzugehen, scheint Löwith keine Zweifel zu hegen, welcher Ansatz vorzuziehen sei. Dort, wo Tolstoi in Krieg und Frieden General Kutusow beschreibt, das skeptische und fatalistische Gegenstück zu Napoleon, entdeckt Löwith das Vorbild einer historischen Darstellung, die mit verblüffender Originalität Burckhardts ‚anthropologische‘ mit Hegels ‚philosophischer‘ Geschichtsschreibung vereint. Einmal mehr erreicht, in seinen Augen, ein großer Romancier das Ziel, das viele Denker oft verfehlt haben, dass nämlich „das Leben selbst sich ausdrückt – auf menschliche und nicht auf ‚allzu menschliche‘ Weise.“46

Eine positive Glaubenslosigkeit Als Löwith im Mai 1933 die Bewerbung um ein Rockefeller-Stipendium einreichte, mit dem er sein Auskommen während der ersten Exiljahre finanzieren sollte, ging er daran, den seit seiner Habilitation zurückgelegten Weg zu bewerten. In dieser Skizze zu einer Selbstdarstellung hob er als folgenreichstes Ereignis die Entdeckung der Frühschriften von Marx hervor. Tatsächlich begannen ab 1927 einige Werke zu zirkulieren, in denen die philosophischeren Aspekte der von diesem Autor formulierten Kapitalismuskritik offen zu Tage

44Löwith,

Burckhardts Stellung zu Hegels Geschichtsphilosophie [1928], 16. Guida, Filosofia e storia della filosofia in Karl Löwith, 65–69. 46Löwith, Burckhardts Stellung zu Hegels Geschichtsphilosophie [1928], 37–38. Dies ist nicht die einzige Stelle, an der Löwith seine Nähe zu Diltheys „Hermeneutik des Lebens“ und – wie schon erwähnt –, zu Mischs Lebensphilosophie offenlegt. Vgl. z. B. Löwith, Hegel und Hegelianismus [1931], 37–42. Zu General Kutusow und Hegels Geschichtsauffassung vgl. auch Gadamer, Wahrheit und Methode, 377. 45Vgl.

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traten. So wurde das bis zu diesem Zeitpunkt weithin verbreitete Marx-Bild nachhaltig umgestoßen. Lange Zeit später sollte sich Löwith die Tragweite jener Episode in Erinnerung rufen: „[...] nach Hegels Tod [erfolgt] ein wirklicher Bruch. Das scheint mir unbezweifelbar, und das war der Grund, dass ich […], als Ende der zwanziger Jahre die Frühschriften von Marx zu erscheinen begannen, aufatmete, und das war es auch, was ich in der Begegnung mit Heidegger empfand: Mir wurde die Einsicht vermittelt, dass eine Epoche zu Ende […] ist und dass man nun versuchen muss, anderswoher eine neue Möglichkeit des Philosophierens zu finden.47

Das Studium der Marx’schen Texte hatte auf Löwiths Forschungsansatz eine zweifache Auswirkung. Systematisch betrachtet bewirkte es die auf 1931 datierbare Ausweitung des Ich-Du-Verhältnisses auf gesellschaftliche Verhältnisse. Trotz der Ablehnung von Heideggers schroffer Alternative zwischen singulärer Echtheit und kollektiver Unechtheit, untersuchten die Paragraphen von Das Individuum die Dimension der Pluralität im Rahmen der Zweierbeziehung. Wie schon sein Lehrer, interessierte sich auch Löwith nicht länger für die Sphäre der Öffentlichkeit, die er vielmehr als den Ort eines ontologischen Verfallens ansah. Die „gemeinsame Welt“, die den Horizont der Begegnung mit dem Anderen ausmachte, besaß sehr wohl einen historischsozialen Charakter, allerdings hat „‚wir beide‘ eine grundsätzlich andere Bedeutung als das allgemeine ‚wir‘ […]. Eigentlich mit-einander sind nicht ‚wir‘, und noch weniger ist ‚man‘ miteinander, sondern ausschließlich ‚wir beide‘, ‚Du und Ich‘, können miteinander sein.“ (IR 70–71) Die Auseinandersetzung mit Marx offenbarte die innere Notwendigkeit einer Erweiterung und Vertiefung der vorherigen Arbeitsrichtung, zumal eine Untersuchung der Verbindung Ich-Du kein volles Verständnis der historischen Wirklichkeit der gesellschaftlichen Probleme des Menschen gewährleistete.48 Obgleich Löwith in einem Brief vom 31. Januar 1934 an Dolf Sternberger, der die Stoßrichtung von Das Individuum als „Philosophie der Intimität“49 bezeichnet hatte, herausstrich, dass „die Mitwelt-Ana-

47Löwith, Aktualität und Inaktualität Hegels [1971], in: LS 5, 311. Vgl. hierzu Habermas, Literaturbericht zur philosophischen Diskussion um Marx und den Marxismus, 165–235. 48Vgl. Zu einer Kritik des eigenen sowie des Heideggerschen Ansatzes im Lichte der Marx’schen Thesen vgl. Löwith, Max Weber und Karl Marx [1932], in: LS 5, 384. 49Vgl. Sternberger, Der verstandene Tod, 57–59.

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lyse halb so intim gemeint [war] als es erscheint“50, wurde ihm klar, dass nur eine „politische und soziale Konkretion des menschlichen ‚Ichs‘ den bis dahin unbestrittenen Ausgangspunkt der deutschen Philosophie (von Descartes bis Kant, Fichte und Stirner) von einem ‚absoluten‘ Ich bzw. von einem ‚Ich und Du‘ (Feuerbach)“ in Zweifel ziehen konnte. Historiographisch betrachtet bedeutete dies, die Aufmerksamkeit nun endgültig auf das Ende der klassischen deutschen Philosophie und somit auf das eng mit ihr verbundene Motiv des Todes der Philosophie insgesamt zu konzentrieren. Gerade in der auf dieses Thema gelegten Emphase erkannte Löwith Marxens Größe und die Notwendigkeit, diesen in einer Zeit den Klassikern des Denkens zuzurechnen, als Lehrbücher ihm allenfalls wenige Seiten widmeten. Das erläuterte er Gadamer in einem Brief vom 2. September 1933: „Wichtig ist mir Marx ja überhaupt nur als Exponent des Zusammenbruchs der Hegelschen Philos[ophie] – der letzten[,] die noch an sich selbst – an die Philos[ophie] als Philos[ophie] glaubte“. Eine solche Überzeugung rief die Ratlosigkeit sowohl der Laien als auch der Experten hervor. In ihren Artikeln zu einer Vortragsreihe über Marx und Hegel. Materialistische und idealistische Geschichtsauffassung, die Löwith in den Anfangsmonaten des Jahres 1931 in Kassel hielt, dokumentierten einige Berichterstatter die Bemühungen des Redners, das Publikum vom theoretischen Format eines Autors zu überzeugen, der nicht ein einziges Wort über die „Geheimnisse des Lebens“ verloren hatte, wohl aber die Massen mit Texten erobert hatte, die „man mindestens zehn Mal lesen muss, um letztlich doch nichts davon zu verstehen.“51 Doch auch Heidegger zeigte sich nicht gerade überzeugt, wenn er Bultmann am 14. November desselben Jahres seine Verwunderung über den Umstand eingestand, dass Löwith, wenn er über Hegel zu schreiben hatte, stattdessen über Marx schrieb und dabei so tat, als ob die Geschichte der Philosophie erst mit diesem Autor einsetzen würde.52 Die neue Forschungsrichtung schlug sich erstmals vollständig in dem Aufsatz Max Weber und Karl Marx von 1932 nieder, einem jener Texte

50Karl

Löwith an Dolf Sternberger, 31. Januar 1934 (DLA A:Sternberger). Franck, Marx und Hegel. Materialistische und idealistische Geschichtsauffassung, sowie Hegel, Marx und der Marxismus. Kritische Betrachtungen zu einer Kasseler Vortragsreihe. Vgl. außerdem Vorlesungen und Vorträge 1912 bis 1987, 20. Dem Thema ist auch die erste von Löwith vergebene Doktorarbeit gewidmet: von Buggenhagen, Die Stellung zur Wirklichkeit bei Hegel und Marx, 152, 198. 52Bultmann/Heidegger, Briefwechsel 1925–1975, 172. 51Vgl.

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Löwiths, die auch außerhalb des eng umgrenzten Kreises der Philosophen am meisten Beachtung fanden. Und der erste einer langen Reihe von Bewunderern war ausgerechnet Heidegger, der für die vorausgegangenen Publikationen seines Schülers bestimmt nicht viele Komplimente übrig gehabt hatte. Am 19. April 1932 kommentierte er, auf den Brief, mit dem Löwith ihm die Schrift zugestellt hatte, reagierend: „Da ich weder Marx noch Weber kenne (abgesehen von „Wissenschaft als Beruf“ und einigen methodologischen Aufsätzen), kann ich nicht Stellung nehmen. Aber ich finde, dass Sie sich hier so wie in der Habilitationsschrift wirklich in die Sache eingelassen haben und dazu auch das Organ haben.“ (MH/KL 181) Positive Rückmeldungen kamen auch aus Übersee. Der nordamerikanische Gelehrte Howard Becker bezeichnete Löwiths Arbeit als „eine der schönsten Studien, die er als Rezensent je zu lesen bekommen hat“ und äußerte zugleich den Wunsch, irgendein „arbeitsloser Philosophieabsolvent“ möge bald eine Übersetzung anfertigen.53 Der Artikel zog auch die Aufmerksamkeit der Soziologen auf sich, und zwar so sehr, dass Max Solms am 17. Februar 1933 Ferdinand Tönnies anschrieb, um die Schrift zu loben und für die Aufnahme ihres Verfassers in die „Deutsche Gesellschaft für Soziologie“ einzutreten.54 Mit seinem Aufsatz eröffnete Löwith eine Gegenüberstellung, die ein großes Echo auslöste.55 Auf die Namen Marx und Weber führte er die grundlegenden Deutungsmuster der westlichen Moderne zurück, die zwei alternative, gleichermaßen komplexe wie umfassende Lesarten bildeten. Indem er das „ursprüngliche Motiv“ ihrer Untersuchungen, also den unausgesprochenen Grund sowie das Ethos der Forschung, und nicht den Wortlaut der einzelnen Behauptungen in den Blick nahm, spürte er einen einheitlichen Faden auf, der die theoretischen, von extremer Bruchstückhaftigkeit gekennzeichneten Modelle durchläuft. Die „lebendige Tendenz“ in Marxens Denken erkannte er in der Kritik der kapitalistischen Entfremdung, wodurch eine weitgehende Kontinuität zwischen jugendlicher

53Die von Löwith in mehreren Briefen erwähnte Rezension, die er zahlreichen Bewerbungsschreiben beifügte, erschien in der Zeitschrift The Annals 167 (1933), 244. Howard Becker wurde 1939 von Paul Tillich im Zuge des Berufungsverfahrens kontaktiert, das Löwith nach Amerika führen würde. 54Vgl. Solms (Hg.), Max Graf zu Solms. Ein Lebensgang. Briefe – Selbstzeugnisse – Berichte, 229–230. 55Die Schrift wurde als Beispiel bezeichnet, „das sich nicht nachahmen lässt, aber dem gleichzukommen angestrebt werden kann“ (Actuel Marx 11 [1992], 7). Das Themenheft mit dem Titel „Max Weber – Karl Marx“ enthält ferner eine Zusammenfassung von Löwiths Aufsatz, siehe Texier, Note de lecture sur „Max Weber und Karl Marx“ de Karl Löwith, 113–118.

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und reifer Phase seines Schaffens begründet wird.56 In Webers Schriften konstatierte Löwith hingegen jene „Tendenz hin zum Diesseits“, in der er bereits die Chiffre jeder nachklassischen Philosophie erkannt hatte. Das methodologische Moment von Webers Forschungen, an dem ein Großteil der damaligen Interpreten festhalten wollte, erfuhr eine schwere Einbuße seiner Bedeutung. Die minutiösen Klassifikationen in den Abhandlungen des in Erfurt geborenen Soziologen waren für Löwith etwas ganz anderes als ein leeres Vorgehen einfacher Reflexionen zur Methode.57 Sie spiegelten vielmehr auf der Ebene der Erkenntnistheorie die Lebensumstände eines Menschen wider, der „gezwungen ist, in der Praxis und in der Theorie, den Sinn und die Verbindungen der Dinge selbst ‚neu zu erschaffen‘“: eine entzauberte Illusionslosigkeit, die er zwei Jahre früher als „philosophischste und weiseste“ unter den möglichen Lebenseinstellungen beurteilt hatte und die nun – durch den Vergleich von Webers Ansatz mit Nietzsches „wissenschaftlichem Atheismus“ – als „wahrhaft menschliche“ Haltung bezeichnet wurde.58 Beide Autoren interessieren sich, wie Löwith unterstreicht, für das „Schicksal des Menschen“, und das in einer Epoche, da sich der Kapitalismus schließlich mit fataler Unausweichlichkeit durchgesetzt hat. Die Art und Weise der Bewertung dieser Umstände ist dennoch widersprüchlich. Weber schlägt eine neutrale, aber zweideutige Lesart vor, die eher die Diagnose eines informierten Patienten unterstützt als die Prognose eines Arztes der Gesellschaft. Einen Gegengesang hierzu stellt die Therapie dar, mit der Marx eine verbreitete gesellschaftliche Pathologie heilen möchte. Löwith geht von einem anderen normativen Kriterium aus, das solcherlei Abweichungen 56Die Marx-Interpretation beruht jedoch beinahe ausschließlich auf den Jugendschriften. Zu dieser „Schwachstelle“ einer „sonst brillanten“ Gegenüberstellung vgl. Schluchter, Religion und Lebensführung, 77. Bemerkenswert ist, dass Löwith die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte aus dem Jahre 1844 nicht berücksichtigen konnte, da diese erst 1932 veröffentlicht wurden. In einem Brief an Herbert Marcuse vom 20. April 1932 beteuert er: „Das ökonomisch philosophische Manuscript von Marx konnte ich bei der Darstellung noch nicht benützen, es hätte denn Manches noch evidenter gemacht werden können hinsichtlich der ‚Selbstentfremdung‘; im Wesentlichen bestätigt aber gerade dieses Manuscript meine ich, durchaus die zentrale Stellung, welche ich der Selbstentfremdung einräumte]“ (UBF NL Marcuse). Auch später maß Löwith dem Manuskript von 1844 eine entscheidende Bedeutung zu: „Es ist, zusammen mit der Deutschen Ideologie, das bedeutendste Ereignis in der Geschichte der nachhegelschen Philosophie“ (Löwith, Von Hegel zu Nietzsche[1941], 346). Auch Marcuse selbst sollte die Bedeutung dieses Werks unterstreichen: „Die Veröffentlichung der Ökonomisch-philosophischen Manuskriptevon Marx aus dem Jahre 1844 muß zu einem entscheidenden Ereignis in der Geschichte der Marx-Forschung werden.“ (Marcuse, Neue Quellen zur Grundlegung des Historischen Materialismus, 509). 57Vgl. ein handschriftlicher Eintrag Löwiths hierüber in seinem Handexemplar auf S. 70 der Zeitschrift Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik LXVII (1932). 58Vgl. Löwith, Max Weber und Karl Marx [1932], 338–339, 344.

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hervorbringt – von der „Idee“, geschieden von der empirischen Tatsache, also „von dem, was innerhalb dieser kapitalistischen Welt den Menschen zu einem ‚Menschen‘ macht“. So sollte das „authentische“ Forschungsthema der beiden Denker letztlich mit dem Kern seiner anthropologischen Philosophie übereinstimmen, also mit der Plausibilität des Existenzideals, dem ein paradigmatischer Wert zukommt. In der Tat rechtfertigt ein spezifisches anthropologisches Credo die Marx’sche Kritik an Verhältnissen, die ihm unter verschiedenen Aspekten unmenschlich erschienen waren. Der Warenfetischismus, die Aufspaltung des Menschen in Bourgeois und Citoyen, das Elend des Proletariats. Kurzum, die gesamte Phänomenologie der Entfremdung im Kapitalismus bei Marx wurde von Löwith als wirtschaftliche, politische und soziale Variation über ein einziges Thema aufgefasst, nämlich als der von den modernen Individuen erfahrene Selbstverlust.59 Gegenüber dieser Phantasmagorie von ‚Zauberei‘ und ‚Mysterien‘, die Marx revolutionieren wollte, um die Menschlichkeit für jeden zu verwirklichen, nahm Weber eine Haltung ein, in der sich Verweigerung und Annahme miteinander verbinden. Nach Löwith bewegte Weber nicht mehr der Faustische Traum eines ‚allseitigen‘ Menschen, der noch Marxens Feder geführt hatte, sondern die Idee einer freien, verantwortlichen und selbständigen Subjektivität, deren Menschlichkeit die Grenzen der Privatsphäre allerdings nicht überschritt.60 Doch nur eine Welt ohne eindeutige Bedeutung vermag eine derartige Perspektive zu rechtfertigen. Die Fähigkeit, positive Konsequenzen aus etwas zu ziehen, das nicht da ist, die „positive Glaubenslosigkeit“61 dessen, der eine entzauberte Wirklichkeit hinnimmt, ohne darauf zu verzichten, einen letzten Rest Menschlichkeit zu retten, bildeten auch für Löwith das wesentliche Merkmal eines der modernen Verfasstheit gemäßen Menschenbildes. Der Unterschied zwischen Individuum und Person, der in der Darstellung von Das Individuum zum 59Vgl. auch Löwith, Jacob Burckhardt. Der Mensch inmitten der Geschichte [1936], in: LS 7, 358–359; Man’s Self-Alienation in the Early Writings of Marx [1954], in: LS 5, 70–93, eine Schrift, die zahlreiche Seiten des Aufsatzes untersucht. 60Nach seiner Lektüre der Abhandlung teilte Siegfried Kracauer Löwith am 18. Dezember 1963 mit, dass ihm „[d]er Begriff des Menschen bei Weber […] zum ersten Mal ganz klar geworden [sei]“ (DLA A:Löwith). Ein Textporträt über Weber findet sich bei Kracauer, Die Wartenden, 113–114. Dass der Hauptgegenstand von Webers Forschung nicht das Thema der abendländischen Rationalisierung betrifft, sondern den aus ihr resultierenden Menschentypus, behauptet etwa Wilhelm Hennis. Seiner Ansicht nach verfehlten jedoch Löwith und weitere frühe Interpreten wie Siegfried Landshut, „nachdem sie wie kein anderer nahe dran waren […] letztlich den Kern des Problems.“ (Hennis, La problematica di Max Weber, 236). 61Löwith, Max Weber und Karl Marx [1932], 364.

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Ausdruck kommt, bildet den Hintergrund, vor dem diese Würdigung von Webers Vorschlag einzuordnen ist. Tatsächlich betrachtet Marx die Arbeitsteilung, die Untergliederung der individuellen Tätigkeit in Rollen, nur als pathologische Quelle der Entfremdung und damit als unumgängliches Hindernis bei der Verwirklichung des Menschen. In der „Bewegungsfreiheit“ derer, die mit den eigenen gesellschaftlichen Masken nicht vollends übereinstimmen, hebt Weber dagegen die „negative Kraft“ hervor, die es erlaubt, für sich selbst und gegen die Welt zu kämpfen. Die unvermeidliche Einordnung in das funktionale Universum der Moderne wird somit zur Voraussetzung für die Chance, man selbst zu sein. Genau diese Form der kämpferischen Resignation, die sicher nicht frei von widersprüchlichen Elementen ist, scheint Löwith gegenüber der von Marx fortgesetzt gehegten Hoffnung auf eine abschließende Versöhnung aller Widersprüche vorzuziehen. Allerdings schreibt das Curriculum Vitae von 1959 der Abhandlung einen unentschiedenen Ausgang zu: „Webers existenzieller Relativismus in Bezug auf die freie Wahl eines obersten Wertes schien mir ebenso unhaltbar wie die marxistische These vom Menschen als einem sozialen Gattungswesen […].“ (CV 453–454) Während sich Marxens Modell mit den Thesen der Anthropologie des Mitmenschen eindeutig als unvereinbar erweist,62 ist es schwieriger, den Ursprung der Vorbehalte gegenüber Weber genau zu bestimmen. Denn die in der autobiographischen Stellungnahme anklingende Zurückweisung des nihilistischen Dezisionismus geht auf philosophische Optionen zurück, die zur Zeit der Ausarbeitung der Studie noch keine Gestalt angenommen hatten.63 Ein Hinweis auf zwei Schutzgottheiten kann hier von Nutzen sein. In der Tat variiert das Weber’sche Existenzideal das für Burckhardt ganz wesentliche Motiv der „freien Persönlichkeit“. Die hierfür kennzeichnende asketische und negative Unabhängigkeit will aber mühsam errungen sein: „Diese

62Im später gestrichenen Schluss der ersten Druckfassung des Aufsatzes wird eine explizite Zurückweisung von Marxens Anthropologie unmittelbar mit der allgemeinen Plausibilität der Untersuchung in Verbindung gebracht: „Menschliche Wahrheiten gibt es aber prinzipiell mehr als eine – solange nämlich der Mensch kein ‚Gattungswesen‘ ist. Daß er dies nicht ist, liegt aber bereits im Sinne des als Unterscheidung durchgeführten Vergleichs“ (Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik LXVII [1932], 214). 63Eine gemeinsame Schwachstelle teilweise hervorragender Interpretationen dieser Studie besteht in der unzureichenden Differenzierung von Löwiths Einstellung des Jahres 1932 gegenüber der später vertretenen Position. Eine dezisionistische Auslegung Webers wird angerissen in Löwith, Jacob Burckhardt [1936], 153–154 und ausgeführt in Löwith, Max Weber und seine Nachfolger [1939], in: LS 5, 408–418. Letzterer Text ging später ein in Löwith, Max Weber und Carl Schmitt [1964]. Zur Veröffentlichung dieses Artikels existiert ein Briefwechsel zwischen Löwith und Dolf Sternberger (DLA A:Löwith, A:Sternberger).

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Bewegungsfreiheit ist das, was sich Weber nicht eigentlich ‚gerettet‘, sondern pausenlos erkämpft hat, beinahe aus Liebe zum Kampf selbst. Gerettet hat sie sich ein Mensch wie Jacob Burckhardt, der bewusst zur ‚privaten‘ Sphäre und zur Kultur ‚Alteuropas‘ zurückgekehrt ist.“64 Die Beibehaltung einer oppositiven Bindung, die dem beharrlichen Bedürfnis nach einem Widersacher entspringt – eine Beschränkung, die seit der Dissertation auch in sämtlichen Arbeiten zu Nietzsche hervorgehoben wird – wirft einen Schatten auf die von Weber verfochtene tatsächliche Unabhängigkeit und kann eine nur teilweise Annahme seines Vorschlags plausibel machen. Eine Zustimmung zu Webers Thesen findet sich weiterhin in brieflichen Äußerungen widerrufen, in denen eine bereits im Schlussteil der Antrittsvorlesung über Hegel und Burckhardt erkennbare Tendenz wiederkehrt. Nach Löwiths Plänen hätte auch der Aufsatz von 1932 mit dem Verweis auf eine Perspektive schließen sollen, die die Einseitigkeit der beiden Denker zu korrigieren vermag. Am 18. April jenes Jahres schrieb er an Heidegger: „Welche Bedeutung dabei für mich die gesellschaftliche Problematik gewonnen hat (und nicht das ‚Ich-Du‘-Problem), werden Sie ja aus dem Weber-Marx ersehen haben, wenngleich ich im Archiv für Sozialwissenschaften dort Halt gemacht habe, wo das philosophische Problem einsetzt.“ (MH/KL 180–181) Aus finanzieller Not heraus wurde die Publikation einer Arbeit vorgezogen, die als Teil eines umfangreicheren Vorhabens gedacht war. So präzisierte Löwith am 20. April in einem Brief an Herbert Marcuse: „Das philosophische Problem beginnt natürlich dort wo ich aufhöre im Archiv u. würde auf eine ‚Dialektik‘ der Selbstentfremdung bzw. Rationalisierung hinauslaufen – im Gegensatz zu den gewaltsamen [?] Lösungen von Marx und Weber.“65 Es lässt sich wohl zu Recht annehmen, dass die ausgebliebene Ergänzung jene verantwortliche Subjektivität betroffen hätte, die für Weber, wie auch für Löwith, das positive ethisch-anthropologische Korrelat der Entzauberung darstellte. Die ersehnte Dialektik hätte vielleicht einen Mittelweg zwischen Webers selbstaffirmativem Solipsismus und Marxens metaphysisch verbürgter Intersubjektivität gesucht, das heißt einen Weg, auf dem sich die Freiheit beschützen lässt, die sich im Unterschied zwischen Individuum und Person erschließt und erhält.66

64Löwith,

Max Weber und Karl Marx [1932], 363. Löwith an Herbert Marcuse, 20. April 1932 (UBF NL Marcuse). Das nur schwer entzifferbare Adjektiv könnte „gewaltsam“ lauten. 66Für einige Anregungen hierzu vgl. Weiß, Max Weber: Die Entzauberung der Welt, 42–45. 65Karl

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Die Ambivalenz der Entzauberung Zu Beginn der 1930er Jahre erlebte Löwith intellektuell betrachtet einen kreativen Höhenflug. Auf die Abfassung der Abhandlung über Weber und Marx folgte eine Reihe von Arbeiten, in denen er mit glücklicher Hand gegen die hervorstechendsten Autoren und Positionen im deutschen Diskurs jener Jahre polemisierte und seiner theoretischen Ausrichtung somit ein besonders ausgeprägtes Profil verlieh. Ein Brief an Leo Strauss vom 21. November 1932 skizziert die wichtigsten Züge seiner damaligen Tätigkeiten in Lehre und Forschung. In diesem Schreiben erklärt Löwith, er wolle „zeigen wie wenig die Verweltlichung geglückt ist und wie zweideutig dieses säkularisierte Verhältnis der modernen Menschen zur ‚Welt‘ ist. Konkret will ichs zeigen: 1) Kritik an Heidegger und Jaspers und 2. positiv in der Fortführung meiner Habilitationsschrift […].“ (KL/LS 611) Auf der Grundlage dieser programmatischen Aussagen begann er damit, das Nihilismus-Thema zu untersuchen, das fortan immer entschiedener ins Zentrum seiner Reflexion rückte. Den Ausgangspunkt des Artikels Existenzphilosophie und der ausführlichen Rezension Die geistige Situation der Zeit, die in den Jahren 1932 respektive 1933 veröffentlicht wurden, bildete ein sehr erfolgreiches Buch, in dem Karl Jaspers den Inhalt seiner dreiteiligen Philosophie in eine ebenso düstere wie verschwommene Epochendiagnose übertrug.67 Die ersten Begegnungen mit diesem Autor wie auch mit seiner Psychologie der Weltanschauungen gehen auf die Zeit zurück, als Löwith Jaspers als möglichen Betreuer seiner Dissertation in Betracht gezogen hatte. In jenen Jahren hatte Heidegger Jaspers, wenn auch mit einigen Vorbehalten, zum einzigen Verbündeten in einer „Kampfgemeinschaft“ gegen die Philosophie jener Zeit gewählt.68 Doch rund zehn Jahre später war von dieser fragilen Euphorie nicht mehr viel übrig. Am 21. Dezember 1932 offenbarte Heidegger 67Vgl. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, und Ders., Philosophie. Jaspers kommentierte die Rezension in einem Brief vom 8. Dezember 1931, der in dem Exemplar des Bändchens verwahrt ist, das Löwith vom Verfasser zugeeignet wurde. Der Brief ist nicht enthalten in Jaspers, Korrespondenzen. Philosophie. Jaspers, Band ist, wie ein Großteil von Löwiths Bibliothek, nicht mehr auffindbar. Über die Existenz des Schreibens, jedoch nicht über seinen Inhalt, informiert der Katalog Nr. 16 aus dem Jahr 1973 des Antiquariats Blank in Stuttgart, über das die Bibliothek veräußert wurde (Blank, Bibliothek Karl Löwith und andere Neuzugänge, 5). 68Vgl. Heidegger/Jaspers, Briefwechsel 1920–1963, 33. Jaspers legte seinen Standpunkt in dem ergänzten Kapitel in Philosophische Autobiographie dar sowie in Notizen zu Martin Heidegger. Bereits im Winter 1923/1924 hatte Jaspers ausgerechnet von Löwith erfahren, dass ihn Heidegger aufgrund abweichender Ansichten zur Universitätsidee keineswegs als „Kampfgenossen“ ansah (Heidegger/ Jaspers, Briefwechsel 1920–1963, 293).

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Bultmann seine Enttäuschung über Jaspers’ Pamphlet und äußerte zugleich seine Befürchtung, die Lektüre der Trilogie werde nicht zur Verbesserung der Lage beitragen. Dagegen bemerkte er Elisabeth Blochmann gegenüber in sarkastischem Ton: „Ich sah, dass man über die ‚geistige Situation der Zeit‘ schreiben kann, ohne vom wirklichen Geschehen berührt zu sein – oder auch nur zu wissen.“69 Einige Tage zuvor war auch Löwith mit ähnlichen Eindrücken in Bezug auf diesen „Kurswechsel hin zu einem christlichen Weltbild“ konfrontiert worden, der nicht mit der „authentischen Ausrichtung meiner Schriften“ übereinstimmt, die fälschlicherweise als „Existenzphilosophie“ abgetan werden. Jaspers war nicht die alleinige Zielscheibe dieses Seitenhiebs, da Löwith selbst dazu neigte, die beiden Autoren diesbezüglich zusammenzudenken. Am 18. April 1932 hatte er, den Einwand seines Lehrers Heidegger gleichsam voraussehend, ihm mit einer gewissen Angst die Inhalte seiner Lehre erläutert: „Obgleich ich weiß, dass es Ihnen primär nicht auf ‚Existenzphilosophie‘ ankommt, sondern auf eine Wiederholung der geschichtlichen Ursprünge der abendländischen Philosophie überhaupt, lese ich diesmal: ‚Kierkegaard und die Existenzphilosophie‘ und dazu Übungen zu Sein und Zeit – ich habe damit 4 Jahre gewartet, kann es aber, glaube ich, jetzt riskieren“ (MH/KL 180). Jaspers gegenüber schien Löwith stets die erhabene Verachtung zu hegen, die man jenen vorbehält, die gerade solche Probleme banalisieren, die einen am meisten betreffen. Die Übereinstimmung der behandelten Autoren trug lediglich dazu bei, die Unannehmlichkeiten noch zu verschärfen. Beispielhaft hierfür sind die abschätzigen Sätze, mit denen er am 18. Oktober 1934 Jacob Klein über den Inhalt einer anstehenden Monographie von Jaspers unterrichtete: „Nach dem, was er mir davon – vertraulich – erzählte, dürfte es ähnlich, wie sein M. Weber eine Anwendung seiner Philos[ophie] auf N[ietzsche] sein, d. h. er lässt ihn antinomisch ‚transzendieren‘ und weicht ihn ‚dialektisch‘ auf. […]“70 Ein Urteil, das Löwith nicht nur freundschaftlich verbundenen Kollegen anvertraute, sondern auch öffentlich in all seinen Schriften kundtat. Somit ist der verletzte Stolz nicht verwunderlich, den Jaspers zum Ausdruck brachte, als er im März 1947 dem in die Vereinigten Staaten exilierten Kollegen seine neueste Studie zu Nietzsche zukommen ließ: „Ich tue es mit einer gewissen Scheu, denn ich weiss, dass

69Heidegger/Blochmann, 70Karl

Briefwechsel 1918–1969, 61. Löwith an Jacob Klein, 18. Oktober 1934.

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für ihre Denkungsart die Weise, wie mich Nietzsche interessiert, gleichgültig ist. Sie fühlen sich in einer gewissen Modernität, der ich meinerseits wenig Zutrauen schenke, ohne mich doch unmodern zu fühlen.“71 Diese Vorbehalte fanden ihren Kristallisationspunkt in der Untersuchung jener Kategorie, die im Zentrum von Jaspers’ Modernitätsdiagnose steht: der Existenz. Bereits in seinen früheren Aufsätzen von 1930 über Phänomenologie und protestantische Theologie hatte Löwith die Frage aufgeworfen, ob dieser Begriff die menschliche Wirklichkeit tatsächlich erfassen würde. Anhand einer Untersuchung von Heideggers „Sein zum Tode“ hatte er eine negative Antwort auf die Frage skizziert, da der von seinem Lehrer gewählte Existenzbegriff im Bereich einer religiösen Lebensauffassung verblieb. In der übertriebenen Individualisierungsinstanz, die ihn kennzeichnet, entdeckte Löwith tatsächlich die Spuren einer christlich geprägten Selbstsorge: Eine „krypto-theologische“ Formalisierung – der Begriff „Verweltlichung“ kommt auf diesen Seiten noch nicht vor –, die sich vollberechtigt in die Tradition der „Halbpfarrer“ der klassischen deutschen Philosophie einreiht.72 Die nachfolgenden Schriften vertieften diese Kritik noch, indem aufgezeigt wurde, dass der von Jaspers gewählte Ansatz eine „perspektivische Illusion“ erzeuge, welche die Moderne in das Reich des vollendeten Nihilismus verkläre. Diesen Standpunkt wies Löwith in einem Brief an Strauss vom 8. Januar 1933 mit entschiedenen Worten zurück: „Was ich an Jaspers bekämpfe ist dass er aus dem Nihilismus nicht die positiven Konsequenzen zieht, weil [er] ein romantischer Bildungsmensch ist, mit einer lächerlichen Angst vor der ‚Nivellierung‘ und ‚Banalität‘.“ (KL/LS 618) Eine derartige Haltung verfälschte die „positive Glaubenslosigkeit“ Webers gegenüber der Ambiguität der Entzauberung. Jaspers predigte gewiss keinen ‚salto mortale‘ ins religiöse Leben, aber er verzichtete auch nicht auf eine transzendente Dimension als einzige Alternative zur Aufhebung des Individuums im Räderwerk der modernen Apparaturen. Im Harvard Paper würde Löwith diese Flucht aus dem Nichts ironisieren, die zu einem „philosophischen Leben“ führt, „das nirgends und überall ist.“ (ML 72) In der vermeintlichen Freiheit von der Mittelmäßigkeit der

71Der Briefwechsel zwischen Löwith und Jaspers wird im DLA Marbach (A:Jaspers, A:Löwith) aufbewahrt und teilt sich auf die Nachlässe der beiden Autoren auf. Der gesamte Briefwechsel wurde veröffentlicht in Jaspers, Korrespondenzen. Philosophie, 496–540, 508–509. 72Vgl. Löwith, Grundzüge der Entwicklung der Phänomenologie zur Philosophie und ihr Verhältnis zur protestantischen Theologie [1930], 44, 62–63, 94. Vgl. auch Phänomenologische Ontologie und protestantische Theologie [1930], 28.

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Masse und von jeder Beziehung zur Welt, verriet sie eine durchweg bürgerliche Blindheit gegenüber der Macht der Wirklichkeit, sowie das Festhalten an einem veralteten theoretischen Paradigma, nämlich dem in der eigenen Abgeschiedenheit verschlossenen Selbstbewusstsein.73 In dieser „Verweltlichung“ der christlichen Anthropologie, die im Verhältnis zu Gott die menschliche Erfahrung schlechthin ermittelte, drückt sich aber auch die von Jaspers gegenüber Kierkegaard aufgenommene Schuld aus. Einer Gegenüberstellung zwischen der Anthropologie des dänischen Denkers und jener Nietzsches vor dem Hintergrund ihrer Nihilismus-Diagnosen sind diejenigen Arbeiten gewidmet, die den höchsten Ausarbeitungsgrad aufweisen, den Löwiths anthropologische Philosophie erreicht hat. Der Aufsatz Kierkegaard und Nietzsche und die Studie Kierkegaard und Nietzsche oder philosophische und theologische Überwindung des Nihilismus, die beide 1933 erschienen, erörtern explizit das Problem des Nihilismus.74 Gemäß einer bewährten Strategie näherte sich Löwith dem Thema mittels eines Vergleichs zwischen zwei Autoren, die seine Bildungsjahre mit am stärksten geprägt hatten. Der durch Nietzsches Schriften hervorgerufene „unauslöschliche Eindruck“ und „eine dem entsprechende Abkehr von Kierkegaard“ waren tatsächlich für seine erste Begegnung mit der Philosophie prägend gewesen.75 Im Unterschied zu derjenigen von Marx und Weber war die Gegenüberstellung der beiden Denker zu jener Zeit schon keine besonders originelle Wahl mehr. Denn die Überzeugung, dass diese zwei Außenseiter die europäische Kultur vor eine gemeinsame Herausforderung stellen würden, war unter den Interpreten weit verbreitet. Jaspers beispielsweise hatte sie im Zeichen ihrer außerordentlichen Unzeitgemäßheit Seite an Seite gestellt: „[…] das immer deutlichere: vor dem Nichts stehen.

73„Wie wenig diese Problematik des ‚Selbstbewusstseins‘ überholt ist, zeigt die existenzphilosophische Alternative von ‚Selbst‘-sein und ‚Man‘-sein bei Heidegger, von ‚Massen‘-Dasein und ‚Selbstsein‘ bei Jaspers.“ (Löwith, Die philosophische Kritik der christlichen Religion im 19. Jahrhundert [1933], in: LS 3, 123, Anm. 42). Für entsprechende Aussagen vgl. Löwith, Existenzphilosophie [1933], in: LS 8, 18; Die geistige Situation der Zeit [1933], in: LS 8, 30–31; Kierkegaard und Nietzsche oder philosophische und theologische Überwindung des Nihilismus [1933], 58. 74Löwith hatte die Absicht, Heidegger den aus einem im Januar 1933 an der Universität Tübingen gehaltenen Vortrag hervorgegangenen Text zu widmen. Am 12. Juni desselben Jahres wies dieser, kurz nach seiner Einsetzung als nationalsozialistischer Rektor der Freiburger Universität, den Vorschlag zurück, aus Angst, es könne als opportunistische Geste ausgelegt werden (MH/KL 184–185). Die Schrift erhielt mehrere Rezensionen, darunter eine von Helmuth Plessner [1936], 15. Siehe auch ders., Überwindung des Nihilismus. Ferner in Vossische Zeitung (29. Oktober 1933); Emil Brunner [1933], 437–438; Friedemann [1934|, 519–521; Leese [1935], 94–95; Leese [1936], 104–105. 75Vgl. Löwith, Aufsätze und Vorträge 1930–1970 [1971], 7.

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Kierkegaard und Nietzsche sind die führenden Denker“.76 Obwohl er jene Parallele der Gegensätze zwischen Kierkegaard und Marx bereits skizziert hatte, die zu einem tragenden Element seiner Rekonstruktion des „revolutionären Bruchs im Denken des 19. Jahrhunderts“ werden sollte, erkannte auch Löwith Anfang der 1930er Jahre in den Texten Nietzsches wie auch in jenen des dänischen Denkers den unumgänglichen Ausgangspunkt zur Erforschung des Nihilismus-Phänomens.77 Bei Kierkegaard wird der Nihilismus als die Vergeltung dargestellt, die einer Gesellschaft auferlegt wurde, die Gott den Rücken gekehrt hat. Indem er einige Motive der Kritik an Jaspers wiederaufnahm, schrieb Löwith diese einseitige Diagnose der Entzauberung einer „philosophischen Existenztheologie“ als einer Anthropologie der Moderne zu, die ihr Verhältnis zum Christentum nicht geklärt hatte. Diese Annahme wurde durch eine Dekonstruktion des Begriffs des „Einzelnen“ ausgeführt und erhärtet. In dieser Kategorie, die dem dänischen Autor zufolge die „ursprüngliche Möglichkeit“ der menschlichen Natur enthielt, erkannte Löwith bloß die Züge einer christlich gewendeten Existenz.78 Der ‚salto mortale‘ in den Glauben, der die Entweder-Oder-Entscheidungen auflöst, die das Kierkegaard’sche Individuum quälen, lässt sich in der Tat nur dann als höchster Ausdruck von Echtheit verstehen – und folglich als der Weg, der vom Nichts zum Sein zurückführt –, wenn der Einzelne zum ausschließlichen Ort des Sinnproblems gemacht wird. Eine radikale Abgeschiedenheit von jeglicher intersubjektiven Beziehung fungiert so als Vorbote der metaphysischen Einsamkeit gegenüber einer Welt, die im Nichts verschwindet, einer „Krankheit zum Tode“, die Kierkegaard zufolge allein das Verhältnis zu Gott zu heilen imstande wäre.79

76Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, 13–14. In der ersten der 1935 in Groningen gehaltenen Vorlesungen über Vernunft und Existenz gibt Jaspers eine durchdachtere Rechtfertigung dieser Behauptung, vgl. Vernunft und Existenz. Fünf Vorlesungen, 5–41. In einem Brief an Jaspers vom 3. April 1936 dankte Löwith für die Zusendung des Bandes und erklärte, „sehr angetan von Ihrer glänzenden Darstellung ‚Nietzsche-Kierkegaard‘“ gewesen zu sein (Jaspers, Korrespondenzen. Philosophie, 502–503). 771941 sollte Löwith mit folgenden Worten den Stand seiner Forschungen zum Zeitpunkt der Niederschrift beider Werke beschreiben: „Die folgende Konfrontation von Marx mit Kierkegaard ist zugleich eine Korrektur an der von Nietzsche mit Kierkegaard, die bisher als die einzig sinnvolle und fruchtbare gilt. Der Verf. hat selbst zu ihr beigetragen, als er den geschichtlichen Zusammenhang mit Marx noch nicht in seiner ganzen Tragweite übersah“ (Löwith, Von Hegel zu Nietzsche [1941], 187, Anm. 37). 78Vgl. Löwith, Kierkegaard und Nietzsche oder philosophische und theologische Überwindung des Nihilismus [1933], 59. 79Löwith, Kierkegaard und Nietzsche oder philosophische und theologische Überwindung des Nihilismus [1933], 56; Kierkegaard und Nietzsche [1933], 84, wo stellenweise der Aufsatz Existenzphilosophie [1932] wieder aufgenommen wird, 5–6.

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Seit den in Fialas Tagebuch notierten Betrachtungen hatte Löwith in der Zugehörigkeit des Menschen zu einer gemeinschaftlichen Welt nicht nur die ursprüngliche Eigenschaft des Daseins aufgezeigt, sondern zugleich auch die wichtigste Quelle des Widerstands gegen die vom Suizid als nihilistischster aller Handlungen ausgehende Versuchung. Anhand dieses Postulats wurde Kierkegaards Einzelner in Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen als Reaktionsbildung angesehen, als das Ergebnis eines Auflehnungswillens gegen eine geteilte Wirklichkeit.80 Die Auseinandersetzung mit Marxens Schriften und die infolgedessen der sozialen Dimension zuerkannte Bedeutung hatten die Tendenz weiter verstärkt, die „antipolitische“ Instanz, die den von Kierkegaard verfochtenen „unpolitischen“ Daseinsbegriff, so wie auch seine Wiederaufnahme durch Heidegger und Jaspers beseelt, anzuzweifeln. In dieser Hinsicht, und weit davon entfernt, den Kern der Echtheit auszumachen, stand das „Selbstsein“ vielmehr für die „Ausgeburt einer Auflösung aller bestehenden Ordnungen des menschlichen Zusammenlebens“, für die philosophische Rechtfertigung der „Weltlosigkeit“.81 Also kein Heilmittel gegen den Nihilismus, sondern ein Symptom desselben; das Ergebnis jener „geistigen Bankrotterklärung“ Europas, aus der Kierkegaard „religiösen Profit“ schlagen wollte, indem er den Zerfall der Gesellschaft als notwendige Bedingung zur Rettung der Individuen ansah. In dem von Kierkegaard aufgezeigten Heilmittel erkennt Nietzsches „Lebensphilosophie“ die Hauptursache jenes Übels, von dem dieser erklärt hatte, es bekämpfen zu wollen. Nietzsche zufolge befriedigt das Christentum in pathologischer Weise das Bedürfnis nach einem Sinn, der das Dasein angesichts des Nichts rechtfertigt. Dem Schwinden aller Werte stellte er also nicht die Wahrheit einer Religion gegenüber, sondern den noch radikaler als bei Descartes geäußerten Zweifel hinsichtlich des Umstands, dass das Leben wirklich einer Rechtfertigung bedarf.82 Erst dieses Verdächtigungsverfahren veranlasste ihn zur Reise in ein „Neuland der Seele“ auf der Suche nach einem Verhalten „jenseits von Gut und Böse“, nach einem „dionysischen

80Vgl.

IR 190–194. Existenzphilosophie [1932], 9, 15. Es ist zu unterstreichen, dass Löwiths Argumentationsweise die Kritik des moralischen Bewusstseins nachahmt, die in Hegels Grundlinien der Rechtsphilosophie vorkommt. Auch hierbei geht es tatsächlich um ein Bewusstsein, das sich in die Innerlichkeit zurückzieht, da ihm die bestehende Welt der Freiheit untreu geworden ist. Besonders einleuchtend ist Löwiths Rezension zur Kierkegaard-Monographie des Husserl-Schülers Martin Thust (LS 2, 389–390). Für eine umfassendere Behandlung des Motivs vgl. Löwith, Jacob Burckhardt [1936], 165–172. 82Zum Thema vgl. auch Löwith, Descartes’ vernünftiger Zweifel und Kierkegaards Leidenschaft der Verzweiflung [1937], 75–79. Das Thema wurde bereits untersucht in N 19–20, sowie in L. Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie [1928], 21. 81Löwith,

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Ja“ zum Leben als Voraussetzung einer Moral, die mit der wahren Natur des Menschen im Einklang steht. Löwith erscheint in Bezug auf die größere Tragweite dieses Unterfangens niemals unschlüssig gewesen zu sein: „Im offenen Horizont von Nietzsche gesehen, ist Kierkegaards Absprung von der Verzweiflung in den Glauben ein ‚salto mortale‘, der die Augen vor den Möglichkeiten des Nihilismus verschließt.“83 Mit einem im Vergleich zu Kierkegaard deutlich stärker ausgeprägten Gefühl für die Feinheiten erkannte Nietzsche im Nihilismus tatsächlich „keine Grundbestimmung des menschlichen Daseins“, aus der ein religiöser Weg herausführen könnte, und ebenso wenig die Herrschaft des „Absolute[n], in der Form des Nichts“. Vielmehr wurde der Nihilismus als ein von grundlegender Ambivalenz gekennzeichnetes Zwischenstadium angesehen, als die äußerste von der Menschheit erfahrene Form von Pessimismus und Schwäche, aber auch als Vorbote gänzlich neuer, glücklicher Lebensumstände. Am Anfang seines Also sprach Zarathustra beschreibt Nietzsche die schwerste der Verwandlungen des menschlichen Geistes, nämlich jene, in der sich das „ich will“ des in der eigenen Freiheit gefangenen Geistes in das „ich bin“ des Kindes verwandelt, das „Unschuld ist […] und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, […] ein heiliges Ja-sagen“.84 Diese Form von Natürlichkeit wird in der Lehre von der ‚ewigen Wiederkehr des Gleichen‘ angekündigt, die zugleich den Höhepunkt des Nihilismus und seine mögliche Überwindung darstellt. Es war jedoch der Wahnsinn und nicht die Bekehrung zu Dionysos, der Nietzsche den Ausweg aus dem Nichts wies. In diesem tragischen Ausgang erahnte Löwith alle Anzeichen der persönlichen Zerbrechlichkeit, aber auch die Schwäche einer Theorie, die zwischen wissenschaftlicher Feststellung und ethischer Vorschrift schwebte.85 Denn diese schreibt vor, dass die Sinnlosigkeit der Welt nicht nur als objektive Tatsache hingenommen, sondern außerdem mittels einer Entscheidung festgelegt werde: Was die Wahrheit sein sollte, wird somit zu einem existenziellen Vorhaben und zu einer Auslegung. Der genauen Analyse dieser Inkohärenz, welche die Aufrechterhaltung des modernen Glaubensprinzips im Willen von einer Perspektive aus erkennen lässt, die den antiken ‚Amor fati‘ preisen wollte, widmet Löwith die 83Löwith, Kierkegaard und Nietzsche oder philosophische und theologische Überwindung des Nihilismus [1933], 64. 84Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen, 25–27. 85Zum Folgenden vgl. Löwith, Kierkegaard und Nietzsche oder philosophische und theologische Überwindung des Nihilismus [1933], 69–73, 93.

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zentralen Seiten seiner Nietzsche-Monographie von 1935. In den hier untersuchten Abhandlungen hingegen geht es ihm vielmehr darum zu zeigen, inwieweit die Wiederkunftslehre auf nicht plausiblen anthropologischen Prämissen beruht. Daraus leitet Löwith zahlreiche jener Aspekte ab, die sie als einen „Religionsersatz auf dem Standpunkt des Atheismus“ erscheinen lassen. Was ihr zugrunde liegt – und das ist das beherrschende Thema der Seiten, die bisweilen verschiedene Widerlegungsstrategien unharmonisch miteinander verflechten – wäre also eine fehlerhafte Einschätzung der Natur des Menschen. Demnach wäre jenes Neuland, das Nietzsche auf seiner Seefahrt entdecken wollte, nämlich die menschliche „Natürlichkeit“, nichts anderes als eine philosophische Wahrnehmungstäuschung. In der Tat kann für Löwith überhaupt ‚menschlich‘ nur sein, „was allgemein-menschlich ist, so wie ‚natürlich‘ nur sein kann, was durch die universale Natur zum Wesen des Menschen gehört. Beides ist aber auf je geschichtliche Weise allgemein. Auch die Natürlichkeit des Menschen hat, als eine menschliche, ihre Geschichtlichkeit“.86 Indem er der Schimäre einer Natürlichkeit ohne historische Aussagekraft nachhing und somit in Wirklichkeit ein genau umrissenes Existenzideal verfocht, stürzte Nietzsche letztlich nur jenes Menschenbild um, das in seinen Augen die Quintessenz der Unnatürlichkeit symbolisierte, nämlich das christliche. Damit erweist sich seine Anthropologie als eine reine Umkehrung der von Kierkegaard vertretenen Haltung. Dies berechtigte Löwith dazu, wie gewohnt die Grenzen der beiden Autoren kreuzweise aufzuhellen. Ein solches ‚Quid pro quo‘ bestimmte, unbeschadet seiner Vorliebe für Nietzsches Entwurf, das substanzielle Scheitern ihrer Versuche. Im Unterschied zu dem angesichts des Aufsatzes über Weber und Marx Erhofften, ließ er sich jedoch nicht auf eine dialektische Vermittlung der einander gegenübergestellten Sichtweisen ein, sondern rückte den eigenen Forschungsansatz scharf in den Vordergrund. Nachdem er erklärt hatte, dass das „Menschsein weder darin aufgeht, eine ‚Existenz‘ zu sein, noch darin, am ‚Leben‘ zu sein“, positionierte er sich „jenseits von Kierkegaard und Nietzsche“, um die „Grundfrage einer sich selbst verstehenden philosophischen ‚Anthropologie‘“ zu stellen, also die Frage danach, „was überhaupt spezifisch ‚menschlich‘ ist“.87 Die Seiten, auf welchen die deutlichste Antwort auf diese Frage gewagt wird, gehören nicht zu denen, die für den Druck bestimmt waren. Tatsächlich

86Löwith, 87Löwith,

Kierkegaard und Nietzsche [1933], 97. Kierkegaard und Nietzsche [1933], 95–96.

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kam die Untersuchung des Nihilismus im Rahmen der anthropologischen Philosophie in einem Briefwechsel mit Leo Strauss vom Winter 1932/1933 zu einem relativ kohärenten Ergebnis. Die darin von Löwith vertretene Haltung lässt sich als Glosse zu einem aus der nachfolgenden Ausgabe getilgten Satz in der Monographie von 1933 auffassen, der die „Produktivität“ des Nihilismus würdigte, und zwar erfreut über den Umstand, dass seine mögliche Überwindung keinesfalls mit seiner Beseitigung zusammenfallen könnte: „Wäre der Nihilismus jemals restlos beseitigt, so könnte sich der Mensch als Mensch begraben lassen. Denn die bewegende Kraft in allem menschlichen Geschehen ist stets die ‚Kraft der Negation‘, das mögliche Ja auf Grund eines möglichen Nein.“88 Im Brief vom 30. Dezember 1932, der diese Diskussion eröffnete, zeigte sich Strauss über die Entschiedenheit verwundert, mit der Löwith die Frage nach dem Wesen des Menschen stellte. Das in dem Begriff enthaltene Element der Unveränderlichkeit wurde durch den historisch bestimmten Charakter, den er für jene Kategorie geltend machte, tatsächlich entkräftet. Die Gefahr, der er das Vorhaben des Freundes ausgesetzt sah, entsprach jener, die dieser in Nietzsches Vorhaben ausgemacht hatte: die Unmöglichkeit, aus einer Unmenge von Interpretationen das ‚wahre‘ Sein des Menschen zu entnehmen. Ursächlich hierfür war, dass es Löwith, nachdem er die „Grenzen des Historismus“ erreicht hatte, nicht wagen würde, diese zu überschreiten, um das „unversehrte“ Menschheitsideal zu erlangen, das von der antiken griechischen Kultur bewahrt wird. Die Antwort Löwiths vom 8. Januar 1933 ging von der Ablehnung jeder Verurteilung der Unechtheit der Gegenwart auf Grundlage einer der Vergangenheit angehörenden Lebensform aus. Derartige Kritiken verkennen die Ambiguität der Entzauberung und leben von der in einem Brief vom 2. August desselben Jahres so bezeichneten „Pseudotheologie vom ‚Ursprung‘“ (KL/LS 635). Anders als Nietzsche, erträumte sich Löwith keinen „vollständigen Rückgang auf die Vorsokratiker“ als Ausgangspunkt eines „sehr Bismarckschen ‚Willen[s] zur Macht‘“ (KL/LS 615). Im Gegensatz zum „unglückselige[n] Kierkegaard“ strebte er auch nicht danach, „‚Verlorenes‘ [zu] wieder-holen und [zu] rehabilitieren“ (KL/LS 617), die Wahrheit eines Christentums also, das nunmehr ohne Glaubwürdigkeit dasteht. Und ebenso wenig wie Strauss sorgte er sich um das Schicksal einer nie

88Löwith,

Kierkegaard und Nietzsche oder philosophische und theologische Überwindung des Nihilismus [1933], in: LS 6, 538–539.

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dagewesenen menschlichen Integrität, auch nicht in einer Zeit, die über einen privilegierten Zugang zur Wahrheit verfügen sollte. Er verfolgte ganz andere Absichten: „Ich will also nicht utopisch auf die Natur des Menschen zurück, sondern ich möchte aus dem was für uns tatsächlich allgemeinmenschlich geworden ist – wie z. B. Geld und Arbeit! – und uns als ‚natürlich‘ gilt die ‚eigentlichen‘ Möglichkeiten heraus entwickeln.“ (KL/LS 616). Es ging also nicht darum, von einem Zustand verlorener Natürlichkeit zu träumen, sondern vielmehr darum, Interpretationen vorzubringen, die von der „2. Natur“ des modernen Menschen ausgehen – von seiner „Künstlichkeit“ mit dem Status einer offenkundigen Tatsache. Bei dieser „so unnatürlich[en]“ Auffassung „von der Natur des Menschen“ (KL/LS 617) erwies sich die Wandelbarkeit der menschengemachten Elemente, die Strauss als Hindernis ansah, schließlich als eine Quelle der Möglichkeiten. Tatsächlich fasste Löwith die „Geschichtlichkeit der Vernunft“ (KL/LS 616) als etwas Selbstverständliches auf, wobei er dennoch eine unhistorische, der Zukunft zugewandte Intentionalität beibehielt: „Ich kenne auch eine Art von Ursprünglichkeit, aber die liegt nicht zurück, sondern vor mir und sie deckt sich der Idee nach weitgehend mit Nietzsches ‚Unschuld‘ des puren Daseins […].“ (KL/LS 617) Diese auf einem erneuerten Kategorieninstrumentarium beruhende Treue gegenüber den Absichten von Nietzsches Experiment ging mit einer entschiedenen Milderung seines theoretischen Pathos einher. Obwohl er behauptete, „[d]ie wahre Tugend der Philosophie [sei] doch der Gleichmut der Gleichgültigkeit – welche nicht mehr unterscheidet zwischen […] Gut und Böse, Eigentlich und Uneigentlich ect. ect., sondern mit Nietzsche das Dasein im Ganzen […] bejaht“ (KL/LS 619), nahm Löwith Abstand von einer ausschließlich auf Grenzsituationen und Abgründe des Nichts ausgerichteten Sensibilität, um das Prinzip zu verteidigen, wonach „ein Mensch dadurch ein Mensch ist, daß er das Allgemeine in seiner Normalität verwirklicht.“89 Aber die Normalität ist etwas Seltenes. Verstreute Suggestionen in den Schriften dieser Zeit tragen dazu bei, sie als die Art und Weise zu skizzieren, wie jeder wird, was er ist und damit zugleich eine allgemeine Menschheitsidee verwirklicht. Wie ein gelungenes Verhältnis zu den Teilen der eigenen Identität, die sich mit Hilfe der Metaphern des Gleichgewichts, des „die eigene Mitte in sich selbst zu haben“, des „anders sein zu können als was man ist“ beschreiben lässt, an die sich die von Burckhardt und Weber 89Löwith,

Existenzphilosophie [1932], 17–18.

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gelobte reife Fähigkeit zum Verzicht bindet. Von Nietzsche her stammen hingegen jene Sinnbilder, die dasselbe Motiv anders gestalten: Der „freie Geist“ mit seinem gesunden Egoismus, der „gute Europäer“, der das Dilemma von Glaube und Atheismus auflöst, und der „gut gelungene“ Mensch als beispielhafte Fleischwerdung eines individuellen Gesetzes.90 Bis auf wenige Ausnahmen bemühte sich Löwith niemals darum, diese Andeutungen weiterzuspinnen. So war es einmal mehr an Strauss, deren Bedeutung für das „Recht der Moderne“ zu erkennen. Sein Brief vom 5. September 1933 macht deutlich, wie die Haltung des Freundes den Verweis auf eine Wahrheitsinstanz nicht beseitigen konnte, von der er im Gefolge Nietzsches jedoch kohärenter Weise hätte Abstand nehmen müssen.91 Am 30. Dezember 1932 hatte er aber schon einen Einwand formuliert, aus dem Löwith ohne zu zögern Kapital schlagen würde: Ich will meine Kritik daher ganz allgemein so ausdrücken: Ich finde bei Ihnen alle Elemente eines Humanismus, einer menschlichen Philosophie vom Menschen; aber diese Elemente schiessen nicht zusammen – und zwar darum nicht, weil Sie sich allzu sehr an den Erben unserer anti-humanistischen Tradition orientieren und folglich nicht aus dem Bann dieser Tradition herauskommen. Ist es zufällig, dass aller Humanismus, den es gegeben hat, sich als Rückgang auf die Griechen verstand? Und warum glauben Sie, dieser Notwendigkeit entgehen zu können? (KL/LS 614)

90Vgl. z. B. Löwith, Phänomenologische Ontologie und protestantische Theologie [1930], 27, und Löwith, Grundzüge der Entwicklung der Phänomenologie zur Philosophie und ihr Verhältnis zur protestantischen Theologie [1930], 65–66, 94. Aus Nietzsches Werken vgl. z. B. Die fröhliche Wissenschaft, 310–313, und Ecce homo. Wie man wird, was man ist, 265. Der Aufsatz, in dem Löwith diese Motive klarer erläutert, ist Can there be a Christian Gentleman? [1948], 28–36. Vgl. die gekürzte deutsche Fassung unter dem Titel Der christliche Gentleman, in: LS 3, 163–170. 91Der Geist dieses Briefwechsels spricht etwa aus einem Brief von Strauss an Jacob Klein: „Vor einigen Tagen bekam ich ein pompös ausgestattetes Heft: Löwiths Tübinger Vortrag über Nietzsche und Kierkegaard. Ich habe ihm eine, wenn auch suaviter in modo gehaltene, vernichtende Kritik davon geschickt“ (Strauss/Klein, Korrespondenz, 469).

Die Verantwortung der Philosophie

Am 23. April 1933 richtete Löwith an Moritz Geiger als den einzigen seiner Lehrer, an den er sich noch „in vollem Vertrauen“ wenden konnte, die folgenden bitteren Worte: [Ü]ber die dankbare Verbundenheit eines Schülers hinaus veranlasst mich in dieser Zeit eines programmatischen Antisemitismus ein atavistisches Solidaritätsgefühl mich nach Ihrem Ergehen zu erkundigen. Ich weiß nicht ob Sie zu den im Beamtengesetz ‚Zugelassenen‘ gehören oder eine Beurlaubung zu erwarten haben? In jedem Fall ist nun unsereiner zum Schutzbürger II. Klasse degradiert […].1

Zwei Tage zuvor hatte Martin Heidegger sein Amt als von den Nationalsozialisten eingesetzter Rektor der Freiburger Universität angetreten. Zum Monatsbeginn war, infolge der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, ein Gesetz in Kraft getreten, das alle Juden im öffentlichen Dienst ihrer Ämter enthob, wobei Kriegsteilnehmer, Kinder gefallener Frontkämpfer und alle vor dem 1. August 1914 verbeamteten Personen noch ausgenommen waren.

1Die

handschriftlichen Briefe von Karl Löwith an Moritz Geiger vom 23. April und 9. Oktober 1933 werden in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt (BSB Ana 347).

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 E. Donaggio, Karl Löwith, https://doi.org/10.1007/978-3-476-05744-0_4

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Eine private Apokalypse Dank seiner militärischen Verdienste war Löwith zeitweilig vor den Auswirkungen dieser Maßnahme geschützt. Dennoch wurde seine Existenz durch eine Reihe hereinstürzender Probleme erschüttert, die ihm bis dahin gänzlich fremd gewesen waren. Niemals hatte er sich näher für Fragen des Zeitgeschehens interessiert, sodass er sich selbst bei der Reichstagswahl, die Hitlers Machtübernahme besiegeln würde, seelenruhig über all jene lustig machte, die sich ins Wahllokal begaben. Eine alles andere als unpolitische Gleichgültigkeit begründete diese Haltung, die – wie aus dem Briefwechsel mit Leo Strauss vom Mai 1933 hervorgeht – von Ansprüchen durchdrungen war, die im Appell an die Menschenrechte und an liberale Prinzipien etwas noch „lächerlicheres“ und „leidvolleres“ erkannten als den Nationalsozialismus selbst, der wegen seiner antisemitischen Rohheit, aber nicht seiner Prinzipien wegen verwerflich erschien.2 Zu dieser politischen Unbedarftheit, die sich aus der Weimarer Zeit und aus einer bestimmten Auffassung von der Rolle des Intellektuellen ableitete, kam der Umstand hinzu, dass Löwith sich selbst nie als Jude verstanden hatte. Vollkommen integriert in eine Gesellschaft, die ihn plötzlich ächtete, nahm er sein Unglück nicht als Teil einer kollektiv verfolgten Schicksalsgemeinschaft wahr, was ihn dennoch nicht dazu bewog, die biologistischen Vorstellungen des Regimes hinzunehmen.3 Aus dieser privaten Apokalypse heraus überantwortete er seine Rettung dem einzigen, ihm zu Gebote stehenden Mittel – der Philosophie. Am 16. April 1933 schrieb er an Paul Tillich: „Was es mit mir selbst werden soll ist mir noch unbekannt – politisch stehe ich weder links noch rechts sondern mehr denn je inmitten der Philosophie, bei Hegel und seinen Nachfolgern.“4 Nur wenige Monate später bezeichnete er in einem Brief an Gadamer die Ausübung des Denkens als einziges Heilmittel, um dem dunklen Lockruf der Misanthropie widerstehen zu können: „Ohne Philosophie wäre die Konsequenz vielleicht eine sehr sublime Menschenverachtung.“5

2Vgl. KL/LS, 624–627. Hannah Arendt hat ironisch den Umstand kommentiert, dass Strauss als Jude in der von ihm hoch geschätzten Partei keinen Platz finden konnte. Vgl. Young-Bruehl, Hannah Arendt, 155. 3Von Seiten seines Vaters, des illegitimen Sohnes eines Wiener Barons, besaß Löwith ein „arisches Viertel“. Nicht zuletzt auch auf Gadamers Rat hin, beschloss er, diesen Umstand geheim zu halten. Vgl. ML 54, ferner Grondin, Hans-Georg Gadamer, 199–201. 4Karl Löwith an Paul Tillich, 16. April 1933 (UBM/PTA). 5Karl Löwith an Hans-Georg Gadamer, 2. September 1933 (DLA A:Gadamer).

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Die gebildete Elite, die sich nicht zu Hitler bekannt hatte, hielt es für unwahrscheinlich, dass dieser lange an der Macht bleiben würde. Löwith teilte diese Überzeugung und zog den Gang ins Exil daher zunächst nicht in Betracht, sicherte sich aber durch ein Stipendium der Rockefeller Foundation die Möglichkeit einer zeitweiligen Ausreise und bemühte sich gleichzeitig um neue Habilitationsmöglichkeiten in Bayern und in der Schweiz. Ein Emigrantendasein war ihm aus verschiedenen Gründen unerwünscht, wie er Strauss am 17. Mai 1933 mitteilte: „[…] das allgemeine Problem […] liegt beschlossen in der Verbindung der zwei Worte: ‚deutsches Judentum‘. Diese Frage kann m. E. nur in Deutschland selbst gelöst werden. Ein Emigrantenschicksal wäre das Letzte was ich – wenn nötig – auf mich nehmen würde.“ (KL/LS 623–624)6 Hinzu kam die Sorge um die eigene Existenzgrundlage wie auch der Wille, für all jene, die sich angepasst hatten, zum Stein des Anstoßes zu werden. Seine persönliche Disposition und die Überzeugung, dass die „gegenwärtige Welt keine Märtyrer hervorbringen würde, sondern bloß Mittäter oder Gleichgültige“, hielten Löwith stets fern von aufsehenerregenden Gesten. Diese Haltung hinderte ihn im Winter 1934 nicht daran, sich aus Marburg mit einer Vorlesung über Nietzsche zu verabschieden, in der er die Würde nichtarischer Menschen offen verteidigte. Walter Schulz – damals Student in Marburg, ab 1955 Philosophieprofessor in Tübingen – sollte noch lange an diese Ausführungen zurückdenken. Von Löwiths nach fast zwanzig Exiljahren unmittelbar bevorstehender Rückkehr nach Deutschland in Kenntnis gesetzt, schrieb er diesem am 13. Mai 1951: „Ganz lebhaft steht mir noch Ihre letzte Vorlesung vor Augen, am Ende des W.S. 33/34. Sie sprachen damals davon, dass es nicht so leicht sei eine Welt aufzubauen, wie eine einzureißen. Einige Studenten in SA-Uniform trampelten als Zustimmung. Ich weiß, wie merkwürdig dies damals auf mich wirkte: daß Sie von der Wahrheit des Gesagten menschlich überzeugt waren, aber es nicht auf sich bezogen.“7 Die ersten, von großer Zurückhaltung geprägten Spuren einer Kontaktaufnahme zum Pariser Büro der Rockefeller-Stiftung gehen auf den Herbst 1932 zurück. In Frankreichs Hauptstadt konnte sich Löwith auf die Fürsprache von Bernhard Groethuysen, den er aus seiner Zeit als Französischlektor in Marburg kannte, von Alexandre Koyré, dem er in Husserls

6Zur Herausbildung einer deutsch-jüdischen Identität siehe z. B. Mosse, German Jews beyond Judaism, sowie Ceppa, Identità ebraica e cultura tedesca: i casi di G.L. Mosse e Karl Löwith, 401–410. 7Walter Schulz an Karl Löwith, 13. Mai 1951 (UBT NL Schulz).

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Seminaren begegnet war, und vor allem von Leo Strauss, der ein ähnliches Stipendium erhalten hatte, verlassen. In Deutschland sollten sich Heidegger und Jaspers der erforderlichen Empfehlungsschreiben annehmen. Es scheint nicht so, als habe sein Bekenntnis zum Nationalsozialismus Heidegger davon abgehalten, seinen Schüler wenigstens in dieser Form zu unterstützen, wovon er sowohl Hannah Arendt als auch die ungleich naivere Elisabeth Blochmann in Kenntnis setzte, nicht zuletzt, um die Gerüchte über seinen Antisemitismus zu widerlegen.8 So zeigte er sich am 6. Dezember 1932 bereit, als Gutachter zu fungieren (vgl. MH/KL 82), und riet im Februar des folgenden Jahres per Telegramm „unbedingt zur annahme“ des Stipendiums (MH/KL 184). Es ist schwer begreiflich, was Löwith dazu bewogen haben mag, am 25. November 1933 einen Satz an Jacob Klein zu richten, der Heideggers Aufmerksamkeit in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt: Heidegger hat mir dringend geraten, sich etwa bietende Auslandsmögl[ichkeiten] anzunehmen, d. h. ich kann mich auf seine ev[entuelle] Unterstützung für die Zukunft nicht verlassen – er ist, wie alle Parteigenossen, froh um jeden deutschen Juden, der weg geht.9

Am 13. Mai 1933 sandte Löwith den Entwurf eines Forschungsexposees für die Rockefeller-Stiftung an Strauss.10 Von der ersten bis zur letzten Zeile verrät der Text eine strategische Absicht, denn auf dem Spiel stand die Aussicht, ein Umfeld hinter sich lassen zu können, das Löwith dazu verurteilt hätte, immer mehr vor sich hin zu vegetieren. Nach der Rekonstruktion des eigenen theoretischen Werdegangs, dessen Ausgangspunkt er in der positiven Auflösung des Hegel’schen Systems in eine Anthropologie und eine Sozialphilosophie sah, erklärte er, sich mit dem italienischen Faschismus befassen zu wollen, wie er von Giovanni Gentile, Pantaleo Carabellese und anderen römischen Universitätsdozenten theoretisiert wurde.11 Dem 8Siehe Arendt/Heidegger, Briefe 1925–1975, 69, sowie Heidegger/Blochmann, Briefwechsel 1918– 1969, 103. Husserl etwa erwähnt einen „wachsenden Antisemitismus“ bei Heidegger in einem Brief von Mai 1933, vgl. Martin (Hg.), Martin Heidegger und das „Dritte Reich“, 149. 9Karl Löwith an Jacob Klein, 25. November 1933. 10Das handschriftliche Konvolut, das nicht im edierten Briefwechsel (vgl. KL/LS, Briefwechsel, 621–623) enthalten ist, bietet einen ersten Entwurf des Projekts. Weder die durch Strauss vorgenommenen Korrekturen noch der Inhalt der letztlich an die Stiftung eingesandten Fassung liegen vor. Die Bewerbungsunterlagen für das Stipendium wurden entsorgt. Erhalten ist lediglich eine knappe Zusammenfassung (RAC, Mitteilung an den Autor vom 6. Juni 2001). 11Löwith gab als mögliche Forschungsleiter Aldo Stefani, Sergio Panunzio, Gaetano Mosca und Robert Michels an, und berief sich ferner auf das Istituto Italiano di Studi Germanici in Rom und die Scuola di scienze corporative der Universität Pisa.

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Exposee zufolge sollte die Untersuchung das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft zum Gegenstand haben. Tatsächlich war auf die Politisierung der Philosophie nach Hegels Tod eine ‚Philosophisierung‘ des politischen Lebens gefolgt, deren beispielhafte Umsetzung im Faschismus Hegel’scher Herkunft sowie im Kommunismus marxistischer Prägung lag. Die während des Aufenthalts in Italien hinterlassenen Spuren sowie in den Briefen aus jenen Monaten verstreute Aussagen lassen vermuten, dass es sich bei dem Thema des beantragten Projekts – in Anbetracht des eher für Experten politisch-gesellschaftlicher Kontexte als für einen Philosophen ausgeschriebenen Stipendiums – schlichtweg um eine vorgeschobene Fragestellung handelte. Die Bewilligung erfolgte bereits im Juli 1933, wobei Löwith auf Anraten Heideggers und anderer Kollegen seine Freistellung erst zum Sommersemester 1934 beantragte und bis zuletzt darum bemüht war, seine Position in Marburg zu behaupten. Jacob Klein, Erich Frank, Paul Friedländer, Paul Jacobstahl, Erich Auerbach und Leo Spitzer hatten den Weg ins Exil bereits angetreten oder waren im Aufbruch begriffen. Als zum Abschied ein Abendessen bei Rudolf Bultmann veranstaltet wurde, schenkte ein protestantischer Theologe einem jüdischen Philosophen, der „in den Vorlesungen den Studenten der Theologie den Verfall des Christentums dargestellt hatte“ (ML 81), die letzte Gastfreundschaft. Löwith gelangte Anfang des Jahres 1934 nach Rom und hielt sich dort bis zum 11. Oktober 1936 auf, als er die Stadt in Richtung Neapel verließ, wo das Schiff nach Japan auf ihn wartete. Bis zum Inkrafttreten der italienischen Rassengesetze von 1938, durch welche die vollständige Angleichung an das NS-Regime besiegelt wurde, bot Italien jüdischen Flüchtlingen, die keiner nennenswerten politischen Aktivität nachgegangen waren, einen unsicheren Zufluchtsort.12 Von dem Land und seinen Einwohnern zeichnet Löwith ein Bild, das die Härte der Diktatur abmildert und die Wesenszüge einer von christlicher Menschlichkeit geprägten Bevölkerung hervorhebt. In seiner Darstellung verschmelzen Laster, Tugenden und Gemeinplätze: eine gelassene Gleichgültigkeit gegenüber den Schicksalen der Welt, eine Kunst, mit dem Leben zurechtzukommen, die oftmals an Opportunismus oder Betrug grenzt, aber auch eine intuitive Wahrnehmung menschlicher Grenzen. In einem Land, wo er sich in natürlicher Weise zu Hause fühlte, brauchte Löwith sein Verhalten keiner mimetischen Anpassung zu unterziehen. Ebenso wenig empfing er, wie einige

12Im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes befinden sich keine Konvolute zu Löwith, was darauf schließen lässt, dass er nicht als gefährlich erachtet wurde (Mitteilung vom Auswärtigen Amt, Bonn, 4.  Januar 1999). Siehe hierzu Voigt, Zuflucht auf Widerruf. Exil in Italien 1933–1945.

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seiner Exilgefährten, die Gabe eines vorher nie besessenen Glaubens. Ging es nach ihm, so war „das leichte Gepäck der negativen Freiheit“ das einzige, was die Mühe des Transports noch wert war. In Rom bestritt Löwith seinen Lebensunterhalt durch das RockefellerStipendium, wobei er mehrmals Gefahr lief, zum Opfer wahrhaft grotesker bürokratischer Fehlleistungen zu werden.13 Das bedeutsamste intellektuelle Verhältnis bestand vermutlich zu Ludwig Curtius, dem Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts, den er aus Husserls Seminaren in Freiburg kannte.14 Darüber hinaus schloss er Freundschaften mit Carlo Antoni und Delio Cantimori, die als Redakteure einer Zeitschrift am Istituto Italiano di Studi Germanici tätig waren. Hier, in der Villa Sciarra, wo unter dem Direktor Giuseppe Gabetti eine gewisse Freiheit jenseits der regimetreuen Kultur herrschte, hielt Löwith unter anderem eine Vortragsreihe über Nietzsche.15 13Eine Voraussetzung zur Verlängerung des Stipendiums bestand darin, dass der Stipendiat eine Stelle innehatte, um nach Ablauf des Auslandsaufenthaltes in die Heimat zurückkehren zu können. Somit hatte der im Frühjahr 1935 – kurz nach der Verleihung des Ehrenkreuzes für Frontkämpfer durch den deutschen Botschafter in Rom am 15. Januar 1935 – verordnete Ausschluss aus der Universität Marburg zugleich die Einstellung der Geldmittel zur Folge. Das Stipendium erstreckte sich über den Zeitraum vom 1. März 1934 bis zum 1. März 1935. Zusätzliche finanzielle Unterstützung leistete die Moses-Mendelssohn-Stiftung. Die Mitteilung über die Verlängerung ging am 24. September 1935 ein. In den auf Löwith bezogenen Unterlagen des Emergency Committee in Aid of Displaced Foreign Scholars (New York Public Library) findet sich zuoberst ein Brief aus Marburg vom 25. Oktober 1933, in dem um Informationen zu einer möglichen Anstellung in den Vereinigten Staaten gebeten wird. 14Vgl. Curtius, Deutsche und antike Welt. Lebenserinnerungen, insb. 451–526. Ein Gesprächsthema der römischen Begegnungen zwischen Curtius und Löwith bestand gewiss im Denken Burckhardts. In einem Brief vom 28. Mai 1936 bat Curtius Löwith, davon abzusehen, ihm die Monographie über den Basler Historiker zu widmen, da er ungünstige Auswirkungen einer solchen Geste für die von ihm geleitete Institution fürchtete. Nichtsdestoweniger setzte er sich für die Veröffentlichung des Buches ein. 1937 wurde Curtius von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben. 15Zur Vortragsreihe vgl. den Veranstaltungsbericht 1934/1935 des Istituto Italiano di Studi Germanici, 5 (AFG). Ebenfalls erwähnt bei Turi, Giovanni Gentile. Una biografia, 436. Über das Institut vgl. Chiarini, Giovanni Gentile e l’Istituto italiano di studi Germanici, 150–155. In der Institutszeitschrift Studi Germanici veröffentlichte Antoni seine Rezension über Löwiths Burckhardt-Studie, wiederabgedruckt in Antoni, Considerazioni su Hegel e Marx, 103–106. Croce kommentiert die Rezension in einem Brief an Antoni vom 17. Mai 1937, der ediert vorliegt in Musté (Hg.), Carteggio Croce-Antoni, 23–24. Cantimori hingegen übersetzte Löwiths Aufsatz über Carl Schmitt und bearbeitete ferner, unterstützt durch Franco Lombardi, die Übersetzung eines Artikels für das Giornale critico della filosofia italiana, in dem auch Löwiths Beitrag zur Festschrift für Ferdinand Tönnies in italienischer Übersetzung erschien. Vgl. jeweils Löwith, Il „concetto della politica“ di Carl Schmitt ed il problema della decisione; La conchiusione della filosofia classica con Hegel e la sua dissoluzione in Marx e. Kierkegaard; Sulla problematica dell’umanità nella filosofia post-hegeliana. Cantimori verfolgte mit Interesse, wenn auch nicht ohne Vorbehalte, die oft auf groben Missverständnissen beruhten, die weitere Entwicklung Löwiths, von dem alle Publikationen beschafft und gelesen wurden. Ein Brief Cantimoris vom 19. Dezember 1947 beginnt mit der Frage „Erinnern Sie sich an mich?“, was auf eine zwischenzeitliche Unterbrechung der Korrespondenz schließen lässt. Es folgt ein Bericht über die Verwendung von Löwiths Von Hegel zu Nietzsche in geschichtsphilosophischen Vorlesungen, und den Einsatz des Burckhardtbuchs in historischen Lehrveranstaltungen; schließlich bekundet er, sich gemeinsam mit den ‚römischen Freunden‘ stets über Löwiths Fortkommen auf dem Laufenden gehalten zu haben. Cantimoris Exemplar von Löwiths Nietzschebuch enthält eine Notiz über den „theologisch-ekklesiastischen

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Allerdings dürften von dem römischen intellektuellen Umfeld insgesamt keine spannenden Anregungen ausgegangen sein, wenn das dortige Klima tatsächlich der Schilderung aus einem Brief vom 23. Februar 1935 an Strauss entsprach: Eigentlich philosophisch ist nichts – gar nichts – los! […]. Ich empfinde immer mehr wie sehr man geistig in Deutschland zu Hause ist. […]. Es ist unendlich schwer – selbst mit Italienern, die sehr bewandert sind im deutschen Schrifttum – eine gemeinsame Basis zu finden für den Austausch. (KL/LS 642–644).16

Die ‚tiefe Kluft‘, die sich zwischen zwei einander fernen philosophischen Kulturen auftat, erklärte er gegenüber Franco Lombardi folgendermaßen: Unser gesamter Idealismus ist eine Säkularisation der protestantischen Theologie und um den sogenannten universalen und ‚absoluten Geist‘ zu verstehen, muss man verstehen inwiefern sie ‚Protestanten-Theologen‘ geblieben sind, während sich in der Philosophie von Croce-Gentile usw. dieser unglaubliche Gott in einen puren Historismus und Aktualismus umwandelt.17

Auch das aufkommende italienische Interesse an Heidegger ging auf dieses Missverständnis zurück: Da bei uns der sogenannte Idealismus und Aktualismus von Kant-FichteHegel (schon seit 100 Jahren!) ausgestorben ist, fehlt auch eine Kritik wie die Ihre! Ich weiß, Sie denken wohl, dass es sich auch bei Heidegger um einen Idealismus handelt und andererseits, dass Gentile mehr als bloß ein ‚Epigone‘ des deutschen Idealismus sei – nur will mich das nicht überzeugen.18

Standpunkt“ des Verfassers (SNP/FC). Dieser Einwand wird wieder aufgegriffen in Cantimori, Studi di storia, 284. Vgl. außerdem Cantimori, Politica e storia contemporanea, 241, 244–245, 793 und 796–797. 16Über das römische Umfeld vgl. etwa Casini, La filosofia a Roma. 17Zitiert nach Lombardi, Alcune considerazioni sulla situazione presente della filosofia in Germania e in Italia, 234–272 (Übersetzung: A. Staude). 18Aus diesen Gründen weigerte sich Löwith, einen Artikel Lombardis ins Deutsche zu übersetzen, da er ihn für einen deutschen Leser als unzugänglich erachtete. Beschwichtigend fügte er hinzu, dass auch die Aufsätze von Ernesto Grassi und Luigi Scaravelli durchaus problematisch seien. Vgl. etwa Lombardi, Alcune considerazioni sulla situazione presente della filosofia in Germania e in Italia, 234–272 (Übersetzung: A. Staude); Grassi, Il problema della metafisica immanente in M. Heidegger und Scaravelli, Il problema speculativo in Heidegger. Nicht allein die vertauschten Wohnorte – Löwith schreibt von Rom aus an Lombardi, der sich gerade als Lektor für Italienisch in Marburg befindet –, sondern auch eine thematische Konvergenz näherte die beiden Autoren einander an. Die Mutmaßung, wonach Lombardi als Ideengeber für Löwiths historiographische Modelle gedient hätte, ist jedenfalls schlichtweg falsch, vgl. Olivetti, Il problema religioso nel pensiero di Franco Lombardi, 136–137, und Chiusano, Il mondo degli uomini di Franco Lombardi, 85–86.

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Unter seinen ‚römischen Freunden‘ erwähnt Löwith auch Giovanni Gentile. Die einzige polemische Bemerkung in seiner Beschreibung eines „aufrichtigen und loyalen“ Mannes betrifft die Rechtfertigung der faschistischen Kolonialpolitik in Äthiopien unter Zuhilfenahme der Hegel’schen Geschichtsphilosophie. Eine ähnliche Form von Opportunismus hatte Löwith schon in Deutschland bitter erfahren müssen. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, die von Gentile angebotene Mitwirkung an verschiedenen Projekten zuzusagen. In der Zeitschrift ‚Giornale critico‘ veröffentlichte er den Aufsatz Das Ende der klassischen Philosophie bei Hegel und ihre Auflösung bei Marx und Kierkegaard nebst einer Rezension zu dem dänischen Denker.19 Ein Brief vom 25. Oktober 1934 an Guido Calogero beantwortete ein Angebot bezüglich der Enciclopedia italiana dagegen folgendermaßen: „Erst kürzlich habe ich einen kurzen Artikel über R. Pannwitz geschrieben. Meinen Sie, es könnte noch etwas anderes für mich geben? Etwa ein Artikel zu Scheler? (den zu Nietzsche hat bereits Gabetti verfasst).“20 Bei diesen Anlässen stellte Löwith unter Beweis – wie Gentile in einem Referenzschreiben vom 25. März 1935 festgehalten hat –, ein „höchst ernsthafter, mit scharfem kritischen Geist und außerordentlichem Geschmack für spekulative Fragen ausgestatteter Gelehrter zu sein; ein gewissenhafter, würdevoller Denker und ein aufrechter Liebhaber der Wahrheit, was für einen Philosophieprofessor eine der wertvollsten Gaben ist.“21 Seltener hingegen kam es zum Austausch mit der anderen herausragenden Persönlichkeit des philosophischen Panoramas in Italien. Im Harvard Paper erinnerte sich Löwith, nur einmal das Glück gehabt zu haben, in Benedetto Croce einen „der ganz wenigen frei gebliebenen Geister“ (ML 85) Europas zu treffen.22 Die Gegenseitigkeit dieser Wertschätzung bezeugt ein Gutachten, das ihm Croce am 28. Januar 1936 zur Weitergabe an Leo Spitzer nach Istanbul, wo sich die Möglichkeit einer Anstellung abzeichnete,

19Löwith, La conchiusione della filosofia classica con Hegel e la sua dissoluzione in Marx e Kierkegaard [1935]. 20Karl Löwith an Guido Calogero, 25. Oktober 1934 (ACS/AGC – Übersetzung: A. Staude). Die von Löwith verfassten Lexikonartikel in der Enciclopedia italiana sind erschienen in Bd. 26/1 (1935), 203, Bd. 30/1 (1936), 55. Vgl. ferner Gabetti, Nietzsche, Friedrich Wilhelm. 21Gentile, Referenzschreiben für Karl Löwith (AFG – Übersetzung: A. Staude). 22Siehe außerdem Löwith, Jacob Burckhardt. Der Mensch inmitten der Geschichte [1936], in: LS 7, 39–361, hier: 360–361, und die Rezension über die „neuesten Essays“ von Croce in: LS 3, 424–427. Hierzu auch Guida, Croce e Löwith.

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zusandte: „Ihm gebührt das Verdienst, jene Strömung der deutschen Philosophie in ihrer Besonderheit und vielschichtigen und schwierigen Psychologie untersucht zu haben, die […] Theorie und Praxis, Philosophie und Politik, Logik und Gefühl zu einer Einheit verschmolz.“ Das Gutachten endet mit einer für Croce höchst charakteristischen Bemerkung: „Zumal diese Entstellung strenger und mutiger Philosophie, diese Vermischung bzw. Hybridisierung von Theoriebildung und Praxis einem der Merkmale des zeitgenössischen Geistes entspricht und ein schwerwiegendes moralisches Problem aufwirft, zeigt sich hierin die Bedeutung der Forschungsfragen, die Löwith verfolgt.“23 Löwiths Antwort vom 7. Februar 1936 steht im Zeichen einer Ehrerbietung, die nicht davor zurückscheute, die Verschiedenheit der Ansätze auf den Punkt zu bringen: „Ich bin wie Sie überzeugt, dass alle diese Futurismen und Aktualismen in der ‚Hexenküche‘ fabriziert werden – mir scheint allerdings […], dass es nicht möglich ist, zu Hegel zurückzukehren, indem man sein absolutes, also theologisches Denken zu einem rein historischen philosophischen Denken macht, wo doch gerade der Glaube an die Geschichte nach 1830 entartet ist.“24 In einigen späteren Bemerkungen sollte Croce sein Urteil bekräftigen, obgleich er der Ausrichtung von Löwiths Ansatz weiterhin ablehnend gegenüberstand. Mit Blick auf Löwiths Buch über Burckhardt von 1936 bemerkt er, es sei „ganz getragen von dem Gefühl der Verwirrung und Skepsis seines Autors“. Löwiths Schrift Von Hegel zu Nietzsche, die Croce in einem Werk von 1945 erwähnt, wird von ihm wohlwollend „als das Beste, was zu dem Thema vorliegt“ erachtet, wenngleich sie auf der „Überzeugung“ beruhe, dass „die darin erzählte Geschichte die Geschichte einer philosophischen Dekadenz sei, oder jedenfalls die Geschichte einer Nicht-Philosophie.“25

23Croce,

Gutachten für Karl Löwith (FBC – Übersetzung: A. Staude). nach Cantillo/Viti Cavaliere, La tradizione critica della filosofia, 13–15 (Übersetzung: A. Staude), wo nicht nur Croces Einschätzung zu Löwith, sondern auch ein Brief und Löwiths Lebenslauf abgedruckt sind. Croces Gutachten und eine Übersetzung desselben ins Englische werden auch in der Hartford Seminary Library aufbewahrt. 25Croce, La storia come pensiero e come azione, 94 (Übersetzung: A. Staude), und ders., Discorsi di varia filosofia. Bd. 1, 113 (Übersetzung: A. Staude). 24Zitiert

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Die Revolution des Nihilismus Wie jeder respektable Skeptiker lieferte auch Löwith nur selten nachvollziehbare Erklärungen über die Beweggründe oder die Phasen seines Denkens. Dennoch lässt sich in den Schriften nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ein entschiedener Richtungswechsel erkennen. Zu den vielsagendsten Stellen gehören die Schlussseiten des Harvard Paper: „Erst das vollendete Faktum des [politischen] Umschwunges zwang mich zur Revision der geistigen Richtung, in der ich mich seit den Freiburger Studienjahren fortbewegt hatte, ohne zu wissen wohin.“ (ML 171) Es war also keine unlösbare Aporie, die dem Projekt einer Anthropologie der Moderne einen Rückschlag versetzte. Der andersartige Aufbau, sowie das Verschwinden einiger der Motive, die seine Textur bildeten, sind vielmehr das notwendige Ergebnis eines Nachdenkens über die vielfache Verantwortung der Philosophie. Das neue Bewusstsein reifte auf der Grundlage einer Interpretation des Hitlerregimes im Sinne einer „Revolution des Nihilismus“, einer Umwälzung, die nicht darauf zielte, eine neue politische Ordnung zu etablieren, sondern vielmehr darauf, mit allen Werten der europäischen Tradition Tabula rasa zu machen. Nicht anders als Hermann Rauschning und Leo Strauss, beschrieb auch Löwith das grundlegende Merkmal des Nationalsozialismus als den Drang, die gegenwärtige Welt zu zerstören, als einen Wunsch, mit dem keine klare Vorstellung über den Aufbau einer neuen Ordnung einherging.26 In diesem „Nihilismus in zweiter Potenz“ (ML 17, 166) erkannte er einen weitgehenden Einklang mit der Haltung einer ganzen Intellektuellengeneration. Diese Einsicht drängte ihn dazu, die bis dahin vertretene theoretische Position neu zu überdenken. Das Ergebnis war eine Selbstbezichtigung als Mitschuldiger, weil er mit einer Nichtvorsätzlichkeit, die höchst bitter war und einen erschwerenden Umstand darstellte, zu dem ‚elenden Schicksal‘ beigetragen hatte, das sich die deutsche Kultur von eigener Hand geschaffen hatte. Das Urteil verschonte auch jene nicht, die persönlich für diese Kurzsichtigkeit bezahlt hatten. So fragte sich Löwith, auf das Schicksal der jüdischen Mitglieder des George-Kreises zurückblickend: „Sie haben dem N.S. Wege bereitet, die sie dann selber nicht gingen. Aber wer von den 26Vgl. Rauschning, Die Revolution des Nihilismus, 85; Strauss, The German Nihilism. Vgl. hierzu auch Sadun Bordoni, Löwith e il nichilismo politico europeo, 257–259. Aus einem Brief von René König vom 28. Mai 1939 geht hervor, dass Rauschning Löwiths Monographien über Nietzsche und Burckhardt wertschätzte. Für eine Übersicht der Auslegungen des Nationalsozialismus als Ergebnis einer nihilistischen Umwälzung vgl. Forti, Il totalitarismo, 67–81.

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radikaleren Menschen der im Kriege gereiften Generation hätte ihm nicht den Weg bereitet, nämlich durch die Anerkennung der Auflösung und die Kritik des Bestehenden […].“ (ML 26) Unter Anspielung auf jene Zeit, als seine jüdisch-deutsche Identität noch nicht zerrissen war, fügte er hinzu: „Ich selbst habe mitdestruiert, ehe die Wege sich trennten.“ (ML 171). Das Bekenntnis beruht auf einer Auffassung von Verantwortung, wie sie in einigen Schriften skizziert wird, die das Verhältnis zwischen Nietzsches Denken und dem Nationalsozialismus einer Überprüfung unterziehen. In diesen Betrachtungen unterschied Löwith einen ‚intellektuell‘ oder ‚historisch‘ verstandenen von einem in erster Linie politisch orientierten Verantwortungsbegriff. Letzteren teilt jeder Akteur, der in der Öffentlichkeit agiert, und so auch der Wissenschaftler, der seine Lehre in den Dienst einer politischen Bewegung stellt – hierfür hatten sich konkret Heidegger und Carl Schmitt entschieden – wie auch all jene, die fremde ideologische Inhalte in die Tat umsetzen. Hiervon verschieden und mitnichten gleichzusetzen ist die Verantwortung derer, die – wie Nietzsche oder, in deutlich anderem Maße, Löwith – dazu beitrugen, „ein geistiges Klima [zu] schaffen, in dem bestimmte Dinge möglich wurden“. Und das taten sie durch das Pflegen einer Denkweise, die weder Begrenzung noch Pietas kennt, sondern mit unerbittlicher Kohärenz bis zur äußersten Konsequenz vorangeht. Die „Gefährlichkeit“ dieser Einstellung scheint in den Himmel der Theorie verbannt zu sein; allerdings gilt nach einer Hegel’schen Intuition: „Ist erst das Reich der Vorstellung revolutioniert, so hält die Wirklichkeit nicht stand.“27 Die Kurskorrektur, die Löwith an seinen Erwägungen vornahm, ging von diesen Voraussetzungen aus und gliederte sich in zwei miteinander einhergehende Motive. Durch einen Vergleich zwischen Heidegger und Schmitt machte er die politischen Implikationen einer bestimmten Art von Philosophie deutlich; durch eine eindrückliche Gegenüberstellung von Nietzsche und Burckhardt zeigte er ferner eine erste Alternative zu einem den Bedürfnissen der Gegenwart unterworfenen Denken auf, und verabschiedete sich zugleich von einem durch die „Magie des Extrems“ verwunschenen theoretischen Stil. In einem Brief an Max Horkheimer vom 29. Juni 1936 erklärte Löwith, einen Aufsatz über „philosophische Politik“ schreiben zu wollen, worunter er eine Untersuchung über die „notwendigen politischen Konsequenzen

27Löwith, Friedrich Nietzsche (1844–1900) [1944], in: LS 6, 397. Siehe ferner Löwith, Nietzsche nach sechzig Jahren [1956/1960], in: LS 6, 451–453.

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jeder auf die Zeit, den Menschen und die Geschichte ausgerichteten Philosophie“ verstand. Diese nie publizierte Studie hätte einige prominente Fälle von ‚stiller Übereinkunft‘ zwischen Philosophie und Macht erörtern sollen, etwa von Hegels aktiver Unterstützung der preußischen Monarchie bis hin zum nazistischen Engagement von Universitätsphilosophen wie Heidegger und Hans Heyse. Die Grundthese wurde klar und deutlich formuliert, und zwar wie folgt: Die Sache wird meist viel zu oberflächlich aufgefaßt – entweder als bloß opportunistische Akkomodation, oder als bedauerlicher Schönheitsfehler einer reinen Philosophie – es ist aber meiner Ansicht nach wichtig zu erkennen, daß die Möglichkeit des Politischwerdens einer bestimmten Philosophie schon in deren eigenstem Prinzip vorgezeichnet ist.28

Die Worte waren in Anlehnung an einen Autor gewählt, dem sich Löwith, wie ausgeführt, bereits mit Interesse zugewandt hatte. Von einer materialistischen Anschauung der Geschichte noch weit entfernt, hatte der junge Marx behauptet, die praktische Umkehrung einer Theorie rühre von ihrem inneren begrifflichen Kern her.29 Unter Berufung auf diesen Ansatz erklärte auch Löwith, dass „das Denken unter Umständen praktische Konsequenzen zeitigt, in denen sich bestimmte Voraussetzungen dieses Denkens selbst exponieren.“30 Im Unterschied zu Marx bezog er sich jedoch nicht auf ein System wie dasjenige Hegels, wonach eine Verwicklung in die politische Sphäre einen Widerspruch darstellen konnte, sondern auf eine von Geschichtlichkeit durchdrungene Lehre wie die seines eigenen Lehrers. Im April 1933, auf dem Höhepunkt seines Ruhms, nahm Heidegger die Ernennung zum Rektor der Freiburger Universität an. Vom Nationalsozialismus erwartete er, wie er im Januar 1948 einem empörten Herbert Marcuse schreiben würde, „eine geistige Erneuerung des ganzen Lebens, eine Aussöhnung sozialer Gegensätze und eine Rettung des abendländischen Daseins vor den Gefahren des Kommunismus.“31 Doch in einer Zeit, in welcher der

28Horkheimer,

Gesammelte Schriften. Bd. 15, 580. Marx, Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie, 326–327. Diese These steht als Eingangsmotto bei Löwith, Les implications politiques de la philosophie de l’existence chez Heidegger, 343, und wird fälschlicherweise der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie zugeschrieben. 30Löwith, Heidegger, Denker in dürftiger Zeit [1953, 21960], 171. In seiner Kritik an Schmitt und Heidegger interpretiert Löwith die Aussage vom Standpunkt des jungen Marx aus. Für eine abweichende Lesart der Passage vgl. Löwith, L’achèvement de la philosophie classique par Hegel et sa dissolution chez Marx et Kierkegaard [1934/1935], in: LS 4, 512, und Von Hegel zu Nietzsche, 124. 31Marcuse/Heidegger, Briefwechsel, 137. 29Vgl.

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Siegeszug des Spezialistentums die „gemeinsame Wurzel der Wissenschaften“ ausgedörrt hatte, bot die politische Umwälzung vor allem Gelegenheit, den ursprünglichen Wissensdrang – also jenen der alten Griechen – wieder erstarken zu lassen.32 Im Kontext einer professoralen Geschichtsphilosophie erkannte Heidegger in der Universität nicht nur die Triebfeder für eine Neugeburt des deutschen Volkes, sondern auch den Ort, von wo aus der Weg, als westliches Volk die eigene Bestimmung in der Geschichte zu finden, einzuschlagen sei. Ein Jahr reichte jedoch aus, um ihn davon zu überzeugen, dass das engstirnige Establishment die theoretische Feinheit der angebotenen Förderung nicht ausreichend zu schätzen wusste. Er trat von seinem Amt zurück und wandelte so das eigene politische Scheitern zur unerheblichen Episode einer epochalen Angelegenheit: ein winziger Fehler in jener riesigen Reihe von „Irrungen“, aus welchen die Geschichte der Metaphysik besteht. Heideggers Entscheidung bedeutete für Löwith einen unerwarteten Einschnitt, aber zugleich auch ein „allgemeines Zeichen für eine veränderte Zeit“33 in der Philosophie. Die Entscheidung wurde nicht als bequemer Akt der Gleichmachung angesehen, sondern als eine mit der durch den Lehrer verfochtenen theoretischen Position übereinstimmende Geste, mit der sich ein intellektuelles Trauma verband, das gewiss auch auf persönlicher Ebene Rückwirkungen hatte. Die ersten Zeichen von Verlegenheit innerhalb einer Beziehung, die 1940 als ‚abgeschlossen‘ gelten sollte, traten bereits in den Monaten auf, als Löwith sich um ein Auslandsstipendium bemühte.34 Nach einem Treffen in Freiburg im Herbst 1933 sahen sich die beiden in Rom wieder, als Heidegger anlässlich einer Reihe von Vorträgen in die italienische Hauptstadt reiste. Am 2. April 1936 sprach er im Istituto di Studi Germanici über Hölderlin und das Wesen der Dichtung, am 8. April trug er in der Bibliotheca Hertziana über Europa und die deutsche Philosophie vor.35 Bei 32Heidegger, Was ist Metaphysik?, 104, sowie vor allem Ders., Die Selbstbehauptung der deutschen Universität. Das Rektorat 1933–1934, 107–117. Für eine erste Orientierung innerhalb der ausufernden Literatur zum Thema vgl. Leaman, Heidegger im Kontext. Gesamtüberblick zum NS-Engagement der Universitätsphilosophen. 33Löwith, Die Einheit und die Verschiedenheit der Menschen [1938], in: LS 1, 254. 34Neben der im Brief an Klein vom 25. November 1933 enthaltenen Aussage, die im vorausgegangenen Abschnitt zitiert ist, lässt sich eine weitere, am 2. September 1933 an Gadamer gerichtete Mitteilung stellen: „Dagegen ist mir Heideggers Ausweichen widerlich obwohl nichts Andres zu erwarten war.“ (DLA A:Gadamer). 35Gerüchte über die Initiative begannen bereits im Sommer 1934 zu kursieren. Im August desselben Jahres kommentierte Löwith hierzu scherzhaft gegenüber Klein: „Ich bezweifle sehr, dass ich den kleinen Savonarola in Rom sehen werde. Ich wäre echt erfreut gewesen, ihn in Rom ‚existieren‘ zu sehen, unbeholfen wie er ist.“ Am 26. März 1936 schrieb Heidegger an Giuseppe Gabetti, kündigte sein Kommen an und nannte einen einzigen Namen, an den eine Einladung zu richten sei, und zwar an Monsignore Pietro Pisani. In

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dieser Gelegenheit bestätigte Heidegger gegenüber Löwith die Verbindung zwischen seinem eigenen Denken, insbesondere dem Begriff der „Existenz“, und der Hinwendung zum Nationalsozialismus. Am Revers seiner Jacke trug er während ihres Gesprächs – sehr wahrscheinlich – ein Hakenkreuz: eine „haarsträubende Geschmacklosigkeit“ gegenüber dem zwangsexilierten Schüler.36 Hierauf folgten noch einige Höflichkeitsbriefe, bevor sich das Verhältnis bis in die fünfziger Jahre hinein unterbrechen sollte. Mit dem Tadel an Heideggers Verhalten ging bei Löwith eine Bewertung seines philosophischen Engagements einher, das von einer unentwirrbaren Zweideutigkeit gekennzeichnet war. Auch in den erbittertsten Phasen der Polemik gegen seinen Lehrer fand er sich letztlich stets „ein wenig in der Lage Bileams wieder“,37 des Propheten der Moabiter, der ausgezogen war, um Israel zu verfluchen und über dessen Lippen nichts als Segnungen kamen. Darin besteht die ironische Vergeltung für eine Überhöhung von Heideggers theoretischer Statur, die zugleich die politische Kehrseite verurteilen will. Eine Haltung, die das Lob des „‚guten‘ (um nicht zu sagen des besten) Philosophen zu einem ungünstigen historischen ‚Zeitpunkt‘“ ausspricht.38 Hierbei handelt es sich fraglos um eine singuläre Haltung, die jedoch fast alle Schüler des kleinen Zauberers von Meßkirch teilen. Und nicht sie allein. Löwith war sich hierüber im Übrigen vollends bewusst, etwa, wenn er sich in einem Brief vom 9. Januar 1948 an Delio Cantimori – der den Aufsatz über Heideggers Naziengagement als „bösartig aber schön“

einem zweiten Brief vom 24. April 1936, dem ein Brief an Giovanni Gentile beigefügt ist, zeigt er sich erfreut über die freundliche Aufnahme und dankt Carlo Antoni. Die maschinengeschriebenen Briefe werden am Istituto di Studi Germanici Rom (ISG) aufbewahrt, der an Gentile bei der Fondazione Giovanni Gentile Rom (AFG). Für eine Bewertung und im Allgemeinen zu den Verhältnissen zwischen Heidegger und Gentile vgl. Sasso, Di Gentile, di Heidegger e della loro reciproca conoscenza. Documenti e aneddoti, und Saverio Trincia, Filosofi e totalitarismi in Italia e Germania. 36Es gibt kaum Forschungsbeiträge über Heideggers Beziehung zum Nationalsozialismus, in denen die Anekdote aus ML, 57–60 unerwähnt bleibt. Weniger bekannt ist allerdings der vollständige Inhalt der Bemerkung: „Die tief verwurzelte Kulturlosigkeit gerade auch der Gebildeten unter den Deutschen – ihre oft haarsträubende Geschmacklosigkeit! Wie sollte man anders […] Heideggers Hakenkreuz beim Ausflug nach Frascati mit uns [erklären]!“ (RS 11). Für eine Deutung, in der diese Episode mit dem endgültigen Bruch zwischen beiden in Verbindung gebracht wird, vgl. Gadamer: „Vi racconto questo secolo aggrappato al Titanic“. Hermann Heidegger, Heideggers Sohn und Augenzeuge der Zusammenkunft, bestreitet hingegen die Schilderung und behauptet vielmehr, nur seine Mutter hätte auf Anraten der deutschen Botschaft das Abzeichen getragen. Vgl. Hermann Heidegger, An Heideggers Revers. Heidegger hat seine Erinnerung mit weiteren Details im Rahmen einer privaten Unterhaltung am 2. Februar 1999 bekräftigt. 37Weil, Le cas Heidegger (Übersetzung: A. Staude). 38Löwith, Reponse a M. De Waelhens, 373 (Übersetzung: A. Staude).

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bewertet hatte – voller Naivität wunderte: „Wieso ‚bösartig‘? Im Grunde ist es eine Apologie Heideggers.“39 Die erste Reaktion auf die Rede über Die Selbstbehauptung der deutschen Universität, mit der Heidegger seine Lehren eher an die Spitze als in den Dienst der Hitlerbewegung stellte, ist einem Brief an Strauss vom 2. August 1933 zu entnehmen. In seiner Entgegnung auf den Freund, der den wenig aufrichtigen Ton beklagte, stellte Löwith klar: „Und auch ‚Duckmäuserei‘ kann ich nicht entdecken, sondern – wie schon immer – raffinierte Zweideutigkeit (ontisch-ontologisch) […]“, nicht einmal so verschieden von derjenigen aus Hegels „preussischer-ontologischer Staatsphilosophie“ (KL/ LS 635). Spätere Aussagen sollten diesen Eindruck bestätigen, wobei die Rede als „Quintessenz der Ambivalenz“ beschrieben wurde, als ein Text, der Zweifel darüber weckt, ob man „Diels Vorsokratiker in die Hand nehmen soll oder mit der S.A. marschieren.“ (ML 35) Doch erst mit dem Aufsatz über Die politischen Implikationen von Heideggers Philosophie der Existenz, der 1940 in Japan und dann 1946 in Frankreich in Druck ging, erwiesen sich die Beobachtungen als tragfähiges Vorspiel einer sorgfältigeren philosophischen Untersuchung.40 Aufgrund des von Heidegger getätigten Bekenntnisses während ihrer Begegnung in Rom erkannte Löwith in der Kategorie der Existenz das Element der „Homogenität“ zwischen der Lehre des Meisters und seiner Hinwendung zum Nationalsozialismus. Der in Marburg erarbeiteten Interpretationsrichtung folgend, wählte er für die Untersuchung zunächst einen

39Es handelt sich um einen handgeschriebenen Brief von Löwith an Cantimori, der bis auf einige italienische Sätze in deutscher Sprache verfasst ist und im Fondo Cantimori (FC) der Scuola Normale Superiore in Pisa aufbewahrt wird. Das Thema findet sich erläutert bei Wolin, Karl Löwith and Martin Heidegger – Contexts and Controversies: An Introduction, sowie auch bei Bianco, Fedeltà nella distanza. Il confronto di Löwith con Heidegger. Für einen Überblick zu den Haltungen der Schüler vgl. Anders u. a., Su Heidegger, und die nicht ganz glückliche Darstellung von Wolin, Heidegger’s Children: Hannah Arendt, Karl Löwith, Hans Jonas and Herbert Marcuse. 40Der Text – erschienen im Herbst 1940 in der Zeitschrift Shisoh und im November 1946, nicht ohne Ungenauigkeiten, wiederveröffentlicht in Les Temps Modernes – entspricht zu einem großen Teil Löwiths Abhandlung Der europäische Nihilismus, 514–528, sowie ML 27–45. In einem Brief an Hannah Arendt vom 17. März 1946 bot Löwith den Artikel der Partisan Review an und erklärte, dieser „[sollte] den inneren Zusammenhang seiner politischen Entwicklung […] mit seiner philosophischen Position klar machen“ (DLA A:Löwith). Bereits am 8. Mai 1940 hatte Leo Spitzer, der sich für den Text begeisterte, denselben an Arthur Lovejoy übermittelt. Da er diesem ganz herausragend schien, hatte er sich nach einem Übersetzer für eine Publikation in den USA umgetan, die jedoch nicht zustande kam (Leo Spitzer an Karl Löwith, 8. Mai 1940, DLA A:Löwith). Wie der Artikel zu Jean-Paul Sartres Zeitschrift gekommen ist, bleibt noch aufzudecken. Joseph Rovan, dem Übersetzer des Aufsatzes, ist auch die erste französische Ausgabe des Briefs über den ‚Humanismus‘ zu verdanken, die Heidegger in demselben Jahr an Jean Beaufret richtete. Zu diesem Sachverhalt vgl. Janicaud, Heidegger en France, 120–127.

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anthropologischen Ansatz und unterstrich die Bedeutung des dem Dasein zugeschriebenen „immer meinen“ Charakters. Unter diesem Gesichtspunkt bedeutete die Politisierung von Heideggers Denken keinen Sprung oder Bruch, sondern lediglich einen Übergang im Sinne einer völkisch begründeten Übersetzung eines solipsistischen Existenzideals. Nicht anders als in der Weise, in der in Sein und Zeit das einzelne Individuum seinesgleichen begegnet, hätte auch das deutsche Volk durch ausschließliche Bezugnahme auf sich selbst seine Eigentlichkeit erhalten. Da ihm die bestimmende Pluralität der politischen Sphäre unbekannt war, entwarf Heidegger schließlich ein Geschichtsbild, das auf einander gleichgültigen Makrosubjekten beruhte, deren Implikationen wenn nicht totalitär, so doch wenigstens illiberal waren. Zu ähnlichen Schlüssen war Löwith schon in einer Abhandlung von 1935 gelangt, die seine Darlegungen zum Engagement des Lehrers in vielfacher Hinsicht vorwegnimmt.41 Vorsichtshalber unter dem unscheinbaren Pseudonym „Hugo Fiala, Madrid“ publiziert,42 behandelte die Schrift den Politischen Dezisionismus hier als politische Sphäre des Heideggerschen Denkens nur indirekt, um auf das Werk Carl Schmitts einzugehen, dessen nationalsozialistisches Engagement im Bereich der Rechtslehre häufig mit jenem Heideggers auf dem Gebiet der Philosophie verglichen wurde. In seiner Schrift konzentrierte sich Löwith auf die Freund-Feind-Distinktion, in der laut Schmitts These das Wesen des „Politischen“ begründet liegt.43 Da er über kein Kriterium verfügte, um Feindseligkeit unter den Menschen zu rechtfertigen, erkannte Schmitt im Grenzfall des Krieges die oberste Instanz eines gemeinschaftlichen Lebens, den „Ausnahmezustand“, der jede Rechts-

41Die Übereinstimmung zwischen beiden Aufsätzen bewegte Löwith dazu, sie teilweise zu vereinen, als er den Aufsatz 1960 unter dem Titel Der okkasionelle Dezisionismus von C. Schmitt [1935] von neuem veröffentlichte (LS 8, 32–71). Der Aufsatz von 1935, der die Ausarbeitung seines letzten, in Marburg absolvierten Seminars darstellt, wurde in Rom im Herbst 1934 niedergeschrieben und sogleich von Cantimori ins Italienische übertragen. Über die Umstände der Übersetzung berichtet Galli, Carl Schmitt nella cultura italiana (1924–1978). Storia, bilancio, prospettive di una presenza problematica, inbesondere 88–92, sowie Schieder, Carl Schmitt und Italien, insbesondere 5–7. 42Die Neuheit der Themen und des Argumentationsstils, außerdem die Verwendung des Pseudonyms, sorgte für zahlreiche Missverständnisse. Während Gadamer Löwith in einem Brief vom 10. November 1935 (DLA A:Gadamer) über den Umstand informierte, dass in Marburg niemand den Verfasser des Artikels erkannt hatte, fiel Schmitts Verdacht auf Lukács. Auf diese Verwechslung mehrfach eingegangen ist Sasso, Ancora su Leo Naphta e Hugo Fiala, 119–124. 43Vgl. Schmitt, Der Begriff des Politischen. Zum Thema siehe auch Meier, Carl Schmitt, Leo Strauss und der „Begriff des Politischen“, 60. Meier beruft sich auf einen Aufsatz von Strauss, den Löwith bei der Niederschrift des Artikels vermutlich im Sinn hatte: Anmerkungen zu Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen. Zu den Schmitt-Interpretationen in jener Zeit vgl. Surdi, Critica della categoria del politico: 1932–1937.

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ordnung auf die Ausübung der absoluten Souveränität zurückführt und zugleich jede Bestimmung des Individuums auf die Bereitschaft, zu töten oder getötet zu werden. Bei einer derartigen Bedingtheit wird „der politische Status de facto maßgebend […] für alle ihm untergeordneten anderen Verbindlichkeiten.“44 Diese Vision beruht auf der Idee eines vollständig politisierten Menschen, der ohne Vermittlung einem totalen Staat entgegengesetzt wird. Ein anthropologisches Modell, das jede unpolitische Dimension des Daseins verkennt, konnte bei Löwith schwerlich Anklang finden, da es die vielfältigen Rollen vernachlässigt, die jeder Einzelne verkörpert. Diese unechte Vielfalt kündet eher von einer positiven „Bewegungsfreiheit“ als von unlösbaren Konflikten zwischen privaten und öffentlichen Eigenschaften des Menschen.45 Als unbeachtet erweist sich auch der Umstand, dass die herausragende Bedeutung, die einigen Rollen zugeschrieben wird, für einen „Ausnahmezustand“ zwar typisch ist, aber niemals zur Verhaltensnorm aufsteigen kann. So schien auch die Schmitt’sche Lehre ein pluralistisches Verständnis der öffentlichen Sphäre zu verhindern, wie dies unter anderem von seiner Apologie der „starken Blutsbindungen“ und der daraus folgenden Herabsetzung der schwachen Bande, welche die politischen Subjekte untereinander verbinden, bezeugt wird.46 Indem sich Löwith eindeutig von einem philosophisch-anthropologischen Ansatz entfernte, stellte er aber in beiden Aufsätzen auch den nihilistischen Zug der Theorien Heideggers und Schmitts heraus, für den er die konstitutive Geschichtlichkeit ihrer grundlegenden Kategorien verantwortlich machte.47 In Sein und Zeit erweist sich das Dasein nämlich als frei von einer Entschlossenheit, die sich auf eine ewige menschliche Natur oder auf irgendeine andere dem Fluss der Zeit enthobene Instanz zurückführen ließe. Weit davon entfernt, eine metaphysische Bestimmung zu besitzen, verwirklicht das Dasein seine Eigentlichkeit in der „vorlaufenden Entschlossenheit“ des Seins-zum-Tode. Durch eine resolute Wahl übernimmt es die Nichtig-

44Löwith,

Der okkasionelle Dezisionismus von C. Schmitt [1935/1960], in: LS 8, 53. ist die Vertiefung des Themas in einer ungewöhnlichen Stellungnahme zu Gegenwartsfragen, die als undatiertes Typoskript im Nachlass unter der Überschrift Ein Diskussionsbeitrag zu „Atomenergie und menschliche Verantwortung“ (DLA A:Löwith) erhalten und teilweise posthum ediert worden ist. 46Vgl. Löwith, Der okkasionelle Dezisionismus von C. Schmitt [1935/1960], 55. 47Bemerkenswert ist hierbei die Tatsache, dass Löwith im Rahmen der Erörterung in Les Temps Modernes der Aufforderung nicht nachkam, auf das „authentische Mitsein“ im Denken Heideggers einzugehen, ein Thema, das ein tragendes Motiv seiner Habilitationsschrift darstellte. Vgl. De Waehlens, Réponse à cette réponse, 374. Eine kurze Andeutung findet sich ferner in ML, 158–159. 45Bemerkenswert

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keit seines Fundaments, wobei es sich als vollständig auf sich selbst gestellt und radikal frei erkennt. In dieser Hinsicht bleiben sowohl der Gegenstand als auch der Zeitpunkt der Entscheidung frei von Entschlossenheit: „Nunmehr ist mit der Entschlossenheit die ursprünglichste, weil eigentliche Wahrheit des Daseins gewonnen. […]. Aber woraufhin entschließt sich das Dasein in der Entschlossenheit? Wozu soll es sich entschließen? Die Antwort vermag nur der Entschluß selbst zu geben.“48 Der Akt des Entschließens begründet die „Vergeschichtlichung“ des Daseins, das so die Wertigkeit eines Schicksals annimmt.49 Für Löwith schien die Affinität zwischen dem von Heidegger verfochtenen Nihilismus der Entschlossenheit und dem von allen Fesseln gelösten Dezisionismus, der die Schmitt’sche Theorie durchdringt, offenkundig. „Souverän ist“ nämlich, nach dem deutschen Staatsrechtler, „wer über den Ausnahmezustand entscheidet“, in dem die Autorität „um Recht zu schaffen, nicht Recht zu haben braucht“, da diese Aufgabe dem Inhaber der absoluten Entscheidung zusteht.50 Gemeinsam ist beiden Autoren die Überzeugung, dass bei einem gestrichenen normativen Rahmen die Quelle jeder Gültigkeit nur aus einer subjektiven und historisch determinierten Instanz besteht. Nach Löwith hatte dieses „Pathos der Entscheidung“ den Weg für „die Entscheidung für Hitlers Entschiedenheit vorbereitet und den politischen Umsturz als ‚Revolution des Nihilismus‘ möglich gemacht.“51 Indem er die Aufmerksamkeit auf den nihilistischen Charakter der erforschten Positionen verlagerte, hatte Löwith eine grundlegende Änderung des bisherigen Ansatzes vollzogen. In Zweifel gezogen wurde nun nicht mehr die anthropologische Plausibilität, sondern die philosophische Substanz der betreffenden Lehren selbst. Und folglich auch die Bedeutung des Prozesses, der auf Hegels Tod gefolgt war und die klassische Reflexion über die ewigen und unveränderlichen Seinsstrukturen in ein wesentlich dem Menschen und der Geschichte zugewandtes Denken verwandelt hatte. Der „politische Existentialismus“ von Heidegger und Schmitt lebte in der Tat von einer ausschließlichen „Ausrichtung des Seins auf die Zeit und des Daseins auf die Geschichtlichkeit“. Der ihn charakterisierende „okkasionelle Dezisionismus“ beruhte auf dem Axiom, dass „das politische Geschehen der Zeit gerade durch seine Zufälligkeit so sehr zum Wesen der ‚Existenz‘ 48Heidegger,

Sein und Zeit, 297–298. Sein und Zeit, 384–385. 50Vgl. Schmitt, Politische Theologie. 51Löwith, Der okkasionelle Dezisionismus von C. Schmitt [1935/1960], 61. Zum Thema vgl. von Krockow, Die Entscheidung. Eine Untersuchung über Ernst Jünger, Carl Schmitt, Martin Heidegger. 49Heidegger,

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gehörig [ist], wie diese selber als eine geschichtliche auf dem Boden der ‚Faktizität‘ steht.“52 Hierin erkannte Löwith die offensichtlichsten Anzeichen für eine Entstellung der philosophischen Tätigkeit. Indem sie die Zeit und also die Geschichte zur Wahrheitsquelle erhob, hatte sich die Philosophie in eine Instanz des Handelns und Einschreitens verwandelt und also, absichtlich oder nicht, in ein Mittel „zur Legitimation jedweden politischen Terrors“.53 Da sie sich selbst nicht mehr als Betrachtung des beständigen Wesens der menschlichen Dinge verstand, sondern als die eigene in Gedanken erfasste Zeit, hatte sie die ironische Verwirklichung jener berühmten, von Hegel zitierten Verse Schillers erleiden müssen: „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“, also die oberste und schlechthin unanfechtbare Rechtsinstanz. Nur indem sie die eigene Macht über die Wirklichkeit überschätzt – oder weil sie die ihr eigentümliche Zerbrechlichkeit nicht kennt –, hatte sie sich einbilden können, nicht der Gegenwart zum Opfer zu fallen, bis sie zu einer mehr oder weniger unbewussten Ideologieform wurde. Der „revolutionäre Bruch im Denken des 19. Jahrhunderts“, den Löwith als Ursprung einer „Humanisierung“ der nachhegelschen Theorie angenommen hatte, verlor somit den positiven Wert eines ertragreichen Experiments und verwandelte sich in das Vorspiel zu einer „Selbstvernichtung“ der Philosophie.54 Das unerwartete Lob auf Hegel, das den Aufsatz über Schmitt beschließt, bildet den ersten Anhaltspunkt für eine alternative Einstellung gegenüber jenem Ansatz, den Löwith bis dahin mit Überzeugung unterstützt hatte. In einer Lobrede auf seine Unzeitgemäßheit wurde Hegel hier als „ein wissender Philosoph, für den der Geist das Leben des Menschen bedeutete und das, was ihn freimacht von allen unmittelbaren Gebundenheiten und darum auch fähig zu einer geistigen Entscheidung“, dargestellt.55 Ein solcher Entscheidungsbegriff steht dem von Marx und Kierkegaard vorgeschlagenen diametral entgegen. Indem er eine deutliche Überarbeitung des in Marburg konzipierten Interpretationsschemas vornahm, stellte Löwith nun die beiden radikalsten

52Löwith, Der europäische Nihilismus [1940], 514–515. Zum Thema vgl. Marcuse, Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung, 7–44; Schnädelbach, Politischer Existentialismus – zur philosophischen Vorgeschichte von 1933, 346–355. 53Vgl. Ries, Karl Löwith, 38. 54Vgl. z. B. Löwith, Philosophische Theorie und geschichtliche Praxis in der Philosophie der Linkshegelianer [1962], 7–38. Die italienische Ausgabe erschien vorab 1960 im Verlag Laterza in Bari. 55Löwith, Politischer Dezisionismus [1935/1960], 123.

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Testamentsvollstrecker des Hegel’schen Erbes nebeneinander. Ihr Argwohn gegenüber jeder Theorie, die sich nur widerwillig einer Kritik der Aktualität widmet, machte die Pioniere der philosophischen Anthropologie in seinen Augen zu unwillkürlichen Vorläufern des politischen Nihilismus. Dies kommt auch in einem Brief an Gadamer vom 2. September 1933 zum Ausdruck: „Er – Hegel – war der letzte ‚exist. Denker‘ – alle späteren, bis zu Heidegger, glauben nicht mehr ans Denken, sondern nur noch an Existenzialien die im Grunde unphilosophisch sind, weil sie den Unt[er]schied von Handeln + Denken nicht wahrhaben wollen. Daher ihr primitiver oder zweideutiger Kopfsprung in das geschichtl[iche] Geschehen, Passionen, Politik etc.“56 Löwith wusste, dass Marx und Kierkegaard weit diesseits der Linie des Nichts anzusiedeln waren. In der Idee einer zukünftigen Gesellschaft oder einer Rückkehr zum ursprünglichen Christentum besaßen diese noch ein normatives „Gravitationszentrum“, das den Verfechtern einer selbstzweckgerichteten Entschlossenheit unbekannt war.57 Dennoch erkannte er die Thesen von Heidegger und Schmitt als Endpunkte der durch die beiden Hauptvertreter der Hegel’schen Linken eingeleiteten Verwandlung. Denn mit den ‚Schlussdenkern‘ des 20. Jahrhunderts vollzog sich durchweg jene ‚trahison des clercs‘ – der Ausdruck stammt aus einem Brief an Tillich vom 4. Oktober 1941 –, die aus der Philosophie eine vollständig historisierte und existenzialisierte Theorie machte. Jener Tod der Philosophie, der von Marx, von Kierkegaard und bis 1933 auch von Löwith selbst herbeigesehnt wurde, führte nicht zu einem authentischeren Menschheitsideal, sondern zu seiner Zerstörung.58

Magie des Extrems und Zauber der Mäßigkeit Eine solche Diagnose forderte dazu heraus, eine Alternative zu einer ausschließlich auf Mensch, Zeit und Geschichte ausgerichteten Theorie aufzuzeigen. Dem Vorhaben, das ausgehend von einer problematischen Treue

56Karl

Löwith an Hans-Georg Gadamer, 2. September 1933 (DLA A:Gadamer). Löwith, Der okkasionelle Dezisionismus von C. Schmitt [1935/1960], 59. Eine Kritik an der unangemessenen Angleichung von Marx und Kierkegaard wird vorgetragen von Caracciolo, Karl Löwith, 80, 96–99. Fragwürdig ist auch eine Annäherung beider Denker im Namen eines gemeinsamen Misstrauens gegen die Philosophie, vgl. etwa Arendt, Was ist Existenz-Philosophie? Siehe auch Fergnani, Il „bifrontismo“ di Hegel e la sinistra hegeliana (a proposito dell’antologia di Karl Löwith), und Maietich, Il socialismo ateo di Marx nell’interpretazione di Löwith. 58Vgl. Löwith, Zur Problematik der Humanität in der Philosophie nach Hegel Die Einheit und die Verschiedenheit der Menschen [1938], in: LS 1, 243–258. 57Vgl.

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zum ursprünglichen Sinn des Philosophierens ein Misstrauen gegenüber modernen Mythen mit dem Willen verknüpft, alle Fluchtwege aus einer entzauberten Welt zu versperren, verleiht Löwith den Namen einer „Kritik der geschichtlichen Existenz“. In seiner ausgereiftesten Version, die in den Schriften nach der Rückkehr aus dem Exil ausgearbeitet wird, schlägt sich dies in einer radikalen Skepsis gegenüber einem Denken nieder, das durch den ‚Zeitgeist‘ geplagt ist. Als Ergänzung dient ihr eine Untersuchung über die verdrängte Dimension des natürlichen Kosmos, die das „Verhältnis von Mensch und Welt“ in seiner „wahren Proportion“ erfasst.59 Eine Kritik der Moderne, die eine „Schwächung des Geschichtsbewusstseins“ mit einer kosmologisch grundierten Anthropologie verknüpft, bildet also das Ergebnis von Löwiths Reflexion über die vielfache Verantwortung der Philosophie gegenüber dem politischen Bösen des 20. Jahrhunderts. Ein erster Schritt in diese Richtung deutete sich am Ende des Aufsatzes über Schmitt an, wo es heißt: „Daß aller Geist ‚gegenwärtiger‘ ist oder ‚präsent‘ und bezogen auf eine konkrete Situation, wird zwar kein denkender Mensch bestreiten. Nur folgt daraus nicht, daß sich der Geist des Menschen darin erschöpft, der Ausdruck einer gegebenen Situation zu sein, anstatt kraft seines geistigen Seins jedes hic et nunc und auch jede polemische Haltung im Wissen um das dauernde Wesen der menschlichen Dinge zu überschreiten.“60 Nur ein Jahr zuvor hatte Löwith in einem Brief an Strauss erklärt, er nehme die Geschichtlichkeit der Vernunft als natürliche Voraussetzung der eigenen Forschung an, wobei er der Gegenwart im Hinblick auf die Zukunft das „absolute historische Recht“ einräumte. Es war das Vertrauen in die „Produktivität“ des Nihilismus, das ihn in diesen zweideutigen Umständen die Voraussetzung einer eigenartigen Natürlichkeit erkennen ließ, jener positiven Glaubenslosigkeit, die als des modernen Menschen wahrhaft würdiges Verhalten gerühmt wird. Nichts schien dieses tugendhafte Korrelat der Entzauberung dem „okkasionellen Dezisionismus“ einer Existenz gleichzumachen, die – wie im nichtigen Fundament der eigenen Nichtigkeit – in sich selbst begründet ist. Denn die Erfahrung der Begegnung mit den anderen Individuen garantierte eine Sinnreserve, die imstande war, die destruktiven Auswirkungen eines Nichts zu beschränken, das Löwith, bevor er es in der Geschichte am Werk erblickte, lediglich für eine optische Täuschung gehalten hatte, die einer einseitigen Diagnose der Moderne

59Löwith, 60Löwith,

Zur Frage einer philosophischen Anthropologie [1975], in: LS 1, 330. Politischer Dezisionismus [1935/1960], 123.

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geschuldet ist – als Verblendung einer der religiösen Weltsicht noch zu sehr verhafteten Anthropologie. Das plötzliche Verschwinden dieser Themen in den auf die Revolution des Nihilismus von 1933 folgenden Schriften bezeugt die Erschöpfung dieser Perspektive. Das Interesse für das anthropologische Motiv weicht der Suche nach einer Instanz zur Verstehbarkeit von historischen Tatsachen, die ihre Aufgabe in einer säkularisierten Welt erfüllen soll. Vergleichbar ist diese Aufgabe mit derjenigen, die gemäß der Tradition der Kategorie der Ewigkeit vorbehalten war, nämlich als Sinnrahmen zu dienen, der die Macht der Zeit zu begrenzen vermag. Denn bevor die Philosophie die Gegenwart kritisierte, musste sie imstande sein, sich nicht überrennen zu lassen, indem sie sich in einem Sicherheitsabstand zur Aktualität positionierte. Um nicht der Kraft der Ereignisse nachzugeben, war ein Bewertungsmaßstab nötig, der nicht mit dem Lauf der menschlichen Dinge übereinstimmt: „Und doch bedarf es, um nur überhaupt die Zeit als Zeit zu begreifen, eines Standpunktes, der das bloße Geschehen der Zeit überschreitet.“61 Löwiths Vergleich, den zuvor schon zahlreiche Interpreten zwischen Nietzsche und Burckhardt angestellt hatten, speist sich aus eben diesen Motiven.62 Entlang verschiedener Wege hatten nämlich beide Autoren den Zugang zu einer ‚überhistorischen‘, dem Fluss der Zeit entzogenen Dimension versucht. In ihrem Werk erkannte Löwith somit ein Denken, das nicht vollständig der Aktualität überlassen ist und folglich einen Akt des geistigen Widerstands darstellt. Diesmal aber schlug er sich nicht auf die Seite Nietzsches. Was ihn jetzt von diesem Autor fernhielt, der ihn immerhin zur Philosophie initiiert hatte, war dessen Streben nach Extremen, nach einem Pathos, das kein Zögern erlaubt, in dem er kein reizvolles Element mehr sah, sondern das Anzeichen für einen politisch unverantwortlichen „deutschen Radikalismus“ (ML 51).63 Dabei handelte es sich gewiss nicht um einen endgültigen Abschied, sondern um die Gewinnung eines neuen Gesichtspunkts, von dem aus es die Geschicke der Philosophie nach Hegels Tod abzuwägen galt.64 Es bedurfte einiger Zeit, ehe er sich von neuem mit den Suggestionen

61Löwith,

Von Hegel zu Nietzsche, 4. Vgl. zum Thema Jonas, Wandlung und Bestand. Vom Grunde der Verstehbarkeit des Geschichtlichen, 50–80. 62Vgl. etwa Ruhstaller, Burckhardt und Nietzsche. Deutungen einer vieldeutigen Beziehung. 63Vgl. außerdem Löwith, M. Heidegger und F. Rosenzweig [1960], 100–101, sowie Löwith, Skepsis und Glaube in der Weltgeschichte [1950], 143–144. 64Vgl. Habermas, Karl Löwiths stoischer Rückzug vom historischen Bewußtsein, 116–117; Ritter, Nachwort; Buschke, Denken im Belagerungszustand. Karl Löwith über Jacob Burckhardt.

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Nietzsches auseinandersetzen würde. Bezeichnend sind hierbei die an Eric Voegelin gerichteten Worte vom Januar 1945, also rund zehn Jahre nach Löwiths Abrechnung mit seinen Bildungsjahren: „[…] da ich weiss dass meine Sympathie für Burckhardts Rückzug meiner eigenen Schwäche entspricht, so kann ich nicht umhin, […] für die Wahrheit einzutreten welche Nietzsche ist […].“65 Diese Wahrheit ist aber weit entfernt von jener, die Löwith bis 1933 in Nietzsches Schriften vorgefunden hatte; die Wahrheit stand in dem Bewusstsein, dass die Philosophie, nur indem sie sich dem zuwendet, was nicht Geschichte ist, einen Damm gegen den nihilistischen Relativismus des modernen Denkens errichten kann. Die Schrift Jacob Burckhardt. Der Mensch inmitten der Geschichte stellt gleichsam ein verdecktes Selbstporträt Löwiths dar.66 Darin verkörpert Burckhardt die Haltung, mit welcher der von Löwith diagnostizierten Krise der Philosophie zu begegnen ist. Somit erstrahlt seine Gestalt in einer einzigartigen Aura, nämlich in jener des alleinigen Denkers, „dessen Betrachtung des menschlichen Geschehens souverän, hellsichtig und weitblickend ist.“67 Er ist das Gegenteil eines Pessimisten, der sich aus Verzweiflung abseits hält, so wie ihn, wer Nietzsche als das Sinnbild der großen Gesundheit ansah, darzustellen liebte: „Im blendenden Licht von Nietzsches Radikalismus hat Jacob Burckhardt das Schicksal gehabt, daß seine philosophische Mäßigkeit als ein bloß rückwärts gewandter Späthumanismus erschien. Diesen falschen Anschein von seinem wahren Bild zu entfernen, ist ein Hauptzweck der neuen Vergegenwärtigung Burckhardts, die seine Anschauung von der Geschichte erstmals in ihrer ganzen Bedeutung erhellt“.68 Burckhardts Größe liegt in unscheinbaren Eigenschaften, in denen ein von der Verführung des Extremen verzauberter Blick nur eine schwache, ironische Form von Machtlosigkeit erkennen kann. Indem er eine andere moralische und intellektuelle Urteilsskala ansetzte, betonte Löwith hingegen die aktiven Bestandteile einer Haltung, die den Ausdruck der Passivität anzunehmen schien. Burckhardt leidet nicht, sondern erduldet; er flüchtet nicht, sondern verzichtet, durch das Ausüben von Kritik widersteht er. Der Kontrast 65Löwith/Voegelin,

Briefwechsel, 776. das Manuskript vom Schwabe Verlag abgewiesen worden war, erschien die Monographie dank der Fürsprache von Werner Kaegi im Luzerner Vita Nova Verlag. 1938 wurde sie auf die BücherVerbotsliste des NS-Regimes gesetzt. Zur anfänglichen Rezeption vgl. Barth, Jacob Burckhardt und das Problem der Apolitie; Keller, Jacob Burckhardt in unserer Zeit; Podach, Ein neues Jacob BurckhardtBuch; Schneider, Die Persönlichkeit in der Geschichte; Mayer [1937]); Vorwahl [1938]; Fueter [1938]; Göransson [1938]. 67Löwith, Burckhardts „Kultur“-Geschichte [1937], in: LS 7, 363. 68Der Satz steht auf dem Rückumschlag der Erstauflage (vgl. LS 7, 390). 66Nachdem

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zwischen dieser seltenen Form von Normalität und Nietzsches ständigem Verfolgen des Äußersten findet einen Kristallisationspunkt in dem Verweis auf die Dimension der Ewigkeit, die als normativer Hintergrund für die epochalen Diagnosen beider Autoren sowie als Ursprung ihres Weisheitsideals dient. Indem er eine „Wiederaufnahme der Antike auf dem Höhepunkt der Moderne“ inszenierte, präsentierte sich Nietzsche mit Vorliebe als Meister einer Lehre, die in seinen Augen eine Überwindung des Nihilismus versprach. In seiner Schrift Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen widerlegte Löwith sowohl die Intention als auch die Bedingungen dieses Versuchs.69 Dabei prangerte er sowohl die Sinnlosigkeit der Intention als auch die Modernität der Bedingungen an. Damit bewies er, dass Nietzsche die Quintessenz einer Art des Philosophierens verkörperte, die derjenigen der Antike diametral gegenüberstand. Indem er teilweise die Spur früherer eigener Arbeiten weiterverfolgte, rekonstruierte Löwith gleichsam das in Nietzsches Aphorismen verstreute System, wobei er dessen verborgene Mitte nicht mehr in der Idee der Auslegung oder in einer antichristlichen Anthropologie der Natürlichkeit festmachte, sondern im Begriff der Ewigkeit. Die spezifische Bedeutung des ‚Willens zur Macht‘ als derjenigen Kategorie, in der viele Gelehrte jener Zeit das Grundthema von Nietzsches Denken erkannten, rückte so deutlich in den Hintergrund.70 69Die Verschärfung der Rassengesetze erschwerte die Publikation und Verbreitung des Buches. Nach Absagen durch die Verlage Klostermann, Meiner und Beck wurde das Manuskript aufgrund eines entscheidenden Impulses von René König vom Berliner Verlag Die Runde angenommen. Zur ersten Rezeption vgl. Barth, Der Fall Nietzsches; Sternberger, Perikles und Zarathustra; Rüdiger, Nietzsche und die ewige Wiederkunft des Gleichen ); R., Neuere Versuche über Nietzsche. Anonym, Hinweise auf ein paar philosophisch-religiöse Neuerscheinungen; Kraus, Das Rätsel Nietzsche; Herrmann, Nietzsche und das 19. Jahrhundert; Anonym, Eine Deutung Nietzsches; F., Ein Nietzsche-Forscher; Kunz [November 1935]; Leese [1935]; Landsberg, [1935/36]; Grassi, La teoria dell’eterno ritorno in Nietzsche. 70Vgl. auch Löwith, Nietzsche, der Philosoph unserer Zeit [1936], in LS 6, 389–390. Die Kontinuität im Ansatz gegenüber den früheren Arbeiten wird von Löwith in einer Fußnote unterstrichen: „Der Grundgedanke der folgenden Interpretation wurde erstmals vom Verf. erstmals in seiner (ungedruckten) Dissertation […] unzureichend entwickelt und dann wiederholt in Vorlesungen von 1928 bis 1934 vorgetragen.“ (Löwith, Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkunft des Gleichen [1935], 166–167). Hinsichtlich der zentralen Bedeutung des Willens zur Macht findet sich der grundlegende polemische Anhaltspunkt bei Baeumler, Nietzsche, der Philosoph und Politiker, dem Löwith eine „willkürliche Ausmerzung der Wiederkunftslehre“ sowie die daraus resultierende „Blindheit“ gegenüber dem philosophischen Inhalt von Nietzsches Entwurf vorwirft (Löwith, Zur Geschichte der Nietzsche-Deutung, 364). Vgl. hierzu Müller-Lauter, „Der Wille zur Macht“ als Buch der „Krisis“ philosophischer Nietzsche Interpretation. Unerbittlich ist auch das Urteil über die Monographie von Jaspers, Nietzsche. Einführung in das Verständnis seines Philosophierens, die wie folgt beschrieben wird: „[E]in Monolog am Grabe von Nietzsches sämtlichen Werken, aber keine produktive Auseinandersetzung mit ihm“ (LS 6, 491). Aus derartigen Bemerkungen zog Jaspers am 1. Juli 1955 schließlich seine Konsequenzen: „[…] ich vermute ein[e] radikale Differenz zwischen uns in der Nietzsche-Auffassung, die wiederum gründet in einer Differenz über den Sinn von Philosophie überhaupt“ (Jaspers, Korrespondenzen. Philosophie, 526). Vgl. auch Jaspers: Notizen zu Martin Heidegger, 192, 203.

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Nachdem er die Schriften Nietzsches gemäß den drei Verwandlungen aus dem Prolog des Zarathustra71 – jenes Werks, das seiner Meinung nach die gesamte Philosophie des Autors zusammenfasst – eingeteilt hatte, konzentrierte sich Löwiths Interesse auf das Motiv der ewigen Wiederkehr. Auf den Seiten, die das Herzstück seiner Monographie bilden, erläuterte er den paradoxen Zwiespalt zwischen den beiden Spannungen – eine ist anthropologisch-moralischer, die andere kosmologisch-metaphysischer Art –, die diese Theorie durchziehen.72 Erstere verbindet sich mit den durchweg modernen Anforderungen eines an der Zukunft orientierten Willens, letztere mit der antiken Anschauung von einer unendlichen Bewegtheit des Universums unter Einschluss des menschlichen Willens. So erweist sich, dass die Lehre von der ewigen Wiederkehr einem unüberwindlichen Widerspruch ausgesetzt ist. Einerseits empfiehlt sie sich als neues Gravitationszentrum einer exzentrisch gewordenen Existenz und damit als neuer Glaube, zu dem man sich bekehren soll. Andererseits umreißt sie in Form einer wissenschaftlichen Wahrheit das antichristliche Bild einer Welt ohne Ursprung und Ziel, die man sich wieder aneignen muss, um über Gott und das Nichts zu triumphieren. Allerdings können die Augenblicke der „Entscheidung“ und der „Inspiration“ nur in der Form des Symbols oder der Allegorie – wie beispielsweise in der Parabel von der Erlösung des Vergangenen73 – in scheinbarer Harmonie zusammenleben. Denn die von Nietzsche herbeigewünschte Versöhnung von Ego und Fatum verstößt nicht nur in krasser Weise gegen die Anforderungen der Logik, sondern auch gegen jenes Klassizitätsideal, das er als „letzter Liebhaber der ‚Weisheit‘“ auf ihren Höhepunkt zurückführen wollte. Die Gleichsetzung von Willen und Schicksal verwandelt das Individuum in eine der Ursachen der ewigen Wiederkehr und somit letztlich in den göttlichen Schöpfer der eigenen Existenz. Die Eingebung für Nietzsches Unterfangen ist also ganz und gar modern. Und seine Sehnsucht nach Ewigkeit zielt nicht auf eine überhistorische Dimension, sondern leitet vielmehr eine „Zukunftsphilosophie“ ein, welche die Theorie den Anforderungen der Praxis in noch radikalerem Maße unterordnet als jene, die von Hegels Erben aufgezeigt wurde. In seiner Monographie beließ es Löwith dabei, diese prinzipiellen Unstimmigkeiten aufzuzeigen. ‚Über Nietzsche hinaus‘ hätte das letzte,

71Vgl.

Löwith, Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen [1935], 111–130. Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen [1935], 169–228. 73Vgl. Nietzsche, Also sprach Zarathustra, 173–178. 72Löwith,

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knapp geratene Kapitel reichen sollen, welches dem fehlenden Maß eines Experiments gewidmet ist, das den menschlichen Willen dazu anstachelt, „etwas [zu] glauben, [zu] wünschen und [zu] wollen, was durch die Unabänderlichkeit seiner Fatalität jedes Wollen, Wünschen und Glauben ausschließt und überflüssig macht.“74 Ein Briefwechsel aus dem Sommer 1935 mit Leo Strauss und Jean Wahl bereichert diese oberflächlichen Hinweise und bietet zugleich den Rahmen, in dem das Burckhardt-Buch zu verorten ist. Nachdem er den Mut gepriesen hatte, der Nietzsche bis an zuvor nie erreichte Grenzen vordringen ließ, gab Löwith an, dass er nichts derart „Utopisches, Radikales und Extremes“ (KL/LS 653) anstrebe, sondern vielmehr als „positiv-kritische[n] Masstab nur […] die grundsätzliche Destruktion all jener Extremstitäten, im Rückgang auf das – ursprünglich ebenfalls antike – Ideal von Mitte und Mass“ (KL/LS 653–654) annehme.75 Aus diesen Worten scheint eine unter Intellektuellen in Krisenzeiten in regelmäßigen Abständen höchst angesagte Haltung hervor; eine Neuauflage der antiken Sophrosyne, die eine „vernünftige Einigung“ zwischen Mensch und Welt verkündet, folgt so auf die von Nietzsche gepredigte „wurzellose Maßlosigkeit“. Es handelt sich um eine wirklich umsetzbare Lebensweisheit, die eine reife Unnachgiebigkeit mit einem realistischen Sinn für die Grenze vereinbart. Am 26. Juli 1935 schrieb Löwith an Jean Wahl: „Wenn es wahr ist – was ich glaube –, dass wir heute in einer analogen Situation philosophieren, wie es die der Spätantike war, und wenn es in erster Linie darauf ankommt, als philosophierender Mensch gegenüber den Bewegungen unserer Zeit standzuhalten und ‚Mitte und Mass‘ zu finden, […], statt sich von der Magie der Extreme verführen zu lassen (einschliesslich die Magie der Philosophie des Scheiterns76), dann kann ich auch desinteressiert sein an der wissenschaftlichen Wahrheitsfrage […] gegenüber allen sogenannten Fortschritten oder auch Rückschritten, also auch gegenüber einer utopischen Wiederholung sei es der ursprünglichen Antike oder auch des ursprünglichen Christentums. […]. Ich wähle also gar nicht zwischen Antike und Modernität, sondern ich glaube, dass man auch als moderner Mensch jene Mitte und jenes Mass halten kann, welches allerdings vorzüglich in der Antike zuhause war, wenngleich es auch noch ein Mensch wie J. Burckhardt in einem hohen Masse verkörpert hat.“

74Löwith,

Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen [1935], 211. auch Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches II, 120. 76Vgl. Löwith, Nietzsche nach sechzig Jahren [1956/1960], 465. 75Vgl.

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Der von Nietzsche geforderten Erlösung von der historischen Zeit in Bezug auf die Geschichte stellt Burckhardt „mit einer noch kaum beachteten Kühnheit“ die wesentliche Kontinuität des Werdens entgegen. Denn sein Verzicht auf jegliche Illusion, allen voran auf jene des Fortschritts, beruht auf dem Prinzip, wonach die Geschichte in jeder Veränderung einen „Wandel des Gleichen, […] ein sich Wiederholendes“ zeigt.77 Als dauerhaftes Element im Fluss der Ereignisse weist Burckhardt auf den Menschen in seinem ewigen Handeln und Leiden hin, der mit Fähigkeiten ausgestattet ist, die sich seit Anbeginn der Zeiten als „längst vollständig“ erweisen, womit er jede künftige Vervollkommnung des Menschengeschlechts ausschließt; einen Menschen, der „inmitten der Geschichte“ steht, nicht damit er ihren Mittelpunkt einnimmt, sondern weil er die eigene Mitte in sich selbst besitzt. Dieser Ansatz schien dazu geeignet, Löwiths Desiderata zu befriedigen: „Der Punkt, auf dem Burckhardt stand und den Angriff der Zeit bestand, liegt aber nicht außerhalb des Geschehens, sondern ist das Bestehen auf der menschlichen Freiheit inmitten des allgemeinen Geschehens. Um jedoch die dem Menschen gegebene Freiheit […] wirklich als eine beständige und in sich feststehende Mitte zu haben – muß sie der Mensch als ‚Mitte und Maß‘ in sich haben. Und in der Tat ist die Mäßigkeit […] der eigentümliche Kern in Burckhardts Stellung zum Dasein und zum Geschehen.“78 Die Einstellung, mit der Burckhardt die aufrichtige Beurteilung des Lebens erlangt, die ihm eine vorurteilslose Kritik der eigenen Zeit ermöglicht, ist – wie Löwith schon bei seiner Antrittsvorlesung von 1928 hervorgehoben hatte – die Kontemplation. In dieser Rehabilitation des ‚bios theoretikos‘ erweist er sich Hegel näher als sämtliche Junghegelianer, weil seine Vermenschlichung der Philosophie nicht in einen politischen Aktivismus entartet, sondern entschieden an der Unabhängigkeit der Theorie festhält. Löwith war natürlich daran gelegen, zu zeigen, dass ein solches Verhalten weder einen Anachronismus noch eine Flucht vor der Wirklichkeit darstellte, sondern vielmehr das stimmigste Verhalten, um Krisenzeiten entgegenzutreten: „theoretisch ein Betrachten und praktisch ein sich Zurückhalten […]: sich von seiner Zeit zu enthalten, um gerade als ein zurückgezogener Nicht-Polites den geschichtlichen Sinn seiner Zeit, gegen sie, zu verwahren.“79 Sowohl dem Verzicht Burckhardts auf eine Ver-

77Löwith,

Jacob Burckhardt [1936], 78–79. Jacob Burckhardt [1936], 332. 79Löwith, Jacob Burckhardt [1936], 172. 78Löwith,

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wicklung mit der Aktualität als auch der sich daraus ergebenden Verlagerung seines Interesses auf die Geschichte eignet eine politische Finalität und Bedeutung, sie sind ein Weg, „um so der eigenen Zeit aus dem Abstand der historischen Sicht mit einem geschichtlichen Maß verbunden zu bleiben.“80 In dieser Entscheidung erkannte Löwith ein Modell, an das er sich anlehnen und aus dem er auch für die eigenen Arbeiten grundlegende Anregungen beziehen konnte. Er würde allerdings Zeit benötigen, um einen von Gadamer in einem Brief vom 3. Januar 1937 ausgesprochenen Zweifel nutzbar zu machen. Nachdem er das Buch gelobt hatte, erhob nämlich der Freund einen Einwand, der sich auf die zeitliche Zuordnung der auf jenen Seiten verfochtenen Position bezog: „Das Entscheidende, das Burckhardt von aller antiken Haltung trennt, ist der Ausfall der Kosmologie bei Burckhardt.“81

Sensei Löwith Für einen jüdischen Intellektuellen waren die Perspektiven eines beruflichen Einstiegs im faschistischen Italien ziemlich bescheiden. Die Möglichkeiten beschränkten sich auf die Lektorenstellen,82 über die das Deutsche Reich – zumindest bis zum deutsch-italienischen Kulturabkommen vom November 1938 – keine rigorose Kontrolle ausüben konnte, auf das Unterrichten in Einrichtungen aus dem Umfeld des Vatikans,83 schließlich auf Stipendien aus dem Ausland. Im Unterschied zu den Initiativen in anderen Ländern, unternahmen die italienischen Universitäten recht wenig, um aus-

80Löwith,

Jacob Burckhardt [1936], 177. Gadamer an Karl Löwith, 3. Januar 1937 (DLA A:Gadamer). 82So wie im Fall Paul Oskar Kristellers, der, wenngleich er noch vor seiner Habilitation stand, auf Vermittlung Giovanni Gentiles hin ein Lektorat an der Scuola Normale in Pisa erhielt. In einer privaten Mitteilung an den Autor in italienischer Sprache vom 26. Oktober 1994 beschreibt Kristeller sein Verhältnis zu Löwith mit folgenden Worten: „Ich habe Löwith seit 1926 recht gut gekannt, als ich ein Semester lang bei unserem gemeinsamen Lehrmeister Martin Heidegger studierte, jedoch war unser Gesprächsthema nicht Löwiths eigenes Denken, sondern unsere Interpretation Heideggers, und dasselbe gilt für die Zeit von 1931 bis 1933, als ich neuerlich bei Heidegger in Freiburg i. Br. studierte, wie auch für unseren gemeinsamen Aufenthalt in Italien von 1934 bis 1939 [sic], sowie nach dem Krieg bis zu Löwiths Tod“ (Übersetzung: A. Staude). Zu den italienischen Stationen Kristellers besteht die wichtigste Quelle in dem ausgiebigen Briefwechsel mit Gentile (AFG/CURB, Kristeller Papers). Vgl. auch Kristeller, La vita degli studi, 153–169. Zum kulturellen Umfeld in Pisa siehe Simoncelli, Cantimori, Gentile e la Normale di Pisa. 83Diesen Weg beschritt etwa Erik Peterson, ein zum Katholizismus konvertierter Theologe, der einen Lehrauftrag für Patristik am Päpstlichen Institut für christliche Archäologie erhielt, und daneben auch an der Bibliothek der Università Gregoriana arbeitete. Löwiths Briefe an Peterson werden in der Biblioteca Erik Peterson an der Universität Turin (BEP) aufbewahrt. 81Hans-Georg

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ländische Gelehrte anzulocken. Im Fall einer Anstellung war zudem der Erwerb der Staatsbürgerschaft nach fünf Jahren Aufenthalt im Land vorgesehen; allerdings machten die Rassengesetze von 1938 eine solche Aussicht schonungslos zunichte. Löwith war sich frühzeitig über den Ernst der Lage im Klaren, denn bereits am 5. Juli 1934 schrieb er an Klein: „Sie denken, ich sollte mich weniger um die Zukunft sorgen. Wenn es sich um einen christlichen oder philosophischen Rat handelt, will ich ihn gerne annehmen und insgesamt lebe ich hier in Italien ziemlich sorgenfrei […] aber die finanzielle und berufliche Zukunft ist noch sehr dunkel und völlig ungewiss.“ Trotz der noch nicht erloschenen Hoffnung auf eine Rückkehr nach Deutschland bemühte er sich um eine Anstellung, wobei er sich vor allem auf die Hilfe Gentiles stützte. In einem Referenzschreiben vom März 1935 erklärte dieser, in ihm „den Verstand, die Bildung und den Charakter“ zu bewundern, schloss jedoch in resigniertem Ton: „Ich wäre aber noch erfreuter gewesen, wenn es mir die gegenwärtigen Verhältnisse an der römischen Universität erlaubt hätten, ihm an eben dieser Universität eine Dozentenstelle zu beschaffen.“84 Seine Bemühungen, eine Anstellung zu finden, trieb Löwith also vor allem mit Blick auf das Ausland voran. Anfänglich schien es so, als könnte die Unterstützung durch einflussreiche Persönlichkeiten Früchte tragen.85 Unter den vergeblichen Versuchen auf der ganzen Welt ragen Bewerbungen auf Stellen in Istanbul und New York hervor.86 War es in der Türkei Leo Spitzer gewesen, der für Löwiths Belange eintrat und um ein Haar seine Anstellung an der Seite Hans Reichenbachs erreicht hätte, so schmiedete in den Vereinigten Staaten Paul Tillich, dem er schon in Marburg begegnet war 84Ein Brief vom 27. Februar 1935 von Tracy Kittredge, einem Mitarbeiter der Europa-Abteilung der Rockefeller Foundation, erhellt Gentiles Absichten: „Die Assistentenstelle von Prof. Pettazzoni an der Universität in Rom scheint für die Zukunft keine Garantie zu bieten“ (Übersetzung: A. Staude). Der maschinengeschriebene Brief in englischer Sprache wird aufbewahrt im Max-Horkheimer-Archiv der Stadt- und Universitätsbibliothek in Frankfurt am Main (UBF NL Horkheimer). Im Briefwechsel Gentile/Pettazzoni, der in der Fondazione Gentile (AFG) aufbewahrt wird, bleibt Löwith unerwähnt. 85Neben Gutachten von Croce und Gentile konnte Löwith Empfehlungsschreiben von Heidegger und Jaspers vorweisen. Heidegger erklärte am 25. Oktober 1934, sein Schüler sei „einer der wenigen, die heute mit Genauigkeit, und vor allem in den weniger bekannten Aspekten, die Entwicklung der Geschichte des Denkens im 19. Jahrhundert kennen.“ Jaspers dagegen lobte am 17. Oktober 1934 die außerordentlichen didaktischen Erfolge und das spekulative Talent Löwiths, wenngleich er „persönlich seinem Philosophieren mangels seines Sinns für Transcendenz“ fremd gegenüberstand (Jaspers, Korrespondenzen. Philosophie, 499–500). 86Weniger realistisch waren die Aussichten, nach Spanien (Santander) oder in die USA (North Carolina) zu kommen, sowie seine Bewerbungen um ein Lektorat an der London School of Economics und auf einen Lehrstuhl für Soziologie in Bogotà: „Mangels anderer Aussichten war ich bereit, an den Äquator zu gehen – aber es wurde nichts daraus“ (Karl Löwith an Leo Strauss, 31. Dezember 1935, zitiert nach KL/LS 657–658).

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und der seit 1933 am Union Theological Seminary lehrte, an einem Plan, der erst 1941 von Erfolg gekrönt werden sollte.87 Zunächst war angedacht worden, Löwith in den Kreis der Frankfurter Schule aufzunehmen. Wie dem regen Briefwechsel von Winter 1935 bis Sommer 1936 zu entnehmen ist, vermochte aber die von Max Horkheimer an den Tag gelegte Bereitschaft und Wertschätzung die unternehmerische Starrheit nicht zu überwinden, mit der er sich selbst und die kleine, von ihm angeführte Exilantenschar protegierte. Das Institut für Sozialforschung stellte zwar eine Stelle zur Verfügung, jedoch ohne Gehalt.88 Löwith musste allerdings seinerseits gewisse Vorbehalte gegen den Dogmatismus seiner potenziellen Kollegen gehegt haben, denn im Verlauf der Verhandlungen schrieb er vertraulich an Cantimori: „Es könnte von Nutzen sein, die Stelle anzunehmen, obgleich mir das Umfeld nicht behagt.“89 Im Mai 1935 begab sich Löwith nach Deutschland, um den äußersten Versuch zu unternehmen, seine akademische Stellung zu bewahren. Was er hingegen erhielt, war ein Lehrstuhl für deutsche Philosophie auf der anderen Seite des Planeten. Denn nachdem er die endgültige Aufhebung seines Lehrauftrags hinnehmen musste, begegnete er Yoshitaka Sakaeda, einem Dozenten der Waseda-Universität in Tôkio, der mit einem erstaunlichen Sinn für den rechten Augenblick in Marburg eingetroffen war, um unter Löwiths Anleitung ein Forschungsprojekt zu beginnen.90 Der unver87In Löwiths Nachlass sind keine Briefe von Tillich erhalten, und auch Tillich hat die Sendungen von Löwith nicht aufbewahrt (Mitteilung von Gert Hummel, Präsident der Deutschen Paul-TillichGesellschaft, Tiflis, 12. Dezember 1999). 88Die Rockefeller-Stiftung zeigte sich bereit, für zwei Jahre die Hälfte des Mindestgehalts beizusteuern, das Horkheimer auf etwa 3000 Dollar jährlich schätzte. Die verbleibende Differenz konnte allerdings nicht aufgebracht werden. 89Löwith an Delio Cantinmori, ohne Datum (SNP/FC – Übersetzung: A. Staude). In der Zeitschrift für Sozialforschung publizierte Löwith einige Rezensionen (vgl. LS 3, 420–424, 424–427; LS 6, 489–492). In einem Brief an Paul Tillich vom 4. Oktober 1941 nahm er deutlich Abstand von den Frankfurter Positionen. In seiner Erörterung der Thesen aus Marcuses Buch Reason and Revolution behauptete er: „De facto hat er einen dogmatischen Ausgangspunkt, nämlich die Wirklichkeit des historischen Materialismus, und ich wundere mich, warum er und das ganze Institut nicht Marxisten genannt sein wollen, wo sie doch alle wesentlichen Thesen von Marx akzeptieren und damit wohl auch die dazugehörige politische Stellungnahme“ (UBM/PTA). Eine rezensionsartige Korrespondenz über diese Themen mit Marcuse findet sich in LS 5, 62–69. Bemerkenswert ist ferner das Vorhandensein eines freilich sehr schmalen Briefwechsels zwischen Löwith und Adorno (ADK/ThAV). Laut testamentarischer Verfügung ist dieses Material aber einstweilen noch unzugänglich (private Mitteilung an den Autor von M. Schwartz, Frankfurt a. M., 9. November 1998). 90Vgl. ML 105, 108. Die Identifikation des auf diesen Seiten erwähnten „Japaners“ stützt sich auf einen Brief vom 23. März 1935. Auf S. 124 des Harvard Paper-Typoskripts vermerkt hingegen Ada Löwith: „Miki (spätere Begegnung in Sendai)“ (ML 100, 169). Ein Verweis auf Miki Kiyoshi, den Verfechter eines anthropologischen Marxismus, dem Löwith 1923 in Marburg Deutschunterricht erteilt hatte, findet sich jedoch nicht bestätigt. Zum Verhältnis zwischen beiden vgl. Piovesana, Filosofia giapponese contemporanea, 176.

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hoffte Bewunderer setzte Löwith darüber in Kenntnis, welcher Bekanntheit sich seine Arbeiten in Japan erfreuten, allen voran Das Individuum,91 und legte ihm überdies nahe, sich an Baron Kuki Shûzô zu wenden.92 Kuki, dem der junge Löwith Privatstunden in Philosophie erteilt hatte, war der Vornehmste der Ryûgakusei, also jener japanischen Studenten, die ihre Ausbildung im Ausland vollendeten. Als alle erhofften Finanzierungsquellen zu versiegen schienen, wandte sich Löwith mit einem Brief an Kuki, der es inzwischen in Kyôto zum Professor gebracht hatte. Nachdem er das gemeinsame Marburger Studium bei Heidegger in Erinnerung gerufen hatte, konfrontierte er ihn mit seiner „sehr schwierigen Lage“ und erklärte, er „würde sehr gerne nach Japan gehen, weil dort ein lebendiges Interesse für deutsche Philosophie besteht.“93 Kuki erreichte, dass Löwith einen Ruf an die Kaiserliche Tôhoku-Universität in Sendai erhielt. Im Juni 1936 war es so weit, und selbst der Widerstand der örtlichen, nazifreundlichen Behörden blieb ohne Wirkung. Am 15. November 1936 ging Löwith zusammen mit seiner Frau in jenem Land von Bord, wo er bis zum Januar 1941 bleiben würde. Ein Tagebuch vom Herbst 1958, das er anlässlich seiner Rückkehr an diese Orte schrieb, enthält folgenden Eintrag: „Ich hatte Japan nicht, wie einst Italien, selber gewählt als das Land meines Wunsches, es ergab sich durch Zufall […]. Es war mühsam und schwierig, sich in Japan einzuleben, während ich in Italien sofort wie in meinem eigenen Element schwamm.“94 Das Elend des Ausgewanderten, verbunden mit jener Reihe „glücklicher Ereignisse des Zufalls, die wir lieber Schicksal nennen“, führte Löwith an ein wahrlich unvorher-

91Auf Löwiths Bekanntheit in Japan geht auch Gadamer in einem Brief von 1936 (DLA A:Gadamer) ein. Einer Sichtung bibliographischer Daten belegt, dass Mitte der 1930er Jahre allerdings nur zwei seiner Arbeiten in japanischer Übersetzung vorlagen. Die erste Arbeit war eine unbedeutende Rezension Löwiths über Volkert, Das Problem der Individualität [1930], in: LS 1, 216–218, erschienen in Shiso 112 (1931), 99–102. Die zweite, Löwiths Aufsatz Kierkegaard und Nietzsche [1933], erschien in Risô 39 (1933). Die Übersetzung von IR erfolgte hingegen erst im Jahr 1967. Unter den japanischen Denkern, die von diesem Werk am stärksten beeinflusst waren, sind Testuro Watsuji und Bin Kimura zu nennen. Löwiths in Japan meist verbreitete Schrift ist der Aufsatz Marx und Weber, der 1948 übersetzt wurde und die vierzigste Auflage inzwischen bei weitem überschritten hat. 92Über diese Persönlichkeit, die auch als Vorbild für Heideggers berühmten Dialog Aus einem Gespräch von der Sprache diente, vgl. Nakano, Kuki Shûzô and „The Stucture of Iki“. Über sein Verhältnis zu Löwith vgl. Baccini, Una grazia inflessibile, 25, 33. 93Karl Löwith an Kuki Shûzô (undatierter, maschinenschriftlicher Brief, KU), in Auszügen wiedergegeben bei Schwenkter, Karl Löwith und Japan, 422. 94Löwith, Japan revisited. Herbst 1958, 1–2 (DLA A:Löwith). Zu den Jahren in Japan siehe auch ML 111–130. Eine detaillierte Schilderung der Reise ist enthalten in RS. Im Nachlass befinden sich auch zwei umfangreiche Tagebücher, die den gesamten Aufenthalt in Sendai abdecken (DLA A:Löwith).

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gesehenes Ziel. Was ihn in Sendai erwartete, würde das Unbehagen lindern, von dem seine ersten Eindrücke naturgemäß durchdrungen waren. Jedoch sollte ihn ein Gefühl intellektueller Frustration dauerhaft begleiten, das mit der Unfähigkeit einherging, das japanische ‚Rätsel‘ mit Hilfe einer überzeugenden Theorie zu entschlüsseln. Seit seinen bereits bei der Überfahrt verfassten Aufzeichnungen entwickelte Löwith ein Verständnismodell der japanischen Wirklichkeit, das auf Materialien beruhte, die im wörtlichen Sinne einen Teil seines Reisegepäcks ausmachten.95 In Italien, dem Land, auf das die deutsche Kultur von jeher die Illusion eines glücklichen Lebens projizierte, hatte er sich auf ein längst überholtes Denkmuster stützen können, das derart verfestigt war, dass es weiterhin sinnvoll erschien. Von Winckelmann und Goethe festgeschrieben, stellte es eine überzogene Romantik stur einer heiteren Klassizität entgegen. Dabei geht es um einen Kontrastwillen, der sich gleichsam therapeutisch rechtfertigen lässt, und der allein für das harmonische Zusammengehen von Natur und Kultur wahrnehmungsfähig ist, die Gewalt aber gänzlich außer Acht lässt, mit der die Fakten das Klischee einreißen. Als er sich mit der „verkehrten Welt“ Japans konfrontiert sah, stilisierte Löwith die Unterschiede zwischen Okzident und Orient, und er tat dies im Rückgriff auf Hegels Geschichtsphilosophie sowie auf Gemeinplätze aus der Memoirenliteratur seiner Zeit.96 So entstand eine Interpretation, in der eine abwehrende, eurozentrische Haltung als Gegengewicht zu einer echten Neugierde hinsichtlich einer auf den ersten Blick undurchdringlichen Wirklichkeit diente. Nur wenige Jahre später würde Löwith in den Vereinigten Staaten die Anregungen dieser, von dem in seinen Schriften kritisierten nihilistischen

95Zum Folgenden vgl. Muschg, Meine Japanreise mit Karl Löwith, sowie Takada, The Illusions of the Modern and the Pleasures of the Pre-Modern, und Carchia, Introduzione a Scritti sul Giappone, 7–22. 96Für einen allgemeinen Überblick vgl. Gregor, Klischee und Wirklichkeit japanischer Kultur. Beiträge zur Literatur und Philosophie in Japan und zum Japanbild in der deutschsprachigen Literatur. In Bezug auf Hegel vgl. dessen weit ausholende Darstellung der orientalischen Welt, die jetzt vorliegt in Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte. Relevant sind ferner die Aussagen hierzu im ersten Kapitel der Wissenschaft der Logik, in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes und in der Ergänzung zum §393 der Enzyklopädie. Bezüglich der Erinnerungen abendländischer Reisender vgl. Hearn, Japan, an Attempt at Interpretation. Löwiths Konfrontation mit der japanischen Wirklichkeit vollzog sich in drei verschiedenen Phasen: Während seines Aufenthalts in Sendai durch Tagebücher, Rezensionen und das Nachwort an den japanischen Leser als Teil des Aufsatzes Der europäische Nihilismus, 532–540. Nach der Ankunft in den Vereinigten Staaten und damit inmitten der Weltkriegsereignisse: Japan’s Westernization and Moral Foundation [1942–43], in: LS 2, 541–555; The Japanese Mind. A Picture of the Mentality that We Must Understand if We are to Conquer [1943], in LS 2, 556–570. Von der letztgenannten Schrift existiert ferner, unter dem weniger streitbaren Titel The Japanese Way of Thinking, eine leicht abweichende, maschinengeschriebene Fassung (RAC). Die dritte Phase wurde mit einer Vortragsreise nach Japan und Korea im Jahr 1958 eingeleitet: Japan revisited (DLA Marbach A:Löwith); Bemerkungen zum Unterschied von Orient und Okzident [1960], in: LS 2, 571–601.

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Geschichtskult unberührten Zivilisation philosophisch umsetzen. Als Ironie des Schicksals ging hingegen seine unvermittelte Reaktion von einem Fortschrittsverständnis im Sinne eines unerbittlichen Vormarschs des „Bewusstseins der Freiheit“ nach Westen aus: eine nutzlose theoretische Wegmarke, die diesem Ethnologen wider Willen nichtsdestoweniger eine erste Orientierung zu versprechen schien. Der Blick konzentrierte sich also auf die fehlenden Linien einer künstlich in die Vergangenheit versetzten Landschaft, auf das Geschenk der kritischen Reflexivität, das die christliche Religion laut Hegel allein für Europa vorbehalten hatte. Eine Postkarte an Gentile vom 9. August 1937 verdeutlicht diese Strategie einer Eindämmung des Kulturschocks. Nachdem er der Frage nachgegangen war, ob seinen Studenten wohl die Bedeutung von Begriffen wie ‚Geschichte‘, ‚Geist‘ oder ‚Freiheit‘ einsichtig sei, folgerte Löwith: „Ich habe den Eindruck, dass eine Kluft zwischen uns und ihnen ist, weil die Voraussetzung des Christentums fehlt! Es ist ein durchweg heidnisches Land und in mancherlei Hinsicht verstehe ich erstmalig die […] Griechen und Römer!“97 Diese wie durch ein improvisiertes Vergrößerungsglas betrachtete Nation stagnierte allerdings nicht abseits der Zeit, sondern hatte sich seit kurzem der Moderne zugewandt und war rasch zur Weltmacht aufgestiegen. Um diesem Widerspruch abzuhelfen, ersann Löwith ein „Zwei-Etagen-Modell“, durch das sich der „amphibische“ Charakter einer Kultur erklären lässt, die äußere Anreize zwar wahrnahm, ohne sie sich jedoch wirklich einzuverleiben. Gegenüber dem Ideal des ‚Wakon yōsai‘, der Verbindung von japanischem Geist und westlicher Technik, gab Löwith sich wie jemand, der verlegen vor einem „treppenlosen Haus“ stehenbleibt und das Fehlen jenes Elements der Synthese beklagt, das in der Regel die Tätigkeit des europäischen Geistes krönt. In einem Lebensstil, der die archaischen Züge der eigenen Tradition neben die vom Westen kopierten stellte, erkannte er keine eigenständige Spielart der Moderne, sondern vielmehr einen naiven Synkretismus, mitunter sogar eine arrogante, ihren eigenen Ansprüchen untreue „Selbstliebe“. Unter diesem Gesichtspunkt waren die in Sendai vorgefundenen Bedingungen für ihn paradoxerweise nicht gerade ersprießlich. Infolge der Übernahme des Lehrstuhls von Eugen Herrigel, des Heidelberger Neukantianers und Herausgebers der Schriften von Emil Lask, der sich in Japan

97Karl

Löwith an Giovanni Gentile, 9. August 1937 (AFG – Übersetzung: A. Staude).

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dem Zen zugewandt hatte,98 konnte Löwith die Vorlesungen in seiner Muttersprache halten, vor Studenten also, die bei ihrem ‚Sensei‘ nicht die geringste Hinwendung zum Orient voraussetzten, da sie es allemal vorzogen, einen leibhaftigen deutschen Philosophen zu erleben.99 Diese Eigenart japanischer Bräuche, in der Schwebe zwischen Respekt und Neugierde, verband sich aufs Beste mit dem angeborenen Pathos der Distanz, das Löwiths Wesen von jeher kennzeichnete. Dem von beiden Seiten verspürten Wunsch nach Erkenntnis fehlte es so an der notwendigen Rückbezüglichkeit, um vollständige Erfüllung finden zu können. Seit seiner Antrittsvorlesung über Die Idee von Europa in der deutschen Philosophie der Geschichte am 20. November 1936 behandelte Löwith in Vorlesungen und Seminaren jene Forschungsthemen, die letztlich in das Buch Von Hegel zu Nietzsche einfließen sollten.100 Einmal wöchentlich gab er neben mäßig besuchten Vorlesungen auch einen Kurs in deutscher Literaturgeschichte, in dem er sich mit Hölderlins Hyperion, mit Aphorismen von Novalis und auch allgemeiner mit der deutschen Romantik befasste.101 Vervollständigt wurde sein Lehrpensum durch Deutschunterricht an einer Berufsschule in der unweit von Sendai gelegenen Kreisstadt Fukushima. Durch seine Kollegen, von denen er vor allem den Theologen Ken Ishiwara und den Philosophen Satomi Takahashi in guter Erinnerung behielt, erfuhr Löwith Unterstützung bei der Auffindung der für seine Forschungen benötigten Literatur wie auch bei der Überwindung von Problemen, die seine fehlenden Japanischkenntnisse mit sich brachten.

98Vgl. Herrigel, Zen in der Kunst des Bogenschießens. Zu seiner Persönlichkeit siehe etwa Wilhelm, Drei bedeutende Denker in Sendai: Herrigel, Löwith, Singer. Teil I: Eugen Herrigel. 99Vgl. Schwentker, Karl Löwith in Japan. Alles so lassen. Die deutsche Gastdozentur in Sendai wurde später von zwei Schülern Löwiths bekleidet: Edmund Hölzen und Gerhard Knauss. Siehe hierzu auch Wilhelm, Drei bedeutende Denker in Sendai: Herrigel, Löwith, Singer. Teil II: Karl Löwith, sowie die Studie von Pansa, Juden unter japanischer Herrschaft: jüdische Erfahrungen und der Sonderfall Karl Löwith. 100Löwiths Antrittsvorlesung Die europäische Idee in der deutschen Geschichtsphilosophie [1938] erschien zunächst nur auf Japanisch unter dem Titel Doitsu no Rekishitetsugaku ni okeru Yohroppa no Idee in der Zeitschrift Bunka. Der Beginn der offiziellen Lehrtätigkeit lässt sich wohl auf den 3. Mai 1937 datieren. Vom 27. November 1936 bis zum 19. Februar 1937 hielt Löwith zwei wöchentliche Vorlesungen über Schelers anthropologische und politische Schriften. Die Auseinandersetzung ging später ein in den Aufsatz Die Einheit und die Verschiedenheit der Menschen [1938]. In der namhaften, weit verbreiteten Zeitschrift Shisoh erschien der Artikel Rousseau yori Nietzsche ni itaru Shiminshakai no Mondai (Das Problem der Zivilgesellschaft von Rousseau bis Nietzsche) [1938]. Es folgte der Text über Max Weber und seine Nachfolger [1939], publiziert in der von Thomas Mann herausgegebenen Exilzeitschrift Maß und Wert, sowie der Aufsatz Yohroppano Nihilizmu, der jetzt in der deutschen Originalfassung unter dem Titel Der europäische Nihilismus. Betrachtungen zur geistigen Vorgeschichte des europäischen Krieges [1940], in: LS 2, 473–540, vorliegt. 101Vgl. Shibata, Karl Löwith kyoju no koto, 20.

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Dessen ungeachtet kam seine Lage einer weitgehenden Isolation gleich. Unter den rar gesäten Ausländern, die sich in Sendai aufhielten, pflegte er lediglich mit dem Ökonomen Kurt Singer Austausch, einem Schüler Georg Simmels und Adepten des George-Kreises, der sein Exil ab 1939 in Australien fortsetzte, um dann vereinsamt in Athen zu sterben.102 Der Rest der deutschen Community bestand aus durchreisenden Vertretern ideologischer Kulturpropaganda, so der Philosoph Eduard Spranger, oder aus glühenden Nazis, allen voran Walter Donat, dem Hüter der arischen Kultur in Japan, der alles nur Erdenkliche tat, um Löwith das Leben schwer zu machen, bis er 1940 tatsächlich die Aufhebung seines Lehrauftrags erwirkte.103 Während seines Aufenthalts nahm Löwith Verbindungen zu bedeutenden Vertretern der japanischen Philosophie auf. Unter ihnen sticht besonders der Name des Begründers der Kyôto-Schule, Nishida Kitarô, hervor.104 Die besten japanischen Gelehrten hatten ihrerseits ausgedehnte Studienaufenthalte auf dem alten Kontinent, und meistens in Deutschland, absolviert, und waren mit einer erstklassigen Ausbildung und gut ausgestatteten Privatbibliotheken zurückgekehrt. So fand sich Löwith schließlich in einem intellektuellen Umfeld wieder, das teilweise mit dem verbunden war, das er hatte zurücklassen müssen.105 Und auch beim Betreten des Hörsaals wird es ihm von Zeit zu Zeit so vorgekommen sein, als habe er Europa nie verlassen: „Wenn ich mich an die hochintelligenten und oft sehr 102Vgl. Allert, Das gebrochene Pathos der Auserwähltheit. Zwischen Stefan George und Georg Simmel: Eine intellektuelle Biographie Kurt Singers. Singer ist der Verfasser einer berühmten kulturwissenschaftlichen Studie zu Japan: Mirror, Sword and Jewel. A Study of Japanese Characteristics. 103Mehr als einmal schienen die Intrigen der Nazi-Behörden erfolgreich zu verlaufen. Bereits in einem Brief vom 2. Oktober 1937 an Nicolai Hartmann beschreibt Spranger Löwiths Lage in Sendai als „provisorisch“ (Spranger, Gesammelte Schriften. Bd. 10, 175). Am 21. November 1938 notierte Lisa De Boor in Bezug auf einen Brief von Löwith etwas über „Aussicht auf eine Stelle im schwedischen Viggbyholm“ (De Boor, Tagebuchblätter aus den Jahren 1938–1945, 12). Zu Beginn des Jahres 1940 geriet Löwith in den Mittelpunkt einer Presseaffäre, da er bezichtigt wurde, das japanische Nationalgefühl beleidigt zu haben. In dieser Situation erhielt er Beistand von seinen Kollegen, allerdings in einer Weise, die dem deutschen Wahrheitskult nicht konform war, vgl. Sawayanagi, Löwith jiken, 107–114. Das Ereignis war verbunden mit dem Rücktritt Löwiths aus der Internationalen Gesellschaft für Kultur in Sendai, in der es nun verstärkt zu nazistischen Infiltrationen kam, und dürfte ihm die letzten Monate seines Aufenthalts in Japan verdorben haben. Von diesem Gemütszustand zeugen auch Worte im Reisetagebuch, angelegt bei der Überfahrt in die Vereinigten Staaten: „Weiter gekommen ist man aber in vier Jahren im Grunde mit keinem dieser Menschen. Schon auf dem Schiff fällt von uns alles Japanische ab, als hätte man nie damit intensiv zu tun gehabt. Nicht die geringste Lust, […] mit irgend einem der Japaner zu reden – sie können ja alle nicht reden – offen, unmittelbar […]“ (RS 101). 104Von einer ‚verpassten Begegnung‘ der beiden Autoren spricht hingegen Stevens, Karl Löwith et le nihilisme japonais. 105Vgl. z. B. Buchner (Hg.): Japan und Heidegger.

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sympathischen Studenten erinnere, die ich unterrichtete […]. Sie zeigten einen unschuldigen Respekt für unsere Philosophie und Literatur […]. Sie lasen Hegel auf Deutsch, Platon auf Griechisch, Pascal auf Französisch, Hume auf Englisch und einer von ihnen das Alte Testament auf Hebräisch. Es war wirklich erstaunlich, als ich zum ersten Mal ins Institut kam: Einer studierte Aristoteles, ein anderer Hegel und Kierkegaard, wieder einer Barth, Heidegger und Jaspers, einer übersetzte Burckhardts Weltgeschichtliche Betrachtungen (das noch nicht einmal ins Englische übersetzt ist!) und mein Assistent studierte die deutsche Literatur des Mittelalters im Original, das ich selbst nicht verstand.“106 Durch die Lupenwirkung seines „Zwei-Etagen-Modells“ kam Löwith anhand dieser Erfahrung gleichwohl zu einem Schluss, der für viele Studenten und Gelehrte aus aller Welt gelten mag: „Die Studenten studieren zwar mit Hingabe unsere europäischen Bücher […], aber sie ziehen aus ihrem Studium keine Konsequenzen für ihr eigenes, japanisches Selbst. […]. Sie lernen das an sich Fremde nicht für sich selbst.“107 Vor diesem Hintergrund ist auch die Wehmut – die freilich nicht nur einen deutschen, nach Japan emigrierten Professor befallen hatte – zu betrachten, die aus einem Brief an Bultmann vom 14. Februar 1939 spricht: „Aber man arbeitet im leeren Raum, und von den jap. Studenten + Prof. kommt bestenfalls ein Echo, aber keine Antwort.“108

Eine Ethik der Begrenzung Im Curriculum vitae von 1959 erinnerte sich Löwith bei der Beschreibung seiner Verhältnisse in Sendai daran, „das unwahrscheinliche Glück“ (CV 456) gehabt zu haben, den in Marburg gerissenen Denkfaden vor seinen japanischen Studenten wieder aufnehmen zu können.109 Er bezog sich auf 106Löwith, Japan’s Westernization and Moral Foundation [1942/1943], 546, hier zitiert nach: Der japanische Geist, 57. Eine übereinstimmende Beschreibung findet sich ferner in The Japanese Mind [1943], 558, hier zitiert nach: Der japanische Geist, 24. Löwiths Assistent war der Mediävist Jisaburo Shibata, ein Kenner des Nibelungenlieds, der später der maßgebliche Übersetzer der Werke seines Lehrers ins Japanische wurde. 107Löwith, Der europäische Nihilismus. Betrachtungen zur geistigen Vorgeschichte des europäischen Krieges [1940], 537. 108Karl Löwith an Rudolf Bultmann, 14. Februar 1939 (UBT NL Bultmann). 109Die Niederschrift von Von Hegel zu Nietzsche wurde 1939 abgeschlossen, aber das Buch ging erst 1941 in den Druck. Am 4. April 1939 wurde Horkheimer von der Fertigstellung in Kenntnis gesetzt: „Ich glaube es ist das meine beste + auch aktuellste Arbeit, an der ich eigentlich schon seit Marburg dauernd beschäftigt war“ (UBF NL Horkheimer). Am 21. Januar 1941 wurde Rudolf Bultmann über

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jene Thesen, die er in dieser letzten umfangreicheren, noch in Deutschland entstandenen, jedoch in zwei Schritten im Ausland veröffentlichten Arbeit entfaltet hatte: L’achèvement de la philosophie classique par Hegel et sa dissolution chez Marx et Kierkegaard und La conciliation hégélienne.110 Zusammen bildeten sie praktisch einen Probelauf für den ersten Teil des Buches Von Hegel zu Nietzsche.111 Die Forschungen, die Löwith seit seiner Vorlesung über Feuerbach 1928 betrieben hatte, sollten seiner Anthropologie der Moderne einen historiographischen Rückhalt liefern, indem der Prozess der Vermenschlichung der nachhegelschen Philosophie belegt und gerechtfertigt wurde. Seit 1933 widmete er sich demgegenüber einer kritisch auf die Gegenwart bezogenen Problemgeschichte, und zwar zu dem Zweck, die intellektuelle Vorgeschichte des totalitären Nationalsozialismus zu rekonstruieren. Das Nachdenken über die Verantwortung der Philosophie brachte er zu einer unkonventionellen Aktualisierung der Vergangenheit, die die von den Junghegelianern bewirkte Auflösung der Theorie ins Zentrum einer epochalen und wahrlich eigenartigen Diagnose stellte. Indem Löwith die Zerstörung im Reich der Ideen als eine Art Prolog im Himmel vor der politischen Verwüstung beschrieb, ging er tatsächlich davon aus, dass „die Verwandlung des europäischen Humanismus […] in den deutschen Nihilismus […] den Schlüssel zum gegenwärtigen Geschehen in Deutschland bietet.“112

die Veröffentlichung des Werkes informiert: „Es ist s.z.s. das Ergebnis von sechs Jahren ‚Marburg‘“ (UBT NL Horkheimer). 110LS

4, 491–526, 527–538. der aus einem Basler Vortrag vom Januar 1934 hervorgegangene Aufsatz zunächst lange in der Redaktion der Kant-Studien liegengeblieben war, erschien er in den Recherches philosophiques sowie, in verkürzter Form, im Giornale critico della filosofia italiana. Das Originalmanuskript ist unauffindbar. Im Herbst 1934 einigte sich Löwith mit Koyré, dem er bereits 1921 in Freiburg begegnet war. Er schlug die betreffende Schrift vor, und nicht ein Kompendium der Monographie über Nietzsche, „denn es ist etwas in sich abgeschlossenes und hat eine stärkere Verbindung zum Problem der Existenzphilosophie“ (Übersetzung: A. Staude). Der handschriftliche, in französischer Sprache formulierte Brief befindet sich im Archiv des Centre Koyré (CAK), Paris. 112Strauss [1941], 512–513. Ein nicht unähnlicher Ansatz spricht aus den Erwägungen von Plessner, Das Schicksal des deutschen Geistes im Ausgang seiner bürgerlichen Epoche (Die verspätete Nation. Über die politische Verführbarkeit des bürgerlichen Geistes). Vergleichbar sind auch die Beobachtungen von Lukács, Die Zerstörung der Vernunft. Der Weg des Irrationalismus von Schelling zu Hitler. Lukács begreift sein Werk als eine Überwindung von Löwiths Text, der von einer „bürgerlichen“ historiographischen Kurzsichtigkeit beeinträchtigt sei, durch die das Ereignis des antimarxistischen Irrationalismus in „eine Nacht, in der alle Kühe schwarz sind“, verwandelt würde (ebd., 18–20). Im Brief vom 16. März 1959 an Friedrich Schulze-Maizier behauptete Löwith, es sei völlig sinnlos, einem Interpreten zu antworten, der jeden Gedanken auf die „Alternative: fortschriftlich – reaktionär“ vereinfacht (DLA Marbach A:Schulze-Maizier). 111Nachdem

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Der Ansatz dieser Arbeiten, die die Auflösung ihres Gegenstands untersuchten – zumal vom Hegel’schen ‚Geist‘ nichts weiter blieb als der ‚Zeitgeist‘ – war von Anfang an uneindeutig. Wie ein Brief vom 27. Februar 1935 an Franco Lombardi belegt, war sich Löwith der Einzigartigkeit seines Versuchs durchaus bewusst. Gegenüber dem Kollegen, der, da er seine Haltung für emblematisch erachtete und darüber verwundert war, dass sich „die ernsthafteste Philosophie Deutschlands“ mit Marx, Kierkegaard oder Nietzsche befasste,113 antwortete er pikiert: „Ich kenne keinen einzigen deutschen Philosophen, der die geistige Situation nach Hegel und ihre Auswirkungen bis Nietzsche genauso sieht wie ich.“ Wie Löwith allerdings ausdrücklich eingeräumt hat, konnte das vorgeschlagene Interpretationsschema jedoch tatsächlich „absurd“ erscheinen. Nach der Krise des Hegel’schen Systems – das zum Höhepunkt einer Epoche der abendländischen Geschichte erhoben wurde, nämlich der christlichen – sah Löwith zwei sich gabelnde Wege, die an die Namen von Marx und Kierkegaard gebunden waren. Jedoch zersprengten diese Fluchtlinien den verhexten Kreis nicht, aus dem sie zu entkommen hofften: „In nichts beweist sich Hegels geistige Übermacht mehr als darin, daß er auch noch seine zwei extremsten […] Gegner […] gezwungen hat, ‚Hegelianer‘ zu sein und zu bleiben.“114 Da er mehr auf die Suggestivität als auf die Originalität seiner Lesart bedacht war, erkannte Löwith das Herzstück der Hegel’schen Philosophie in der Vermittlung von Vernunft und Wirklichkeit.115 Denn nach Jahren des kläglichen Zwists mit der Welt, zwischen Resignation und Weisheit schwebend, hatte Hegel sich für eine mutige Versöhnung mit der Gegenwart entschieden, die in dem Vorsatz gipfelte, nicht besser zu sein als die eigene Zeit, sondern die eigene Zeit so gut wie möglich zu verkörpern. Seither wurde er zum erklärten Feind aller schönen Seelen, da er durchschaut hatte, dass eine Welt nicht zu besitzen noch unmenschlicher ist, als eine Anpassung vorzunehmen. So erklärt sich sein Lob auf jene Denkeigenschaft, die sich das fremde Element, das „Negative“, aneignet, und es in ein Universum integriert, in dem der Mensch noch „bei sich sein kann“.116 113Vgl. Lombardi, Alcune considerazioni sulla situazione presente della filosofia in Germania e in Italia, 239. Der Brief wird in einem Privatarchiv aufbewahrt. 114Löwith, Kierkegaard und Nietzsche [1933], 81. Siehe hierzu der berechtigte Kommentar: „Man wäre versucht, von einer Interpretation der Hegel’schen Vernunft in der Geschichte mittels des heideggerschen ‚Schicksals‘ zu sprechen, oder umgekehrt.“ (Cesa, Karl Löwith e la sinistra hegeliana, XX – Übersetzung: A. Staude). 115Vgl. Löwith, La conciliation hégélienne [1935/1936]. Die Interpretation verdankt sehr viel den Thesen aus Rosenzweig, Hegel und der Staat. 116Vgl. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, 44.

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Nicht anders als die von Hegel verhöhnten „Schwindsüchtigen des Geistes“, wussten Marx und Kierkegaard in dieser Wendung von der Kritik zum Verstehen nur einen Kompromiss zu erkennen sowie eine indirekte Apologie jener sozialen Ordnung, die in Hegels Ausführungen das zweifelhafte Siegel des Weltgeistes erhielt. Daher wollten sie die „Äußerlichkeit“ und die „Innerlichkeit“ der christlich-bürgerlichen Welt – ihre Ökonomie und ihre Religion – zerstören, indem sie die Negation des Existierenden zum Prinzip ihrer Philosophie erhoben. Hegel blieb nichtsdestoweniger die ‚Vorgeschichte‘ und das Schicksal beider Denker, weil sie durch ihre Abweisung der Theorie und der Welt – in der Löwith erst jetzt die Vorboten der Revolution des Nihilismus erkannte – nichtsahnend denselben Weg beschritten, den er in seiner Jugend verlassen hatte. Tatsächlich erschienen Marx und Kierkegaard durch eine Lage des Unbehagens verbunden, die jenem ‚sich zu Hause fühlen‘ in der Welt antithetisch entgegenstand, das die Hegel’sche Philosophie noch guten Gewissens versprechen konnte. In ihren Schriften wurde der Glaube an die Übereinstimmung zwischen Logos und Wirklichkeit von einer Radikalisierung aufgelöst, die die beiden Pole voneinander trennte: „An die Stelle von Hegels Vermittlung trat der Wille zu einer Entscheidung, die wieder schied, was Hegel vereint hat: Antike und Christentum, Gott und Welt, Innerlichkeit und Äußerlichkeit, Wesen und Existenz.“117 Auf Grundlage dieser Bewertung nimmt es nicht wunder, wenn der erste Teil des Buchs Von Hegel zu Nietzsche, in dem die fortschreitende Historisierung und Politisierung der Philosophie erörtert wird,118 mit einer Betrachtung ihrer ‚Wiederverlobung‘ mit der von Nietzsche kühn erahnten Welt endet. Dies ist zweifellos die extremste Antwort auf die von Marx und Kierkegaard bereits kritisierte und erlittene Verfasstheit: So absurd zunächst die Zusammenstellung von „Marx und Kierkegaard“ und von „Kierkegaard und Nietzsche“ zunächst scheinen muß, wird sie doch ein-

117Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, 62, 177, 222, 309. Am 4. Oktober 1941 schrieb Löwith an Tillich einige erhellende Sätze über den Unterschied zwischen Marx’scher und Hegel’scher Methode: „Marx greift tausendfach auf hegelsche Begriffe wie ‚Vernunft‘ und ‚Freiheit‘ zurück, jedoch wird ihre Bedeutung übermäßig verzerrt und überspannt. Hegels Philosophie lebt von der Existenz (rationaler!) Widersprüche, Marxens Theorie von einer bloßen Kraft des Gegensatzes […] verwechselt stets die ‚dialektische Überwindung‘ mit der ‚Zerstörung‘“ (PTA). Die Erschöpfung eines Denkens, das sich in ‚Synthesen‘ bewegt, wird in einem Brief an Jaspers vom 1. Juli 1947 als Grundmotiv in Von Hegel zu Nietzsche benannt (Jaspers, Korrespondenzen. Philosophie, 510). Allgemeiner zum Thema vgl. Wild, Die Selbstkritik der Philosophie in der Epoche von Hegel zu Nietzsche, 33–57. 118Vgl. Ries, Karl Löwith, 69.

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leuchten, sobald man begriffen hat, daß sich zwischen Hegel und Nietzsche in Wahrheit nichts anderes ereignet hat als eine Folge von prinzipiellen Versuchen zur Wiedergewinnung einer verlorenen Welt: einer radikal „menschlichen“ bei Marx, einer radikal „christlichen“ bei Kierkegaard und einer radikal „antiken“ bei Nietzsche, die noch vereint waren in der von Hegel erinnerten Geisteswelt.119

Für jene, die auf den Trümmern solch großartiger Katastrophen weiter philosophieren wollten, bestand das Problem darin, zu ermitteln, „ob über Nietzsche hinaus überhaupt noch ein gangbarer Weg führt.“120 1936 hatte Löwith in Burckhardt den Autor erkannt, der es vermochte, eine gangbare Alternative zu einem den Zeitmächten überantworteten Denken aufzuzeigen. Es war sein erster Versuch, mit einem Dilemma fertigzuwerden, das ihn seit Beginn der Exiljahre bedrängen sollte, und das sich im Bereich der Philosophie als Variante des Konflikts zwischen ‚Prinzipienethik‘ und ‚Verantwortungsethik‘ beschreiben lässt.121 Es handelt sich gleichsam um die Suche nach dem Gleichgewicht zwischen einer intellektuellen Aufrichtigkeit, die eine vorurteilsfreie Kritikausübung verlangt, und einer wesensmäßig entgegengesetzten Überzeugung, die die kluge Beachtung einer Grenze empfiehlt. Denn nur im Reich der Theorie gilt die Maxime, wonach „nichts von dem, was existiert, es weiter tun kann, wenn es nicht radikal in Frage gestellt wird“. Dagegen inspirierte die alles zersetzende Regel, nach der auf ‚fiat veritas‘ auch ‚et pereat mundus‘ folgen kann, die Hegel-Epigonen. Dabei ignorierten diese die Existenz eines „entscheidenden Punktes“, an dem sich die Logik der Theorie, beinahe als dialektische Vergeltung, mit jener der Praxis zu vermengen beginnt, und „die Kritik des Bestehenden […] so nah an den Umsturz heran[führt], dass dieser jene Kritik ablösen kann“, sodass sich ihre Zerstörung der europäischen Kultur unwillkürlich, wenn auch mit den besten Absichten, in den Dienst des Schlechteren stellte.122 Aber ein Kritiker der Tradition kann eine nuanciertere und komplexere Rolle spielen als die des unbekümmerten und entschlossenen Zerstörers. Diese Überzeugung wurde in einem indirekten Porträt Löwiths trefflich

119Löwith, Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkunft des Gleichen [1935], 82. Vgl. auch Löwith, La conciliation hégélienne [1935/1936], 538. 120Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, 224. 121Vgl. Max Weber, Politik als Beruf, 237–238. Zum Thema vgl. Baumeister, Il pensiero di Löwith tra „distruzione“ e superamento del nichilismo. 122Vgl. Löwith, Martin Heidegger im Zeugnis [1970], 39; ML 171–172.

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zum Ausdruck gebracht, das Hermann Deckert in seinem Brief vom 18. Juli 1933 wie folgt formuliert hat: „Ich glaube, daß da der Unterschied zwischen einer mehr kontemplativen Natur, wie Ihrer, und einer mehr aktivistischen, propagandistischen, wie meiner, geringer wird, weil einem nicht-reaktionären Menschen ein Wirken in reaktionärer Zeit nicht nur äußerlich unmöglich wird. Nur ein wirklich Selbstständiger und Genial-Losgelöster könnte vielleicht gegen die Zeit etwas leisten – ist man das nicht, wie ich, so wird man in eine Rolle gedrängt, die einem nicht liegt: Tradition zu wahren.“ (ML 70–71) Und genau darin liegt die paradoxe Aufgabe, die Löwith in Von Hegel zu Nietzsche für sich zu beanspruchen scheint. Was ihn zu einer Gelehrtenmission drängte, die niemand ihm aufgetragen hatte, war nicht zuletzt die Befremdung oder die versteckte Anmaßung, die er sich bei seinen japanischen Lesern ausmalte. Das Zerbröckeln des Geistes, das in einer Revolution des Nihilismus gemündet war, hätte nämlich auch in einem entschieden antieuropäischen Sinne aufgenommen werden können. Aber gerade die Fähigkeit zur radikalen Selbstkritik, deren zerstörerische Ergebnisse Löwith so eindrucksvoll skizziert hatte, stellte seines Erachtens den einzigen erhaltenswürdigen Bestandteil des europäischen Erbes dar. Und der japanischen Kultur, die sich die Fähigkeit zur Aneignung einbildete, ohne einen Tribut zu bezahlen, rief Löwith ins Gedächtnis, dass die europäische Zivilisation „kein Gewand [ist], das man je nach Bedarf anziehen und auch wieder ausziehen könnte, sondern sie hat die unheimliche Kraft, den Körper und selbst die Seele des mit ihr Bekleideten nach sich zu formen.“123 Die in Von Hegel zu Nietzsche dargestellte Entwicklung sollte also zugleich „eine Rechtfertigung der europäischen Selbstkritik“124 liefern. Eine unauthentische Absicht, die das ambivalente Wesen der abendländischen Moderne widerspiegelt, motiviert durch eine aus einer Relativierung und einem Überdenken der Beziehung zur eigenen Kultur hervorgegangenen ethischen Instanz. Und so gingen die einzigen Seiten, die sich ausdrücklich an das Land richteten, das ihn aufgenommen hatte, mit folgenden Worten zu Ende: „Dieses neue Europa, das seine vernichtende Zivilisation nun über die ganze Erde verbreitet […], ist nicht das Europa, von welchem ich schrieb, an dem ich als Deutscher Teil habe und das mir wert ist, durch

123Löwith, 124Löwith,

Der europäische Nihilismus [1940], 535. Der europäische Nihilismus [1940], 533.

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Schrift und Lehre verbreitet zu werden. Europäer im alten und wahren Sinn gibt es jetzt bloß noch verstreut und vereinzelt.“125 Einer von ihnen war, mehr noch als Burckhardt, Goethe, mithin jene Gestalt, die Löwith nun neben Hegel und Nietzsche und diesen beiden gegenüber aufstellte. Und gerade infolge des neuerlichen Lesens von Goethes Reden und Briefen – so berichten es vor allem einige Briefe an Erik Peterson – wurden die Vorstudien dieses Buches geordnet und neu zusammengesetzt, das ohne weiteres auch „Von Goethe zu Nietzsche“ hätte heißen können.126 Der sprichwörtliche Sinn für das rechte Maß, den Goethe bei jeder Gelegenheit offenbart hat, stellte in der Tat das mächtigste Gegenmittel gegen den von Marx, Kierkegaard und Nietzsche praktizierten Kult der Extreme dar. Und die Analogien zur Hegel’schen Position wurden unmittelbar nach den beiden Jahrhundertjubiläen (1931 und 1932) zu sehr durch die Kultur jener Jahre gepriesen, als dass Löwith sie nicht hätte bemerken können: „Und so waren Hegel und Goethe in der Tat die letzten Deutschen gewesen, welche sich selber noch eine eigene Welt des Geistes entgegen gebildet hatten. Von da ab wurde der geistig gebildete Mensch heimatlos.“127 Auch die Geschichtsauffassung dieser beiden großen Europäer war gleichermaßen auf die Ewigkeit ausgerichtet und nicht auf „das Endliche und Vorübergehende“. Ein durch die Beobachtung der Naturvorgänge geschulter Blick und ein Realismus, der imstande ist, die „Phänomene zum Sprechen zu bringen“, trennte Goethe dennoch von Hegels allzu philosophischem Ansatz und begründete so Löwiths Vorliebe für seine Methode. Goethe sollte dennoch der Gegenstand einer unstillbaren Sehnsucht bleiben. Denn es gibt keinen rückwärtsgewandten Weg, kein Zurück in der Zeit. Der Weg, der „von Nietzsches Magie des Extrems über Burckhardts Mäßigkeit zu Goethes maßvoller Fülle zurücksteigt“128, ist für immer versperrt: „Die Zeit als solche ist dem Fortschritt verfallen und nur in den Augenblicken, in denen die Ewigkeit als die Wahrheit des Seins erscheint, erweist sich das zeitliche Schema des Fortschritts wie des Verfalls als

125Löwith,

Der europäische Nihilismus [1940], 540. Jaeger, Goethe oder Nietzsche. Karl Löwiths philosophische Goethe-Rezeption, ferner Gadamer, Karl Löwith (09.01.1897–24.05.1973), 82. 127Löwith, Kierkegaard und Nietzsche [1933], 77. 128Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, 558. 126Vgl.

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historischer Schein.“129 Diese kryptische Aussage leitet die Frage ein, nach der sich eine nun in ihre vollendete Reife eingetretene Forschung ausrichten wird: „Bestimmt sich das Sein und der ‚Sinn‘ der Geschichte überhaupt aus ihr selbst, und wenn nicht, woraus dann?“130

129Löwith,

Von Hegel zu Nietzsche, 558. Von Hegel zu Nietzsche, 4. In Weltgeschichte und Heilsgeschehen wird die Frage im Vorwort von 1952 als Zitat aus dem Vorwort zu Von Hegel zu Nietzsche aufgegriffen und erneuert (LS 2, 9). 130Löwith,

Wieviel Geschichte braucht der Mensch?

„Sie sind ein Opfer der List der Vernunft!“1 Nicht ohne Ironie hatte Heinz Dekuszynski, der sich später Henry Deku nennen sollte, Anfang 1939 die neue Etappe der Weltreise vorhergesagt, die Löwith widerwillig absolvierte: die Vereinigten Staaten – ein Ziel, das Deku zufolge das Objekt der verborgenen Wünsche des Freundes darstellte.2 Oder vielleicht, prosaischer formuliert, die kommende Station eines Exils, das die durch ihre antisemitische Politik verbundenen Länder der Achsenmächte endlich hinter sich lassen würde. Auch wenn der Pakt zwischen dem Hitlerreich und Stalins Russland für eine zeitweilige Lockerung des Drucks auf die Juden in Japan gesorgt hatte und eine unerwartete Ausdehnung des Aufenthalts in Sendai zuließ, wurden die Provokationen und Drohungen durch die Nazibehörden nur für kurze Zeit eingestellt. Demzufolge war Löwith gezwungen, das Land zu verlassen. Nach einigen Versuchen, in Schweden oder in der Türkei Fuß zu fassen, erhielt er nur wenige Monate vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour ein Einreisevisum der US-Regierung. Paul Tillich und Reinhold Niebuhr, beide Professoren am New Yorker Union Theological Seminary, hatten ihm, wenngleich ohne Gehaltszusicherung, eine Einladung von Seiten der New School for Social Research

1Henry

Deku an Karl Löwith, 11. Januar 1939 (Grotz, Überleben in der Tradition. Henry Deku schreibt an Karl Löwith, 40). 2Demgegenüber hat Gadamer ausgeführt, Amerika sei das Land gewesen, das dem Wesen Löwiths „der Sache nach am wenigsten auf natürliche Weise entgegenkommen konnte“ (Gadamer, Karl Löwith zum 70. Geburtstag, 456). © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 E. Donaggio, Karl Löwith, https://doi.org/10.1007/978-3-476-05744-0_5

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verschafft – an jene ‚Universität im Exil‘, an der Alvin Johnson bereits seit 1933 verschiedene europäische Intellektuelle zusammengeführt hatte.3

Der Stern der Ewigkeit Gleich nach seiner Ausschiffung in San Francisco im März 1941 erhielt Löwith die Nachricht, dass die in Japan begonnenen Verhandlungen mit dem Hartford Theological Seminary ein glückliches Ende genommen hatten. New York konnte warten. Das im Jahr 1834 begründete und 1865 in die Kleinstadt Hartford im Bundesstaat Connecticut verlegte Seminar bot eine pastorale, pädagogische und missionarische Ausbildung, die sich an einem betont sozial ausgerichteten Protestantismus orientierte.4 Löwiths Anstellung wurde nicht zuletzt durch eine weiterführende Finanzierung der RockefellerStiftung ermöglicht. 1945 wurde er zum Arthur Lincoln Gillett-Professor für Religionsphilosophie befördert und übernahm ab dem darauffolgenden Jahr auch die regulären Vorlesungen zur Einführung in die Philosophie sowie zur Religionsgeschichte. Die biographischen Selbstzeugnisse aus der Zeit in den Vereinigten Staaten sind sehr spärlich und niemals in Aufsätze oder Tagebücher eingeflossen; dabei scheinen sie zwischen der Sehnsucht nach dem Leben in Japan, das reich an Anregungen und Rätseln war, und der Erleichterung über die Ankunft an einem Ort zu schwanken, wo es sich alles in allem gut leben ließ. Auch wenn einige Briefe an Freunde und Kollegen aus Europa in sarkastischem Ton zu bedenken geben, dass Autofahren in Amerika die einzig zulässige philosophische Erfahrung sei, so handelt es sich dabei um ein seltenes Zugeständnis gegenüber jenem Snobismus, der für das Verhältnis zahlreicher deutscher Exilanten zur amerikanischen Kultur prägend war.5 Löwith war sich von Anfang an im klaren darüber, dass eine Anpassung an die neue Wirklichkeit diesmal „nicht ganz zu umgehen“ (CV 457) sein würde. Diese Einsicht erlaubte ihm, diejenigen Elemente des ‚American Way of Life‘ anzuerkennen und zuweilen auch wertzuschätzen, die am

3Vgl. Rutkoff/Scott, New School: A History of the New School for Social Research; Krohn, Wissenschaft im Exil. Zu den allgemeinen Hintergründen vgl. Coser, Refugee Scholars in America. Their Impact and Their Experiences. 4Vgl. Geer, Hartford Seminary 1834–1934. 5Obgleich neuere Untersuchungen bemüht sind, diesen Aspekt zu relativieren, bleibt das Manifest einer solchen Haltung weiterhin Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Für eine abweichende Einstellung vgl. Arendt, Wir Flüchtlinge, 7–21.

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ehesten mit jenem Zauber der Mäßigkeit übereinstimmten, dem er sich seit Kurzem verschrieben hatte. Angenehm beeindruckt war er vor allem von der verbreiteten Praxis eines skeptischen Common Sense, einer Haltung also, die an Nietzsche und Heidegger geschulten Denkern unbekannt ist: „Wir sind geneigt, alles als oberflächlich und mittelmäßig zu verdächtigen, was nicht gründlich bis zum Abgrund und radikal bis zum Extrem ist. In dieser Beziehung kann man von Amerika etwas lernen. Es gehört dort zum guten Ton und Geschmack, daß man in allen Äußerungen die Kunst des Unscheinbaren, des Understatements pflegt.“6 Hatte die Zeit in Italien und Japan eine unerwartete Fortführung des in Marburg angestoßenen philosophischen Vorhabens ermöglicht, so markierten die ersten Jahre in Amerika demgegenüber die größte Distanz zu Deutschland und seinem kulturellen Klima. Wie für viele andere Emigranten, so schien auch für Löwith das Bekanntwerden der Judenvernichtung einen unüberwindlichen Bruch mit dem Land zu bewirken, das ihn vertrieben hatte. In einem brieflichen Bericht von 1944 an Erik Peterson über das Ableben seiner Mutter, die sich zwei Jahre zuvor das Leben genommen hatte, um der Deportation zu entgehen, kommentierte er entrüstet: „Nichts mehr verbindet mich mit dem Land meiner Geburt.“7 Nach Kriegsende begann die Aussicht, in den Vereinigten Staaten festen Fuß zu fassen, mit dem Wunsch einer Rückkehr nach Europa dennoch zunehmend in Konflikt zu treten. Ein Brief an Rudolf Fahrner vom 22. September 1946 lässt diese Spannung anschaulich hervortreten: „Die Gedanken sind immer nur halb hier + meist dort wo sich die Ahnungen Nietzsches mehr als verwirklicht haben […]. Mit Marburg bin ich wieder in Verbindung, desgleichen mit meinen östlichen Kollegen in Sendai das auch 3/4 abgebrannt ist. Ich möchte die 5 Jahre die ich dort war nicht missen – nun sind wir schon ebensolange in Amerika. Ich gebe die Hoffnung noch nicht ganz auf diese unfreiwillige Rundreise um die Erde zu vollenden + eines Tages wieder München + Italien zu sehen […].“8 In seinen amerikanischen Briefen beschreibt Löwith eine philosophische Landschaft, in der mit dem Tod von Josiah Royce, William James und George Santayana die Spuren einer alteingesessenen Tradition verloschen waren. Mit zwei Jahrzehnten Verspätung gegenüber Deutschland und Japan wurde die Szene erst allmählich vom ‚Existenzialismus‘ beherrscht.

6Löwith,

Skepsis und Glaube in der Weltgeschichte [1950], 143. Löwith an Erik Peterson, 1944 (BEP). 8Karl Löwith an Rudolf Fahrner, 22. September 1946. 7Karl

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Diesen setzte man allerdings mit dem Werk Sartres gleich, und nicht mit Heidegger oder Jaspers, was eine „sachlich ernsthafte Diskussion nicht zu Stande“ kommen ließ.9 Zeichen größerer Lebendigkeit gingen von der protestantischen Theologie aus, um dann auf die Religionsphilosophie überzugreifen. Dieses Fach hatte Löwith, als unfreiwilliger Nachahmer des glaubenslosen Theologen und Nietzschefreundes Franz Overbeck,10 in Hartford zu vertreten. In seiner gewohnt gemessenen Art konstatierte er jedoch, dass das ‚verdampfte‘ Christentum, das sich hier moderner Protestantismus nannte, den Angriffen eines Ludwig Feuerbach oder David Friedrich Strauß keinen Augenblick lang standgehalten hätte. Im Grunde war das Schicksal nicht unsanft mit ihm umgegangen, ließ es ihn doch an der Seite von liebenswürdigen Menschen arbeiten, deren Glaube an die Ankunft des Himmelreichs auf Erden noch unerschüttert war. Das ‚süße Gift‘ seiner Skepsis hatte neue Illusionen hervorgebracht, die es zu zersetzen galt. Löwiths Lage in Hartford war vergleichbar mit der Situation vieler anderer brillanter deutscher Akademiker, die dem Schicksal nun für eine Anstellung an einer Provinzuniversität dankbar waren. In einem Umfeld, in dem es nicht eine Menschenseele gab, um über intellektuelle oder persönliche Dinge zu reden, beschränkte er sich auf einen höflichen Umgang mit den Kollegen und zog sich, so oft es seine Verpflichtungen erlaubten, in die Berge von Vermont zurück. Für theoretische Diskussionen blieb ihm indes der briefliche Austausch mit anderen, über den Atlantik geflüchteten Juden: mit Leo Strauss, der sich weiterhin als bevorzugter Dialogpartner erwies, aber auch mit Eric Voegelin, der wie Löwith bestens mit den Schriften Max Webers vertraut war. Mit Voegelin erörterte Löwith nicht nur einige Thesen aus Meaning in History, sondern plante auch ein gemeinsames Buch über Nietzsche.11 Am Ende des Krieges wurde es dann möglich, die Verbindung zu jenen, die in Europa verblieben waren, wieder aufzunehmen: insbesondere zu Rudolf Bultmann und Erik Peterson, denen Löwith seine Zweifel auf dem Gebiet der Theologie unterbreitete, sowie zu Gadamer, der sich dafür stark machen würde, den Freund nach Deutschland zurückzuholen. 9Kaegi, „Es ist mit unserem Leben etwas ganz anderes geworden“, 291. Vgl. Löwith, Heidegger: Problem and Background of Existentialism [1948], in: LS 8, 102–103. 10Vgl. Overbeck, Selbstbekenntnisse, 122, 131, 134. 11Das Buch, das nie in den Druck gelangte, sollte verschiedene Aufsätze versammeln, in denen Nietzsches Standpunkt mit den Positionen von Pascal, Kierkegaard, Carlyle, Blake, Butler und T.E. Lawrence verglichen werden sollte. Der systematische Fokus sollte das Verhältnis von Heidentum und christlicher Religion beleuchten und so die vielfältige, über Deutschland hinausreichende Bedeutung Nietzsches herausarbeiten. Vgl. hierzu Opitz, Eric Voegelins Nietzsche – Eine Forschungsnotiz.

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Am Hartford Theological Seminary wurde Löwith mit dem Lehren und Schreiben in englischer Sprache vertraut. Zugleich verfasste er auch einige ‚Chapel Speeches‘12, und es gelang ihm, sich nicht vollends von der strapaziösen Lehrtätigkeit auffressen zu lassen, die grundsätzlich kaum einen Freiraum für die Forschung vorsah. Doch es begann sich der Wunsch nach einem ansprechenderen Umfeld zu regen. In einem Brief an Leo Strauss beschrieb er sich selbst als „eine[n] auf dem trocknen Sand der protestantischen Theologie nach Wasser und Luft schnappenden Fisch […].“ (KL/LS 672) Und ausgerechnet Strauss war es, der sich dafür einsetzte, ihm eine Stelle in New York zu vermitteln. Um den Wechsel zu erleichtern, hielt Löwith ab 1947 Vorlesungen und Seminare an der Graduate Faculty of Political and Social Science der New School, sowie auch an der Universität Chicago, wohin der befreundete Strauss kurze Zeit später wechseln sollte. Als dessen Nachfolger wurde Löwith im Herbst 1949 selbst an die New School berufen.13 In jenem „barbarischen Examensbetrieb“ wurde die Ruhe von Hartford zur bloßen Erinnerung, aber endlich unterrichtete man Philosophie wieder für „Studenten, die etwas davon verstanden“. Hinzu kamen die Anregungen, die sich mit der Metropole und mit der Tätigkeit in einem „einzigartigen Sammelbecken westlicher Wissenschaftler“ verbanden.14 Unter den „Argonauten auf Long Island“ stachen Alfred Schütz und Kurt Riezler hervor. Zu Löwiths Schülern zählte Werner Marx, der später den Lehrstuhl Heideggers in Freiburg übernehmen sollte. An die New School verschlug es, sei es für einen Vorlesungszyklus oder um einen Vortrag zu halten, früher oder später alle berühmten europäischen Exilanten, mit Ausnahme der Vertreter der Frankfurter Schule und ihres Umkreises, die sich zu einer gegnerischen Front formiert hatten.15 In den ersten Jahren in Hartford widmete sich Löwith der Abfassung der Aufsätze zu Japan und der inhaltlichen Aufbereitung seiner Hauptwerke für die amerikanische Scientific Community.16 Einige Aspekte verleihen diesen Arbeiten nichtsdestoweniger einen veränderten Ton. Obwohl die

12Vgl. Löwith, On Speech and Silence [1946], in: LS 1, 343–348; Can there be a Christian Gentleman? [1948/1949], sowie ein unveröffentlichter Text mit der Überschrift My Credo Paper (DLA A:Löwith). 13Der Mitbewerber um diese Stelle war Aron Gurwitsch. Aber Löwith erhielt den Vorzug, nicht zuletzt deshalb, weil der phänomenologische Ansatz bereits durch Kurt Riezler vertreten war. Vgl. Gurwitsch/ Schütz, Briefwechsel 1939–1959, 180. 14Ada Löwith, Nachbemerkung, 159, 206. 15Vgl. Monika Plessner, Die Argonauten auf Long Island; Radkau, Die deutsche Emigration in den USA. 16Vgl. z. B. Löwith, The Historical Roots of European Nihilism [1943], 27–37; On the Historical Understanding of Kierkegaard [1942/1943], 227–241; Friedrich Nietzsche (1844–1900) [1944]; Nietzsche’s Doctrine of Eternal Recurrence of the Same [1945], in: LS 6, 415–426.

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darin enthaltene ausdrückliche Reflexion über die vielfache Verantwortung der Philosophie ihrer Geschichtlichkeit auf den ersten Blick im Weg steht, verleiht ihnen die mit den Lehrverpflichtungen notwendig einhergehende Auseinandersetzung mit der gesamten philosophischen Tradition – vor allem mit griechischem Denken und frühem Christentum – gegenüber den vorausgehenden Schriften eine breitere Grundlage. Die Distanz zu Deutschland verhalf Löwith dazu, von jenem Leiden zu genesen, das Eugen Rosenstock-Huessy in einem Brief vom April 1943 ohne Umschweife als intellektuelle, durch ausschließliches Zehren von der neuesten deutschen Kultur bedingte Krankheit bezeichnet hat. Der theoretisch gehaltvollste Aufsatz aus dieser Phase des amerikanischen Exils geht auf eine Entdeckung in Sendai zurück. Da er von der Art und Weise beeindruckt war, wie Franz Rosenzweig die deutsch-jüdische Frage in seinem Briefwechsel behandelt hatte, las Löwith 1939 in einem Zug dessen Stern der Erlösung.17 Während des Krieges konzipiert und 1921 veröffentlicht, begründete dieses Werk zusammen mit den Arbeiten von Cohen und Buber die ‚Begegnungsphilosophie‘ und somit jene Strömung des jüdischen Denkens, die etliche Berührungspunkte mit den Motiven aufwies, die sich in den Paragraphen von Das Individuum erörtert finden. Bis hierhin hatte Löwith, und mit ihm der gesamte Kreis um Heidegger, Rosenzweig lediglich als Verfasser von Hegel und der Staat wahrgenommen, einem Werk, aus dem in vielen seiner Schriften mehrfach zitiert wird.18 Die Beschäftigung mit Rosenzweigs „eigentliche[m] Werk“ (ML 131) brachte neue Anregungen, um die entscheidende Frage nach dem Sinn der Geschichte anzugehen, die in Von Hegel zu Nietzsche formuliert wird. Zu Strauss’ Bedauern wurde die dort skizzierte Parallele zwischen Hegel und Goethe nicht weiter ausgeführt. Aufgezeigt zu haben, dass sich dieses Problem unmöglich umgehen lässt, war in der Tat das „unbeabsichtigte Verdienst“ von Heideggers Ontologie, das Löwith, getragen von beachtlicher hermeneutischer Originalität, Rosenzweigs Thesen gegenüberstellte.19

17In einem Brief an Peterson vom 19. Juni 1939 (BEP) unterstreicht Löwith die Einzigartigkeit von Rosenzweigs Briefwechsel. Vgl. auch ML, 131–132, 163. 18Vgl. Löwith, M. Heidegger and F. Rosenzweig, or Temporality and Eternity [1942/1943], 53. Rosenzweig kannte hingegen das Denken Heideggers und hatte Gelegenheit, sich zu seiner berühmten Begegnung in Davos mit Cassirer zu äußern: Vertauschte Fronten, 325–328. Siehe hierzu z. B. Udoff, Rosenzweig’s Heidegger Reception and the re-Origination of Jewish Thinking. 19Vgl. z. B. Greblo, Nota introduttiva al saggio di Löwith su Heidegger e Rosenzweig, 71–75; Casper, Transzendentale Phänomenalität und ereignetes Ereignis. Der Sprung in ein hermeneutisches Denken im Leben und Werk Franz Rosenzweigs. Die Gegenüberstellung weckte auch das Interesse Adornos, der jedoch eine Parallele zwischen Rosenzweig und Walter Benjamin für angebrachter hielt: Adorno, Über

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Als er Heideggers Einsatz für den Nationalsozialismus kommentierte, hatte Löwith der Rektoratsrede von 1933 Karl Barths Appell an die Deutschen Christen entgegengesetzt und darin „die einzige ernsthafte Äußerung eines geistigen Widerstands gegen die reißende Zeit“ erkannt. Folgendes hatte er noch hinzugefügt: „Um zu einem analogen Schritt fähig zu sein, hätte die Philosophie nicht von ‚Sein und Zeit‘ handeln müssen, sondern vom Sein der Ewigkeit.“ (ML 37)20 Eben das hatte Rosenzweig getan, indem er zugleich eine Kritik an der Tradition übte, die genauso kräftig war wie der in Heideggers Hauptwerk vollzogene Schlag gegen die Metaphysik. Was Löwith bei seiner gegenüberstellenden Lektüre der beiden Werke interessierte, waren jedoch nicht so sehr die Ähnlichkeiten oder Diskrepanzen bei der Untersuchung von Phänomenen, die für die Verfasstheit des Menschen bestimmend sind, wie der Tod oder die Begegnung mit dem Anderen, sondern vielmehr die grundlegende Polarität, von der diese Phänomene sich abhoben: der Unterschied zwischen Ewigkeit und Zeitlichkeit der Zeit und ihre Rückwirkungen auf die Philosophie. In dieser Hinsicht stellten Heidegger und Rosenzweig die radikalsten, und ungeachtet ihrer scheinbaren Komplementarität, alternativen Formen dar, die philosophische Konstellation von Mensch, Geschichte und Wahrheit zu untergliedern. Die Antithese wurde von Löwith aufgehellt, indem er das Verhältnis der beiden Denker zu ihren jeweiligen religiösen Traditionen erläuterte: als „Theologe ohne Gott“ unterhält Heidegger eine zweideutige Verbindung zum Christentum, dessen grundlegende Kategorien er verweltlicht und gleichzeitig entwurzelt. Bleibt seine Untersuchung an einer ganz bestimmten Auffassung vom Menschen verankert, während jener Grad der Ursprünglichkeit fehlt, den er erreichen wollte, so verzichtet sie mit eben solcher Entschiedenheit auf jeden Glauben an eine ewige Wirklichkeit, indem sie allein der Zeit unterworfene Wahrheiten betrachtet. Das „Dasein“ – und darin hatte Löwith bereits die Grundlage des politischen Engagements seines Lehrers erkannt – lebt somit wie ein „Höhlenbewohner, der weder die platonische Sonne noch die christliche Wiedergeburt, noch das jüdische Harren bis zum Tag der Erlösung kennt.“21

Walter Benjamin, 61. Gewisse Vorbehalte äußerte auch Strauss, Preface to Spinoza’s Critique of Religion, 19. 20Der Verweis bezieht sich auf Barth, Theologische Existenz heute! Siehe außerdem Barths autobiographische Anmerkung How my mind has changed. Auch Strauss lobte Barths Kritik und stellte sie Heideggers „kritikloser Unterwerfung“ (KL/LS 636) gegenüber. 21Löwith, M. Heidegger und F. Rosenzweig, or Temporality and Eternity [1942/1943], 81.

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Auch Rosenzweig befürwortet das Anliegen jener konkreten Einzigartigkeit, die von „der ganzen ehrwürdigen Gesellschaft der Philosophen von Ionien bis Jena“ systematisch vernachlässigt worden war. Doch seine Lehre erweist sich gegenüber Formen okkasionalistischen Abdriftens als immun, da er, indem er den „Stern auf Davids Schild […] aus aller Vielfältigkeit der Zeit heraus“ bewahrt, über einen Wahrheitskern verfügt, welcher der Kontingenz der menschlichen Angelegenheiten entzogen ist. Der Offenbarungsbegriff erlaubt ihr, eine Brücke zur Ewigkeit zu schlagen, also zu einem Urteilskriterium, das von der Zufälligkeit der Ereignisse befreit ist. Beispielhaft hierfür ist die Erzählung von den Taten des Volkes Israel, über das der Lauf der Zeiten hereinbricht, weil es durch seinen Glauben „aus aller Welt-Geschichte herausgestellt […]“ wird.22 Nichts könnte von Heideggers Preisung des Schicksals des deutschen Volkes im entscheidenden Zeitpunkt von Hitlers Machtergreifung weiter entfernt sein. Im Stern der Erlösung entdeckte Löwith ein Denken, das die Fähigkeit besaß, „gegen den Strom der Geschichtsbewegung“ zu schwimmen. Und das ist ein gewagtes Unterfangen, wenn „man in rein existenzieller Weise an sich selbst denkt.“23 Rosenzweigs Modell beruhte auf dem Boden des Glaubens: eine ehrwürdige Erfahrung und „stets in ihrem Recht“, solange sie vom Gnadengeschenk erleuchtet wird und glaubt und hofft, was ein Gott versprochen hat. In einer religiösen Verankerung der Reflexion sah Löwith gleichwohl ein ‚Verstandesopfer‘, das er als Philosoph nicht zu bringen bereit war. Da er beobachtete, dass es gerade unter den Anhängern des Christentums oder des Naturrechts zu mehreren Akten des Ungehorsams gegenüber dem Nationalsozialismus gekommen war, hielt er den hinsichtlich der Schwierigkeit für einen Atheisten, einer ‚faschistischen‘ Denkweise zu entkommen, von Alphonse De Waelhens aus seinen Voraussetzungen gezogenen Schluss nicht für „offenkundig absurd.“24 Rosenzweigs Herausforderung galt es anzunehmen: Nun musste sich erweisen, ob und in welcher Form die Philosophie imstande sei, sich von der Geschichte nicht überrennen zu lassen, und sich so von religiösen Hypotheken freizuhalten. Einige Jahre später sollte Löwith eine schlüssige Formulierung der Frage finden, in der sein anhaltendes Unbehagen und die beharrliche Treue zu dieser Disziplin erneut zum Vorschein kamen: „Warum sollte aber solch ein freier Abstand zum Geschehen der Zeit, der

22Rosenzweig,

Der Stern der Erlösung, 13, 386, 372. Réponse a M. De Waelhens, 372 (Übersetzung: A. Staude). 24Löwith, Réponse a M. De Waelhens, 373 (Übersetzung: A. Staude). 23Löwith,

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für den Theologen recht ist, nicht auch billig sein für den, der nicht ‚glaubt‘, sondern ‚denkt‘ – es sei denn, man ist entschlossen, die Zeit aus der Zeit zu verstehen, ohne einen philosophischen Maßstab für die Beurteilung des Geschehens.“25

Die letzte Religion Die Antwort auf diese Frage wurde mittels Distanzierung vom Sinnhorizont der Moderne gesucht. Bei seiner rückwärtsgerichteten ‚Grabung‘ wurde Löwith bald klar, dass die biblische Überlieferung die Auswahl an Heilmitteln gegen eine vollständige Historisierung der Philosophie nicht erschöpfte. Wie ihm Strauss seit über einem Jahrzehnt in Erinnerung rief, hatte auch das klassische Griechentum diesbezüglich viel anzubieten. Gegen Mitte der 1940er Jahre wurden die Koordinaten des Forschungsfeldes genau festgelegt, und zwar wie folgt: „Ich denke, es wäre schwierig, den sogenannten ‚Nihilismus‘ der Existenzialontologie abzulehnen, auf theoretischer wie auch auf moralischer Basis, es sei denn, man glaubt an Mensch und Welt als Schöpfung Gottes oder an den Kosmos als göttliche und ewige Ordnung.“26 Löwith würde also versuchen, der „Obsession der Zeitlichkeit“ nachzugehen, welche die Philosophie bedrängt, indem er die beiden „grundlegenden Möglichkeiten der Geschichtsauffassung“ untersuchte, die aus der abendländischen Kultur entstanden sind – die klassisch antike und die jüdisch-christliche, sowie das Zusammenspiel ihrer Auswirkungen bis in die Gegenwart. In dem Werk Meaning in History – veröffentlicht im Jahr 1949, verfasst zwischen 1945 und 1947, – wird auf genealogischem Wege einer der Gründungsmythen der Moderne dekonstruiert, und zwar jener, wonach ihre Anfänge in der „Selbstbehauptung“ des menschlichen Artifex liegen. Dieser befreit sich von den Fesseln jeglicher religiöser Weltanschauung, beherrscht kraft seiner wissenschaftlichen Neugier die Wirklichkeit und wird zum Urheber seines eigenen Schicksals.27 Eine der wichtigsten theoretischen

25Löwith,

Heidegger, Denker in dürftiger Zeit [1953, 21960], 171. Heidegger: Problem and Background of Existentialism [1948], 110 (Übersetzung: A. Staude). 27Vgl. Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit. Löwiths wichtigste Vorarbeit hierzu war The Theological Background of the Philosophy of History. Eine knappe Vorwegnahme des Inhalts des Werks, das ursprünglich mit Sacred and Secular History überschrieben war, erschien 1948 unter dem Titel Philosophy of History. Unter den zahlreichen Rezensionen und Kritiken vgl. z. B. Schmitt, Drei Stufen historischer Sinngebung; Landmann [1953/1954]; Boehm, Karl Löwith und das Problem der Geschichtsphilosophie; Landgrebe, Das philosophische Problem des Endes der Geschichte; Rossi, Prefazione; 26Löwith:

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Konsequenzen dieser Kopernikanischen Revolution war die Geburt der „Geschichtsphilosophie“, einer Disziplin, die im Jahr 1756 durch Voltaire aus der Taufe gehoben worden war. Um den Sinn des weltlichen Geschehens zu begreifen, stützte man sich nicht mehr auf die Annahme eines von der Vorsehung bestimmten göttlichen Einschreitens, sondern vielmehr auf den Glauben an den Fortschritt des Menschengeschlechts. So war der Boden bereitet für die allergünstigsten Hoffnungen auf eine vom Menschen eigenhändig geschriebene Geschichte. In einer der meistgepriesenen Errungenschaften des westlichen Bewusstseins sah Löwith eine heimtückische Form der Selbsttäuschung. Im philosophischen Destillat der modernen Einstellung zum Lauf der Ereignisse erkannte er nicht den Sieg einer entzauberten Vernunft, sondern vielmehr die Maske, hinter der die religiöse Illusion in den Grenzen eines Wissens, das sich rühmte, sie verbannt zu haben, weiter wuchs und gedieh. Im Kult der absoluten Bedeutsamkeit dessen, was schlechthin relativ ist – nämlich des Gangs der Menschenschicksale – erahnte er also die „letzte Religion“ von Menschen, deren Skepsis zu schwach ist, um jeglichen Glaubens entbehren zu können.28 Er nahm sich daher vor, die „Unmöglichkeit“ der Geschichtsphilosophie sowie auch dessen zu beweisen, was er gleichsam als bloßen „Überrest“ von dieser ansah: den Historismus, jene Haltung, die trotz ihrer Ablehnung des Fortschrittsvertrauens „die meisten Gebiete des geistigen Lebens von der Geschichte durchdrungen sah und aus ihr die magistra, wenn nicht des aktiven, so doch, zu einem Großteil, des theoretischen Lebens machte“.29 In seinen akademischen Spielarten, aber vor allem in der Bedeutung eines intellektuellen Common Sense der Moderne, wurde das „historische Denken“ fortan zur wichtigsten Zielscheibe von Löwiths Skepsis. Und mit einer solchen, skeptisch geprägten Strategie vollführte er seine Dekonstruktion der theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie. Das angewandte Widerlegungsverfahren war reduktionistisch, und der von der Geschichtsphilosophie erhobene Gültigkeitsanspruch – nämlich eine umfassende Deutung der menschlichen Dinge in Bezug auf deren letzten

Emmerich, Heilsgeschehen und Weltgeschichte – nach Karl Löwith; Barash, Karl Löwith et la politique de la sécularisation. 28Vgl. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche [1941], 274. Zum Thema siehe Pross, „Das Relativste: die Geschichte“. Karl Löwiths „Philosophische Bilanz des 20. Jahrhunderts“. 29Engel-Janosi, Die Wahrheit der Geschichte. Versuche zur Geschichtsschreibung in der Neuzeit, 41.

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Sinn zu sein30 – erwies sich durch einen an zwei Fronten vorgetragenen Angriff als geschwächt. Besagter Anspruch wurde zunächst als abendländisches ‚Vorurteil‘ bezeichnet, als eine Eigenheit, die gewissen Kulturen – wie etwa der japanischen – unbekannt ist, die keine Unterscheidung zwischen Naturereignissen und historischen Tatsachen vorsehen, und für die letztere folglich „keine transzendente Bedeutung, keinen moralischen Zweck und kein existentielles Gewicht [haben]“.31 In einem weiteren Untersuchungsschritt wurden ferner diejenigen Elemente des modernen Bewusstseins isoliert, die sich auf das antike christliche Geschichtsbild zurückführen lassen. Die zwei Grundantworten, die das Abendland auf die Frage nach dem „Sinn des Handelns und Leidens des Menschen“ geliefert hat, weisen unterschiedliche Affinitäten und Divergenzen auf. Mit der Absicht, den Ursprung des modernen Geschichtsdenkens weiter zu relativieren, entschied sich Löwith, diese gemäß dem Motiv der Darstellung der Zeit und ihrer praktischen Auswirkungen auf die Philosophie hervorzuheben. Insbesondere betonte er nachdrücklich den Umstand, dass die antike Wissenschaft das Problem des Sinns der Geschichte übersehen hat, und beharrte auf der Tatsache, dass die griechischen Denker das letzte Ziel menschlicher Ereignisse niemals als möglichen Wissenschaftsgegenstand betrachteten, sondern ihre Aufmerksamkeit auf das Immerseiende konzentrierten und nicht auf „die vergänglichen pragmata“ der Sterblichen.32 Eine zirkuläre Auffassung der Zeitlichkeit verhinderte es, die volle Bedeutung eines Ereignisses, und mit ihr seine Wirklichkeit, in die Zukunft zu verlegen. Ein Bild des Universums, das der Theorie der ewigen Wiederkehr nachempfunden war, gab keinen Anlass zu der Hoffnung, die Zukunft könnte den ewigen Logos der Welt substanziell verändern. Aus dieser Hoffnung speist sich hingegen der jüdisch-christliche Glaube. Und genau in dieser Perspektive rekonstruiert Löwith den für die Entwicklung der Philosophie entscheidenden Bruch, der sich zwischen Athen und Jerusalem auftut, wenn das griechische Geschichtsbild das Feld jenem „eschatologische[n] Gedanke[n]“ überlässt, der uns „[d]em Kompass vergleichbar […] Orientierung in der Zeit [gibt], indem er auf das Reich

30Vgl. Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie [1953], in: LS 2, 11 (Sigle: WH). Nachfolgend wird, wenn nicht anders bezeichnet, aus der deutschen Fassung zitiert und nicht aus der ursprünglichen englischen Ausgabe. 31Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen [1950], in: LS 2, 244. Zur Bedeutung der japanischen Erfahrung, die Löwith zu einer „heilsamen“ Dezentralisierung der europäischen Perspektive auf die Geschichte verhalf, siehe auch Natur und Geschichte [1950], in: LS 2, 285–286. Zum Thema vgl. Donaggio, Karl Löwith: Europa aus der exzentrischen Perspektive des Exils. 32Löwith, Vom Sinn der Geschichte [1961], 310.

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Gottes als das letzte Ziel und Ende hinweist.“ (WH 29) Die Geschichte nimmt so ihren Weg in Richtung eines Ziels, das jenseits ihrer selbst liegt: Der Kreislauf der ewigen Wiederkehr wandelt sich in einen Pfeil, der auf das Heil zielt und den einzelnen Ereignissen eine sie transzendierende Bedeutung verleiht.33 Diese futurozentrische Pervertierung der Geschichte macht die Einstellung ‚nec spe nec metu‘ zunichte, mit der die griechischen Philosophen auf die menschlichen Geschehnisse geblickt hatten. Auf diese folgt eine Veranlagung zu hoffnungsfroher Erwartung, die der geschichtlichen Erfahrung einen implizit heiligen Charakter verleiht. Obwohl das heilbringende Ereignis am Ende der Zeiten situiert ist, beginnt die Zukunft als solche, Gegenwart und Vergangenheit im Licht der Erlösung zu erhellen. In einer für seinen Gedankengang entscheidenden Passage hob Löwith hervor, dass die biblische Geschichtsauffassung, die in Augustinus’ Gottesstaat beispielhaft formuliert ist, nicht einer rationalen Widerlegung der klassischen Kosmologie entsprungen sei. Der Paradigmenwechsel war vielmehr theologisch-moralischer Art. Die Lehre von der ewigen Wiederkehr machte in der Tat nicht nur die Erwartung von einem künftigen Leben, sondern jede auf Hoffnung ausgerichtete Einstellung zunichte. Diese Geisteshaltung wurde von den alten Griechen mit einem Trugbild gleichgesetzt, und von der christlichen Religion als ihr unerschütterliches Fundament angenommen. Mit den „Augen des Glaubens“ las also Augustinus, im Gefolge des Paulus, die Texte der heidnischen Denker und verurteilte sie. Für Löwith besitzt diese Geste keinerlei philosophische Konsistenz: „Die griechische theoria ist wirklich eine Welt-Schau oder Kontemplation des Sichtbaren und kann daher aufgewiesen oder gezeigt werden, wohingegen der christliche Glaube, die pistis, […] ein unbedingtes Vertrauen in Unsichtbares und daher Unbeweisbares ist.“ (WH 174). In dieser Form von blinder Hellsichtigkeit sah Löwith den Ursprung des modernen historischen Wissens. Um das Abhängigkeitsverhältnis – „wie ein entlaufener Sklave von seinem entfernten Herrn“ (WH 95) – zu erläutern, das die Geschichtsphilosophie an die jüdisch-christliche Theologie bindet, bediente er sich der umstrittenen Kategorie der „Säkularisierung“.34 Als er

33Zum überzogenen Schematismus dieser Gegenüberstellung vgl. Mazzarino, Il pensiero storico classico, 350–358, 412–421; Koselleck, Zeitschichten. Studien zur Historik, 19–20. 34Vgl. z. B. Lübbe, Säkularisierung. Geschichte eines ideenpolitischen Begriffs; Marramao, Cielo e terra. Genealogia della secolarizzazione. Eine Untersuchung zur Geschichtsphilosophie mit entgegengesetzten Vorzeichen gegenüber der Löwithschen, aber aus denselben Jahren und mittels eines analogen Kategorieninstrumentariums, findet sich bei Taubes, Abendländische Eschatologie. Vgl. hierzu Mehring, Karl Löwith, Carl Schmitt, Jacob Taubes und das „Ende der Geschichte“.

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die Reaktionen der denkbar unorthodoxesten Anwälte der Moderne – insbesondere Hans Blumenbergs – auslöste,35 behauptete er, dass die „Hoffnung auf eine ‚bessere Welt‘“ nur innerhalb des Horizonts „wie ihn der jüdische und christliche Glaube gegen die ‚hoffnungslose‘, weil zyklische Weltanschauung des klassischen Heidentums schuf, […] überhaupt zum Leitgedanken des modernen Geschichtsverständnisses werden [konnte]. Das ganze moderne Bemühen um immer neue Verbesserungen und Fortschritte wurzelt in dem einen christlichen Fortschritt zum Reiche Gottes“ (WH 95).36 Das Theorem postulierte eine innerlich implizierte, ebenso logische wie historische Verbindung zwischen einem spezifischen Glaubensschatz und der Moderne. Letztere wäre unter Absehung von ihrer religiösen Vorstufe schlichtweg nicht denkbar, die nach Art einer Inkunabel, wie ein unerschöpfliches Reservoir von Sinn und somit von Legitimität in ihr weiterwirkt. Die These stellte gewiss die Selbstdarstellung der Neuzeit als Zeitalter des „absoluten Anfangs“, als eigenständiger Bruch mit der Tradition, auf den Kopf. Jedoch ging es vor allem um einen beträchtlichen Nebeneffekt der Tradition, denn das primäre Ziel bestand darin, die Verantwortung der jüdisch-christlichen Religion gegenüber dem modernen Geschichtskult zu ermitteln, nämlich ein geistiges Klima geschaffen zu haben, in dem sich ein Menschen- und Weltbild herausbilden konnte, wie es das klassische Denken niemals konzipiert hätte.37 Von dieser Absicht geleitet, rief sich Löwith die wichtigsten Versuche ins Gedächtnis, im Lauf der menschlichen Angelegenheiten einen letzten Sinn zu finden. Bei seinem rückwärtsgewandten Vorgehen, von Burckhardt bis zum Alten Testament, stieß er auf eine eigenartige Dialektik der Aufklärung, die Entzauberung und Mystifikation auf besondere Weise mit-

35Die Querele entbrannte beim VII. Deutschen Kongress für Philosophie, der 1962 in Münster abgehalten wurde: Kuhn/Wiedman (Hg.), Die Philosophie und die Frage nach dem Fortschritt. Die Kontroverse fand 1968 ihre Fortsetzung mit Löwiths Rezension zu Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit [1968], in: LS 2, 452–459, und fand ihren Schlusspunkt mit einer Replik von Blumenberg, Der Fortschritt in seiner Enthüllung als Verhängnis. Zu der Polemik vgl. Fuhrmann (Hg.), Terror und Spiel. Probleme der Mythenrezeption, 530; Wallace, Progress, Secularization and Modernity. The LöwithBlumenberg Debate; Carchia, Nota alla controversia sulla secolarizzazione; Braun, Die Welt der Natur und die Weisheit der Welt. 36Die These macht Löwith zum schlechthinnigen Antagonisten von Ernst Bloch, dem Verfechter des „Prinzips Hoffnung“. Dieser wiederum kritisierte Löwiths Ansatz: Das Prinzip Hoffnung, 1610–1611. In einem Vortrag auf den Hegel-Tagen in Urbino 1965 zögerte Löwith nicht, Bloch die Haltung zuzuschreiben, wonach Marx, Lenin und Stalin die alleinigen „wahren“ Philosophen gewesen seien: Vermittlung und Unmittelbarkeit bei Hegel, Marx und Feuerbach [1966], in: LS 5, 189. Zu den Streitpunkten in diesem Rahmen vgl. Sichirollo, Il congresso hegeliano di Urbino, 12. 37Vgl. WH 227.

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einander verband.38 Denn was die Geschichtsphilosophie von der jüdischchristlichen Eschatologie entlehnt, und dann in einen vollständig weltlichen Horizont versetzt hatte, entsprach einer spezifischen Zeiterfahrung, nämlich von Hoffnung und Erwartung zu leben. Es handelte sich um einen Prozess, welcher der besten aufklärerischen Rhetorik zufolge dem Menschen zurückgab, was lange Zeit im Himmelreich verstreut gewesen war; doch ebenso um ein unrechtmäßiges Abstammungsverfahren, das eine „trübe Mischung“ (WH 257) religiöser und antireligiöser Elemente ausgelöst hatte; ein zwitterhaftes Gemisch, das die von der Religion erzeugte „Kette der Illusionen“ nicht sprengte, sondern ihre Glieder kräftigte, indem es den Blick auf die Wirklichkeit weiter verschleierte. Die Geschichtsphilosophie hatte die christliche Begriffskonstellation also übernommen und zugleich pervertiert. In dieser widersprüchlichen Geste bestand für Löwith der Grund ihrer Unmöglichkeit. Der Anspruch, eine Auswahl von Erfordernissen, die einem Glaubensakt entspringt, auf den Boden des Wissens zu verpflanzen, war tatsächlich zum Scheitern bestimmt. Im Übrigen hatten die christlichen Autoren niemals etwas Ähnliches gewagt und sich darauf beschränkt, in den unbedeutenden irdischen Begebenheiten die Spuren des einzigen entscheidenden Ereignisses zu suchen: der Wiederkunft Christi.39 Sie verfochten daher ein zweidimensionales Geschichtsbild, das im Weltenlauf nur den unerforschlichen Plan der göttlichen Vorsehung durchscheinen sah. Ein solcher Ansatz schloss – obwohl er sie als unrechtmäßige Möglichkeit enthielt – seine Verwandlung in eine auf einem der Zeit immanenten Eschaton begründete Philosophie aus. Jedoch wurde, mit zunehmender Annäherung an die Moderne, der Abstand zwischen heiliger und profaner Sphäre auch in den Lehren christlich inspirierter Denker wie Gioacchino da Fiore, Giambattista Vico40 und Jacques-Bénigne Bossuet immer unmerklicher.

38Nicht Weber oder Schmitt, sondern einmal mehr Nietzsche war der Ideengeber für ein solches Interpretationsmodell. So kommt es nicht von ungefähr, wenn Löwith Anfang August 1949 in einem geheimnisvollen Satz Jaspers über die Veröffentlichung von Meaning in History informiert, wobei er angibt, sein „erstes Buch über Nietzsches Wiederkehr zum Abschluss gebracht zu haben“ (Jaspers, Korrespondenzen. Philosophie, 512). Der Aufsatz über Nietzsches Erneuerung dieser Lehre, der den Text im Anhang ergänzt, lobt Zarathustras Gleichgültigkeit gegenüber der Bedeutung menschlicher Taten als „Ausweg aus einer zweitausendjährigen Lüge“ (WH 232): nämlich jene, die auf eine als sündhaftes Intervall zwischen göttlicher Schöpfung und Jüngstem Gericht verstandene Geschichte ihren säkularen Ersatz folgen ließ, die Idee des Fortschritts der Menschheit hin zu einem künftigen Heil. 39Wenn Löwith als Laie an derartige Fragestellungen heranging, stützte er sich vornehmlich auf Cullmann, Christus und die Zeit. Die urchristliche Zeit- und Geschichtsauffassung. 40Vgl. auch Löwith, Vicos Grundsatz: verum et factum convertuntur. Seine theologische Prämisse und deren säkulare Konsequenzen [1968], in: LS 9, 195–227. Siehe hierzu Parente, Presunta origine tomistica del „verum et factum“ vichiano in un saggio di Karl Löwith.

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Bei einer solchen Rekonstruktion behielt Hegel die epochale Rolle des letzten Geschichtsphilosophen, wenn nicht des letzten Philosophen ­überhaupt. Die von Augustinus begründete Geschichtstheologie hatte er durch eine Betrachtung der Geschehnisse ersetzt, die „weder heilig noch profan“ (WH 69) war.41 Das Ergebnis dieser Verweltlichung der Heilserwartung war allerdings nicht der Okkasionalismus von Heidegger oder Schmitt, und auch nicht der Relativismus subtilerer Traditionszerstörer wie Dilthey oder Simmel. Denn wie jede andere Geschichtsphilosophie bewahrte auch die Hegel’sche Weltgeschichte einen der Zeit enthobenen Kern, der die Auswirkungen einer vollständigen Aktualisierung der Wahrheit einzudämmen vermochte.42 Nicht anders als Marx, der Erfinder einer „Heilsgeschichte in der Sprache der politischen Ökonomie“, erhob allerdings auch Hegel den Weltenlauf zum „Weltgericht“, zur Quelle einer nicht mehr nur erhofften, sondern metaphysisch gewährleisteten Erlösung. Er ebnete somit einen Weg, den seine Erben beschreiten würden. Die Frage nach dem Sinn der Geschichte stürzt die Philosophie „in eine Leere, die nur die Hoffnung und der Glaube auffüllen können“, und erhebt sich für Löwith zum Sinnbild einer Theorie, die gegenüber der eigenen fragilen Abhängigkeit von einer Wirklichkeit blind ist, die sie zu beherrschen vermeint hatte. Am 24. November 1946 kommentierte er zusammen mit Gerhard Krüger das wenig erbauliche Ergebnis seiner Forschungen mit dem Motto: „‚Je weniger, desto besser‘, das heißt je mehr man das eschatologische Schema, auch in säkularisierter Form, ausarbeitet, desto weniger überzeugend wird es.“43 Dennoch folgte darauf weder eine Rückkehr zu den jüdisch-christlichen Wurzeln, noch eine Zustimmung zur griechischen Kosmologie. Wie Löwith in einem Brief an Cantimori vom 9. Januar 1948 ausführt, ist es tatsächlich wahr, dass es nur zwei Alternativen zum modernen Geschichtskult gibt: die antike Vision der Ewigkeit der Welt und die Schöpfungsgeschichte der Bibel. Doch beide erweisen sich als „unmöglich für den ‚modernen‘ Menschen.“44 Löwith hütete sich, diesen aporetischen Knoten zu lösen, geschweige denn, ihn zu durchtrennen. Seine Bemühungen zielten vielmehr darauf,

41Vgl.

auch Löwith, Aktualität und Inaktualität Hegels [1973]. z. B. Löwith, Diltheys und Heideggers Stellung zur Metaphysik [1966], in: LS 8, 258–275. Vgl. hierzu Dal Lago, L’autodistruzione della storia. 43Karl Löwith an Gerhard Krüger, 24. November 1946 (UBT NL Krüger). Vgl. zum Thema auch WH 156, 186. 44Karl Löwith an Delio Cantimori, 9. Januar 1948 (SNP/FC – Übersetzung: A. Staude). 42Vgl.

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ihn zu lockern, denn er erkannte darin das Symptom einer Pathologie des modernen Denkens, einer übermäßigen Hybris, die zum Stellen von Fragen anregt, auf die keine Form des Wissens jemals eine Antwort geben kann. Als ersten Schritt in diese Richtung ging er daran, einen grundlegenden Berührungspunkt zwischen den traditionell entgegengesetzten und unversöhnlichen Positionen des Gläubigen und des Skeptikers zu ermitteln.45 Da sich diese dem modernen Philosophen und Theologen gegenüber als intelligenter herausstellen, weisen sie das Heiligkeitsdogma der Geschichte zurück; durch reife Resignation oder hoffnungserfüllte Erwartung gehen sie bedachtsam auf Distanz zur immerwährenden menschlichen Komödie und verabschieden sich von der Illusion, die Abfolge der Ereignisse würde nach und nach ein letztes Ziel enthüllen. Im Unterschied zum Glauben vernachlässigt allerdings die Skepsis das Weltgeschehen nicht – im Gegenteil, sie speist sich vollständig aus der Erfahrung desselben; sie verzichtet nur auf die Vermessenheit, seinen Lauf zu beherrschen. Diese Anmaßung beruht auf dem Postulat, die Geschichte durchziehe jede Bedeutungssphäre des menschlichen Lebens. Und einer Widerlegung dieser Annahme wird Löwith, nach seiner Rückkehr nach Deutschland sowie nach Beendigung einer neuerlichen Abrechnung mit Heidegger, die letzte Phase seiner Forschung widmen.

Ein Maskenball der zwanziger Jahre Nach Kriegsende nahm für Löwith die Aussicht auf eine mögliche Rückkehr nach Europa langsam konkrete Formen an. Aus Deutschland waren in der Tat erste Anzeichen eines gewissen Interesses zu vernehmen. Bereits 1947, als auch die New School mit ihm in Verhandlungen stand, boten Rudolf Bultmann und der in Marburg inzwischen zum Rektor ernannte Julius Ebbinghaus Löwith eine Gastprofessur an derselben Fakultät an, die ihn 1935 ausgeschlossen hatte. Der Versuch scheiterte jedoch, als auf beiden Seiten des Atlantiks Hindernisse auftraten. Doch was über das „vergiftete“ Klima bekannt wurde, das an den deutschen Universitäten herrschte, vermehrte keineswegs das Bedauern über die ausgebliebene Rückkehr, die als verfrüht angesehen wurde. Im Frühjahr 1949 folgte Löwith trotz einigen Widerstands von amerikanischer Seite der Einladung zum Primero Congreso Nacional de

45Zum Folgenden vgl. Löwith, Meaning in History. The Theological Implications of Philosophy of History [1949], VII–VIII, und die versammelten Aufsätze in Wissen, Glaube und Skepsis [1956].

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Filosofía, der im argentinischen Mendoza stattfand. Es war die erste internationale Zusammenkunft, zu der neben zahlreichen illustren Vertretern des Faches auch deutsche Philosophen geladen wurden. Auf der Tagung begegnete Löwith Freunden und Kollegen, die er kaum noch einmal wiederzusehen gehofft hatte. Glücklich eingetaucht in eine „Atmosphäre und in eine Landschaft, die auf die Zeit meiner Frühgeschichte zurückging“46, ließ er sich in mehrere Projekte verwickeln. Das wichtigste Vorhaben, die Herausgabe einer Festschrift zu Heideggers sechzigsten Geburtstag, stand auf halbem Wege zwischen Diplomatie und Vergangenheitsbewältigung. Zu Gerhard Krügers Erstaunen willigte Löwith unverzüglich ein. Dabei handelte es sich um eine Entspannungsgeste, und nicht um das Vorzeichen eines Konflikts.47 Im Sommer 1950 kehrte Löwith zu einer Reihe von Vorlesungen und Vorträgen erstmals zurück nach Europa.48 Zur Freude über die Wiederkehr gesellte sich die Aufdeckung des Umstands, dass sich zahlreiche Kollegen – Becker, Gehlen, Besseler, Rothacker, Fahrner und andere mehr – in verschiedenem Maße mit dem Naziregime eingelassen hatten. Ganz mit der Umwandlung und Weißwäscherei beschäftigt, mit der jede Bürokratie – auch die des Geistes – versucht, einen Machtwechsel zu überdauern, empfingen sie den Verbannten, der erstmals wieder deutschen Boden betrat, in eisiger Verlegenheit.49

46Der Satz taucht in einem Briefentwurf an Gadamer zu dessen sechzigsten Geburtstag auf (DLA A:Gadamer). Auf dem Kongress hielt Löwith die Vorträge Background and Problem of Existentialism [1950] und The Theological Implications of the Philosophy of History [1950]. Aus Deutschland nahmen neben Gadamer auch Otto Friedrich Bollnow, Walter Bröcker, Eugen Fink, Ernesto Grassi, Ludwig Landgrebe und Wilhelm Szilasi teil. Infolge eines Vetos der französischen Besatzungsbehörde blieb Heidegger die Teilnahme untersagt. Vgl. auch Ada Löwith, Nachbemerkung, 159; Gadamer, Philosophische Lehrjahre. Eine Rückschau, 146–150. 47Das Buch erschien um ein Jahr verspätet: Anteile. Festschrift für Martin Heidegger zum 60. Geburtstag. Löwith trug den Aufsatz Weltgeschichte und Heilsgeschehen bei, der in knapper und prägnanter Form die Thesen aus The Meaning of History [1949] enthält. Heimlicher Urheber der Initiative war Gadamer, der, wenn er nicht – wie etwa von Seiten Jaspers’ – auf entschiedene Ablehnung stieß, den Verdacht von sich weisen musste, die Festschrift habe lediglich eine Rehabilitierung Heideggers zum Ziel. Es bedurfte rigoroser Objektivitätskriterien, und Romano Guardini hatte in einem Brief an Gadamer vom 30. Mai 1949 (DLA A:Gadamer) darauf bestanden, dass Löwith mit dabei sein müsse, um einen nicht-apologetischen Ausgang des Vorhabens sicherzustellen. Vgl. Grondin, Hans-Georg Gadamer, 302. 48Im Juni und Juli hielt Löwith zwei wöchentliche Vorlesungen an der Universität Heidelberg. Hinzu kam eine Vortragsreise mit Stationen in Tübingen, Marburg, Köln und Basel. Ferner nahm er an zwei Tagungen in Österreich und den Niederlanden teil. 49Über das damals in Deutschland vorherrschende geistige Klima vgl. auch Arendt, The Aftermath of NaziRule. Report from Germany. Über Fahrner und Becker vgl. ML, 23, 46–50, 55–57. Über Fahrners Hinwendung zum Nationalsozialismus und über die Notwendigkeit, seine Rückkehr auf einen Lehrstuhl zu verhindern, korrespondierte Löwith mit Jaspers im Oktober 1952 (vgl. Jaspers, Korrespondenzen, 518–520). In Bezug auf Gehlen vgl. ders., Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 876–878.

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Zurück in den Vereinigten Staaten, fand Löwith eine Situation vor, die eine Umkehrung dieser bittersüßen Gefühle bewirkte. Einerseits wuchs, wie ein emotionsgeladener Brief an Bultmann vom 16. Dezember 1950 bezeugt, das Bewusstsein darüber, dass der „betriebsartige Rhythmus“ der New School ihn davon abhielt, etwas Bedeutendes zu schaffen. Die Möglichkeit, dem Stress in New York zu entkommen und nach Europa zurückzukehren, würde seinem Werk eine „ganz andere Resonanz“ verleihen. Andererseits durchlief die von Alvin Johnson geleitete Universität gerade eine schwere finanzielle Krise, die zur Auflösung der philosophischen Fakultät führte. Nicht ganz reibungslos fiel so zwischen Ende 1951 und Anfang 1952 der Entschluss, die Vereinigten Staaten zu verlassen. Ein langes Exil hatte damit ein Ende gefunden, aber der Mensch, der zurückkehrte, war nicht komplett verschieden von jenem, der fast zwanzig Jahre zuvor hatte aufbrechen müssen: „Wie wenig […] die Geschicke der Geschichte das Wesen eines erwachsenen Menschen […] zu verändern vermögen, das wurde mir erst nachträglich klar. Man lernt zwar Einiges hinzu und man kann den Restbestand des alten Europa nicht mehr ebenso ansehen, wie wenn man sich nie von ihm entfernt hätte, aber man wird nicht ein Anderer; man bleibt auch nicht einfach derselbe, aber man wird, was man ist und innerhalb seiner Grenzen sein kann.“ (ML 187) Dies sind Worte, von denen die Interpreten und all jene, die Löwith nach seiner unfreiwilligen Umschiffung des Globus begegnet sind, nie recht wussten, ob sie einer krankhaften Unfähigkeit zuzuschreiben sind, die Dinge der Welt zu bejahen – einer unerschütterlichen Weisheit, die oft vorschnell als ‚östlich‘ rubriziert wurde –, oder jener Kritik des historischen Daseins, die vor ihrer Verwandlung in ein philosophisches Projekt eine individuelle Reaktion auf die Übermacht der Geschichte über unser Schicksal bilden sollte.50 Nach einigen Verhandlungen mit Frankfurt und Karlsruhe, folgte Löwith einem Ruf an die Heidelberger Ruperto Carola. Vergeblich hoffte Jaspers, der mit seinem Versuch, die deutsche „Schuldfrage“ zu erörtern, im Wesentlichen gescheitert war und seit 1948 in Basel lehrte,51 ihn als seinen Nachfolger zu begrüßen. Vielmehr hatte Gadamer bereits 1949 seinen Lehrstuhl übernommen und sich von Anfang an darum bemüht, dass der

50Für eine dahingehende Anregung vgl. Löwith, Philosophie der Vernunft und Religion der Offenbarung in H. Cohens Religionsphilosophie [1968], in: LS 3, 381. 51Vgl. Jaspers, Die Schuldfrage. Zum Thema siehe z. B. Leonhard, Neubeginn und Weggang. Karl Jaspers in Heidelberg 1945–1948.

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befreundete Löwith den zuvor von Ernst Hoffmann bekleideten Posten besetzen könnte. Obwohl die Wiedereinsetzung der Exilanten in staatliche Ämter auf zahlreiche Hindernisse stieß, wurde Löwith zum 1. März 1952 Ordinarius für Philosophie an einer der renommiertesten deutschen Universitäten. Hier sollte er, trotz mancher Lockungen von außerhalb, bis zum Frühjahr 1964 lehren.52 Nachdem Löwith das „Warenhaus der New School“ hinter sich gelassen hatte, verspürte er ein Gefühl der Erleichterung als er das zeitlose Idyll an den Neckarufern erreichte. Die Abwesenheit des hochgerühmten Genius loci schien ihn nicht übermäßig zu verwundern. Vielmehr beeindruckte ihn der Umstand, dass die Katastrophe, die über Deutschland hereingebrochen war, die Sitten und Gepflogenheiten der akademischen Gemeinschaft „merkwürdig unverändert“ (ML 186) belassen hatte. Erst im Zuge der 1968er-Bewegung, so sagen einige, sollte es gelingen, jene selbstreferenzielle Ordnung aufzurütteln. Doch diese späteren Ereignisse, die an Phantasie und Dummheit den in anderen Städten Europas erreichten Extremen weit nachstanden, würde Löwith als bereits emeritierter Professor mit Angst und Unbehagen beargwöhnen, da er darin weiter nichts als die Wiederaufnahme protonazistischer Handlungen seitens einer gleichgültigen, verwöhnten Jugend erkennen konnte. „Er war ein kleiner Mann, weißhaarig, der mit schwerer Stimme und mit absolut unbewegter Miene aus seinen Vorlesungsmanuskripten vortrug. Man sah ihn, wie er, einsam wie ein japanischer Mönch, den Vorplatz vor dem Institut überquerte. In Erinnerung ist mir noch die unnachahmliche Weise, mit der er eine Zigarette rauchte, mit Bewegungen von geradezu ostasiatischer Gemessenheit und Gelassenheit“.53 Die Berichte über Löwiths Wirken in Heidelberg stimmen in ihrer Beschreibung eines Dozierenden überein, der

52Aus den im Heidelberger Universitätsarchiv (UAH/PA Löwith) aufbewahrten Unterlagen und aus den Korrespondenzen geht hervor, dass Löwith im Winter 1954 einen Ruf an die Universität Hamburg erhielt, den er ablehnte, infolgedessen er eine höhere Besoldung nebst weiterer Zugeständnisse wegen des Verzichts auf die amerikanische Staatsbürgerschaft erreichte. Löwiths Vereidigung fand am 23. März 1955 statt. Auch bei der Neubesetzung des Lehrstuhls des emeritierten Julius Ebbinghaus in Marburg war er in die engere Auswahl gekommen. In einem Brief vom 17. Juli 1959 bat Löwith Jaspers auf vertraulichem Wege darum, ihm auf dem Basler Lehrstuhl nachfolgen zu können. Als Motivation führte er die Nähe zu Carona im Kanton Tessin an, wo er nun des Öfteren längere Aufenthalte verlebte (vgl. Jaspers, Korrespondenzen, 532–534). Der Versuch blieb erfolglos, aber nichtsdestoweniger ergaben sich zwei Gastprofessuren in der Schweiz: im Wintersemester 1961/62 in Basel und 1965/66 in Zürich. 53Baumeister, Hans-Georg Gadamer. Der Philosoph als Improvisator. Oder: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden, 57–58.

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zu seinen Studenten Distanz hielt, jedoch ohne deshalb interesselos oder abweisend zu sein; wie ein Schriftsteller, der von einem fernen Stern aus, für alle und keinen, „zumeist bis aufs Wort ausgearbeitete“ Monologe vortrug.54 Nicht wegzudenken aus der Fülle von Anekdoten sind die Beschreibungen seines Arbeitszimmers mit dem Porträtfoto des jungen Heidegger, den auf Leinwand gemalten Schriftzeichen, die ihm Nishida Kitaro vermacht hatte, der Totenmaske Pascals – „das lehrreichste Opfer des Christentums“ – und dem Revolver in der Schublade: zur Wahrung der eigenen „Freiheit zum Tode“.55 Und ebenso wenig das Lob seines Unterrichts, der von einer anspielungsreichen „Kunst der leisen Töne“ geprägt war, von einer zarten Skepsis, die sich nur selten, angesichts der Dumpfheit anderer oder der eigenen Obsessionen, zu bissigen Kommentaren oder einem raschen Ende hinreißen ließ.56 Löwith wollte niemals eine Schule bilden und auch keinen Kreis von Adepten um sich scharen.57 In akademischen Kontexten hielt er sich weitestgehend abseits. Unter seinen Kollegen schloss er Freundschaft mit Hans von Campenhausen, der seine ständigen und „nicht immer unschuldigen“ Einmischungen auf dem Gebiet der Religion nebst den anderen Mitgliedern der Theologischen Fakultät mit „christlicher Geduld“ hinnahm. Doch vor allem mit Gadamer entstand ein wahrer Freundschaftsbund. Ein Scherz Löwiths, den der Freund ebenso gut hätte umdrehen und sich selbst zu eigen machen können, verdeutlicht, dass alle Voraussetzungen für eine von fruchtbaren Divergenzen geprägte Auseinandersetzung gegeben waren: „Wäre Gadamer noch klüger, als er ist, würde er es genauso sehen wie ich!“ Hermeneutik oder Kosmologie, Dialog oder Skepsis, Verstehen oder Traditionskritik, pädagogischer Eros oder unermessliche Distanz zur Studentenschaft: fast zwei Jahrzehnte lang lebte Heidelbergs philosophische Bühne vom Austausch und den Streitgesprächen zweier alter Studienfreunde.58 Und im Hintergrund, gar nicht weit weg, schimmerte die Silhouette ihres Lehrmeisters.

54Vgl.

Wieland, Karl Löwith in Heidelberg; Braun, Die Rückkehr nach Deutschland und die Heidelberger Jahre. Siehe ferner Fackelzug für Prof. Löwith [1957]. 55Löwith, Voltaires Bemerkungen zu Pascals Pensées [1967], in: LS 1, 426; Die Freiheit zum Tode. 56Vgl. Riedel, Vieles wäre/Zu sagen davon, 72. 57Zu Löwiths direkten Schülern gehörten Manfred Riedel, Hermann Braun und Eugen Biser. Wolfgang Wieland und Gerhard Knauss waren seine Assistenten in Heidelberg. Besondere Wertschätzung brachte er sowohl seinem Nachfolger Dieter Henrich als auch Jürgen Habermas entgegen, für dessen Berufung auf eine außerordentliche Professur in Heidelberg im Jahr 1961 er sich gemeinsam mit Gadamer einsetzte. 58Vgl. Gadamer, Hermeneutik und Historismus. Löwiths Replik findet sich in Vermittlung und Unmittelbarkeit bei Hegel, Marx und Feuerbach [1966], 315–318, sowie in Wahrheit und Geschichtlichkeit [1969], in: LS 2, 466–467.

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Sobald er in Heidelberg angekommen war, kümmerte sich Löwith darum, seine bedeutsamsten, in der Emigration entstandenen Werke für deutsche Leser zugänglich zu machen.59 Auch für die Aufnahme der Lehrtätigkeit wählte er einige Lieblingsthemen aus seinem erprobten Repertoire, und widmete die Vorlesungen und Seminare seiner ersten Semester der Kritik der Geschichtsphilosophie sowie den Überlegungen zu Nietzsche und der ewigen Wiederkehr. Die echte Visitenkarte, oder – missgünstig formuliert – die Rechnung für sein Exil, wurde allerdings jemandem präsentiert, dem sie alles andere als willkommen war. Und ihre Aushändigung erfolgte keineswegs auf Zehenspitzen. Anfang der fünfziger Jahre hatte Heidegger seine unmittelbar nach dem Krieg in Frankreich eingeleitete Selbstrehabilitierung mit dem an Jean Beaufret gerichteten Brief über den ‚Humanismus‘ und einer plumpen Umwerbung Jean-Paul Sartres bereits abgeschlossen. Sicher nicht ohne Hindernisse hatte er wieder begonnen, erfolgreiche Vorträge und öffentliche, wenn auch nicht übermäßig gut besuchte Vorlesungen zu halten, und ging nun daran, die Früchte eines Schweigens öffentlich zu machen, zu dem ihn die politische Ungnade und die eigene Zurückhaltung verurteilt hatten. Auf die Abhandlungen in Holzwege von 1950 folgte mit Einführung in die Metaphysik 1953 eine Studie, in der Vorlesungsmaterialien von 1935 aufgearbeitet wurden.60 Auf den Schlussseiten der Schrift bekannte sich Heidegger, ohne weiteren Kommentar, zur „inneren Wahrheit und Größe dieser Bewegung“, nämlich des Nationalsozialismus. Der Satz erzielte die ungewollte Wirkung, eine Kontroverse, die bis zu jenem Zeitpunkt auf die Korrespondenzen mit einigen Schülern und auf wenige jenseits des Rheins erscheinende Zeitschriften beschränkt geblieben war, nach Deutschland auszuweiten. Seither verspürt nun jede nachwachsende Generation deutschsprachiger Intellektueller das wiederkehrende Bedürfnis, die Naziver-

59Es galt, diejenigen Bücher zu übersetzen oder neu aufzulegen, die infolge der Rassengesetze oder der Distanz des Exils vergriffen waren. Die zweite, geringfügig überarbeitete Auflage des Buchs Von Hegel zu Nietzsche datiert bereits aus dem Jahr 1950. Drei Jahre später erschien, unter dem Titel Weltgeschichte und Heilsgeschehen, die deutsche Übersetzung von Meaning in History [1949], die sich vor allem im Vorwort und in der Einleitung vom Original unterschied. Neben Hanno Kesting, dem nominellen Übersetzer, kam hierbei dem jungen Reinhart Koselleck, der die letzten drei Kapitel und die Anmerkungen besorgte, eine entscheidende Funktion zu (Gespräch des Autors mit Reinhart Koselleck, 26.01.2001). In einem Brief an Victor Lange vom September 1953 (DLA A:Lange) spricht Löwith von viertausend verkauften Exemplaren des Buches binnen weniger Monate. 1956 erscheint die zweite, ergänzte und in Teilen umgearbeitete Ausgabe der Studie über Nietzsche, aus der die neue Ausrichtung von Löwiths Denken ersichtlich wird. Eine Neuauflage des Burckhardt-Buchs erschien hingegen erst 1966. 60Vgl. Heidegger, Über den Humanismus; Holzwege; Einführung in die Metaphysik.

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strickung des Autors von Sein und Zeit zu erörtern, wobei jeder auf eigene Weise aus einem Drehbuch vorträgt, das in jenen Jahren entstanden war.61 In diesem geistigen Klima publizierte Löwith von 1951 bis 1953 seine später in dem Band Heidegger, Denker in dürftiger Zeit versammelten Aufsätze, die in mehreren Folgen in der ‚Neuen Rundschau‘ erschienen. Was zahlreiche Leser beeindruckte, war der Umstand, dass der erste Schüler Heideggers – ein Jude, der kürzlich aus dem Exil zurückgekehrt war und nunmehr einen bedeutenden Lehrstuhl innehatte – direkte, mitunter heftige Kritik an seinem Lehrer vorbrachte.62 Es war gewiss kein schlagzeilenträchtiger Skandal, aber das Interesse an dem durch Löwiths Beiträge ausgelösten ausgedehnten Fernduell blieb nicht allein auf die akademische Gemeinschaft beschränkt. Wer einen Blick hinter die Kulissen der Polemik werfen konnte, dürfte die bittere Ironie geteilt haben, mit der Hannah Arendt deren Gehalt in einem Brief an ihren Mann auf den Punkt brachte: ein „Maskenball der zwanziger Jahre“ und eine von Zeit, Ressentiment und Berühmtheit beschwerte Neuauflage der Verbindung, die beide Kontrahenten einige Jahrzehnte zuvor geschlossen und dann wieder aufgehoben hatten.63 Zu einer öffentlichen Versöhnung sollte es erst 1969 kommen, als Löwith an den Feierlichkeiten zu Heideggers achtzigsten Geburtstag teilnahm.64 Darüber, was sich in der Zwischenzeit ereignet hatte, lassen sich nur schwer verlässliche und stimmige Angaben finden. Heideggers Reaktion kam der Haltung eines gekränkten Mannes gleich. Folgende vergiftete Sätze aus einem Brief an Elisabeth Blochmann vom 19. Januar 1954 mögen dies belegen. Nachdem er sich beklagt hatte, sein Schüler habe schon während des Exils die schlimmsten Lügen über ihn verbreitet, wählte er eine

61Der junge Jürgen Habermas entfachte diese Debatte mit einem Artikel, der aus der Enttäuschung darüber entstand, dass Heidegger den betreffenden Satz nicht getilgt hatte. Dabei warf er die Frage auf, ob die „Kehre“ vom Dasein zum Sein, die Heidegger in seinen Schriften vollführt hatte, einen tatsächlichen Einschnitt gegenüber dem Ansatz bedeutete, durch den die theoretische Unterstützung des Hitlertums legitimiert worden war. Eingedenk der erneut „dem Mißverstehen jener Vorlesung ausgesetzt[en]“ Studenten bezüglich der Aussagen, die den „planmäßige[n] Mord an Millionen Menschen […] als schicksalhafte Irre seinsgeschichtlich verständlich machen“, verurteilte Habermas ferner jenes Ausweichen vor der Verantwortung, das Heidegger mit der Mehrheit der Deutschen verband (Habermas, Martin Heidegger, 67–75). Die Diskussion setzte sich fort in den Beiträgen von Lewalter, Wie liest man 1953 Sätze von 1935?; Korn, Warum schweigt Heidegger?; Vietta, Heideggers Sätze von 1935; Heidegger, Brief. 62Vgl. z. B. die Rezensionen in: Deutsche Zeitung (07.11.1953); Die Tat (21.11.1953); Kasseler Post (15.12.1953); Deutsche Universitätszeitung (21.12.1953). Auch in Italien fand sich alsbald ein aufmerksamer Leser: Chiodi [1953], 464–467. 63Vgl. Arendt/Blücher, Briefe 1936–1968, 315. 64Vgl. Löwith, Zu Heideggers Seinsfrage [1969]; Martin Heidegger im Zeugnis [1970].

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Verteidigungslinie zwischen professoraler Vermessenheit und psychologisch getönter Verleumdung: Lö[with] ist ungewöhnlich belesen und ebenso geschickt in der Auswahl und Verbindung von Zitaten. Von der griechischen Philosophie hat er keine Ahnung, weil ihm das Handwerkszeug fehlt. Er hat eine gewisse Begabung für die phänomenologische Deskription. Innerhalb dieses Bezirks konnte er berechtigte Aufgaben erfüllen. Seit langem lebt er aber über seine Verhältnisse. Vom Denken hat er keine Ahnung; vielleicht haßt er es. Wie mir denn nie ein Mensch begegnet ist, der so ausschließlich aus dem Ressentiment und dem ‚Anti‘ lebt.65

Noch entschiedener bekräftigte Heidegger sein Urteil in einem Brief an Bultmann. Wie in allen seinen Texten machte er auch in diesem Fall ein vermeintliches Monopol auf die Ausübung des Denkens geltend: „Löwith ist ein ungemein belesener und wendiger Mann, aber er kann nicht denken.“66 Als er Bultmann einige Jahre später erneut an seiner Verbitterung teilhaben ließ, kam er zu dem Schluss, dass aus seinen Schülern in der Tat nichts Gutes hervorgegangen sei, und dass, wenn ein derart prestigereicher Lehrstuhl mit jemandem wie Löwith besetzt worden war, man ebenso gut auf den Philosophenberuf verzichten könne.67 In solch einer Gemütsverfassung begab er sich regelmäßig nach Heidelberg, um an Gadamers Kolloquium oder an den Sitzungen der Akademie der Wissenschaften teilzunehmen, deren Mitglied er 1957 – nur ein Jahr vor Löwith – wurde.68 Die Zeugnisse über diese Auftritte sind keineswegs eindeutig. Neben Erinnerungen an ein gegenseitiges Ausweichen finden sich Beschreibungen eines affektierten Rituals von Verabredungen und Scharmützeln zwischen dem Lehrmeister und seinem Schüler. Ein Briefwechsel aus dem Sommer 1952 zwischen Hannah Arendt und Heinrich Blücher, der sich in New York an den Berichten seiner Frau aus Deutschland erfreute, erschwert die Rekonstruktion der Entstehung von

65Heidegger/Blochmann,

Briefwechsel 1918–1969, 102–103. Briefwechsel 1925–1975, 207. 67Vgl. Petzet, Auf einen Stern zugehen, 99; Pöggeler, Neue Wege mit Heidegger, 210. Der Verweis auf die Schüler lässt sich vielleicht auch auf Gerhard Krüger und dessen 1949 in der Zeitschrift Studia philosophica veröffentlichte Kritik am Brief über den Humanismus ausweiten. 68Vorgeschlagen wurde die Ernennung Löwiths zum Mitglied der historisch-philosophischen Klasse am 5. November 1958 von Gadamer, Heinrich Bornkamm und Viktor Pöschl. Die Wahl fand eine Woche später statt und die Bestätigung wurde in der Plenarsitzung vom 13. Dezember bekannt gegeben. Am 9. Januar 1959 trug Löwith seine Antrittsrede (CV) vor. 66Heidegger/Bultmann,

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Löwiths Buch. Die beiden sparen nicht mit Sarkasmus gegenüber dem Schüler, der „den Meister nicht überholen kann“ und dabei versucht, ihn „mit seinen eigenen Steinen [zu] beschmeißen“.69 Doch beim Erläutern der Gründe, die ihn dazu bewogen hatten, einen „Krieg“ vom Zaun zu brechen, aus dem er gewiss als Geschlagener hervorgehen würde, erzählte Arendt von einer 1950 stattgefundenen Begegnung, die sich während Löwiths erster Reise nach Europa ereignet hatte: „Heidegger ist gräßlich verletzt, teils auch mit Recht. Löwith hätte ihm die Sachen doch mindestens vor Drucklegung schicken können […]. Er war schließlich vor zwei Jahren bei Heidegger, tat, als ob nun alles wieder in der Reihe sei – und nun so. Either – or. Was dabei vermutlich wirklich passiert ist oder sein könnte, ist, daß Löwith mit ganz guten Absichten hinkam und dann irgendeine Äußerung fiel, die wieder alles verdarb. Ich glaube auch, ich weiß, worum es sich handelt. […]. Ausschlaggebend ist natürlich immer Frau Heidegger, die es ja auch fertiggebracht hat, ihn wieder mit allen, buchstäblichst, zu verfeinden.“70 Erweist sich der Arendtsche Bericht als zuverlässig, so ließen sich die scharfzüngigsten Passagen aus Löwiths Buch als eine Art Revanche für die neuerlich erfahrene Kränkung auffassen.71 Allerdings kann eine solche Annahme nicht auf den gesamten Text übertragen werden, handelt es sich doch um ein schon in Amerika gefasstes Vorhaben, das von dem Wunsch getragen war, nach langer Unterbrechung die Auseinandersetzung mit den jüngsten Entwicklungen im Denken des Lehrmeisters wieder anzustoßen. Tatsächlich war Heideggers „Kehre“ auf Interesse und Ratlosigkeit gestoßen. Dass eine „Seinsmystik“ – so heißt es in einem Brief an Bultmann vom Januar 1950 – es erlaubte, zusammen mit der gesamten abendländischen Metaphysik auch jede Art von historisch orientiertem Denken zu überwinden, war eine Annahme, der Löwith sogleich mit Skepsis begegnete.

69Arendt/Blücher, Briefe 1936–1968, 295. Auch Jaspers erschien Löwiths Kritik als „nicht uninteressant“, aber „wesenlos“, also das Produkt „einer abhängigen Schülernatur“, welche die Philosophie „als […] Journalismus“ betreibt und seinem Lehrer gegenüber „keine Spur eines wirklichen Kämpfens“ entgegenbringt (Jaspers, Notizen zu Martin Heidegger, 203). 70Arendt/Blücher, Briefe 1936–1968, 288–289. 71Kein veröffentlichter oder unveröffentlichter Text Löwiths deutet auf einen Besuch bei Heidegger während der ersten Reise nach Europa hin. Lediglich ein an Strauss gerichteter Satz vom 25. September 1952 könnte auf die unvermeidbare Folge einer vorausgegangenen Handlung hindeuten: „[…] der Meister ist darüber sehr ergrimmt. Sorry, ich kann das nicht ändern.“ (KL/LS 679) Im Briefwechsel mit Heidegger erwähnt Arendt, die ihrerseits um eine Wiederannäherung bemüht war, bei der Ehefrau Elfride freilich keine unheikle Rolle spielte, diese Episode nicht. Am 17. Februar 1952 schrieb ihr Heidegger: „Löwith hat sich mit seinem Artikel […] einen schlechten Start geleistet. Er hat offenbar nichts gelernt. 1928 war Sein und Zeit für ihn ‚verkappte Theologie‘; 1946 reiner Atheismus und heute?“ (Arendt/Heidegger, Briefe 1925–1975, 134).

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Nach einer ersten Lektüre der Holzwege schrieb er Strauss am 21. Februar 1950, dass Heideggers Einstellung zur Geschichte derjenigen Hegels zur Religion entspreche: eine scheinbare Überwindung und gleichzeitig eine Rechtfertigung.72 Als er nach Deutschland zurückgekehrt war, sah sich Löwith mit einer unerwarteten Lage konfrontiert, die seiner Arbeit eine zusätzliche, beinahe pädagogische Bedeutung verlieh. In einem Klima, das von „eine[r] unbestimmte[n] Religiosität [beherrscht wird], die mit Vorliebe Dichter zitiert“ und „den Mangel an religiöser Substanz durch eine Überforderung der Philosophie“ ersetzt,73 beobachtete er, wie sich die neuen Generationen in einer Art und Weise in Heideggers Worte vernarrten, die ihm sicher nicht fremd erschienen sein dürfte. So entschied er sich, beginnend mit den äußerlichsten Formen seines Verhaltens, diesem philosophischen Symptom einer Unfähigkeit entgegenzutreten, ohne Unterstützung durch irgendeine Form des Glaubens zu leben und zu denken.74 In seinem Bemühen gelang es ihm jedoch nicht immer, die Ambivalenz in seinem Verhältnis zu Heidegger unter Kontrolle zu halten. Löwiths Ziel bestand darin, „den Bann eines betretenen Schweigens und eines sterilen Nachredens vonseiten einer gefesselten Anhängerschaft zu brechen“.75 Victor Lange berichtete er im September 1953, das Buch „habe eine heilsame Wirkung […] auf eine Jugend, die begierig ist nach einem Führer.“76 Wer diese neue Welle von Adepten indes beschwichtigen wollte, war derselbe, der sich bei jeder Gelegenheit einredete, der erste HeideggerSchüler gewesen zu sein, als könne der Schlüsselmoment seiner Denkbiographie den Sinn des Unterfangens garantieren. Und ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Querele beteuerte Löwith einmal mehr, Heidegger sei der einzige wahre Denker weit und breit. Damit blieb er auch in reifen Jahren dem treu, was er bald dreißig Jahre zuvor an Gadamer geschrieben hatte, in dem Versuch, die Art der Verbindung zum gemeinsamen Lehrmeister zu erhellen: „Ich komme mir so wie ein Unteroffizier an H[eidegger]s Front vor 72Vgl.

KL/LS, 673. Wissen, Glaube und Skepsis [1956], 200. Über die Philosophie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. beispielsweise Baumgartner/Sass, Philosophie in Deutschland 1945–1975; Plümacher, Philosophie nach 1945 in der Bundesrepublik Deutschland. 74Allan Bloom gegenüber, der den eben aus den Vereinigten Staaten eingetroffenen Löwith gerade heraus fragte, warum er derart langweilige Vorlesungen halte, antwortete der Rückgekehrte, dies sei seine Art und Weise, das unerträgliche Pathos zu bekämpfen, das Heidegger in die Philosophie eingebracht habe. Vgl. Ulmer, Karl Löwith, 264–265. 75Löwith, Heidegger, Denker in dürftiger Zeit [1953, 21960], 124. 76Karl Löwith an Victor Lange, September 1953 (DLA A:Lange). 73Löwith,

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[…], manchmal versteht er recht gut die Befehle seines wortkargen Offiziers, oft murrt er im Stillen für sich[…], und wünscht […] eines Tages, wenn der Offizier versetzt ist, ihn vertreten zu können“.77 Wie sollte man Erich Auerbach unrecht geben, der am 26. Mai 1953 folgende vertrauliche Worte an Löwith richtete: „Was für ein grossartiger Mann! Aber ich bin doch froh, daß ich ihm nicht in die Hände gefallen bin, als ich jung war?“78 Bereits im Titel scheint Löwiths Buch an ein Gespräch anknüpfen zu wollen, das 1936 nach seiner letzten Unterredung mit Heidegger vor dem langjährigen Exil unterbrochen worden war. Denn Hölderlin und dem Schicksal der Dichter „in dürftiger Zeit“ war einer von Heideggers in jenem Jahr in Rom gehaltenen Vorträgen gewidmet. Schwankend zwischen Verzauberung und Ablehnung, rekonstruierte Löwith die „Kehre“, die sich im Denken seines Lehrers vollzogen hatte, und ihre Auswirkungen auf die wichtigsten Kategorien der Fundamentalontologie. Im Übergang von einem Dasein, das sich selbst gegenüber dem Nichts behauptet, zu einem Sein, das sich gemäß der Abfolge der historischen Zeitalter dem Menschen – seinem „Hirten“ und Hüter – wortlos entzieht oder enthüllt, fand er jedoch keine Spur von jener Kontinuität, die Heidegger als die Grundtatsache seines eigenen Weges deutete. Zwischen Sein und Zeit und den neueren Aufsätzen hatte sich vielmehr eine beträchtliche Verschiebung des Schwerpunktes ereignet, sodass, um in die neue „Topologie des Seins“ vorzudringen, eine Ablösung von der existenzialen Analytik erforderlich war.79 Der Inhalt des Buchs erschöpfte sich nicht in einer Leugnung der Interpretation, die Heidegger von seinem eigenen theoretischen Weg gegeben hatte; und schon gar nicht im Ausdruck von Hohn, mit dem die tödliche Ernsthaftigkeit abstruser Wortspielereien, die nicht zu erdulden waren, ohne sich vor sich selbst lächerlich zu machen, beseitigt wurde. Das weit ambitioniertere Ziel bestand darin, den radikalsten Anspruch der Philosophie Heideggers zu widerlegen: seine Absicht, einen epochalen Einschnitt in der Geschichte des Denkens zu markieren und so einen Neuanfang einzuleiten. Um dies zu erreichen, richtete Löwith den Fokus seiner Kritik auf das Motiv der Geschichtlichkeit, ein Thema, das scheinbar nicht im Mittelpunkt der Spekulation des Lehrmeisters stand, in dem er aber den eigent-

77Karl

Löwith an Hans-Georg Gadamer, 27. März 1925 (DLA A:Gadamer). Auerbach an Karl Löwith, 26. Mai 1953 (DLA A:Löwith). 79Löwith, Heidegger, Denker in dürftiger Zeit [1953, 21960], 125–163. Für eine erste Betrachtung von Heideggers Kehre vgl. Heidegger, Vom Wesen der Wahrheit, 177–202; Platons Lehre von der Wahrheit, 203–238; Der Ursprung des Kunstwerkes, 1–74. 78Erich

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lichen Generalbass seiner Forschung erkannte. Auf diesem Gebiet hätte das Verlassen einer zweitausendjährigen Tradition, wie Heidegger Bultmann im Oktober 1954 erklärte, zur Überwindung einer rein historischen Anschauung der Geschichte führen sollen, deren einzige Folge der Historismus ist. Was Heidegger realisieren wollte, war im Grunde das Vorhaben Nietzsches – jenes Autors, der in seinen Augen den Horizont der Metaphysik bis ans Äußerste verdreht hatte.80 Löwith zufolge führte allerdings dieser Versuch, aus der von Zarathustra auf den irrigen Spuren der Griechen verfolgten Dimension zu schöpfen, dazu, der grundlegenden Vorschrift der letzten modernen Religion weiter zu folgen. Was sich in Heideggers Schriften veränderte war also nicht „der Glaube an die Geschichte als Schicksal, sondern ihre Begründung.“81 Indem er das ganze Spektrum der in seinen früheren Arbeiten entwickelten Widerlegungen nutzte, zeigte Löwith, wie die Forschung Heideggers in all ihren Phasen mehr oder minder bewusst zum selben Ergebnis kam. Dass die Begründung der Geschichtlichkeit in der zeitlichen Endlichkeit des Daseins in einen ebenso leeren wie fatalen Dezisionismus einmündete, war eine Schlussfolgerung, zu der er bereits Mitte der dreißiger Jahre im Zuge seines selbstkritischen Überdenkens der vielfachen Verantwortung der Philosophie gekommen war. Unter Verwendung seines Ansatzes aus Meaning in History konnte er hingegen feststellen, dass sich auch das auf die Kehre folgende Denken der Macht der Zeit preisgab, wenn auch nicht dezidiert, sondern durchaus mit Gelassenheit. In beiden Fällen wurde stets „der Zufall […] unter dem Namen des Schicksals und des Geschicks zur obersten Instanz erhoben.“82 Die Auswirkungen von Löwiths Interpretation waren schwerlich kleinzureden. Nicht nur blieb der politische Missgriff hartnäckig mit dem Herzstück von Heideggers Philosophie verbunden, was eine Verlegenheit erneuerte, aus der sich dieser dank seiner Wende womöglich zu befreien gehofft hatte. Ferner wurde seine Reflexion als negativer Abdruck – und nicht als Überwindung – der Erwartungseschatologie hingestellt, welche die Moderne von der jüdisch-christlichen Religion ererbt hatte: Der Hoffnung

80Vgl. insbesondere den Band von 1961, der die in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre gehaltenen Vorlesungen versammelt: Heidegger, Nietzsche. Löwith nahm bald darauf hierzu Stellung in Heideggers Vorlesungen über Nietzsche [1962], in: LS 8, 243–257. 81Löwith, Heidegger, Denker in dürftiger Zeit [1953, 21960], 173. 82Löwith, Wissen, Glaube und Skepsis [1956], 268.

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auf eine bessere Welt, wie sie die Geschichtsphilosophen beseelt hatte, setzte sie als Gegenstimme die Seinsvergessenheit entgegen, mit der Beschreibung des regressiven Abstieg ins Nichts, vor dem nur mehr ein Gott das Abendland bewahren konnte. In dieser pseudoreligiösen Erleuchtung bestand nach Löwith das Geheimnis der andauernden Berühmtheit seines Lehrmeisters in einer an Göttern armen Zeit.83 Doch auch der Grund für sein ungewolltes Verharren in den Grenzen der Tradition, die er zu zerstören beabsichtigte, führte er darauf zurück. In einer ohne Urteilskriterien mit Geschichtlichkeit getränkten Perspektive erkannte er dagegen die Ursache des widersprüchlichen Ergebnisses eines Denkens, das sich zum Ursprung des Seins aufgemacht hatte, um schließlich dem Anbruch des Dritten Reiches metaphysische Würde zu verleihen. In einer unwillkürlichen Verkehrung von Hegels Geschichtsphilosophie hatte Heidegger die am wenigsten philosophische Haltung gegenüber der Wirklichkeit eingenommen.84

Eine Frage der Proportionen Die Auseinandersetzung mit Heidegger markiert den Endpunkt der destruktiven Genealogie, mit der Löwith eine Antwort auf die in Von Hegel zu Nietzsche vorgebrachte Fragestellung lieferte. Nur ein Glaube an das überirdische Heil erlaubt es seiner Ansicht nach, auf indirekte und überaus problematische Weise, das Vorhandensein eines letzten Ziels der menschlichen Geschehnisse zu postulieren, indem er ihrem Lauf einen versteckt sakralen Charakter verleiht.85 Die zur Erreichung dieses Ergebnisses erarbeitete Strategie wurde nicht mehr zurückgestellt, sondern erfuhr allenfalls eine Erweiterung ihres Wirkungskreises. Denn die gewohnte, kritisch untersuchende Seite ergänzte Löwith in seinem Vorhaben um einen stark ausgeprägten therapeutischen Anspruch. Es ging nicht allein darum, den Ursprung aufzuklären, sondern auch „der Obsession bezüglich Zeitlichkeit und Geschichte ein Korrektiv“ entgegenzusetzen,86 da ihm neben der Philosophie nun die gesamte moderne Kultur von dieser Obsession geplagt zu sein schien.

83Vgl.

einen ähnlichen Standpunkt bei Habermas, Glauben und Wissen, 260. Löwith, Philosophische Weltgeschichte? [1970], in: LS 5, 261. 85Vgl. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche [1941], 4; ML 155. 86Löwith, Permanence and Change. Lectures on the Philosophy of History [1969], 8. (Übersetzung: A. Staude). 84Vgl.

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Zu diesem Zweck empfahl Löwith keine Rückkehr zu den religiösen Quellen, die das geschichtliche Denken entweiht hatte. Denn er blieb überzeugt von der Tatsache, dass „ein einziges Körnchen Wahrheit“ – auch jenes, das vom Entkräften der Versuche, eine Bedeutung und eine notwendige Ordnung im Ablauf der Ereignisse aufzufinden, hervorgebracht wird – dem riesigen Schloss der Illusionen vorzuziehen sei, das die Übertragung der einem Glaubensakt entsprungenen Ansprüche auf philosophisches Terrain hervorruft.87 Auch schlug er – wenngleich viele seiner Behauptungen missverständlich sein konnten – keine einfache Wiederherstellung der Vision vor, die der Idee einer künftigen Erlösung und dem Geschichtskult, den diese auf unlautere Weise befeuert hatte, theoretischen Wert absprach. Der Durchgang zum antiken Griechenland – eine Versuchung, der nur wenige Heidegger-Schüler widerstehen konnten – erwies sich durch das Fehlen „realer Voraussetzungen“, zuallererst des Glaubens an die Göttlichkeit des Kosmos in seiner Ganzheit, als blockiert. Der strengen Alternative zwischen Athen und Jerusalem stellte Löwith nicht einmal eine Umgehung der Ambivalenz der Entzauberung angesichts des entspannten Nihilismus eines „postmodernen Wissens“ oder des düsteren Szenarios des „Posthistoire“ entgegen.88 Dem Zerreißen oder vollständigen Aufgeben des Horizonts der Modernität zog er dessen skeptische Zerrüttung von innen her vor. Somit setzte er sich dem ebenso erwartbaren wie eindringlichen Vorwurf aus, er beabsichtige „den Bannkreis des historischen Bewußtseins mit Zaubersprüchen zu sprengen, die er von diesem selbst gelernt hat“.89 Eine solche Inkohärenz nahm er jedoch ohne übermäßige Verstörung auf sich, indem er sie geradewegs zum methodischen Prinzip der eigenen Kritik erhob. Er gestand also ausdrücklich ein, dass sein Versuch „innerhalb des geschichtlichen Denkens, das [er] im Prinzip negier[t]e, befangen [blieb], obwohl [er sich] durch geschichtliches Denken

87Löwith, Meaning in History [1949], VII. Eines der Missverständnisse, die auf die Veröffentlichung von Meaning of History folgten, bestand gerade in der christlich-protestantischen Interpretation der in dem Buch geübten Kritik. Vgl. Timm, Karl Löwith und die protestantische Theologie, 573–577; Amor fati? Karl Löwith über Christentum und Heidentum, 78. Die 1956 in Wissen, Glaube und Skepsis versammelten Aufsätze verfolgten die Absicht, dieses Missverständnis aufzuklären. Als Summa aller Missverständnisse dieser Art wäre die Löwith angehängte Bezeichnung als „christlicher Existentialist“ zu nennen, so bei Kohn, Die Geschichtsphilosophie des 20. Jahrhunderts, 336. 88Vgl. zum Thema Lyotard, Das postmoderne Wissen. Ein Bericht; Gehlen, Ende der Geschichte, 115–133; Niethammer, Posthistoire. Ist die Geschichte zu Ende? Siehe aber auch Kojève, Introduction à la lecture de Hegel, 436–437. 89Vgl. Habermas, Karl Löwith. Stoischer Rückzug vom historischen Bewußtsein, 125; Schnädelbach, „Sinn“ in der Geschichte? Über Grenzen des Historismus, 127–149.

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aus ihm herausreflektieren w[ollte]“.90 Eine nicht lähmende Form performativen Widerspruchs schien ihm tatsächlich von der Natur des fraglichen Gegenstands, von dem besonderen Ziel des Unterfangens, und nicht zuletzt von der Fragilität der verfügbaren theoretischen Hilfsmittel vorgegeben. Zielscheibe seiner Polemik war der „Historismus“.91 Dieser Begriff spielte nicht nur auf eine Schule oder eine spezifische Denkrichtung an, sondern auf eine allgemeinere Überzeugung, die Löwith zunächst als Überrest der Zerrüttung des Prinzips auffasste, das die Geschichtsphilosophie stützte. Wo er sich nicht einfach in ihr Gegenteil verkehrt hatte – wie die von Heidegger stigmatisierte „Seinsvergessenheit“ beispielhaft bezeugte –, war dieser geschwächte Ableger des Fortschrittglaubens zu einer Art intellektuellen Gemeinsinns, zu einer schon in offenkundiger und unbestrittener Weise akzeptierten hermeneutischen Annahme sedimentiert. Eine äußerst vielgestaltige Begriffskonstellation wurde von Löwith im denkbar elementarsten Postulat verdichtet: in dem „unsichtbaren Dogma“, das seiner Ansicht nach die moderne Reflexion beherrschte, indem es die notwendige Geschichtlichkeit alles Seienden proklamierte, die Gewissheit, dass die Gesamtheit des Seins – also einschließlich des Menschen und der Welt – nicht nur eine Geschichte hat, sondern eine Geschichte ist und nichts weiter. Und dass sich ausschließlich in dieser Dimension der Sinn und die Wahrheit aller Dinge zeigen und erschöpfen konnte. Um diesem Bild der Wirklichkeit entgegenzuwirken, war es zuerst notwendig, ihm „auf seinem eigenen Gebiet“ zu begegnen. Es genügte nicht, formal plausible Vorbehalte vorzubringen – was Löwith übrigens auch nicht unterließ –, doch es war gleichfalls unentbehrlich, unser „geistesgeschichtliche[s] Denken […] nur historisch [zu] behandeln“. Da es „erst vor hundertfünfzig Jahren“ entstanden war und sich durchgesetzt hatte, besaß es seinerseits einen wohl definierten zeitlichen Rahmen, ein Ursprungsumfeld, auf das sein Gültigkeitsanspruch nach dem schon in Meaning in History bewährten Schema zurückzuführen und zu relativieren war. Die Widerlegung des Axioms, wonach nichts Dauerhaftes, Ewiges und ewig Wiederkehrendes, sondern nur Zeit und Bewegung, Geschichte und Prozesshaftigkeit existiert, hatte also den selbstreflexiven Weg einer 90Löwith,

Aktualität und Inaktualität Hegels [1973], 311. Rubrizierung Löwiths – zusammen mit Krüger – unter die Gegner des Historismus im Deutschland der Nachkriegszeit vgl. z. B. Litt, Die Wiedererweckung des geschichtlichen Bewusstseins. Vgl. Krüger, Die Geschichte im Denken der Gegenwart. Zur Debatte jener Jahre siehe auch Rossi, Storia e storicismo nella filosofia contemporanea, 353–365. 91Zur

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„historische[n] Besinnung“ zu beschreiten, die darauf ausgerichtet war, „die Konstruktionen des historischen Bewusstseins abzubauen.“92 Diese Metakritik des Historismus zielt – etwa im Zuge einer durchweg autobiographisch gestimmten Verzweiflung – gewiss nicht darauf, zu leugnen, was die „Unordnung der menschlichen Begebenheiten“ der vermeintlichen Harmonie der einzelnen Existenzen auferlegt.93 Sie beabsichtigte also nicht, die oftmals schweren Auswirkungen von historischen Ereignissen auf Personenschicksale zu verkennen, sondern lediglich, auf der begrenzteren Ebene philosophischer Interpretation, die Vorherrschaft zu durchbrechen, die diesen von einem Denken verliehen wurde, das noch dem Vorurteil verhaftet ist, wonach der Lauf der Zeit, mit seinem Hindeuten auf ein künftiges Heil, der Manifestationsort der Wahrheit sei, also ein Prozess, der „notwendig zum Abschluss bringt, was gerecht und gerechtfertigt ist“. In dieser „Schwächung des historischen Bewusstseins“ schienen sich Löwith „neue Möglichkeiten“ für eine Philosophie aufzutun, die endlich ihr eigenes Interesse von einem Bereich des Wirklichen abgewandt hatte, von dem sie über einen kurzen Zeitraum hinweg gehofft hatte, den Sinn enthüllen oder gar bestimmen zu können. Als wichtigstes Ziel der philosophischen Untersuchung gab er daher die Berichtigung dessen an, was ein übermäßig und einseitig entwickelter Ansatz verfälscht hatte: die „Wiederherstellung der wahren und natürlichen Proportionen zwischen Welt und Weltgeschichte“, um das „Verhältnis von Mensch und Welt“ ein weiteres Mal „in seiner wahren Proportion“ zu erfassen.94 Einen Maßstab zur richtigen Bewertung der Dinge erreichte Löwith mittels einer ‚Reductio ad absurdum‘ hinsichtlich der Fragestellung, die seine Forschung seit den Kapiteln aus Von Hegel zu Nietzsche bis hin zu seinen Aufsätzen über Heidegger geleitet hatte. Die Unmöglichkeit, eine Antwort auf die Frage zu liefern, die der Geschichtsphilosophie gleichsam

92Vgl. Löwith, Mensch und Geschichte [1960], in: LS 2, 347, 360; Die Dynamik der Geschichte und der Historismus [1952], in: LS 2, 311. In letztgenannter Passage beruft sich Löwith teilweise auf Husserls Einwände gegen den Historismus, die in Philosophie als strenge Wissenschaft enthalten sind, sowie vor allem auf die von Leo Strauss in Philosophy and History angewandte Methode. Beiden Autoren gemeinsam ist die 1950 von Strauss in Naturrecht und Geschichte geäußerte Sorge, dass „infolge einer völligen Politisierung der Philosophie während der letzten Jahrhunderte eine Krise der Philosophie an sich [entstanden sei]. Ursprünglich war die Philosophie die […] Suche nach der ewigen Ordnung. [Sodann] wurde sie eine Waffe und damit ein Instrument“ (36). Was den Weg der beiden Autoren scheidet, ist hingegen, auf Seiten Löwiths, das Fehlen eines Verweises auf das Naturrecht als normative Begründung seiner Kritik. 93Dies war der wesentliche, von Gadamer vorgebrachte Einwand in Hermeneutik und Historismus, 267. 94Löwith, Vermittlung und Unmittelbarkeit bei Hegel, Marx und Feuerbach [1966], 215; Zur Frage einer philosophischen Anthropologie [1975], 330.

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den Atem nimmt, bestimmte in der Tat die Anmahnung der Voraussetzung dieser Versuche, nämlich im Gewühl der menschlichen Geschehnisse eine Struktur aufzufinden; sie implizierte den Verzicht auf die Annahme, dass der geschichtliche Lauf „einer bestimmten Norm und Ordnung folgt“, und eine Zurückweisung der Vorstellung, diese seien wie eine „Welt“ zu verstehen.95 Von solch einer Vorstellung – wie auch von der darin impliziten der „historischen Existenz“ – musste die Philosophie Abschied nehmen, um eine Sphäre als ihr spezielles Forschungsthema anzunehmen, „für die das historische Bewußtsein keinen Maßstab hat.“96 Dieser Dimension wies Löwith die Begriffe des „Kosmos“ oder ganz einfach der „Welt“ zu. Er meinte nämlich, dass nur die „Ganzheit des von Natur aus Seienden“ mit einer eigenen, wahren und notwendigen selbstständigen Ordnung ausgestattet und derart beschaffen sei, dass sie in sich, wenngleich in untergeordneter Stellung, auch den Menschen und seine Geschichte enthalte. Allein das natürliche Universum besaß die Physiognomie, die der Historismus fälschlicherweise dem Bereich der menschlichen Handlungen zugeschrieben hatte. Der „Geschichte der Menschenwelt“ konnte dagegen keine solche Weite verliehen werden, dass sie die Gesamtheit der Naturphänomene vollständig in sich aufnimmt. Die Grenzen der historischen Welt so weit auszudehnen, dass sie mit jenen der Natur übereinstimmen, wäre für Löwith nicht weniger absurd gewesen als über einen „kapitalistischen oder kommunistischen, christlichen oder heidnischen“ Kosmos zu disputieren. Es sei denn freilich, man wollte glauben, dass das Universum seinen Sinn nicht aus sich selbst heraus bezieht, sondern aus dem Verhältnis, das der Mensch diesem gegenüber im Wandel der Zeiten aufbaut; vorausgesetzt, man geht nicht davon aus, dass die Welt ausschließlich mit Blick auf einen Menschen existiert, dem es zusteht, die eigene Herrschaft auf alle Dinge auszudehnen. Doch genau dies war nach Löwith der uneingestandene dogmatische Kern der Haltung, die „unsere historische Welt, die menschliche Welt, wie das Universum betrachtet“ und die Sphäre der Physis jedes theoretischen Wertes beraubt. Um diesen neuartigen Zugang zum Historismus zu rechtfertigen – und um die Ablehnung einer „grenzenlosen Überbewertung“ der Bedeutung dessen, was sich mit der Zeit wandelt und nicht fortbesteht zu bekräftigen, schlug er aber seinerseits eine Art Geschichtsphilosophie vor, und reduzierte so

95Vgl. z. B. ML 190–192. Zum Folgenden siehe insbesondere Löwith, Natur und Geschichte [1951]; Die Dynamik der Geschichte und der Historismus [1952]; Marxismus und Geschichte [1958], in: LS 2, 330–345; Mensch und Geschichte [1960]; Welt und Menschenwelt [1960], in: LS 1, 295–328. 96Vgl. Riedel, Karl Löwiths philosophischer Weg, 132.

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die Entwicklungsdynamik der abendländischen Kultur auf eine fortschreitende „Entartung des Lebens und der Welt“, die sich in drei große Epochen unterteilen lässt: Antike, Christentum und Moderne. Als entscheidend erwies sich bei dieser Aufteilung die Art und Weise, wie jedes Zeitalter die klassische metaphysische Dreiheit von Gott, Mensch und Welt und mithin die „Kräfteverhältnisse“ zwischen Geschichte und Natur abgewandelt hatte.97 Die griechische „Kosmotheologie“ wie auch die christliche „Anthropotheologie“ scheinen an eine Ethik der Grenze angelehnt zu sein. Tatsächlich verfügen beide über einen dem Zeitfluss enthobenen Horizont der Verstehbarkeit, über einen Rahmen, der den alles verschlingenden Fluss der Dinge daran hindert, die eigene Bedeutsamkeit ins Unendliche auszuweiten. Von dem vielschichtigen Kosmosbegriff, wie er in der Antike aufgeworfen wurde, unterstrich Löwith lediglich den „wohlgeordneten“, göttlichen, wenngleich nicht geschaffenen Charakter. Ebenso unterstrich er den Sinn für Maß und Proportion, der den von Natur aus existierenden Menschen daran hinderte, die hierarchische Ordnung der Lebewesen zu verändern und sich als perspektivischen Fokus des Universums zu begreifen. Es war also unvorstellbar, dass seine Geschichte für eine Philosophie Bedeutung annehme, die auf dem beruht, was so ist wie es ist, und nicht anders sein kann.98 Das vom biblischen Gott mit dem Gläubigen geschlossene Bündnis verändert diesen Weltbegriff und ruft eine erste Art der Verblendung gegenüber dem Kosmos hervor. Die „Augen des Glaubens“ betrachten die Natur nicht mehr als die „Summe der sichtbaren Dinge“, sondern sehen auf Himmel und Erde als die bloß äußere Seite des Bundes mit der Gottheit. Das Seiende in seiner Gesamtheit nimmt die Gestalt eines „vergänglichen Werks“ an, das aus dem Nichts entstanden ist: die Gabe, die ein „gütiger Vater“ seinem liebsten Geschöpf bereitet hat, das nach seinem Ebenbild geformt ist. Somit geht eine Denaturierung der Physis einher mit der Bekräftigung der Aussicht auf eine Welt für den Menschen, die als Grundlage und Ziel der gesamten Schöpfung aufgefasst wird.99 Diese Form des Anthropozentrismus erwies sich allerdings – wie Löwith erläuterte – durch präzise Vorschriften theologischer Art als abgemildert. Tatsächlich handelte es sich um die

97Vgl.

z. B. Löwith, Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche [1967], 4–15. grundlegenden Anhaltspunkte für diese Interpretation Löwiths sind Jaeger, Die Theologie der frühen griechischen Denker; Kranz, Kosmos. 99Vgl. Löwith, Wissen, Glaube und Skepsis [1956], 256–258. Siehe hierzu auch Meyer, Die Frage des Menschen nach Gott und Welt inmitten seiner Geschichte im Werk Karl Löwiths. 98Die

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­ ehrseite einer Religion, die einen Verzicht auf die Welt und einen Rückzug K in die eigene Innerlichkeit als Ursprungsort der Gewissheit verlangte, welche die alten Griechen in der Anschaulichkeit der Naturphänomene suchten. Die Moderne vertieft diesen Bruch mit der natürlichen Welt weiter, verbleibt jedoch in zweideutiger Weise auf der Spur des Christentums. Denn trotz seines Verlusts des religiösen Glaubens begreift sich das Individuum weiter als „Krönung“ des Universums; durch eine „Vermenschlichung der Natur“ – den Traum, der von Bacon bis Marx gehegt wurde – und einen Fortschrittskult, der immer verheerendere Züge annimmt, ererbt und usurpiert es zugleich die Aufgabe des Weltschöpfers.100 Indem es darauf verzichtet, sich ausgehend von dem umgebenden Kosmos zu begreifen, und nicht einmal mehr an einen übernatürlichen Gott glaubt, findet das Individuum in der eigenen Subjektivität und in den Zwecken seines Willens die ausschließliche Quelle jeglichen Sinns. Dieser ‚Emanzipation‘ von der klassischen Kosmologie sowie von der darauffolgenden Säkularisierung der christlichen Theologie schrieb Löwith das Aufkommen und die Festigung der Idee von einer zweiten, historischen Welt zu, die anders als die natürliche Welt und dieser entgegengesetzt ist. Mit der Bekräftigung einer „ZweiWelten-Theorie“ als mächtigstem epistemologischem Ursprung des modernen Denkens tat sich zwischen Geschichte und Natur ein unüberwindlicher Spalt auf, der die historischen Ereignisse, sehr zum Nachteil der Letzteren, zu jenem obersten Rang erhob, den wir als selbstverständlich annehmen. Zahlreiche Aufsätze Löwiths greifen das Thema der Denaturierung des Kosmos – sowie das Komplementärthema der Historisierung der menschlichen Natur – als roten Faden auf, um die wichtigsten Eckpunkte des philosophischen Diskurses der Moderne zu rekonstruieren.101 Der in Meaning in History ausgearbeitete Ansatz wird hier in seinen ursprüng-

100Vgl.

z. B. Löwith, Das Verhängnis des Fortschritts [1963], in: LS 2, 392–410. hierzu die bereits zitierte Schrift Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche, deren Veröffentlichung 1967 in Deutschland eine italienische Ausgabe vorausging, die auf einem an der Universität Genua im Mai 1965 auf Einladung von Alberto Caracciolo gehaltenen Vortragszyklus beruhte. Vgl. zudem Moretto, Introduzione, 7–18. Löwiths weitere Schriften im Kontext dieses Themas sind Der Weltbegriff der neuzeitlichen Philosophie [1960]; Das Verhältnis von Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes und Kant [1964]. Zum Thema vgl. Franceschelli, Karl Löwith. La sfida della modernità tra Dio e nulla, 107–162, und ders., Eclissi di Dio e ritorno alla natura, VII– XXXVIII. Erwähnenswert ist ein nie realisiertes Vorhaben, das Löwith von Ende 1958 bis Frühjahr 1959 mit dem Verleger Gallimard erörtert hat. Ihre Korrespondenz betraf einen sehr umfangreichen Text über die Philosophie von Hegel bis Sartre. Die „systematischen Fragen“, die die Rekonstruktion der „historischen Entwicklung“ vorgaben, waren dieselben, die auch Löwiths Weg nach dem Exil kennzeichneten: der Verzicht auf die philosophische Theorie im Namen der historischen Praxis, das Verhältnis Geschichte-Natur, das ungelöste Problem des Christentums. 101Siehe

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lichen Grundzügen beibehalten, allerdings mit einigen bedeutsamen Korrekturen. Konzipiert, um die Wurzeln eines Interesses an der Aktualität, das die Philosophie der Gefahr der Selbstzerstörung aussetzte, aufzudecken und zu beseitigen, wandelt sich dieser Ansatz zum Stützbalken einer umfassenden Kritik an der Art und Weise, wie das moderne Denken das Verhältnis von Mensch und Welt konzipiert hatte. Das Motiv der illegitimen Verweltlichung einer religiösen Zeiterfahrung – die den Historismus als den „dürftige[n] Rest einer volleren Sinngebung […]“ (WH 207) hervorgebracht hatte – machte somit die Bühne frei für die Genealogie eines „kosmologischen Nihilismus“, welcher einmal mehr auf den Voraussetzungen der christlichen Lehre beruhte. Mittels eines kompakten und wenig nuancierten Deutungsschemas wollte Löwith zeigen, wie die größten ‚nachchristlichen‘ Denker – und mit ihnen die Pioniere und Spitzenvertreter der modernen Wissenschaft102 – in einer „Meta-physik der Subjektivität“ theologischer Prägung verstrickt geblieben waren, die den Blick auf das Vorhandensein – im Menschen ebenso wie in der Ganzheit der Dinge – einer sich selbst ständig gleichbleibenden Komponente der Natürlichkeit verhüllte. Dieser „Weltverlust“ kannte seinen anfänglichen Moment in der von Descartes und Vico unterschiedlich legitimierten Dichotomie einer „äußeren“ Wirklichkeit, die mit einer nicht von Gott oder von der Natur, sondern von den Konstruktionen des menschlichen Verstandes verliehenen Ordnung ausgestattet ist, und einer „politischen Welt“, eines sinnhaften Werkes menschlichen Handelns; und er verschärfte sich in der von Kant umrissenen Auffassung der Welt als kosmologische „Idee“ der Vernunft,103 sowie in der von Husserl durchgeführten Reduktion des transzendentalen Ichs zum „Horizont“, oder in der von Heidegger vollzogenen zum „Entwurf“ des Daseins. Seinen Höhepunkt erreichte er schließlich im Existenzialismus nach Sartre, mit der Beschreibung des „Ekels“, der ein entwurzeltes Individuum überkommt, einen „verfehlten Gott“, welcher der grundlosen Kontingenz und der absurden Undurchsichtigkeit des Wirklichen ausgesetzt ist.

102Das Werk, auf das sich Löwith des Öfteren beruft, um seine Haltung gegenüber der Welt des christlichen Bewusstseins auch auf die Naturwissenschaften auszudehnen, ist Yorck von Wartenburg, Bewusstseinsstellung und Geschichte. Ein Fragment aus dem philosophischen Nachlass. 103Die Widerlegung der Antinomie Kants – ein Autor, den Löwith nach den ihm gewidmeten Seiten in der Habilitationsschrift weitgehend vernachlässigt hatte – spielt in dieser Niedergangsgeschichte der Idee von Welt und in dem systematischen Entwurf, den diese aufrechthält, eine entscheidende Rolle. Wenn Kant nämlich „unwiderleglich bewiesen hätte, was er beweisen wollte, dann wäre der griechische Anblick des Kosmos als eines anfangs- und endlosen, immerwährenden Ganzen einmal für immer erledigt“ (Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche [1967], 57).

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In diesem „kosmischen Exil“, das sich als der griechischen Interpretation des Verhältnisses von Mensch und Welt diametral entgegengesetzt, aber in weitaus geringerer begrifflicher Distanz zum christlichen Dogma der Schöpfung ex nihilo verorten lässt, erkannte Löwith den Kulminationspunkt des Fortgangs des Verlusts des Natursinns, der in seinen Arbeiten beschrieben wird. Seiner Auffassung nach stellte diese Form von Nihilismus jedoch kein notwendiges Ergebnis der Entzauberung und der Entwöhnung vom religiösen Glauben dar, sondern die Wirkung einer Umkehrung der natürlichen Proportion von Welt und Menschenwelt, die Konsequenz des sich Verflüchtigens der menschlichen Natur in einer historischen Existenz, das einem Verschwinden der Welt geschuldet war, das ganz genaue Voraussetzungen hatte. Die Reflexion über diese Themen musste daher von dem „theologischen Ballast“ befreit werden, der sie in unreflektierter Form weiter beschwerte. Und diese Geste wurde, mit ungewohnter Nachdrücklichkeit, als eine „Einführung in die Philosophie“ vorgestellt.104

Ein Rahmen ohne Bild In den seit Anfang der 50er Jahre und bis zu seinem Tod veröffentlichten Schriften vertiefte Löwith auch in systematischer Hinsicht seine Bemühung, einem Denken entgegenzuwirken, das ausschließlich auf die Zeit, den Menschen und die Geschichte gegründet ist. Auf fortwährend ineinandergreifenden Seiten wies er verschiedentlich jene These zurück, wonach Geschichtlichkeit als Kriterium für Interpretation und „philosophische“ Bewertung – das Adjektiv wird in diesen letzten Schriften ganz einfach zum Synonym für Wahrheit – sowohl der menschlichen Verfasstheit als auch der Wirklichkeit insgesamt fungieren könne. Die hermeneutische Vormachtstellung, die die Moderne diesem Motiv beigemessen hatte, war nämlich der Illusion eines „Universums für uns“ zuzuschreiben, dem Bild des Menschen als verwöhntem Kind der Schöpfung. Diesem auf Hoffnung und Eitelkeit basierenden Anthropozentrismus stellte Löwith, gleichsam als „Korrektiv“, eine „exzentrische Betrachtung der Welt“ entgegen und damit einen Blick, der sich von neuem auf die Forderung richtete, welche die Philosophie seit ihren Anfängen für sich beansprucht hatte. So entwarf er ein Projekt, dessen in der Feinarbeit seiner Werke kunstvoll verborgener Ehrgeiz nur selten in aller Deutlichkeit erkannt wurde. 104Löwith,

Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche [1967], 3.

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Eine Ausnahme bildet hierbei Jürgen Habermas, der sich in einem Brief vom Januar 1959 über das „Radikale“ dieses Versuchs verwundert zeigte, der „im Herausspringen aus dem Teufelskeis des historischen Denkens […] die Variationsbreite menschlicher Existenz […] als unbeträchtlich beiseiteschiebt im Hinblick auf die Invarianten des Kosmos […], als dessen […] Ziel auch Menschen und menschliche Gesellschaft aufzufassen seien.“105 Einige Zeit später, im November 1968, sollte Löwith die Richtigkeit dieser Eingebung bestätigen, indem er – in Jahren, als eine engagierte Philosophie vorherrschend war – gerade an Habermas eine stolze Anspruchsäußerung bezüglich der Unzeitgemäßheit seines Versuchs richtete: „[I]ch gehöre zu den altmodischen Emeriti, die zwar Nietzsches Kritik der Wissenschaft und der Philosophie von Jugend auf in sich aufgenommen haben, aber trotzdem, wie Nietzsche selbst, nicht bereit sind, die prekär gewordene Philosophie in Methodologie der Sozialwissenschaften und Kritik [der Gesellschaft] aufzulösen und die auf das Ganze gehenden Inhalte der Philosophie preiszugeben. Und das Universale ist nun einmal nicht der Mensch und die allzu menschliche Gesellschaft, sondern das Universum […].“106 Löwiths Kritik mündete also in eine Anthropologie ein, die in der Idee des „natürlichen Universums“ den notwendigen Hintergrund erkannte, um das Verhältnis von Mensch und Welt in seinen „wahren Proportionen“ zu verstehen. Er hielt es also nicht für möglich, dass „[…] die Natur des Menschen ohne eine Anschauung von der Natur überhaupt und als solcher umrissen werden [kann]. Und sofern der Mensch kein extramundanes Geschöpf und Ebenbild Gottes ist, bedarf die philosophische Anthropologie der Kosmologie zu ihrer Begründung“.107 Die Befreiung von einer in direkter oder vermittelter Weise an die Religion angelehnten Schau des Wirklichen bedeutete also, dass „[…] an die Stelle Gottes wieder die Welt der Natur [rückt] und es erhebt sich von neuem die alte Frage nach der Natur des Menschen […] – nun aber nicht mehr innerhalb eines göttlichen Kosmos, sondern in einer gottlos gewordenen, nachchristlichen Welt.“108 Als er 1959 eine stilisierte Rückschau auf die eigenen Lebensstationen vorlegte, bezeichnete Löwith das Resultat seines eigenen Weges als „­ folgerichtiges

105Jürgen

Habermas an Karl Löwith, 1959 (DLA A:Löwith). Löwith an Jürgen Habermas, 1968 (DLA A: Löwith). 107Löwith, Natur und Humanität des Menschen [1957], 266. Zum Thema siehe Hosoya, Zwischen Natur und Geschichte. Eine unzulängliche Bemerkung zu K. Löwith; Dabag, Löwiths Kritik der Geschichtsphilosophie und sein Entwurf einer Anthropologie; Liebsch, Verzeitlichte Welt. Variationen über die Philosophie Karl Löwiths; Mall, Löwith oder die natürliche Anthropologie und die „Kritik der geschichtlichen Existenz“. 108Löwith, Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche [1967], 102. 106Karl

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Ende“ eines Curriculums, das rein theoretisch betrachtet als „ideal“ gelten konnte (CV 461).109 Im Nachsinnen über die Welt in ihrer Ganzheit glaubte er zum „wirklichen Anfang“ allen Denkens gelangt zu sein, zu jenem Problem, das schon die antiken Denker erstaunt und zum Nachdenken gebracht hatte. Trotz der – für jemanden, der gerade in jenen Jahren einen verbissenen Kampf gegen Heideggers Pathos führte – sicherlich bizarren Rhetorik, mit der sie formuliert war, erlaubt diese Äußerung, einen der Fäden aufzugreifen, die von den jugendlichen Paragraphen in Das Individuum, denen ein ganz und gar anthropozentrisches Weltbild zugrunde liegt,110 zu den reifen Aufsätzen über die Autonomie des Universums führen: In dem den verschiedenen Dimensionen der Wirklichkeit – der individuellen, intersubjektiven, sozialen, historischen, bis hin zu jener, die sie alle umfasst, nämlich der kosmisch-natürlichen – von Mal zu Mal zugeschriebenen Vorrang zeigt sich Löwiths Forschung stets von der Absicht geleitet, eine philosophisch plausible Interpretation der wirklichen Verfasstheit des Menschen in der Welt zu liefern. Die „Entdeckung“ des Kosmos als Motiv und der ihm zugesprochene Primat – ein Schritt, der auch die engsten Freunde überraschte,111 zusammen mit den Auswirkungen dieser Option auf die Art und Weise, Mensch, Geschichte und die Rolle der Philosophie zu verstehen, grenzen somit das problematische Gebiet ein, auf das Löwith in der Schlussphase seines Wirkens die originellsten systematischen Bemühungen konzentrierte. Die Schwierigkeit, eine derartige Haltung zu äußern und glaubhaft zu vertreten, wird ihm gewiss nicht entgangen sein.112 Kokett spielte er aber mit dem von seinem Lehrmeister so geliebten Stil und erklärte, dass das Wesentliche auch seiner Auffassung nach „etwas Einfaches“ ist, um dann nicht ohne Selbstironie hinzuzufügen: „bei mir vielleicht etwas allzu Einfaches“.113 Mit vorsichtigem Minimalismus bezeichnete er ferner den

109Vgl.

ML, 156 und Löwith, Vorbemerkung, in: Gesammelte Abhandlungen. Zur Kritik der geschichtlichen Existenz [1960]. 110Mit den folgenden Worten leitete Löwith 1962 die Neuauflage seiner Habilitationsschrift ein: „Würde er [der Verfasser] das Thema heute von neuem bedenken, so geschähe es nicht mehr in der Vereinzelung auf die formale Struktur des Verhältnisses von ‚Ich‘ und ‚Du‘, sondern in dem weiteren Zusammenhang mit der umfassenden Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Welt, innerhalb dessen Mitwelt und Umwelt nur relative Welten sind.“ (IR 14). 111Über Gadamers Überraschung in Bezug auf die „kosmische Wende“ Löwiths, der als „Empedokles ohne Religion“ bezeichnet wurde, informiert Chytry, Zur Wiedergewinnung des Kosmos. Karl Löwith contra Martin Heidegger, 98. 112Vgl. Covic, Die Aporien von Löwiths Rückkehr zur „natürlichen Welt“. 113Löwith, Zu Heideggers Seinsfrage: Die Natur des Menschen und die Welt der Natur [1969], 289.

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Kosmos – und die wesenhafte Zugehörigkeit des Menschen zur Ganzheit der Natur – als den elementarsten und unanfechtbarsten Tatbestand, als eine „äußerste und unumgehbare“ Tatsache, als die grundlegendste philosophische Voraussetzung, um die Wirklichkeit unvoreingenommen zu erforschen. Die Umrisse eines „Rahmens ohne Bild“ festzulegen – als solcher war die Sphäre der Physis ihm zufolge zu verstehen, erschien ihm angebrachter und vielleicht dringlicher, als eine minutiöse Beschreibung aller Details seines theoretischen Plans zu liefern. Der Kosmosbegriff wird von Löwith als formaler Horizont der Denkbarkeit alles Existierenden sowie als materielle Bedingung seiner Subsistenz vorgestellt: denn nichts kann aufgefasst werden, oder gar sich am Leben erhalten, ohne Teil dieser Wirklichkeit zu sein, die wiederum sich selbst zum Grund wie auch zum Ziel hat.114 Kraft dieser Eigenschaften kann sie als die universale Instanz schlechthin und, nach einer „klassischen“ Auffassung der Theorie, als legitimer und hauptsächlicher Geltungsbereich der philosophischen Reflexion verstanden werden. Die Anerkennung der „Wahrheit“ in der Art der Einstellung gegenüber den Dingen, die bei den antiken Denkern ihre paradigmatische Gestalt angenommen hatte, implizierte allerdings nicht die Zustimmung zum Inhalt ihrer Lehre. In einem Brief vom 11. Januar 1968 an eine italienische Gelehrte, die Löwiths Vorhaben in diesem Sinne entstellt hatte, wurde das Missverständnis mit Nachdruck zurückgewiesen: „Ich habe nicht die Illusion, man könnte ohne weiteres zur griechischen Kosmologie zurückkehren. Der Bezug zum griechischen Kosmos dient mir als Verweis auf ein Verständnis der wahren Stellung des Menschen im Kosmos. […]. Im Grunde wiederhole ich lediglich Nietzsches ‚Fragezeichen‘, um das Problem der menschlichen Bedingtheit neu zu definieren.“115 Obgleich er in jenen Jahren die Beschäftigung mit Nietzsche wieder aufgegriffen hatte, wobei er auch eine wichtige Hilfestellung für das Vorhaben einer verlässlichen Ausgabe seiner Werke gab,116 berichtigte Löwith nicht

114Über

das Folgende vgl. insbesondere Löwith, Welt und Menschenwelt [1960]. betreffende Rezension stammt von Papone und bezieht sich auf das Buch Dio, uomo e mondo da Cartesio a Nietzsche. Löwiths Antwort findet sich in LS 9, 409. 116Löwith polemisierte zunächst gegen die von Karl Schlechta herausgegebene Ausgabe in drei Bänden, die von 1954 bis 1956 im Carl Hanser Verlag erschienen war (vgl. LS 6, 510–528). Nachdem er im Juli 1964 auf der internationalen Nietzschetagung in Royaumont Giorgio Colli und Mazzino Montinari begegnet war, setzte er sich dafür ein, dass auch ein deutscher Verlag – nämlich der Verlag Walter de Gruyter, in der Person Heinz Wenzels, des damaligen Leiters der geisteswissenschaftlichen Sektion – an der Seite von Adelphi und Gallimard das geplante Vorhaben einer kritischen Edition sämtlicher Werke und Briefe Nietzsches mittragen würde. 115Die

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sein Urteil über die Einschränkungen, die jenen Versuch ungültig machten, „den Menschen in den ewigen Text der Natur zurückzuübersetzen“. Er entsagte also dem bevorzugten Anhaltspunkt jenes Autors, der ihn – zusammen mit Heidegger – an die Philosophie herangeführt hatte, um sich mit Interesse zwei „erratischen Blöcken“ zuzuwenden, zwei Außenseitern, die seinem Urteil zufolge die allgemeine Tendenz zur Verkennung der Natur durchbrachen, die den philosophischen Diskurs der Moderne kennzeichnete. Der ersten dieser Ausnahmen – jenem Baruch Spinoza, den Nietzsche zu einem unverhofften Vorläufer erklärt hatte und den Löwith, auf Anraten von Leo Strauss, seit den dreißiger Jahren kannte und schätzte – widmete er das Schlusskapitel seiner Rekonstruktion der Metaphysik von Descartes bis zum Autor des Zarathustra. Ein solcher Anachronismus beruhte auf der Überzeugung, dass die Ideengeschichte keinem notwendigen Fortschritt folgt, „wenn das, worauf es ankommt, die wahre Erkenntnis der einen und immer gleichen Natur alles Seienden ist“. Auf Grundlage dieser drastischen Kluft zwischen Wahrheit und Geschichtlichkeit wurde Spinozas Nachdenken über die Natur als die radikalste Bemühung gepriesen, den mit der christlichen Schöpfungslehre verbundenen Anthropozentrismus zu beseitigen und so die Philosophie um diesen „theologischen Ballast“ zu erleichtern. Einem Denker, der den Mut bewiesen hatte, so viel zu sagen und der, dank eines übermenschlichen, wenn nicht unmenschlichen Verzichts auf menschliche Schwächen, das entscheidende philosophische Gewicht der alleinigen Natur aller Dinge bekräftigt hatte, bezeugte Löwith seine ganze Bewunderung. Spinoza hatte nichtsdestoweniger in einer Zeit gelebt und gewirkt, als der Untergang des Gottesglaubens sich gerade erst anzukündigen begann. So bestand eine sehr unterschiedliche Ausgangslage gegenüber derjenigen, die Löwith zum Schluss seines Profils dieses Vorläufers zeichnete, indem er seine Nichtannahme der Theorie des ‚Deus sive Natura‘ damit begründete, es sei „[…] für uns […] kaum noch des Denkens und Sagens wert […]: daß überhaupt kein Gott ist – […]. Wir sind in der Tat weder Theisten noch Atheisten, weil wir uns kaum noch vorstellen können, weshalb die Metaphysik […] meinte, Gott unbedingt denken zu müssen und nicht nur das Ganze der Welt […].“117 Auf eine an Mimikry grenzende Identifikation stützt sich dagegen die knappe Monographie, die Löwith in seinen letzten Lebensjahren dem

117Löwith, Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche [1967], 192. Zum Thema vgl. Franceschelli, L’approdo non nichilistico dell’ateismo, VII–XXVII. Zu einem vorurteilsbehafteten Missverständnis hinsichtlich dieses Themas vgl. hingegen Tripodi, Löwith e l’Occidente.

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Denken Paul Valérys gewidmet, und mit der er, seinem ausdrücklichen Bekenntnis zufolge, sein eigenes philosophisches Testament verfasst hat.118 Das 1971 erschienene Buch bietet eine klare und raffinierte Rekonstruktion der Werke dieses „Antiphilosophen“, dem gegenüber sein Interpret mit leiser Bescheidenheit scheinbar nur verschwinden möchte. Nichts darin lässt, auf den ersten Blick jedenfalls, an eine theoretische Botschaft denken, die an die Nachwelt überliefert sein will. Allerdings verkörperte die Figur Valérys für Löwith – wie schon jene Jacob Burckhardts – die Seele und die Formen der philosophischen Reflexion. Und wer, wie Leo Strauss, den Weg kannte, der zu dieser Hommage geführt hatte, für den war die einzige interessante Frage, die nach der Lektüre des Buches offenblieb, jene, worin sich Löwiths Haltung von derjenigen des französischen Dichters unterscheide. Für Löwith stand Valéry zugleich für den Nullpunkt und für den Extrempunkt, auf den sich die Reflexion führen lässt. Immer einen Schritt von der „Selbstaufopferung des Geistes“ entfernt, gelangte er gegenüber dem Existierenden zum höchstmöglichen Grad des Bewusstseins. Mit skeptischer Reinheit und gleichsam chirurgischer Sauberkeit trieb er die Zerstörung jeglicher Form von Verblendung voran, die zwischen dem liegt, was der Mensch sagt und dem, was er tatsächlich von der eigenen Verfasstheit begreift, zwischen seinen Erwartungen und der Wirklichkeit, und schließlich zwischen „dem, was wir sind und dem, was wir von uns und von den Dingen wissen“. In den Aufzeichnungen und Gedichten dieses „Denkers ohne Glauben“ musste Löwith, wenn nicht den Reflex seines eigenen Bildes, so doch zumindest den Zweifel erkennen, den er womöglich schon immer zur untergründigen Leitfrage seines Forschens erwählt hatte: „Kann man aber überhaupt menschlich leben und handeln, ohne an etwas zu glauben und auf etwas zu hoffen?“119 Die von Löwith seit Beginn seines Philosophierens implizit angenommene Herausforderung bestand darin, dass eine bekräftigende Antwort auf diese Frage nicht eine nihilistische Selbstvernichtung des Denkens mit sich bringen würde. Gleiches gilt für jene eisige Lähmung des Lebens, die nach Valéry eine

118In einem Brief vom 26. November 1971 schrieb Löwith an Hermann Braun: „Was halten Sie von meinem Buch über Valéry? Für mich ist es mein Testament“ (Braun, Die Rückkehr nach Deutschland und die Heidelberger Jahre, 14). In Berührung mit dem Werk Valérys kam Löwith erstmals Ende der zwanziger Jahre und durch die Vermittlung des Musikforschers Robert Oboussier, dem Löwith vier Jahrzehnte später seine Monographie widmen sollte. Mitte der sechziger Jahre und infolge der Bekanntschaft mit Edouard Gaède, dem Verfasser des Buches Nietzsche et Valéry, begann er die systematische Lektüre der Schriften dieses Autors. Zum Thema vgl. Gabetta, La scepsi verso la storia. Sul „Valéry“ di Löwith. 119Löwith, Paul Valéry [1971], 309.

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Reise in den „äußersten Norden“ der Erkenntnis, eine unverhüllte Klarheit ohne Schleier über der menschlichen Verfasstheit, hätte veranlassen können. Hierzu war es wesentlich, der Frage nachzugehen, die auch Valérys Romanheld und Alter ego Monsieur Teste quälte: „Que peut un homme – was kann ein Mensch?“ Dabei mussten die Proportionen moduliert, die Perspektive versetzt und die interpretatorischen Gewichte alternativ zum Mainstream der modernen Tradition verteilt werden. Damit boten Valérys Untersuchungen das beste Beispiel einer gegenüber dem modernen Geschichtskult exzentrischen und abweichenden Wirklichkeitsvorstellung. Auf der Ebene der anthropologischen Betrachtungen konstatierte Löwith in der Tat einen fast vollständigen Gleichklang zwischen seinem Programm einer „Kritik der historischen Existenz“ und der Zerstörung des cartesianischen Idols einer reinen Subjektivität, das bei Valéry mittels „einer äußersten Reflexion zu dem, was allem reflektierenden Denken voraus und zugrunde liegt“ vollzogen wird.120 Die in den Cahiers versammelten Aufzeichnungen setzten jene Trennung zwischen Mensch und Geschichte um, die Löwith zur Grundlage seiner Polemik gegen die durch die Moderne bewirkte vollständige Verzeitlichung der menschlichen Natur gemacht hatte. Dem „Vorurteil“, wonach der Mensch so weitgehend mit der eigenen Geschichte übereinstimmt, dass er gar kein solcher wäre, wenn er nicht historisch existierte, konnte damit ein Gesichtspunkt entgegengestellt werden, der auf dem beharrte, was im Fluss der Zeit ewig sich selbst gleichbleibt.121 Das Theorem, wonach „der Mensch zu Anfang der Geschichte nicht weniger Mensch war als er es am Ende sein wird“, wurde von Löwith unter Rekurs auf ein methodologisches Argument bewiesen. Für das Verständnis und die Bewertung der zeitlichen Veränderung erwies sich also, beinahe wie eine transzendentale Bedingung, die Voraussetzung einer Reihe von anthropologischen Invarianten als notwendig. Nur ein von historischem Bewusstsein gequältes Denken konnte die Tatsache vernachlässigen, dass die mitunter abgründigen Unterschiede zwischen Formen des Lebens und der Menschlichkeit, die über die Jahrhunderte aufeinandergefolgt sind – mit einem Ausdruck Valérys gesagt – nichts anderes waren als ein „Schaum“ der Wellen auf einem unverändert bleibenden Meer. Wie schon von Burckhardt behauptet, hielt auch Löwith die „Dauer“ für die elementarste Kategorie der

120Löwith,

Paul Valéry [1971], 231. insbesondere Löwith, Die immer gleiche Natur des Menschen im Wandel seiner geschichtlichen Existenz [1959], 29–50; Mensch und Geschichte [1960]. 121Vgl.

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Geschichtsschreibung und des geschichtlichen Lebens, und zum Beweis führte er das Beispiel der sogenannten „Klassiker“ an, also jener Autoren, die auf allen Wissensgebieten Wahrheiten über die ewige „menschliche Komödie“ ausgesprochen haben, die sich nur „auf Kosten der Sache selbst“122 auf die Zeit begrenzen ließen, in der sie formuliert wurden. Substanzielleren Charakter besaß hingegen der Versuch, aufzuzeigen, „wie tief und wie weit die Physis“ – die von einem in der Geschichte verankerten Denken verdrängte Dimension eines jeden Menschen – „in seine bewußte Existenz hineinreicht“.123 Auf diesem Terrain fand Löwith in Valéry einen entscheidenden Verbündeten für seinen Versuch, eine Alternative zu der auf dem Begriff der Selbsterfahrung – dem Sinnbild und Stolz einer modernen Subjektivität, die jede Verbindung mit der Natur trennen würde – beruhenden Anthropologie auszuarbeiten. Um die Gleichsetzung von „Menschlichkeit“ und „Selbstbewusstsein“ zu widerlegen, stützten sich die beiden Autoren auf eine Vielzahl von Phänomenen – vom Schlaf bis hin zur Atmung, von den Trieben bis hin zum Blutkreislauf –, welche die quantitative und qualitative Stärke der tauben, automatischen und unbewussten Mechanismen bezeugen, die das geistige Funktionieren des Menschen regeln. Bis in seine elementarsten Stufen scheint das Leben also nur, indem es ignoriert, was es ist, fortbestehen zu können, wie Valérys Faust zu Le Solitaire sagt, als er ihm auf dem Dach der Welt begegnet. Auch die von Valéry eingesetzte ironische und anticartesianische Variante des ‚Cogito‘– „Das eine Mal denke ich, das andere Mal bin ich“, auf die das Universum mit folgender Antwort erwidert: „Der Mensch denkt, also bin ich“ – hat Auswirkungen auf die von dem französischen Autor vertretene Geschichtsauffassung. Und auch in diesem Fall machte Löwith kein Geheimnis aus seiner Zustimmung zu einer solch extremen „Ablehnung“, die die Reflexion in Bezug auf Nietzsche als eine vergleichsweise „harmlose“ intellektuelle Übung erscheinen lässt. Gemeinsam ist beiden Denkern die Annahme, dass die Geschichte „dem Denken keine Nahrung liefert“ und dass ihre philosophische Bedeutung folglich „außerordentlich gering“ sei.124 Indem sie sich einer „philosophischen Geschichtstheologie, die uns die unvoreingenommene Sicht [auf die Ereignisse] verstellt hat“, entgegenstellen, verleugnen sie die Existenz einer Ordnung innerhalb des Geflechts menschlicher Handlungen, also jene Voraussetzung, die es allein erlauben würde, sie

122Löwith,

Mensch und Geschichte [1960], 358. Löwith, Zu Heideggers Seinsfrage [1969], 283–286. 124Vgl. Löwith, Aktualität und Inaktualität Hegels [1973], 314–315. 123Vgl.

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als das Ergebnis wenn nicht eines Willens oder einer „List der Vernunft“, so doch zumindest einer besonderen Form des Logos zu erkennen. Um dieses tragende Dogma einer jeden Geschichtsphilosophie zu widerlegen, zeigte sich Löwith sogar bereit, gegen die Maßgabe der Skepsis zu verstoßen, als er das In-Kraft-Sein eines einzigen Gesetzes der menschlichen Taten annahm, jenes der Heterogenese der Ziele.125 Diese eigentümliche „Dynamik“ – ein unvorhersehbares Geflecht aus Aktivität und Passivität, Intention und Trägheit, „Agieren“ und „Geschehen“ – führte zur Aushöhlung der Möglichkeit, sie auf „epochale“ Weise zu interpretieren, also als Geschehnisse, die dazu bestimmt sind, den Lauf der Welt und des Lebens eines Jeden zu verändern. In dieser Art, die Ereignisse zu verstehen, erkannte Löwith eine Form der Verblendung gegenüber dem tatsächlichen Inhalt der historischen Erfahrung. Denn nichts erlaubt, die Annahme auszuschließen, dass alles auch auf völlig andere Weise hätte geschehen können, als wie es tatsächlich geschehen ist. So behauptete Valéry: „Der Zufall beginnt und der Zufall vollendet“, und er lässt nur jenen schmalen Zwischenraum offen, in dem sich die Menschen bemühen, sich die Zufälle des Lebens anzueignen. Die Sentenz des Evangeliums – „denn sie wissen nicht, was sie tun“ –, gegen die Marx und zahlreiche Geschichtsphilosophen mit allen Mitteln gekämpft hatten, wurde so zum Motto dessen erhoben, was den Menschen zu tun und zu wissen gegeben ist. Aus dieser Emanzipation vom Glauben an die Geschichte und von der Anthropologie, die sie gerechtfertigt hatte, ergab sich dennoch keine zynische Philosophie, die den Übeln der Welt gegenüber gleichgültig oder gefällig wäre. Aus der Überzeugung, dass die Geschichte der Reflexion keinen Gegenstand liefert, leitete sie vielmehr die Folgerung ab, dass der Lauf der Ereignisse keine Elemente bietet, auf welche die Menschen ihr Handeln ausrichten können, genau wie, nach einem wohlbekannten Bild von Burckhardt, die Wellen dem sich vergeblich mühenden Schiffbrüchigen keinerlei Rückhalt gewähren. Allerdings brachte dies Löwiths Pietas gegenüber jenem unscheinbaren, aber hartnäckigen Anhaltspunkt nicht zum Versiegen, der den eigentlichen Generalbass der menschlichen Angelegenheiten bildet: die ungeahnte und unerschöpfliche Leidensfähigkeit, mit der die Menschenwesen den Wechselfällen des Lebens und dem von ihnen selbst verschuldeten Übel standhalten. Auch hebt der Appell an die Natur aller Dinge nicht die problematische „Rätselhaftigkeit“ des Menschen auf, wie die Aufmerksamkeit bezeugt, die

125Vgl.

Löwith, Die Dynamik der Geschichte und der Historismus [1952], 323–329.

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Löwith den eigentümlichsten menschlichen Eigenschaften geschenkt hat – von der Sprache über den Traum und den Glauben, bis hin zu der Möglichkeit, sich das Leben zu nehmen, wobei jene grundlegende, aber alles andere als harmonische Zugehörigkeit zur Ordnung eines Universums verleugnet wird, das keine zu befolgende Normen bereitstellt und auf die am meisten beunruhigenden Fragen des Menschen allein mit Schweigen antwortet. Es steht außer Zweifel, dass die Philosophie – so wie sie Löwith versteht – zwischen sich, der Sphäre der Tatsachen und zwingenden geschichtlichen Notwendigkeiten den Sicherheitsabstand der Kontemplation erneuert. Und dass sie, indem sie dies tut, den bewusst elitären Ansatz einer Tätigkeit annimmt, zu der wenige berufen sind, obwohl sie jedem allgemein zugänglich ist. Womöglich handelt es sich nur um den vergeblichen Versuch, die Situation eines „Schiffbruchs mit Zuschauer“ wiederherzustellen, welche die Moderne nunmehr für unwiederbringlich verloren zu halten schien.126 Wie eine verspätete Neuauflage des Topos vom Weisen, der, auf dem Festland der eigenen Theorie in Sicherheit, ein sinkendes Schiff betrachtet und dabei mit einer Mischung aus Weisheit und Genugtuung angesichts des Unglücks anderer über den Leichtsinn der Seefahrer nachdenkt – in diesem speziellen Fall über die Torheit dessen, der sich noch verführen lässt von einer Auffassung der Philosophie und der Rolle derer, die sie ausüben, der das 20. Jahrhundert einen herben Schlag versetzt hat. Denn: „Wer die Welt anders haben will als sie ist, wer sie verändern will, weiß nicht, was Philosophie ist, und verwechselt die Welt mit der Weltgeschichte und diese mit einem Gemächte des Menschen.“127 Aber aus Löwiths Schriften und aus der nüchternen Unruhe, die sein Philosophenleben stets begleitete, schimmert auch der kluge Abschied von einem übertriebenen Glauben an die Philosophie hervor – oder an jegliche sonstigen Hilfsmittel, derer sich der Mensch bedient, um sich auf dem „Schaum der Dinge“ durchzuschlagen. Man braucht keine weiteren Illusionen zu jenen hinzuzufügen, aus denen das Dasein gespeist wird, um dann mit ihnen aufzuräumen. Und „wer nicht in seinem eigenen, kurzen Leben einen ‚Sinn‘ zu finden vermag, wird ihn vergeblich in den Zeiträumen der Geschichte suchen“, oder in einer Theorie, die den Anspruch hat, ihr letztes Ziel zu enthüllen.128 Dieser Satz spiegelt nicht nur den Fatalismus,

126Vgl.

Blumenberg, Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher. Welt und Menschenwelt [1960], 318. 128Löwith, Geschichte und historisches Bewußtsein [1966], in: LS 2, 432. 127Löwith,

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der vielfach als Eigenschaft Löwiths in Erinnerung gerufen wird, sondern auch einen besonderen Sinn für Proportionen, eine wohltemperierte Skepsis, die eine Weisheit erweckt, die nicht gleichgültig ist angesichts der Leiden, welche die Geschichte der Menschheit auferlegt hat – einer Menschheit, die von dem Vorurteil geblendet ist, die alleinige Herrin über den Sinn ihres Handelns zu sein, und – zumindest theoretisch – gänzlich uneingedenk der Fragilität der eigenen Lage und der Mittel, um sie zu entschlüsseln. Darum gelang es ihm vielleicht, menschlich zu leben, ohne an etwas zu glauben oder auf etwas zu hoffen. Darum gelang es ihm – nach den Erzählungen jener zu urteilen, die ihm in seinen letzten Stunden beigestanden haben – zu sterben ohne das Bedauern, gelebt zu haben.

Literaturverzeichnis

Häufig verwendete Schriften und gedruckte Briefe Karl Löwiths sind im Haupttext nach Siglen zitiert. Sämtliche zitierten Schriften und gedruckten Briefe Löwiths sind in den Anmerkungen mit Kurztiteln und dem Jahr der Erstpublikation nachgewiesen, und im Verzeichnis in chronologischer Anordnung aufgeführt. Schriften Löwiths, die in die Sämtlichen Schriften (LS) eingegangen sind, werden nach dieser Ausgabe zitiert und sind mit entsprechenden Verweisen versehen. Weitere gedruckte Literatur und Briefe, die in den Anmerkungen mit Autorennamen und Kurztiteln zitiert sind, werden im Verzeichnis in alphabetischer Anordnung aufgeführt. Zitate aus ungedruckten Briefen und Manuskripten (vgl. Archivalienverzeichnis) sind stillschweigend normalisiert, offensichtliche Schreibversehen korrigiert. Besonderheiten der Orthographie sind beibehalten, abgekürzte Namen und Substantive indes aufgelöst worden. Als zuverlässiges Verzeichnis der von Löwith publizierten Texte gilt weiterhin die von Klaus Stichweh erstellte „Gesamtbibliographie Karl Löwith“ als Anhang zu Karl Löwith: Von Hegel zu Nietzsche. Der revolutionäre Bruch im Denken des 19. Jahrhunderts, Hamburg 1986, 465–499.

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Anhang Erstellt von Mike Rottmann

Archivalienverzeichnis

Karl Löwiths persönlicher Nachlass befindet sich im Deutschen Literatur­ archiv Marbach und umfasst in der Hauptsache Briefe zahlreicher Korrespondenzpartner. Darüber hinaus sind Typoskripte, ­ Tagebücher, Notizenkonvolute, Gutachten und weitere persönliche Papiere erhalten. Briefe von Karl Löwith sind vielfach in den Nachlässen seiner Korrespondenzpartner überliefert und befinden sich in Archiven in Deutschland, Italien, Frankreich, Japan und in den Vereinigten Staaten. Dokumente wie selbstverfasste Lebensläufe oder Bewerbungen um Stipendien befinden sich in den Archiven verschiedener Institutionen weltweit. Die vorliegende Übersicht dokumentiert die wirklich verwendeten Archivmaterialien, die Enrico Donaggio in seinem vorliegenden Buch verarbeitet hat. Angaben zum derzeitigen Aufbewahrungsort der Archivmaterialien erfolgen in den jeweiligen Anmerkungen durch Siglen, die, soweit möglich und sinnvoll, durch Signaturen ergänzt und im Verzeichnis aufgelöst sind. Die verwendeten Materialien sind den Archiven und Bibliotheken zugeordnet, in denen sie im Original oder als Kopie aufbewahrt werden. Materialien aus Privatarchiven sind nicht aufgeführt. Diese Übersicht soll somit nicht zuletzt Anhaltspunkte für weitere Recherchen bieten. ADK

Akademie der Künste Berlin Theodor W. Adorno Archiv – Briefwechsel Theodor W. Adorno/Karl Löwith

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 E. Donaggio, Karl Löwith, https://doi.org/10.1007/978-3-476-05744-0_7

231

232     M. Rottmann

AFG

Archivio della Fondazione Giovanni Gentile, Università di Roma La Sapienza – Briefwechsel Karl Löwith/Giovanni Gentile – Briefwechsel Giovanni Gentile/Raffaele Pettazzoni – Briefwechsel Giovanni Gentile/Paul Oskar Kristeller – Brief von Martin Heidegger an Giovanni Gentile –  Referenzschreiben von Giovanni Gentile für Karl Löwith, 25.3.1935 – Veranstaltungsbericht 1934/1935 des Istituto Italiano di Studi Germanici

ACS/AGC Archivio Centrale dello Stato, Roma Fondo Guido Calogero – Brief von Karl Löwith an Guido Calogero BEP

Biblioteca di Scienze religiose Erik Peterson, Università degli Studi di Torino – Briefwechsel Erik Peterson/Karl Löwith (Ep/EP 1.1.3.255 348)

BSB

Bayerische Staatsbibliothek München Nachlass von Maximilian Beck, Signatur Ana 354 – Briefwechsel Maximilian Beck/Herbert Marcuse Nachlass Moritz Geiger, Signatur Ana 347 – Briefe von Karl Löwith an Moritz Geiger

CAK

Archiv, Centre Alexandre Koyré, École des hautes études en sciences sociales, Paris – Brief von Karl Löwith an Alexandre Koyré

CURB

Rare Book and Manuscript Library, Columbia University, New York Paul Oskar Kristeller Papers, Signatur MS#0729 – Briefwechsel Paul Oskar Kristeller/Giovanni Gentile

DLA

Deutsches Literaturarchiv Marbach Nachlass Hans-Georg Gadamer, Signatur A:Gadamer, HansGeorg – Briefwechsel Hans-Georg Gadamer/Karl Löwith

Archivalienverzeichnis     233

– Briefe von Romano Guardini an Hans-Georg Gadamer – Brief von Leo Strauss an Karl Löwith – Konvolut Reden und Vorträge, darunter Manuskripte von Karl Löwith (HS.2005.0056.00008) Nachlass Martin Heidegger, Signatur A:Heidegger, Martin – Briefwechsel Martin Heidegger/Karl Löwith Nachlass Karl Jaspers, Signatur A:Jaspers, Karl – Briefwechsel Karl Jaspers/Karl Löwith Nachlass Erich von Kahler, Signatur A:Kahler, Erich von – Briefe von Karl Löwith an Erich von Kahler Nachlass Victor Lange, Signatur A:Lange, Victor – Briefwechsel Victor Lange/Karl Löwith Nachlass Karl Löwith, Signatur A:Löwith, Karl – Notizheft (HS.1999.0017.00152) – Konvolut Tagebücher (HS.2009.0084.00001) – Typoskript (Kopie) Auslegung von Nietzsches Selbst-Interpretation und von Nietzsches Interpretationen (HS.2007. 0119.00001) – Typoskript (Kopie) Anno Santo 1925. Eine Papstfeier (HS.2006.0035.00001) – Typoskript Fiala. Die Geschichte einer Versuchung (HS.1990. 0015.00001) (= Fiala 1926) – Tagebuch Von Rom nach Sendai 11.X. – 20.XI.1936 (HS. 1999.0017.00147) – Manuskript Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933, 14.1.1940 (HS.1990.0015.00003) – Typoskripte Japan 1958/Japan revisited (HS.1999.0017. 00151/HS.2013.0044.00002) – Konvolut Autobiographica –  Briefe von Hannah Arendt, Erich Auerbach, Heinz Dekuczynski (alias Henry Deku), Arnold Gehlen, Percy Gothein, Jürgen Habermas, Martin Heidegger, Karl Jaspers, Siegfried Kracauer, Erik Peterson, Edgar Salin, Walter

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Schulz, Leo Spitzer, Dolf Sternberger, Leo Strauss, Eric Voegelin – Briefe an Hannah Arendt, Arnold Gehlen, Jürgen Habermas, Martin Heidegger Nachlass Friedrich Schulze-Maizier, Signatur A:SchulzeMaizier, Friedrich – Brief von Karl Löwith an Friedrich Schulze-Maizier Nachlass Dolf Sternberger, Signatur A:Sternberger, Dolf – Brief von Karl Löwith an Dolf Sternberger FBC

Fondazione Biblioteca Benedetto Croce, Napoli Archivio di Benedetto Croce – Briefe und Postkarten von Karl Löwith an Benedetto Croce (a. 1936, n. 619) – Lebenslauf Karl Löwith, Typoskript (a. 1936, n. 619, all. 2) – Gutachten von Benedetto Croce für Karl Löwith

HA

Husserl-Archiv, Katholieke Universiteit Leuven –  Manuskript Eugen Fink, Vorschlag für E. Husserl am 23.I.37 (HA PII2)

HStAM

Hessisches Staatsarchiv Marburg Universitätsarchiv Marburg Personalakten Karl Löwith (305a Nr. 3583/307d Nr. 2460/310 Nr. 3019) – Lebenslauf vom 14.12.1933 – Briefwechsel und Dokumente zum Habilitationsverfahren – Briefwechsel Karl Löwith/Universitätsverwaltungen

HTSA

Archives & Special Collections, Hartford Theological Seminary, Hartford, Connecticut – Personalakte Karl Löwith, darunter Gutachten und Lebensläufe

ISG

Istituto di Studi Germanici Rom – Brief von Martin Heidegger an Giuseppe Gabetti

Archivalienverzeichnis     235

KU

Kônan-Universität Kobe – Briefe von Karl Löwith an Kuki Shûzô

RAC

Rockefeller Archive Center, Sleepy Hollow, New York Fellowship Recorder Cards, Lowith, Dr. Karl – Karl Löwith, The Japanese Way of Thinking, Manuscript

SNP/FC

Centro Archivistico, Scuola Normale Superiore di Pisa Fondo Cantimori – Briefe von Karl Löwith an Delio Cantimori –  Handexemplar Karl Löwith, Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkunft des Gleichen

SUB

Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Nachlass Georg Misch, Signatur Cod. Ms. G. Misch – Brief von Karl Löwith an Georg Misch

UAB

Universitätsarchiv Bonn Nachlass Erich Rothacker – Briefwechsel Erich Rothacker/Karl Löwith

UAH

Universitätsarchiv Heidelberg Personalakte Karl Löwith, darunter Mitteilungen an die Universitätsverwaltung (u. a. Rufmitteilungen)

UAMN

Universitätsarchiv München Promotionsakte Löwith, darunter Votum Alexander Pfänder, 1.3.1923

UBF

Archivzentrum, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt a. M. Nachlass Max Horkheimer, Signatur Na 1 – Briefe von Karl Löwith an Max Horkheimer – Brief von Tracy Kittridge an Max Horkheimer Nachlass Herbert Marcuse, Signatur Na 3 – Postkarten von Karl Löwith an Herbert Marcuse

UBM

Universitätsbibliothek Marburg – Karl Löwith, Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen

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Paul-Tillich Archiv (PTA) – Briefe von Karl Löwith an Paul Tillich UBMN

Universitätsbibliothek München – Karl Löwith, Auslegung von Nietzsches Selbst-Interpretation und von Nietzsches Interpretationen, Manuskript 1923 (0014/W U 23–9592)

UBO

Universitätsbibliothek Oldenburg Bibliothek Karl Jaspers – Karl Löwith, Kritik der bisherigen Darstellungen von Nietzsches Lehre, Privatdruck 1935 (KJB 22 kJ 5605)

UBT

Universitätsarchiv Tübingen Nachlass Walter Schulz – Briefe von Walter Schulz an Karl Löwith Nachlass Gerhard Krüger – Briefwechsel Gerhard Krüger/Karl Löwith Nachlass Rudolf Bultmann – Briefwechsel Rudolf Bultmann/Karl Löwith

Forschungsbibliographie Karl Löwith 2004–2020

Einleitung Die philosophische Auseinandersetzung mit Karl Löwiths umfangreichem Werk hat in den ersten drei Jahrzehnten nach seinem Tod im Mai 1973 mehr in den ‚Fußzeilen‘ als im ‚Haupttext‘ zumindest der deutschsprachigen akademischen Philosophie stattgefunden. Löwiths Œuvre eignet insofern eine ‚poröse‘ Kanonizität, denn obschon seine Bücher und Abhandlungen innerhalb wie (vor allem auch) außerhalb der Philosophie viel gelesen wurden, scheint sich das Potenzial seines ‚Denkens‘ überwiegend im Hintergrund zu entfalten und damit jenseits solcher schulischer Formationen und Strömungen, die – beinahe schematisch – eindeutige disziplinäre, aber auch intellektuelle Zuordnungen erlauben. Löwiths große Monographien, insbesondere Von Hegel zu Nietzsche und Weltgeschichte und Heilsgeschehen, aber auch seine Abhandlung über Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen und Heidegger als Denker in dürftiger Zeit, finden sich nicht nur in neueren philosophischen Texten zitiert, sondern auch in theologischen und juristischen, in literatur-, geschichts- und sozialwissenschaftlichen Beiträgen. Bereits die von Löwith privilegierten Autoren belegen das ebenso ausgefallene wie weit gefächerte Spektrum seiner Interessen: Zwischen seinem Ausgangspunkt, den er bei und mit Friedrich Nietzsche fand, und dem mit Paul Valéry gesetzten Schlusspunkt, fallen Studien nicht nur zu den großen Autoren der philosophischen Tradition (Descartes, Hegel oder Feuerbach), sondern auch – und gerade – zu Max Weber, Søren Kierkegaard, Jacob Burckhardt, Johann Wolfgang © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 E. Donaggio, Karl Löwith, https://doi.org/10.1007/978-3-476-05744-0_8

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238     M. Rottmann

Goethe, Carl Schmitt, Giambattista Vico und Karl Marx. Spiegelt sich die konstatierte Rezeptionsvielfalt, die Löwiths Œuvre über disziplinäre Grenzen hinweg erfahren hat, im Spektrum der von ihm behandelten Autoren wider, so ist mit dieser Feststellung allein noch kein zureichender Ansatzpunkt für die Frage hervorgebracht, von welchen Interessen Löwiths Forschungen ausgingen, wie sie sich entfalteten und welche Funktionsstellen die Ideen der verarbeiteten Autoren in seinen eigenen Abhandlungen ausfüllen. Zahlreiche Rezensionen (Schmitt, Fetscher, Heise, Sass) und Aufsätze (Boehm, Habermas, Timm, Hosoya, Riedel, Anz), die einzelne Bücher oder größere Teile des Werks diskutieren und zu Lebzeiten Löwiths die Diskussion beförderten, dokumentieren sowohl engagierten Zuspruch als auch kritischen Widerspruch. Mit dem Tod des Autors geht allerdings ein markanter Rückgang expliziter Auseinandersetzung einher. Offensichtlich war Löwiths philosophischer Standpunkt stark an die Existenz seines Urhebers gebunden. Diese Vermutung impliziert einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Eigenart der philosophischen Position und der Rezipierbarkeit seines Werkes. Für die Dokumentation einer werk- und autorspezifischen Rezeptionsgeschichte, die sich für eine Hervorkehrung verborgen gebliebener Spuren interessiert und eine Rekonstruktion versucht, die der Forschung neue Impulse verleihen möchte, sind damit besondere Schwierigkeiten gegeben. Die Chance dieser rezeptionsgeschichtlichen Aufgabe besteht folglich darin, verengte Perspektiven auszuweiten und eine Antwort auf die Frage vorzuzeichnen, inwieweit es auch außerhalb philosophischer Diskussionen zur Verarbeitung eines philosophischen Werks im Sinne eines Ideentransfers gekommen sein könnte. Philosophisch relevant ist demnach auch das, was thematisch oder methodisch aus dem engeren Kanon ausgeschlossen oder als in Teilen widerlegt betrachtet wird. Die vorliegende Bibliographie dokumentiert die erheblich angewachsene Forschungsliteratur der letzten zwei Jahrzehnte, ohne damit das Desiderat einer umfassenden Rezeptionsgeschichte angehen oder gar befriedigen zu können. Auch eine Strukturierung der Forschungsergebnisse kann im Rahmen dieser bibliographischen Erschließung, schon aus Gründen des Umfangs, nicht geleistet werden. Allerdings soll der global ausdifferenzierten Forschung ein Arbeitswerkzeug zur Verfügung gestellt werden, das über die Vielfalt der Interessen und Perspektiven informiert und den Zugang erleichtert. Schließlich setzt die Herausstellung unterschiedlicher Forschungsmeinungen und eine darauf aufbauende Diskussion eine genaue Kenntnis der Forschungslage voraus.

Forschungsbibliographie Karl Löwith 2004–2020     239

Die versammelten Titel in deutscher, englischer, französischer, hebräischer, italienischer, japanischer, niederländischer, polnischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache repräsentieren ein breites Themenspektrum unter Einschluss höchst verschiedener Konzentrationspunkte. So wird Löwith vielfach zu weiteren Autoren (Heidegger, Strauss, Auerbach, Schmitt, Blumenberg, Taubes, Koselleck) in Beziehung gesetzt. Ferner werden ideen- und philosophiegeschichtlich wirksame Konstellationen beleuchtet. Neben Löwiths Interpretationen einzelner Autoren (Nietzsche, Hegel, Marx, Weber) finden folgende zentrale Themen seiner Philosophie besondere Aufmerksamkeit: Sinn der Geschichte und Kritik des geschichtlichen Denkens, Säkularisierung und Moderne, Anthropologie, Skeptizismus, Konzeption des Kosmos. Ergänzend hierzu ist Löwiths Exilerfahrung, insbesondere seine Zeit in Italien und Japan, zum besonderen Gegenstand der Forschung geworden. Selbstverständlich stehen themen- und autorspezifische Schwerpunkte nicht unvermittelt nebeneinander, sondern fordern zu einer Verknüpfung und Durchdringung heraus. Löwiths philosophische Positionen stehen in enger Verbindung mit den von ihm verhandelten Autoren und bilden ein Geflecht aus philosophischen, sozialwissenschaftlichen, theologischen und literarischen Bezügen. Innerhalb des gesetzten Rahmens wurde Vollständigkeit angestrebt, ohne die Einlösung dieses Anspruchs garantieren zu können. Insbesondere Titel aus dem asiatischen Sprachraum müssten fachkundig ergänzt werden. Ausgewählte Titel wurden in diese Bibliographie auch dann aufgenommen, wenn Löwith nicht im Zentrum des Beitrags steht, darin aber gleichwohl wichtige Informationen enthalten sind.

Bibliographie Agell, Fredrik: Löwiths geschichtsphilosophischer Nietzsche. In: Ders.: Die Frage nach dem Sinn des Lebens. Über Erkenntnis und Kunst im Denken Nietzsches. München 2006, 42–44. Alcoriza, Javier: Karl Löwith: la historia circunvalada. In: La Torre del Virrey 3 (2007), 63–65. Altini, Carlo: Una storia della naturalezza: riflessioni sulla crisi moderna in Karl Löwith e Leo Strauss. In: La società degli individui 28 (2007), 53–66. Astore, Rocco: Against Hegel and Marx: In Favor of Danto’s, Benjamin’s, and Löwith’s Critiques of Universal History. In: International Journal of Theology, Philosophy and Science 1 (2017), 118–136.

240     M. Rottmann

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Personenregister

A

Adorno, Theodor W. 136, 152, 156 Anders, Günther 17, 41, 121 Andreas-Salomé, Lou 31 Antoni, Carlo 112, 120 Arendt, Hannah 40, 41, 108, 110, 121, 126, 167, 172–174 Aristoteles 28, 29, 32, 142 Auerbach, Erich 111, 176, 239 Augustinus 28, 162, 165 B

Bacon, Francis 184 Baeumker, Clemens 27 Baeumler, Alfred 130 Barth, Hans 129, 130 Barth, Karl 3, 44, 48, 142, 157 Beaufret, Jean 121, 171 Beck, Maximilian 28 Becker, Howard 90 Becker, Oskar 17, 19, 167 Benjamin, Walter 156 Bertram, Ernst 16, 31 Besseler, Heinrich 17, 167

Bianco, Franco 121 Binswanger, Ludwig 58 Birnbaum, Immanuel 12 Biser, Eugen 170 Blake, William 154 Bloch, Ernst 163 Blochmann, Elisabeth 67, 96, 110, 172 Bloom, Allan 175 Blücher, Heinrich 173 Blumenberg, Hans 163, 195, 239 Bollnow, Otto Friedrich 167 Bornkamm, Heinrich 173 Bossuet, Jacques-Bénigne 164 Braun, Hermann 170, 191 Bröcker, Walter 17, 41, 167 Buber, Martin 50, 156 Bultmann, Rudolf 41, 67, 71, 74, 89, 95, 111, 142, 154, 166, 168, 173, 174, 177 Burckhardt, Jacob 45, 65, 71, 83, 84, 86, 87, 93, 94, 104, 112, 115–117, 129, 132–134, 142, 146, 148, 163, 171, 191, 192, 194, 237 Butler, Joseph 154

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 E. Donaggio, Karl Löwith, https://doi.org/10.1007/978-3-476-05744-0

259

260     Personenregister C

Calogero, Guido 114 Cantimori, Delio 112, 120–122, 136, 165 Carabellese, Pantaleo 110 Caracciolo, Alberto 184 Carlyle, Thomas 154 Cassirer, Ernst 156 Cesa, Claudio IX Clauß, Ludwig Ferdinand 17, 41–43, 56 Cohen, Hermann 40, 49, 50, 156 Colli, Giorgio 189 Conrad, Theodor 9 Croce, Benedetto 4, 25, 112–115, 135 Cullmann, Oscar 164 Curtius, Ernst Robert 13 Curtius, Ludwig 17, 112

Fichte, Johann Gottlieb 89, 113 Fink, Eugen 70, 71, 75, 77, 167 Flotow, Familie von 37 Förster-Nietzsche, Elisabeth 42 Frank, Erich 67, 111 Freud, Sigmund 10, 87 Friedländer, Paul 111 Friedman, Maurice 50 G

Ebbinghaus, Julius 166, 169 Ebner, Ferdinand 50 Empedokles 188

Gabetti, Giuseppe 112, 114, 119 Gadamer, Hans-Georg IX, 10, 25, 41, 54, 58, 60, 65–68, 71, 87, 89, 108, 119, 122, 126, 134, 137, 148, 151, 154, 167–170, 173, 175, 176, 181, 188 Gaède, Edouard 191 Gehlen, Arnold 73, 167 Geiger, Afra 17, 44 Geiger, Moritz 9, 10, 13, 16, 26, 27, 107 Gentile, Giovanni 85, 110, 112–114, 120, 134, 135, 139 George, Stefan 3, 6, 11, 13–16, 42, 44, 116, 141 Goebel, Karl von 6 Goethe, Johann Wolfgang 7, 45, 86, 138, 148, 156, 237 Gogarten, Friedrich 50 Gothein, Eberhard 15 Gothein, Percy 15, 16, 44 Grassi, Ernesto 113, 167 Groethuysen, Bernard 109 Grosser, Charlotte 44 Guardini, Romano 167 Gundolf, Friedrich 14 Gurwitsch, Aron 17, 155

F

H

D

De Boor, Lisa 40, 141 De Waehlens, Alphonse 123 De Waelhens, Alphonse 158 Deckert, Hermann 67, 147 Dekuszynski, Heinz 151 Descartes, René 17, 19, 89, 100, 185, 190, 237 Dilthey, Wilhelm 20, 31, 51, 72, 76, 87, 165 Donat, Walter 141 Dostojewskij, Fjodor Michailowitsch 33, 43 E

Fahrner, Rudolf 16, 67, 153, 167 Feuerbach, Ludwig 47–49, 55, 60, 68, 72, 73, 89, 143, 154, 237

Habermas, Jürgen 30, 170, 172, 187, 238 Hans Heyse 118

Personenregister    261

James, William 153 Jaspers, Karl 3, 13, 24, 25, 39, 95–100, 110, 130, 135, 142, 145, 154, 164, 167–169, 174 Johnson, Alvin 152, 168 Jonas, Hans 17, 41

Hartmann, Nicolai 41, 141 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 21, 22, 41, 56, 60, 72, 73, 83–89, 94, 108, 110, 111, 113–115, 117, 118, 121, 124–126, 128, 131, 133, 138, 139, 142, 144–146, 148, 156, 165, 175, 178, 184, 237, 239 Heidegger, Elfride 174 Heidegger, Hermann 120 Heidegger, Martin 3, 6–9, 11–13, 15–29, 32, 35, 37–41, 43, 44, 46, 47, 51–68, 70, 72, 74–76, 78, 81, 83, 84, 88–90, 95–98, 100, 107, 110, 111, 113, 117– 120, 122, 123, 126, 134, 135, 137, 142, 153, 154, 157, 158, 165–167, 170–178, 180, 181, 185, 188, 190, 239 Hennis, Wilhelm 92 Henrich, Dieter 170 Herrigel, Eugen 139 Hertwig, Oscar 6 Hitler, Adolf 107–109, 116, 124, 158 Hoffmann, Ernst 169 Hofmannsthal, Hugo von 3 Hölderlin, Friedrich 140, 176 Hölzen, Edmund 140 Horkheimer, Max 17, 117, 135, 136, 142, 143 Humboldt, Wilhelm von 43, 86 Hume, David 142 Hummel, Gert 136 Husserl, Edmund 3, 9, 11, 12, 14, 16–19, 21, 22, 26, 27, 41, 43, 44, 51, 54, 56, 59, 62, 70, 75, 77, 109, 110, 112, 181, 185

Kaegi, Werner 129 Kafka, Franz 3 Kahler, Erich von 6, 7, 12–14, 16 Kant, Immanuel 18, 63, 72, 79, 80, 89, 113, 185 Kaufmann, Fritz 17 Kesting, Hanno 171 Kierkegaard, Søren 22, 23, 98–103, 114, 125, 126, 142, 144–146, 148, 237 Kimura, Bin 137 Kisiel, Theodore IX Kitaro, Nishida 141, 170 Kittredge, Tracy 135 Kiyoshi, Miki 136 Klages, Ludwig 8, 16, 42, 43, 56 Klein, Jacob 41, 96, 105, 110, 111, 119, 135 Kluckhohn, Paul 27 Knauss, Gerhard 140, 170 König, René 116, 130 Koselleck, Reinhart IX, 44, 171, 239 Koyré, Alexandre 17, 109, 143 Kracauer, Siegfried 92 Kristeller, Paul Oskar IX, 24, 134 Krüger, Gerhard 41, 65–67, 165, 167, 173, 180 Kuki, Shûzô 137

I

L

Ishiwara, Ken 140

Landgrebe, Ludwig 167 Landshut, Siegfried 92 Lange, Victor 171, 175 Lask, Emil 139 Lawrence, Thomas Edward 154

J

Jaensch, Erich 41

K

262     Personenregister

Lenin, Wladimir Iljitsch 163 Liebsch, Burkhard XI Lipps, Theodor 9 Lombardi, Franco 29, 112, 113, 144 Lovejoy, Arthur 121 Löwith, Ada 65, 136 Löwith, Wilhelm 4 Lukács, György 122, 143 M

Mahnke, Dietrich 41, 66 Mann, Thomas 13, 140 Marcuse, Herbert 28, 91, 94, 118, 136 Marseille, Walter 17, 41, 45 Marx, Karl 30, 67, 73, 87–95, 98– 100, 102, 118, 125, 126, 136, 144–146, 148, 163, 238, 239 Marx, Werner 155 Meister, Ernst 66 Mentzingen, Anne 66 Mezzanzanica, Massimo IX Michels, Robert 110 Misch, Georg 76, 87 Mommsen, Wolfgang 12 Montinari, Mazzino 189 Mosca, Gaetano 110 N

Natorp, Paul 40 Niebuhr, Reinhold 151 Nietzsche, Friedrich 5, 8, 10, 16, 21, 23, 24, 26–35, 38, 42, 43, 45, 49, 63, 66, 67, 69, 71–73, 77, 83, 86, 91, 94, 96–105, 109, 112, 114, 117, 128–133, 143– 146, 148, 153, 154, 171, 177, 187, 189, 190, 193, 237, 239 Novalis 140

O

Oboussier, Robert 65, 191 Otto, Rudolf 41 Overbeck, Franz 30, 40, 154 P

Pannwitz, Rudolf 114 Panunzio, Sergio 110 Papone, Annagrazia 189 Pascal, Blaise 142, 154, 170 Paulus (Apostel) 162 Peterson, Erik 134, 148, 153, 154, 156 Pettazzoni, Raffaele 135 Pfänder, Alexander 9, 10, 13, 16, 27 Pirandello, Luigi 53, 81, 82 Pisani, Pietro 119 Platon 32, 75, 142, 157 Plessner, Helmuth 9, 71, 73 Pöschl, Viktor 173 R

Rauschning, Hermann 116 Rehm, Walther 71 Reichenbach, Hans 17, 135 Reinach, Adolf 9 Reinhardt, Kurt 17 Rickert, Heinrich 17 Riedel, Manfred 170, 238 Ries, Wiebrecht XI Riezler, Kurt 155 Rilke, Rainer Maria 3 Rosenstock-Huessy, Eugen 156 Rosenzweig, Franz 156–158 Rossi, Pietro IX Rothacker, Erich 27, 83, 167 Rovan, Joseph 121 Royce, Josiah 153

Personenregister    263 S

Sakaeda, Yoshitaka 136 Salin, Edgar 14, 16 Salz, Arthur 13 Santayana, George 153 Sartre, Jean-Paul 121, 154, 171, 184, 185 Sasso, Gennaro IX Scaravelli, Luigi 113 Scheler, Max 9, 13, 51, 62, 71 Schiller, Friedrich 83, 125 Schleiermacher, Friedrich 20 Schluchter, Wolfgang IX Schmitt, Carl 112, 117, 118, 122–127, 164, 165, 238, 239 Schnädelbach, Herbert IX Schopenhauer, Arthur 8 Schulz, Walter 109 Schulze-Maizier, Friedrich 143 Schütz, Alfred 155 Seemann-De Boor, Ursula X, 40, 66 Shibata, Jisaburo 142 Sichirollo, Livio IX Simmel, Georg 141, 165 Simoncelli, Paolo IX Singer, Kurt 16, 141 Solms, Max 90 Spemann, Hans 3, 6 Spengler, Oswald 3 Spinoza, Baruch 190 Spitzer, Leo 16, 69, 70, 111, 114, 121, 135 Spranger, Eduard 141 Stalin, Josef Wissarionowitsch 151, 163 Stefani, Aldo 110 Sternberger, Dolf 88, 89, 93 Stichweh, Klaus IX, 198 Stirner, Max 81, 89

Strauß, David Friedrich 154 Strauss, Leo 4, 17, 22, 23, 41, 50, 70, 74, 75, 95, 97, 103–105, 108–110, 113, 116, 121, 122, 127, 132, 135, 154–157, 159, 174, 175, 181, 190, 191, 239 Szilasi, Wilhelm 17, 167 T

Takada, Yasunari IX Takahashi, Satomi 140 Taubes, Jacob 239 Theunissen, Michael 50 Thust, Martin 17, 21, 100 Tidona, Giovanni XI Tillich, Paul 41, 90, 108, 126, 135, 136, 145, 151 Tolstoi, Lew Nikolaewitsch 87 Tönnies, Ferdinand 30, 90, 112 Troeltsch, Ernst 13 Tschitschewski, Dimitri 17 U

Uexküll, Jacob von 6 V

Valéry, Paul 65, 191–194, 237 Vico, Giambattista 164, 185, 238 Voegelin, Eric 30, 129, 154 Voigt, Klaus X Voltaire, François-Marie Arouet 160 von Buggenhagen, Arnold 66, 89 von Campenhausen, Hans 170

264     Personenregister W

Wahl, Jean 30, 132 Walther, Gerda 15, 17 Watsuji, Testuro 137 Weber, Marianne 12 Weber, Max 3, 5, 11–14, 16, 23, 45, 81, 90–98, 102, 104, 154, 237, 239

Wenzel, Heinz 189 Wieland, Wolfgang 170 Winckelmann, Johann Joachim 138 Wolfskehl, Karl 16