Karl Lagerfeld: Ein Deutscher in Paris 3406756301, 9783406756306

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Karl Lagerfeld: Ein Deutscher in Paris
 3406756301, 9783406756306

Table of contents :
Inhalt
Erinnerung
Vorgeschichte
Vater
Mutter
1933 bis 1951
Geburt
Bissenmoor
Kindheit
Krieg
Partei
Schule
Demütigung
Schwestern
Preußen
Aufbruch
1952 bis 1982
Paris
Anfänge
Freunde
Aufschwung
Baden-Baden
Chloé
Fendi
Labelfeld
Amerikaner
Jacques
Deutsche
Schloss
Einrichtung
1983 bis 1999
Lagerfeld
Chanel
Fotos
Models
Hamburg
Blumen
Journalisten
Zeichnungen
Bücher
2000 bis 2019
Diät
Logo
H&M
Werbung
Feinde
Baptiste
Hudson
Schauen
Kritik
Choupette
Ende
Nachleben
Anhang
Dank
Anmerkungen
Bildnachweis
Personenregister
Stammbaum
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Über den Autor

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ALFONS KAISER

Karl Lagerfeld

Mit einem Blick für Paris: Karl Lagerfeld stellt seine Mode für Chloé 1972 auf der Esplanade du Trocadéro vor.

ALFONS KAISER

Karl Lagerfeld Ein Deutscher in Paris Biographie

C.H.BECK

Mit 58 Abbildungen

© Verlag C.H.Beck oHG, München 2020 Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg Umschlagabbildung: Karl Lagerfeld, Paris 2016, © Pascal Le Segretain/Getty Images Satz: Fotosatz Amann, Memmingen ISBN Buch 978 3 406 75630 6 ISBN eBook (epub) 978 3 406 75631 3 ISBN eBook (PDF) 978 3 406 75632 0 Die gedruckte Ausgabe dieses Titels erhalten Sie im Buchhandel sowie versandkostenfrei auf unserer Website www.chbeck.de. Dort finden Sie auch unser gesamtes Programm und viele weitere Informationen.

Inhalt

Erinnerung

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Vorgeschichte Vater Mutter

17 27

1933 bis 1951 Geburt 45 Bissenmoor 50 Kindheit 53 Krieg 59 Partei 64 Schule 72 Demütigung 79 Schwestern 82 Preußen 89 Aufbruch 93

1952 bis 1982 Paris 103 Anfänge 109 Freunde 113 Aufschwung 121 Baden-Baden 130 Chloé 135 Fendi 146 Labelfeld 150 Amerikaner 154

Jacques Deutsche Schloss Einrichtung

170 183 187 195

1983 bis 1999 Lagerfeld 205 Chanel 218 Fotos 231 Models 236 Hamburg 241 Blumen 245 Journalisten 248 Zeichnungen 253 Bücher 257

2000 bis 2019 Diät Logo H&M Werbung Feinde Baptiste Hudson Schauen Kritik Choupette Ende

Nachleben

265 269 275 279 283 290 293 296 303 310 315

327

Anhang

Dank Anmerkungen Bildnachweis Personenregister Stammbaum

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«Karl For Ever»: Gedenkfeier im Grand Palais am 20. Juni 2019

Erinnerung

Es war wie immer, wenn Chanel zur großen Schau lädt. Auf den Treppen zum Grand Palais wies man junge Männer in schwarzen Anzügen in ihre Rolle als Ordner ein. An der Avenue Winston Churchill staute sich der Verkehr, weil die dunklen Limousinen auch in der zweiten Reihe parkten. Vor dem Haupteingang des Riesengebäudes aus der Belle Époque standen die Damen im Tweed-Kostüm und ­taten unentschlossen, damit sie noch einmal fotografiert wurden, bevor sie hineingingen. Die Sonne, die schon schräg stand, schimmerte an diesem letzten Abend vor Beginn des Sommers melancholisch durch das Dach des Glaspalasts. Aber es war nichts wie sonst an diesem 20. Juni 2019 in Paris. Denn all die fiebrigen Vorbereitungen, die gespannte Erwartung der Gäste, die zur Schau gestellten Eitelkeiten – sie drehten sich um eine Leerstelle in ihrer Mitte. Karl Lagerfeld, das Zentralgestirn des seltsamen Paralleluniversums Mode, war vor vier Monaten ge­ storben. Nun kamen sie alle noch einmal zusammen, die um ihn gekreist waren, seine Familie, wie sich die engsten Mitarbeiter immer schon nannten, «Karl’s family», und seine erweiterte Familie, 2500  Gäste, angereist aus aller Welt, gekleidet oft in Schwarz, manchmal aber auch in Rosa oder Weiß, weil er es nicht mochte, wenn man trauert. «Karl For Ever», so hatte man das offizielle Gedenken genannt. Eine Trauerfeier sollte es nicht sein, denn Lagerfeld hasste den verklärenden Rückblick  – er hatte nicht einmal an den Beerdigungen seiner Eltern und seiner Schwestern teilgenommen. Also wurde es eine fröhliche Gedenkfeier, die mit einem Schaulaufen der Promi­ nenten begann, mit Einspielfilmen, Konzerten, Tanzeinlagen und ­Lesungen weiterging und mit einem Champagner-Empfang endete. Erinnerung

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2500 Menschen in seinem Namen versammelt – das hätte ihm gefallen, denn eine seiner großen Stärken war es, Menschen zusammenzubringen. Le Tout-Paris wurde vorgefahren. Première Dame Brigitte Macron, die Lagerfeld schon deswegen geschätzt hatte, weil ihr Mann Emmanuel Macron als Premierminister den ungeliebten François Hollande abgelöst hatte; die ehemalige Première Dame Carla Bruni-Sarkozy, die lange als Model, auch für Chanel, gearbeitet hatte; Caroline von Monaco, eine der besten Freundinnen des Modeschöpfers, mit schwarzer Schleife an der weißen Bluse, und ihre Tochter Charlotte im knöchellangen schwarzen Kleid. Auch seine einstigen Musen schritten die Treppen im Glaspalast hinab, ganz langsam, um den ­Fotografen kein unglückliches Bild zu bieten: Inès de la Fressange, Claudia Schiffer, Caroline de Maigret. Das Model Gigi Hadid sagte gerührt in die Kameras: «Ich habe mich heute so angezogen, als ob ich ihn jetzt wirklich treffen würde.» Der Mann, der dem Modeschöpfer in seinen letzten Jahren am nächsten war, lächelte sibyllinisch. Sébastien Jondeau, der Leibwächter, Fahrer und Vertraute, erschien zugeknöpft im Dreiteiler, schweigsam über diesen Tag hinaus. Lagerfeld wollte, dass seine Asche mit der seiner Mutter und seines schon vor drei Jahrzehnten verstorbenen Lebensgefährten Jacques de Bascher vermischt wird. Sébastien Jondeau hatte den letzten Willen längst erfüllt: Nach der Einäscherung im Krematorium des Mont-Valérien-Friedhofs in Nanterre hatte er die Asche an einen unbekannten Ort gebracht, so dass der Verstorbene verschwand, wie er es sich zu Lebzeiten gewünscht hatte – ohne eine Spur zu hinterlassen. Im Palast der Weltausstellung von 1900 hatte Karl Lagerfeld bis zu der Couture-Schau im Januar 2019, zu der er wegen seiner Krankheit nicht mehr erschienen war, vier Mal im Jahr seine Welt ausgestellt, zwei Mal beim Prêt-à-Porter, zwei Mal bei der Haute Couture. Dieses Mal ging es im Grand Palais nicht um die Kleider der nächsten Saison. In diesen zwei Stunden ging es um ein ganzes Leben, um die vielen Rollen, in die sich ein Mensch in 85 Jahren kleiden konnte, um alle Dimensionen, in denen er dachte, redete, handelte, lebte. Der Modeschöpfer, das war am Ende zu erkennen, war auch ein Schöpfer 10

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von Ideen, Büchern, Zeichnungen, Sinnsprüchen, Logos, Beziehungen, Karrieren und Idealen. Also kamen nicht nur die Kundinnen und die Fans, die Manager und die Models, die Schneiderinnen und die Schauspielerinnen. An der Avenue sprang seine Floristin Caroline Cnocquaert aus dem Lieferwagen ihres Blumenladens Lachaume; aus Hamburg kam Marina Krauth vom Buchgeschäft Felix Jud; an seiner eigenen Buchhandlung 7L auf der anderen Seite der Seine hatten Hervé Le Masson und ­Catherine Kujawski ein handgeschriebenes Zettelchen an die Glastür geklebt, dass heute schon von 16.30 Uhr an geschlossen sei; Schmuckdesigner Aaron Cyril Bismuth trug die Halsketten mit großen bunten Steinen, die auch Lagerfeld sich zu besonderen Gelegenheiten um­ gelegt hatte; und Birte Carolin Sebastian erzählte vom Beginn ihrer Karriere als Model in den neunziger Jahren, als er ihr kurz vor der Chanel-Schau mit einem Augenzwinkern Mut machte in einer Welt, die ihr noch ganz neu war. Im Grand Palais stand an diesem letzten Frühlingsabend nicht die Mode im Mittelpunkt, sondern er selbst.1 An den Stahlstreben der großen Halle hingen 56 große Fotos des Designers aus all seinen Epochen: mal mit Bart, mal mit Monokel, mal mit Katze. An den Bildern ließ sich die Dauer erkennen, in der er modisch tätig war, nämlich sechseinhalb Jahrzehnte, wenn man die Zeit bei Pierre Balmain seit 1954 als Beginn ansetzt. Zu sehen war auch seine Lust an der Selbstdarstellung, vom romantisch verklärten Jüngling Ende der Fünfziger mit Seitenscheitel und weißem Einstecktuch bis hin zum überretuschierten Weltstar, der sich in der Pose eines Rockmusikers gefiel oder im überkandidelten Habitus eines Dandys mit Birmakatze im Arm. Sechsundfünfzigfach blickte er hinab auf ein Pariser Gesellschaftsspiel, wie er es so liebte. Eingeladen hatten nämlich alle drei Marken, für die der rastlose Designer bis zuletzt tätig war: Chanel, Fendi und Karl Lagerfeld  – und die gehören ganz verschiedenen Besitzern. Bernard Arnault, der Fendi seinem LVMH-Universum einverleibt hatte, dem größten Luxuskonzern der Welt, könnte es auch auf die beiden anderen Marken abgesehen haben. Als sollten solche Verschwörungstheorien gar nicht erst aufkommen an diesem Abend des Gedenkens, unterhielt sich der reichste Franzose entspannt mit Alain Erinnerung

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Wertheimer, dem Chanel zusammen mit seinem Bruder Gérard gehört. Der nette Umgang wird nicht das Verlangen des unersättlichen Markensammlers stillen. Denn die Wertheimer-Brüder, um die 70 Jahre alt, könnten nach Jahrzehnten im Luxusgeschäft langsam die Lust verlieren an ihrer glänzenden Marke. Schließlich hatte Lager­feld dreieinhalb Jahrzehnte lang den Wiederaufstieg von Chanel orchestriert. Nun war er nicht mehr. Wie sollte es jetzt weitergehen? Mit den vielen Designer-Kollegen, die gekommen waren, hätte man eine ganze Modewoche bestücken können: Valentino Garavani äußerte «größten Respekt» für einen Freund, den er schon seit den fünfziger Jahren kannte; Stella McCartney, die Lagerfeld bei der Marke Chloé gefolgt war, trug einen schwarzen Spitzenschleier; Tommy Hilfiger, der ihn einst ermunterte, mehr aus der Marke seines Namens zu machen, war aus Nizza angereist; Ralph Lauren kam aus London, wo er gerade von Prinz Charles zum Ritter geschlagen worden war. Gucci-Designer Alessandro Michele umarmte Fendi-Chefin Silvia Fendi. Auch Alber Elbaz und Haider Ackermann waren da. Beide waren einst zu möglichen Thronfolgern bei Chanel stilisiert worden – und beide verharrten in der Möglichkeitsform. Karl Lagerfeld hatte keinen großen Sinn für seine eigene Familie. Umso wichtiger war ihm die Familie, die er sich selbst geschaffen hatte. «Das war seine Stärke, dass er jeden um sich herum genutzt hat für sein Schaffen, für sein Leben, für sein Wissen, um zu erfahren, was auf der Straße los war», sagte Sébastien Jondeau in einem der Einspielfilme, die Opernregisseur Robert Carsen mit Live-Aufführungen zu einer abendfüllenden Hommage am zweitlängsten Tag des Jahres zusammengestellt hatte. «Er war der Multi-Tasker schlechthin, ein Mann, der alles gleichzeitig machte», sagte «Vogue»-Chefin Anna Wintour. «Er mochte Partys, er liebte Menschen, aber er hat sein P ­ rivatleben geschützt. Er hat oft gesagt, wenn er sterbe, wolle er verschwinden und nur sein Werk zurücklassen. Das darf nicht pas­ sieren.» Und das passierte auch nicht. Der sonst so schweigsame Alain Wertheimer erzählte, ihr Verhältnis habe 1982, als er ihn für Chanel engagierte, als Geschäftsbeziehung begonnen und sei dann zur Freundschaft geworden. Bernard Arnault verglich den Modeschöpfer 12

Erinnerung

mit Picasso, der sich in seinen verschiedenen Phasen auch immer neu erfunden habe. Und Tilda Swinton las auf der Bühne aus dem Roman «Orlando» von Virginia Woolf, einem von Lagerfelds Lieblings­ werken: «Die Kleider tragen uns, nicht wir sie. Sie ändern unsere Sicht auf die Welt und die Sicht der Welt auf uns.» Cara Delevingne trug virtuos ein Katzen-Gedicht von Colette vor, Lang Lang spielte auf ­ einem von Lagerfeld entworfenen Steinway-Flügel Chopins «Grand valse brillante» in Es-Dur, Pharrell Williams sang sein schwereloses Lied «Gust of Wind», und Helen Mirren zitierte ihre liebsten «Karlismen»: «Persönlichkeit beginnt da, wo das Vergleichen endet.» Es war ein Abend, der die Selbstmythisierung des Modemachers umstandslos übernahm. Wie könnte man sich auch davon befreien? Denn viel von seiner kreativen Durchsetzungskraft hatte er in die eigene Person gesteckt. Er war der Zeichner seines eigenen Bildes, der Zeremonienmeister seiner Selbstfeier, der Herrscher über die Wahrnehmung seiner Person. Seinen Ruhm verdankte er auch seiner gut inszenierten öffentlichen Wirkung. Mit seinen Weisheiten und Witzen unterhielt er ein großes Publikum. Mit dem Logo, zu dem er sich selbst modelliert hatte, nahm er im Zeitalter des Visuellen Millionen Menschen für sich ein. «No second choice» – das war eine seiner liebsten Formulierungen. Eindeutigkeit ist altmodisch in Zeiten der Optionenvielfalt. Wenn alles möglich ist, wird vieles beliebig, erst recht in der Modeszene. Seine Entschiedenheit hingegen war so altertümlich wie sein Stehkragen: Er legte sich fest und zog es durch. An seiner Person prallten die Diagnosen einer Gesellschaft ab, in der Verbindlichkeiten verlorengehen und Zugehörigkeiten zerbrechen. Er war zum lebenden Beweis dafür geworden, dass man sich binden und dennoch bei sich selbst bleiben kann. Seine «rigueur», die Strenge, über die sich Franzosen immer wunderten, weist den Weg zu seinen Wurzeln. Ohne Großeltern und ­Eltern, ohne Schwestern und Freunde, ohne Lehrer und Mitschüler war sein Leben nicht zu verstehen. Ohne den biographischen Hintergrund preußischer Beamter und hanseatischer Kaufleute wäre diese Karriere eines Deutschen in Paris nicht möglich gewesen. Aber weil er Spuren verwischte, weil er falsche Fährten legte und weil Journalisten Erinnerung

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die Selbststilisierung nur allzu gern für wahr hielten, verloren sich viele Details seiner frühen Jahre im Nebel der Geschichte. Die Faszination, die Karl Lagerfeld als ein so zeitgebundenes wie überzeitliches Phänomen auf viele ausübte, verstellte den Blick auf den Menschen. An diesem Abend im Grand Palais, obwohl er so hell war und so schön, war das meiste nicht zu sehen. Woher dieser Modeschöpfer ­eigentlich kam. Wie ihn seine frühen Jahre prägten. Wie er in seiner Kindheit traumatisiert wurde. Wie er später die Kontrolle nicht nur über sein eigenes Leben anstrebte. Was ihn zu dieser endlosen Produktivität antrieb. Warum er so vieles beherrschen wollte, auch als Produktdesigner, Fotograf, Bühnenbildner, Inneneinrichter, Illustrator, Karikaturist, Sammler, Herausgeber, Verleger. Dieses Buch soll einem Mann näherkommen, der auf Distanz hielt. Dabei halfen Gespräche mit weit mehr als 100  Verwandten, Freunden, Bekannten, Klassenkameraden, Nachbarn, Kollegen, Geschäftspartnern und Mitarbeitern in Deutschland, Frankreich, Italien und den Vereinigten Staaten. Dabei half auch die Einsicht in bisher unveröffentlichte Briefe und Faxe des Modeschöpfers sowie in zahlreiche unbekannte Briefe, Notizen und Fotos seiner Eltern. Verwendet wurden auch zwei Interviews des Autors mit Karl Lagerfeld aus den Jahren 2015 und 2017, die bisher nur in Teilen veröffentlicht wurden. Und schließlich waren dabei Privat-, Kirchen-, Stadt-, Landes- und Staatsarchive hilfreich  – in Baden-Baden, Bad Bramstedt, Beckum, Hamburg, Jakutsk, Kiel, Münster, Neumünster, Neustadt in Holstein, Palm Beach Gardens, Paris, Reggio Emilia, Schleswig und Wladiwostok.2 Der Mythos, das übersah das begeisterungswillige Publikum an diesem Abend im Grand Palais nur allzu leicht, war ein Mensch – mit Ideen, mit Fähigkeiten, mit Schwächen, mit Fehlern. Die Modeszene kreiste wieder einmal nur um sich selbst. Der Mann aber, um den es hier ging, stammte nicht aus dem Nichts. Die Energie, die viele an diesem Abend noch zu spüren glaubten, musste doch von irgendwoher gekommen sein. Aber woher? Auch wenn man ein Leben von seinem Ende her sieht – man sollte von vorne anfangen.

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Erinnerung

11. April 1930, Münster, Dürerstraße 3: Otto Lagerfeld und Elisabeth Bahlmann (Mitte links) feiern ihre Hochzeit. Trauzeugen sind ihre Schwester Felicitas (rechts) und deren Mann Conrad Ramstedt (hinten links). Deren Töchter Eva (vorne links) und Tita werden später zu den Lieblingskusinen Karl Lagerfelds. In der Mitte die Brautmutter Milly Bahlmann.

Vorgeschichte

Vater Einen seiner besten Abnehmer hatte der Kondensmilch-Fabrikant Otto Lagerfeld zu Hause. Sein Sohn Karl wurde nämlich aus der Büchse ernährt. Lagerfelds Frau Elisabeth wollte ihn nicht stillen. «Ich habe nicht einen Milchfabrikanten geheiratet, um meinen Busen für so etwas herzugeben. Es gibt ja Dosenmilch», sagte sie nach der späteren Darstellung ihres Sohns.1 Weil sie sich nicht «ihren Busen ruinieren» wollte,2 bekam der kleine Karl Kondensmilch. Es scheint ihm nicht geschadet zu haben.3 Auch Otto Lagerfeld, der am 20. September 1881 in Hamburg geboren wurde, ist dank Kondensmilch groß geworden: Mit der Erfindung der Marke Glücksklee machte er das Geschäft seines ­ ­Lebens. Aber bis dahin war es ein langer Weg, auf dem er sich vielen Gefahren aussetzte. Denn wer im Kaiserreich ein hanseatischer Kaufmann ­werden wollte, der musste in der Welt herumkommen, zum «Kaffeelernen». Otto Lagerfeld erfuhr also schon in jungen Jahren, was globaler Handel bedeutet – und wie die Weltgeschichte zuschlagen kann. Schon Otto Lagerfeld senior, sein Vater, war Kaufmann. Im Hamburger Telefonbuch von 1910 ist sein Name verzeichnet als «Weinhandlung und beeidigter Weinverlasser, General-Depot der GrandeChartreuse (Pères Chartreux in Tarragona)». Der Weinhändler, der 1845 geboren worden war, saß am Rödingsmarkt 74, also ganz in der Nähe des Hamburger Binnenhafens, und verkaufte auch Kräuter­ likör.4 Sein Sohn Otto baute ihm fürs Alter ein Haus in Ottensen: Als Traueradresse für Tönnies Johann Otto Lagerfeld, der am 22. Juni 1931 im Alter von 85 Jahren starb, war Elbchaussee 70 angegeben. Vater

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Das Haus mit Blick auf die Elbe war auch noch die Traueradresse beim Tod seiner Frau Maria Lagerfeld, geborene Wiegels, am 13. März 1936.5 Damals war die Elbchaussee, auch der vordere Teil in Ottensen, eine noch feinere ­Anschrift als heute, denn die Hauptverkehrsstraße in die Elbvororte war kaum von Autos befahren. Auch gerade Hausnummern, stadtauswärts auf der rechten Seite gelegen, waren nicht von Nachteil. Heute bedeutet das, dass man, um zur Elbe zu ­gelangen, eine viel­befahrene Straße überqueren muss.6 Otto Lagerfeld junior, eines von elf Kindern, wurde ein Kaufmann wie sein Vater, machte eine Lehre in einem Hamburger Kaffee-Handelsunternehmen, absolvierte seinen Militärdienst und ging Ende 1902 für die Hamburger Firma Van Dissel, Rode & Co. nach Maracaibo in Venezuela. Ein solcher Auslandseinsatz im Zeichen des damals in Hamburg begehrten venezolanischen Kaffees war ungemein gefährlich.7 Otto Lagerfeld setzte sich nicht nur dem Gelbfieber aus, das von Mücken aus der sumpfigen Umgebung von Maracaibo übertragen wurde. Wegen des Verfalls des Kaffeepreises gab es auch politische Unruhen. 1899 brachte eine Revolution in Kolumbien das ­Geschäft mit dem Nachbarland zum Erliegen. Guerrillakämpfe erschwerten die Arbeit auf den Plantagen. Von 1902 bis 1903 führte die «Venezuela-Krise» dazu, dass viele Deutsche im Land verhaftet wurden. Trotzdem schiffte sich der Einundzwanzigjährige 1902 auf einem Frachtkahn nach Venezuela ein.8 Laut seinen eigenen Aufzeichnungen geriet er in Maracaibo in Kriegsgefangenschaft. Und das Gelbfieber überlebte er nach eigenen Worten nur, weil ihn eine Indianerin Tag und Nacht mit Öl eingerieben habe.9 Auf der Suche nach besseren Kaffeebohnen bereiste er Kolumbien auf dem Rücken von Maultieren. Die politischen Konflikte, die erst mit einem Abkommen im März 1903 endeten, zeigten dem jungen Kaufmann, dass man nicht erfolgreich handeln kann, wenn es die politische Lage nicht zulässt. Seinen Vertrag kündigte er nach wenigen Jahren, weil sich ihm keine Aufstiegschancen boten.10 Otto Lagerfeld reiste in die Vereinigten Staaten, wo schon seine beiden Brüder Joseph und Johannes lebten. Am 16. April 1906 kam er in San Francisco an,11 zwei Tage vor dem großen Erdbeben mit mehr als 3000 Todesopfern, das auch zu 18

Vorgeschichte

Anzeige aus dem Jahr 1912: Otto Lagerfeld verkaufte in Wladiwostok Dosenmilch und weitere amerikanische Produkte wie Fliegenfänger, Seile und Werkzeuge.

verheerenden Bränden führte. Von Sausalito aus, auf der anderen Seite der Golden-Gate-Meerenge gelegen, habe er die Feuer beobachtet, erzählte er seiner Enkelin Thoma Schulenburg.12 Noch mindestens bis zum Dezember 1906 blieb Otto Lagerfeld in San Francisco.13 Von dort aus reiste er in Richtung Norden nach Kent bei Seattle im Bundesstaat Washington, zu der noch jungen Carnation Evaporated Milk Company, die für ihr expandierendes Geschäft einen ehrgeizigen Handelsreisenden gut gebrauchen konnte. Über ­Japan, Manila und Hongkong kam er 1907 nach Wladiwostok und baute dort eine Vertretung für den Dosenmilchhersteller auf.14 Kondensmilch war noch ein recht neues Produkt. Erst seit dem 19. Jahrhundert war es möglich, die Keime in der Milch durch Erhitzung abzutöten, ihr durch Eindickung Wasser zu entziehen und durch ­ Homo­ genisierung die Fett-Tröpfchen so zu zerkleinern, dass die Milch nicht so schnell aufrahmt und leichter zu verdauen ist. Bedarf an Kondensmilch, die lange haltbar ist, hatten vor allem Regionen, in Vater

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denen Frischmilch fehlte  – und das waren damals viele Gegenden, denn Kühlschränke waren noch nicht verbreitet. Aber Russland? Und dann gleich Wladiwostok? 8000 Kilometer von Hamburg entfernt? Karl Lagerfeld, der viel über seine Mutter erzählte, aber wenig über seinen Vater, konnte seine Zuhörer in Gesprächen immer wieder mit dem Satz verblüffen: «Mein Vater hat sogar in Wladiwostok Kondensmilch verkauft.» Da schmückte sich der Sohn mit dem Unternehmergeist und der Abenteuerlust seines Vaters. Der Heimatforscher Andrei Sidorov aus Wladiwostok hat in einem Nachschlagebuch von 1912 eine Anzeige gefunden, die Otto Lagerfeld aufgegeben hatte.15 Demnach verkaufte er außer Kondensmilch auch weitere amerikanische Produkte wie Fliegenfänger, Trockenfrüchte, Manilahanf-Seile, Feilen und andere Metallwerkzeuge wie Bohrer für Minenarbeiten und landwirtschaftliche Geräte. Die Stadt am östlichen Rand des Russischen Reichs war ein ideales Terrain für einen Kaufmann, der gute Verbindungen zu Herstellerfirmen hatte. Denn die Transsibirische Eisenbahn, die in mehreren Etappen bis 1916 fertiggestellt wurde, rückte den Fernen Osten näher an Europa heran. Das führte seit 1903 zu einem wirtschaftlichen ­Aufschwung: Die wichtigste russische Hafenstadt am Pazifik wurde zu einem internationalen Handelszentrum. Die Dosenmilch, benannt nach dem amerikanischen Wort für Nelke, Carnation, verkaufte Otto Lagerfeld in der ostsibirischen Stadt unter dem russischen Wort für Nelke: Gwosdika. Für den Russland-Liebhaber, der auch Russisch sprach, muss es besonders schmerzhaft gewesen sein, dass sich mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs alles änderte. Als Deutschland am 1. August 1914 Russland den Krieg erklärte, beantragte Otto Lagerfeld bei den russischen Behörden seine Ausreise über Japan in die Vereinigten Staaten, denn aufgrund der «Einstellung der Handelsoperationen mit London und Hamburg» könne er seine Geschäfte nicht mehr fortsetzen.16 Aber wenige Tage später wurde er festgenommen, weil man ihn und weitere Landsmänner der Spionage verdächtigte.17 Im Gefängnis von Wladiwostok beantragte er noch die russische Staatsangehörigkeit, weil er seit sieben Jahren in Russland lebe und im Alltag neben Englisch auch Russisch spreche.18 Aber vergebens. Die Amerikanerin 20

Vorgeschichte

Eleanor  L. Pray war Zeugin am Bahnsteig, als Otto Lagerfeld und weitere Deutsche abtransportiert wurden.19 Nach einer mehr als 2000 Kilometer weiten Fahrt Richtung Norden, zu großen Teilen vermutlich per Schiff, kam er nach Werchojansk, in ein verlorenes Nest jenseits des Polarkreises. Jakutien war schon zu Zarenzeiten eine Region für Verbannte. Zunächst waren es Bauern und Arbeiter, Altgläubige und Sektenanhänger, nun vermehrt «Politische». In Stalin-Zeiten wurde Jakutien dann zum «Gefängnis ohne Gitter». Die Gegend war so entlegen, die Bedingungen waren so rau, dass an Flucht kaum zu denken war, zumal es keine Eisenbahnen und keine befestigten Straßen gab. Werchojansk hatte 470 Einwohner, drei Läden, eine Kirche. Von Otto Lagerfelds Zeit dort ist wenig überliefert.20 Er unterstand der örtlichen Polizei, nicht den militärischen Behörden. In Werchojansk gab es kein Kriegsgefangenenlager – es war ein Ort der Verbannung. Die Umstände des Lebens dort lassen sich nur indirekt erschließen. Otto Lagerfeld schrieb 1956 in einem Leserbrief an die «Frankfurter Allgemeine», ergänzend zu einer Zeitungsmeldung über «Milch in Scheiben»: «Ich möchte dazu mitteilen, dass nicht nur in Jakutsk an der Lena Milch in Scheiben käuflich ist, sondern in ganz Nord­ sibirien. (…) Im Winter wird die Milch in einen tiefen Teller gemolken, und während des Melkens und gleich danach ist die Milch gefroren. Die Bauersfrauen lösen die Milch vom Teller dadurch ab, dass sie mit dem Teller über das Feuer streichen und die Milchscheiben in einen Sack werfen. Man kauft die Milch in Nordsibirien per Sack und hält sie in einem Eisloch zu Hause. Wenn man Milch benötigt, geht man hinein, schlägt sich etwas Milch ab und taut es über dem Herdfeuer auf. Ich war vier Jahre an der nördlichen Lena in der Nähe von Jakutsk während des ersten Weltkrieges interniert. Wir hatten dort durchschnittlich 50 bis 55 Grad Kälte im Winter.»21 Was für eine unterkühlte Darstellung! Das Leben in der Gegend muss brutal gewesen sein. Am 5. Februar 1892 herrschten dort minus 67,8 Grad, die bis dahin niedrigste gemessene Temperatur. Werchojansk galt forthin als «Kältepol» aller bewohnten Gebiete in der nördlichen Hemisphäre, als «kälteste Stadt der Welt». Aber Otto Lagerfeld, der Elend und Entbehrung gar nicht erst thematisiert, ­ Vater

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schreibt in sachlicher Form über Milch, als wäre in dieser entlegenen Siedlung sonst nicht viel passiert. Man erkennt darin den traditio­ nellen männlichen Gestus, sich nichts anmerken zu lassen, vielleicht auch die hanseatische Tugend, Schicksalsgeschichten in Understatement zu kleiden, womöglich die fürs 20. Jahrhundert so typische Überlebensstrategie der Verdrängung. Otto Lagerfeld gelangte in den Wirren der Revolution 1918 über Sankt Petersburg zurück nach Hamburg. Schon 1919 begann er dort mit seiner Firma Lagerfeld & Co., Carnation-Dosen einzuführen.22 Eingetragen wurde er ins Handelsregister am 1. März 1919 gemeinsam mit seinem Bruder Johannes Jacob Lagerfeld, wie er «Kaufmann zu Groß Flottbek». Am 26. August 1922 wurde auch Carl Wübbens als Mitgesellschafter eingetragen, ein Freund, mit dem er von Wladiwostok aus verbannt worden war.23 Evaporierte Dosenmilch wurde langsam populär. 1923 gründete Otto Lagerfeld eine eigene Marke unter dem Namen Glücksklee. Das rot-weiße Etikett mit dem vierblättrigen grünen Kleeblatt, damals noch mit dem Kopf einer Kuh in der Mitte, entwarf er selbst. Wie man eine Marke aufbaut, das konnte Karl Lagerfeld am Beispiel seines Vaters gut beobachten. Der Sohn schien stolz darauf zu sein: Noch in den siebziger Jahren trug er ein goldenes Glücksklee-Blatt am Revers.24 «Lagerfeld & Co.» saß An der Alster 52. Die «Gen.-Vertr. f. amerikan. Dosenmilch ‹Carnation›» war wohl das erste deutsche Unternehmen, das sich auf Kondensmilch spezialisierte. Zunächst importierte der Geschäftsführer die evaporierte Milch für fünf Dollar je Kiste.25 Aber wegen höherer Importzölle musste seit 1922 jede Milchkiste laut Lagerfelds Aufzeichnungen mit 20  Reichsmark verzollt werden. Daher überzeugte er seine amerikanischen Lizenzgeber, dass es billiger sei, die Dosen mit deutschen Arbeitskräften herzustellen und mit deutscher Milch zu befüllen. 1925 gründete er die «Glücksklee Milchgesellschaft mbH» – und profitierte in den nächsten Jahren vom bescheidenen Wohlstand der «Goldenen Zwanziger». Am 1. Mai 1926 lief die Produktion im neuen Fabrikgebäude am Hafen von Neustadt an. Die Stadt liegt logistisch ideal: in der Nähe der vielen Milchviehbetriebe in Ostholstein und mit direktem Zugang zur Ostsee für den Vertrieb. «Die Glücksklee», wie man in Neu22

Vorgeschichte

stadt sagte, war eine Erfolgsidee. Denn die Zeit war reif für die haltbare Milch: Man kann heiße Schokolade und Desserts damit zubereiten, den Kaffee genießbar machen oder die mit Wasser verdünnte Milch einfach trinken. Eine Glücksklee-Werbung von 1930 hatte die Überschrift «Bitte, gib mir noch mehr, Mutti»: «Auch Kinder, die sonst nur ungern Gemüse essen, bitten um eine zweite Portion, wenn am Gemüse etwas Glücksklee-Milch ist.» Mit den seit 1933 herrschenden Nationalsozialisten suchte sich Otto Lagerfeld gut zu stellen – aber geschäftlich geriet er in Schwierigkeiten. Bis 1937 wurden zwar sogar noch zwei weitere Werke angegliedert, in Waren (Mecklenburg) und in Allenburg (Ostpreußen). Der Krieg schnitt jedoch in die Produktion ein. Der Fabrikleiter schrieb in einem Brief vom 9. April 1941: «Dann fehlen uns die Kohlen, dann Dosen, dann Fässer, dann fehlt uns Blech, dann Lötzinn, und so ist jeden Tag was Neues los, Sie können sich nicht denken, was es heißt, 130 000  Liter Milch täglich anzunehmen, ohne dass man weiß, ob man sie noch verpacken kann.»26 Bald musste man auf Käse-, Butter- und Milchpulverproduktion umstellen. Die Werke in Waren und Allenburg gingen durch den Krieg verloren. Der Direktor hatte aber keine Not zu leiden. Nach den Angaben auf seinem Ent­ nazifizierungs-Fragebogen hatte er durch Gehalt, Bonus, Dividende, Zinsen und Miete seit 1935 stets ein Bruttoeinkommen von mehr als 50 000 Reichsmark im Jahr, von 1940 bis 1944 waren es sogar etwa 70 000 Reichsmark.27 In den letzten Tagen des Krieges spielte sich in der Lübecker Bucht eine Tragödie ab. Vor Neustadt versenkten am 3. Mai 1945 britische Bomber die deutschen Schiffe Cap Arcona, Thielbek, Deutschland und Athen, die keine Truppenverbände an Bord hatten, wie die Briten annahmen, sondern hauptsächlich Häftlinge aus Konzentrations­ lagern. Mehr als 8000 Menschen kamen dabei ums Leben. In Neustadt brach das Chaos aus. Die Überlebenden holten sich Lebens­ mittel aus den Magazinen der Glücksklee. Ein Verpflegungsgüterzug mit Käserädern, Zuckersäcken und Butterpaketen am Bahnhof wurde ausgeräumt. Auch Einwohner, Fremdarbeiter und Kriegsgefangene plünderten die Lebensmittellager.28 Dabei kam es zu tragischen Todes­ fällen: Entkräftete ehemalige Häftlinge, die sich auf die Butter stürzVater

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ten, vertrugen die ungewohnte Kost nicht und starben «in großer Zahl».29 Unklar ist, ob der Glücksklee-Direktor in diesem Zusammenhang festgenommen wurde, etwa weil er Lebensmittel bevorratet und den Behörden vorenthalten hatte. Angeblich kam Otto Lagerfeld jedenfalls vorübergehend in Neumünster in Untersuchungshaft. «Seiner Frau war das sehr peinlich.»30 Dafür hatte der Direktor schon bald nach dem Krieg wieder Glück mit Glücksklee. Die Währungsreform von 1948 half dem Kaufmann: «Durch die einseitige Abwertung der Geldvermögen und die Stabilität der Sachwerte wurden Haus- und Grundbesitzer, Wirtschafts­ unternehmen und Kaufleute extrem begünstigt.»31 1952 verarbeitete das Unternehmen 535 000  Liter Milch pro Tag. «Die Glücksklee» war ein wichtiger Arbeitgeber in Neustadt, der größte Steuerzahler der Stadt und ein hervorragender Abnehmer für die Milchbauern in Ostholstein. In seiner Kindheit und Jugend erlebte Karl Lagerfeld einen Vater, der ständig zu den Fabriken unterwegs war oder zum Hauptsitz seiner Firma am Mittelweg 36 in Hamburg.32 «Der hat sich außer um Dosenmilch um nichts gekümmert», sagte er.33 «Mein Vater sprach wenig, höchstens über Geschäfte. Er war sehr hanseatisch. Tiefe Konversationen hatte ich mit ihm nicht. So was galt damals als Mangel an Schamgefühl.»34 Er sei ein «Pfeffersack» gewesen, also ein echter Hamburger Kaufmann.35 Anfreunden konnte sich Karl Lagerfeld mit den Geschäften nicht. Der Hamburger Großbürgersohn fremdelte mit der holsteinischen Provinz. Nur einmal sei er zur Glücksklee-­ Fabrik nach Neustadt gekommen, so erinnerte sich später sein Cousin Kurt Lagerfeld. Das fünfundzwanzigjährige Jubiläum der Fabrik wurde im Mai 1952 im nahen Grömitz begangen. Als bei dem Fest ein Bauer mit Karl ein Bier trinken wollte, habe der Achtzehnjährige abgewinkt: Er trinke nur Champagner.36 Bald darauf ging er nach ­Paris.37 Otto Lagerfeld blieb bis 1957 Glücksklee-Geschäftsführer. So erfolgreich er auch gewesen war: Der Marktanteil von Bärenmarke, der Allgäuer Konkurrenz, die vor allem den süddeutschen Markt beherrschte, lag 1963 bei 26 bis 28 Prozent, während Glücksklee auf 16 bis 17 Prozent kam.38 Mitte der Sechziger lag der Umsatz, den rund 24

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1000 Mitarbeiter erwirtschafteten, bei vermutlich mehr als 100 Millionen Mark.39 Heute ist das Werk Otto Lagerfelds kaum noch zu ­sehen. Der amerikanische Glücksklee-Lizenzgeber wurde 1985 vom Schweizer Konzern Nestlé übernommen. Am 17. September 1987 wurde die Glücksklee GmbH aufgelöst und in die Nestlé Deutschland AG integriert.40 Das Werk in Neustadt an der Ostsee stellte zum 31. Dezember 2002 nach 76  Jahren seinen Betrieb ein, obwohl die Produktivität stimmte und die Auftragsbücher voll waren. Die Neustädter waren enttäuscht von Nestlé. Das lange Backstein-Gebäude am Hafen stand plötzlich leer. Schon im Jahr 2003 verkaufte Nestlé seine Kondensmilch-Sparte an die Hochwald-Nahrungsmittelwerke in Rheinland-Pfalz. Seit 2008 ist Hochwald alleiniger Hersteller von Dosen-Kondensmilch in Deutschland. Der Verbrauch ist rückläufig. Man ernährt sich heute gerne fettarm. Nur noch ältere Menschen ­stechen zwei Löcher in die Dose und drücken die fettreiche Milch tropfenweise in den Kaffee. Otto Lagerfeld, ein freundlicher Herr, der aber stets distanziert blieb, versuchte in späten Jahren, seine Enkelin Thoma an seinen ­Lebenserfahrungen teilhaben zu lassen. Er nahm das Mädchen mit nach St. Pauli, in eines der chinesischen Restaurants am WilhelmsPlatz, dem späteren Hans-Albers-Platz, und plauderte mit den Besitzern auf Chinesisch. Die Sprache und das Essen beeindruckten sie sehr. Es ist unklar, ob Otto Lagerfeld in seinen Lehr- und Wander­ jahren wirklich neun Sprachen gelernt hatte, wie sein Sohn später behauptete.41 Sicher aber sprach er Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch und etwas Chinesisch. Und nun freute er sich, dass er das mal jemandem zeigen konnte.42 Im März 1960 zogen Otto Lagerfeld und seine Frau Elisabeth nach Baden-Baden. Bei der Anmeldung an seinem Altersruhesitz gab er als Beruf «beratender Direktor» an;43 von seiner Lebensaufgabe konnte er offenbar noch immer nicht lassen. Als Rentner hatte er nach den Worten seines Sohns «nichts mehr zu tun, keine Aufgabe, fühlte sich nutzlos, hat den ganzen Tag nur Zeitung gelesen, zehn Jahre lang.»44 Sein Vater sei «an Langeweile» gestorben: «Er ist ­nämlich beim Zeitunglesen mit 90 eingeschlafen.»45 Dabei war Otto Lager­feld, als er am 4. Juli 1967 im Schwarzwälder Rentnerparadies Vater

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starb, 85 Jahre alt – so alt wie sein Vater und sein Sohn, als sie starben. Erst drei Wochen nach dem Tod des Vaters habe seine Mutter ihm die traurige Nachricht überbracht, sagte Lagerfeld oft. Das mache aber nichts, fügte er hinzu, er gehe ohnehin nicht gerne auf Beerdigungen.46 Allerdings erschien schon zwei Tage nach dem Tod des ­Vaters die von der Glücksklee-Milchgesellschaft aufgegebene Todesanzeige in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». «Aus kleinsten Anfängen», so heißt es dort, habe Otto Lagerfeld «eines der bedeutendsten Unternehmen der deutschen Milchwirtschaft» geschaffen.47 Sollte die Mutter nichts von der Anzeige mitbekommen haben? Sollte sie es riskiert haben, dass der Sohn in Paris vom Tod des Vaters durch eine Anzeige erfährt und nicht durch sie selbst? Natürlich nicht. Die Nachricht vom Tod seines Vaters muss Karl Lagerfeld bald erreicht haben, denn die Erdbestattung auf dem Nienstedtener Friedhof in Hamburg fand am 10. Juli 1967 statt, und er war dort. Beziehungsweise auch wieder nicht. Die Beisetzung war nämlich ein letztes seltsames Zeugnis der merkwürdigen Beziehung von Karl Lagerfeld zu seinem Vater. Der Sohn des Verstorbenen ging nicht etwa zum Friedhof, sondern wartete im nahen Hotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee, bis die Trauergesellschaft dort schließlich erschien.48 Die Familie war empört. Bei dem Anlass machte sich auch «Tante Ebbe» unbeliebt. Nach der Erinnerung von Karls Cousin Kurt sagte Elisabeth Lagerfeld zur Familie ihres Mannes, das mit der Verwandtschaft sei ja jetzt vorbei: «Jetzt sagen wir Sie zueinander.» Karl Lagerfelds später geäußerter Satz, mit ihm werde die Dynastie der Lagerfelds enden, musste die Familie ebenfalls ärgern. Denn auch Otto Lagerfelds Geschwister hatten Kinder, Enkel und Urenkel. Es gibt in Deutschland und in den Vereinigten Staaten viele Menschen mit dem Namen Lagerfeld, die meisten von ihnen sind jedoch nicht im Telefonbuch zu finden. Man kann Karl Lagerfeld aber nicht vorhalten, dass er sich nicht um das Familiengrab im Feld 16D des Nienstedtener Friedhofs gekümmert hätte, in dem auch sein Großvater, seine Großmutter und zwei seiner Tanten begraben liegen. Die Laufzeit des sechsstelligen Wahlgrabs, so die Friedhofsverwaltung, wurde beizeiten von ihm 26

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selbst verlängert: bis zum Jahr 2042.49 Das ist eine außergewöhnlich lange Zeitspanne. Wenn seine Ruhestätte eingeebnet wird, ist Otto Lagerfeld, die letzte Person, mit der das Familiengrab belegt wurde, schon seit 75 Jahren tot.

Mutter Sein Vater kam Karl Lagerfeld abgehoben vor. Also hielt er sich an seine Mutter, die öfter da war und stets etwas zu sagen hatte. Ihre spitzen Bemerkungen allerdings drückten neben abgründigem Witz vor allem unerbittliche Strenge aus. All die Merksätze und Urteilssprüche, die ihr Sohn einer staunenden Öffentlichkeit überlieferte, lassen Elisabeth Lagerfeld nicht gerade als mütterliche Person erscheinen. Vielmehr ist zu erahnen, dass sie ihre hohen Ansprüche ans Leben ungefiltert an ihren einzigen Sohn weitergab  – und ihn dadurch zugleich frustrierte und stimulierte. Einmal erzählte Lagerfeld, sie habe seine alten Tagebücher weg­ geworfen. «Das braucht ja nicht jeder zu wissen, dass Du so doof bist.»50 «Setz keine Hüte auf, Du siehst aus wie eine alte Lesbierin.»51 «Du siehst aus wie ich, aber nicht so gut.»52 «Deine Nase ist wie eine Kartoffel. Und Du solltest Vorhänge für die Nasenlöcher bestellen!»53 «Du hättest mehr aus Dir machen können, aber bei deinem Mangel an Ehrgeiz ist es schon okay, was du geschafft hast.»54 «Sprich bitte schneller, damit du mit dem Stuss, den du redest, bald zu Ende kommst.»55 «Mit so dicken Fingern solltest Du nie im Leben rauchen oder Klavier spielen.»56 «Schade, dass du dich nicht über den Hof gehen siehst, sonst hättest du gesehen, was für einen dicken Hintern du gekriegt hast.»57 Man kann nur schwer ermessen, wie mütterliche Härte ein Kind prägt. Die bizarre Bosheit dieser mütterlichen Botschaften kann wohl kein Minderjähriger als originell erkennen. Wegen der harschen Bemerkungen fremdelte er mit seiner Rolle als Kind. Somit musste er Mutter

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sich auch unter Gleichaltrigen als Außenseiter fühlen. Die Merksätze verstärkten den Wunsch, so schnell wie möglich das beklemmende Dasein als Kind hinter sich zu lassen und erwachsen zu werden. Vielleicht war das aber auch alles gar nicht so gemeint – und die Sätze zeugten von mütterlichem Stolz, der durch Herabsetzungen relativiert werden musste. Man muss einen Schritt zurücktreten und auf die Geschichte von Elisabeth Bahlmann schauen, um ihr Verhalten zu deuten. Als Tochter des Landrats in Beckum wurde sie zwar in provinziellen Verhältnissen groß; die Stadt zwischen Münster und Paderborn hatte um die Wende zum 20. Jahrhundert nicht einmal 10 000  Einwohner. Aber Elisabeth und ihre ältere Schwester Felicitas Bahlmann wuchsen in dem Bewusstsein auf, dass sie wegen vieler familiärer Ortswechsel diesen Verhältnissen nicht entstammten. Außerdem hatten sie als Töchter des Landrats in der provinziellen Umgebung eine herausgehobene Stellung und konnten folglich leichter den Kindheitsmustern entfliehen als Alteingesessene. Denn ihr Vater Karl Bahlmann (1859 bis 1922) war nicht einfach ein westfälischer Provinzpolitiker. Er war in Neustadt in Oberschlesien geboren worden, machte 1881 sein Abitur in Recklinghausen, studierte Rechtswissenschaften in Freiburg, Greifswald und Berlin, wurde 1884 in Jena promoviert, war Regierungsassessor und von 1891 bis 1899 Oberamtmann in Gammertingen auf der Schwäbischen Alb und schließlich von 1899 bis 1922 Landrat im Kreis Beckum. Von 1911 bis 1920 war er für die Zentrumspartei auch Mitglied im Provinziallandtag der Provinz Westfalen. Den langsamen Abstieg der Zentrumspartei, das Erstarken der Nationalsozialisten und die Auflösung des Provinziallandtags nach der Machtergreifung 1933 musste er nicht mehr miterleben. Karl Bahlmann, dessen Enkel seinen Vornamen erben sollte, war mithin ein gebildeter und umtriebiger Mann, der sich in Politik, Justiz und Bürokratie des Kaiserreichs und der beginnenden Republik gut auskannte. Schon sein Vater Wilhelm Bahlmann (1828 bis 1888) war Richter und Ministerialbeamter in Preußen gewesen. Die Ernennung Karl Bahlmanns zum Landrat nahm der Kaiser persönlich vor. «Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc.», so beginnt 28

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Auf die Haltung kam es an: Die Schwestern Felicitas (links) und Elisabeth Bahlmann wuchsen privilegiert in der damaligen Kreisstadt Beckum auf.

das Schreiben Wilhelms  II. vom 23. August 1899, das in Bahlmanns Personalakte im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, erhalten ist. Er habe die Bestallung, so schrieb der Kaiser, «aller­ höchst selbst vollzogen».58 Die noch junge Familie zog nach Beckum  – und sollte es nicht ­bereuen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging es ihnen dort gut. Der neue Landrat beantragte beim Regierungspräsidium als Reserve­ offizier nicht nur die Freistellung für «militärische Dienstleistung», die er mindestens in den Jahren 1900, 1905 und 1907 absolvierte, in der Regel für vier Wochen. In der Personalakte im Landesarchiv Münster sind auch seine Urlaubsanträge zu finden. 1901 ging es für vier Wochen nach Norderney, im August 1904 für drei Wochen in die Schweiz, im Sommer 1905 für vier Wochen nach Tirol, 1907 vier ­Wochen im Juli in die Schweiz. Mutter

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Der Familie fehlte es in dieser Zeit an nichts. Vom 1. Oktober 1904 an bewilligte der Regierungspräsident von Münster dem Landrat zum Jahresgehalt von bis dahin 5400  Mark eine Zulage von 600 Mark. Zum 1. Oktober 1907 wurden auf die 6000 Mark weitere 600 Mark jährlich aufgeschlagen. Und schon zum 1. Oktober 1910 wurde von 6600 auf 7200 Mark erhöht. Das war viel Geld in Zeiten, in denen ein Arbeiter auf etwa 1500 Mark im Jahr kam und in denen ein Zentner Kohle oder ein Kilo Schweinefleisch nur etwas mehr als eine Mark kosteten. Schon 1911 wurde dem Landrat zudem vom Kreis ein Automobil für dienstliche Angelegenheiten zur Verfügung gestellt. Elisabeth, die am 25. April 1897 noch in Gammertingen im Landkreis Sigmaringen geboren worden war, also mit zwei Jahren nach Beckum kam, und ihre ältere Schwester Felicitas mussten sich wie Prinzessinnen fühlen. Die Familie lebte in einer großen Dienst­ wohnung im Erdgeschoss des Kreisständehauses in Beckum. Der neugotische Prachtbau von 1886/1887, heute «Altes Kreishaus», war mit seiner Größe und mit dem weitläufigen Park hinterm Haus für Kinder ein kleines Paradies. Elisabeth ging erst in Beckum zur Schule, von 1911 bis 1913 besuchte sie dann das Lyzeum im fünf Kilometer entfernten Ahlen. Nach der Mittleren Reife ging sie ab.59 Allerdings bekam das schöne Bild bald Risse. Denn Karl Bahlmann erlitt vermutlich im Frühjahr 1908 einen Herzinfarkt, noch keine 50 Jahre alt. Im April und Mai 1908 war er in Wiesbaden in ­Behandlung sowie im Oktober in Köln. Fortan war der Vater, der ­ohnehin viel im Landkreis unterwegs war, öfters an Wehrübungen teilnahm und sich seit 1911 auch immer wieder für die Verhandlungen des Provinziallandtags beurlauben ließ, noch seltener da. Denn nun fuhr er oft mehrmals im Jahr wochenlang zur Kur nach Bad Nauheim, das auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen spezialisierte Heilbad in Hessen. Den Amtsgeschäften ging er weiter unvermindert nach. Das lässt sich aus den Auszeichnungen schließen, die ihm verliehen wurden. Im Januar 1915 schrieb «Der Minister des Innern», «des Königs Majestät» habe den Landräten Karl Bahlmann in Beckum und Max Gerbaulet in Warendorf «mittels Allerhöchsten Erlasses vom 19. Januar 30

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1915 den Charakter als Geheimer Regierungsrat Allergnädigst zu verleihen geruht». 1917 erhielt er laut Aktenvermerk das «Eiserne Kreuz am weiß-schwarzen Bande». Am 19. April 1921 wurde sein Amt als «großes Landratsamt» eingestuft, was auch höhere Dienstbezüge bedeutete. Am 6. März 1922 dann die Nachricht des Kreis­ sekretärs an den Regierungspräsidenten: «Der Landrat, Geheimrat Dr. Bahlmann ist heute vormittag verschieden.» Bestattet wurde er auf dem Elisa­beth­friedhof in Beckum. Der frühe Tod des Vaters an seinem 63. Geburtstag traf die Familie schwer. Die Witwe musste die Dienstwohnung in Beckum für den neuen Landrat frei machen. Emilie («Milly») Bahlmann wollte nach Münster ziehen, wo schon ihre ältere Tochter Felicitas lebte. Dort fand sie aber keine Wohnung, «durch die auf dem Wohnungsmarkte bestehenden Schwierigkeiten», wie sie in einem Brief an den Regierungspräsidenten schrieb. Sie bat daher um Verständnis, dass sie erst im Folgejahr umziehen konnte. Und weil die Inflation galoppierte, suchte «Frau Wwe. Landrat Bahlmann» am 31. März 1923 um eine Umzugskostenbeihilfe nach.60 Am 11. September 1923 bewilligte ihr der Regierungspräsident dafür 3 037 376 Mark. Emilie Bahlmann, die zunächst in der Achtermannstraße wohnte, zog im Frühjahr 1929 in das neue Haus Dürerstraße 3 im aufstrebenden Kreuzviertel, einem der beliebtesten Wohnviertel von Münster, das direkt an die alte Stadtbefestigung grenzt, die heutige Promenade. Die Witwe des Landrats war die erste Mieterin im ersten Stockwerk, in der Bel Etage. Die Enkelin der Besitzer, Ruth Brandt, 1922 geboren, erinnert sich noch heute, wie sie einen Knicks machen musste, wenn sie die schwarz gekleidete Witwe im Treppenhaus oder draußen traf. Emilie Bahlmann, die standesgemäß ein Hausmädchen hatte, sprach man als «Frau Geheimrat» oder auch «Frau Landrat» an.61 Ihre Tochter Felicitas lebte um die Ecke. Karl Lagerfelds Tante, ­geboren am 16. November 1892, hatte 1920 den Chirurgen Conrad Ramstedt geheiratet, der die Raphaelsklinik in Münster leitete. Nach der Erinnerung ihres Enkels Gordian Tork war Felicitas Ramstedt «sehr elegant, ihrer Zeit voraus und sehr selbständig». Seit den fünfziger Jahren fuhr sie als Vertreterin für Arzneimittel mit dem Auto durch Nordrhein-Westfalen. Manchmal durfte Gordian mitfahren, Mutter

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der Sohn ihrer jüngeren Tochter Felicitas («Tita»), verheiratete Tork. Und während die «Frau Professor», wie sie sich anreden ließ, bei den Ärzten vorsprach, putzte ihr Enkel draußen den Wagen, einen Ford Taunus.62 Die zwanziger Jahre waren keine leichten Zeiten. Für Elisabeth Bahlmann, die 24  Jahre alt war, als der Vater starb, bedeutete die durchaus prekäre Lage ihrer Mutter, dass sie schnell selbständig werden musste. In gewisser Hinsicht war ihr das vermutlich recht, denn sie wollte weg vom platten Land. Feministische Ideen waren ihr Leitbild. Schon in jungen Jahren hatte sie selbständig politisch gedacht, wie man an Äußerlichkeiten ablesen konnte. Seine Mutter habe ihr Haar «sehr früh abgeschnitten, um 1919», sagte Karl Lagerfeld einmal. «Sie war sehr feministisch. Auf den Bildern aus ihrer Kindheit hat sie ganz lange Haare. Später, für den Rest ihres Lebens, hatte sie die Haare immer kurz.»63 Bevor der Bubikopf in den zwanziger Jahren zum Modetrend wurde, war die weibliche Kurzhaarfrisur ein Ausdruck von weiblicher Freiheit, also eine feministische Aussage. Politisiert wurde Elisabeth Bahlmann von der Frauenbewegung, die jahrzehntelang für politische Teilhabe gestritten hatte. «Eine ihrer Heldinnen war Hedwig Dohm, die seit dem 19. Jahrhundert eine ­Feministin in Deutschland war, als Frauen noch keine bedeutende Rolle hatten», sagte Karl Lagerfeld 2015. In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als die ersten Bücher Dohms erschienen, seien die Rechte der Frauen beschränkt gewesen auf die drei K: Kinder, Küche, Kirche. Schon als Kind habe er von der Berliner Feministin gehört, deren Enkelin Katia später Thomas Mann heiraten sollte. «Man er­ innert sich an die englischen Suffragetten, aber die erste, die sich für Frauenrechte einsetzte, war Hedwig Dohm.»64 In der Tat hatte Hedwig Dohm (1831 bis 1919) als feministische Vordenkerin schon im 19. Jahrhundert gefordert, was erst im 20. Jahrhundert langsam Wirklichkeit werden sollte: Mädchen sollten die gleichen Bildungs- und Ausbildungschancen haben wie Jungen; für eine gleichberechtigte Partnerschaft mit einem Mann könne man sich als Frau nur entscheiden, wenn man ökonomisch selbständig sei; und Frauen solle endlich das Wahlrecht zugesprochen werden. Sie spießte die chauvinistisch grundierten Machtansprüche der Männer auf, und 32

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sie behauptete, Mutterliebe sei kein natürlicher Trieb, sondern an­ erzogen – die Frauen könnten also nach der Geburt weiter ihrem Beruf nachgehen, und Institutionen könnten Hausarbeit und Kindererziehung übernehmen. Mutterliebe kein natürlicher Trieb? Das erinnert stark daran, wie Elisabeth Lagerfeld mit ihrem Sohn umging. Sollte sich der Lebensweg dieses Mannes nicht nur dem Ehrgeiz und der Strenge seiner Mutter verdanken, sondern womöglich auch ihrem feministischen Impuls? Als Heranwachsende wird Elisabeth Bahlmann begeistert gewesen sein von der Aussicht, dass Frauen, die seit 1908 Mitglied einer politischen Partei werden durften, dann auch wählen konnten. Laut der Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden deutschen ­Nationalversammlung («Reichswahlgesetz») vom 30. November 1918 durften nun «alle deutschen Männer und Frauen» wählen, «die das 20. Lebensjahr vollendet haben». Auch die 21  Jahre alte Elisabeth Bahlmann wird bei der Wahl am 19. Januar 1919 ihre Stimme abgegeben haben. Am Ende waren unter den 423 Mitgliedern der deutschen Nationalversammlung, die bis zum September in Weimar tagte und dann in Berlin, 37 Frauen: 19 von ihnen für die SPD, sechs fürs Zentrum und noch weniger für die anderen Parteien. Man kann annehmen, dass es wegen dieses hart erkämpften Erfolgs der Frauen­ bewegung auch im Hause Bahlmann zu Diskussionen kam, denn der Vater war als Mitglied der gemäßigt konservativen Zentrumspartei vermutlich kein Anhänger des Frauenwahlrechts. Überhaupt wurde Elisabeth Bahlmann streng erzogen. Kinder­ erziehung im Kaiserreich hatte wenig mit Zuwendung zu tun. Liebe sollte man außer seinem Ehepartner allenfalls noch dem Vaterland entgegenbringen. Militarismus, Autoritarismus und  – im Münsterland  – Katholizismus führten in der Erziehung zu unerbittlicher Strenge. Zärtlichkeit war nicht vorgesehen. «Körperliche Nähe war meiner Mutter zuwider», sagte Karl Lagerfeld einmal. «Dass ich auch so bin, habe ich sicher von ihr geerbt.»65 Gordian Tork, 1951 geboren, sagt, seine Großmutter Felicitas und ihre Schwester Elisabeth seien in dem preußischen Beamtenhaushalt in Beckum streng erzogen worden: «Da ging es viel um Etikette und Benehmen. Sie mussten Mutter

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Ehrfurcht vor den Eltern haben und durften keine Gefühle zeigen.» In der Familie sei man aber liebevoll miteinander umgegangen. «Tante Ebbe war nicht so herrisch, wie er sie oft darstellte», sagt Tork über seinen Onkel zweiten Grades. «Sie war scharfzüngig, aber eben auch lustig.»66 Als junge Frau ließ Elisabeth Bahlmann Provinz und Patriarchat hinter sich und zog nach Berlin. Nach der Erinnerung von Karl ­Lagerfelds Cousin Kurt arbeitete sie dort als Verkäuferin in einem Kaufhaus, in der Abteilung für Damenunterwäsche.67 Thoma Schulenburg, die Tochter ihrer Stieftochter Thea, sagt aber, dass sie in Berlin eine Schneiderlehre gemacht und als Direktrice in einem Modehaus gearbeitet habe: «Sie hatte über Stoffe ein unglaubliches Wissen und hat mit Freude und Talent alle Arten von Handarbeit gemacht.» Es sei ein großes Vergnügen gewesen, nach dem Krieg mit ihr in Hamburg ins Geschäft «Seiden Brandt» am Rathaus zu gehen: «Sie begutachtete die Stoffe durch ein Monokel und maßregelte das Verkaufspersonal nur mäßig, denn sie wollte ja wiederkommen.»68 Als Verkäuferin zu arbeiten hätte nicht ihrem Bedürfnis nach Selbständigkeit widersprochen. Im Gegenteil: Denn anders als die meisten jungen Frauen in Beckum emanzipierte sie sich von der Rolle als Hausfrau und Mutter, die damals für Mädchen vom Land vorgesehen war. Die Angestellte symbolisierte «den neuen, modernen Typ der Frau», schreibt der Historiker Ulrich Herbert. Sie verkörperte «eine gewisse neue weibliche Selbstständigkeit und bildete einen deutlichen Kontrast zu jenem wilhelminischen Frauenbild, als dessen Prototypen die Bäuerin, die verhärmte Arbeiterfrau mit vielen Kindern und die bürgerlich-konservative, dem Erwerbsleben ferne ‹Gattin› der besseren Gesellschaft galten».69 Angestellte wurden mit erweiterten Konsummöglichkeiten und großstädtisch orientiertem Freizeitverhalten assoziiert.70 Es ist unklar, wann Elisabeth Bahlmann ihr Zuhause verließ. «Als junge Frau hatte sie erst in München gelebt, dann in Berlin», sagte Karl Lagerfeld.71 In den jährlichen Ausgaben des «Berliner Adreßbuchs» und des «Adressbuchs der Stadt München und Umgebung» ist sie nicht verzeichnet. Und ihrem Sohn schwärmte sie immer nur vage von den Verlockungen der damaligen Reichshauptstadt vor. 34

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«Du kannst mich fragen, was Du willst, über meine Kindheit und über die Zeit, seit ich Deinen Vater kenne», sagte sie zu ihm. «Was dazwischenliegt, geht Dich nichts an.» Daher wisse er «im Grunde nichts» von seinen Eltern, «aber brauche ich ja auch nicht», sagte der Modemacher in seiner flapsigen Art: «Ist ja ihr Leben, geht mich ja nichts an.»72 Womöglich wollte seine Mutter verheimlichen, dass sie schon einmal verheiratet gewesen war. Ihr Sohn erwähnte das später immer nur nebenbei – und es blieb unklar, wo und wann und wer das war. Auch erfuhr die Nachwelt nicht, wie sich die erfahrungshungrige Elisabeth Bahlmann und der erfahrungsgesättigte Otto Lagerfeld ­ kennenlernten. Die Phantasie einiger Interpreten ergeht sich darin, dass sie sich in der Damenwäsche-Abteilung in Berlin kennenlernten, in der sie angeblich arbeitete und er angeblich einkaufte.73 Aber nach ihrer Berliner Zeit hatte sie noch Pläne, die sie wohl nicht angegangen wäre, wenn sie schon mit Otto Lagerfeld liiert gewesen wäre: Am 1. April 1929 zog sie nach Köln. Im Kölner Adressbuch von 1930 findet sich unter Elisabeth Bahlmann der Eintrag: «Kindergymnastik, Salierring  43hp, Telefon 217 742» – wobei «hp» für Hochparterre steht.74 Und in zwei Briefen aus Köln an ihre Mutter in Münster schreibt sie über ihr neues Leben. Es sei «alles in schönster Ordnung es fehlen nur die Kinder». Sie müsse ihr «Lädle», so schreibt sie, «in Schwung» bringen. Sie sei stolz auf die Schilder, «wenn ich es schon von weitem leuchten sehe». Sie berichtet über den «Turnraum», offenbar ein Zimmer in ihrer Wohnung, und sie schreibt über Besuche bei Ärzten, denen sie sich vermutlich als Kindergymnastin vorstellen wollte. «Mit den Kindern das wird schon bestimmt kommen», schreibt sie an Milly Bahlmann – und scheint sich selbst damit Mut machen zu wollen.75 In Berlin war sie also längst nicht mehr. Otto Lagerfeld könnte sie demnach gut im Sommer 1929 im Urlaub kennengelernt haben. Denn in diesem Fall scheint Karl Lagerfelds Überlieferung glaubwürdig zu sein: «In die Ferien an der Ostsee hatte sie ihre Nichten eingeladen. Und mein Vater, der Witwer war, war dort mit seiner Tochter. Als sie sich kennenlernten, dachte er, sie sei auch eine Witwe – war sie aber nicht.»76 Auch Otto Lagerfeld war schon einmal verheiratet gewesen. Mutter

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Der Unternehmer hatte am 31. Januar 1922, immerhin schon 40 Jahre alt, die Kaufmannstochter Theresia Feigl geheiratet, die am 20. März 1896 in Hamburg geboren worden war.77 Aber Theresia Lagerfeld starb noch im Jahr der Hochzeit im Kindbett, am 30. November 1922, gerade einmal 26 Jahre alt. Ihre Tochter, an ebenjenem 30. November 1922 geboren, wurde Theresia genannt und Thea gerufen, wie ihre Mutter. So kurz nach dem mit Mühe überstandenen Ersten Weltkrieg hatte Otto Lagerfeld nun noch ein Schicksalsschlag ge­ troffen. Seine Schwestern kümmerten sich um die kleine Thea, die ihr Leben lang mit der Bürde leben musste, dass ihre Mutter bei ihrer ­Geburt gestorben war. Am 8. März 1930 annoncierten «Otto Lagerfeld jr.», Elbchaussee 70, und Elisabeth Bahlmann («Münster i. Westf., Dürerstr. 3») in den «Hamburger Nachrichten» ihre Verlobung, «statt Karten». Am 11. April 1930 heirateten sie in Münster, er schon 48, sie noch 32 Jahre alt. Im Heiratseintrag des Standesamts Münster steht bei Elisabeth ­Josef Emilie Bahlmann der Hinweis «ohne Beruf», während bei ihrer Schwester Felicitas, die gemeinsam mit ihrem Mann Conrad Ram­stedt Trauzeugin war, «Hausfrau» angegeben ist.78 Ein Foto (s. Abb. S. 16) zeigt die kleine Hochzeitsgesellschaft vor dem Haus an der Dürerstraße, die Damen mit Glockenhüten, die Herren mit Zylinder, das Brautpaar in freudiger Stimmung, die Brautmutter in der Bildmitte sichtlich stolz, dass sie nun auch ihre jüngere Tochter gut verheiratet hatte, wie man damals so sagte – der erste Schwiegersohn war Professor, der zweite Direktor. Die Ehe ließ sich gut an. Von der Wirtschaftskrise, die den Nationalsozialisten zu immer größeren Erfolgen verhalf, war bei Glücksklee wenig zu spüren. Otto Lagerfeld verdiente so viel, dass er mit ­seiner Frau an der Elbchaussee weiter stadtauswärts ziehen konnte, wo es noch grüner, noch schöner, noch ruhiger war. Am 25. März 1930 kaufte er die Villa Baurs Park 4 von Auguste Baur, der Tochter von Georg Friedrich Baur, der diesen mit Villen bebauten Landschaftspark gegründet hatte.79 Aber schon am 7. April 1933 ging es hinüber in die Nummer  3, die einen noch schöneren Blick auf die Elbe gewährte, und zwar unverbaubar, weil der Hang steil zum Fluss hin abfällt. Doch zu Hause waren sie auch dort noch nicht. Die Kinder 36

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Christiane (1931) und Karl (1933) waren noch klein, als die Familie 1934 von Hamburg nach Bad Bramstedt zog. 1935 verkaufte Otto Lagerfeld Baurs Park  3 an den Nationalsozialisten Joachim de la Camp, damals Vizepräsident, später Präsident der Handelskammer Hamburg.80 Warum nur? Warum verlässt man eine der schönsten Adressen in ganz Blankenese? Womöglich wegen der Gefahren, die durch den ­Nationalsozialismus drohten. Otto Lagerfeld, der die Venezuela-Krise und den Ersten Weltkrieg überstanden hatte, sah nun wieder gewalttätige Auseinandersetzungen kommen: Der «Altonaer Blutsonntag» am 17. Juli 1932, als bei einem Marsch der SA, der nationalsozialis­ tischen «Sturmabteilung», 18  Personen erschossen wurden, spielte sich gewissermaßen vor der Haustür in Blankenese ab. In der holsteinischen Kleinstadt Bad Bramstedt, die mit dem Zug von Hamburg gut zu erreichen war und auf dem Weg zur Fabrik in Neustadt lag, hatten die Lagerfelds einen Sicherheitsabstand zu politischen Verwerfungen – und waren gut mit Lebensmitteln versorgt.81 Nach Meinung eines Zeitzeugen war aber nicht die Angst vor ­einem möglichen Krieg der Grund für den Umzug. Helmut Junge, 1930 geboren, Sohn des Rechtsanwalts und Notars Kurt Junge, der für Otto Lagerfeld arbeitete, lebte mit Familie in Baurs Park 5, gleich nebenan. Der kleine Helmut spielte oft mit Christel Lagerfeld. Das Kindermädchen Schwester Meta kümmerte sich auch um ihn  – für seine Mutter Gertrud war das «ein Geschenk», wie sich Junge erinnert. Mit Frau Lagerfeld jedoch kam Frau Junge gar nicht klar. Und der kleine Helmut auch nicht: Eines Morgens klingelte der Drei- oder Vierjährige nebenan, weil er mit Christel spielen wollte. Es war aber so früh, dass er Elisabeth Lagerfeld weckte. «Da hat sie mich gleich mal angepustet, was ich denn so früh wolle.» Generell sei sie in Blankenese nicht glücklich gewesen: «Das Problem der Familie war die Frau.»82 Ihrer Stiefenkelin erzählte Elisabeth Lagerfeld in der Tat später, dass sie dort unglücklich war. Der Blick hinab auf den Fluss wirkte nicht etwa beruhigend auf sie, sondern niederschmetternd: «Von Ebbe und Flut habe ich Depressionen bekommen», sagte sie zu Thoma Schulenburg. In der Unterelbe, einem Tidegewässer, variiert Mutter

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der Wasserstand zwischen Niedrig- und Hochwasser um mehr als 3,50 Meter, und bei Ebbe sind die großen Schlickflächen jenseits der Fahrrinne nicht unbedingt ein schöner Anblick. «Aber vielleicht war das auch nur ein Vorwand», meint Thoma Schulenburg.83 Elisabeth Lagerfeld fühlte sich in Blankenese jedenfalls fehl am Platz. Vielleicht auch, weil man in Hamburg erst dann zur besseren Gesellschaft gehört, wenn man seit Generationen dort ansässig ist.84 Jedenfalls wollten sie fort. Und so kam Elisabeth Lagerfeld, die der Provinz in ihren Zwanzigern in die vier größten deutschen Städte entflohen war, nach München, Berlin, Köln und Hamburg, doch wieder aufs Land. In Bad Bramstedt, der Kleinstadt, die sie an Beckum erinnern musste, hat sie sich «zu Tode gelangweilt», wie ihr Sohn 2004 sagte.85 Wegen des begüterten Mannes, der ländlichen Verhältnisse, der vielen Bediensteten, der beiden eigenen Kinder und der Stieftochter stand sie nicht mehr unter dem Zwang, sich beruflich zu betätigen. Also blieb sie zu Hause, in dem Gutshof hinter Bäumen, ­etwas abgelegen und auch etwas unheimlich. Für die Kinder aus der Nachbarschaft war die ganze Erscheinung der Herrschaften aus Hamburg einschüchternd. Habitus, Gestus und Duktus der Zugezogenen waren ihnen fremd. «Frau Lagerfeld kam mir immer wie eine englische Lady vor», sagt der ehemalige Nachbarsjunge Karl Wagner.86 «Mit den anderen wollte sie nichts zu tun haben», sagt Sylvia Jahrke, die gegen Ende des Kriegs mit ihrer Familie im Gutshaus der Lagerfelds einquartiert war. «Sie lächelte nie. Dabei hatte sie ein schönes Leben, musste nicht arbeiten. Ich schlich nur an ihr vorbei, machte meinen Knicks und haute ab. Ich habe die Frau gefürchtet.»87 Die drei großen K konnten die Feministin nicht zufriedenstellen. Sie musste Kinder, Küche, Kirche überwinden und wuchs ins Format einer schillernden Persönlichkeit. Mal hatte sie ihren Auftritt als strenge Erzieherin, mal als tatkräftige Chefin eines großen Haushalts, mal als realitätsflüchtige Dauerleserin, mal als konsumfreudige Freundin des Luxus und der Moden, mal als Violinistin, die drei Stunden pro Tag übte, bis sie irgendwann einfach damit aufhörte und nie wieder spielte.88 Intensiv arbeitete sie an ihrer Selbstdarstellung. «Sie hatte schon Maniküre, was es damals selten gab», erinnert sich 38

Vorgeschichte

Sylvia Jahrke. «Sie hatte weiße Kragen und trug eine Brosche.» Elisabeth Lagerfeld las Modezeitschriften, fuhr gerne nach Hamburg zum Einkaufen und achtete bei ihren Kindern auf ein gepflegtes Äußeres. Auch ihr Mann passte in das Bild weltläufiger Selbstinszenierung: Er trug einen Siegelring – Sylvia hatte so etwas noch nie in ihrem Leben gesehen. Woran sollte Elisabeth Lagerfeld sich halten in der holsteinischen Provinz, von der sie gelangweilt war wie einst Madame Bovary von Yonville? Sie gab sich, ähnlich wie die Frau von Gustave Flauberts Landarzt, den schönen Künsten hin. «Meine Mutter hat dauernd gelesen», sagte ihr Sohn. «Ich erinnere mich, wie sie auf der Couch las und anderen Leuten sagte, was zu tun war.»89 Oft las sie französische Bücher, weil sie ihre Sprachkenntnisse verbessern wollte. Auch diese Beschäftigung färbte auf ihren Sohn ab: «Ich habe schon gelesen, bevor ich überhaupt zur Schule ging», sagte er einmal. «In meinem ­Leben habe ich nichts anderes getan, als zu zeichnen und zu lesen.»90 Emma Bovary hatte sich in der Provinz in eine unglückliche Liebe geflüchtet. Elisabeth Lagerfeld scheint teilweise ins Reich der Phantasie abgehoben zu sein. So behauptete ihr Sohn, sie habe «als eine der ersten Frauen in Europa» eine Fluglizenz erworben.91 «Schon 1919 flog sie selbst ihr eigenes Flugzeug», behauptete er.92 Sicherheitshalber fügte er aber hinzu, er habe sie «nie fliegen sehen».93 Vermutlich war er da nicht der Einzige. Fotos aus dem Jahr 1924 zeigen immerhin ihre Schwester Felicitas, wie sie an einer einmotorigen LVG C.VI steht, einem ehemaligen Kampfflugzeug, das nach dem Ersten Weltkrieg für Rund- und Streckenflüge genutzt wurde.94 Das Foto könnte Elisabeth gemacht haben, vielleicht hatten sie einen Rundflug gebucht. Wenn Elisabeth selbst als Pilotin geflogen wäre – dann hätten sich bestimmt auch davon Fotos im Nachlass ihrer Schwester er­ halten. Ihr Sohn überlieferte auch, dass sie in einem Kleid der damals in Paris sehr erfolgreichen Madeleine Vionnet geheiratet habe.95 Für deutsche Verhältnisse wäre das ungewöhnlich. Die Autorin Raphaëlle Bacqué behauptet, diese elegante Vergangenheit mit Besuchen in dem Pariser Modehaus habe ihr der Sohn nur angedichtet, weil er mit Yves Saint Laurent und dessen Mutter mithalten wollte. Lucienne-Andrée Mutter

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Mathieu Saint Laurent war wirklich eine elegante Erscheinung, Yves hatte sie sogar einst Christian Dior vorgestellt.96 Aber auch Elisabeth Lagerfeld kannte sich aus. Sie hatte in Modefirmen gearbeitet und liebte Paris. In ihrem Nachlass fand man die erste deutsche «Vogue» sowie Ausgaben von «Beyers Mode für alle», «Ullstein Moden ­Album», der «Hamburger Illustrierten» und sogar der «VTZ», der «Vereinigten Textil- und Bekleidungszeitschrift», die von 1937 bis 1943 als «Exportorgan der deutschen Textil- und Bekleidungswirtschaft» erschien.97 Sie war also gut informiert und hatte Geschmack. Aber das Kleid auf dem Foto von ihrer Hochzeit ist wohl kein Vionnet-Original. Damals kauften Modehäuser in Hamburg und Berlin Schnittmuster («patrons couture») in Paris und schneiderten sie nach, in Originalstoffen, aber mit vereinfachtem Schnitt. Es könnte sich also um die schlichte Version eines Vionnet-Kleids gehandelt haben. Einer Frau, die in Westfalen aufgewachsen ist, kommt dem Wirklichkeitssinn aber nicht der Möglichkeitssinn in die Quere. Anders als bei den Bovarys, wo Emma am Leben zerbrach und Charles an seiner Frau, gingen die Lagerfelds die 37 Jahre bis zu seinem Tod 1967 gemeinsam. Das war, wie in jeder Ehe, mit Opfern verbunden. Sie war häufig allein mit den Kindern. «Vermutlich war sie nicht gerade glücklich, weil der Mann ja viel unterwegs war», sagt Sylvia Jahrke. «Vielleicht war sie auch deshalb so dominant, so herb.» Otto Lagerfeld hatte sich, wenn der Chauffeur ihn denn mal aus Hamburg oder Neustadt nach Bad Bramstedt gebracht hatte, zu Hause oft genug zu fügen. «Sie erzählte immer den Männern um sie herum, wie alles g­ emacht werden sollte», sagte Lagerfeld 2015. «Sie war sehr hart und sehr böse. Mein Vater war sehr lieb und ihr Opfer. Mein Vater hatte genau die Frau gefunden, die nicht zu ihm passte. Er konnte niemals entspannen.»98 In einem Dokumentarfilm sagt es der Sohn noch deutlicher: «Sie machte alle zu Sklaven.» Und: «Sie war nicht fürsorglich. Man musste um ihre Gunst kämpfen.»99 Karl Lagerfeld hat bis zu ihrem Lebensende um ihre Gunst gekämpft – und womöglich sogar noch über ihren Tod hinaus. «Wegen des oft abwesenden und durchaus weichen Vaters scheint die Mutter ihren einzigen Sohn zu einer Art männlichem Lebenspartner, einem Ersatzmann, erkoren zu haben», sagt die Pariser Psychotherapeutin 40

Vorgeschichte

Daniela Tran. «Er war eine phantastische Projektionsfläche und wurde zu ihrem Werk, das natürlich perfekt sein sollte. Kein Kind kann einer solchen Projektion standhalten. Was er auch tat, es war ungenügend.»100 Aus dieser psychologischen Konstellation erwuchs für Karl Lagerfeld das unbewusste Lebensprojekt, der stets unzufriedenen Mutter zu gefallen. Seit all den Herabsetzungen habe er «wahrscheinlich immer nur überkompensiert»,101 sagte er selbst. Das ist eine ungewöhnlich psychologisierende Vokabel aus seinem Mund, denn er sah jede Intro­ spektion skeptisch.102 Der Psychologe Alfred Adler hatte unter Überkompensation den übersteigerten Ausgleich körperlicher, geistiger, charakterlicher oder sozialer Mängel verstanden. In dieser Logik ist es kein Wunder, dass schon der kleine Karl glaubte, er werde eines ­Tages berühmt. Demnach wären sein beachtliches Selbstbewusstsein und die schier unendliche Arbeitswut, die diesen Mann bis ins hohe Alter im Griff hatten, als Gegenbewegung zu den frühen Demütigungen zu verstehen, seine Karriere als eine paradoxe Folge der Herabsetzungen. Trotz der ungnädigen Urteile identifizierte sich der Sohn mit seiner Mutter. Wenn er ihre scharfen Sentenzen wiedergab, und das tat er häufig, dann fügte er oft hinzu, sie habe recht gehabt mit den Bemerkungen.103 «Ich war so größenwahnsinnig als Kind, dass ich auch ­einen kleinen auf den Deckel brauchte.»104 Heute sei die Erziehung «oft zu sehr Kuscheltier und zu wenig Disziplin», sagte er 2011. «Ich bin total dagegen, wie heute die Kinder in den Himmel gehoben werden, bevor sie zurückfallen in die Banalität, falls da nichts draus wird.» Das idealisierende Menschenbild der antiautoritären Erziehung bezeichne man in Frankreich mit dem Wort «angélisme»: «Ich weiß nicht, ob das gut ist.»105 Warum aber zitierte er die boshaften Sprüche seiner Mutter so oft in Interviews? «Dadurch nahm er ihnen die Stärke», sagt Psychologin Daniela Tran. «Wenn man etwas formuliert, das einen belastet, trägt man es nicht mehr mit sich herum. Es nimmt außerhalb der Seele Form an. So kann man sich davon befreien: Es existiert weiterhin, aber als äußeres Objekt, außerhalb der eigenen Person.»106 Für Karl Lagerfeld hatte es auch ganz praktische Vorteile, wenn er seine MutMutter

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ter nach ihrem Tod als Schreckgestalt aufbaute. Gesprächspartner identifizierten sich mit ihm. Journalisten waren angesichts der sensationellen Sätze zugleich entsetzt und entzückt. Und nicht nur er wurde über die Jahrzehnte zur Legende – er machte auch die Frau im Hintergrund dazu. Das Fernziel Großstadt verlor Elisabeth Lagerfeld nicht aus den Augen. Und nach gut einem Jahrzehnt Hamburg (seit 1949) und knapp einem Jahrzehnt Baden-Baden (seit 1960) kam sie diesem Ziel endlich nahe. Nach dem Tod ihres Mannes zog sie im Frühjahr 1968 nach Paris, von der Oos an die Seine, aus dem Rentnerparadies in die Hauptstadt der Studentenbewegung, aus dem Witwendasein in die Nähe ihres Sohns, den sie so oft kritisierte und so innig liebte.

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Vorgeschichte

Der kleine Karl Otto, um 1938

1933 bis 1951

Geburt Am 10. September 1933 kam Karl Lagerfeld in Hamburg zur Welt. Das ist ein Satz, der viel komplizierter ist, als er klingt. Denn sein ­Geburtsdatum kam ihm nie so richtig passend vor. «Die Kaiserin ­Elisabeth von Österreich ist am 10. September 1898 in Genf ermordet worden», sagte er. «Der Graf Berghe von Trips, der Formel-1-Pilot, verunglückte am 10. September tödlich. Ich hasse Retrospektiven. Ich hasse Geburtstage.» Und überhaupt sei der 10. September kein gutes Datum, wenn man an den folgenden Tag denke, den 11. September: «Soll ich jetzt am Vorabend zu diesem schlimmen Katastrophentag feiern?»1 Sein Geburtsjahr und sein Geburtstag waren aus noch ganz anderen Gründen symbolische Daten. Am 10. September 1933 ratifizierte das Deutsche Reich das Reichskonkordat. Es war ein entscheidender Tag für den neuen Reichskanzler und angehenden Diktator Adolf Hitler. Durch den Staatskirchenvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich gewann das gerade erst an die Macht ­gekommene nationalsozialistische Regime «enorm an internationaler Glaubwürdigkeit und Legitimität und nicht zuletzt an Zustimmung bei den deutschen Katholiken».2 An dem Tag, an dem Karl Lagerfeld geboren wurde, festigte der «Führer» weiter seine absolute Herrschaft. Das Regime hatte schon nach wenigen Monaten «die Grundsätze von Liberalismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nahezu vollständig abgestreift».3 Es ging Schlag auf Schlag. Machtergreifung am 30. Januar 1933, «Reichstagsbrandverordnung» am 28. Februar, Reichstagswahlen am 5. März, Ermächtigungsgesetz am 24. März: Schnell wurde die Diktatur nach dem Führerprinzip aufgebaut. VerGeburt

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haftungen, Terrorwellen und Einschüchterung führten dazu, dass schon im Herbst 1933 «nahezu alle politischen und gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen auf die Linie des neuen Regimes gebracht oder verboten worden» waren.4 All das erwähnte Lagerfeld nie – denn nach eigenen Angaben war er fünf Jahre jünger. Seit den sechziger Jahren gab er 1938 als sein ­Geburtsjahr an. Nur privat gab er es zu: «Ich bin in einem schreck­ lichen Jahr geboren», sagte er zu seinem Verleger Gerhard Steidl.5 «Er musste sich jünger machen, damit er nicht als Nazi gelten konnte», sagt der Modehistoriker Peter Kempe.6 Denn als er 1952 nach Paris ging, war dort noch jeder Deutsche verdächtig, der Soldat im Krieg hätte gewesen sein können. Karl Lagerfeld aber hatte noch ein Problem mit dem deutschen Schicksalsjahr: Es ließ ihn alt wirken. Mit Tita Tork aus Münster, seiner Lieblingskusine, beschloss er schon in jungen Jahren, dass sie sich verjüngen. Von ihren Müttern hatten die beiden gelernt, wie wichtig Außenwirkung ist. Elisabeth und Felicitas Bahlmann mussten schon in ihrer Jugend repräsentieren, trugen ein Korsett, hielten sich gerade, stellten etwas dar, legten viel Wert auf schöne Kleider – und schwiegen über ihr Alter. Ihre Kinder Tita und Karl siegten schließlich über die Vergänglichkeit. Tita wurde vier Jahre jünger: Auf ihrem Grabstein auf dem Waldfriedhof Lauheide in Münster ist nicht der wahre Tag ihrer Geburt angegeben, der 17. Oktober 1921, sondern der 17. Oktober 1925.7 Karl brachte es auf fünf Jahre Unterschied zwischen Dichtung und Wahrheit. Die Modeszene lieferte ihm weitere Gründe für die Verschleierung – Yves Saint Laurent war drei Jahre jünger als er. Es ist ein Treppenwitz der Modegeschichte, dass auch mit der Altersdiskussion Lager­felds Ruf weiter wuchs, am Ende sogar über den seines einstigen Freundes hinaus. Denn das Vexierspiel mit seinen Lebensdaten kam ihm letztlich zugute. Er blieb im Gespräch und arbeitete an seinem Mythos. Es war ein Ausweis seiner Souveränität, dass er es nicht nötig zu haben glaubte, seine Behauptungen durch Beweise zu begründen. Der Mythos landete aber hart auf dem Boulevard. Wenige Tage vor seinem 70. Geburtstag machte die «Bild am Sonntag» doppelseitig mit dem Thema auf: «Karl Lügenfeld! Er machte sich fünf Jahre 46

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jünger».8 Das Konstrukt war nicht länger zu halten, und er kam in Begründungsnöte. In späteren Interviews versuchte Lagerfeld, sich mit der Spanne «zwischen 33 und 38» herauszureden.9 Und dann behauptete er sogar: «Ich wurde nicht einmal am 10. September geboren. Ob es 1933 oder 1938 war … Über mein Alter entscheide ich. Ich bin generationsübergreifend, also spielt mein Alter keine Rolle, davon bin ich frei.»10 Als die Altersdebatte in den Medien aufkam, erzählte ihm seine Mitarbeiterin Sophie de Langlade von ihrer Großmutter. Sie stammte von der Karibikinsel Martinique und musste um 1930 fliehen, weil der Vulkan Montagne Pelée mal wieder ausgebrochen war. In Frankreich behauptete die junge Frau, ihre Papiere seien verbrannt. Als sie neue Dokumente beantragte, gab sie – wohl aus Eitelkeit – ihr Alter falsch an. So wurde sie auf dem Papier um fünf Jahre jünger, als sie es wirklich war.11 Das könnte Lagerfeld dazu ermuntert haben, auch seine Geschichte neu zu erfinden: «Altona ist bombardiert worden, mein Geburtsschein verbrannt», behauptete er auf einmal. «Ich weiß nicht einmal, ob ich an einem 10. September geboren bin, und als Jahr kommt vermutlich tatsächlich irgendetwas zwischen 1933 und 1938 infrage. Was bringt es, wenn ich mich festlegen würde?»12 In der Tat wurde das Alte Rathaus Altona im Sommer 1943 durch Bomben vollständig zerstört. Aber die Geburt von Karl Lagerfeld war nicht dort, sondern auf dem Standesamt in Hamburg-Nord beurkundet worden – wo die Geburtsurkunde weiter aufbewahrt wird.13 In der ARD-Sendung «Menschen bei Maischberger» zeigte sich aber, dass er die Diskussionen über das Alter nicht leicht nahm. Dort wurde er am 5. Dezember 2006 mit den Aussagen seiner etwa gleichaltrigen ehemaligen Nachbarjungen Siegfried Werner und Karl Wagner aus Bad Bramstedt konfrontiert: «Er war zufrieden, wenn er seinen Zeichenblock und seinen Bleistift hatte, und wenn er dann auch mal mit Puppen spielen konnte», sagte der damals 72 Jahre alte Wagner in einem Einspielfilm, den die Redaktion zuvor aufgenommen hatte. Lagerfeld verlor daraufhin im Studio die Fassung. «Ich kenne die nicht», sagte er, «ich habe nie mit Kindern gespielt, ich habe Kinder gehasst. Bitte nehmen Sie mir diese grauenhaften Lustgreise da weg!» Geburt

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Zwei Tage später antwortete Karl Wagner in der «Bild»-Zeitung, die den Vorfall unter der Überschrift «Lagerfeld pöbelt im TV» aufgriff: «Karl hat wohl den Boden unter den Füßen verloren. Wir haben als Kinder sehr oft miteinander gespielt. Wir saßen auf der Terrasse, haben geträumt. Wir wollten eine Straßenbahnlinie zur Schule bauen, damit wir die vier Kilometer nicht mehr laufen mussten.»14 Wagner erklärt sich die harsche Reaktion seines Jugendfreundes heute so: «Er hatte sich was eingebrockt mit den fünf Jahren, die er sich jünger gemacht hatte. Diesen Teufel konnte er nun nicht wieder loswerden.»15 Wenige Jahre später wurde der Nachweis seines Alters veröffentlicht. 2013 tauchte die Geburtsanzeige auf, die 1933 in den «Hamburger Nachrichten» erschienen war.16 «Die glückliche Geburt eines gesunden Jungen am Sonntag, dem 10. September, zeigen hocherfreut an Otto Lagerfeld u. Frau Elisabeth, geb. Bahlmann, Blankenese, Baur’s Park, z.Zt. Klinik Ernst, Hamburg». Links oben, schräg gestellt und halbfett gedruckt, der Name des Neugeborenen: «Karl Otto».17 Es war ein Junge! Das musste Otto Lagerfeld freuen. Er war schon ein recht alter junger Vater (zehn Tage später beging er seinen 52. Geburtstag), hatte bisher nur zwei Töchter und erwartete deshalb natürlich nicht einfach Nachwuchs, sondern hoffte in patrilinearem Denken auf einen männlichen Nachfolger. Dokumentiert wurde der Familienstolz im Namen. Den ersten Vornamen hatte der kleine Karl von seinem Großvater mütterlicherseits, Karl Bahlmann. Sein Patenonkel Conrad Ramstedt hatte es so gewünscht, ganz in dem Traditions­ denken, das damals in der Vergabe von Vornamen noch bestimmend war. Lagerfeld selbst erzählte später, er hätte lieber Conrad geheißen, wie sein Patenonkel. Ramstedt erklärte ihm aber, dass Karl im Althochdeutschen für Mann oder Herr stand. Und sein Vater ergänzte, in slawischen Sprachen heiße «kral» König.18 Das beruhigte den ­jungen Kerl Karl. Sein zweiter Vorname verdankte sich ebenfalls der Familientradition: Sein Vater trug den Namen Otto, sein Großvater Tönnies Johann Otto Lagerfeld ebenfalls, und eine Tante väterlicherseits hieß Ottilie. An diesem Zweitnamen kam der Junge also gar nicht vorbei. Der Rufname des Sonntagskinds war ein Glücksfall. Die am häufigsten vergebenen Jungennamen in Deutschland 1933 waren nach 48

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Auf der Karte für Verwandte, Freunde und Nachbarn ist das Geburtsdatum zweifelsfrei zu erkennen.

einer einigermaßen repräsentativen Erhebung, in dieser Reihenfolge: Hans, Günter (Günther), Horst, Carl (Karl), Werner, Gerhard, Heinz, Klaus (Claus), Helmut (Helmuth), Walter (Walther).19 Für einen Günter, einen Horst oder einen Walter Lagerfeld wäre es vermutlich nicht so leicht gewesen, eine Weltkarriere zu machen. Jedenfalls sollte es zum Erfolg von Karl Lagerfeld beitragen, dass er seinen einsilbig klaren und international verständlichen Vornamen für die Selbstdarstellung einsetzen konnte. Karl hat keinen Nazi-Beiklang wie Horst und kommt anders als Günter ohne Umlaut aus. Der kurze Vorname diente auch der Selbstvermarktung in seinen späten Jahren: «Karlisms» sind seine besten Sentenzen, «Karlikaturen» seine politischen Karikaturen, «Karleidoscope» ist ein Parfum aus dem Jahr 2011, und «Karlito», das kleine Talisman-Accessoire von Fendi, wurde seit 2014 zu einem Verkaufserfolg. Im Herbst 2019 brachte Fendi auch noch die Tasche «Karligraphy» auf den Markt. Dieser Vorname hat sich gelohnt. Der Junge war der Stolz der Familie, schon weil es ein Junge war. Und ein properes Kerlchen: «Als Patenonkel Conrad das Baby an seinem Daumen hochhält, um den Greifreflex zu testen, freuen sich die Geburt

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Baby in Baurs Park: Nur sein erstes Lebensjahr verbrachte der kleine Karl in Blankenese.

Eltern. Karl-Otto packt energisch zu», schreibt Paul Sahner, als wäre er dabei gewesen. Und Lagerfeld ergänzte: «Ich schlief gut, hatte ­einen riesigen Appetit, lachte alle an.»20 Seine früheste Erinnerung seien die Signale der Schiffe auf der Elbe gewesen, behauptete er einmal. Aber der Stolz der Familie war noch nicht den Windeln entwachsen, da suchten die Lagerfelds ihr Glück in der Provinz.

Bissenmoor Heute ist von Gut Bissenmoor nicht mehr viel zu sehen. Gleich hinter der Stelle, an der einst die Villa stand, wohnt Christel Friedrichs, die Tochter von Karls Kindheitsfreund Siegfried Werner. Es ist ruhig hier vor den Toren von Bad Bramstedt. In dem Wäldchen ragen nur einzelne Steine des alten Fundaments und Reste einer steinernen Bank aus dem Laub. Die herrschaftliche Auffahrt ist noch anhand einer Schneise im Wald zu erahnen. Und vorne an der asphaltierten Straße steht eine Stütze der alten Einfahrt, die andere liegt in Trümmern. An einen Stromkasten ist ein Porträt des späten Karl Lagerfeld gesprüht worden. Mehr erinnert nicht an den Modeschöpfer, der seine frühen Jahre hier verbrachte. 50

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Kaum zu glauben, dass hier einmal ein Herrenhaus stand, das der einstige Besitzer 1907 hatte erbauen lassen.21 Man muss schon viel Vorstellungskraft haben, um aus den Überbleibseln eine weiße Villa erstehen zu lassen, mit einer Auffahrt, über die sich der Hausherr von seinem Chauffeur mit dem Automobil vorfahren ließ, wenn er aus dem Kontor in Hamburg oder aus der Fabrik in Neustadt kam. In alten Büchern über Bad Bramstedt gibt es noch Fotos, die das Bild klarer zeichnen. Es war ein herrschaftliches Gebäude, das mit der Treppe, der Veranda, dem Türmchen auf dem Dachfirst und den Bogenfenstern fast schon verwunschen aussah. Lagerfeld konnte ­ noch 2013 in dem Film «Lebens-Skizzen» von Loïc Prigent auf Anhieb alles zeichnen, mit dem Fassadenstuck, dem kleinen Vorbau links und dem Fenster seines Zimmers im ersten Stockwerk rechts. Das Haus, das sich vor den Wirtschaftsgebäuden mit Ställen, Scheunen und Remisen im Hintergrund abhob, war beeindruckend – und auch ein bisschen beängstigend. Die große Diele mit schwarz-weißem Terrazzo-Boden war düster, an der Wand hing ein altfrän­kisches Riesengemälde. Draußen aber waren die Kinder frei, da gab es Gärten, Wiesen und Wälder. Thoma Schulenburg, die Tochter von Karls Halbschwester Thea, sagt, Elisabeth Lagerfeld sei praktisch veranlagt gewesen. Der Hof sei «ein solider selbstversorgender Betrieb» gewesen. «Aber selbst hat sie im Garten kaum Hand angelegt.»22 Otto Lagerfeld richtete sich auf Dauer ein. Bald nach dem Einzug beantragte er am 20. September 1934, Umbauarbeiten vornehmen zu dürfen.23 Ins Kellergeschoss wurde eine Garage gebaut, und im Esszimmer im Erdgeschoss ließ er zwei neue Fenster einsetzen. Dabei war das Gutshaus für damalige Verhältnisse modern eingerichtet. Ein Telefon hatte die Familie auch. Im Kopf eines Briefes von Otto Lagerfeld aus dem Jahr 1935 ist die Nummer genannt: «Fernsprecher Nr. 50».24 Das war damals eine Seltenheit. Noch das Telefonbuch für SchleswigHolstein von 1947 listet für Bad Bramstedt kaum mehr als 50  Anschlüsse auf, die meisten für öffentliche Einrichtungen wie die Stadtverwaltung oder für große Betriebe wie das Torfwerk Lent­föhrden. Den Hof baute Otto Lagerfeld schnell aus, mit einer «Dungstätte mit Jauchegrube» und einer befahrbaren Holzbrücke über die Lentföhrdener Au. Nur der Antrag auf einen riesigen Getreideschuppen Bissenmoor

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stockte. Lagerfeld bekam zwar am 22. Juni 1935 vom Landrat einen Befreiungsbeschluss, mit der Auflage, einen Abstand von 3,50 Metern zur Nachbargrenze einzuhalten. Aber bei der Abnahme am 17. September teilte der Landrat plötzlich mit, der Abstand zur Grenze solle doch «mindestens 6,0 m» betragen. Womöglich geschah den Beamten hier zu schnell zu viel. Auch im Rathaus wurde man auf Otto Lagerfeld aufmerksam. Friedrich Utermarck, erst seit dem 4. Dezember 1934 hauptamtlicher Bürgermeister von Bad Bramstedt, fand in der örtlichen Zeitung am 17. Juli 1935 folgende Notiz: «Der neue Besitzer auf Hof Bissenmoor hat in der letzten Zeit auf der Besitzung erhebliche Arbeiten durch­ geführt. So wurde das Herrenhaus innerlich und äußerlich gründlich renoviert, der herrliche Park in Ordnung gebracht und insbesondere neue Aufforstungen getätigt. Nunmehr wird auf dem Hof ein neuer Kornspeicher sowie ein Doppelsilo errichtet.» Utermarck schrieb daher am 3. August an Polizeioberwachtmeister Ehmke einen Brief, klebte den Zeitungsausschnitt darauf und bat «um Feststellung, ob Bauten vorgenommen werden, für die die baupolizeiliche Genehmigung nicht erteilt worden ist». Am 14. Oktober forderte dann auch der Bürgermeister die Sechs-Meter-Grenze. Lagerfeld schrieb am 22. Oktober zurück, die dreieinhalb Meter seien vom Oberbaumeister für richtig befunden worden  – und schloss mit der Abschieds­ formel: «Heil Hitler!» Otto Lagerfeld passte sich dem neuen Ton im Rathaus von Bad Bramstedt an. Etwa 15 Jahre lang besaßen die Lagerfelds das Anwesen. Als sie es schließlich nach dem Krieg verkauften, begann der langsame Verfall. Zwar machte Nachbesitzer Walter Rust seit 1949 eine Pension aus dem großen Haus und nach einigen Jahren ein Altenheim. Aber ein Erfolg waren wohl beide Unternehmungen nicht. In den siebziger Jahren übernahm die Stadt Bad Bramstedt das Gebäude, das vom Holzwurm marode geworden war. Aber erhalten wollte man Bissenmoor offenbar nicht. Der Hamburger Ballettmeister Nikita Gsovsky bot am 7. Januar 1979 an, sein vom Kultusministerium anerkanntes «internationales Ballettinternat» vom nahen Quarnstedt dorthin zu verlegen, die Villa «im Stil eines Herrenhauses» zu renovieren und eine Anzahlung von 100 000 Mark in bar zu leisten.25 Aber bereits 52

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am 18. Januar erteilte die Stadt den Auftrag, das Gebäude abzureißen. Und schon am 22. Januar 1979 ging die Rechnung über den Abbruch ans Bauamt: Für 32 743,20 Mark war das einst so prächtige Haus in aller Schnelle dem Erdboden gleichgemacht worden.26 Die Erinnerung an Karl Lagerfeld, der in den siebziger Jahren längst bekannt war, ließ Bad Bramstedt kalt. Dabei wäre eine weiße Villa im Wald heute ein herrliches Museum für den berühmtesten Sohn der Stadt, in Ausmaß und Stil gar nicht unähnlich dem Museum für Christian Dior in Granville, hoch über den Klippen der Normandie.

Kindheit Der kleine Karl Otto wuchs in einer Umgebung auf, die nicht so verschlafen war, wie man vielleicht denken könnte. Der Vater baute um und auf und aus, wenn er denn mal da war. Die Mutter organisierte den Haushalt und befehligte Haushälterin und Kinderfrau. Im Stall gab es Schweine und Hühner, auf den Weiden Kälber und Kühe. Die große Schwester Christel tobte mit den Nachbarjungen herum. Karl Otto aber saß meist abseits – und schaute zu, zeichnete weiter, träumte sich fort. Er wollte nicht so recht in diese Umgebung passen. Aber er war nicht weltverloren, sondern davon überzeugt, dass er im Mittelpunkt zu stehen hatte. Mit sechs Jahren, so erzählte er, saß er auf dem Schreibtisch seiner Mutter, «wo ich eigentlich nicht sitzen und zeichnen durfte», und sagte zu sich: «Du wirst sehr berühmt werden.»27 Schon damals fühlte er sich wie ein Erwählter. Wir haben es mit einem frühreifen Jungen zu tun. Altersgenossen langweilten ihn. Freunde hatte er angeblich nicht, «nur zwei oder drei, die ich als Sklaven benutzte». Sie hätten all das für ihn getan, was er nicht mochte, zum Beispiel das Fahrrad geputzt. «Aber sicher ließ ich sie nicht meine Hausaufgaben machen – dafür waren sie zu durchschnittlich. Ich hasste es, ein Kind zu sein. Ich wollte mit Erwachsenen reden und als einer von ihnen gelten.»28 Umhegt wurde der Kleine von seinem Kindermädchen Martha Bünz, einer warmherzigen Frau, um 1907 geboren, die mit ihrem Kindheit

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Mann in Bissenmoor lebte, selbst keine Kinder hatte und sich bei den Lagerfelds etwas dazuverdiente. «Sie ist mit dem Jungen gut zurechtgekommen, er hing auch an ihr», sagt Elfriede von Jouanne, ihre Nichte zweiten Grades, mit der Karl Lagerfeld in den neunziger Jahren Briefe austauschte.29 Martha Bünz musste seine Eltern zu großen Teilen ersetzen. Denn der Vater hatte wenig Zeit, und auch die Mutter war oft unterwegs und begleitete ihren Mann zum Beispiel vom 1. bis zum 29. April 1934 und noch einmal 1950 auf einer Dienstreise in die Vereinigten Staaten.30 Nach einer längeren Fahrt schrieb Elisabeth Lagerfeld 1937 in einem Brief an ihre Mutter in Münster: «Die Kinder waren selig als ich wiederkam.» Der Junge frage «dauernd»: «Gehst du auch nicht wieder fort?»31 Karl Wagner, der im Juli 1934 geboren wurde und ebenfalls in ­Bissenmoor aufwuchs, erinnert sich lieber an die Schwester: «Christel war burschikos. Sie kletterte mit uns in die Bäume, wo wir KrähenEier aus den Nestern genommen haben. Wir haben sie ausgepustet und die Schale dann auf eine Kette gezogen.» Karl Otto, wie er von seinen Spiel- und Schulkameraden genannt wurde, habe so etwas nicht mitgemacht. «Wenn wir in Bissenmoor gespielt haben, hat er vor dem Haus gesessen und gezeichnet und Puppen eingekleidet.»32 Als seine größere Halbschwester Thea zu Weihnachten ein Marionettentheater geschenkt bekam, nahm er ihr die Gliederpuppen weg und zog sie immer wieder anders an.33 Abenteuer sagten dem Sohn der besseren Familie nicht zu. Vielleicht hatten ihn auch Erfahrungen klug gemacht. So hatte das Pferd Saturn, ein Geschenk des Hamburger Zirkusdirektors Willy Hagenbeck, eines Freundes des Vaters, den Jungen einmal abgeworfen. «Seitdem mag ich keine Pferde mehr. Einmal vom Sattel runtergefallen und das war’s. Aus und vorbei mit der Liebe zu Pferden.»34 Wenn die Nachbarjungen in der Aue glitschige Neunaugen mit der Hand fingen, ging Karl nicht mit ins Wasser. Wenn sie Eier holen sollten, weil seine Mutter einen Kuchen backen wollte, blieb er vor dem ­Hühnerstall stehen und hielt sich die Nase zu. Auch die Kuhställe verabscheute er wegen des Gestanks. «Wir haben ihn nicht für voll genommen», sagt Karl Wagner über die gemeinsamen Kinderjahre, «und er hat uns nicht für voll genommen.» 54

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Mit Kindermädchen: Auch auf dem Land kümmerte sich oft das Personal um den Sohn der Familie.

Der kleine Karl schien äußerst begabt gewesen zu sein. «Mit sechs konnte ich Deutsch, Französisch und Englisch», behauptete er 2015. «Ich hatte eine Privatlehrerin für Französisch. Das war eine Flüchtlingsfrau, die war vor dem Ersten Weltkrieg Deutschlehrerin in einer französischen Schule für Mädchen aus gutem Hause gewesen. Da ich unbedingt Französisch lernen wollte, weil meine Eltern Französisch sprachen, wenn ich nichts verstehen sollte, bekam ich Unterricht bei ihr, denn sie brauchte Geld.»35 Die Nachbarn mussten auch das Französische als Ausdruck eines seltsam abgehobenen Lebensstils und ­eines kuriosen Bildungsanspruchs wahrnehmen – denn in der Familie von Karls Freund Siegfried Werner zum Beispiel wurde nicht einmal Hochdeutsch gesprochen, sondern bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg Plattdeutsch.36 Lesen lernte Karl angeblich schon mit fünf Jahren anhand des ­Bilderbuchs «Molle und der grüne Schirm». Bald darauf sollen die «Nibelungen» gefolgt sein. Und als er älter war, las er auf dem Dachboden den «Simplicissimus» und andere Zeitschriften seiner Mutter. «Da es damals keine Bilderbücher zu kaufen gab», so notierte Paul Kindheit

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Sahner, «malte er mit Buntstiften die Schwarzweißfotos an.»37 Bei der Ausbildung seiner künstlerischen Fertigkeit und seines satirischen Antriebs half die Lektüre unterm Dach. Indem er mit leichter Hand Nebensächlichkeiten auf Papier bannte, zog er Aufmerksamkeit auf sich. Zugleich kultivierte er die Aura des Unnahbaren, der überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört, der gern in Gesellschaft ist, aber zugleich über den Dingen schwebt, der zwar am Leben teilnimmt, aber es noch lieber in sein eigenes Zeichensystem überführt. «Karl Otto war verhalten, aber hatte eine starke Ausstrahlung», sagt Sylvia Jahrke, die in dem Sohn des Hauses den besten Spielkameraden hatte.38 Als an der Mauer am Haus einmal ein Fahrrad lehnte, probierte Sylvia es aus. Trotz ihrer zehn Jahre konnte sie noch nicht radfahren. «In Hamburg, woher wir gekommen waren, fuhr man nicht mit Fahrrädern.» Sie setzte sich also auf das Rad, und Karl Otto hielt es fest, so dass sie nicht umfiel und langsam das Fahren lernte. Sie weiß nicht mehr, wer es war. Aber irgendjemand hat mit ihr geschimpft, weil sie sich das Rad einfach genommen hatte  – und der Neunjährige hat sie verteidigt. Karl war nicht so rustikal wie die kernigen Bauernsöhne aus der Nachbarschaft, die viel im Stall und auf dem Feld helfen mussten. «Er war sehr gepflegt», sagt Sylvia Jahrke. «Mir fiel auf, dass er saubere Fingernägel hatte. Die anderen Jungs hatten schwarze Fingernägel.» Viele Freunde hatte er nicht, meint sie. Er bekam auch keinen Besuch von anderen Kindern. Die Lagerfelds kamen Sylvia «abgekapselt» vor. Ihre ersten Erinnerungen verbindet Karls Nichte Thoma Schulenburg mit Bissenmoor, weil sie dort als kleines Mädchen oft war. Ihre Mutter Thea von der Schulenburg arbeitete Ende der vierziger Jahre bei der «Welt» in Hamburg und blieb oft bis spät am Abend im Büro. Karls ältere Halbschwester wohnte mit ihrer Tochter im Geschäftshaus der Glücksklee am Mittelweg 36 unterm Dach. Von dort nahm Otto Lagerfeld seine Enkelin häufig mit aufs Land. Die Kleine freute sich immer auf ihren um elf Jahre älteren Onkel, der sich um sie kümmerte und ihr zum ersten Schultag von seinem Taschengeld die Schultüte kaufte. Seine Schwester Christel, die Schafe hielt, hat für ihre Nichte Wolle gesponnen: «Daraus strickte sie mir Pullover und Mützen, die grauenhaft kratzten.» 56

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Onkel Karl durfte sie ihn nicht nennen – in der Familie hieß er nur Mule. Das soll nicht etwa Esel bedeuten, wie schon vermutet wurde.39 Vielmehr hatte seine Mutter laut Familienmitgliedern den Spitz­namen aus dem Münsterland mitgebracht. Im Niederdeutschen, auch im Münsterländer Platt, heißt «Mule» so viel wie «Maul», zum Beispiel in der Redensart «Kien Blad vüör de Mule niёmen» («Kein Blatt vor den Mund nehmen»), am häufigsten aber in dem Ausruf «Holle Mule!» für «Halt’s Maul!» Schon der kleine Karl hatte sich den Namen mit seinem losen Mundwerk verdient. So schrieb seine Mutter im Januar 1937 an ihre Schwester über den Dreijährigen: «Er ist ja ne Nummer – ein Mundwerk!»40 Auch wenn er in seinen frühen Jahren oft ein Außenseiter war, auch wenn er sich nicht wohl fühlte  – er negierte diese Herkunft nicht. «Irgendwie ist man ja doch an eine gewisse Vergangenheit, an eine gewisse Tradition, an eine gewisse Erziehung gebunden.»41 Das erkannte man später in kuriosen Details. So hielt er sich noch als alter Mann auf Reisen im Privatjet ein Kissen auf den Bauch, das er seit der Kindheit benutzte: «Ich hasse es, ohne dieses Ding auf Reisen zu ­gehen.»42 Er habe einen empfindlichen Magen, daher brauche er das Kissen, das so ausgeblichen war, dass man die Stickereien darauf kaum noch erkennen konnte: eine Lokomotive und die Worte «Gute Reise». Bot ihm die Umgebung, in der er aufwuchs, zu wenig Anregung? Oder war es nur der optische Reiz? Jedenfalls träumte sich der Junge manchmal weit in die Vergangenheit zurück, ins 18. Jahrhundert, als Friedrich  II. Preußen als europäische Großmacht etablierte, als die Epoche der Aufklärung anbrach, aber das bürgerliche Zeitalter noch nicht begonnen hatte und die absolutistischen Monarchen noch immer die prächtigsten Bilder hervorbrachten. Eines Tages sah der Junge in einer Galerie in Hamburg eine Kopie der «Tafelrunde» von Adolph von Menzel. «So muss das im Leben aussehen», sagte er zu seiner Mutter. Er wolle das Bild zu Weihnachten haben.43 Ohne dieses ­Gemälde, so meinte er, könne er nicht mehr schlafen. Aber das Bild, obwohl nur eine Kopie, war sehr teuer. Daher nahmen die Eltern eine Chromolithographie von Menzels ebenfalls wunderbar komponiertem «Flötenkonzert», das war viel billiger. «Da soll ich so einen Kindheit

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Flunsch gezogen haben, dass sie die Galerie doch noch um das andere Bild gebeten haben.» Angeblich brachten die Eltern den Galeristen sogar dazu, am Weihnachtstag zu öffnen, so dass der Kleine endlich seine «Tafelrunde» bekam.44 Das Gemälde repräsentierte «eine Art Ideal, das ich mich seitdem zu erreichen bemühe», sagte er. «Das war 1945, und es kostete 3000  Mark, ein sehr hoher Preis am Ende des Kriegs und ein sehr wertvolles Geschenk für ein Kind meines Alters.»45 Warum nur war er von dem Bild so begeistert? Es zeigt die Tafelrunde König Friedrichs des Großen im Marmorsaal des Schlosses Sanssouci, schön ausgeleuchtet, mit Friedrich  II. im Zentrum, der sich Voltaire auf dem zweiten Stuhl links von ihm zuwendet, während der französische ­Philosoph wiederum über den Tisch hinweg angeregt mit einem anderen Gast redet. Der Rokokosaal eines Schlosses, vergoldeter Stuck, funkelnde Kronleuchter, klassizistische Marmorsäulen: Das Gemälde regte seine Vorstellungskraft an. Und er erkannte womöglich in der Pracht und Herrlichkeit eines Königs, den Menzel nicht in den Vordergrund rückte, um ihn nicht künstlich zu überhöhen, seine eigene Zukunft als aufgeklärter ­Monarch in geselliger Runde. Friedrich  II., so schreibt der Kunst­ historiker Werner Busch, sei nicht nur «kompositorisch hervorge­ hoben», er lasse auch «den Geist seiner bezahlten Gesellschafter blitzen, nur um sich das abschließende Urteil vorzubehalten».46 ­Lagerfeld veranstaltete später in seinem Stadtpalais an der Rue de l’Université und in seinem Schloss in der Bretagne wirklich Tafelrunden, als wäre das 18. Jahrhundert noch nicht vorbei. Das höfische Ideal weist auch auf das Chefdesignerleben voraus: Seine Kollektionen nahm er stets an einem großen Tisch sitzend ab, umrahmt von Assistenten, Journalisten, Schneiderinnen. Jeder durfte seine Meinung äußern. Das abschließende Urteil aber behielt sich der aufgeklärte Monarch vor. Oft hat Lagerfeld seinen Kindheitswunsch erwähnt. In dieser ­Geschichte war er als sturer Junge zu erkennen, der sich nicht mit dem Erstbesten zufrieden gab, sondern nur mit dem Besten. Zudem übermittelte die Erzählung vom Eigensinn des Jungen die Botschaft, dass das anregungsarme Leben in Norddeutschland faszinierend 58

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wird, wenn man nur der Phantasie an die Macht verhilft. Mithilfe seiner Einbildungskraft entfloh der Junge der Wirklichkeit: Karl der Kleine erkannte sich in Friedrich dem Großen als Karl den Großen.

Krieg Das Pendeln aus dem Kontor in Hamburg nach Bad Bramstedt wurde Otto Lagerfeld irgendwann zu viel. Bis zum Tod seiner Mutter im Jahr 1936 hatte er oft bei ihr an der Elbchaussee 70 übernachtet. Vermutlich 1939 erwarb er das Haus Innocentiastraße 46 in Harvestehude, einer der schönsten Gegenden Hamburgs. Die Stadtvilla mit dem herrlichen Ausblick auf den Innocentiapark lag nur etwa einen Kilometer Luftlinie entfernt vom Büro des Direktors am Mittelweg 36, war also von dort viel leichter zu erreichen als zum Beispiel die Elbchaussee, die umso ferner ist, je feiner sie ist.47 Einige Jahre lebte die Familie dort. Bisher nahm man an, die ­Lagerfelds seien erst Ende Juli 1943, als in Hamburg die schweren Luftangriffe begannen, nach Bissenmoor zurückgezogen.48 Aber ­Elisabeth Lagerfeld und die Kinder lebten schon länger wieder auf dem Land. Im Sommer 1942 schreibt sie ihrer Schwester aus Bad Bramstedt, sie habe mit ihrer Tochter einen Kaninchenstall gekauft.49 Und kurz vor Weihnachten 1942 schreibt die elfjährige Christel an ihr «Täntchen»: «Mule und ich bekommen dieses Jahr einen kleinen Tannenbaum, das bekamen wir in Hamburg nie.»50 Otto ­Lagerfeld zog dann im Juli 1943 nach.51 Doch der Krieg erreichte auch das ländliche Holstein. Nur einer will es nicht bemerkt haben: «Ich hatte Glück, ich bin allem entkommen», sagte Karl Lagerfeld im Jahr 2004. «Vom Krieg habe ich nichts gesehen.»52 Er sei «am einzigen Ort» gewesen, «wo nichts passiert ist», behauptete er. «Ich habe unglaubliches Glück gehabt, es hat mich nicht erreicht.»53 Dabei konnte der Krieg den Lagerfelds nicht verborgen bleiben, beim besten Willen zum Wegschauen. Schon die Schicksale der «Ausgebombten» mussten ihnen im wahrsten Sinne nahegehen. Das zeigt die Geschichte von Sylvia Jahrke. Sie hatte schon viele Bombenangriffe in Hamburg erlebt. Aber die «Operation Krieg

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Gomorrha» vom 24. Juli bis zum 3. August 1943 steigerte den Schrecken noch einmal. Die Flächenbombardements der britischen und amerikanischen Bomber riefen Feuerstürme hervor, denen etwa 34 000  Menschen zum Opfer fielen. Einmal lief Sylvia, die am 16. November 1934 ge­boren wurde, also acht Jahre alt war, während eines Fliegerangriffs panisch aus dem Keller – und sah, wie sich die Menschen, die vom Bethesda-Krankenhaus herüberliefen, durch den Phosphor-Angriff wie in Nichts auflösten.54 Auf Lastwagen wurden Sylvia, ihre Mutter und ihre Schwestern Rosemarie und ­Ingrid aus Hamburg nach Bad Segeberg gebracht. Von dort gingen sie zu Fuß nach Bad Bramstedt, weil die Mutter aus der Stadt stammte und eine Tante auf Bissenmoor wohnte. Es war ihre Rettung, dass sie 1943 bei den Lagerfelds in e­ inem Zimmer einquartiert wurden. Aber während Sylvia in ihrem Gemeinschaftszimmer im ersten Stock nicht schlafen konnte, weil das Grauen der Feuerstürme sie bis in die Nacht verfolgte, schlief Karl Otto nur ein paar Meter weiter tief und fest. Die Lagerfelds hatten keine Wahl. «Der vorhandene Wohnraum stand unter Zwangsbewirtschaftung», sagt Manfred Jacobsen, der Stadtarchivar von Bad Bramstedt. «Im Rathaus wurde entschieden, welche Flüchtlinge wo untergebracht wurden.»55 Mehrere Zimmer mussten die Besitzer des Herrenhauses zur Verfügung stellen. Sie selbst wohnten nun im Erdgeschoss und teilten Bad und Toilette mit den Fremden.56 «Am liebsten hätte uns die Frau Lagerfeld wohl nicht dort gehabt», sagt Sylvia Jahrke. Hausbesitzer und Bauern wehrten sich wegen der schweren Zeiten oft dagegen, Flüchtlinge aufzunehmen. Und es waren viele Flüchtlinge, die nun kamen: Die Einwohnerzahl von Bad Bramstedt wuchs von etwa 3300 im Jahr 1942 auf etwa 7000 im Jahr 1945. Was sollte man tun als Kind? «Wir hatten ja kein Spielzeug, weil wir ausgebombt waren», sagt Sylvia Jahrke. «Und wir durften nicht weit weg vom Haus, weil ja Krieg war.» Also saßen die beiden auf den Stufen der Terrasse oder vor dem Haus und unterhielten sich. Auch die Kinder mussten vorsichtig sein. «Besonders in der Spätzeit des Krieges hatten wir Angst vor Tieffliegern, die auf dem Weg nach Kiel oder Neumünster waren», sagt Karl Wagner. «Sie schossen auf 60

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alles, was sich bewegte. Wir sind an Häuserfronten entlanggegangen oder durch den Wald, so dass man uns nicht sah.»57 Niemand in Bad Bramstedt konnte das drohende Unheil über­ sehen.58 Während des Kriegs musste nachts verdunkelt werden. Auch die Lagerfelds hatten Verdunkelungsplatten für die Fenster. Eine Luftschutzwache beobachtete die Flugzeuge der Alliierten. Ende März 1942 wurde die nur gut 50 Kilometer entfernte Hansestadt Lübeck angegriffen und «die Hälfte der Stadt dem Erdboden gleichgemacht».59 Jugendliche mussten «Luftschutzdienstpflicht» leisten. Das Kurhaus war seit dem Russland-Feldzug 1941/1942 von Rheumapatienten geräumt und mit verwundeten deutschen Soldaten belegt worden. ­Gegen Kriegsende kamen Flüchtlinge dazu, so dass die Heilstätte mit bis zu 1200 Menschen heillos überbelegt war. In der Nacht auf den 27. Juli 1942 wurde Bad Bramstedt von einer Bombe getroffen, vermutlich einem «Notabwurf». Am Bleeck, also mitten in der Stadt, ­kamen dabei zehn Menschen ums Leben, 19 wurden verletzt, drei Häuser zerstört, viele beschädigt. Bei einem Tieffliegerangriff der ­Alliierten auf einen mit deutschen Soldaten besetzten offenen Lastwagen in Höhe der Mergelkuhlen im April 1945 kamen 15  Wehrmachtsangehörige und zwei Zivilisten ums Leben. Am 30. Mai 1945, der Krieg war seit drei Wochen vorüber, explodierte am Schäferberg ein britisches Depot mit beschlagnahmter Wehrmachtsmunition. ­Sylvia, die mit ihrer Familie seit Kriegsende dort wohnte, war gerade auf dem Weg nach Bissenmoor, um Milch zu holen: «Wegen der Druckwelle flog ich durch die Luft und fiel auf den Bürgersteig», ­erzählt sie. «Ein Engländer zog mich in den Graben. Die Geschosse flogen nur so an uns vorbei.» Sollte das alles den Lagerfelds entgangen sein, die nur wenige hundert Meter entfernt von den Mergelkuhlen und nur drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt lebten? Sollte ihr Sohn, ein neugieriger Junge von zehn, elf Jahren, das alles nicht mitbekommen haben? «Ich habe noch nicht einmal bemerkt, dass etwas passiert ist», sagte Lagerfeld 1984.60 «Ich erinnere mich nicht, dass ich meine Eltern angespannt erlebt hätte. Aber natürlich haben sie es vermieden, über Politisches zu reden.»61 Die Angriffe auf das nicht einmal 50  Kilometer entfernte Hamburg jedoch waren unübersehbar und unüberhörbar. «Ja, ich Krieg

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habe den roten Himmel gesehen und die Flugzeuge», gab er schließlich in einem seiner letzten Interviews zu dem Thema zu. «Wir haben uns auf einen Erdwall gestellt, um uns das Feuer in der Ferne anzusehen.»62 Auch die Spätfolgen des Kriegs sollten die Lagerfelds zu spüren bekommen, denn nun kamen die Briten. Am 18. Juli 1945 schrieb Otto Lagerfeld an den Bürgermeister von Bad Bramstedt, er habe am 16. Juli auf Befehl des britischen Besatzungsoffiziers Captain Bruce («8 Corps District German Mobilisation Centre Control Unit») das Wohnhaus und das Verwaltergebäude räumen müssen. 27 Personen seien davon betroffen. Er selbst, der Verwalter und der Vorarbeiter seien mit ihren Familien «vorläufig in meinen Kuhstall gezogen». Da Ende September die Kühe wieder in den Stall müssten, bitte er darum, rechtzeitig drei Wohnbaracken anzuschaffen. Weil er auf Befehl der Besatzer auch den Getreide- und Strohschuppen räumen musste, bat er den Bürgermeister zudem darum, einen Lagerschuppen aufzustellen. «Zur Zeit habe ich keine weitere Kochstelle als eine offene Feuer­ stelle auf dem Hofe.» Der Bürgermeister antwortete am 4. August 1945, er habe solche Wohnbaracken «nicht mehr zu Verfügung».63 Als Anlage schickte der Kaufmann die «Kosten in Verbindung mit der Besatzung in Bad Bramstedt, Liste der beschlagnahmten Sachen». Darunter: ein Sessel, eine Couch, eine Kreissäge, eine Hobelbank, vier Tonrohre, ein leinenes großes Tischtuch, acht Tassen und Untertassen aus Porzellan, acht Frühstücksteller, ein Kuchenteller, eine Zuckerdose, eine Kaffeekanne, fünf Korbsessel («Spezialgeflecht»). Kaum hatten die englischen Soldaten einige Wochen in der Villa residiert, musste der erboste Kaufmann nachlegen. Am 15. September 1945 schrieb er wieder an den Bürgermeister und beklagte herausgerissene Türen, zerschnittene Balken, verbrauchtes Brennholz und vieles mehr. Die Engländer hatten drei Fenster im Schuppen sowie bis zu sechs Fenster im Stall zerstört, «meistens durch Fußballspiele gegen meinen Schuppen und auf meinem Hof». Ein großes Mittelfenster im Haus wurde «durch unvorsichtiges Autofahren» zertrümmert. Im Haus schien fast nichts mehr übrig zu sein von den vielen Vorräten und der feinen Innenausstattung. Im Heizungskeller fehlten etwa 80 Zentner Koks, in der Küche ein elektrischer Herd, im Vorratsraum zwei Schränke, in der Eingangshalle unter anderem eine 62

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Standuhr, ein Eckschrank mit Büchern, 30 Grammophonplatten, ein Telefunken-Radio mit Plattenspieler und ein Ölgemälde, im Speisezimmer ein Buffet, Ölgemälde, Kupferstiche, in den Schlafzimmern Kronleuchter, Wandspiegel, Waschtische, Öfen und Übergardinen. Aus dem Badezimmer hatten die englischen Besatzer schon nach wenigen Wochen sogar Bidet, Toilette und Badewanne mitgenommen. Seit dem 15. Juli 1945 musste die Familie erst im Kuhstall, dann in der Kornkammer hausen. Am 15. Februar 1946, nach sieben langen Monaten, kam vom Bürgermeister endlich der Bescheid, dass das Haus «von der britischen Besetzung geräumt» sei. «Der Einzug kann sofort erfolgen.» Otto Lagerfeld listete in einem Brief an den Bürgermeister am 9. März 1946 die Kosten für Mietausfälle, Schäden und Verluste penibel auf und kommt auf Besatzungsschäden in Höhe von 3084,37  Reichsmark. Offenbar wurde das meiste davon erstattet. Aber am 29. Januar 1947 trug er für die Feststellungsbehörde in Bad Segeberg zusammen, «was noch anhängig ist», unter anderem: «Turngeräte entfernt und verbrannt», «Wiederherstellung des Radio­ apparates und des damit verbundenen Grammophons». Er kam auf 1038,50 Reichsmark sowie 80 Zentner Koks «in natura». Und damit war es noch immer nicht erledigt. Jahrelang lief der langwierige Briefwechsel mit den Behörden. Im letzten Brief, der im Stadtarchiv von Bad Bramstedt erhalten ist, schickte er am 10. Dezember 1951 Abschriften der Originalbelege ans Bürgermeisteramt mit dem Hinweis, dass sich der Gesamtschaden auf rund 3200 Reichsmark belaufe. Der Bürgermeister schickte alles am 11. Dezember 1951 an das Amt für Besatzungskosten und Kriegsschäden am Finanz­ amt Lübeck weiter: «Die von Herrn Lagerfeld gemachten Angaben sind glaubwürdig.» Vermutlich war damit dieses Kapitel beendet  – sonst hätten sich sicherlich weitere Schreiben des beharrlichen Kaufmanns erhalten, der längst mit seiner Familie nach Hamburg zurückgezogen war. Auch die Lagerfelds litten demnach unter dem Krieg und seinen Folgen. Aber Millionen Menschen setzte das Schicksal weitaus schlimmer zu. So hatte die Familie Glück gehabt, dass Otto Lagerfeld zu alt und Karl Lagerfeld zu jung gewesen waren für einen Einsatz in der Wehrmacht. Sie mussten Angst und Ärger erleiden, aber nicht Krieg

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Vertreibung und Verfolgung. Zudem blieben ihnen die meisten materiellen Folgen erspart. Außerhalb der geschützten Sphäre von Bissenmoor herrschten Armut und Lebensmittelknappheit. Der Krieg hatte Betriebe, Häuser, Verkehrswege zerstört. Die Wirtschaft lag am Boden. Die Schulspeisungen der englischen Besatzer machten die Kinder nicht satt. Der «Hungerwinter» 1946/47, der kälteste Winter des 20. Jahrhunderts im Nordseeraum, plagte die deutschstämmigen Flüchtlinge aus dem Osten, die oft in erbärmlichen Unterkünften hausten. Und das waren viele: «Wegen der Zerstörung der Städte wurden die Flüchtlingsströme vor allem in die ländlichen Regionen umgeleitet», schreibt der Historiker Ulrich Herbert. «In Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein lag der Anteil der ‹Entwurzelten› unter der deutschen Gesamtbevölkerung bei etwa 50 Prozent, in Hamburg und Bremen hingegen nur bei sieben, in Berlin bei zwei Prozent.»64 Karls Freundin Sylvia, die 1945 mit ihrer Familie aus Bissenmoor in die Stadt zog, litt an Hungerödemen. Der Vater, der den Krieg überstanden hatte, konnte die Familie kaum durchbringen. In den Schulen redeten die Jugendlichen über die schlimmen Erlebnisse. Viele Männer waren gefallen. Oder sie blieben noch lange in Gefangenschaft. Und wenn sie wiederkamen, gingen sie mit ihren Söhnen, die oft nur von Frauen aufgezogen worden waren, hart ins Gericht. Auch das blieb dem Sohn der Familie Lagerfeld erspart.

Partei Der «Anschluss» Österreichs am 12. März 1938 war für die Nationalsozialisten ein bedeutender Schritt auf dem Weg zum erträumten «Großdeutschen Reich». Durch die faktische Eingliederung des austrofaschistischen «Bundesstaats Österreich» weitete das Deutsche Reich sein Herrschaftsgebiet deutlich aus. Viele Österreicher waren begeistert, viele Deutsche ebenfalls, der «Führermythos» wuchs  – und der systematische Terror gegen Juden, Intellektuelle, Andersdenkende und Minderheiten begann nun auch in der sogenannten Ostmark. 64

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«Zur Erinnerung an den 12. März 1938»: Der vierjährige Karl schaut auf die Hakenkreuzflagge, seine Schwester steht am Fahnenmast.

Auch die Lagerfelds begrüßten den «Anschluss». Auf einem privaten Foto aus dem Jahr 1938 ist vor dem Haus in Bissenmoor eine sicher sechs Meter hohe Fahnenstange mit aufgezogener Haken­ kreuzflagge zu sehen. Im Vordergrund mit dem Rücken zur Kamera: der kleine Karl, der einen Strickpullover, eine kurze Hose und lange Kniestrümpfe trägt. Der Vierjährige steht auf dem Rasen und schaut hinüber auf das Haus und die Fahne, die im Wind flattert.65 Privatleute mussten in der NS-Zeit zwar an den Nationalfeier­ tagen oder bei ähnlichen Anlässen keine Hausfahne hissen. Aber wer es nicht tat, machte sich verdächtig. «Wenn in Bad Bramstedt nicht gehisst wurde, dann lag es eher am Fehlen der Fahne», meint Manfred Jacobsen, der Leiter des Stadtarchivs. «Da der Bürgermeister und viele Einwohner überzeugte Nazis oder zumindest überzeugte Deutschnationale waren und der Anschluss Österreichs auch nicht besonders umstritten war, dürfte die Beflaggung gar nicht so gering gewesen sein.»66 Partei

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In diesem Fall sah man die Flagge nicht als reine Pflichtübung. Auf der Rückseite des Bilds, das bei «Photo Hoffmann» in Bad Bram­ stedt entwickelt wurde, findet sich eine Notiz, die, nach der Handschrift zu urteilen, mit großer Wahrscheinlichkeit von Elisabeth Lager­feld stammt: «Zur Erinnerung an den 12. März 1938.» Und, teils verdeckt: «Chr. steht an der Fahnenstg. (…) prüft die Flagge». Auf dem Foto ist klein zu erkennen, wie ihre Tochter Christel hinten am Fahnenmast steht und hinaufblickt. Eine Zustimmung zum Regime und ihrem wichtigsten Symbol ist auch daraus zu schließen, dass überhaupt ein Foto entstand zum vollzogenen «Anschluss»  – und dass man den Tag für erinnerungswürdig befand. War es Begeisterung oder Anpassungsbereitschaft? Jedenfalls sympathisierte das Ehepaar Lagerfeld mit den Nazis. Otto Lagerfeld diente sich dem Regime gleich nach der Machtübernahme an. Vom Mai 1933 bis zum Ende der Diktatur im Mai 1945 war er Mitglied der NSDAP, wie aus seiner Entnazifizierungsakte hervorgeht.67 Im Fragebogen des «Military Government of Germany» gab er an, ­Anfang Mai 1933 die Aufnahme beantragt zu haben, Ende Mai sei er aufgenommen worden. In der Partei habe er keine besondere ­Stellung innegehabt und kein Amt bekleidet. Allerdings war er Verbänden beigetreten. Seit 1934 war er demnach verpflichtend in der «Deutschen Arbeitsfront» (DAF), seit 1934 auch Mitglied der «Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt» (NSV). Seit 1936 war er außerdem im «Volksbund für das Deutschtum im Ausland», seit 1937 im «Reichskolonialbund». Die Mitgliedschaft zumindest in diesen beiden Organisationen war nicht verpflichtend, sondern «eher Ausdruck einer gewissen politischen Einstellung», meint der Berliner Historiker Horst Gies, der die nationalsozialistische Agrarpolitik erforscht. Die Mitgliedschaft in den Unterorganisationen des «Reichsnährstands» zur «Marktordnung» hingegen sei «unumgänglich» gewesen, um überhaupt im Geschäft mit Milchprodukten bleiben zu können.68 Der Fall ist gleich mehrfach bemerkenswert. Denn die meisten Mitglieder der Partei waren unverheiratete junge Männer, das Durchschnittsalter der Parteigenossen lag 1933 bei nicht einmal 35 Jahren69 – Otto Lagerfeld aber war Anfang 1933 schon 51 Jahre alt. Zudem war der Zustrom der «Märzgefallenen», die nach den 66

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Reichstagswahlen vom 5. März in die NSDAP eintraten, so groß, dass die Partei zum 1. Mai 1933 eine Mitgliedersperre verhängte  – aus Furcht vor einem Ansturm von Opportunisten.70 Ausnahmen gab es unter anderem für Mitglieder der Hitlerjugend, der SA und SS sowie für Angehörige der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO), eines Zusammenschlusses von Parteimitgliedern in Großbetrieben. All diese Kriterien kamen wohl nicht in Betracht. Umso seltsamer, dass Otto Lagerfeld Ende Mai 1933 dennoch aufgenommen wurde. Nach dem Krieg suchte er sich als Kritiker des Regimes darzustellen. «Meine Beziehungen zur Partei waren äußerst gespannt als Vertreter der amerikanischen Interessen», teilte er der EntnazifizierungsKommission am 24. Juli 1947 mit und führte Probleme mit dem Milchkommissar, der Hauptvereinigung der deutschen Milchwirtschaft und dem Milchwirtschaftsverband an. Für alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse waren seit 1933 auf Basis des «Reichsnährstandgesetzes» regionale Marktverbände und nationale Hauptvereinigungen entstanden. Diese Organisationen hatten fast unbegrenzte Vollmachten, sie konnten Produktion, Verpackung, Versand, Auslieferung, Preise, Liefermengen, Qualitätsanforderungen bestimmen. Milchverarbeitende Betriebe waren gezwungen mitzumachen.71 Otto Lagerfeld musste Angst haben, die Kontrolle über Glücksklee zu verlieren. Der Gauwirtschaftsberater in Kiel habe versucht, ihn und die amerikanischen Eigentümer «als jüdisch zu erklären», «um so meinen und der Firma Ruf in der Geschäftswelt zu unterminieren», teilte Lagerfeld der Entnazifizierungs-Kommission mit. Als er 1937 für die Firma versuchte, vom Roten Kreuz die Werke in Allenburg (Ostpreußen) und Waren (Mecklenburg) zu kaufen, «brach förmlich ein Sturm aus, und man hätte mich wohl angefasst, wenn ich nicht der Vertreter der amerikanischen Interessen gewesen wäre». Er sei in seiner Geschäftsführung behindert worden, und nach Eintritt der Amerikaner in den Krieg hätten «gewisse Kreise» versucht, «die Geschäfte der Glücksklee Milchgesellschaft zu schlucken». Es sei ihm «mit Mühe und Not gelungen», sich der Sache zu erwehren. Die Kommission glaubte ihm offenbar, dass er kein glühender Anhänger der Nazis war, sondern Parteimitglied aus Opportunismus. Man stufte ihn als «MitPartei

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läufer» ein, «ohne Bedenken». Auch der Betriebsrat der Glücksklee entlastete ihn. Daher, so der «Beratende Ausschuss» am 15. Oktober 1947, könne man ihn auf seiner Stelle als Geschäftsführer der Glücksklee belassen.72 Auch seine Frau füllte einen «Fragebogen des Staatskommissars für die Entnazifizierung und Kategorisierung der Hansestadt Hamburg» aus, der im Staatsarchiv Hamburg liegt. Elisabeth Lagerfeld («Beruf: Ehefrau») wollte mit ihrem Mann in die Vereinigten Staaten reisen und benötigte dafür eine «politische Unbedenklichkeitsbeschei­ nigung». Darin hieß es am 23. März 1950, dass sie «weder Mitglied der NSDAP noch einer ihrer Gliederungen» gewesen sein. Sie galt als «politisch unbelastet». «Es bestehen somit keine Bedenken gegen eine Reise nach USA.» Der Stempel vom 22. März 1950 besagt: «Keine Kategorisierung».73 Nach aller Wahrscheinlichkeit war das eine falsche Einschätzung. Ein maschinenschriftliches Schreiben, das im Nachlass ihrer Schwester zu finden ist, trägt den Titel «Warum wurde ich Mitglied der N. S. D. A. P.?!» Es ist eindeutig Elisabeth Lagerfeld zuzuordnen. Denn es liegt zwischen all den Briefen, die Elisabeth Lagerfeld über Jahrzehnte – oft auf der Schreibmaschine – an ihre Schwester in Münster schrieb.74 In dem fünfseitigen Schreiben bezeichnet sie sich als «Tochter eines königlich preussischen Landrates» und der Vorsitzenden ­eines «Vaterländischen Frauen-Vereins», damit sind offenkundig ihre Eltern Karl und Milly Bahlmann gemeint. Zudem bezieht sie sich auf Erlebnisse in Berlin und Hamburg, wo sie einst lebte. Unterzeichnet ist die Erklärung nicht, aber eine Ergänzung am Rand trägt ihre Handschrift. Und auch an Duktus, Kommasetzung und Orthographie ist sie zu erkennen. Die Frage, warum sie Parteimitglied wurde, sei «sehr schnell zu beantworten», schreibt sie: «weil ich es für Deutschland am Besten hielt, ja nicht nur für Deutschland sondern für ganz Europa». Sie hielt es «für absolut möglich, dass Hitler im Stande war der Zerrissenheit des deutschen Volkes zu steuern, es einer Idee unterzuordnen, allem Parteienhader ein Ende zu machen, Ordnung nach Innen und Außen zu schaffen. Gleichzeitig eine Gerechtigkeit auch vor Allem in sozialer Beziehung bringen zu können. Ein gesundes Deutschland 68

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war nötig, Europa vor dem Bolschewismus zu bewahren.» Der Osten, so schreibt sie, bedeute «Gefahr seit Jahrtausenden», erst recht die «bolschewistische Aera». «Dieser Gefahr war nur zu begegnen mit ­einem, wie gesagt gesunden Deutschland und der Einsicht aller Völker, besonders Englands.» Den «Führer» hatte sie offensichtlich unterschätzt: «Man konnte nicht ahnen, dass Hitler, als die Macht sein war, es nicht verstand, mit dieser Macht umzugehen, und dass er es zuliess, dass die Teilhaber seiner Macht, die grosse Idee als nichts erachteten. Und dass er selbst dem Grössenwahn verfiel, nur Berater um sich duldete, die sich seinem Willen fügten, keine gesunde Opposition duldete, Männer mit weitem Blick und Fähigkeiten nicht an sich heran liess, jedes freie Wort verbot.» Irgendwann habe man aber nicht mehr den Mut aufbringen können, aus der Partei auszutreten. Da ging es ihr wie vielen anderen Mitgliedern: Als die NSDAP zur Staatspartei geworden war, gab es nach Angaben von Historikern immer weniger Austritte.75 «Ich werde niemals sagen, ich gehörte nicht zur Partei, nein», schrieb sie. «Im guten Glauben habe ich gehandelt. Qual genug so enttäuscht worden zu sein.» Ihre Neigung zum Nationalsozialismus leitet sie historisch her. «Man entstammte einem Jahrhundert, das noch in etwa preussischen Geist atmete, Sauberkeit und Zuverlässigkeit des Beamtentumes und der Deutschen im Allgemeinen feststehende Werte waren.» Als «Tochter eines königlich preussischen Landrates» seien ihr «Vaterlandsliebe» und «Korrektheit» «selbstverständliche Begriffe» gewesen. Nach dem «Zusammenbruch» von 1918 habe man dem «Chaos» ­gegenübergestanden, dem «Elend der Arbeitslosigkeit» und der «Last des Versailler-Vertrages». «Musste man nicht eine feste Hand begrüssen, die es verstand Ordnung zu schaffen und helfende Massnahmen zu ergreifen, damit das tägliche Brot wieder erreichbar war durch ­Arbeit!» In einem Schneideratelier in Hamburg habe sie gesehen, «unter welcher Fron die Menschen arbeiteten und ausgenutzt wurden». Und über die Zustände im Berliner Kaufhaus Gerson, in dem Elisabeth Lagerfeld mutmaßlich in den Zwanzigern arbeitete, heißt es: «Umfassendes muss geschehen, um die Lage der arbeitenden Bevölkerung zu Partei

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verbessern. Besonders die Frauen der besitzenden Klasse haben keine Ahnung, wie es ist, tagaus, tagein in wenig schönen Arbeitsräumen, an Zeit gebunden, das Leben zu verbringen.» Die Lage der Textilarbeiter war in der Tat prekär. «Konfektionsmode wurde in Berlin meist in kleinen Nähstuben oder in Heimarbeit hergestellt», sagt die Historikerin Gerda Kessemeier. «Und das geschah oft in schäbigem Umfeld. Die Arbeiterinnen wurden nach Stückzahlen bezahlt, waren nicht krankenversichert, erhielten keine Rentenzahlungen und waren von der Willkür der Zwischenmeister abhängig, die dann die Stücke an die Modehäuser lieferten.»76 Bei Gerson bemerkte Elisabeth Bahlmann den extremen Gegensatz zwischen Arm und Reich, zwischen Näherinnen und Kundinnen. Die ­feministisch bewegte höhere Tochter wird das auch deswegen empört haben, weil in diesem System vor allem Frauen ausgebeutet wurden. Die Lösung solcher sozialen Probleme erhoffte sie sich von den Nazis, wie sie nach dem Krieg auch ihrer Stiefenkelin Thoma Schulenburg gestand.77 Sie hatte geglaubt, der NSDAP wäre es möglich, «weltanschaulich und politisch idealen Zuständen in Deutschland den Weg zu bereiten», heißt es in ihrem Erklärungsschreiben. «Darum entschloss ich mich der Partei beizutreten.» Aber sie habe sich nicht aktiv darin betätigt. Hinter der Zustimmung zum neuen Regime stand auch ihr ­Beifall für Hitlers zur Schau gestellte Tatkraft. In einem Brief an ihre Schwester schlug sie 1937 einen großen Bogen von Immanuel Kants «Kategorischem Imperativ» zur Grundeinstellung des «Führers»: «Ich dachte an Hitler, das Wort: Es geht nicht, gibt es nicht in der ­Anspannung des Willens. Du siehst seine übermenschlich scheinende Leistung. Da ist’s, das ist eine Maxime des Willens, höchste Anspannung, während man selbst, trotz dem man (selbstgenügsam wie man ist) an einem Maximum des Willens angekommen zu sein glaubt, in der Tat doch erst bei einem Minimum angelangt ist, der noch nicht genügt als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten zu können.»78 Ihr Großneffe Gordian Tork weiß aus Erzählungen in der Familie, dass seine Großmutter Felicitas und ihre Schwester Elisabeth den ­Nationalsozialismus am Anfang befürworteten. Die Olympischen 70

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Spiele 1936 in Berlin seien für die beiden Schwestern die Bestätigung gewesen, dass es in Deutschland wieder aufwärtsgehe. Bei seiner Großmutter habe sich das schlagartig mit der Reichspogromnacht im November 1938 geändert. Bei Elisabeth Lagerfeld erstreckte sich die Begeisterung, wie bei vielen Deutschen, bis in die ersten Kriegsjahre.79 «Mein Ideal kam zuerst ins Wanken», so berichtet sie in ihrem ­Schreiben, «als ich in Hamburg beim Morgengrauen die Juden zu ­ihren Sammelplätzen schleichen sah.» Seit Oktober 1941 wurden Hamburger Juden in Deportationszügen in die Ghettos und Konzentrationslager im Osten gebracht. Das war die Zeit, in der die Lagerfelds vorübergehend wieder in der Stadt lebten. In Harvestehude war der ­Anteil der jüdischen Bevölkerung groß. Verfolgung und Deportation waren nicht zu übersehen. «Der weitere Verlauf der Lösung der Juden­frage, sowohl wie die der Religionsfrage erschütterte mich. Eine gewaltsame Erledigung dieser Fragen erschien mir gefährlich, unmenschlich und unklug. Nach der Erkenntnis sah mich niemand mehr mit dem Parteiabzeichen.» Von der allumfassenden Ideologie löste sie sich nur langsam, wie sie schreibt: «Die durchsickernden Verfehlungen der führenden Persönlichkeiten stritt ich zunächst ab. Dann langsam zu der Erkenntnis zu kommen, dass man betrogen worden war in seinen heiligsten Gefühlen, ist ein Erlebnis der allerschwersten Art. Dazu der furchtbare Krieg! Abgründe taten sich auf!» Sie habe «im Interesse meiner Kinder und meines Mannes» aber nicht austreten können. «Man versuchte auf jede Weise uns Schwierigkeiten zu machen, uns den Hof fort nehmen, etc.» Zudem: «welchen Verfolgungen hätte man sich ausgesetzt». Ihre Bilanz ist deprimierend: «Nun steht man mit zerschlagenen Idealen, blutenden Herzens vor einem Trümmerfeld, das einmal Deutschland war. Die persönlichen Erlebnisse und Verluste des Krieges sind nichts gegen diesen Betrug, der an unseren besten Gefühlen verübt wurde. Das Volk, das so geduldig alle Härten des Krieges ertragen hat, nun in Elend und Not ohne Gleichen! Elemente und eine Korruption machen sich breit, die alles von 1918 in den Schatten stellt. Deutschlands beste Jugend ist verblutet und man selbst ist alt geworden. Alt im Herzen. Der Rest ist Resignation!» Diese schriftliche Erklärung ist bemerkenswert, weil Elisabeth Partei

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­ agerfeld sich herauszureden versucht und sich zugleich prüfend beL fragt, kritischer wohl als die meisten Deutschen, die an den Nationalsozialismus geglaubt hatten. Sie schwieg also nicht – außer gegenüber dem Staatskommissar für die Entnazifizierung. Ihre intensive Auseinandersetzung mit der Zeit scheint auch in ­einer Anekdote auf, die Karl Lagerfeld immer wieder erzählte. Demnach trafen Elisabeth Lagerfeld und ihr Sohn nach dem Krieg in Bad Bramstedt auf dem Weg zum Zahnarzt einmal einen seiner Lehrer. Er fragte sie: «Könnten Sie Ihrem Sohn nicht mal sagen, er soll sich die Haare abschneiden?» Da packte sie den Schlips des Lehrers, schleuderte ihn hoch in sein Gesicht und fragte: «Wieso? Sind Sie noch Nazi?»80 Um der Anekdote Nachdruck zu verleihen, nahm ­Lagerfeld 2012 in der Talksendung von Markus Lanz die Krawatte des Moderators, warf sie hoch und traf dessen rechtes Auge – so dass sich Lanz wegen des Schmerzes lange die Hand vors Auge hielt.81

Schule Lust auf die Schule hatte er nicht. Karl Otto Lagerfeld war kein ­he­rausragender Schüler, die meisten Fächer langweilten ihn, in Musik sang er schief, in Sport war er fehl am Platz, und oft hänselten ihn seine Mitschüler. Zu allem Überfluss war der Weg von Bissenmoor zur Jürgen-Fuhlendorf-Schule mehr als drei Kilometer weit. In Musik konnte sich der Schüler noch einigermaßen durchmogeln. Karl Otto wusste, dass er beim Singen den Ton nicht traf, vielleicht setzte schon der Stimmbruch ein. Aber wie alle anderen Kinder musste er im Unterricht bei Fräulein Hinzpeter vorsingen. Sein Plan: Sitznachbar Peter Bendixen, der ein Talent für Musik hatte, sollte auf dem Klavier die Töne anschlagen und ihn begleiten, dann würden die Misstöne nicht so auffallen. Also spielte Peter, und Karl sang, aber nicht bis zum Ende, «denn die Vorführung ging nach kurzer Zeit im Gelächter der Klasse einschließlich Fräulein Hinzpeters unter». Karl schnitt mit «befriedigend» noch gut ab für seine Verhältnisse, Peter mit «befriedigend» schlecht für seine.82 Auch im Sportunterricht sah er nicht gut aus. Jeder Schüler sollte gegen seinen Sitznachbarn im 72

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Mit Krawatte, Siegelring und Tolle: Karl Otto Lagerfeld (Dritter von links vorne) fiel unter seinen Mitschülern auf.

Boxen antreten. Karl schlug seinem Nachbarn vor, das unwürdige Schauspiel abzukürzen: Peter solle ihn einfach kräftig gegen die Brust hauen, dann würde er umfallen, und Peter könne ihn für k. o. erklären. Aber der Sportlehrer durchschaute den großen Schlag als schwaches Schauspiel. Zur Strafe mussten die beiden Schüler zwei Stunden nachsitzen und einen Aufsatz verfassen. Peinlich auch der Zwischenfall beim Staffellauf im Gelände. Manche der Läufer warfen den ­Staffelstab weit nach vorn in Richtung des Nachfolgers, um Zeit zu ­gewinnen. Karl warf den Stab aus Ungeschicklichkeit in einen Graben, wo er ihn erst nach langem Suchen fand.83 Zum Glück war er findig. Die Lösungen möglicher Prüfungs­ aufgaben notierte sich Karl zuweilen vorher «innen auf die Umschlagmanschette» seines Hemdes.84 Und da seine Eltern oft verreist waren, schrieb er sich seine Entschuldigungen selbst. «Wenn das Wetter nicht gut war, dann war ich eben krank. Ich konnte die Schrift meiner Mutter sehr gut kopieren.» Einmal behauptete er zu Hause Schule

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sogar, er leide an Kinderlähmung. «Ich sagte meinen Eltern, mir tut alles weh, und ich kann mich nicht mehr bewegen.»85 Er habe sich diese Krankheit so gut eingebildet, «dass ich mich eine halbe Stunde wirklich nicht bewegen konnte». Die resolute Frau Lagerfeld löste das Problem aber schnell: «Meine Mutter hat mir eine Ohrfeige gegeben, da war die Lähmung wieder weg.»86 Außerdem glaubte er, dass die Schule für ihn ohnehin überflüssig war. «Ich war ja so gut wie nie in der Schule», behauptete er später einmal. «Das war nicht nötig. In Bad Bramstedt auf dem Land war keine große Konkurrenz. Da war es nicht besonders schwer, da mitzukommen.»87 Seine schulischen Qualitäten haben seine alten Mitschüler anders im Gedächtnis. Ursula Scheube zum Beispiel, die vor ihm saß, erinnert sich an ihren Klassenkameraden als «ganz normalen Schüler, nicht super begabt».88 Eigentlich hätte er sich glücklich schätzen können, überhaupt eine Schule besuchen zu dürfen. «Man kam nur auf eine höhere Schule, wenn man die entsprechenden Eltern hatte», sagt Christel Friedrichs, die Tochter des Nachbarjungen Siegfried Werner, die nach Karls Schwester benannt worden ist. «Da mein Vater nur Bauernsohn war, war es für ihn nie ein Thema, dahin gehen zu können.»89 Für die ­Lagerfelds war die Geldfrage kein Problem. Aber die Schule als Glück zu empfinden? Vermutlich wäre das zu viel verlangt von einem Zehnoder Zwölfjährigen. Später, als er sich mit seiner Klassenkameradin Dorothee angefreundet hatte, fiel ihm der Weg leichter. Von Bissenmoor war es zu Fuß nicht weit zur Station Kurhaus der AKN, der Eisenbahn AltonaKaltenkirchen-Neumünster. Von dort fuhren die beiden dann zusammen zur nächsten Station: Bahnhof Bad Bramstedt. Denn die «Private höhere Schule», am 1. Mai 1908 eröffnet, lag am Bahnhof, also zen­ tral und gut zu erreichen. Mit Dorothee Großekettler (später verheiratete Böge, verstorben 2012) kam ihm der Weg sicher kürzer vor. Er sei «tapfer neben ihr gegangen», auch wenn die anderen sie hänselten: «Brut unn’ Bräutigam, de haut sich mit de Fuertang.»90 Für Dorothee malte er auch mal ein Kasperl-Theater. Sie war das einzige Mädchen, «das mich jemals wirklich interessierte».91 Nach der Erinnerung der Mitschüler war Dorothee ein liebes Kind, mit ­einem sozia­ 74

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len Sinn und als Tochter des Direktors der örtlichen Kurklinik auch von guter Herkunft, was für Karl Otto und seine Eltern vermutlich nicht ganz unwichtig war. Erst 1937 hatte die Oberschule «einen würdigen Namen nach einer historischen Persönlichkeit» bekommen, nämlich nach Jürgen Fuhlendorf, der «als Fleckenvorsteher einst im 17. Jahrhundert die Bramstedter Bauern vor der Leibeigenschaft bewahrte».92 Schon mit Beginn des Zweiten Weltkriegs kamen immer mehr Schüler. Wegen der schweren Luftangriffe auf Hamburg und auf Neumünster flüchteten viele Menschen in unscheinbare Orte oder schulten wenigstens ihre Kinder dort ein. 1939 gingen 72 Schüler auf die Jürgen-FuhlendorfSchule, 1944 waren es schon 253. Nicht jeder musste Schulgeld zahlen in der Privatschule. Manchmal übernahm das die Stadt. Bedürftige Familien erhielten ganze oder halbe Freistellen, «zahlungsschwachen Eltern» wurde Zahlungsaufschub gewährt. Die Not der Kriegsjahre machte die Schüler erfin­ derisch. Es gab wenig Papier, keine Buntstifte, und oft mussten sie ­Bücher gemeinsam nutzen. Hans-Joachim Bronisch, der 2019 verstarb, erinnerte sich, wie er mit Karl Otto und weiteren Klassenkameraden das Lateinbuch teilte: Die Ohlau-Brücke war der Ort, an dem um 16 Uhr die Übergabe stattfand. So hatten an einem Nachmittag zwei Schüler etwas von dem Buch.93 An Papier mangelte es Karl Otto nicht. Er bekam es teils sogar aus Amerika, von Geschäftsfreunden seines Vaters. Als er seinen Vater einmal bat, ihm aus Hamburg Papier mitzubringen, sagte Otto Lager­ feld: «Wenn Du nicht genug hast, kannst Du ja auch auf der Rückseite malen.» Aber Karl weigerte sich: «In meinem Leben werde ich nicht auf der Rückseite zeichnen.»94 Seinen Zeichenkünsten also konnte er freien Lauf lassen. «Und Karl Otto war sehr gut in Kunst», erinnert sich seine Klassenkameradin Inge Ludwig. «Den Mathe­ lehrer Schneider hat er gezeichnet, wie er mit Messer und Gabel mit einer Roulade kämpft. Das Bild hing dann in der Aula. Der Lehrer war gut zu erkennen, Karl Otto hatte einen Blick für Gesichter.»95 Und Ursula Scheube erinnert sich: «Der Unterricht hat ihn nicht interessiert. Er hat gezeichnet, und die Lehrer haben ihn gelassen.» Die Mädchen baten ihn immer wieder: «Zeichne doch mal ein Kleid für Schule

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uns!» Das erledigte er dann in der Pause schnell mit wenigen Strichen – und sie waren begeistert. Auch Kunstlehrer Heinz-Helmut Schulz war beeindruckt. «Er hat Karl Otto voll akzeptiert und gefördert», sagt Barbara Dieudonné.96 «Karl war mir aufgefallen», sagte Schulz, «denn er konnte schon frühzeitig eigenständig künstlerisch arbeiten.»97 Wobei auch er nicht verschont blieb von der Schlagfertigkeit seines Schülers. Schulz, der gern Landschaften malte, sagte zu Karl Otto: «Du kannst gut Leute zeichnen, aber Du wirst nie ein guter Landschaftsmaler werden.» Da soll der kleine Karl gesagt haben: «Wenn man dann solche Bilder malt wie Sie, möchte ich das auch gar nicht.» Und das hat er dann ja auch nicht gemacht.98 Sein Leben lang sollte sich Karl Lagerfeld an diese prägende Figur erinnern. Schulz war einer der wenigen Menschen in Bad Bramstedt, mit denen er in Kontakt blieb, als er längst in Paris lebte. Auch mit seinen Sprachkenntnissen stellte er sich dar: «Mein Hauptsport war es, dem Französischlehrer reinzureden und ihm zu sagen, er spricht es schlecht aus.»99 Überhaupt war er im Mündlichen gut: «Er konnte schon damals toll reden», erinnert sich Inge Ludwig. Mit seinem kommunikativen Talent überspielte er seine ansonsten recht durchschnittlichen Leistungen. Einmal sagte er, «nur mit Schwadronieren» sei er in der Schule durchgekommen.100 Karl Otto lebte in seiner eigenen Welt. Mit pubertären Streichen tat er sich nicht hervor. Weder traktierte er Lehrerinnen, noch rauchte er mit anderen Jungen beim kleinen Schuppen auf dem Schulhof. Den anderen erschien er wie ein Bote aus der Fremde. «Er kam mir nicht nur großbürgerlich vor, sondern verhielt sich auch so und betonte, vielleicht ungewollt, seine besondere Herkunft als Großstädter aus Hamburg», schreibt Mitschüler Peter Bendixen.101 Seine herausgehobene Stellung dokumentierte der Schüler vom Gutshof mit Manieren. «Er war höflich, gut erzogen und immer super gekleidet», sagt Barbara Dieudonné. «Beim Schulball hat er als einziger andere Mütter zum Tanzen aufgefordert», erinnert sich Inge Ludwig. «Und er war gerne mit uns Mädchen zusammen.» Mit den Jungs ging er frecher um. Das wird aus einer Episode deutlich, die sein Klassenkamerad Fritz Andresen erzählt.102 Nach 76

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dem Krieg war es üblich, dass die Kinder alte Sachen auftrugen, denn Neues konnte man sich noch nicht kaufen, weil das Geld fehlte – man war ja froh, wenn man etwas zu essen hatte. «Wir Geflüchteten bekamen aus alten Sachen etwas Neues genäht», sagt Inge Ludwig. «Schuhe gab es kaum, und viele trugen alte Militärjacken.» Auch Fritz Andresen trug nach dem Krieg die alten Sachen auf, in seinem Fall die Uniform des «Jungvolks»: Hose, Lederkoppel, Braunhemd. «Ich war mit neun Jahren zum Jungvolk gegangen, weil ich davon begeistert war», sagt Andresen. «Wir haben damals zum Beispiel für alte Leute Kohlen geschleppt», sagt er über die Jugendorganisation der «Hitlerjugend» für Zehn- bis Vierzehnjährige, die dem NaziRegime unter dem Deckmantel der «Volksgemeinschaft» zur körperlichen und ideologischen Schulung diente – und die Kinder auf den Kriegsdienst vorbereiten sollte. Die Uniform aus festem Baumwollstoff trug Fritz noch nach dem Krieg. Seine Großmutter hatte die Nazi-Abzeichen entfernt. Der altbekannte Aufzug gefiel seinem Klassenkameraden, der nicht im «Jungvolk» gewesen war, gar nicht. Es muss 1946 gewesen sein, als Karl Otto ihn auf dem Schulhof anblaffte: «Dir Nazi-Schwein sollte man lieber Kartoffelschalen zu essen geben als die Schulspeise.» Das hätte er besser nicht gesagt. Denn Fritz Andresen, der zwar etwas jünger war, aber größer, packte ihn, zerrte ihn zur Weitsprunganlage, warf ihn hin und drückte sein Gesicht in den Sand. Das nahm den ­armen Karl Otto so mit, dass er nach Andresens Erinnerung am nächsten Tag zur Untersuchung in die Augenklinik nach Kiel musste. Der freche Satz des Zwölfjährigen wirkt geradezu zynisch. Otto Lagerfeld ließ ungefähr zu der Zeit von seinem Herrenschneider, ­Staben in Hamburg, für seinen Sohn einen ersten Anzug nach Maß fertigen.103 Sein Klassenkamerad Fritz hingegen musste froh sein, überhaupt etwas zum Anziehen zu haben, denn sein Vater war noch in Kriegsgefangenschaft, und die Großmutter zog ihn auf. Sein Schulgeld verdiente er sich notdürftig damit, dass er Honig aus eigener Herstellung verkaufte. Der Unterricht hatte in den letzten Kriegswirren im April 1945 aufgehört. Vorübergehend diente das Gebäude Flüchtlingen als Unterkunft. Auf Anordnung der Militärregierung ging der Schulbetrieb Schule

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am 28. November 1945 weiter, «mit kümmerlichen Mitteln», wie Mitschüler Peter Bendixen schreibt.104 Mangel herrschte noch lange. Vom 1. Januar 1949 bis zum 31. März 1950 verzichteten die Lehrer auf 25 Prozent ihres Gehalts.105 In den fünfziger Jahren wurde aus der Privatschule ein staatliches Gymnasium, das 1972 in großzügige neue Gebäude am Hang zog. Die alte Lehranstalt wurde zur «Grundschule am Bahnhof». Dort erinnerten noch Jahrzehnte später die ­naturwissenschaftlichen Fachräume an die Vergangenheit als Gymnasium. Karl Otto ging 1949 von der Schule ab, als seine Familie wieder nach Hamburg zog. Vom 27. bis zum 29. Juli 1949 war er noch mit den Klassenkameraden auf großer Fahrt. Mit Fahrrädern fuhren sie durch die Holsteinische Schweiz und sprangen in den Ukleisee, den Kellersee und den Dieksee. Auf einem Foto vom 29. Juli ist zu erkennen, wie Karl Otto mit den anderen Jungs schon bis zur Brust im Ukleisee steht und die Arme hochhebt. Spielt er, dass er untergeht und um Rettung fleht? Ruft er die beiden Jungen herbei, die noch am Ufer stehen? Oder will er auf sich aufmerksam machen, weil gerade ein Foto gemacht wird? Ein weiteres Bild von dieser Klassenfahrt amüsiert seine Mitschülerin Ursula Scheube bis heute. Da kommt Karl Otto aus dem Hintergrund herbei, kurze Hose, zweireihiges Sakko, Krawatte, und vorne sitzen sieben Mädchen auf einer Lichtung und picknicken. «Die Mädchen lagen ihm zu Füßen», sagt Ursula Scheube, die auf dem Bild im hellen Kleid und mit langem dunklem Zopf rechts vor ihm liegt. «Und so war das dann ja sein ganzes Leben lang.» Auch viele Mädchen aus seiner Klasse blieben nicht bis zum Abitur, weil höhere Bildung für sie noch immer nicht vorgesehen war oder weil sie schlicht Geld verdienen mussten. Ursula Scheube verließ die Schule nach der elften Klasse und ging auf die Frauenfachschule in Neumünster, eine Berufsschule für Frauenberufe. Inge Ludwig ging nach der Mittleren Reife ab und wurde Kindergärtnerin in Neumünster. An ihren berühmten Mitschüler hat sie sich seitdem oft erinnert. Als sie den Modeschöpfer einmal beim Friseur auf einem Foto in einer Illustrierten sah, sagte sie zu ihrer Friseurin: «Mit dem war ich in einer Klasse.» Woraufhin der Sohn der Friseurin sagte: «Und ich war mit Michael Jackson in der Schule.» 78

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Demütigung Karl Otto war anders. Noch gab es keinen Begriff dafür, aber die Mitschüler spürten es, und er spürte es auch. Auf zwei Klassenfotos ist der Unterschied zu seinen Geschlechtsgenossen ins Bild gesetzt. Auf dem einen Foto von 1948, das ihn mit den weiteren 13 Jungen seiner Klasse zeigt, sitzt er vorn in der ersten Reihe, lächelnd, ein Bein über das andere gelegt (s. Abb. S. 73). Er fällt auf durch ein zweireihiges dunkles Jackett mit aufsteigendem Revers. Schemenhaft ist am Ringfinger seiner rechten Hand ein Siegelring zu erahnen, also ein für das Alter höchst seltenes traditionelles Accessoire, das auf eine besondere Herkunft verweisen soll. Das andere Foto stammt von einer Klassenfahrt ins Ostseebad Laboe bei Kiel im August 1948. Auf dem Ausflugsschiff tragen die anderen Jungen kurze Hosen, er aber trägt lange Hosen, Krawatte und ein zweireihiges Sakko. Alle stehen, er sitzt. Er schaut in die Kamera, als wäre ihm seine Wirkung bewusst. Die Frisur hält. Die Haare der anderen Jungen zerzaust der Seewind. Diese Frisur! Die Haare, die in der Sonne glänzen, sind fein gekämmt. «Wir hatten immer eine Glatze mit Vorgarten», sagt Karl Wagner, also nur noch kurze Haare auf dem Vorderkopf. «Er aber hatte eine richtige Tolle.»106 Nach dem Krieg ließen sich auch die anderen Jungen ihre Haare wachsen. Aber mit den Unterschieden war es auch da noch nicht vorbei: Die meisten Kinder in Norddeutschland hatten blonde bis dunkelblonde Haare, Karl Otto fiel mit seiner dunklen Mähne auf. Er war anders. «In den Pausen stand er oft abseits», sagt seine Mitschülerin Ursula Scheube. «Er war ein Einzelgänger», meint Klassenkamerad Fritz Andresen. «Wir Jungs haben ihn ausgeschlossen, weil er so komisch war.»107 Inge Ludwig erinnert sich, dass die Jungs Witze über ihn machten. Sein persönlicher Stil «im Verhalten, im ­Auftreten, mit der Kleidung und mit seiner barocken Haarpracht», schreibt Peter Bendixen, habe ihm «so manche Hänselei selbst von Lehrern» eingetragen.108 Nach den Worten des ehemaligen Rektors Hans-Otto Jarren konnte Karl Otto wegen aggressiver Mitschüler sogar teils «nur mit Begleitschutz älterer Schüler nach Hause gehen».109 Demütigung

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Anders als die Anderen: Auf einem Klassenausflug ins Ostseebad Laboe im August 1948 ist Karl Otto (vorne links) leicht zu identifizieren.

Einmal sammelten Schüler und Lehrer angeblich sogar Geld, um ihn zum Friseur zu schicken. Man muss sich das vorstellen: Ein Schüler wird sogar von Lehrern gehänselt, wird wegen seiner Haare bloßgestellt, wird mit kollektivem Druck zum Friseur geschickt, vermutlich unter Gejohle, muss von Größeren bewacht werden, damit ihm nichts geschieht. Die verbale und körperliche Aggression galt ganz offenbar nicht nur dem Sohn aus besserem Hause – sondern auch dem gekünstelten Auftreten des Jungen, der schon in der frühen Pubertät seine aufkeimende Homosexualität erahnte. «Am Anfang war die Beleidigung», schreibt der französische Sozio­ loge Didier Eribon über die frühen Erfahrungen von Schwulen.110 «Das Verhalten ganz allgemein, der Gang oder die Kleidung genügen, Hass auszulösen», schreibt Eribon, als ob er diesen Jungen vor Augen gehabt hätte.111 Über solche Kindheitserfahrungen hat Karl Lagerfeld später nicht geredet. Wie sollte er auch? Der Junge, der schon deshalb ein Außenseiter war, weil er außerhalb des Ortes wohnte, wurde in 80

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seiner Schulzeit durch solche Nachstellungen traumatisiert. Eribon schreibt, die dauernde Beleidigung grabe sich ins Bewusstsein ein und sei «eine Verurteilung auf Lebenszeit», weil der Beleidigte von Blicken und Diskursen stigmatisiert werde. Daher suchten Schwule nach Möglichkeiten, «durch Selbstverleugnung oder Emigration an freundlichere Orte Beschimpfungen oder Gewalt aus dem Weg zu gehen». Solche «freundlicheren Orte» seien Großstädte wie Berlin oder Paris.112 ­Psychologisch war die Flucht nach Paris einige Jahre später also vor­ gezeichnet. Zu Hause war das kein großes Thema. Seinen Eltern war nichts Menschliches fremd. Schon mit elf Jahren habe er seine Mutter gefragt, was Homosexualität sei, sagte er einmal. Ihre Antwort: «Es gibt Leute, die sind so, und Leute, die sind so.»113 Und: «Der eine ist blond, der andere ist dunkel.»114 Und: «Das ist wie eine Haarfarbe, mehr nicht. Für zivilisierte Leute bedeutet das nichts.»115 Daher war die Erkenntnis, schwul zu sein, für ihn nach eigenen Worten kein großes Problem. «Ich hatte das Glück, sehr offene Eltern zu haben. Und ich bin mir nicht sicher, ob sie in ihrer Jugend auch nicht ganz unschuldig waren.»116 In dieser Hinsicht stand er gewissermaßen über dem Gesetz: «Das war vielleicht für bestimmte Leute verboten, aber da, wo ich lebte, war nix verboten.»117 Das mag richtig sein. Im Hause Lagerfeld herrschte großbürger­ liche Liberalität, die sich nicht gemein machte mit der Verachtung Andersdenkender und Anderslebender. Aber erstens war sein Vater dennoch enttäuscht, das sollte der Sohn als Heranwachsender zu spüren bekommen. Und zweitens klingen diese Sätze verharmlosend angesichts der gesellschaftlichen Wirklichkeit jener Zeit. Auch nach der jahrelangen Verfolgung und Ermordung von Homosexuellen durch die Nationalsozialisten war in Deutschland nicht Schluss mit der Schwulenfeindlichkeit. Der Paragraph 175 im Strafgesetzbuch galt in der Fassung von 1935 fort. 1949 wurde der «Schwulen-Paragraph» offiziell in geltendes Recht übernommen. Bis dahin kam es in jedem Nachkriegsjahr zu mehr als 1000 rechtskräftigen Verurteilungen, nach 1950 sogar zu mehr als 2000 pro Jahr. Erst recht in der Provinz wurden Schwule damals verspottet, gehänselt, verächtlich gemacht und angezeigt, auch nach der Nazi-Zeit. Wolfgang Joop sagte nach Demütigung

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Lagerfelds Tod: «Das schwule Kind fühlt sich wie ein schwarzes Kind in einer weißen Klasse.»118 Spöttische Blicke, hämische Kommentare, sogar handfeste Verfolgung: Das werden weitere Gründe dafür sein, dass Karl Otto nicht gerne in die Schule ging. Und es war Anlass, sich aus dieser kleinen Welt in Holstein fort zu wünschen. Wohl auch daher regten ihn die Fächer an, die Phantasie verlangten. In der Theatergruppe von Fräulein Jüngst, in der er Molières Tartuffe gab, soll er mit Leidenschaft dabei gewesen sein. Kunst liebte er. Und Lesen war schon damals seine liebste Beschäftigung. Kultur im weitesten Sinne, schreibt Didier Eribon, gewann als Identifikationsmuster für Schwule an Bedeutung. Die Schwulenforschung erkennt «eine Orientierung auf künstlerische Berufe», «die Verschränkung des Gefühls, ‹anders› zu sein, mit einer Neigung zum ‹Künstlertum›».119 Aber wo sollte er diese künstlerischen Neigungen zum Beruf machen? So viel ahnte er schon als Jugendlicher: in Bad Bramstedt nicht.

Schwestern Die Schwestern Karl Lagerfelds sind kaum öffentlich in Erscheinung getreten. Das lag an Theresia und Christel selbst, die nicht der Versuchung nachgaben, sich groß mit ihrem kleinen Bruder zu schmücken. Und es lag daran, dass er in den fünfziger Jahren seine Familie verließ und sich in Paris ein neues Leben aufbaute. Die Dissonanzen in der Familie, so schreibt Didier Eribon, spielten für Schwule als «Energiequelle» bei ihrer «Neukonzeption» eine wichtige Rolle.120 «Die Freunde, die man in schwulen Milieus kennengelernt hat, ersetzen die mehr oder weniger fallengelassenen Familienbeziehungen.»121 Martha Christiane Lagerfeld war am 11. Mai 1931 in Hamburg zur Welt gekommen, als erstes Kind von Otto und Elisabeth Lagerfeld. Weil sie nur zwei Jahre älter war als Karl und nicht so lange im Internat wie ihre Halbschwester Thea, war sie ihrem Bruder in der Kindheit sehr nahe, auch wenn ihm manche ihrer praktischen Fähigkeiten abgingen.122 Seiner Kindheitsfreundin Sylvia Jahrke, der Karl Otto immer «ein bisschen etepetete» vorkam, erschien Christel wie 82

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Ein seltenes Bild: Auch Thea (links hinten), die in ihrer Jugend meist in Internaten war, ist hier um 1936 mit ihrem Vater Otto Lagerfeld und ihren Halbgeschwistern Christel und Karl Otto zu sehen.

das Gegenteil: «Sie war wild und rannte herum.»123 Offenbar war sie so unbändig, dass die Eltern die Fünfjährige besser zu verstehen suchten – und eine graphologische Untersuchung in Auftrag gaben. Anhand der Schrift wollte ein Fachmann herausgefunden haben, dass ihr Charakter «infolge seiner leichten Gefühlsanregbarkeit erheb­ lichen Stimmungsschwankungen unterworfen» sei.124 Aber das womöglich kapriziöse Kind entwickelte sich zu einem pragmatischen Mädchen. «Christel ist wirklich zu gebrauchen. So knatschen & jaulen tut sie garnicht mehr», schrieb Elisabeth Lagerfeld 1942 an ihre Schwester über die Elfjährige. «Ein Witz dies Kind u. so artig. Nur dies verdammte lernen. 100 M. habe ich ihr versprochen wenn sie so lernt, daß sie nächsten Herbst nicht sitzen bleibt, ich glaube das zieht.» Überhaupt strengten die Kindererziehung und all ihre anderen Aufgaben die Mutter an. «Stell Dir aber auch nur vor: Haus, Garten, Hühner, Kinder, Schulaufgaben von Christel, was ein harter Kampf manchmal ist!!», schrieb sie in demselben Brief. «Ernten, einmachen, Schwestern

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flicken, waschen. Kerl, Kerl, die Frau Geheime Rätin die hätte das wohl nicht gemacht. Aber ich lasse es langsam angehen u. werde auf Hilfe kommen.» Dann schiebt sie nach: «Wir 3 hier leben sonst ­äußerst gemütlich hier u. lieben uns sehr.»125 Otto Lagerfeld war eine praktische Ausbildung seiner Kinder wichtiger als eine akademische. Also ging Christel nach der Schule auf eine Hotelfachschule. Einen Teil ihrer Ausbildung absolvierte sie im Vier Jahreszeiten in Hamburg, dem Lieblingshotel der Großeltern. Auch in Berchtesgaden arbeitete sie.126 1957 ging sie als Au-pair-Mädchen nach Seattle im amerikanischen Bundesstaat Washington. Dort lernte sie den um mehr als acht Jahre älteren Robert Johnson kennen, der im Zweiten Weltkrieg in der US Navy gedient hatte und nun als Steuer­ inspektor arbeitete. Sie heirateten 1959 und zogen von der Westküste in Richtung Ostküste, in die Kleinstadt Portland im Bundesstaat Connecticut. Christiane Johnson, die in Amerika wieder ihren Geburts­ namen als Rufnamen führte, weil die Kurzform Christel dort unbekannt war, bekam vier Kinder: Caroline, Roger, Paul und Karl. Ende Mai 1980 kam der Sohn, der nach seinem Onkel benannt war, mit 18 Jahren bei einem Motorradunfall ums ­Leben – auf einer Maschine, die sein Onkel ihm geschenkt hatte. «Vielleicht hatte Karl deshalb lebenslang so viel Angst vor dem Motor­radfahren», sagt ­Lagerfelds Vertrauter Sébastien Jondeau, der selbst leidenschaftlich Motorrad fährt und sich bei einem Motocross-Rennen im Dezember 2016 die Wirbelsäule brach – woraufhin sich Lagerfeld rührend um ihn kümmerte, vielleicht auch, weil er noch ­immer das Schicksal seines Neffen vor Augen hatte.127 Christels Kinder hatten ihren Onkel nur einmal gesehen: In den siebziger Jahren ließ er sich in Portland in einer schwarzen Limousine vorfahren. «Er blieb nur einen Nachmittag», erinnerte sich Christiane Johnson später. «Und ich besuchte ihn ein paar Jahre später.» Ab und an schickte er noch Briefe oder Weihnachtskarten. Im Frühjahr 2014 schrieb er ihr, er habe seit zweieinhalb Jahren eine Katze: «Wusste nicht, dass ein kleines Tier so toll sein kann.» Und: «Ich kann einfach nicht glauben, dass Du 83 wirst und ich bald 81 werde.»128 Wenigstens in Briefen an seine große Schwester sprach er also offen über sein wahres Alter. 84

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Die Entfernung zu ihr war einfach zu groß für sein eng getaktetes Leben, obwohl Lagerfeld oft in Manhattan war, nur wenige Autostunden von Portland entfernt. Amerika, so befand er, «das ist wie auf einem anderen Planeten». Seine Schwester sei dort «total untergegangen»: «Sie will ihren Mann nicht einen einzigen Tag im Leben allein lassen, sie hat ganz reizende, nette Kinder.»129 Sie sei «ein betont lieber Mensch, nicht so wie ich». Wenn er ihr etwas von Chanel schicke, «gibt sie das gleich armen Leuten».130 Außer ihrer Familie widmete sie sich vor allem der Wohltätigkeitsarbeit in protestantischen Gemeinden.131 Daher nannte ihr Bruder sie gegenüber anderen spöttisch «die Heilige».132 Am 9. Oktober 2015 ist Christiane Johnson im Alter von 84 Jahren gestorben. Bestattet ist sie in ihrer Heimatstadt Portland, auf dem Swedish Cemetery, wo auch ihr Mann Robert liegt, der ein Jahr zuvor verstorben war. Zur Beerdigung kam ihr Bruder nicht. Es zeigt wohl die Fliehkräfte in dieser Familie, dass die ältere Halbschwester einen ganz anderen Lebensweg nahm. Thea war am 30. November 1922 geboren worden, war also neun Jahre älter als Christel und elf Jahre älter als Karl. In Erzählungen von Nachbarskindern in Bissenmoor taucht sie kaum auf, denn sie ging schon aufs Internat, als Karl noch klein war. «Dass er noch eine ältere Halbschwester hatte, wussten wir gar nicht», sagt seine Klassenkameradin Barbara Dieudonné.133 Seine Bindung zu Thea war schwächer als zu Christel – auch deshalb sollte es noch zu Konflikten kommen. Thea Lagerfeld ging in den dreißiger Jahren zunächst auf ein ­katholisches Internat, wie sich ihre Tochter Thoma Schulenburg erinnert. «Sie wollte weg von zu Hause, schon wegen ihrer Stiefmutter.»134 Dann besuchte sie die Reinhardswaldschule bei Kassel, im Volksmund «Frauenschule» genannt. Die Studienrätin Eleonore Lemp hatte die Internatsschule kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs gegründet, um Mädchen «eine gediegene Bildung» zu ermöglichen. In dieser Reformschule wurden nicht nur «Mädchenfächer» wie Gesundheitslehre und Krankenpflege unterrichtet, sondern auch Volkswirtschaftslehre und Staatsbürgerkunde.135 Am Sonntagabend las die ambitionierte Leiterin ihren Schülerinnen am Kamin Goethe und Schiller vor, wie sich die ehemalige Schülerin Gertrud Scheele erinnert.136 Schwestern

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Der Pädagogin ging es in ihrer «Eliteschule» um eine ganzheitliche Ausbildung. Die Mädchen mussten im Garten, auf dem Geflügelhof und in der Molkerei arbeiten. Auf dem Plan stand auch ein «praktisches Jahr», das wohl den Reichsarbeitsdienst ersetzte, zu dem Mädchen seit Beginn des Krieges angehalten waren. Diese Zeit leistete Thea Lagerfeld im Schloss der Adelsfamilie Schulenburg in Tylsen ab, einer Landgemeinde bei Salzwedel in Sachsen-Anhalt. Dort verliebte sie sich in den jüngsten Sohn der Familie, Thomas Graf von der Schulenburg. Das gute Klima in der Familie Schulenburg war ihr eine Zuflucht. Denn bei ihrer Stiefmutter zu Hause war sie nicht gut gelitten. «Der Bock Thea, erscheint leider Gottes, Gott sei Dank nicht hier draußen», schreibt Elisabeth Lagerfeld 1942 aus Bad Bramstedt an ihre Schwester – die 19 Jahre alte Thea wohnte in dem Sommer offenbar bei ihrem Vater in Hamburg. «Sie kommt nicht einmal ans Telefon, wenn Otto mich abends anruft», schreibt Elisabeth Lagerfeld empört. «Beim nächsten Treffen werde ich ihr aber mal Bescheid sagen, was ich über ihren rotzigen Ton mir gegenüber denke und alle ollen ­Kamellen werde ich aufwärmen, was die sich wohl einbildet, wie die auftreten kann mir gegenüber. Otto klagt sie sei so unbescheiden mit Butter & Aufschnitt. Meine Herrn dies Gör ist ein Pfingstfest u. nicht normal.»137 Kein Wunder, dass sich Thea Lagerfeld schnell mit Thomas von der Schulenburg verlobte. Sie hätte ihn gern auch sofort geheiratet, aber Otto Lagerfeld drang darauf, dass seine Tochter damit wartete, bis sie volljährig war, also 21 Jahre alt.138 Das dauerte ihr dann aber wohl doch zu lange: Sie war erst 20, als sie den Offizier der Wehrmacht, der am 1. Oktober 1919 geboren worden war, am 3. April 1943 heiratete. Nur drei Wochen lebten die beiden richtig zusammen, in den Flitterwochen am Bodensee, dann musste Thomas von der Schulenburg wieder an die Front  – und seine schwangere Frau zurücklassen, die in den folgenden Monaten oft von der gemeinsamen Wohnung in Sondershausen (Thüringen) zur Schwiegermutter Theodora von der Schulenburg ins 200 Kilometer entfernte Tylsen und zu ihrem Vater ins mehr als 300 Kilometer entfernte Hamburg fuhr. Die gemeinsame Tochter, Thea-Friederike von der Schulenburg, ge86

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nannt Thoma, wurde am 16. Januar 1944 in Neumünster geboren, getauft wurde sie in Wallstawe bei Tylsen. Der Krieg wütete nun schlimmer, von der Ostfront kamen desaströse Nachrichten  – und schließlich traf es auch diese junge Familie. Nicht einmal ein Jahr nach der Hochzeit, am 4. März 1944, fiel Thomas von der Schulenburg, Oberleutnant und Kompanieführer in einer Panzer-Aufklärungsabteilung, gerade 24 Jahre alt, «in der vordersten Front im Osten», wie es in der Todesanzeige hieß.139 Thea von der Schulenburg war erst 21 Jahre alt, als sie Witwe wurde. Die kleine Thea-Friederike war schon im Alter von sieben Wochen Halbwaise. Bald wurde sie Thoma gerufen, nach ihrem gefallenen Vater. Thea von der Schulenburg, die mit ihrer Tochter zunächst im Glücksklee-Haus am Mittelweg  36 lebte, wollte schnell selbständig werden. Also ging sie – dunkelblaues Kostüm, weißer Kragen, lange Handschuhe – in die Redaktion der «Welt» und stellte sich mit den Worten vor: «Ich habe nichts gelernt, aber ich will arbeiten.»140 Ihre Zielstrebigkeit zahlte sich aus: Mehrere Jahre lang war sie Ende der vierziger Jahre Bildredakteurin bei der «Welt».141 Um die kleine Thoma kümmerte sich ein Kindermädchen. Im Jahr 1950 zog sie mit der sechsjährigen Tochter und ihrem Freund, dem Grafiker Julius Stahlberg, den sie 1951 heiratete, nach Frankfurt. Dort arbeitete sie in der deutschen Niederlassung der amerikanischen Werbeagentur McCann als Kundenbetreuerin und lebte in der Oberlindau im Westend. Ihre Tochter kam aufs Internat – so wie sie selbst in ihrer Jugend. Weil Julius Stahlberg aber seit dem Krieg unter Tuberkulose litt, zog das Paar bald nach Niederjosbach im Taunus. Dort herrschte bessere Luft, und ganz in der Nähe, in Naurod, war eine Lungenheilstätte. Aber Stahlberg starb schon Ende der fünfziger Jahre. Mit nicht einmal 40 Jahren war sie zum zweiten Mal Witwe geworden. Sie legte den Nachnamen Stahlberg ab, nannte sich wieder von der Schulenburg und zog nach Wiesbaden.142 Dann kam sie mit Horst Joachim Wilke zusammen. Er war bei McCann als Kontakter tätig, kümmerte sich unter anderem um den Großkunden Neckermann  – und wurde mit einem Geistesblitz bekannt. Das Versandhandelsunternehmen suchte 1960 dringend einen neuen Slogan, weil «Besser dran mit Neckermann» auf Initiative von Schwestern

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Quelle als vergleichende Werbung und somit unlauterer Wettbewerb verboten worden war. «Bis spät in die Nacht saßen wir beim Brainstorming zusammen», schreibt Josef Neckermann in seinen Erinnerungen. «Die unterschiedlichsten Vorschläge wurden geschöpft und für falsch befunden.» Bis schließlich Wilke, der gar nicht fürs Kreative zuständig war, mit dem Satz «Neckermann macht’s möglich» herausplatzte. Josef Neckermann war begeistert und schenkte ihm symbolisch eine Mark. Der Lebensgefährte von Karl Lagerfelds Halbschwester hatte einen der bekanntesten deutschen Werbeslogans erfunden.143 Die Familie war zunehmend zerstritten. Lagerfeld sagte einmal, nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1967 habe sich seine Halbschwester schlecht verhalten, «und ich habe sie nie wieder gesehen».144 Nach der Erinnerung ihrer Tochter Thoma Schulenburg ging es dabei um Erbstreitigkeiten. Danach hätten die beiden aber noch locker Kontakt gehalten. Seinem Vetter Kurt schrieb er 1989 in einem Brief: «Christel geht es gut in den U. S. A. Von Thea höre ich wenig.»145 Aber er schickte ihr noch Karten mit fotografischen Selbstporträts: «Für Thea, Dein Mule, Ostern 1985». Oder: «Liebe Thea, das ist ein Selbstporträt. Love, M. 10.4.94»146 Und als Thea von der Schulenburg in emotionale und finanzielle Nöte kam, half Karl Lagerfeld ihr mit Zuspruch und mit Geld. Nach ihrem Tod sagte er im Jahr 2005 auf die Frage nach seiner Halbschwester in gewohnt schnoddriger Art: «Die habe ich 30 Jahre lang nicht gesehen, die ist inzwischen tot.»147 Später behauptete er, sie sei lesbisch gewesen und aus der Schule geflogen, «weil sie Affären mit den Lehrerinnen hatte».148 An solche Liebesbeziehungen kann sich ihre Reinhardswald-Mitschülerin Gertrud Scheele nicht erinnern: «Und wenn da was gewesen wäre, dann hätte man das damals gehört.»149 Thea von der Schulenburgs Tochter hält es ebenfalls für abwegig: «Das ist Quatsch.»150 Elisabeth Lagerfeld war ohnehin nie zufrieden. «Das Neueste ist, dass Theresa wiedergeheiratet hat», schrieb sie im Dezember 1972 an ihre Schwester, empört über die Hochzeit ihrer Stieftochter mit Horst Joachim Wilke. «Ich denke mir Theresa hat ihren alten Liebhaber ­geheiratet obwohl was heißt alt, er ist 5  Jahre jünger als sie. Am 88

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30.11. ist sie 50 geworden, bitte! wie ist das möglich?»151 Immerhin kümmerte sich Elisabeth Lagerfeld  – vermutlich in der Annahme, dass ihre Stieftochter dazu nicht in der Lage sei  – fürsorglich um Thoma, die oft in den Ferien bei ihr zu Besuch war. Seit dem Erbstreit Ende der sechziger Jahre sah Karl Lagerfeld seine Halbschwester nie wieder.152 Thea von der Schulenburg starb am 1. Oktober 1997 im Alter von 74 Jahren in Wiesbaden, dort wurde sie auch bestattet. Zur Beerdigung kam er nicht.

Preußen Für Matthias und Andrea Wirthwein, die Besitzer des Mannheimer Antiquariats «Die Wortfreunde», war es eine Routinefahrt. Von Christopher Pfleiderer, einem befreundeten Antiquar in Baden-Baden, hatten sie gehört, dass dort bei einer Haushaltsauflösung viele alte Bücher zu haben waren. Also fuhren sie am 22. Juli 2009, einem heißen Sommertag, in die Kurstadt im Schwarzwald, zum Mietshaus an der Lange Straße 142B. Im Hof parkten schon die Transporter des Entrümplers aus Straßburg, und die Arbeiter kamen schwer bepackt die Treppe herunter. Aber oben in der Wohnung bot sich den Wirthweins ein trauriger Anblick. Die Entrümpler, offenbar keine Freunde des geschriebenen Worts, schüttelten die Regale, so dass die Bücher hinausfielen  – sie hatten es nur auf die leicht angegilbten Schleiflack-Regale abgesehen.153 Matthias Wirthwein wollte gleich kehrtmachen: «Einfach würdelos, so mit Büchern umzugehen.» Immerhin entdeckte er einen Stapel mit Karl-May-Bänden. Aber als Wirthwein die grünen Bände ein­ packen wollte, sagte der Entrümpler, dass er die schon für sich reserviert habe. Das gab Wirthwein den Rest: «Andrea, wir gehen.» Seine Frau hatte aber längst ein paar alte Zeitschriften entdeckt, unter anderem die Erstausgabe der deutschen «Vogue» von 1928. Sie nahm die Magazine und packte noch einen alten Prachtband über Friedrich den Großen ein, obwohl ihr geschichtsversierter Mann über den alten Schinken sicher nur lächeln würde. So kamen vier, fünf volle Bananenkisten zusammen. Preußen

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Wochen später packte Matthias Wirthwein die Bücher in seinem Antiquariat aus. Den Folianten über den Alten Fritz kannte er, im ­Internet lagen die Preise zwischen 15 und 30 Euro. Als er noch überlegte, ob er das Buch lieber günstig ins Netz stellen oder noch günstiger im Laden anbieten sollte, entdeckte er darin die Widmung eines Conrad Ramstedt an seinen Neffen Carl Otto Lagerfeld. Carl Otto Lagerfeld? Konnte das sein? Am nächsten Tag begannen Matthias und Andrea Wirthwein zu recherchieren. Sie schrieben die Universität Münster an, wo Conrad Ramstedt Professor gewesen war, und verglichen seine Unterschrift in ihrem Buch mit den Unterschriften auf Karten, die er geschrieben hatte. Da bestand dann kein Zweifel mehr, dass es sich um den Münsteraner Chirurgen handelte, der mit Felicitas Bahlmann verheiratet war, der Schwester von Lagerfelds Mutter. Conrad Ramstedt (1867 bis 1963) war von 1909 bis 1947, nur unterbrochen vom Ersten Weltkrieg, Chefarzt der Chirur­ gischen Abteilung an der Raphaelsklinik in Münster. Bekannt wurde er mit der «Ramstedt-Weber-Operation», dem Eingriff bei einer Magenausgangsverengung, die er erstmals am 18. Juni 1911 erfolgreich an dem 22 Tage alten Sohn eines Kollegen durchführte.154 Nach der Zerstörung der Klinik im Zweiten Weltkrieg setzte Ramstedt, der von 1944 bis 1947 Chefarzt der gesamten Raphaelsklinik war, die Arbeit so erfolgreich fort, dass ihm 1962 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen wurde. Karl Lagerfelds Patenonkel, der 25  Jahre älter war als seine Frau, war auch in der Familie eine Autorität. In die Lagerfeld-Literatur ging Conrad Ramstedt bisher nur durch eine bezeichnende Anekdote ein. Der Onkel ging mit dem zehnjäh­ rigen Karl in Münster spazieren. Als sie an der Freiligrathstraße vorbeikamen, fragte der Junge, wer Freiligrath sei. Ramstedt war erzürnt, dass sein Patensohn den Dichter Ferdinand Freiligrath nicht kannte. Er gab ihm eine Ohrfeige und beschwerte sich bei seiner Schwägerin später über ihren ungebildeten Sohn: «Elisabeth, Dein Sohn ist ein Dummkopf», sagte Ramstedt in der Halle seines Hauses. «Und das ist alles Deine Schuld, weil Du so oberflächlich bist.»155 Der Professor, der wie Freiligrath aus dem 19.  Jahrhundert stammte, hielt alte Bildungsideale eben noch hoch. Seine Huldigung 90

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Ein Geschenk zur Konfirmation: Conrad Ramstedt widmet seinem Patensohn ein Buch über den Preußenkönig Friedrich II.

des Preußentums in dem Prachtband, die er im Alter von 81 Jahren schrieb, ist insofern nur logisch. Und durch den Hinweis auf die Konfirmation verräterisch. Denn Lagerfeld hatte sich stets als kirchenfern bezeichnet. «Ich durfte nicht in die Kirche gehen», sagte er einmal. «Ich wurde nicht religiös erzogen.»156 Was ihn interessiere, sagte er 2011, sei nicht die Religion. Vielmehr sehe er sich den Einfluss der ­Religion auf die Geschichte und die Kultur an, wie sich der Biologe Jean Rostand die Ameisen ansah.157 Er sei ein Kind katholischer Eltern in einer protestantischen Gegend gewesen. «Ich brauchte also nie in die Kirche zu gehen. Ich habe keine Konfirmation gefeiert, ich weiß ja gar nicht, was das ist.»158 Und auf die Überlegung des Moderators Johannes B. Kerner, «es gibt ja Kommunion oder Konfirmation», antwortete er: «Nix, nix, nix, nix.»159 Vielleicht waren diese übereifrigen Reaktionen eine Art Abwehrzauber. Der schwangeren Mutter war nämlich von einer Wahrsagerin prophezeit worden: «Sie sind schwanger, Sie kriegen einen Jungen, und der wird Bischof.»160 Für einen ­Jugendlichen in Bad Bramstedt war in jener Zeit die Konfirmation Preußen

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selbstverständlich; der christliche Initiationsritus ist Voraussetzung für die Zulassung zum Abendmahl. Und in der Tat: Im Konfirma­ tionsbuch der Kirchengemeinde von Bad Bramstedt ist «Karl Otto Lagerfeld» 1948 mit der Nummer 17 verzeichnet. Nach Auskunft des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Altholstein fand die Konfirmationsfeier am Sonntag Palmarum («Palmsonntag»), dem 21. März 1948, in der Kirche von Bad Bramstedt statt.161 Und obwohl er sich an keine religiöse Bindung erinnern wollte: Der kleine Karl war auch getauft worden, in der katholischen Kirche St. Antonius im Hamburger Stadtteil Winterhude.162 Seine Eltern waren nicht so kirchenfern, wie er das später unterstellte. Zwar hatte seine Mutter unter dem katholischen Glauben, der im Münsterland bis heute stark verbreitet ist, in ihrer Jugend sicher auch gelitten, wie Lagerfeld berichtete: «Die Eltern meines Vaters und die Mutter meiner Mutter waren ja hysterisch, deshalb hatten meine Eltern das satt. Meine Mutter sagte: Es gibt einen Gott für alle, und Religion ist nur ein Laden.»163 Und in der Tat war Elisabeth Lagerfeld 1936 «aus Überzeugung» alt-katholisch geworden, wie sie 1950 auf ihrem Entnazifizierungs-Fragebogen angab.164 Ihr Mann hatte sie ­ wohl überzeugt  – er war schon alt-katholisch. Die Bindung an die ­katholische Kirche blieb aber. So stifteten die Lagerfelds der katholischen Kirche Maria Grün in Blankenese ein Ewiges Licht, das lange brannte: Erst im Zuge von Renovierungsarbeiten in den Jahren 2005 und 2006 wurde es ausgetauscht und einer Gemeinde in Polen geschenkt.165 Und wie kam nun der große Preußenkönig in Form des Prachtbands «Fridericus Rex» nach Baden-Baden? Laut Stadtarchiv meldeten sich Otto und Elisabeth Lagerfeld am 9. März 1960 vom Harvestehuder Weg 85 in Hamburg an die Hahnhofstraße 16a in Baden-Baden um. Am 4. Juli 1967 starb Otto Lagerfeld, am 9. April 1968 meldete sich Elisabeth Lagerfeld nach Paris ab, Richtung Sohn. Vorher könnte sie einer Freundin die Magazine und den alten Schinken überlassen haben  – und Karls alte Karl-May-Bände, die dann der Entrümpler mitnahm. Die Wirthweins berichteten 2009 per Brief auch Karl Lagerfeld in Paris von ihrem Fund. Eine Antwort kam nie  – der Modeschöpfer 92

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schwelgte nicht gern in Erinnerungen. Für das Buch haben sie schon vierstellige Gebote bekommen. Aber vermutlich werden sie es ohnehin nie herausgeben. Immerhin können sie mit ihrem Fund religiöse und familiäre Traditionslinien aufzeigen. Und was die «Wiederauferstehung Preussens» angeht, die in der Widmung des Patenonkels beschworen wird: Dafür sorgte Karl Lagerfeld, der «roi prussien»,166 der preußische König, mit seiner eigenen Person: «Im Grunde, das stimmt, bin ich eine preußische Natur.»167

Aufbruch Wo ist Karl? Ist er der junge Mann mit Seitenscheitel an der Treppe, der eine Fliege trägt und fasziniert den Mannequins nachschaut? (Minu­te 7:51) Ist er der junge Mann, der in der ersten Reihe sitzt, links am Rand, mit Krawatte, neben einer Dame (Minute 8:35), die sich kurz zu ihm hinüberzubeugen scheint? Leider wird man vermutlich nie mehr feststellen, wo der Sechzehnjährige saß, als sich die ­Pariser Marke Dior in einer großen Modenschau in Hamburg präsentierte – selbst wenn man auf Youtube den Beitrag über das Defilee im Hotel Esplanade in den «Filmaufnahmen über und aus Hamburg 1949» noch so oft anschaut. Wo ist Karl? Vielleicht ist er auch gar nicht zu sehen. Denn wie die Einladungskarten aus dem Dior-Archiv zeigen,168 fanden gleich drei Schauen statt, bei zwei abendlichen Galas am 12. und 13. Dezember 1949 sowie bei einem Nachmittagstee am 13. Dezember um 16 Uhr. Bei einer dieser Präsentationen war der Schüler mit seiner Mutter da, das hat er oft erzählt. Es war eine Art Erweckungserlebnis. Denn bisher wusste er noch nicht so recht, was er mit seinen künstlerischen Talenten anfangen sollte. Die Schau des damals größten Mode­ schöpfers öffnete ihm die Augen – und eröffnete ihm Möglichkeiten, von denen er vorher nicht einmal geahnt hatte, dass es sie überhaupt geben könnte. Es war ein Ereignis, wie es die Hamburger seit 1945 nicht oft erlebt hatten. Die weiteren Beiträge der «Filmaufnahmen über und aus Hamburg 1949» zeigen, dass die Bewohner der Millionenstadt anAufbruch

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dere Probleme hatten. Sie waren mit den verheerenden materiellen und moralischen Folgen des Kriegs beschäftigt: Im Stadtteil Iserbrook wurde 1949 zum ersten Mal seit dem Krieg eine Schule neu eröffnet, aber wegen Raummangels musste noch in zwei oder drei Schichten unterrichtet werden; ein riesiger Schwimmkran am Versmannkai wurde im März 1949 von den britischen Besatzern im Rahmen der Demontage gesprengt, obwohl der Erste Bürgermeister Max Brauer sich bei den Briten für den Erhalt eingesetzt hatte; der Regisseur Veit Harlan, der mit dem antisemitischen Hetzfilm «Jud Süß» von 1940 zum Helfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik geworden war, wurde am 23. April 1949 freigesprochen, weil ihm eine Schuld nicht nachzuweisen sei (auch der zweite Prozess ging 1950 mit einem Freispruch aus); am 18. Mai stimmte die Bürgerschaft für das Grundgesetz ab, so dass Hamburg zum Bundesland der Bundesrepublik Deutschland wurde. Das Leben bestand vielfach noch darin, die Spätfolgen der NaziZeit zu bewältigen. Aber es ging langsam aufwärts. Mit der Währungsreform vom 20. Juni 1948 war die Grundlage für wirtschaftliche Erholung geschaffen, mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 der Grundstein für politische Stabilität gelegt. Bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 wurden CDU (31 Prozent) und SPD (29,2 Prozent) die stärksten Parteien. Die Deutschen hatten den radikalen Parteien weitgehend abgeschworen, und unter Konrad Adenauer (CDU), der am 15. September 1949 zum Bundeskanzler gewählt wurde, fand das Land zu politischer Verlässlichkeit. Drei Mal sollte er als Kanzler wiedergewählt werden: 1953, 1957 und 1961. Weitere Zeichen des Aufschwungs waren die neuen Zeitungen wie die «Welt» (1946), das «Hamburger Abendblatt» (1948), die «Hamburger Morgenpost» (1949) sowie Zeitschriften wie der «Stern» (1948 in Hannover gegründet, 1949 nach Hamburg gezogen), «Der Spiegel» (1947 in Hannover gegründet, 1952 nach Hamburg gezogen), «Bild» (1952) sowie Frauenzeitschriften wie «Film und Frau» (1949) und «Constanze» (1948). Sie machten aus Hamburg binnen weniger Jahre die deutsche Medienhauptstadt. Der Zeitungs- und Zeitschriftenliebhaber Karl Lagerfeld, dessen Halbschwester bei der 94

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«Welt» arbeitete, wusste sich dieses Standortvorteils seiner Heimatstadt später auf genialische Art zu bedienen. Auch für die Lagerfelds brach Ende der vierziger Jahre eine neue Zeit an. Die Geschäfte des Glücksklee-Direktors liefen wieder besser. Elisabeth Lagerfeld hatte das flache Land satt, das sie so sehr an ihre öde Jugend in Beckum erinnerte. «Meine Mutter langweilte sich zu Tode in der Provinz», sagte ihr Sohn später. «Und ich träumte ebenfalls nur davon, so schnell wie möglich abzuhauen.»169 Karl hatte die Schule in Bad Bramstedt hinter sich gelassen, Bissenmoor war verkauft, und es ging wieder nach Hamburg. Weil das Haus am Harvestehuder Weg noch im Bau war und das Haus am Innocentiapark vermietet, lebten die Lagerfelds vorübergehend im Hotel Esplanade. Dort waren sie am richtigen Ort. Denn in dem repräsentativen Haus, das von 1948 bis 1951 ein Hotel war, sollte nun ein weiteres Zeichen des Aufschwungs erscheinen. Mehrmals im Jahr ließ Christian Dior, der 1947 mit seinem verschwenderischen «New Look» die bescheidene Nachkriegszeit für beendet erklärt hatte, seine Kollektion «draußen Luft schöpfen», wie er später schrieb.170 Von Paris aus schickte er seine Kollektionen in die Welt. Sein Modehaus wuchs seit seinem umjubelten Debüt schnell. Auch international war seine Marke gefragt wie keine andere. Um weitere Märkte zu erobern, reisten seine Manne­ quins, Ankleidefrauen und Pressedamen unter anderem nach Japan, Südafrika, Griechenland, Schottland und Südamerika. Und nun eben Hamburg. Zunächst kam die Vorhut. «Vier zier­ liche Frauen mit vier überdimensionalen Schrankkoffern trafen gestern früh mit dem Nord-Expreß aus Paris am Hauptbahnhof ein», berichtete das «Hamburger Abendblatt» am 12. Dezember 1949. «Die ersten französischen Mode-Gesandtinnen seit dem Krieg, Wegbahner des Modehauses Christian Dior, das heute und morgen auf Einladung der ‹Constanze› eine Kollektion von 80 Modellen im ­Hotel Esplanade zeigt.»171 Die Verleger John Jahr und Axel Springer standen hinter der «Constanze». Von der englischen Militärregierung hatten sie die Lizenz bekommen, eine Frauenzeitschrift herauszugeben. Der umtriebige Chefredakteur Hans Huffzky machte die «Constanze» schnell zu einem der größten Magazine für Frauen – und beeindruckte die Leserinnen schon im Jahr nach der Gründung damit, Aufbruch

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dass der wichtigste Modeschöpfer aus Paris auf Einladung der Zeitschrift nach Hamburg kam. Beziehungsweise: Er kam dann leider doch nicht persönlich, weil er schon wieder an der Côte d’Azur weilte, um Entwürfe für die nächste Kollektion zu zeichnen. Die Vorhut bestand aus Diors rechter Hand Suzanne Luling, der Pressedame Mademoiselle Le Bidois, einer französischen Journalistin und aus Madame Castelnot, der «Reine des Cabines», der «Königin der Umkleidekabinen». Sie packten im Esplanade die Koffer aus und richteten die Kleider her, assistiert von zwei deutschen Büglerinnen, die brav gelobt wurden: «Wir würden sie gleich mit nach Paris nehmen.» Die Modelle standen unter ständiger Bewachung von Madame Castelnot und der Polizei – vor allem auch das Kleid «Cygne Noir» (Schwarzer Schwan), das für Marlene Dietrich gedacht war, eine der Musen des Modeschöpfers. Die Mannequins, die der Vorhut einen Tag später mit dem Nachtzug folgten, sollten Eindruck machen: France, Sylvie, Jane, Julie, ­Simone, Tania. Immerhin: France, Sylvie und Tania nannte Dior später in seiner Autobiographie seine «Starmannequins»: «Sie gaben meinen Kleidern Leben.»172 Karl Lagerfeld erinnerte sich noch 68 Jahre später an die Namen Simone und France.173 Jede der sechs jungen Frauen erhielt gleich am Zug einen Rosenstrauß. Fotograf Norbert Leonard, der eigentlich Norbert Levy hieß und den Naziterror nur knapp überlebt hatte, fotografierte sie vor Trümmerlandschaften. Als Jacques Chastel, der kaufmännische Leiter und angeblich einzige Mann unter den etwa 800 Angestellten von Dior, vor Beginn des großen Auftritts seine Smoking-Fliege verlegte, besorgte «Constanze» schnell eine neue, für sechs Mark. Die Mannequins warteten hinter einem Samtvorhang, der sie von den Gästen im großen Saal trennte. Dann spielte das Esplanade-Orchester «Parlez-moi d’amour», und Axel Springer begrüßte die Gäste. Nicht von Handelsbeziehungen wolle er reden, sagte er, sondern von Mode als Kunst. Und wirklich gab es Modekunst zu sehen. Die Dior-Kleider aus Taft, Seide, Brokat und Samt, die Pelze, Ketten und Pailletten, die Perlen- und Edelsteinstickereien, die gut einstudierten Bewegungen der Mannequins mit geschickten Drehungen und gekünstelter Pose rissen das Publikum hin. «Es sagt viel», schrieb die «Zeit», «daß er nur 96

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Auf Einladung der «Constanze»: Dior präsentiert im Dezember 1949 seine Mode in Hamburg.

­ enige Grundfarben  – Schwarz, Rot, Braun und ihre Pastelltöne  – w benutzt; aber wie er sie kombiniert, das ist so voll überraschender Schönheit und effektvollem Raffinement, daß häufig erregte Rufe der Bewunderung den Festsaal durchliefen.» Die Conférenciers flüsterten nur die Namen der Kleider ins Mikrofon, «Poudre et Sucre», «Matisse», «Christian Bérard», ohne jeglichen Kommentar, so wollte es der Meister. Die bewegten Bilder des Filmteams sind manchmal leicht vernebelt – weil der Rauch der Zigarren ins Bild zieht. Die Zuschauer stellten fest, so schrieb der «Spiegel», «daß Dior weniger durch Extravaganz als durch raffinierte Einfachheit in der Linie seine Wirkungen erzielt». Die «Constanze» resümierte: «Die Damen verschlangen die Kleider mit ihren Blicken, die Herren nicht nur die Kleider.» Und die «Zeit» schwärmte: «Je nun, es waren entAufbruch

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zückende Mädchen aus Paris, die mit den aufsehenerregenden Roben, den sündigen Duftwolken und den funkelnden Geschmeiden das ganze Flair dieser bezaubernden Stadt mitgebracht hatten. Es waren Sendboten einer Welt, die es also noch gibt, irgendwo noch gibt: die große Welt, in der man keine Trümmer, keine Arbeit kennt, sondern Parties und Luftreisen und große Bälle.» Der «Spiegel» kalkulierte nüchterner: «Für ein Dior-Kleid zahlt man an der Seine 100 000 bis 120 000  Francs; das sind 1200 bis 1400 DM.» Die «Zeit» blieb aber entrückt: «Der Charme und die Feinnervigkeit dieses Landes, die Phantasie und der kultivierte Farbsinn ihrer Couturiers, ihre erotische Psychologie und ihr überfeinerter Geschmack erringen diesen Modelleuren des nachschaffenden Modehandwerks ihre unerreichte Weltgeltung.» Der neue Stil werde das Geschäft ankurbeln: «Der eine Blick auf Diors Schöpfungen wird der deutschen Konfektion neue Impulse geben.» Wie weitsichtig formuliert! Denn Karl Lagerfeld war begeistert – und gab in der Tat später der französischen und der deutschen Konfektion neue Impulse. «Ich erinnere mich an die Dior-Schau noch ganz genau», sagte er der «Vogue» vor seiner Reise nach Hamburg, wo er im Dezember 2017 die Métiers-d’Art-Kollektion von Chanel in der Elbphilharmonie zelebrierte.174 Seine große Schau fast sieben Jahrzehnte später, ebenfalls in der Vorweihnachtszeit, war eine späte Antwort auf Monsieur. Der Dior-Auftritt war legendär – der ChanelÜberschwang unübertrefflich. Das große Vorbild seiner Jugend hatte dieser Hamburger Jung da längst hinter sich gelassen. Christian Dior war dankbar für Hamburg. Als Mitarbeiter der «Constanze» ihn nach den Schauen in seinem Atelier an der Avenue Montaigne besuchten, führte er ihnen gleich ein «hellblaues Tageskleidchen aus reiner Seide» vor, das er nach der Zeitschrift benannt hatte: «Constanze», vorgeführt für die «Constanze» von Mannequin Jane, ein plissiertes Hemdblusenkleid.175 Dieser Mann wusste also Träume zu wecken, mit nicht allzu komplizierter Mode auf die Frauen zuzugehen und die Presse für sich einzunehmen. Auch das sollte sich Karl Lagerfeld merken. Die Mode war seine Bestimmung! Wenn er nach der Dior-Schau noch einen Zweifel daran hatte, dann beseitigte eine weitere Erfah98

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Verbunden mit der Welt: Anfang der fünfziger Jahre war Karl Lagerfeld noch bei seinen Eltern in Hamburg – aber bald ging er fort.

rung die letzten Bedenken. Seine Mutter, die sein Talent förderte, zeigte seine Zeichnungen dem Direktor der Hamburger Hochschule für bildende Künste am Lerchenfeld, in der Hoffnung, dass ihr Sohn zur Probe aufgenommen würde. Aber der Direktor sagte: «Ihr Sohn interessiert sich ja gar nicht für die Kunst, sondern für die Mode. ­Gucken Sie nur genau hin, was er zeichnet: lauter Kleider. Er könnte Kostümbildner am Theater werden.» Der Jugendliche musste erkennen: «Meine Zeichnungen entsprachen nicht den Vorgaben, die man damals in der Kunstmalerei hatte.» Die Mutter ärgerte sich: «Du bist zu faul, hast keinen Ehrgeiz, bemühst dich nicht, aus dir etwas zu machen.»176 Elisabeth Lagerfeld suchte neue Perspektiven für ihren Sohn. Hamburg bot nicht mehr großstädtische Zerstreuung wie vor dem Krieg, sondern nur noch großflächige Zerstörung. «Meine Mutter hat immer gesagt, Hamburg ist das Tor zur Welt, aber nur das Tor. Du Aufbruch

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musst hier raus!»177 Auch die geteilte Stadt fiel als Ziel ihrer Sehnsüchte aus. «Als die Juden verjagt wurden, war Berlin einfach nicht mehr Berlin. Seit 1933 war Berlin indiskutabel», sagte ihr Sohn später.178 In den zwanziger Jahren war die deutsche Hauptstadt prägend für Elisabeth Lagerfeld, aber nach dem Krieg sei es ja «kaputt» gewesen. «Sie wollte diese Stadt deshalb auch nicht wiedersehen», sagte ihr Sohn. «Sie wollte in ihrem Kopf das Bild bewahren, als sie dort noch jung, frisch und glücklich gewesen war.»179 Die ehrgeizige Großbürgerin flüsterte ihrem Sohn die Möglichkeiten ein. Die geheimen Wünsche seiner Mutter nach Weltläufigkeit zu erfüllen – das hieß gleichzeitig, sich den Vorstellungen des Vaters zu entziehen, die schnöde Geschäftstätigkeit verlangten. Karl sehnte sich nach einer Welt, die ganz anders zu sein versprach. Deutschland kam ihm langweilig vor. Kein Wunder, denn zu Beginn der Adenauer-Zeit waren der wirtschaftliche Aufschwung und die politische Stabilität eingebettet in eine «eigentümliche Starrheit»,180 eine konservative Grundhaltung, die bieder, ja spießig wirkte. Die Familie zog im Jahr 1950 an den Harvestehuder Weg 65.181 Dort hatte Karl in der großen Wohnung der Eltern ein kleines Zimmer mit Schlafkoje. «Er hat da mehr oder weniger rumgehangen», sagt seine Nichte Thoma Schulenburg. «Aufs Gymnasium wollte er nicht mehr gehen.»182 Sein Ziel war jetzt klar. In Hamburg hielt er es kaum noch aus. «Ich begann mich auf Paris vorzubereiten. Ich bin am Abend für drei Stunden, fünfmal in der Woche, zum FranzösischUnterricht gegangen. Das tun nicht viele Schulkinder.»183 Drei Jahre lang sei er «zu Abendkursen gerannt, damit mein Französisch perfekt war».184 Die Hoffnung auf Paris verschlechterte die Stimmung zu Hause nur noch. «Für seinen Vater war es schrecklich, dass Karl seine Ansprüche nicht erfüllte», sagt Thoma Schulenburg. «Sie haben viele Auseinandersetzungen gehabt. Es war im Grunde ein grausames Verhältnis.» Karl habe nicht richtig benennen können, was er denn wollte. «So markierte er das bockige Kind.» Das wiederum brachte den Vater noch mehr gegen seinen Sohn auf. Die Bilanz also war Anfang der fünfziger Jahre bitter. Er enttäuschte seine Mutter mit mangelndem künstlerischen Ehrgeiz, er enttäuschte seinen Vater auf ganzer Linie. Und er war vielleicht sogar 100

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von sich selbst enttäuscht, weil er zwar ahnte, was er wollte, Dior hatte es ihm schließlich vorgemacht, aber weil er nicht so recht wusste, wie er seine großen Ziele erreichen sollte. Es war eine seltsame Inkubationszeit. Ihn hatte eine Idee infiziert, die er aber noch ausbrüten musste. Es blieb ihm nichts anderes übrig: Er musste seine Vorstellungen in einer anderen Welt verwirklichen. Allein war er nicht mit diesem Wunsch. Viele junge Deutsche wollten dem Land, das seine hässliche Fratze gezeigt hatte, ein neues ­Gesicht geben. Einige gingen deshalb in die Mode. Der ehemalige Flakhelfer F. C. Gundlach, geboren 1926, entführte seine Landsleute als Modefotograf in ungeahnt elegante Bilderwelten. Wolfgang Joop, geboren 1944, dessen Vater spät aus dem Krieg zurückgekehrt war, flüchtete sich vor dessen Ansprüchen an Disziplin und Gehorsam in die ­fiktionalen Welten von Kunst und Mode. Peter Lindbergh, der 1944 noch im Wartheland geboren wurde und in Duisburg als Kind von Vertriebenen aufwuchs, begründete als Fotograf die Ära der S­ upermodels. Und Jil Sander, die 1943 geboren wurde und nur 60 Kilometer von Bad Bramstedt entfernt hungernd die Nachkriegszeit überstand, sollte in den kommenden Jahrzehnten ihren makellosen Stil erfinden. Die Mode versprach auch dem jungen Karl eine Wirklichkeit ­höherer Ordnung, die schöner und heller war als der graue Alltag, die freier und offener war als das geschlossene Weltbild seines Vaters. Und sie blickte nicht zurück auf die Verstrickungen der deutschen Schuld, sondern immer nur nach vorn, in die Zukunft, jede Saison neu.

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Chefdesigner bei Patou, 1960

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Paris Also Paris. Angeblich kam er am 28. August 1952 aus Hamburg an der Gare du Nord an: «Ich war gekommen, um zwei Jahre aufs Gymnasium zu gehen. Aber mein Aufenthalt in Paris hat sich etwas ver­ längert.»1 In einer anderen Version kam er mit dem Flugzeug, und Geschäftsfreunde seines Vaters warteten am Flughafen auf ihn.2 Jedenfalls kümmerte sich der Chef der französischen Carnation-Vertretung um ihn, ein Geschäftsfreund seines Vaters.3 Die Sekretärin der Kondensmilch-Vertretung, «eine schreckliche Dame mit Glubschaugen», fand für den jungen Mann eine Pension an der Rue de la Sorbonne 14, das Hôtel Gerson, gegenüber der Bibliothek der Sorbonne.4 Lager­feld schrieb später, das sei ein Haus «für unmündige Kinder und Studenten» gewesen, denn er musste ja den Eindruck erwecken, er sei mit 14 Jahren nach Paris gekommen. Dabei wurde er am 10. September 1952 schon 19 Jahre alt.5 In der fremden Stadt war er angeblich weder aufgeregt noch ängstlich. «Leute sagten zu meiner Mutter: ‹Er wird sich verloren vor­ kommen.› Da sagte meine Mutter: ‹Manche Leute gehen verloren, andere nicht. Mein Sohn gehört zu denen, die nicht verlorengehen.›» Und Lagerfeld ergänzte: «Damals hatte man keine Angst vor nichts. Da war es noch nicht so gefährlich wie heute.»6 Ohnehin schwebte er in seinen zwei Zimmern mit Balkon im fünften Stockwerk über den Dingen – sein Leben erinnerte ihn an den Episodenfilm «Unter dem Himmel von Paris». Und wenn er auf die Straße ging, entdeckte er ein lebendiges Studentenviertel mit vielen Geschäften und Cafés. Aber schon als junger Mann veränderte er sich oft. 1955 zog er an die Rue de Varenne 32. Vielleicht weil er auch dort unter der Aufsicht Paris

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einer Zimmerwirtin stand, ging es 1957 für ein Jahr an die Rue de Tournon 31, wo schon die Schriftstellerin Katherine Mansfield gelebt hatte: «Endlich eine eigene Wohnung und ein Haus aus dem 18. Jahrhundert! Niemand war mehr da, um ‹ein Auge auf mich zu werfen›. Ich konnte endlich machen, was ich wollte!»7 1958 und 1959 lebte er im Hinterhof der Rue Jacob 19: «Der Blick auf den Park mit Dela­ croix’ Atelier war sehr poetisch.» Und von 1959 bis 1963 wohnte er am Quai Voltaire 7 im Parterre, in der Nähe des Hauses, in dem Voltaire gewohnt hatte: «Man konnte im Sommer nie die Fenster öffnen – der Lärm des Verkehrs war dort damals schon sehr stark.»8 Voltaire, Eugène Delacroix, Katherine Mansfield: In seinen ersten zehn Jahren in Paris bewohnte der junge Karl auch eine philosophische, künstlerische und literarische Welt. All diese Wohnungen lagen in einem Radius von 500 Metern um das Café de Flore, das er damals schon gerne besuchte. Das linke Ufer der Seine gefiel ihm so gut, dass er dem Viertel immer treu blieb. Und zwar so treu, dass er nie in seinem Leben im achten Arrondissement geschlafen hat, auf der anderen Seite des Flusses.9 Seine Sprachkenntnisse verbesserte er in der Alliance française, dem Kulturinstitut, in dem Kurse für Ausländer stattfinden. Der Lehrerin muss er aufgefallen sein: «Die gute Frau schlug mir vor, dass ich ihr mit den Kursen für Deutschschüler helfe. Aber ich habe ihr gesagt, dass ich nicht dafür gekommen sei.»10 Er fühlte sich lieber in die Stadt ein: «Ich habe meine Zeit damit verbracht, spazieren zu gehen. Ich könnte Reiseführer in Paris sein! Und ich bin ins Kino gegangen, von der ersten Vorstellung bis zur letzten, um an meinem französischen Akzent zu arbeiten.»11 Den Film «Die schrecklichen Kinder» («Les Enfants Terribles») von 1950 nach Jean Cocteaus gleichnamigem Roman, eine tragische Geschichte um zwei inzestuöse Geschwister, sah er nach eigenen Worten sogar fünf Mal an einem Tag.12 «Le Champo» an der Rue des Écoles war keine 100 Meter entfernt von seiner ersten Wohnung. Das kleine Programmkino, das 1956 einen zweiten Saal im Untergeschoss bekam, war eine Schule des Sehens. Auch spätere Stars des französischen Films wie Claude Chabrol und François Truffaut, beide etwas älter als er, besuchten das Kino an der Ecke mit der imposanten Jugendstil-Fassade. Am liebsten 104

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sah sich der junge Mann, der auch in die Cinémathèque française und in die Kinos an den Champs-Elysées ging, alte Filme an, «die mich in die dreißiger Jahre zurückbeförderten».13 «Ich bin so oft wie möglich hingegangen. Ich habe alle Gloria-Swanson-Filme geguckt. Außerdem ‹Das Cabinet des Dr. Caligari›. Danach konnte ich drei Nächte lang nicht schlafen, weil ich Angst hatte, dass die Marionette vom Balkon aus in mein Zimmer kommen würde, um mich zu töten.»14 Die Stadt eroberte sich der junge Karl, indem er scheinbar ziellos durch die Straßen und Passagen streifte. Beide Aspekte, die Walter Benjamin in seinem «Passagen-Werk» dem Flaneur zuschreibt, trafen auch auf ihn zu: «Dialektik der flanerie: einerseits der Mann, der sich von allem und allen angesehen fühlt, der Verdächtige schlechthin, andererseits der völlig Unauffindbare, Geborgene.»15 Der junge Mann, der sich so leicht visuell anregen ließ, der sich selbst als «Voyeur» bezeichnete,16 konnte seinem Beobachtungsdrang nachgehen, anonym und ungestört – und doch auch heimlich beachtet von anderen. Die Stadt erschien ihm wie ein Film aus der Vorkriegszeit, vom Typ der Milieustudie «Unter den Dächern von Paris» (1930). «Damals war Paris wegen der Kohleheizungen eine düstere, fast finstere Stadt.» Auf dem Weg vom Bahnhof ins Zentrum «kam mir die schönste Stadt der Welt nicht sehr sauber vor». Am meisten hätten sich seitdem die Farben und die Gerüche geändert.17 Es waren seine Lehr- und Wanderjahre. Auf den Pariser Straßen wird das private Leben nach außen gekehrt, wie Walter Benjamin beobachtete: «Die Pariser machen die Straße zum Interieur.»18 Der junge Karl, der keine Schule besuchte und noch keine Arbeit hatte, war oft planlos unterwegs, nicht wie ein Angestellter, der schnell zur Métro hastet, oder ein Tourist, der die richtige Straße sucht. Damals, so befand er später, mischten sich in einem Viertel, sogar in einem Haus, viele soziale Schichten. Das machte das Stadtleben noch an­ regender. Schlendernd eignete er sich den öffentlichen Raum an, blieb an den Schaufenstern der Buchläden und Antiquitätengeschäfte in Saint-Germain-des-Prés stehen, ging über die Brücken ans rechte Ufer der Seine, vorbei am Louvre, durch die Tuilerien und die Arkaden an der Rue de Rivoli. Auf seinen Spaziergängen durchmaß er Jahrhunderte: von den Existentialisten, die sich im Café de Flore trafen, bis Paris

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zur Grandeur des Palais du Louvre, der bis 1682, als Ludwig  XIV. nach Versailles umzog, als Königspalast genutzt worden war. Das alles muss ungeheure Wirkung gehabt haben auf den jungen Mann. Die Eindrücke waren bestimmend auch für sein späteres Leben. Er eroberte sich in diesen Jahren eine Welt, die er nie mehr für länger verlassen sollte als höchstens für einige Wochen. Wenn er in seinem letzten Lebensjahrzehnt von seiner Wohnung am Quai Voltaire hin­ unterschaute auf die Seine und aufs andere Ufer, konnte er mit seinen Blicken die Spaziergänge von damals nachvollziehen: Zur Linken blickte er auf die Tuilerien und rechts durch die große Durchfahrt bis in den riesigen Innenhof des Louvre, fast bis zur gläsernen Pyramide des Architekten Ieoh Ming Pei aus dem Jahr 1989, die zu einem Wahrzeichen des riesigen Museums wurde. Die ausgedehnten Spaziergänge des unterbeschäftigten Jünglings waren auch für seinen späteren Beruf prägend. «Der Flaneur ist der Beobachter des Marktes», schrieb Walter Benjamin nur anderthalb Jahrzehnte zuvor in seinen philosophischen Fragmenten. «Sein Wissen steht der Geheimwissenschaft von der Konjunktur nahe. Er ist der in das Reich des Konsumenten ausgeschickte Kundschafter des Kapitalisten.»19 Und in der Tat: Der flanierende Beobachter gewann seinem Bildgedächtnis später immer wieder Ideen ab, um als Designer den Zeitgeist kapitalistisch nutzbar zu machen. Der Straße gab er in verwandelter Form zurück, was er ihr einst visuell entlehnt hatte. Langsam kam er in Paris an. Unter anderem lernte er den deutschen Studenten Peter Bermbach kennen, der seit Mitte der fünfziger Jahre häufig in der Stadt war und seit 1960 dort lebte. Die beiden verstanden sich sofort. «Er hatte kein Abitur gemacht, vielleicht weil er sehr von sich überzeugt war, aber er war sehr gebildet», sagt Peter Bermbach. «Er las und las und hörte Musik.» Seinen neuen Bekannten testete Karl gleich mal auf sein Wissen: «Kennst Du Liselotte von der Pfalz?» Ja, Bermbach hatte die frivolen Briefe der Prinzessin ge­ lesen, die den homosexuellen Bruder Ludwigs  XIV. geheiratet hatte. «Von dem Tag an waren wir Freunde.»20 Auch Unausgesprochenes verband die beiden. Peter Bermbach hatte in München wegen vermeintlicher «versuchter Verführung» nach Paragraph 175a wochenlang im Gefängnis gesessen. Der «Schwulen106

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Paragraph» des deutschen Strafgesetzbuches wurde in der jungen Bundesrepublik streng ausgelegt; erst 1969 wurde das Totalverbot aufge­hoben und nur noch Sex mit einem Mann unter 21 Jahren bestraft, ganz abgeschafft wurde der Paragraph erst 1994. In Frankreich war das Schutzalter schon am 6. August 1942 auf 21 Jahre festgelegt worden. Im vergleichsweise liberalen Nachbarland ließ es sich also besser leben. «Wir haben nie über Homosexualität geredet», sagt ­Peter Bermbach, für den die ständige rechtliche Drohung jedenfalls Grund genug war, in das Land von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu gehen: «Homosexualität war hier mehr geduldet.» Karl Lagerfeld wird es ähnlich empfunden haben. Nun begann für ihn die Zeit, über die der Soziologe Didier Eribon schreibt, aus der Empfindung all der Verletzungen bezögen Schwule die schöpferische Energie, «mit der sie ihre Persönlichkeit aufbauen oder neu erschaffen».21 Endlich war Lagerfeld in eine Sphäre gelangt, in der es akzeptiert war, schwul zu sein. «Die Vorteile der Modewelt», sagte er 1996: «Es gibt keinen Rassismus und keine Homophobie.»22 Leicht hatten sie es trotzdem nicht in diesen frühen Jahren, denn sie gehörten einer weiteren Minderheit in Paris an: Sie waren Deutsche. «Die Anti-Deutschen-Gefühle waren damals stark, auch unter jungen Leuten», sagt Peter Bermbach. «Der Krieg war erst seit gut ­einem Jahrzehnt vorbei.» 1940 war die Wehrmacht in Paris einmarschiert und hatte schnell das ganze Land unter Kontrolle gebracht. Viele Bewohner der Hauptstadt mussten flüchten, etwa 92 000 französische Soldaten fielen im Kampf gegen die Invasoren, Zehntausende Juden wurden in die Vernichtungslager im Osten deportiert und dort ermordet, viele französische Arbeitskräfte wurden zwangsrekrutiert und mussten in Deutschland arbeiten, unter anderem im Glücksklee-Werk in Neustadt und auf dem Hof der Lagerfelds in Bad Bramstedt. Frankreich litt unter dem herrischen Auftreten der Besatzer und der demütigenden Gängelung durch die deutsche Verwaltung. Je stärker der französische Widerstand gegen die Besatzer, desto schlimmer der deutsche Terror. Mehr als 20 000  Résistance-Mitglieder kamen bei den Befreiungskämpfen ums Leben. Die Alliierten befreiten gemeinsam mit den Widerstandskämpfern Frankreich schließlich im Paris

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September 1944 von den Deutschen. Der «Dreißigjährige Krieg», wie Präsident Charles de Gaulle die Zeit vom Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 bis zur «Libération» 1944 nannte, war endlich vorbei.23 Peter Bermbach bekam die Vorbehalte der Franzosen oft zu spüren. «Wir zwei Deutschen waren sozusagen Ausgestoßene und fanden schon deshalb leicht zusammen.» Die beiden Freunde verbrachten viel Zeit in Karls Wohnung am Quai Voltaire 7. «Er bewohnte eine möblierte Parterrewohnung mit hohen Decken», erinnert sich Bermbach. Über eine kleine Treppe ohne Geländer gelangte man in den Schlafraum, der nur anderthalb Meter hoch war. «Der Raum war ausgeschlagen mit schwarz-weißem Stoff. Da lagen wir zusammen auf dem Bett wie zwei Schulkameraden und hörten Musik. Rundherum lagen ganze Stapel von Dreiunddreißiger-Vinylplatten.» Sie nannten die Schlafkoje den «OblomowRaum», nach dem so gebildeten wie passiven Tagträumer aus dem Roman von Iwan Gontscharow aus dem 19. Jahrhundert. Karl bildete sich auch musikalisch dauernd weiter. «Einmal hatte ich in Madrid eine Platte des Barockmusikers Antonio Soler, genannt Padre Soler, erstanden, ‹Konzerte für zwei Orgeln›», erinnert sich Bermbach. «Die kannte Karl nicht und wollte sie unbedingt haben. Wir hatten kein Tondbandgerät fürs Überspielen, und in Paris war die Platte nicht zu kaufen. Also schlug er mir einen Tausch vor: Ich bekam sein Album mit Lotte-Lenya-Chansons, das gerade heraus­ gekommen war, dafür er meinen Padre Soler. Die Lenya habe ich bis heute.»24 Bei aller Freundschaft  – sein Gefährte blieb distanziert: «Er hat wenig über sich persönlich geredet.» Und er hatte eine Angewohnheit, die Bermbach gar nicht gefiel: «Wenn ich an der Tür klingelte, musste ich minutenlang warten. Ich habe mich immer geärgert, aber nichts gesagt, weil das kleinbürgerlich geklungen hätte.» Vielleicht war es das Ruhebedürfnis des Zurückgezogenen, der noch ein paar Minuten für sich haben wollte. Vielleicht ging es aber auch um den Distinktionsgewinn des Großbürgersohns, der zeigen wollte, dass sein Haus ziemlich groß ist oder dass eigentlich das Dienstmädchen längst hätte öffnen sollen. «Er wusste sich sehr gut zu verkaufen», sagt Peter Bermbach. Der Mittzwanziger sah gut aus, hatte die besten Manieren 108

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und war sehr gepflegt. «In seinem Badezimmer sah ich zum ersten Mal in meinem Leben Ohrstäbchen.» Als er ihn darauf ansprach, habe Karl ihn gefragt: «Was, die kennst Du nicht?» Auch auf den richtigen Geruch kam es ihm an. Die Haushaltshilfe habe stechend riechendes Eau de Javel als Bleichmittel zur Wäsche in die Wasch­ maschine geschüttet. «Da muss ich immer aufpassen, dass sie das nicht macht», habe Karl gesagt, «sonst rieche ich noch nach armen Leuten.» Der junge Peter Bermbach war den schönen Künsten zugeneigt – aber einen solchen Illusionskünstler hatte er noch nicht erlebt. Das zeigte sich an einer kleinen Szene. In einer seiner Wohnungen hing an der Wand ein «Engel» von Paul Klee, signiert. Karl behauptete, das sei ein Original. Aber Peter, der Kunsthistoriker, erkannte sogleich die kleine Hochstapelei: «Das war natürlich eine Grafik.» Mit der Wahrheit hielt es sein phantasiebegabter Freund nicht immer so ganz genau.

Anfänge Schon der erste Schritt in die große Mode wirkte mühelos. Dabei war das Internationale Wollsekretariat (IWS), eine Marketing-Organisation vor allem australischer Schafzüchter, sehr wichtig für Modeschüler und Modejünger in Paris. In Zeiten aufkommender Synthetikfasern warb das IWS für Schurwolle und veranstaltete einen Wettbewerb: Junge Designer sollten Modeskizzen einreichen, die Siegerentwürfe würden von etablierten Marken hergestellt, und eine Stelle als Assistent hätten die Gewinner auch in Aussicht. Im Jahr 1954 wurde der «Concours du Dessin de Mode» in Paris groß annonciert, auf Riesenplakaten mit einer Modezeichnung von René Gruau.25 Der Zufall habe ihm mehr geholfen als alles andere, sagte Karl ­Lagerfeld später. Auf den Wettbewerb habe er sich gar nicht vorbereitet. «Als ich nach sechs Monaten ein Telegramm bekam, dass ich ­einen Preis gewonnen habe, wusste ich gar nicht mehr, dass ich einen Entwurf für einen Mantel eingereicht hatte. Ich hasse Mäntel.»26 Viele eigene Mäntel aus seinem Schrank habe er weggegeben, obwohl Anfänge

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sie maßgeschneidert waren. Als ihn sein Vater einmal im Winter in Paris besuchte und Karl zu ihm ins Hotel George V ging, wo der Kaufmann standesgemäß logierte, wollte Otto Lagerfeld ihm wegen der Kälte gleich einen Mantel kaufen. Der Sohn meldete aber sofort mal seine Ansprüche an: Im Laden gegenüber gebe es einen marineblauen Kaschmirmantel. «Entweder bekomme ich den oder gar keinen.» Natürlich bekam er ihn. «Mein Vater hat mir immer alle meine Wünsche erfüllt.»27 Die jungen Designer und Studenten waren aufgerufen, bis zum 31. Oktober Modezeichnungen einzureichen für den Preis, der später als Woolmark-Preis bekannt wurde. Die besten Entwürfe in drei Kate­ gorien wurden von den Ateliers dreier Modeschöpfer gefertigt: der Mantel bei Pierre Balmain, das Kostüm bei Jacques Fath, das Abendkleid bei Hubert de Givenchy.28 Es sollte ein denkwürdiger Abend werden an diesem 11. Dezember 1954  – nicht nur, weil der junge Mann, der keine Mäntel mochte, in der Mantel-Kategorie gewann. Bei dem Cocktailempfang standen die drei Gewinner auf der Bühne. Der 21 Jahre alte Karl präsentierte seinen kanariengelben Mantel mit Dreiviertelarm, tiefem V-Ausschnitt am Rücken, originellem Gürtelverschluss als Kragen, grauem Filzhut und grauen Handschuhen. «Sehr damenhaft», nannte er das später ironisch. «Das schien damals neu zu sein.»29 Mit auf der Bühne stand ein weiterer Debütant. Yves Saint Laurent, gerade einmal 18 Jahre alt, der schon im Jahr zuvor ­einen dritten Platz errungen hatte, bekam den Preis für das schönste Kleid. Mit Colette Bracchi, der Gewinnerin in der Kategorie Kostüm, und den drei Mannequins stehen die beiden da wie zwei Schuljungen im Anzug: schmal, brav, ernst. Karl der Große sah noch aus wie Karl der Kleine, als wäre er wirklich erst 16 Jahre alt, wie er später glauben machen wollte, aber immerhin, comme il faut, mit weißem Einstecktuch in der Brusttasche und Siegelring am Ringfinger der rechten Hand. Den Preis überreichte Thelma Sweetinburgh, die Pariser Büroleiterin des IWS. «Sie war sehr schick», erinnerte sich Lagerfeld noch ein halbes Jahrhundert später, nach ihrem Tod im Jahr 2007  – und konnte sie noch aus dem Gedächtnis zeichnen, in dem Kostüm von Jacques Fath, das sie an jenem Tag trug. «Sie war die erste Person aus 110

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Schüchterne Sieger: Karl Lagerfeld, Yves Saint Laurent und Colette Bracchi präsentieren 1954 ihre Entwürfe im Modewettbewerb.

der Modewelt, die ich kennenlernte», sagte Lagerfeld. Aus Dankbarkeit ging er später zum Blumengeschäft Lachaume, dessen treuester Kunde er werden sollte, und kaufte ihr einen Strauß.30 An dem Abend wurde Modegeschichte geschrieben. Denn auf der Bühne standen die beiden wichtigsten Designer des nächsten halben Jahrhunderts. Hier begann ihre lange Freundschaft, die in eine noch längere Feindschaft münden sollte. Die Jurymitglieder, neben Balmain, Fath und Givenchy auch René Gruau und Journalisten wie die «Elle»-Modechefin Simone Baron, waren begeistert von den Talenten. Die drei Gewinner erhielten außer Stellenangeboten jeweils Anfänge

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300 000 Francs, «ziemlich viel Geld für so ’n dummen Schuljungen», wie Lagerfeld später sagte.31 Allerdings waren diese alten französischen Francs damals weniger als 1000 amerikanische Dollar wert, aber auch das war noch viel Geld. Yves hatte Glück: Christian Dior, den die beiden Jungdesigner so bewunderten, erwählte ihn schließlich zu seinem Assistenten, auch nach Fürsprache durch den damaligen «Vogue»-Chefredakteur Michel de Brunhoff, der ebenfalls in der Jury saß, schon vorher Briefe von Yves Saint Laurents Vater bekommen hatte und angetan war von den Zeichnungen des jungen Mannes. Karl war zuvor im Balmain-Studio gewesen, das den Mantel für den Abend der Preisverleihung herstellte. Pierre Balmain bot ihm dort gleich eine Assistentenstelle an. Lagerfeld erzählte später, er habe auch ein Angebot von Cristóbal Balenciaga (1895 bis 1972) bekommen.32 Aber da wollte er nicht anfangen. Wahrscheinlich kam ihm der Modeschöpfer spanisch vor: mit seinen strengen Formen, seiner unerbittlichen Eleganz und seiner mönchischen Verschwiegenheit. Karl ging lieber zu Pierre Balmain (1914 bis 1982), der jünger war und just 1954 in aller Welt bekannt wurde, weil er für Audrey Hepburns Hochzeit mit Mel Ferrer das weit ausgestellte Brautkleid mit Wespentaille entworfen hatte. Bisher war der junge Karl etwas ziellos durch sein Leben geschlendert. Nun, bei Balmain, an seiner ersten Arbeitsstelle, musste er zielstrebiger werden. «Ich hatte ja nichts gelernt, ich hatte eine Idee davon, die durchaus nichts mit der Realität zu tun hatte», sagte er später über die Arbeit.33 Bei Balmain bekam er die Grundlagen vermittelt. «Dort musste man noch die Techniken aus den Zwanzigern und Dreißigern lernen, die es heute gar nicht mehr gibt, 15 bis 20 Stunden pro Tag», erzählte er einmal über seine Zeit in dem Modehaus. Er habe so zu zeichnen gelernt, dass man daraus gleich ein Kleid nähen konnte. «So kann ich auch jedes Detail so zeichnen, dass es keine Rückfragen gibt, welche Maße, welche Abstände, welche Knöpfe, wo die Ärmel eingesetzt werden sollten. Man kann es genau der Zeichnung entnehmen, alles stimmt.»34 Es muss eine recht strenge Schule gewesen sein, denn besonders gut gefiel es ihm nicht. «Am schlimmsten fand ich, bei Balmain wäh112

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rend der Modegalas hinter der Bühne stehen zu müssen», sagte er über solche Veranstaltungen, die damals viel länger dauerten als Modenschauen heute. Die Atmosphäre sei schrecklich gewesen.35 ­ Aber er lernte, wie man’s macht. «Einmal wünschte sich mein Schwesterchen Ria sehnlichst einen Pelzmantel», erinnert sich Peter Bermbach. «Karl schlug schwarzbraunen Biber vor, einen erschwinglichen und, wie er fand, schmeichelnden Pelz für eine junge Frau von Anfang 20. Er zeichnete ihr ein Modell ohne Kragen, aber mit einem Schal, am Oberteil nur drei große Knöpfe. Der Kürschner von Balmain akzeptierte das Dessin, und Ria bekam einen Lagerfeld-Balmain­ Mantel, sehr preiswert und einmalig. Mit Etikett, versteht sich.»36

Freunde Auch wenn er angeblich den ganzen Tag arbeitete  – Karl hatte Zeit ­genug, neue Freunde zu finden. Im Atelier lernte er das Mannequin Bronwen Pugh kennen, eine der Musen von Pierre Balmain, der sie ­neben Greta Garbo, Vivien Leigh und Marlene Dietrich zu den schönsten Frauen der Welt zählte. Bronwen, die 1930 in London geboren worden war, gehörte zu den vielen neuen Mannequins, die aus Großbritannien kamen, wie auch Barbara Goalen oder Fiona Campbell-Walter. Sie kündigten schon das britische Zeitalter in der Mode an, die sech­ ziger Jahre, als Models wie Jean Shrimpton und Twiggy das moderne Leben verkörperten, als Designer wie Mary Quant oder Ossie Clark den Zeitgeist trafen und sogar Modefans aus Paris in der Carnaby Street und später an der King’s Road nach neuen Trends suchten. Bronwen Pugh verstand sich gut mit Karl Lagerfeld, dem jungen Balmain-Assistenten, der ebenfalls aus dem Ausland kam. Ihre Mitbewohnerinnen, die Engländerin Christine Tidmarsh und die russischstämmige Engländerin Svetlana Lloyd, die als Haus-Mannequins bei Dior arbeiteten, mochten wiederum dessen Assistenten Yves. Im Jahr 1956 luden die drei jungen Frauen die beiden Jungdesig­ ner gemeinsam zum Abendessen in ihre winzige Wohnung an der Avenue de la Bourdonnais mit Blick auf den Eiffelturm. «Sie dachten, sie kämen zu einem richtigen gesetzten Essen», erinnerte sich BronFreunde

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wen später an die Ankunft der beiden Designer. «Aber a) hatten wir kein Geld, und b) hatten wir nur diese kleine Wohnung ohne Stühle. Also legten wir ein paar Kissen auf den Boden. Sie waren höflich, als sie kamen, aber überrascht. Die Franzosen lieben es, richtig zu Abend zu essen.»37 Das Leben war damals bescheiden, und Mannequins waren noch schlecht bezahlt, wenn überhaupt. Noch schaffte es Karl mehr mit vagen Ideen als mit wirklichen Entwürfen in die Balmain-Kollektionen. Aber er hatte große Ambitionen. Bronwen erinnerte sich, dass er eines Tages sagte, er werde reich und berühmt. «Wir haben nur gelacht.» Überhaupt amüsierte sie der lustige Zweiundzwanzigjährige. «Karl hat ungewöhnlich getanzt», erinnerte sich Bronwen an die Ausflüge der drei Models mit den beiden Modemachern in die Clubs am linken Seine-Ufer. «Wir hatten so etwas noch nie gesehen.» Sie fragten ihn: «Was ist das für ein Tanz?» Und er habe geantwortet: «Wartet’s ab! Das ist der moderne Tanz.»38 Über Bronwen lernte Karl auch Victoire Doutreleau kennen, eines von Christian Diors Lieblings-Mannequins. «Sie hat ihn mir in der Bar des Théâtres an der Avenue Montaigne vorgestellt», sagt sie.39 Karl mochte Victoire sofort, und sie ihn auch: «Wir waren ja beide noch Kinder. Er hatte noch ein ganz romantisches Gesicht, aber er hatte schon damals einen starken Charakter.» Sein Akzent im Französischen amüsierte sie. Und sie wunderte sich, wie schnell er von ­einem Thema zum anderen sprang. Er nannte sie bald liebevoll «Vichnou». 1956 zeichnete er «Victoire à toutes ses époques» in vielen verschiedenen Kleidern, als hätte sie ein Jahrhundert durchmessen von der «Kameliendame» bis zu Coco Chanel, von der Belle Époque bis zur Gegenwart. Die große Zeichnung hängt noch heute in ihrer Wohnung in Paris. Dior! Das verband Yves Saint Laurent, den Assistenten, mit Victoire Doutreleau, dem Mannequin, und mit Anne-Marie Poupard (später Muñoz), der Studiomitarbeiterin, deren Onkel, der Komponist Henri Sauguet, mit Christian Dior befreundet war. «Als Yves 1955 zur Dior kam, war ich schon ein Star unter den Mannequins», sagt Victoire, die mit ihrer sinnlichen Ausstrahlung die Männer um den Verstand zu bringen drohte. Es war eine verschworene Gemein114

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Für die Freundin: Karl Lagerfeld schenkte Victoire Doutreleau 1961 diese Zeichnung. In dem Jungen könnte man ihn selbst erkennen. Das ehemalige Mannequin interpretiert die Zeichnung aber heute als Ausdruck von Lagerfelds heimlichem Kinderwunsch.

schaft: Yves sollte mit Victoire jahrelang und mit Anne-Marie sogar jahrzehntelang eng verbunden bleiben  – sie folgte ihm, als er sein ­eigenes Modehaus an der Rue Spontini eröffnete und blieb seine wichtigste Mitarbeiterin bis 2002, als er aufhörte. «Es war eine schöne Zeit», sagt Victoire. «Zwischen Karl und Yves gab es damals keinen Neid.» Aber auf Dauer konnte ein Designgott wie Yves Saint Laurent natürlich keinen anderen Gott neben sich dulden. Umgekehrt galt das auch. Freunde

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«Jahrelang sind wir alle zusammen ausgegangen», erzählt Victoire Doutreleau. Oder sie fuhren, mit Karls VW-Käfer-Cabriolet, und drehten auch mal eine Extrarunde um den Triumphbogen. «Yves und Karl lebten die Gegenwart in der Vergangenheit», schreibt sie in ihren Erinnerungen so poetisch wie ironisch.40 Während Victoire das Dreieck liebte, das die Brasserie Lipp, das Café Deux Magots und das Café de Flore am Boulevard Saint-Germain bildeten, mochten die beiden, etwas gediegener, «die alte Dreifaltigkeit» des Café de la ­Rotonde, des Café du Dôme und des Restaurants La Coupole am Boulevard du Montparnasse. Sie gingen aber auch gemeinsam in den Nachtclub Macumba oder den Éléphant blanc. Wobei es Karl wohl nicht so darauf ankam: Er trank ohnehin überall einfach nur Coca-Cola, nie Alkohol, er rauchte nicht, er nahm später, als das modern wurde, auch keine Drogen, und er tanzte nicht oft, sondern beobachtete lieber die Leute. Als Victoire bei einem feucht-fröhlichen Abend im Le Fiacre ihren Freund Yves mal wieder darauf aufmerksam machte, dass er zu viel getrunken habe, sagte Karl: «Das, meine Kinder, würdet ihr besser so machen wie ich, und Coca-Cola trinken.» Und fügte hinzu: «Dann hättet ihr nicht mehr die Illusion, euch zu amüsieren.»41 Er mochte seine neuen Freunde, die jung und schön und erfolgreich waren wie er. Endlich war er mit Menschen zusammen, die sich weltgewandt bewegten, mit Mannequins, die gerade für Dior Modell gestanden hatten, mit Frauen, die ihre Zigarette im richtigen Winkel zwischen den schmalen Fingern hielten. Es war eine wunderbare Zeit: Sie waren begehrt, die Modeszene blühte, alle Welt war verrückt nach Dior und teils auch nach Balmain. Karl war glücklich: Wie weit hatte er sich in wenigen Jahren von der norddeutschen Tiefebene entfernt! «Ich liebe es, im Ritz zu frühstücken», sagte er zu Victoire, als die beiden an einem Morgen gemeinsam in dem Hotel an der Place Vendôme saßen.42 «Karl bestellte sich einen Tee – und eine Coca-Cola», erzählt Victoire. Ganz unfranzösisch und ganz ungeniert schmierte er Butter auf sein Croissant und fragte spöttisch: «Du nicht?» Sie fragte lachend, ob es nicht ein bisschen versnobt sei, im Ritz zu frühstücken. «Ich glaube nicht, dass das versnobt ist», sagte er. «Von dem Moment an, in dem man mag, was man macht, ist es dumm, das zu sagen.» Er 116

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sei fast wütend geworden, schreibt Victoire. «Sein deutscher Akzent wurde stärker.» Aber sie wusste, dass er das, was er machte, «nicht aus einem bourgeoisen französischen Snobismus» heraus tat. Um ihn abzulenken, fragte sie ihn, ob Coco Chanel wirklich im Ritz lebe. «Ja», antwortete er, «ich kenne sie nicht persönlich, aber bei Pierre Balmain erzählt man sich, dass sie schon immer ein schreckliches ­Wesen hatte.» Und lachend sagte er zu Victoire: «Ich kenne auch eine andere, die nicht so einfach ist. Aber was den Rest angeht, gleichen Sie ihr überhaupt nicht.»43 In Yves fand Karl ebenfalls eine verwandte Seele. Auch er kam aus dem Abseits: Am 1. August 1936 war er in der algerischen Küstenstadt Oran geboren worden, wo sein Vater Charles Saint Laurent eine Versicherungsgesellschaft und eine Kinokette besaß.44 Die Großeltern von Charles und seiner Frau Lucienne-Andrée waren während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/1871 aus dem Elsass nach Nordafrika gegangen. Nun war die Familie wohlhabend. Seine Mutter las französische Modemagazine und trug maßgeschneiderte Kleider. Yves blieb am liebsten für sich und zeichnete, wurde in der Schule gehänselt und träumte von Paris – ganz so wie Karl in seiner Jugend. Und auch Yves war, obwohl Franzose, in Paris ein Außenseiter: Die Algerienfran­zosen, die man eigentlich als «colons» («Siedler») bezeichnete, nannte man seit den fünfziger Jahren oft abwertend ­«pieds-noirs», «Schwarzfüße». Vom Außenseiter zum Insider – diese Karriere verband die beiden Freunde. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit schlug Yves im Sommer 1957 vor, für ein Wochenende nach Deauville an die normannische Küste zu fahren; Marcel Proust hatte «À la recherche du temps perdu» in Cabourg geschrieben, zehn Kilometer entfernt. So fuhren sie mit Victoire in Karls Auto hin und stiegen im alten Hotel Roches Noires in Trouville ab, wo Proust schon mit seiner Mutter Urlaub ­gemacht hatte. Und sie redeten viel über den Autor – Yves inspiriert von der leidenden Seele, Karl vom sprachlichen Raffinement, Victoire von nichts. Wie in Paris, wenn sie nach langen Nächten zu dritt in Karls Wohnung übernachteten, so schliefen sie nun alle friedlich neben­ einander in einem Zimmer, denn Yves hatte Angst, nachts alleine zu sein.45 Freunde

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Victoire ließ tagsüber die Haare im Wind flattern, denn sie hasste nun ihre Hochfrisur. Offene Haare! Schon in diesem Sommer lösten sich die strengen Knoten der fünfziger Jahre. Aber die Stimmung im Badeort in diesem Juli 1957 war teils doch angespannt. Auf dem Foto aus einem Café auf den Holzplanken schauen sich Yves und Victoire gezielt nicht an: «Yves und ich hatten uns gestritten.» War Yves vielleicht eifersüchtig auf Karl? Denn Victoire interessierte sich für beide. «Yves war wie eine Zikade, so feingliedrig», sagt sie. Es war ihr klar, dass er nur an Männern interessiert war. «Bei Karl wusste ich nicht genau, was er war. Ich habe das nicht richtig verstanden. Er hatte keinen Freund. Er war nicht nur homosexuell. Ich hatte aber andere Abenteuer und hatte kein Bedürfnis. Also liebte ich die beiden so, wie man Freunde liebt.» Wenn sie miteinander ausgingen, drängte Karl sich niemandem auf: «So sehr Yves dann etwas von Männern wollte, so sehr wollte Karl es nicht.» Zu Karl entwickelte Victoire also eine besondere Beziehung. «Wenn ich zu ihm ging, habe ich das Anne-­ Marie nicht unbedingt gesagt. Ich liebte seinen deutschen Esprit, den die Franzosen bis heute nicht verstehen.» Aber Karl mochte auch Anne-Marie sehr. Ihr ernsthafter Ausdruck erinnerte an El-Greco-Gemälde. Als sie José Muñoz heiratete, der wegen des Franco-Regimes aus Spanien geflohen war, blieb Karl ein enger Freund, und er wurde Patenonkel von Carlos, ihrem ersten Sohn. Sonntags kam die junge Familie oft zu Besuch bei Karl, oder er passte auf den Jungen auf und erklärte ihm die Welt aus B ­ üchern über japanische Holzschnitte. Die Freunde, zu denen die ­Designer und Künstler François-Xavier Lalanne (1927 bis 2008) und seine Frau Claude (1924 bis 2019) gehörten, fuhren auch gemeinsam in den ­Urlaub nach Saint-Tropez.46 Aber wohin würde das Schicksal Yves und Karl führen, die sich zu Schönerem berufen fühlten? Sie wollten es wissen. Gemeinsam gingen sie zu einer Hellseherin in einem Zwischengeschoss an der Rue de Maubeuge. «Das war eine dicke Türkin mit den schönsten türkis­ farbenen Augen», sagte Lagerfeld rückblickend.47 Sie prophezeite ihnen, Yves werde großen Erfolg haben, «aber es wird ziemlich ­ schnell zu Ende sein». Für Karl aber werde alles erst beginnen, wenn es für die anderen schon vorbei sei.48 118

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Im Jahr 1957 in Trouville-Deauville: Die Strandszene zeigt Karl Lagerfeld mit Victoire Doutreleau. Links im Sand saß auf dem Original-Bild Yves Saint Laurent. Aber Lagerfeld retuschierte ihn aus dem Foto, wie er dem Autor William Middleton in den neunziger Jahren gestand.

Solche Weisheiten nahm Karl als Wahrheit. Schon seine Mutter und seine Tante waren in Münster auf dem Send, dem großen Volksfest, das drei Mal im Jahr stattfindet, zu den Buden der Hellseherinnen gegangen. Die Spökenkiekerei, die im Münsterland verbreitet war und mit Annette Droste-Hülshoff in die Literatur einging, war für die Schwestern nicht einfach nur ein Spaß. Sie glaubten an die Gabe des Zweiten Gesichts und vermittelten das ihren Kindern  – Karl war mit seiner Mutter oft bei Tante Felicitas und seiner Kusine Tita in Münster zu Besuch. Auch die Hellseherin in Paris nahm er ernst. «Was sie voraussagte, ist passiert», sagte er. «Ich bin dann alle zwei Jahre hingegangen und habe keine wichtige Entscheidung ohne sie getroffen. 1987 klingelte in meinem Wagen das Telefon. Madame sagte: ‹Ich sehe, Sie fahren gerade zu einer Vertragsunterzeichnung. Auf Seite sieben hat sich ein Fehler eingeschlichen, der Freunde

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gegen Sie spielen wird.› Sie hatte recht. Eine Sekretärin hatte sich vertippt.»49 Sollte sie auch die Zukunft der beiden jungen Modemacher richtig vorhergesehen haben? Immerhin: Yves hatte Erfolg. Warum sollte nicht auch der zweite Teil der Prophezeiung irgendwann eintreten? Urplötzlich änderte sich alles. Am 24. Oktober 1957 starb Christian Dior, gerade einmal 52 Jahre alt, überraschend in Montecatini an einem Herzinfarkt. Sogleich wurde sein junger Assistent Yves Saint Laurent als Nachfolger eingesetzt. Was das bedeutete, konnten Yves und Karl bei der Trauerfeier in Paris ermessen, die mit Tausenden Gästen geradezu nationales Format hatte. Der Beerdigung in Callian im Süden von Frankreich wohnte Yves mit bitterernster Miene bei. Schon am 30. Januar 1958 gab der Einundzwanzigjährige sein Debüt in der Haute Couture für das wichtigste französische Modehaus. Der schüchterne Junge wurde gefeiert für die mutige «Trapez-Linie» mit schmalen Schultern und weitem Saum. Christian Diors Erfindung der Wespentaille machte er gewissermaßen rückgängig. Durch diesen frühen Erfolg änderte sich noch etwas. Die Pariser Gesellschaft hofierte den «petit prince de la mode». Marie-Louise Bousquet (1885 bis 1975), Pariser Chefin von «Harper’s Bazaar» und Dior-Kundin, lud ihn am 3. Februar 1958 zu ihrem wöchentlichen ­Salonabend ein. Anwesend waren auch der Maler Bernard Buffet, den Yves sehr schätzte, und dessen Manager und Lebensgefährte Pierre Bergé, der auch Yves’ Premiere vier Tage zuvor gesehen hatte. Es war ein «coup de foudre»: Yves und Pierre verliebten sich sofort.50 Gegensätze ziehen sich offenbar an: Yves war ein sensibler, selbstzweifle­ rischer, verwundbarer Künstler, Pierre ein energischer, strategischer, kluger Geschäftsmann. Es wurde eine unglaublich intensive Verbindung – und später ein Modell dafür, wie man zu zweit ein Modehaus aufbaut, mit ästhetischem Gespür und kaufmännischem Geschick. Für Yves brachte die Beziehung zu dem Kunstfreund und Gesellschaftslöwen ganz neue Verbindungen: Sie gingen in die Oper, um Maria Callas zu hören, sie wurden zu den Soireen von Marie-Laure de Noailles eingeladen, deren Großmutter Marcel Proust als Vorbild für die Herzogin von Guermantes gedient hatte, sie befreundeten sich mit der etwa gleichaltrigen Autorin Françoise Sagan, die 1954 den 120

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Welterfolg «Bonjour tristesse» veröffentlicht hatte, sie lernten den Regisseur Jean Cocteau, die Balletttänzerin Zizi Jeanmaire und den Choreographen Roland Petit kennen, für den Yves später Kostüme entwarf.51 Da wussten sie noch nicht, dass Yves Saint Laurent zum 1. September 1960 zum Militärdienst einberufen wurde, dass er schnell ­wegen einer «nervösen Depression» ins Militärkrankenhaus musste, dass ihn die Behandlung in der Nervenklinik zu einem psychischen Wrack machte – und dass er schon am 30. September 1960 mit einem Schlag seine Stelle bei Dior verlor und durch Marc Bohan ersetzt wurde. «Es war so schrecklich», erinnert sich Victoire Doutreleau. «Yves beim Militär – das ist so, als würde man einen Schwan in einen Käfig mit lauter Katzen stecken.» Im Jahr 1958 aber sah es noch so aus: Yves hatte sich innerhalb von nur einem Jahr vom Assistenten zum Chefdesigner, vom Einzelgänger zum Liebhaber, vom Unbekannten zum neuen Star der Pariser Gesellschaft entwickelt. Und Karl? War Assistent, war allein, war unbekannt. Aber von der Wahrsagerin wusste er, dass die Zeit seine beste Verbündete war.

Aufschwung Die Arbeit bei Pierre Balmain langweilte ihn. Also wechselte Karl Lager­feld 1958 zu Jean Patou an die Rue Saint-Florentin. Alle hätten ihm davon abgeraten, sagte er später, aber er wollte lieber dort der verantwortliche Designer sein als Assistent bei Balmain.52 Immerhin war er nun auch Chefdesigner, wie Yves bei Dior. Aber das Modehaus des im Jahr 1936 gestorbenen Jean Patou, der vor allem durch die Einführung sportlicher Kleidung in die Haute Couture und durch seine Parfums wie «Amour Amour» (1925) und «Joy» (1930) bekannt wurde, war nicht so groß, nicht so renommiert und ein bisschen verschlafen. Raymond Barbas, Jean Patous Schwager, der die Marke leitete, mochte den jungen Mann. Im Haus wurde er «Monsieur Charles» genannt. Und als Designer nannte er sich zunächst «Roland Karl» – auch das klang internationaler.53 Aufschwung

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«Es war eine Sensation, dass ein so junger und noch dazu deutscher Designer dort die Kollektion machen durfte», sagt Peter Bermbach, der für Zeitschriften wie «Schöner Wohnen» und «House and Garden» schrieb und über seinen Freund Karl zusammen mit dem Fotografen Willy Maywald gleich mal eine Geschichte plante. «Karl war sofort bereit, sich bei seiner Arbeit im Atelier fotografieren zu lassen. Er hatte einen sehr guten Riecher für Publicity.»54 Der junge Modemacher begann, seine Karriere systematisch zu planen. Niemand konnte mit den Medien besser umgehen als er, schon damals. Karl beugte sich vor einem Mannequin herab, drapierte den schweren Taft und hielt in seinen Bewegungen inne, wenn Maywald «Halt» rief und auf den Auslöser drückte (s. Abb. S. 102). Es sind seltene ­Szenen, denn e­ igentlich war er nicht der Modemacher, der vor einem Model in die Knie ging. Er zeichnete nur und überließ das mühsame Geschäft des Drapierens und Anpassens den Schneiderinnen. Bei den Anproben für Chloé, Fendi oder Chanel wurde Lagerfeld selten am Model abgebildet. Meist saß er am Tisch und bat die Assistenten und Schneide­rinnen, hier noch etwas abzustecken und dort noch etwas zu appli­zieren. Noch galanter sah das in der «Münchner Illustrierten» aus: Da ziert «der neue Mann bei Jean Patou» sogar mit Mannequin Kara den Titel und macht eine engagierte Geste. Am linken Handgelenk trägt er ein Handnadelkissen, als Ausweis seines Metiers.55 Schnell erkannte er jedoch, dass er auch bei Patou sein Glück noch nicht gefunden hatte. «Aber ich sagte mir, ich bin nicht hier als Kunstkritiker, sondern um etwas zu lernen. Mund zu und machen. Meine Strategie war, einfach mehr als die anderen zu arbeiten und sie damit überflüssig zu machen. Und das hat geklappt.»56 Aber seine Geduld wurde arg strapaziert. «Ich kam mir da vor wie in einem Altersheim», sagte er später.57 Nur zwei Couture-Kollektionen pro Jahr mit jeweils 60 oder 70 Kleidern sollte er entwerfen. Das war einfach zu wenig für den ehrgeizigen jungen Modemacher. «Dabei wurde doch damals die Konfektion wichtig! Letztlich bin ich deshalb freiberuflicher Designer geworden, was Anfang der Sechziger ungewöhnlich war.» Seit seiner Zeit bei Patou, so erzählte er stolz, sei er «nie mehr angestellt» gewesen, «von niemandem!»58 122

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Vielleicht sein erstes Cover: Der neue Mann bei Jean Patou präsentiert 1960 seine Mode.

Kein Angestellter zu sein – das half ihm auch bei seinem Projekt ständiger beruflicher Erneuerung. «Ich liebe den Wandel», sagte er in einem seiner letzten Interviews. «Tradition ist ja schön. Aber man muss aufpassen, dass man kein Langeweiler wird. Und wenn Designer Retrospektiven machen und über ihre Vergangenheit reden und ihre alten Kleider anschauen, dann ist das sehr gefährlich. Das ist der Anfang vom Ende.»59 Aber da redete er natürlich schon wieder von Yves Saint Laurent. Die Langeweile bei Patou hatte eine wunderbare Kehrseite: Er hatte viel freie Zeit. Anders als in seiner zweiten Lebenshälfte, als er unermüdlich arbeitete, genoss der Designer, der nicht einmal 30 Jahre Aufschwung

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alt war, das Leben der Jeunesse dorée. «Ich war sehr, sehr, sehr jung. Ich war faul, besaß noch keinen Geschmack, liebte Cabrios, Strände, Sonnenbaden, Bodybuilding und Nachtclubs.»60 So ging er angeblich jede Woche mindestens vier Mal für drei Stunden in einen Club, «wo sich all die schicken Gigolos nachmittags versammelten, um ihre Körper in Form zu bringen».61 Einer seiner Assistenten bei Patou glaubte sogar, auch Karl sei ein Gigolo, also ein Mann, der professionell Frauen – oder Männer – beglückt. Schließlich fuhr er so schöne Autos und trug so schöne Kleidung.62 Zunächst hatte er noch ein recht bescheidenes Auto gefahren, ein grünes Volkswagen-Cabriolet, ein Weihnachtsgeschenk vom Vater, das er dunkelblau hatte lackieren lassen – «mit einer deutschen Nummer in einem grünen Auto, das hielt ich nicht für richtig».63 Danach bekam er von seinen Eltern ein Mercedes Cabriolet 190 SL. «In ganz Paris gab es von diesem Typ nur ein Stück, das habe ich gefahren. Das Cabrio machte mich in der ganzen Stadt berühmt, jeder wusste, wer da kommt. Heute wäre mir so was peinlich.»64 Der Wagen war cremefarben, mit roten Ledersitzen. In Deutschland war das Modell als «Nitribitt-Mercedes» bekannt, weil die Prostituierte Rosemarie Nitribitt, die 1957 in Frankfurt ermordet wurde, den Sportwagen ebenfalls gefahren hatte. Die wiederholte Erwähnung des Namens führte in der deutschen Öffentlichkeit später zu dem Gerücht, Lagerfeld habe den Original-Wagen der Prostituierten gefahren. Dabei fuhr er nur den gleichen Wagentyp. Der «Nitribitt-Mercedes» selbst hatte eine andere Abzweigung genommen. Karls 190 SL habe damals oft stundenlang vor dem Deux Magots gestanden, wann immer es ging mit offenem Verdeck, erinnert sich Peter Bermbach. Oder er kurvte durchs Viertel: Boulevard Saint-Germain, Rue Saint-Benoît, Rue de l’Abbaye und zurück zum Boulevard, zum Flore oder zum Deux Magots. «Einbahnstraßen waren selten, Busse und Taxis hatten noch keine eigene Spur», erinnert sich Bermbach. «Damals war das Autofahren in Paris noch eine Freude.» Karl war unkompliziert, fröhlich und hilfsbereit. Als Bermbach einmal an einem Sonntag Anfang der sechziger Jahre mit Charles Simoni, der im Modehaus Lanvin arbeitete und Karl ebenfalls kannte, und einem weiteren Modefreund in einem Leihwagen aufs Land fuhr, hatten sie 124

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in der Nähe von Trappes, etwa 30 Kilometer südwestlich von Paris, eine Panne. Es gab keine Werkstatt, also rief Bermbach aus einem ­Lokal bei Karl an: «Kannst Du uns abholen, bitte?» Eine Stunde später war er da, mit einem schweren Bentley, den er damals schon fuhr.65 Bei schönem Wetter gingen die beiden Freunde oft in die Piscine Deligny, ein schwimmendes Freibad, das auf der Seine am Quai Anatole-France gegenüber der Place de la Concorde ankerte. «Wir hatten ein Abo und lagen stundenlang auf der Empore in der Sonne», erinnert sich Bermbach. «Karl war schon damals eitel und stolz auf seinen durchtrainierten Körper. Ich genierte mich, wenn er – einmalig in diesem Bad  – eine Strick-Badehose mit Trägern trug, die sein Gemächt vorteilhaft zur Geltung brachte. Der muskulöse Kerl Karl stolzierte mit seinem etwas femininen Gang zur Bar oder einfach die Treppe hinunter, um eine Runde zu drehen.»66 Karl hatte endlich ein Gefühl für seinen eigenen Körper entwickelt. Er war durchtrainiert, die Haut war gebräunt, die Tolle glänzte in der Sonne. Bodybuilding und Sonnenbaden hatten geholfen. Viele flüsterten sich zu, wenn er vorbeistolzierte, manche lächelten nachsichtig, andere schauten begehrlich herüber. Seine Posen, auch wenn sie manchmal affektiert wirkten, konnte sich dieser junge Mann erlauben. Im Viertel wurde er immer bekannter. Man sah ihn, wie er am ­Kiosk an der Ecke der Rue Saint-Benoît seinen Stapel mit internationalen Zeitungen und Zeitschriften holte, wie er sie im Café de Flore systematisch durchblätterte, wie er dann mal wieder in seinen Wagen stieg, um eine Runde zu drehen. Zum Essen ging er gern mit Freunden in die Brasserie Lipp gegenüber. Bald mussten sie nicht in den ersten Stock zu den Touristen, sondern bekamen wie durch ein Wunder stets unten einen Platz, wo später Präsident François Mitterrand seinen Tisch hatte. Mal saßen sie auch in der Montana Bar gleich neben dem Flore mit Françoise Dorléac, der älteren Schwester von Catherine Deneuve. «Karl liebte sie wegen ihrer fröhlichen und lauten Art», erinnert sich Bermbach. Die Schauspielerin, die in ihrer kurzen Karrie­re viele Filme drehte und mit François Truffaut, Jean-Paul Belmondo und Roman Polanski zusammenarbeitete, kam 1967, gerade einmal 25 Jahre alt, auf dem Weg zum Flughafen von Nizza bei einem Autounfall ums Leben. Aufschwung

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Die fünfziger und sechziger Jahre waren eine einzige Aufwärts­ bewegung. Den Modemachern spielte die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in die Hände. Die Vierte und seit 1958 die Fünfte Republik schufen von den sozialen Grundrechten bis zum Wohlfahrtsstaat die Voraussetzungen für eine umfangreiche Modernisierung.67 Die politische Integration in das westliche Sicherheitsbündnis der Nato und nicht zuletzt die Aussöhnung mit dem ungeliebten Nachbarn garantierten Sicherheit und Freiheit. Viele soziale Indikatoren in Frankreich deuteten auf eine prosperierende Entwicklung hin. So war die Geburtenrate seit 1942 stetig gestiegen, auf fast drei Kinder pro Frau in den fünfziger Jahren. Die Bevölkerung vergrößerte sich von 39,6 Millionen im Jahr 1945 auf 48,7 Millionen im Jahr 1965. In den «trentes glorieuses», den «herrlichen 30  Jahren» von 1945 bis 1975, wurde die Bevölkerung jugendlicher, also konsumfreudiger und zugleich rebellischer. Die Urbanisierung schritt fort, die Metropol­ region Paris wuchs, der Dienstleistungssektor wurde in den Sechzigern zum Wirtschaftszweig mit den meisten Beschäftigten, neue Autobahnen, Bahnstrecken, Meereshäfen und Flughäfen eröffneten dem Land den Weltmarkt, die Kaufkraft verdoppelte sich von 1949 bis 1965  – und die Franzosen gaben das Geld gern für Luxusprodukte aus. Karl und seine Freunde profitierten von dieser gesellschaftlichen Dynamik. Und sie saßen im Zentrum des Geschehens. «Seit 1945 war das Pariser Viertel Saint-Germain-des-Prés ein geistiges Zentrum der Welt, in dem Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir als Sinnbilder des modernen Intellektuellen eine unbestrittene Hegemonie aus­ übten.»68 Es ist ein schöner Zufall, dass Yves und Karl oft zur gleichen Zeit hier saßen wie die Existentialisten. Denn die jungen Modeleute sollten ihre kommende Karriere neben der neuen Konsumfreude auch einer sozialen Veränderung verdanken, die Simone de Beauvoir am deutlichsten beschrieben hatte. Ihr Buch «Le deuxième sexe» («Das andere Geschlecht») von 1949 entwarf ein neues Frauenbild. Die Vordenkerin der «Gender studies» unterschied zwischen dem biologischen Geschlecht und der kulturellen Prägung, entlarvte die Rolle der Mutter und Erzieherin als gesellschaftlich zugewiesen und strich ­he­raus, dass Frauen von Männern zum «Anderen», zum «Objekt» gemacht würden.69 126

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Gleich auf mehreren Ebenen begleitete und beeinflusste Simone de Beauvoir damit einen grundlegenden sozialen Wandel. Die Frauen emanzipierten sich: Ihre Erwerbstätigkeit nahm zu; über weibliche Sexualität wurde immer offener diskutiert, und bald begann die «sexuelle Revolution»; Ehefrauen unterstanden seit 1965 gesetzlich nicht mehr ihrem Mann, sondern konnten ihr Vermögen selbst verwalten, ein Bankkonto eröffnen, einen Arbeitsvertrag abschließen, also gleichberechtigt am Leben teilhaben.70 Das hieß auch, dass sie nun selbst die Mittel hatten einzukaufen, dass sie für ihre Männer nicht mehr das Modepüppchen spielen mussten, sondern ihre alten Rollen und ihre alten Kleider ablegten – und neue brauchten. Die Modemacher richteten sich schnell auf diesen gesellschaft­ lichen Fortschritt ein. Yves und Karl waren in den Fünfzigern beide noch in der elitären Haute Couture beschäftigt, der Maßschneiderei aus der alten Welt. In den Sechzigern eroberten sie sich schließlich mit dem Prêt-à-Porter de luxe die gehobene Konfektion, die sich an viel mehr Frauen richtete und viel größere Geschäftsfelder eröffnete. Die Mode wurde mit zunehmender Freizügigkeit variabler, die Lust auf revolutionäre Ideen wuchs. Designer entwickelten sich langsam von Dienstleistern, die vor den Frauen knieten, zu Stars, denen die Frauen zu Füßen lagen. Eine neue Zeit brach an. Der Smoking für die Frau als Zeichen weiblicher Selbstermächtigung sowie der Minirock und die transparente Bluse als Zeichen weiblicher Freiheit sollten nicht mehr lange auf sich warten lassen. Karl wusste, dass er mit der Zeit gehen musste – und dass ihn die richtigen Kontakte weiterbrachten. Anthony Perkins war ihm nah, als er mit Ingrid Bergman und Yves Montand den Françoise-SaganFilm «Lieben Sie Brahms?» drehte, der 1961 herauskam. Bei Yves Saint Laurent war er oft zum Essen auf das Hausboot in Neuilly geladen. «Die beiden waren lange eng und ohne Eifersucht befreundet», sagt Peter Bermbach. Dann wandelte sich die Einstellung aber unter dem Eindruck von Pierre Bergé, den Lagerfeld hasste. Den Konflikt, der erst in den Siebzigern ausbrach, bekam Bermbach früh mit. Karl hatte von Yves einen resedagrünen Angora-Pullover geschenkt bekommen. «Den schenkte er nun an mich weiter. Nichts sollte ihn an seinen alten Freund erinnern.» Aufschwung

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Karl Lagerfeld machte sich nicht nur Freunde. Manchmal benahm sich dieser junge Mann, der im Begriff war, ein Begriff zu werden, seltsam anmaßend. Einmal lud ihn Azzedine Alaïa zu einem Abend­ essen ein. Der junge Designer lebte bei der Gräfin Nicole de Blégiers in einer Kammer unterm Dach und arbeitete in ihrem Haushalt als Mädchen für alles. Als die Gräfin auf eine ihrer Besitzungen fuhr, fragte Azzedine, ob er ein Abendessen in ihrer Wohnung veranstalten dürfe. «Natürlich», antwortete die Gräfin, «wenn alles heile bleibt.»71 Alles blieb heile bei diesem Dinner im Jahr 1960, aber es hinterließ einen faden Nachgeschmack. Anne-Marie Muñoz war vermutlich dabei und jedenfalls Christoph von Weyhe, seit 1959 der Lebenspartner Alaïas, bis zu dessen Tod im Jahr 2017. Der deutsche Kunststudent saß einem Designer mit James-Dean-Tolle in seinem Alter gegenüber, der ihm unbekannt war. Dabei hätten sie sich längst kennen können. Weyhes Vater besaß ein Gut im Kreis Eutin, belieferte die Glücksklee mit Milch und war mit Otto Lagerfeld befreundet. «Der Sohn von Otto ist auch in Paris», hatte der Vater zu seinem jüngsten Sohn Christoph gesagt, als der aus Holstein nach Paris zog. «Ihr solltet euch mal kennenlernen.» Aber die beiden Männer fanden an diesem Abend nicht einmal heraus, dass sie aus derselben Gegend stammten. Denn das Gegenüber redete beim Dinner nur von dem neuen Haus seiner Eltern in Baden-Baden. Und er sagte, er sei schwedischer Herkunft. Diese Geschichte hielt sich lange.72 Noch 1990 behauptete Lagerfeld im französischen Fernsehen, sein Vater sei Schwede.73 Ja, sagte er auf Nachfrage, er sei ein Baron, aber er heiße nicht «von Lagerfeld», weil es in Schweden kein «von» gebe. Auch behauptete er oft, noch sein Vater habe sich «Lagerfeldt» geschrieben.74 Aus der Luft gegriffen waren diese Behauptungen nicht, aber aus tiefer Vergangenheit. Der Nachname Lagerfeld ist in der Tat schwedischer Herkunft. Er ist nicht auf ein Feld zurückzuführen, auf dem man Waren lagert. Er ­bedeutet auch nicht «großes Feld», wie der Autor André Leon Talley 1995 annahm, der in dem Familiennamen die Übersetzung von Grand-Champ entdeckt zu haben glaubte, dem Ort in der Bretagne, in dem Lagerfeld in den siebziger Jahren sein Schloss kaufte.75 Vielmehr heißt «lager» auf Schwedisch Lorbeer und kommt in Zusam128

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mensetzungen wie «lagerblad» für Lorbeerblatt, «lagerkrans» für Lorbeerkranz oder eben «lagerfelt» für Lorbeerfeld vor. Der jüdische Schwede Israel Israelson (1610 bis 1648) wurde 1646 mit dem Namen «Lagerfäldt» geadelt. Auf dem Wappen der Lagerfeld(t)s, wie sie sich später schrieben, erscheint denn auch ein üppiger Lorbeerbaum mit zwölf roten Früchten.76 Vermutlich 1767 zog Karl Lagerfelds Ur-UrUr-Großvater Tönnies Lagerfeld(t) von Schweden nach St. Pauli.77 Die Endung auf «t» verlor sich in diesem Familienzweig spätestens im 19. Jahrhundert. Warum aber wollte der junge Karl ein Schwede sein? Vielleicht wollte er nicht als «boche» erkannt werden, wie die Franzosen die Deutschen abschätzig nannten. Und generell reicherte er seine Vergangenheit gerne mit blühender Phantasie an. So erzählte er seinen amerikanischen Freunden um Antonio Lopez Anfang der siebziger Jahre, er sei in einem Schloss aufgewachsen.78 Auch verlegte er das «Familienschloss» an die «dänische Grenze»,79 die allerdings von Bad Bramstedt mehr als 100 Kilometer entfernt ist. Die Korrektur des Geburtsdatums und seiner Herkunft halfen ihm dabei, seinen Ursprung zu verwischen. Für seine eigene Person definierte dieser selbstbewusste junge Mann Zeit und Raum neu. Wie in einer Schöpfungsgeschichte aus dem nachmetaphysischen Zeitalter leitete er die Grundlagen seiner Existenz aus sich selbst ab. Karl Lagerfeld versteckte sich hinter einer fiktiven Identität, um sich zu schützen. In tiefenpsychologischer Sicht würde man von einer Persona sprechen, einer gespielten Rolle, die wie ein «falsches Ich» (C. G. Jung) ein sozialverträgliches Verhalten im deutschfeindlichen Umfeld mimt, einer Theatermaske («persona») wie im alten Griechenland, die eine besondere Individualität vortäuscht und davor bewahrt, erkannt zu werden. Laut C. G. Jung vernachlässigt eine zu starke Identifikation mit der Persona der Außendarstellung das inne­re Leben. So wären zwei wichtige Eigenschaften Lagerfelds zu ­erklären: Aus der Maske wurde eine Ikone, eine Kultfigur, die das «wahre Ich» vor allzu großer Nähe schützte. Die vernachlässigte Innenwelt wiederum verschafft sich Ausdruck in Aggressionen, die bei ihm natürlich gebändigt waren, aber sein manchmal verletzendes Verhalten erklären können. Aufschwung

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Jahrzehntelang hatten sich die Kreise von Karl und Azzedine kaum noch berührt. Aber als Alaïa kritisch redete über Lagerfelds ­geradezu maschinelle Produktivität und seine Beschleunigung der Produktionsrhythmen in der Mode, kannte er kein Halten mehr. Nach dem Tod Alaïas sprach er in der Zeitschrift «Numéro» davon, dass er 2017 seine beiden «besten Feinde» verloren habe, Azzedine Alaïa und Pierre Bergé. «Ich kritisiere ihn nicht», sagte er über Alaïa, «auch wenn er am Ende seiner Karriere nur noch Ballettschuhe für Modeopfer in der Menopause gemacht hat.» Und er sprach von dem Mode­ schöpfer, «der die Treppe runtergefallen ist», weil Alaïa im Hof seiner Firmenzentrale im Marais gestürzt und dann gestorben war.80 Christoph von Weyhe war «erschüttert von der Pietätlosigkeit». In den fast 60 Jahren seit dem Dinner hatte sich sein Eindruck von diesem seltsamen schwedischen Baron nicht gebessert.

Baden-Baden Elisabeth Lagerfeld meinte es gut mit ihrer jungen Nachbarin in Baden-­Baden. Als Marga Ullrich 1965 heiratete, schenkte sie ihr zwei selbstgehäkelte Topflappen und sechs kleine Obstmesser mit irisierendem Perlmuttgriff. Heute würden solche Hochzeitsgaben kritisch gesehen, denn sie legen die Braut allzu eindeutig auf ihre Rolle als Hausfrau fest. Aber die alte Dame aus der Hahnhofstraße 16a war eben, Feminismus hin oder her, eine praktisch denkende Frau mit ­einem Sinn für einen gut geführten Haushalt. Und Marga Ullrich freute sich über die Geschenke. Die weißblauen Topflappen bewahrt sie noch immer auf, die Obstmesserchen sind bis heute unbenutzt.81 Im Jahr 1959 hatte Otto Lagerfeld das Einfamilienhaus in der Kurstadt bauen lassen. Man kann sich den Altersruhesitz am Hang, nur wenige hundert Meter vom Zentrum Baden-Badens und von Brenners Park-Hotel entfernt, nicht schöner vorstellen: mit einem Parkettboden aus wertvollem Tropenholz, einer großen Fensterfront nach Südsüdost und einem unverbaubaren Blick auf das Tal der Oos und die Schwarzwald-Hänge gegenüber. Anfang 1960 zog das Ehepaar Lagerfeld hierher. 130

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Für den Umzug gab es gute Gründe. 1957 war Otto Lagerfeld als Direktor bei Glücksklee ausgeschieden. Die Architektenzeichnung des Hauses vom 11. März 1959 ist zwar mit «Wohnhausneubau für Herrn Dir. O. Lagerfeld» betitelt, er wollte also offenbar lebenslang Direktor bleiben. Aber er war im Frühjahr 1960 immerhin schon 78 Jahre alt, reif für den Ruhestand nach einem betriebsamen Leben. Und hier war es sogar schöner als in Hamburg, wo das Wetter oft garstig ist und Elisabeth Lagerfeld sich ohnehin nie so recht heimisch gefühlt hatte. Baden-Baden wurde im Krieg nicht zerstört, es ist gepflegt, gemütlich, überschaubar, und das Klima ist für deutsche Verhältnisse sehr mild. Nach Paris ist es mit dem Auto von hier zwar auch noch mehr als 500  Kilometer weit, aber nicht 900  Kilometer wie von Hamburg. Die Lagerfelds waren angenehme Nachbarn. Sonntags um elf Uhr kamen sie öfter zu Besuch bei den Eltern von Marga Ullrich. Sie erinnert sich, dass es dann im Treppenhaus nach Maiglöckchen duftete, wegen Frau Lagerfelds Dior-Parfum. «Sie trug einen schwarzen Persia­ ner und lilafarbene Strümpfe, so etwas fiel damals auf», sagt Marga Ullrich. Otto Lagerfeld, der immer einen Anzug trug «und einen ­dicken Krawattenknoten», hatte auch mal Zeichnungen seines Sohnes dabei. Denn Marga Ullrichs Vater Josef Weis war zwar bei der Sparkasse beschäftigt, aber in Baden-Baden als ambitionierter Maler bekannt. Weis, nach der Qualität der Zeichnungen befragt, äußerte sich damals diplomatisch: dass es ein ganz anderer Stil sei als seine Landschaftsmalerei, aber dass «ein sicherer Strich» zu erkennen sei. Marga Ullrich hatte das Gefühl, dass Otto Lagerfeld stolz war auf seinen Sohn – und zugleich unsicher, was er von seinen Künsten und seinem Werdegang zu halten hatte. Karl kam oft, mal für ein paar Tage, mal für ausgedehnte Ferien. «Wenn im Sommer in Paris nichts los war zwei Monate lang, fuhr er nach Baden-Baden», sagt sein damaliger Freund Peter Bermbach. «In seinen Briefen jammerte er mir vor, wie schrecklich es dort sei. Sein Vater ging ihm auf die Nerven, seine Mutter war der Abgott für ihn. Es ist ja häufig so, dass Schwule ein problematisches Verhältnis zu ­ihrem Vater haben und ein inniges zu ihrer Mutter.»82 Der Sohn war dort so stark mit seinem Vater konfrontiert wie nie zuvor in seinem Baden-Baden

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Leben, denn nun war Otto Lagerfeld ja zu Hause und nicht dauernd geschäftlich unterwegs. «Es gab ernsthafte Auseinandersetzungen», sagt Thoma Schulenburg. Der Vater verstand seinen Sohn einfach nicht. «Mules sexuelle Orientierung war ein harter Schlag für ihn. Meine Mutter fuhr sogar mehrmals von Frankfurt nach Baden-Baden, um zu schlichten.» Elisabeth Lagerfeld war auf der Seite ihres Sohns und kämpfte «mit gewohnter Schärfe» für ihn.83 Das Verhältnis zum Vater wurde durch ein Missgeschick des Sohnes nicht besser. Karl stellte einmal sein Auto, nach seiner eigenen Erinnerung einen blauen Jaguar E-Type,84 oberhalb der Einfahrt zur Garage ab – einer sogenannten Tandemgarage, in der zwei Autos hintereinander geparkt sind. Die Einfahrt war abschüssig, denn die ­Garage lag im Keller, wie es damals bei Neubauten oft der Fall war. «Eines Tages, wir waren alle im Haus, hörten wir ein entsetzliches Geräusch», erzählte Lagerfeld später. «Meine Mutter fragte gleich: Wo ist Dein Auto? Ich sagte, ich hätte es vor der Tür abgestellt. Da war es nun allerdings nicht mehr. Ich hatte wohl vergessen, die Handbremse anzuziehen. Und in der Garage für zwei Autos standen auf einmal drei.»85 Es war ein gehöriger Doppelschlag. Denn die Einfahrt in die Kellergarage geht mehr als zwölf Meter steil nach unten. «In Paris muss man eben keine Handbremse anziehen», sagt Marga Ullrichs Sohn Christian lakonisch, der seit 2005 mit seiner Familie in dem Haus lebt, das nach dem Auszug von Elisabeth Lagerfeld im Frühjahr 1968 zwei Zwischenbesitzer hatte und nicht allzu stark verändert wurde; in der Küche sind sogar noch die typischen blassgelben Fliesen aus den späten fünfziger Jahren erhalten. Die Reaktionen auf den Crash waren vorherzusehen: «Meine Mutter und ich haben uns totgelacht», erzählte Lagerfeld später. «Mein Vater hat uns nie verziehen, dass wir uns so sehr darüber amüsierten. Es war mir schließlich gelungen, drei Autos auf einen Schlag zu zerstören.»86 Die drei Wagen hätten ausgesehen wie ein Akkordeon.87 Und bezahlt hatte sie natürlich der Vater. Karl Lagerfeld fuhr die schönsten Wagen – aber am Steuer war er nicht der geschickteste, obwohl er die Führerscheinprüfung mit 17 Jahren angeblich «problemlos» bestanden hatte. «Ich war nie ein 132

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Mit den Eltern in den sechziger Jahren: Karl Lagerfeld war oft zu Besuch in Deutschland.

guter Fahrer, weil ich immer in der Gegend herumschaute», erzählte er. «Ich wollte alles sehen, nur nicht nach vorn auf die Straße. Das war mir einfach zu langweilig. Wenn ich geradeaus gucken muss, schlafe ich ein.»88 Und nicht nur das: «Dieses monotone Brummen, dieses nervtötende Geräusch der Räder macht mich müde. Nicht nur im Auto. Im Zug, im Flugzeug, überall schlafe ich ein.»89 Am Steuer nickte er sogar zweimal ein. Einmal, um vier Uhr morgens in den Ardennen, drehte sich sein Porsche-Cabrio, und er landete im Graben, hatte aber Glück.90 Und einmal passierte es, als er in seinem Mercedes 190 SL auf dem Weg von Paris nach BadenBaden war und in der Nähe von Zabern (Saverne) im Niederelsass einschlief und von der Straße abkam. Irgendwie sprang er aus dem Wagen, der dann gegen einen Baum raste und einen Hang hinabstürzte. Also beschloss er, nicht mehr selbst Auto zu fahren. «Ich ­gucke dahin, ich ­gucke dorthin, es ist besser, ich fahre nicht.»91 Wie Baden-Baden

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bei so vielen seiner Entscheidungen hielt er es durch, und er fuhr gut damit. Aus den Unglücken schloss seine Mutter: «Du musst Dir Mühe geben, dass Du Dir immer einen Chauffeur leisten kannst.»92 Sein ­Vater schenkte ihm einen Bentley, «weil der ihm sicherer schien».93 Überhaupt ließ er sich fortan in schweren Wagen chauffieren, zum Beispiel in Rolls-Royce: «Die kommen mir solide vor und bequem.»94 Später war es dann oft auch ein Hummer-Geländewagen. Seine Fahrer, zum Schluss vor allem Sébastien Jondeau, steuerten solche Ungetüme sicherer durch die engen Gassen von Saint-Germain-des-Prés und um die Haarnadelkurven von Monaco. Zu den vielen Widersprüchen in diesem Leben gehört auch, dass der Mann, der nicht mehr Auto fuhr, einen riesigen Fuhrpark unterhielt: «Wir haben auch Ferrari und Lamborghini im Rennstall stehen, wie man so sagt. Um die kümmere ich mich aber nicht. In solchen ­Autos fühle ich mich immer wie der Rinnstein-Kontrolleur. Ich mag es nicht so gern erdnah. Deshalb schätze ich auch meine HummerSUVs. Mit denen fährt man schön hoch über den Dingen.»95 Mittelklassewagen jedenfalls durften es nicht sein. Als im September 1974 einige Freunde auf seinem Landsitz in der Bretagne zu Gast waren, hatte sich sein Partner Jacques de Bascher, weil der Rolls-Royce eine Panne hatte, einen Peugeot 504 geliehen. Thadée Klossowski de Rola, einer der Gäste, notierte: «Karl fand das unelegant.»96 Die Geschichten mit seinen Autos gingen also aus wie immer in seinem Leben: Selbst Missgeschicke halfen ihm weiter. Unfälle verwandelten sich in amüsante Erzählungen, und die Verbannung auf den Beifahrersitz hatte triumphalen Charakter. Sich vorfahren zu lassen: Das war ein standesgemäßer Auftritt, wie ihn schon sein Vater pflegte, wenn er sich von seinem Fahrer im Mercedes zu Geschäftsterminen fahren ließ. Die automobilen Missgeschicke von Baden-Baden hatten ihren Sinn: Wenn sich Karl Lagerfeld majestätisch im RollsRoyce vorfahren ließ, dann diente auch das letztlich der Arbeit am ­eigenen Ruhm.

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Chloé Für Rosemarie Le Gallais war es das erste wichtige Bewerbungs­ gespräch in Paris. Sie war 1937 in Lüdenscheid geboren worden und in Plettenberg aufgewachsen. Nicht dass man sich zwangsläufig aus dem Sauerland fortträumen müsste. Aber ihre Mutter, die einst in ­Paris lebte, hatte ihren Töchtern die Idee von dieser Stadt eingepflanzt. Also zog das Mädchen Rosemarie 1960 nach Paris und ging dort zur Alliance française, um Französisch zu lernen, so wie einige Jahre zuvor Karl Lagerfeld, der Designer der Marke, bei der sie sich nun bewarb. Auch ihre Schwester war nach Paris gezogen. Der Zufall will es, dass der Sohn ihrer Schwester, Stefan Lubrina, viel später ebenfalls eng mit Karl Lagerfeld zusammenarbeiten sollte  – er entwirft seit Jahrzehnten als Set-Designer die großen Kulissen von Chanel.97 Rosemarie also hatte 1967 gehört, dass bei Chloé ein «attaché de presse» gesucht wurde. Chloé! Sie liebte diese Marke, seitdem sie sich ein Chloé-Kleid gekauft hatte, und zwar in der Boutique Laura an der Avenue du Général Leclerc. Den Laden am Rand der Stadt betrieb Sam Rykiel, dessen Frau Sonia Rykiel noch unbekannt war. Anfang der sechziger Jahre, als Rosemarie sich das Chloé-Kleid kaufte, hing dort aber schon die Umstandsmode aus Strick, die Sonia Rykiel seit ihrer ersten Schwangerschaft entwarf, noch ohne ein eigenes Label. Seit 1968, als sie ihr eigenes Geschäft an der Rue de Grenelle eröffnete, wurde Sonia Rykiel mit ihrer Strickmode weltberühmt. Zwei Dinge teilte sie mit Lagerfeld: Mit ihren aufgebürsteten roten Haaren wurde sie neben ihm zur zweiten großen Mode-Ikone von Saint-­ Germain-des-Prés; und auch sie gehörte damals zu einer neuen Generation von Designern, die nicht mehr als Couturiers dem System dienen, sondern als Créateurs selbst einen Stil prägen wollten. Rosemarie Le Gallais wurde also wirklich zum Bewerbungs­ gespräch bei Chloé eingeladen. Jacques Lenoir, der Geschäftsführer, der 1953 in das Modehaus eingetreten war, das Gabrielle («Gaby») Aghion im Jahr 1952 gegründet hatte, war ein beeindruckender ­ Mann, groß, streng, gutaussehend. Als Rosemarie ihm in seinem Büro in der Firma an der Rue Miromesnil gegenübersaß, schaute er ihre Chloé

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Unterlagen durch und sagte: «Ah, Sie sind Deutsche? Meine ganze Familie ist in Auschwitz umgebracht worden.» Was für ein Schock! Rosemarie schaute erschrocken, Tränen schossen ihr in die Augen, aber sie versuchte, seinem Blick standzuhalten. Und schon redete er über etwas anderes, als wäre nichts gewesen. Die Stelle bekam sie. Das war wichtig, schließlich wollte sie ihren Eltern in Plettenberg beweisen, dass sie nun endlich, mit 30  Jahren, ihren ­Lebensunterhalt in Paris bestreiten konnte. Monate nach dem Vorstellungsgespräch sagte Jacques Lenoir zu ihr: «Wissen Sie, warum ich Sie genommen habe? Wegen Ihrer Reaktion damals in dem Gespräch.» Die junge Frau kam zu einer der jüngsten Marken von Paris. Von nun an arbeitete sie zwei Jahrzehnte lang eng mit Karl Lagerfeld zusammen. 1964 hatte er bei Chloé angefangen.98 Und das bedeutete ein gewisses Risiko. «Bei Balmain, wo man weiter nur Haute Couture machte, sah man das als einen Abstieg an», erinnert sich Peter Bermbach. «Das war ja nur noch Prêt-à-Porter, also Mode, die jeder trug.»99 Chloé war die erste Marke, die sich nicht von der Couture zum Prêt-à-Porter entwickelt hatte, sondern gleich mit der preis­ werteren Konfektionsmode begonnen hatte. Allerdings hatte Aghion 1952 mit Schneiderinnen angefangen, die aus dem Couture-Haus ­Lucien Lelong kamen, das den Betrieb eingestellt hatte.100 Und noch etwas machte diese Stelle zum Risiko: Lagerfeld war nicht der einzige Designer bei Chloé. Denn Gaby Aghion suchte ­immer neue Einflüsse und heuerte über die Jahre viele junge Talente an – unter anderem Gérard Pipart, der später mehr als 30 Jahre lang für Nina Ricci entwarf, Maxime de la Falaise, die Mutter der spä­ teren Yves-Saint-Laurent-Muse Loulou de la Falaise, und Michèle Rosier, Tochter der «Elle»-Gründerin Hélène Gordon-Lazareff, die später als Regisseurin bekannt wurde. Als Lagerfeld begann, war auch noch Graziella Fontana als Designerin dort, eine Italienerin, die immer wieder nach Paris kam. «Wir waren mehrere Designer, und sie hat das alles koordiniert», sagte Lagerfeld später über Gaby Aghion. «Alle Designer waren freischaffend – das war damals ein neuer Beruf – für andere Firmen tätig, oft in anderen Ländern, ich auch.»101 Gaby Aghion schuf also auch 136

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Auf Werbetour in den Vereinigten Staaten: Mit Rosemarie Le Gallais reiste Lagerfeld 1979 nach Los Angeles.

eine neue Art der Zusammenarbeit der Modehäuser mit ihren Designern. «Couture-Assistenten waren in den fünfziger Jahren noch Hilfskräfte», sagt Géraldine-Julie Sommier vom Chloé-Archiv. «Sie wollte jungen Designern Raum geben, ihre Kreativität zu entfalten.» Das neue Berufsbild des freien Designers war wie auf Lagerfeld zugeschnitten. Denn er wollte gleichzeitig in Paris und in Italien für andere Marken arbeiten. Und das Prêt-à-Porter verlangte ihm nicht den direkten Kontakt zur Kundin ab: «Bei der Konfektion arbeitet man für Frauen, die man nicht kennt, alles bleibt anonym.»102 Seine Chefin war wie eine Lehrerin für ihn. Abends nahm sie ihn oft in ihrem Auto mit nach Hause ins fünfte Arrondissement, so dass sie weiter über Stoffe, Schnitte und Trends reden konnten. Wenn sie ihn an ­ihrem Haus aus dem Auto ließ, ging er zu Fuß zurück durch das Quartier Latin in seine Wohnung an der Rue de l’Université 35.103 In dem Apartment, in das er 1963 gezogen war, so schrieb er später, Chloé

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«habe ich die zehn sorglosesten und glücklichsten Jahre meines Lebens verbracht».104 Zu Chloé passte er auch deshalb, weil hier eine freie Stimmung herrschte, die in anderen Modehäusern, die viel Wert auf Etikette legten, ganz unbekannt war. Gaby Aghion hatte ihre Marke nach dem Vornamen ihrer Freundin Chloé Huysmans benannt, weil ihr die geschwungenen Buchstaben so gut gefielen. Die junge Markengründerin ging in der Bohème am linken Seine-Ufer auf. Am 29. November 1957 veranstaltete sie die erste Schau, mit der Mode für Frühjahr und Sommer 1958, zu Kaffee und Croissants im Café de Flore. Ihre Mode sollte klassisch, einfach, tragbar sein. Lagerfeld war mit seinen oft so witzigen Ideen am richtigen Ort. Denn Aghions Art spiegelte sich auch in ihren Entwürfen: Hier ging es nicht um manierierte Couture für die schönen Anhängsel reicher Männer, die auf Cocktailempfängen herumstanden, sondern um Mode für emanzipierte Frauen, die zur Arbeit ins Büro gingen. Die alte «élégance» wich dem neuen «chic». Mit leichten Seidenstoffen, oft kniekurzen Schnitten, verspielten Details wie Schleifen am Kragen oder einem witzigen Hut sollte diese Mode Spaß machen. So etwas kannte man in den fünfziger und frühen sechziger Jahren in Paris noch gar nicht. Die Außenwirkung der Marke war schon groß, als Lagerfeld 1964 begann. Aber nach innen sah es noch bescheiden aus. «Das war ein Familienbetrieb, der in einer Vierzimmerwohnung residierte», sagt Rosemarie Le Gallais. «Karl hatte auch gar kein eigenes Studio. Wenn er zu den Anproben kam, musste Jacques Lenoir sein Büro räumen, in dem die Stoffrollen an den Wänden standen, damit genug Platz war.» Rosemarie arbeitete als Pressedame. Aber sie stand auch bei den Anproben Modell, da sie die richtigen Maße hatte. So arbeiteten die beiden Deutschen nun eng zusammen: Karl zeichnete die Entwürfe; daraus machten die Schneiderinnen im Atelier Entwurfsmuster aus weißem Nesselstoff; diese Entwürfe wurden bei mehreren Anproben kritisch bewertet; man änderte sie, wenn sie nicht richtig saßen oder nicht gut aussahen, bis alle Proportionen und Details stimmen; dann wählte man einen Stoff und ließ das Kleidungsstück fertigen. So wurde seine Phantasie zur Wirklichkeit. 138

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«Bald war er die Nummer  1 unter den Designern», sagt Rose­ marie Le Gallais. «Denn er kam fast täglich zu den Anproben, und er war ungemein fleißig und vielseitig.» Graziella Fontana verließ schließlich 1972 die Marke, frustriert von dem unendlichen Fleiß ­ihres Kollegen und der Energie, mit der er alles an sich riss. Andere Modemarken mussten bei ihren Designern oft Ideen nachfordern. Karl hingegen war überproduktiv und zeichnete zuweilen weit mehr als die üblichen etwa 220  Entwürfe pro Saison. «Wir mussten oft ‹Halt!› rufen», sagt Rosemarie Le Gallais. Er war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Couture kam ihm dépassé vor. Das Prêt-à-Porter de luxe, das Gaby Aghion gewissermaßen erfunden hatte, sollte mit dem gleichen Raffinement und ebenfalls aus besten Stoffen gemacht sein: «Röcke ohne Saum, nur abgesteppt, waren ungeahnt leicht. Und Lingeriekleider in feinster Seide mit eingearbeiteter Spitze erinnerten an zarte Porzellanfiguren aus dem 18. Jahrhundert.» Die Couture steckte ihm aber noch in den Kleidern. Er wollte nicht nur Mode vom Fließband machen. Im Chloé-Archiv an der Rue de la Baume hängen noch heute viele Kleider von damals, die aufwendig von Hand bemalt sind, seit Ende der sechziger Jahre oft inspiriert vom Jugendstil. Lagerfeld, der 1971 zum teuren Cifonelli-Anzug eine lustige Krawatte mit Tennisspieler-Motiven trug, war in kuriose Ideen verliebt: Das Kleid «Interplanétaire» für Herbst und Winter 1970 ­erinnerte mit seinen Planetenstickereien an die surrealistische Modeschöpferin Elsa Schiaparelli, für Frühjahr und Sommer 1971 entwarf er Pop-Art-Kleider, eines mit großem Katzenmotiv, und im Oktober 1974 gingen seine Models doch wirklich schon in Sneakern über den Laufsteg.105 «Von Leichtigkeit war er geradezu besessen», sagt Géraldine-Julie Sommier. Nirgendwo konnte er seine romantische Seite so ausleben wie hier – mit dünnem Seidengeorgette, zartem Tüll, feinsten Spitzeneinsätzen, Rüschen, Stufenvolants und Puffärmeln. Über die Jahre sollte sich das verlieren, denn Ende der Siebziger erschien ihm dieser Ansatz dann doch zu blumig, und er hatte Lust auf Provozierendes. So entwarf er als Anspielung auf die französische Politik, die er 1978 vor einem Linksruck wähnte, Stoffmuster mit Motiven aus der russischen Arbeiterbewegung, mit Hammer und Sichel sowie kyrillischen Chloé

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Buchstaben: «Wenn die Linken gewinnen, gilt das als Opportunismus. Siegt die Rechte, war es Ironie.» Am Ende war es Ironie, natürlich.106 Auch seine Kommunikationsstrategie wirkte wegweisend. So lud er Fotografen wie Helmut Newton, Deborah Turbeville und Guy Bourdin zu Modeaufnahmen in seine Wohnung an der Place SaintSulpice ein. Das war bequem für die Fotografen, denn die hohen Räume mit den bodentiefen Fenstern boten ein wunderbares Ambiente – und für die Produktionen musste kein Studio angemietet werden. Wie durch einen Zufall war der Modemacher dann ebenfalls im Bild zu sehen, zum Beispiel in der amerikanischen «Vogue» vom ­Februar 1975.107 Er verstand etwas von Selbstvermarktung. Und weil er so freundlich war, nahmen ihm die Models, Fotografen und Journalisten das nicht übel, im Gegenteil: Sie waren dankbar, dass sie Teil seines Universums sein durften, das sich immer weiter ausdehnte. In Lagerfelds Mode drückte sich das Freiheitsgefühl der frühen siebziger Jahre aus. Das sah man schon an den Modenschauen. «Sie waren unglaublich lebendig und lustig», sagt die damalige «Vogue»Redakteurin Ariel de Ravenel. «Heute laufen die Models schlecht­ gelaunt den Laufsteg ab. Damals haben sie dort getanzt. Das war aufregend und avantgardistisch.»108 Karls guter Bekannter Corey Grant Tippin war begeistert von der Vielfalt: «Pat Cleveland, Amina Warsuma und Carole LaBrie auf dem Runway: Das war schon sehr divers für die Zeit.»109 Es wurde noch diverser. Bill Cunningham, der bald die Street-Style-Fotografie begründen sollte, erzählte, Karls Freund Antonio Lopez sei mit mehreren Leuten im Taxi durch die Stadt zur Chloé-Schau gefahren, habe eine Frau am Straßenrand gesehen, «Stop» gerufen, sie ins Auto geholt, mitgenommen und gefragt, ob sie in einer Modenschau mitlaufen wolle. Die Frau, die sich als Prostituierte herausstellte, hatte nichts dagegen. Karl kleidete sie ein, denn er liebte solche Überraschungen. Ihr Auftritt für Chloé, so Cunningham, war «eine Sensation».110 Überhaupt war dem Modeschöpfer Vielfalt wichtig. Als er nach Los Angeles flog, um dort eine Chloé-Schau zu präsentieren, war unter den Journalisten, die ihn begleiteten, auch André Leon Talley, der damals für «Women’s Wear Daily» arbeitete. Als die zehn oder zwölf Personen 140

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Gut komponiert: Für Frühjahr und Sommer 1973 ließ sich Lagerfeld für Chloé von dem Komponisten Sergei Rachmaninoff anregen.

im Beverly Hills Hotel einchecken wollten, sagte der Direktor: «Wir haben ein Problem. Dieser Mann kann nicht bei uns wohnen.» Er meinte Talley, den einzigen Schwarzen in der Gruppe. Lagerfeld sagte: «Dann gehen wir alle.» Am Ende fand man einen Kom­promiss: Talley wurde in einem der Bungalows untergebracht, und Lager­felds Gruppe blieb.111 Seit Anfang der siebziger Jahre trat der Designer nach der Schau vors Publikum. Nun war er das Gesicht der Marke und arbeitete so auch an seinem eigenen Image. Gaby Aghion gab ihm alle Freiheiten – aber sie wollte ihr Label frei halten von anderen Namen. Ein Anhängsel wie «Chloé by Karl Lagerfeld» hätte es mit ihr nicht gegeben. Der einzelne Modemacher sollte nicht den Markennamen überstrahlen. Mit der höflichen Zurückhaltung aber war es bald vorbei. Denn da wurde in den Zeitungen und Zeitschriften immer öfter davon berichtet, dass Karl Lagerfeld die Kollektion entworfen habe. So schaffte es Chloé im Februar 1970 auf den Titel der französischen Chloé

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«Vogue»: Jane Fonda, fotografiert von Jeanloup Sieff, trägt ein Seidenkleid von «Karl Lagerfeld pour Chloé».112 Von einer kleinen Idee entwickelte sich Chloé zu einer weltbekannten Marke. Zu den Kundinnen gehörten Jackie Onassis, Maria Callas und Caroline von Monaco – sie wurde über die Jahre zu einer der besten Freundinnen des Modemachers. Die Vermarktung über Stars umschrieb man damals noch nicht mit dem hässlichen Fach­ begriff «celebrity marketing», man arbeitete einfach «mit Freundinnen» zusammen. Vor allem Stéphane Audran hatte es dem Designer angetan, die Frau des Regisseurs Claude Chabrol. Er kleidete sie unter anderem für die Filme «Blutige Hochzeit» («Les noces rouges», 1973), «Die verrückten Reichen» («Folies bourgeoises», 1976) und «Das Blut der Anderen» («Le sang des autres», 1984) ein.113 In «Der diskrete Charme der Bourgeoisie» (1972) von Luis Buñuel, der 1973 als bester fremdsprachiger Film mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, trägt die Schauspielerin ein schwarzes Kleid mit großen rautenförmigen Ausschnitten am Rücken. Der Entwurf von Karl Lagerfeld wurde legendär  – und war doch nicht so prägend wie andere Filmkleider. Audrey Hepburns Kleines Schwarzes von Hubert de ­Givenchy in «Frühstück bei Tiffany» (1961) ist berühmter geworden. Und Catherine Deneuve hatte im Luis-Buñuel-Film «Belle de Jour» (1967) einen Auftritt, der überdeutlich zweideutig war und viel bekannter wurde: Das kurze, aber hochgeschlossene schwarze Kleid mit elfenbeinfarbenem kleinen Kragen stammte natürlich von  – Yves Saint Laurent. Auch was die Kunst-Einflüsse anging, war Yves Saint Laurent prägender. Die Chloé-Kleider wirken heute teils arg nostalgisch, denn zu den Prints ließ sich der Designer von Oskar Schlemmer oder Aubrey Beardsley anregen. Yves Saint Laurents Mondrian-Kleid von 1965 war schlicht und einfach effektvoller. Denn die strenge Farben- und Formensprache von Piet Mondrians «Neoplastizismus» läuft mit ­ihren geometrischen Linien den fließenden Silhouetten der Couture zuwider. Eigentlich war es nur ein unförmiges Sackkleid. Aber die gegenseitige Anziehung von Kunst und Mode hatte ihr erstes Symbol gefunden, und das stammte natürlich von – Yves Saint Laurent. Karl Lagerfeld blieb der ewige Zweite. «Den größeren Erfolg in den sieb142

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ziger Jahren hatte weiter Saint Laurent», sagt Mode-Redakteurin Ariel de Ravenel. «Da wollte jeder hin. Chloé war an zweiter Stelle.» Immerhin ragte Karl durch seinen Witz heraus. Das zeigt sich am schönsten an dem Chloé-Kleid mit Glühbirnendekor, das Pat Cleve­ land bei der Schau für Herbst und Winter 1979 vorführte. Das mit Kristallen bestickte nachtblaue Seidenkleid, das nun zur Sammlung des Modemuseums Palais Galliera gehört, hat statt Ausschnitt eine Applikation in Form einer Glühbirne, die sich Lagerfelds Leidenschaft für frühes deutsches Design verdankt. Sie erinnert nämlich an Peter Behrens, der 1907 als vermutlich erster «Corporate Designer» überhaupt «Künstlerischer Beirat» der Firma AEG in Berlin wurde und auch die «Metalldraht-Lampe» für seine dekorativen Werbeplakate nutzte. An der aufgestickten Glühlampe des Chloé-Kleids fehlt nicht einmal der kleine spitze Pumpstutzen, der bei Glühbirnen einst oben auf dem Glaskolben saß. Die flügelartigen Keulenärmel sollten die Form einer runden Lampe nachbilden. Als die Innendesignerin Andrée Putman das Kleid auf einer Party im Nachtclub Le Palace trug, wurde es seiner eigentlichen Bestimmung gerecht – im Dunkeln zu leuchten und Aufmerksamkeit zu erregen. Lagerfelds Erfolg war groß, auch wegen seines Vermarktungs­ talents. Oft flog er mit der Concorde nach New York, zu «trunk shows» in amerikanischen Städten, kleinen Modenschauen aus dem Koffer («trunk»). Im Laufe der siebziger Jahre wuchs sich das immer mehr aus. Als er im Mai 1979 in Houston seine Chloé-Herbstkollektion präsentierte, war der Empfang gigantisch, «wie für einen Staatschef», erinnert sich Rosemarie Le Gallais. Ein lilafarbener Teppich war am Flugzeug ausgelegt, Dutzende Cheerleaderinnen standen Spalier, Lagerfeld bekam einen Cowboyhut aufgesetzt, und sie fuhren mit Polizei-Eskorte in einem Wagen in die Stadt, auf dessen Kühlerhaube die überlangen Hörner eines Longhorn-Rinds montiert waren. Bei der Modenschau im Kaufhaus Neiman Marcus wurde er wie ein Star gefeiert, und er genoss es. Der wachsende Erfolg konnte grundsätzliche Differenzen mit Jacques Lenoir nicht verdecken. So war Lagerfeld immer schon ­ ­äußerst großzügig, der Geschäftsführer aber schaute natürlich aufs Geld. Renate Zatsch, die für die Marke als Mannequin arbeitete, beChloé

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richtet, dass Karl den Models nach einer Chloé-Schau zurief: «Lauft!»114 Auf diese Weise bekamen sie zu ihrem schmalen Honorar wenigstens das Chloé-Kleid, das sie trugen  – und in dem sie nun schnell aus dem Hinterausgang verschwanden. Auch die wachsende Popularität des Designers trug zur Entfremdung bei. Die Einführung des Parfums Chloé 1975 machte ihn berühmt und reich. Für den Parfumvertrag mit Elizabeth Arden gründeten sie gemeinsam das Unternehmen Karl Lagerfeld Productions. ­Lagerfeld hielt einen Anteil von 50, Gaby Aghion und Jacques Lenoir von jeweils 25  Prozent. Sogar als Lagerfeld Chloé längst verlassen hatte, brachten sie noch Düfte heraus. Er war die treibende Kraft bei der Einführung von Chloé, arbeitete monatelang mit dem Lizenznehmer Elizabeth Arden an der Auswahl und entwarf den Flakon. 1977 erbrachte der Duft einen Umsatz von 50 Millionen Mark. Angeblich bekam er davon zweieinhalb Prozent.115 Das wären allein für 1977 rund 1,2 Millionen Mark gewesen, eine für die damalige Zeit hohe Summe, die weiter stieg, denn das Parfum verkaufte sich immer besser. Zudem wurde er ja auch als Chloé-Modemacher äußerst gut ­honoriert,116 und hinzu kamen seine vielen Nebentätigkeiten. «Zum Schluss war es nicht mehr angenehm, weil es mehr Spannungen gab», sagt Rosemarie Le Gallais. «Karl wollte gehen, und ich sollte mit ihm kommen.» Er brauchte sie, denn nun wollte er endlich mal seinen eigenen Namen als Marke nutzen. Seine Auftraggeberin provozierte er erst recht dadurch, dass er im Spätsommer 1982 als Chefdesigner bei Chanel begann. Gut ein Jahr lang arbeitete er für beide Häuser parallel. Mit einer sprechenden Kollektion sagte Lagerfeld Adieu. Die Kleider für Frühjahr und Sommer 1984 waren mit großen Glitzerscheren, Nadelkissen und Garnrollen bestickt. War das eine Anspielung auf die Haute Couture, der sich Lagerfeld nun bei Chanel wieder widmete? Oder war die Schere ein Zeichen für die Trennung? «Das bewegte sich nicht vorwärts», sagte er 1984. «Ich wollte das irgendwie mehr auf einen internationalen Level bringen. Meine Teilhaber konnten da nicht so richtig folgen, und da habe ich gesagt: Jetzt schlaft mal schön alleine weiter, und ciao!»117 Als er sie Ende 1983 verließ, wurde Gaby Aghion 62  Jahre alt, aber im Rentenalter war sie längst nicht, sie machte einfach weiter. 144

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1992 verließ Chefdesignerin Martine Sitbon nach wenigen Jahren das Haus, und Lagerfeld kam wieder, obwohl er mit Chanel, Fendi und Lagerfeld weiter gut zu tun hatte. Von seinen alten Zeiten bei Chloé wollte er nun nichts mehr wissen. Claudia Bessler, seit Anfang 1993 Praktikantin in der Verkaufsabteilung, musste helfen, die Vergangenheit zu entsorgen: «Karl hatte gesagt, dass alle seine alten Zeichnungen weggeworfen werden sollten. Also mussten wir Praktikantinnen ins Lager. Viele dicke Mappen aus den sechziger und siebziger Jahren steckten wir in große blaue Plastikbeutel und brachten sie in den Müll.» An der Praktikantin, die später Stylistin wurde, ging der mode­historische Frevel nicht spurlos vorüber: «Das war schlimm für mich, richtig grausam. All die tollen Zeichnungen!»118 Nach fünf Jahren war wieder Schluss. Dieses Mal schloss er das Kapitel endgültig. Über die Ausstellung zu 60 Jahren Chloé im Palais de Tokyo Ende 2012 sagte er: «Ich hab’s mir angeschaut, und ich dachte: Das ist nicht schlecht. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich der­ jenige war, der das gemacht hat. Ich hatte keine Beziehung dazu.»119 Seitdem hatte die Marke mit der femininen Mode fast nur Frauen auf dem Chefdesignerposten. Die Berufung von Paul McCartneys Tochter Stella McCartney kommentierte er mit dem Satz, man hätte doch einen großen Namen nehmen sollen – «das haben sie gemacht, aber aus der Musik, nicht aus der Mode».120 Die Londoner Designerin bewahrte die Fassung und erzählte, dass auch ihre Mutter Linda in den Siebzigern Lagerfelds Chloé-Kleider gekauft hatte. Immerhin blieb Stella McCartney vier Jahre. 2001 kam Phoebe Philo, 2006 Paulo Melim ­ Anderson, 2008 Hannah MacGibbon, 2011 Clare Waight Keller, 2017 Natacha Ramsay-Levi. Die vielen neuen Namen zeigen, dass die Designer bei Modehäusern heute fast so oft wechseln wie die Trainer bei großen Fußballvereinen. Immerhin hat die Marke sich so immer wieder verjüngt. Gaby Aghion, die 2014 im Alter von 93  Jahren starb, hatte die ­Anteile an ihrem Modehaus rechtzeitig verkauft. Ihr Sohn Philippe Aghion wurde Wirtschaftswissenschaftler – und forscht in der Folge des Ökonomen Joseph Schumpeter zu Wachstumsmodellen, das wachsende Geschäft seiner Mutter immer vor Augen. Die Marke unterhält weiter gute Beziehungen zu der Familie, Philippe Aghions Tochter Chloé

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Mikhaela arbeitete sogar zeitweise dort. Bis heute ist Chloé auf dem Kalender der Prêt-à-Porter-Woche einer der wichtigsten Namen. Und das ist natürlich auch das Verdienst des Designers, der die Marke in den siebziger Jahren zu Weltruhm führte – und der dort am längsten durchhielt, zusammengenommen ein Vierteljahrhundert lang.

Fendi Die Fendi-Schwestern mussten warten. Als sie 1964 nach Paris fuhren, um Karl Lagerfeld den Vertrag über eine Zusammenarbeit unterschreiben zu lassen, klingelten sie an seiner Wohnung, aber niemand öffnete. Also blieben sie einfach im Hausflur sitzen. Und weil in Paris die Lichter im Flur nach einer Minute ausgehen, standen sie abwechselnd auf und machten das Licht wieder an: «Jetzt bist Du dran!» – «Jetzt Du!» – «Jetzt Du!» Er kam dann drei Stunden zu spät. «Meine Tanten und meine Mutter haben später darüber gelacht und es immer wieder erzählt», sagt Silvia Fendi. «Denn er war ja oft unpünktlich.»121 Das römische Pelzmodehaus brauchte eine Auffrischung. Silvias Mutter Anna und deren Schwestern Paola, Franca, Alda und Carla Fendi hatten die Marke von ihren Eltern übernommen, die sie 1925 gegründet hatten. Von dem jungen Designer aus Paris erhofften sich die fünf Schwestern neue Anstöße. Und die sollten sie bekommen. Denn wenn die fünfziger Jahre für Karl Lagerfeld noch eine Art Orien­tierungs- und Ausbildungsphase waren, so verwandelte sich in den Sechzigern sein ungestümer Elan in den professionellen Ehrgeiz, gleich mehrere Marken neu zu erfinden. Rom kam ihm gerade recht. Wieder einmal konnte dort ein Deutscher, noch dazu aus dem Norden, seine Italien-Sehnsucht ausleben – auf den Spuren Johann Wolfgang von Goethes, den er schätzte, und des Malers Anselm Feuerbach, den er liebte. Zu Silvia Fendi sagte er später: «Chanel ist meine französische Seite, Fendi ist meine italienische Seite, besser sogar: meine römische Seite.» Vor allem in den ersten Jahren verbrachte Lagerfeld viel Zeit in Rom. Damals hatte er auch eine Wohnung im Zentrum der Stadt. Als 146

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Fünf Schwestern: Der Designer wird 1983 in Rom eingerahmt von Carla, Franca, Anna, Paola und Alda Fendi (im Uhrzeigersinn von vorne links).

er 1982 zu Chanel ging, kam er zwar nicht mehr so oft, und statt in einer Wohnung übernachtete er gern im Hotel Hassler, fußläufig zum Palazzo Fendi. Aber er war Chefdesigner, von 1965 bis zu seinem Tod, 54 Jahre lang, ein einsamer Rekord in der Modewelt. Hunderte Male flog er nach Rom, sehr oft auch nach Mailand, wo die Fendi-Prêt-àPorter-Schauen stattfinden. Und weil er immer alles unter Kontrolle haben wollte, schickte er Statthalter aus Paris nach Rom: So achteten nacheinander die Lagerfeld-Vertrauten Gilles Dufour, Hervé Léger, Vincent Darré, Eric Wright und Amanda Harlech darauf, dass in der Ewigen Stadt nicht alles ewig dauerte. Fast jeden Tag flogen am Telefon und per Fax die Ideen zwischen Rom und Paris hin und her.122 Fendi

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«Für mich war er immer schon da», sagt Silvia Fendi, die 1961 geboren wurde, jahrzehntelang mit ihm zusammenarbeitete und seit seinem Tod die kreativen Geschicke der Firma bestimmt. «Zu Beginn dachte ich, er sei eine Art Zauberer. Er setzte sich hin, dann sah man nur ein paar Linien, die er zeichnete, dann wurde daraus eine ganze Silhouette, und beim nächsten Treffen wurde aus dieser Silhouette Wirklichkeit. Ich staunte, wie man aus einer Idee eine ganze Kollektion machen konnte. So wurde er zu einem unglaublich wichtigen Bezugspunkt für mich.»123 Über die Distanz zwischen Rom und Paris zu arbeiten war nicht so einfach. Denn die Zeichnungen kamen per Päckchen und nur in den letzten Jahren per Mobiltelefon. Aber man kannte sich und vertraute sich. Dabei stellte der Designer die Fendi-Schwestern schon ganz früh mit seinen radikalen Ideen auf die Probe. Er ließ den Pelz in Streifen oder in Stücke schneiden, ließ ihn färben und besticken. Und er wusste schon früh, im Grunde schon von seinem Vater, dass ein Markenzeichen in aller Welt leicht zu erkennen sein muss. Deshalb schuf er für Fendi gleich 1965 das Doppel-F-Logo, für «fun fur». An den Fendi-Taschen ist Lagerfelds Einfluss ebenfalls abzulesen. Er kümmerte sich zwar nicht um die Accessoires. Aber Silvia Fendi schaute schon als Jugendliche dabei zu, wie ihre Mutter und er mit Pelzen und Kleidern arbeiteten. Daraufhin experimentierte sie mit den Taschen, wie sie es bei den anderen Produkten gemacht hatten. Dabei kam die Baguette-Tasche heraus, mit der 1997 das Zeitalter der «It-Bags» begann. Und auch in dieser Tasche steckt ein Wortwitz: «Baguette» steht hier für die französische Verkleinerungsform des englischen Worts «bag» für Tasche. Bei Fendi war das Atelier eine Art Labor. Im Accessoire-Team saß damals auch ein junger Designer namens Alessandro Michele, der Gucci von 2015 an als Chefdesigner zu großen Erfolgen führen sollte. Lagerfeld nannte ihn «DJ», weil Michele, damals noch mit blondierten kurzen Haaren und dicken Ketten, immer laut Musik laufen ließ. An der Entwicklung der Baguette waren auch Pierpaolo Piccioli und Maria Grazia Chiuri beteiligt. Sie gingen 2008 gemeinsam zu Valentino, wo sie den alten Meister ablösten, bevor Maria Grazia Chiuri 2016 zur ersten weiblichen Chefdesignerin von Dior wurde. Michele, 148

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Chiuri, Piccioli: Drei der wichtigsten Designer des beginnenden 21. Jahrhunderts lernten von Lagerfeld, wie man seine Ideen verwirklicht und wie man innerlich frei bleibt angesichts der Zumutungen der Geschäfts. Die Taschen und der weltweite Trend zur «Logomania» mit weithin sichtbaren Firmen-Signets schoben den Erfolg in den neunziger Jahren an. Dass die Baguette-Tasche in der Serie «Sex and the City» ihren Auftritt hatte, half ebenfalls. Und der Luxusgüterkonzern LVMH, der Fendi seit 1999 schrittweise übernahm, trieb die Expansion dann noch schneller voran. LVMH-Chef Bernard Arnault, der mit Lagerfeld befreundet war und ihm immer wieder die neuesten Louis-Vuitton-Produkte zukommen ließ, freute sich über die Übernahme. So konnte er Chanel zeigen, dass auch er Lagerfeld für sich beanspruchte. Und so bewies er dem konkurrierenden Konzern ­Kering, zu dem Gucci und Bottega Veneta gehören, dass auch er in Italien stark vertreten ist. Lagerfeld nahm Arnaults Besitzansprüche zufrieden zur Kenntnis. In seiner Eigenwilligkeit war der Mode­ macher gewiss keine gute Trophäe. Aber verscherzt hat er es sich mit Arnault natürlich nie. Die erste Fendi-Schau der «Alta Pellicceria» («Haute Fourrure»), also der maßgeschneiderten Pelzmode, zeigte am 8. Juli 2015 bei der Haute-Couture-Woche in Paris, was das Pelzgeschäft bedeuten kann. Auf dem Laufsteg im Théâtre des Champs-Élysées war auch ein Mantel zu sehen, der schon vor dem Defilee vergeben war. Für das gute Stück, das von Hand aus vielen kleinen Nerzstücken genäht und mit Federn bestickt war, hatte eine Kundin 270 000  Euro bezahlt.124 Draußen vor dem Theater demonstrierten Anti-Pelz-Aktivisten, unter anderem von der Brigitte-Bardot-Stiftung. Sie schrien und hielten Schilder hoch mit der Aufschrift «Hört auf mit der Folter!» Aber Karl Lagerfeld hatte zeitlebens kein großes Verständnis für tierethische Bedenken: «Entschuldigt sich ein Schlachter für seine Arbeit?», fragte er einmal. «Ich habe weder ein schlechtes Gewissen noch muss ich mich dafür schämen, dass ich Pelzmode mache. Panther nehmen wir ja schon lange nicht mehr. Nerze sind doch wie bösartige Ratten.»125 Bei Fendi konnte er nach dem Einstieg von Bernard Arnault die Grandeur ausleben, die er bei Chanel schon aufgebaut hatte. Im Fendi

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­ ktober 2007 veranstaltete die Marke auf der Chinesischen Mauer O ein großes Prêt-à-Porter-Defilee mit symbolischer Bedeutung. Hier wurde ein Markt erobert, indem eine Kultur gewürdigt wurde – unter anderem mit vielen chinesischen Models, mit Eröffnungslooks in der glückbringenden Farbe Rot und mit der effektvollen Ausleuchtung der gigantischen alten Grenzmauer. Für römische Verhältnisse ebenso symbolstark war die Präsentation im Juli 2016 auf dem Trevi-Brunnen: Die Models gingen über das Wasser wie Jesus über den See Genezareth, allerdings auf einer Plexiglasscheibe, die auf dem Brunnen lag. Anfang Juli 2019 schließlich gedachte die Marke des Modeschöpfers in einer großen Schau auf dem Palatin, einem der sieben Hügel Roms, gleich gegenüber dem Kolosseum: 54 Looks für seine 54 Jahre bei Fendi. Schon den Kaisern im Alten Rom, die hier oben lebten, gefiel dieser Blick auf ihre Stadt – auch dem Kaiser der Mode hätte er gefallen.

Labelfeld Spuren von Karl Lagerfeld sind an vielen Orten der Welt zu finden. In Reggio Emilia in der südlichen Poebene, zwischen Bologna und Mailand gelegen, würde man sie vielleicht nicht vermuten. Im gekühlten Archiv der Modefirma Max Mara liegen seine Zeichnungen, ganz frisch, als wären sie erst gestern angefertigt worden, dabei sind die Blätter schon ein halbes Jahrhundert alt. «Max Mara – Eté 72» hat er selbst auf eine gelbe Mappe geschrieben, die er 1971 per Post von Paris in die norditalienische Provinzhauptstadt schickte.126 «Cher Monsieur», schrieb er an Max-Mara-Gründer Achille ­Maramotti (1927 bis 2005), mit dem er sich auf Französisch verständigte, «alle Erläuterungen finden sich auf den Skizzen.» Und in der Tat: Die Zeichnungen für den Sommer 1972 könnten nicht detail­ reicher sein; dieser Modezeichner war eben durch die harte Schule der Couture gegangen. Der Radius eines ungefütterten rund geschnittenen Capes («cape demi-cercle non doublée») ist mit genau 110 Zenti­ metern angegeben. Auf das Blatt mit einer Jacke ist eine Stoffprobe geklebt mit dem Farbhinweis «en rouge étrusque». Bikolor-Schuhe 150

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weisen kurioserweise schon auf seine Arbeit für die Marke Chanel v­ oraus, wo die beigefarbenen Pumps mit schwarzer Kappe, die Coco Chanel 1957 erfunden hatte, ein Markenzeichen sind. Und eine Bole­roJacke sollte so geschnitten sein, dass sie «toute la liberté du mouve­ ment» ermöglicht: Die schnitttechnische Forderung nach genug Bewegungsfreiheit – sie klingt schon fast wie ein Programm für den Entwurf einer Frau, die von allen modischen Zwängen befreit ist. Laura Lusuardi, die 1964 als Achtzehnjährige bei Max Mara anfing und schon 1965 als Koordinatorin der Kollektionen eine Art Chefdesignerin wurde, hütet heute auch das fabrikhallengroße Archiv. «Wir kannten den Markt und konnten kommerziell arbeiten, um die Wünsche der Kundinnen zu befriedigen», sagt sie über die Zusammenarbeit mit Karl Lagerfeld. «Aber wir konnten nicht das Kreativitätsniveau der großen Namen erreichen.» Das Familienunternehmen, 1951 von Maramotti gegründet, brauchte neue Ideen. Die jungen ­Designerinnen Emmanuelle Khanh aus Paris und Graziella Fontana, die Karl von Chloé kannte, hatten schon Mitte der sechziger Jahre für die junge Kollektion «Pop» gearbeitet. Für die Hauptlinie war Lagerfeld der erste Externe. Ende der sechziger Jahre also fuhr Achille Maramotti, begleitet von Laura Lusuardi, seiner jungen Assistentin, nach Paris, um den Designer kennenzulernen, sich seine Zeichnungen anzusehen und über die Zusammenarbeit zu reden. «Am meisten hat mich beeindruckt, dass er in seinem Haus einen Fitnessraum hatte mit Gewichten und Geräten», erzählt Lusuardi. «Ich hatte so etwas noch nie ­gesehen. So fortschrittlich!» Und auch was seine Arbeit anging, beeindruckte der Modemacher die italienischen Gäste. «Im Café de Flore zeichnete er sogar auf den Papiertischdecken.» Er hatte offenbar nicht viel Zeit zu verlieren. Kein Wunder, denn seit Anfang der sechziger Jahre arbeitete er für eine schier unendliche Reihe an Auftraggebern. Es begann 1962 mit Billigmode für Mono­ prix. Dann ging es schnell weiter: seit 1963 Tiziani in Rom, seit 1964 Chloé in Paris, seit 1964 Krizia in Mailand, seit 1965 Curiel in Rom, seit 1965 Fendi in Rom. Und es sollte in den nächsten Jahren noch mehr werden. Die Berichterstatterin von «Le Monde» schreibt 1972 ungläubig: «Er entwirft die Pullover von Timwear, die Jerseykleider Labelfeld

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von Helanca de Gadging, die falschen Pelze von Monsieur Z, die Schuhe von Mario Valentino, die Handschuhe von Neyret.»127 Dabei hatte sie noch die Schuhe für Repetto und Charles Jourdan sowie die Pullover für Ballantyne vergessen. Er selbst nannte sein Apartment mit dem Studio an der Place Saint-Sulpice ein «Entwurfs-Bordell»: «Die fertigen Freier gingen zur Hintertür raus, wenn die frischen vorne zur Tür reinkamen.»128 Im Jahr 2011 sagte er im Spaß: «Mein Name ist Labelfeld.»129 Denn das war längst nicht alles. Mit der Reputation, die er sich als erfolgreicher Deutscher in Paris erarbeitete, ließen sich auch in der Heimat gute Geschäfte machen. Seit 1969 arbeitete er für Fritz Ertelt, einen Modeunternehmer aus Selm bei Dortmund. Ertelt flog regel­ mäßig nach Paris, suchte aus der Skizzenkollektion Zeichnungen ­heraus, die ihm gefielen, Lagerfeld ließ dann in seinem Atelier die Nesselschnitte fertigen und nach Selm schicken. «So kam Pariser Chic in die Kollektion», sagt Ulla Ertelt, die Tochter des Unternehmers. Die Firma durfte zwar nicht mit Lagerfeld werben. «Aber hinter vorgehaltener Hand sprach man darüber, wer hinter der Linie Saint Mignar stand. Auch das half beim Erfolg.» Von 1979 bis 1981 lernte Ulla Ertelt als Praktikantin bei Chloé seine so positive wie ungeduldige Art schätzen: «Karl hatte eine unendliche schöpferische Energie. Nur für eine Marke zu arbeiten, das hätte ihm nicht gereicht. Und als Hamburger Kaufmannssohn wusste er das lukrative Lizenzgeschäft zu nutzen.»130 Im Jahr 1975 engagierte ihn Willebert Boveleth in Mönchengladbach. Zum fünfundzwanzigsten Jubiläum seiner Wibor-Textilwerke wollte er das damals sehr erfolgreiche Unternehmen für Premiummode durch eine Linie mit einem bekannten Designer aufwerten. Auf Empfehlung der «Textilwirtschaft» ging er auf Lagerfeld zu, schloss mit ihm eine Lizenzvereinbarung und gründete die Marke Karl Lager­feld Impression. Der Designer zeichnete die Kollektion und flog jeden Monat mit seiner Assistentin Rosemarie Le Gallais nach Düsseldorf, wo man die beiden abholte. Nach den Anproben in der Firma in Mönchengladbach ging es am Mittag zu den Boveleths nach Hause, wo die Haushälterin den Sauerbraten servierte, den er so gerne mochte. Zuweilen legte er eine Mittagsruhe ein. 152

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Für Max Mara gezeichnet: Anfang der siebziger Jahre entwarf Lagerfeld auch für die Marke aus Reggio Emilia.

Dann ging es wieder zu den Anproben und am Abend zurück nach Paris. Fast zehn Jahre lang ging das so. Bei den Wibor-Werken gab es noch Direktricen, Schnittmacherinnen, Modellmacher und ein Musteratelier. Die Kollektionen wurden vollständig in Mönchengladbach produziert. Das war damals ein Geschäftsmodell, bevor immer mehr deutsche Unternehmen konkurrenzlos günstig in der Türkei oder in Fernost fertigen ließen. Die Mode wurde damals über den Fachhandel verkauft, dem noch nicht die großen Billigketten und der Onlinehandel das Überleben schwer machten. Die Boveleths jedenfalls w ­ aren sehr zufrieden. Sie konnten mit seinem Namen höhere Preise von ihren Kunden verlangen als mit dem Handelsmarkennamen Wibor.131 Aber Lagerfeld entschwebte dann doch bald. Mit dem Parfum Chloé, das 1975 herauskam, wurde er noch bekannter. Wegen mehrerer Lizenzen flog er nun auch häufiger nach Japan. 1982 begann er bei Chanel. Als Lagerfeld seine Markenrechte 1984 an die BidermannGruppe verkauft hatte, war Schluss mit Wibor, denn der amerikaniLabelfeld

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sche Konzern bereinigte das Lizenz-Wirrwarr. Willebert Boveleths Sohn Peter, inzwischen in der Geschäftsführung von Wibor, übernahm noch vorübergehend den Vertrieb der neuen Kollektion KL – Karl Lagerfeld für den deutschsprachigen Raum. Mit Klaus Steilmann, dem damals größten europäischen Bekleidungshersteller, ­arbeitete Lagerfeld von 1988 an ebenfalls zusammen: Die Kollektion KL  – by Karl Lagerfeld wurde von 1996 bis 1999 sogar über den Quelle-Katalog vertrieben. Wie schaffte er das nur alles? «Er arbeitete unglaublich schnell», sagt Laura Lusuardi. Bei Max Mara arbeitete er 1971 und 1972 drei Saisons lang. Lagerfeld regte zum Beispiel Mäntel ohne Futter an. Dafür entwickelten sie eine besondere Herstellungstechnik, die sie dann beibehielten. «Da war er sehr innovativ.» Zur Jacke schlug der Designer Shorts vor. «Auch innovativ.» Für altbekannte Formen nahm er ungewöhnliche Stoffe, zum Beispiel plissierte schwarze Seide für ein Cape («cape version soie»). Auch sei er gut im Styling gewesen, also darin, eine Botschaft zu vermitteln, die über Stoffe, Formen und Farben hinausgeht. «Achille Maramotti war überaus zufrieden», sagt Lusuardi. «Der klassische Stil des Hauses brauchte Auflockerung.» Wegen der positiven Erfahrungen machte das Unternehmen aus Reggio Emilia mit ­anderen Designern weiter, zum Beispiel mit Jean-Charles de Castelbajac. Auf der Suche nach Nachwuchskräften arbeitete Laura Lu­ suardi später aber auch mit dem Royal College of Art in London ­zusammen und rekrutierte zunehmend junge asiatische Designer: Sie bringen neue Ideen für einen Markt ein, der sich immer stärker ­globalisiert.

Amerikaner Die siebziger Jahre begannen gut. Karl Lagerfeld beherrschte inzwischen die Techniken und das Geschäft der Mode. Er hatte sich bei Chloé durchgesetzt und verdiente zusätzlich Geld mit weiteren Jobs. Sein Vater hatte ihm viel hinterlassen. Die Häuser der Familie in Baden-­Baden und Hamburg waren längst verkauft. Und seine Mut154

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ter, die schon vorher oft zu Besuch gewesen war, zog im Frühjahr 1968 zu ihm, in seine große Wohnung an der Rue de l’Université 35. Die berufliche Souveränität und die finanzielle Unabhängigkeit wirkten sich auch auf sein Privatleben aus: Er genoss seinen Erfolg, wurde lockerer, war gesellig und großzügig  – und hatte auch des­ wegen plötzlich viele Freunde. Sein Leben profitierte von der gesellschaftlichen Liberalisierung durch die Achtundsechziger-Bewegung, der er selbst nicht viel abgewinnen konnte, obwohl sie sich im Umfeld der Sorbonne abspielte, vor seinen Augen. «Die Siebziger waren toll», sagte er 2013. «Es war sorglos, es war frei, wenn man jung war. Es hatte etwas Unprätentiöses, es ging nicht ums Geld.» Zwar war er schon ein Star, aber nicht so überlebensgroß wie später. Er konnte sich frei bewegen, rief in Restaurants keinen Massenauflauf hervor und wühlte im Café de Flore ungestört seine Zeitungen durch. «Es gab keine roten Teppiche. Es gab nicht 200 Body­guards für berühmte Leute. Alles war leicht, jung, improvisiert und frisch.»132 Einer der wichtigsten Gründe für die neue Leichtigkeit des Seins hieß Antonio Lopez. Er war 1943 in Puerto Rico geboren worden. 1950 zog die Familie nach New York, wo er aufwuchs und Design studierte. Als Illustrator, der schon in jungen Jahren für «Women’s Wear Daily» und die «New York Times» arbeitete, belebte er die Kunst der Modezeichnung – die sich seit René Gruaus besten Zeiten in den fünfziger Jahren nicht so recht weiterentwickelt hatte und wegen der sich rasch entwickelnden Modefotografie alt aussah. ­ ­Antonio, der 1969 für sechs Jahre nach Paris kam, schuf radikal freie Zeichnungen, mit unglaublich vielen ethnischen, künstlerischen, subkulturellen und erotischen Einflüssen: phantastisch, psychedelisch, exzessiv – und dennoch mit sicherem Strich locker gezeichnet. Karl war begeistert. Er spürte, dass hier ein ganz neuer Ton in die Sprache der Mode kam, dass der Trend zu den geraden Linien und ­etwas kastigen Formen der sechziger Jahre nun in sinnlicheren Linien aufging. Sogleich verpflichtete er ihn für Chloé, wo Antonio die neuen Entwürfe zeichnete und Anzeigenmotive schuf. «Er ist mit der Energie New Yorks gekommen», sagt der Designer Tan Giudicelli, der in den Sechzigern bei Chloé gearbeitet hatte. «Für das Haus Chloé war Amerikaner

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Im Studio von Chloé: Antonio Lopez zeichnet das Model Eija, Juan Ramos (links hinten) und Jacques de Bascher halten sich im Hintergrund.

dieser Einfluss wunderbar. Karl hat Antonio ausgesaugt, und Antonio brauchte Karl auch.»133 Der großzügige Deutsche stellte Antonio und seinem Freund Juan Ramos, der ebenfalls Nuyorican war, also New Yorker Puertorikaner, eine Wohnung im Haus Boulevard Saint-Germain 136 zur Verfügung, nicht weit entfernt von seiner eigenen. Auch Juan war für Karl ein Alter Ego. An Antonio entdeckte er den freien Stil eines freien Künstlers. An Juan, mit dem er sich sehr gut verstand, faszinierte ihn, wie man systematisch neue Ideen, Trends, Objekte sammelt. Oft ging er mit ihm in die Buchhandlung La Hune, wo sie Werke über Kunst, Design und Mode kauften. Juan brachte Filmplakate, Grafiken, Postkarten, Objekte und Flohmarktfunde mit, als Anregungen für Antonio, denn er war Ideengeber und Art Director zugleich. Seitdem sammelte auch Karl alles, was er zu ­einem Thema finden konnte, wenn er sich auf eine Kollektion vorbereitete.134 Corey Grant Tippin gehörte zu den vielen jungen Leuten, die immer wieder zu Antonio und Juan kamen. Er war schon seit 1967 oft in Andy Warhols Factory gewesen und hatte sein Studium an der Parsons School of Design in New York bald abgebrochen: «Warum sollte 156

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ich noch dahin gehen, wenn ich schon Andy kannte?»135 Viele seiner Freunde wurden damals zur Armee eingezogen und im VietnamKrieg eingesetzt. Obwohl Corey ein psychologisches Attest vorlegen konnte, dass er homosexuell sei, was einen Einsatz in der Army ausschloss, empfahl ihm seine Mutter, nach Paris zu gehen, als Vorsichtsmaßnahme. Er kam, sah – und war enttäuscht. «Ich war entsetzt, dass Paris so langweilig, stumpf, bourgeois und rückwärtsgewandt war», sagt Corey Grant Tippin. Er verschönerte sich den Aufenthalt mit seiner Freundin Donna Jordan, die er aus der Factory kannte  – und die ­Antonio einst an der Bethesda Fountain im Central Park bei den ­«be-ins» kennengelernt hatte, den großen Protesten gegen VietnamKrieg, Rassismus und Homophobie. Über Antonio und Juan lernten die beiden 1970 Karl kennen, der den neuen Kleidungs-, Make-up-, Kunst- und Lebensstil der Amerikaner mochte. «Niemand hatte bis dahin so richtig begriffen, was die amerikanische Kultur zu bieten hatte», sagt Corey Grant Tippin. «Es gab zum Beispiel nur ganz ­wenige amerikanische Designer in Paris. Karl verstand die Popkultur sofort, er spürte die Schwingungen. Man konnte das bald an den Drucken der Chloé-Kleider erkennen.» Karl und Antonio zeichneten auch oft zusammen. «Oh my God», sagte Karl dabei einmal zu Antonio, «Du machst das viel besser als ich.» Immerhin gab er das Zeichnen nicht auf. «Wenn man Modezeichner werden wollte und sah, wie Antonio zeichnete», erinnert sich Corey Grant Tippin, «rührte man eigentlich nie wieder einen Stift an.» Seine Freunde ließ Karl nicht nur auf seine Kosten in Paris wohnen. Er lud sie auch zum Essen ins La Coupole ein und später am Abend an die Rue Sainte-Anne, die zum Zentrum der Schwulenszene wurde. Dort machte der legendäre Clubbetreiber Fabrice Emaer mit dem DJ Guy Cuevas das Le Sept zu einem neuen Mittelpunkt des ­Pariser Nachtlebens. Hierher kamen alle, vom Philosophen Roland Barthes bis zum Designer Pierre Cardin – und die Amerikaner blieben so lange, dass sie es am nächsten Tag erst nach Mittag zum Frühstück ins Café de Flore schafften. «Es war unglaublich, wie groß­ zügig Karl war», berichtet Tippin. «Er erwartete nichts dafür. Seine Amerikaner

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Drei neue Stars: Die Amerikaner Donna Jordan (links), Antonio Lopez und Pat Cleveland gehörten Anfang der siebziger Jahre zu Lagerfelds Freunden in Paris.

Großzügigkeit tarnte er damit, dass er die Geschenke brüsk verteilte. Das klang dann so: Ich will das hier nicht mehr, nimm Du es!» Pat Cleveland war ebenfalls verblüfft: Kaum war sie nach Paris gekommen, kaum hatte sie Karl über Antonio kennengelernt, ­ schenkte er ihr ein Chiffonkleid, das er eigentlich für Marlene Dietrich gemacht hatte.136 Die Freunde lernten auch Elisabeth Lagerfeld kennen. «Eines Abends öffnete ich in Karls großer Wohnung eine Tür – und da saß sie», sagt Corey Tippin. «Ich entschuldigte mich, unterhielt mich ein bisschen mit ihr, und es stellte sich heraus, dass sie mich sogar kannte: ‹Sie sind Corey, oder?›» Die alte Dame war froh über Gesellschaft – und offenbar bestens informiert. Gleich im Sommer 1970 fuhren sie alle gemeinsam, Corey, Donna, Antonio, Juan und Karl inklusive Frau Lagerfeld, nach Saint-Tropez, wo Lagerfeld schon öfters mit der Familie von Anne-Marie Muñoz in Ferien gewesen war. Den Ameri158

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kanern kam es seltsam vor, ihren Urlaub in dem schönen Haus, das Karl gemietet hatte, mit einer Dreiundsiebzigjährigen zu verbringen. «Der Umgang mit ihr war sehr formell», erzählt Corey Grant Tippin. «Wir waren wie Schüler in einer Klasse, die hinter dem Rücken der Lehrerin kichern. Ich wünschte, wir wären ein bisschen reifer gewesen. Wenn das Abendessen vorbei war, blieben wir nicht etwa höflich sitzen, sondern sprangen auf und liefen raus.» Auch sie war groß­zügig, wie ihr Sohn. Auf einer weiteren Zugfahrt an die Côte d’Azur saß Corey mit ihr im Speisewagen. Als die Rechnung kam, reichte sie ihm unter dem Tisch einen Geldschein, so dass er bezahlen und sein Gesicht wahren konnte. «Sie war sehr diskret. Der Kellner hat nichts gesehen.» Die Männer kümmerten sich um ihre gemeinsame Muse Donna: Corey schminkte ihr die Augenbrauen weiß und den Mund knallrot, Karl kleidete sie ein, und Antonio zeichnete sie. «Ich hatte all diese Bildhauer um mich rum», sagte Donna später, «und sie formten mich, modellierten mich, machten mich zu der, die ich werden wollte: die blonde Sexbombe.»137 Eine solche schräge Schönheit hatte SaintTropez noch nicht gesehen. Auch Paris nicht: Als sie 1970 aus ihren großen Ferien zurückkehrten, wurde sie zu einem der prägenden Models jener Jahre, zu einer Vorläuferin all der It-Girls und StreetStyle-Stars. Antonio hatte ein anderes Körper- und Stilgefühl aus Puerto Rico und New York mitgebracht. Jerry Hall, seine spätere Freundin, schreibt, als Make-up habe sie blauen Lidschatten und Rosa für Wangen und Lippen genutzt – wie sich halt eine Siebzehnjährige aus Texas damals anmalte. «Antonio brachte zwei Stunden damit zu, mich zu schminken, mit Eyeliner, künstlichen Wimpern und in Form gezupften Augenbrauen.» Ihre stilistischen Übertreibungen konnte sie sich abschminken: «Meine vorher einstudierten Posen und meine Outfits brachten ihn zum Lachen.» Das sei alles übertrieben. «Da war ich also die ganze Zeit viel zu aufgedonnert herumgelaufen und hatte es überhaupt nicht bemerkt.»138 Sogar seinen neuen Freund Karl lockerte Antonio etwas auf. In Saint-Tropez trug nun auch er Tuniken oder Seidenhosen von Chloé – während seine Mutter meist bei Sonia Rykiel blieb, schon um ihrem Amerikaner

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Sohn nicht zu sehr zu schmeicheln. Die Fotos vom Strand zeigen ­einen ganz anderen Mann als den zugeknöpften Musterschüler der Mode. Mit seiner Kodak Instamatic  100, die ihm spontane Fotos ­ermöglichte, ohne dass die Leute Angst bekamen wie bei einem rich­ tigen Apparat, hielt Antonio einen entspannt in der Sonne liegenden Beau fest; einen Schönling mit Sonnenbrille, der sich wie in einer ­Anzeige auf einen Coca-Cola-Karton stützt, eine Flasche der braunen Brause samt Strohhalm trinkfertig in der Hand; einen Athleten mit beeindruckendem Bizeps und Trizeps, der mit feuchten Haaren im Bade-Einteiler am Saum des Mittelmeers sitzt und gespielt empört auf den Fotografen zeigt.139 Nur für Antonio gab sich Karl so sinnlich. Auch noch 1976, als Antonio wieder nach New York gezogen war und Karl ihn dort besuchte. Die Fotos aus der Serie «Men in Showers» zeigen den mittlerweile schon mittelalten Mann in sinnlich-lustigem Spiel mit dem Duschwasser: Es sieht so aus, als käme der Duschstrahl aus seinem Mund wie bei einem überraschend bärtigen Wasserspeier. Auf einigen Fotos, noch eine Pointe, trägt er unter der Dusche auch eine große Sonnenbrille.140 Von den sadomasochistischen und fetischistischen Anspielungen in Lopez’ Instamatics-Serie hielt sich Lagerfeld also ironisch fern. Andere hatten da weniger Hemmungen. Es ist erstaunlich, wen Antonio damals mit seiner Kunst einwickelte: Jerry Hall und Grace Jones, ihre Mitbewohnerin im Hôtel Crystal, die als Sängerin weltberühmt werden sollte; die Schauspielerin Patti D’Arban­ ville, die 1970 von ihrem ehemaligen Freund Cat Stevens als «Lady d’Arbanville» besungen worden war; Jessica Lange, die später in «King Kong» mitspielte und für ihre Rollen in «Tootsie» und «Operation Blue Sky» zwei Oscars bekam; Tina Chow, die Mode-Ikone, die 1972 Michael Chow heiratete, den Gründer der trendigen Mr.-Chow-Restaurants. Der Künstler, der Männer und Frauen für sich einnahm und Sex mit beiden Geschlechtern hatte, hielt die Zeit nicht nur in sinnlichen Zeichnungen fest  – sondern schuf etwa zur gleichen Zeit wie Guy Bourdin und Helmut Newton die sexualisierte Modefotografie, mit den bescheidenen Mitteln der Instamatic, die, wenn man so will, die Spontanästhetik von Instagram vorwegnahm. 160

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Ein Gefühl von Freiheit: Die Sommer in Saint-Tropez mit den Amerikanern genoss Lagerfeld zunächst sehr.

Die Künstlertypen, die sich auch in den folgenden Sommern auf Karls Einladung hin gemeinsam in Saint-Tropez vergnügten, waren Vorboten der freien Liebe. «Das war damals eine Explosion der sexuellen Freiheit, das ging in jede Richtung», erzählt Renate Zatsch, die nach Paris gegangen war, weil ihr Deutschland «zu spießig» war, und die später ebenfalls zu Karls Clan gehörte. «Von Aids wusste man noch nichts. Da wurde nicht lange gefackelt. Es war eine wunderbare Zeit. Wir wollten uns amüsieren. Das Geld war uns total egal.» ­Besonders galt das für die schwulen Männer in der Gruppe. «Sie lebten das so richtig aus, weil sie plötzlich Freiheit spürten.»141 Der Wertewandel hatte die Homosexualität aus den kriminalisierten Randzonen in die Mitte einer aufgeklärten Gesellschaft geholt. Und die Befreiung von einem uralten Stigma musste gefeiert werden. Karls Freunde taten das so laut in ihrer Wohnung am Boulevard Saint-Germain, die zu einer Art Künstlerkommune wurde, dass sich die großbürgerlichen Nachbarn beschwerten. Lagerfeld brachte sie vorübergehend in einer kleinen Wohnung an der Rue Bonaparte unAmerikaner

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ter, die eigentlich für seine Mutter vorgesehen war, ihr aber ohnehin zu klein gewesen wäre. Pat Cleveland, die 1971 aus New York zu ­ihnen stieß, und Donna schliefen im Bett, Antonio und Juan in Schlafsäcken auf dem Boden.142 Danach zogen sie für ihre letzten drei Jahre in Paris in eine Wohnung an der Rue de Rennes. Nur Karl hielt sich damit zurück, die durch «gay liberation» frisch gewonnene Freiheit zu nutzen, Abenteuer einzugehen und zu viel Nähe zuzulassen. Kein Wunder: Er war etwa ein Jahrzehnt älter als seine neuen Freunde, die dauernd nach sexuellen Gelegenheiten suchten, er hatte viele berufliche Verpflichtungen, während die anderen frei arbeiteten, er blieb letztlich ein Einzelgänger, «un grand solitaire, der am liebsten zu Hause arbeitete».143 Aber ein sinnlicher Ansatz fand sich nun auch in seiner Mode wieder. Und die großen Auftritte mussten sein, schon um dem Nachtleben und der Modeszene zu demonstrieren, dass auch er eine Clique hatte, wie Yves Saint Laurent, der nie ohne seinen Cordon sanitaire ausging. Die starke Anziehungskraft der beiden und ihre geradezu feudale ­Inszenierungsfreude gingen einher mit der sich wandelnden Rolle des Modemachers. Noch bis in die sechziger Jahre waren Designer Dienstleister, die nur selten im Licht der Öffentlichkeit standen. Nun wurden Saint Laurent, Valentino, Lagerfeld und in New York Halston (Roy Halston Frowick) von der besseren Gesellschaft schon deshalb ernstgenommen, weil sie reich waren – meist durch Parfumlizenzen, also indem sie ihren Namen für Düfte hergaben. Das verschaffte ihnen einen ungeahnten Distinktionsgewinn, auch mit herrschaft­ lichen Wohnungen, angemessener Inneneinrichtung und wachsenden Kunstsammlungen. Das Selbstbewusstsein der Designer wuchs in höfische Dimensionen, ihr Auftritt ebenfalls. «Wir waren wie sein Hofstaat», erinnert sich Renate Zatsch. «Jeden Abend ging es ins Le Sept. Er wäre nie ­alleine gegangen.» Es wurden beeindruckende Auftritte, denn sein Kreis war größer geworden, seitdem auch die Afroamerikanerin Pat Cleveland und das finnische Model Eija Vehka dazugehörten. «Starke Mädchen, das wollte er so», sagt Renate Zatsch. «Er wollte es jung haben.» Und so sollte es bleiben: Bis ans Ende seines Lebens umgab sich Karl Lagerfeld am liebsten mit jungen Leuten. Sie gaben ihm 162

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mehr als die Älteren – und sie waren leichter eingenommen von seiner Ausstrahlung. In den siebziger Jahren führten Versuch und Irrtum manchmal zu bizarren Szenen. Eigentlich küsst Karl Lagerfeld in dem Film «L’Amour» nur Donna Jordan. Aber wie er sie küsst! Er legt den Kopf schräg zur einen Seite, dann zur anderen, während sie sich an seiner dunklen Mähne festhält, scheint sie mehr abzulecken als ihr ­einen richtigen Zungenkuss zu geben, und umarmt sie dann inniglich. Lagerfeld muss Andy Warhol, den Regisseur des Films, sehr gemocht haben – oder warum ließ sich der sonst so diskrete Modemacher auf diesen seltsamen Auftritt im Unterhemd ein? Der experimentierfreudige amerikanische Künstler war im Oktober 1970 für die Dreharbeiten und für neue Anregungen nach Paris gekommen. Es sollten abwechslungsreiche Monate werden, schon weil er zwischen die Fronten zweier Clans geriet. Hier Yves Saint Laurent mit seiner Clique, dort Karl Lagerfeld, der die jungen Amerikaner um sich geschart hatte, die Andy schon kannte. Karl wollte den Popkünstler auf seiner Seite wissen und nicht im Dunstkreis von Yves. Das mochte einer der Gründe dafür gewesen sein, dass er seine Wohnung an der Rue de l’Université für die Dreharbeiten zur Ver­ fügung stellte. Andy Warhol selbst hatte aus der Factory, seinem New Yorker Künstlerhaus, seinen umtriebigen Manager Fred Hughes mitgebracht, der ihn in die bessere Pariser Gesellschaft einführen sollte, ­außerdem den Regisseur Paul Morrissey, mit dem er seit 1965 schon einige seiner avantgardistischen Filme gedreht hatte. Der neue Film der beiden, der zunächst «Gold Diggers ’71» oder «Les Beautés» oder «Les Pissotières de Paris» heißen sollte,144 handelte von zwei Amerikanerinnen, die sich in Paris körperlich optimieren lassen, um einen richtig reichen Mann zu finden. Donna Jordan, die gerade entdeckt und von Guy Bourdin für die französische «Vogue» foto­ grafiert wurde, war eine dieser beiden Frauen – ihr «Vogue»-Cover wird in einer Szene des Films ins Bild gehalten. Die andere war Jane Forth, die als Rezeptionistin in der Factory begonnen und in Warhols Film «Trash» gerade die Hauptrolle gespielt hatte. Die körperlichen Veränderungen an den beiden sollte Corey Grant Tippin vornehmen, den Amerikaner

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Andy mochte. Karl selbst spielte einen der reichen jungen heterosexuellen Männer: einen deutschen Adligen. Der Film konnte sich nicht sehen lassen: «Es gab kein Drehbuch, nicht viel Handlung, die schauspielerischen Fähigkeiten waren dünn, man war stark davon abhängig zu improvisieren, mit zum Teil desas­ trösen Ergebnissen», schreibt Alicia Drake,145 die diese Epoche Lagerfelds am besten durchleuchtet hat und nicht viel von der Stegreifkunst zu halten scheint. Aber den Darstellern musste der Film, der 1973 herauskam, nicht peinlich sein. Denn erst vier Jahrzehnte später landeten Ausschnitte davon auf Youtube. Zuvor hatte ihn kaum jemand gesehen – weil man den Film nicht richtig vertrieb oder womöglich selbst nicht so recht an ihn glaubte. «Karl war locker drauf bei den Dreharbeiten und fand das alles sehr lustig», erzählt Corey Grant Tippin, der nicht nur fürs Make-up zuständig war, sondern auch mitspielte. «Er trieb die Handlung voran. Andy brauchte solche Darsteller, denn es gab ja kein Drehbuch. Die Stars in Andys Filmen waren Leute wie Brigid Berlin, die viel redeten und so die Handlung in Gang setzten. Als die Kameras liefen, warteten wir anderen darauf, dass wir auf etwas reagieren konnten. Und Karl war nie um Worte verlegen. Deshalb war er so wichtig für den Film, deshalb war Karl ein Superstar in diesem Film.»146 Lagerfeld selbst sah es später eher ironisch: «Das war der kindischste Filmdreh, den es je gab.»147 In jener Zeit sei das möglich gewesen. «Heute könnte ich keine andere als meine eigene Rolle spielen.»148 Er ironisierte also die Kuss-Szene, um sie weniger peinlich ­erscheinen zu lassen. Man kann es aber auch anders sehen, so wie Tippin: «Das war doch eine unerhörte Szene», sagt er. «Ich hatte nie gesehen, dass Karl jemanden küsst, und dann plötzlich diese Intensität.» Die Kuss-Szene zeigt eben auch, das Karl in der Öffentlichkeit nur dann Intimität ausdrücken konnte, wenn sie künstlerisch war oder kindisch – oder beides. Die schönen Zeiten mit seinem erweiterten amerikanischen Clan hätten ewig dauern können, wenn sich nicht zwei Franzosen da­ zwischen geschoben hätten – Jacques de Bascher, mit dem Karl 1972 eine Beziehung einging, und Yves Saint Laurent, dessen Kreise sich mit Karls Kreisen allzu oft berührten, fast schon so, als könnten sie 164

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nicht ohne einander. Die amerikanischen Freunde bemerkten langsam, dass sich die Verhältnisse änderten. Corey Grant Tippin war befreundet mit Clara Saint und Thadée Klossowski de Rola, die zu Yves’ Clan zählten und in der Rue Jacob wohnten, um die Ecke. Clara Saint war dadurch bekannt geworden, dass sie am 16. Juni 1961 am Pariser Flughafen Le Bourget den Abtransport des sowjetischen Ballett-Stars Rudolf Nurejew nach Moskau verhinderte. Sie trieb den Tänzer, den sie bei den Pariser Auftritten des Kirow-Balletts kennengelernt hatte, in der Abfertigungshalle in die Arme zweier Gendarmen – die es verhinderten, dass sowjetische Agenten ihn packten und ins Flugzeug nach Moskau brachten. Für Yves Saint Laurent organisierte die engagierte Chilenin die Presse­arbeit. Thadée Klossowski de Rola, der Sohn des Malers ­Balthus, gehörte ebenfalls zum engsten Kreis. Noch war er Claras Freund, später sollte er Yves’ Muse Loulou de la Falaise heiraten – Clara erfuhr davon durch die Hochzeitsanzeige im «Figaro».149 Als die Amerikaner während der Dreharbeiten zu «L’Amour» abends ohne Karl im La Coupole aßen, kamen auch Saint Laurent und Bergé in das Restaurant in Montparnasse.150 Das Powerpaar der Mode schien angetan von dem neuen Stil in der Stadt. Denn kurz darauf wurden die Amerikaner allesamt eingeladen zu einer Party der beiden zu Ehren von Andy Warhol in ihrer Wohnung an der Place Vauban  3  – nur Karl nicht. Loulou de la Falaise und ihre Mutter ­Maxime kannten Andy Warhol schon aus New York. Bei Yves Saint Laurent, der so schüchtern und genialisch war wie er selbst, fühlte sich der Künstler wohl. Warhol, der unablässig arbeitete und mit Porträts von reichen Leuten viel Geld verdiente, malte 1972 eine ganze Serie von Yves-Saint-Laurent-Bildern, immer in der typischen skep­ tischen bis versonnenen Pose, die er für 25 000 Francs verkaufte.151 1986 malte er sogar dessen nicht unbedingt pittoreske Bulldogge Moujik mehrfach. Von Karl Lagerfeld hingegen existiert kein einziges Warhol-Porträt. Es wurde ein bunter Abend in der Wohnung von Yves und ­Pierre.152 Der Schauspieler Helmut Berger, der 1969 in Luchino Viscontis Film «Die Verdammten» bekannt geworden war, rauchte Opium mit Omar Sharif, dem Star aus «Lawrence von Arabien» Amerikaner

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(1962) und «Doktor Schiwago» (1965). In einem Raum lief auf einem Bildschirm ein Pornofilm. Angeregt durch Drogen und Alkohol, jagten gleich mehrere Gäste Saint Laurents Hund durch die Wohnung. Die Amerikaner kamen den Franzosen aufregend vor. Thadée Klossowski de Rola notierte danach in sein Tagebuch: «Tippin und die Frauen, um Antonio Lopez, um Karl, ein kleiner Hof / grelle Schönheiten / nicht ohne Anmut / beneidenswerte Tänzer.»153 Donna und Corey, vielleicht entfesselt durch die damals populäre Droge Mandrax, wurden immer wütender auf ihre Freundin Patti d’Arbanville, die sich auf dem Sofa an Berger heranmachte und mit einem Gürtel angab, den er ihr gegeben habe. Corey hetzte die leicht entflammbare Donna auf, und plötzlich stürzte sich das Model auf die Schauspielerin, so dass der Glastisch zerbarst und Pattis Hand blutete. «In den nächsten Tagen ging sie am Stock, das war ein guter Effekt», sagt Corey Grant Tippin. «Aber das war schnell wieder vergessen. Donna und ich wohnten ja damals auch in einem Hotel zusammen mit Patti und Jay Johnson, dem Zwillingsbruder von Andys Partner Jeb Johnson.» Jay und Corey waren dann der Grund für noch einen Zwischenfall: «Yves und Pierre nahmen uns mit ins Chez Minou. Jay hatte zu viele Pillen genommen, wurde plötzlich ohnmächtig und brach am Tisch zusammen. Yves und Pierre hatten Angst vor großem Aufsehen, sind sofort mit uns raus und haben uns nach Hause gebracht. Von da an dachten sie bestimmt: Die sind ein bisschen riskant für uns.» Aber das war egal. Die kleinen Skandale machten die Amerikaner nur noch spannender. «Pierre und Yves mochten es auch, wie ich Donna und Jane Forth schminkte», sagt Corey. Und weil sie Make-up und Parfum mit der amerikanischen Firma Charles of the Ritz herausbrachten, engagierten sie Corey als Berater. «Ich wurde zum Beispiel nach New York in die Zentrale von Charles of the Ritz geschickt, um dort die neuen Looks zu erklären. Pierre und Yves wollten es internatio­ naler haben, mehr Hautfarben, mehr Diversität.» Das war schon deswegen ein wichtiger Job, weil die Beauty-Produkte das defizitäre Couture-Geschäft von Yves Saint Laurent ausglichen. Offenbar war Yves zufrieden: Er verpflichtete Corey, der gut aussah, sogar als ­Model für die erste Schau seiner neuen Herrenkollektion. 166

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Immer stand Yves Saint Laurent im Mittelpunkt. Coco Chanel starb 1971, Cristóbal Balenciaga 1972, Elsa Schiaparelli 1973 – also gab er nun der Pariser Mode ein Gesicht. Mit dem neuen Haus samt riesigem Garten in der Rue de Babylone 55, das Yves und sein Partner seit 1972 bewohnten, hatten sie sich auch das repräsentative Am­ biente für staatstragende Auftritte geschaffen. Karl Lagerfeld ließ sich natürlich nichts anmerken. Er spürte die wachsende Bedeutung seines ewigen Widersachers. Und je näher seine amerikanischen Freunde dem Saint-Laurent-Universum kamen, umso weiter entfernten sie sich aus seiner Umlaufbahn. Dann trat auch noch Jacques de Bascher in sein Leben. «Im Sommer 1972 kam er eines Tages nach Saint-Tropez», sagt Corey Grant Tippin. «Er war sehr jung und noch nicht richtig in Karls Welt angekommen. Er war nervig und bekam viel Aufmerksamkeit von Karl. Jacques war nicht cool. Er war konservativ gekleidet, wie von einem besseren Internat, wie ein Verbindungsstudent.» Schon vom Stil her war ihnen der Franzose fremd, der viel auf seine adelige Herkunft gab. «Er schaute, wie wir uns kleideten, und machte uns nach.» Den Amerikanern schien er nicht einmal attraktiv. Aber warum zog ­Jacques, der in dem Sommer erst 21 Jahre alt wurde, so viele vor ­allem ältere Franzosen an? «Sie fühlten sich als Schwule mit ihm w ­ eniger schuldig, denn er hatte eine gute Herkunft, er war kein Stricher, den man sich an einem Pissoir holte», meint Corey Grant ­Tippin. «Und für Karl war er wie ein neues Projekt. Er war gebildet, er war jung, er sah gut aus, man konnte ihn zu jeder Dinner-Party mitnehmen.» Karl Lagerfelds Freundschaft mit den Amerikanern versandete langsam am Strand von Saint-Tropez. Juan Ramos hatte seit 1972 ­einen neuen Freund, den Maler Paul Caranicas  – und den konnte Karl nicht leiden. «Er war eifersüchtig auf meine Beziehung mit Juan, und er war wütend, dass sich Juan und Antonio langsam von ihm entfernten», sagt Caranicas. Er fand den Modeschöpfer oberflächlich und unsympathisch: «Karl war sehr unsicher und neidisch auf die ­Talente anderer Leute. Wenn wir zum Beispiel über meine Arbeiten redeten, reagierte er einfach nur abschätzig.»154 Die Amerikaner machten es Lagerfeld leicht, sie nicht mehr zu mögen. «Antonio und Juan nahmen zum Beispiel seine Anrufe nicht Amerikaner

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an», sagt Paul Caranicas. «Und wir alle machten uns lustig über seine lächerlichen sprachlichen und gestischen Manierismen.» Aus nichtigem Anlass kam es im Sommer 1972 in Saint-Tropez zum Streit. Alle waren betrunken, und Elisabeth Lagerfelds Aluminiumstuhl landete im Pool. «Sie war aufgebracht, und Karl machte Paul dafür verantwortlich», erzählt Corey Grant Tippin. Dabei hatte nach Paul Caranicas’ Erinnerung Jacques de Bascher den Stuhl ins Wasser geworfen. Hatte Jacques die Schuld auf Paul geschoben, um Karl noch weiter von den Amerikanern wegzubringen? Jedenfalls war es der letzte Sommer, den Karl mit ihnen in Saint-Tropez verbrachte. Denn nach dem Pool-Streit ging es gleich weiter. Juan und Paul unterhielten sich im Bad über Karl, draußen konnte man jedes Wort hören – und draußen stand Karl. Er wurde so wütend, dass er sie auf der Stelle rauswarf. «Er hat das alles nicht vergessen», sagt Corey Grant Tippin, «bis zum Schluss nicht.» Ein weiterer Grund für wachsende Fliehkräfte war Paloma Picasso. Im Sommer 1973 brachte Karl sie mit an die Plage de Tahiti. Die uneheliche Tochter von Pablo Picasso, der wenige Monate zuvor, am 8. April 1973, gestorben war, gehörte schnell zu «Antonio’s People».155 Die Schmuckdesignerin mit den streng zurückgekämmten dunklen Haaren, dem Frida-Kahlo-Blick und dem schönen Namen wurde auch für Karl und seinen Freund Helmut Newton zur Muse. Aber wiederum nur halb  – denn natürlich arbeitete Yves Saint Laurent schon mit ihr zusammen. Trotzdem gingen sie alle noch oft aus, in wechselnder Zusammensetzung. Sei es an Karls fünfunddreißigstem  – also vierzigstem  – ­Geburtstag am 10. September 1973 im La Coupole, sei es bei einer Andy-Warhol-Vernissage am 22. Februar 1974 oder bei einem Cocktail zu Ehren des Künstlers drei Tage später in der Rue de Babylone: Paloma, Yves, Pierre, Clara Saint, Jacques, Thadée, Karl, alle gemeinsam auf den Fotos von Philippe Heurtault. Auf einem Bild legt Yves den Arm freundschaftlich über Karls Schulter. Aber schon solche ­jovialen Umgangsformen mussten Lagerfeld widerstreben, denn sie signalisierten Herablassung. «Das Kernproblem: Yves und Pierre respektierten Karls Mode nicht», sagt Ariel de Ravenel, die mit beiden Cliquen befreundet war. «Und Karl spürte das.»156 168

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Zum Austragungsort der Freundfeindschaft wurde vor allem das Le Sept. Schon weil auch Yves mit seinen Musen Loulou de la Falaise und Betty Catroux oben beim Essen saß, nicht zu vergessen den sauertöpfischen Pierre Bergé, hatte Karls Clan dort legendäre Auftritte, und zwar unten, auf der Tanzfläche. Renate Zatsch, die schmale Schönheit vom Rhein, genoss ihre neuen Freiheiten, Donna Jordan, der blasse Star mit der Zahnlücke, tanzte nackt auf dem Tisch, Karl Lagerfeld, der Voyeur, amüsierte sich über die lustige Performance, und Antonio Lopez, der nimmermüde Schmeichler, gewann Jerry Hall für sich. Die Texanerin mit den langen Beinen und dem wallenden blonden Haar machte er zum Model der Stunde. Antonio und Jerry verlobten sich, als sie 1975 für die britische «Vogue» mit dem Fotografen Norman Parkinson und der Stylistin Grace Coddington in Jamaika ein Modeshooting machten. Lange hielten sie es aber nicht miteinander aus. Bald zog Jerry Hall zu Bryan Ferry weiter und dann zu Mick Jagger. Langsam löste sich auch die Gruppe auf. Donna und Corey verschwanden so plötzlich, wie sie erschienen waren. Antonio und Juan kehrten Ende 1975 nach New York zurück. Zwar sahen sie Karl in den folgenden Jahren dort noch. Das Ende aber war bitter. Anfang der achtziger Jahre erfuhr Antonio Lopez, dass er an Aids litt. Weil er Geld für die Behandlungen benötigte, fragte er Lagerfeld, ob er für ihn gegen Honorar Anzeigenmotive zeichnen könne. Nach der Erinnerung von Antonios Freund Bill Cunningham fragte Lagerfeld daraufhin zurück: «Aber was ist, mein Lieber, wenn Du mittendrin krank wirst und es nicht mehr beenden kannst?»157 Paul Caranicas hörte das Telefonat mit: «Antonio war danach am Boden zerstört.» Und als Lagerfeld Anfang der Achtziger mit seiner Chloé-Assistentin Rosemarie Le Gallais mal wieder im The Pierre an der Fifth ­Avenue abgestiegen war, lag dort ein Brief für ihn, den er ihr zu lesen gab. Darin bat Antonio ihn um Geld. Le Gallais sagte: «Du musst dem Mann doch helfen.» Aber Lagerfeld legte den Brief einfach weg.158 Antonio wartete vergebens auf Antwort und wendete sich schließlich an den New Yorker Designer Oscar de la Renta: «Könnte ich eine Kampagne für euch machen? Aber vielleicht kann ich sie nicht mehr beenden.» Die Antwort: «Ja. Mach einfach, was Du Amerikaner

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schaffst.»159 War das Gefühlskälte? War das die Rache an den Amerikanern, die sich so oft über ihn lustig gemacht hatten? Oder wollte er Krankheit und Tod wieder einmal verdrängen? «Sich mit Antonio zu beschäftigen», sagt sein damaliger Assistent Eric Wright, «das hätte ihn dazu gezwungen, sich noch früher mit Jacques’ Krankheit zu konfrontieren, der damals schon von seiner Infektion wusste. Das hätte diese Krankheit für ihn zu einer Realität gemacht.»160 Und diese Realität blendete er lieber aus. Am 17. März 1987 starb Antonio Lopez, erst 44 Jahre alt, an den Folgen der Immunschwächekrankheit. Nur wenige Wochen zuvor, am 22. Februar 1987, war Andy Warhol in New York an Komplikationen einer Gallenblasenoperation gestorben. Lagerfeld hatte von ihm gelernt, dass ein unverwechselbarer Look einen Menschen zu einer Ikone machen kann und dass Künstlerkollektive wunderbare Anregungen hervorbringen können. «Karl Lagerfeld erinnerte mich an Andy Warhol», schreibt Wolfgang Joop, der ihn Mitte der siebziger Jahre kennenlernte. «Waren nicht beide umgeben von einer Gang, die all die Exzesse an ihrer Stelle lebte und sie gleichzeitig wie Bodyguards vor sich selbst beschützte? Für beide Künstler war die Nüchternheit der Weg zu ihrer Kunst, die dem Sichtbaren, dem Oberflächlichen, ja ‹Unpersönlichen› Achtung und Respekt verschaffte.»161 Karl Lagerfeld, der selbst ein Original sein wollte, stritt aber Ähnlichkeiten mit dem Künstler immer ab: «Zunächst mal bin ich besser frisiert», sagte er 2007. «Und er übte Druck auf Leute aus. Ich dränge niemanden.»162

Jacques Das erste Mal sah er Karl Anfang der siebziger Jahre im La Coupole. Jacques de Bascher saß in der Brasserie in Montparnasse, als der ­Modeschöpfer mit seinen Freunden hereinkam, unter anderen mit Antonio, Juan, Donna, Pat, Eija und Kenzo, dem aus Japan stammenden jungen Modemacher, der schnell zu einem Star wurde in der ­Pariser Mode. Als sie hereinplatzten, so erinnerte sich Jacques einige Jahre später, herrschte im ganzen Lokal «eine andächtige Stille».163 170

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Das lag vor allem an Karl, der schon damals in beträchtliches Selbstbewusstsein gekleidet war. In diesem verlängerten Moment, schreibt Alicia Drake, «sah Jacques eine Gruppe von Leuten, die das Leben lebten, nach dem er sich so sehnte». Bald sehnten sich viele Menschen nach dem Leben, das Jacques führte. Denn dieser Dandy aus altem französischen Adel wurde Karls Lebenspartner. Lagerfeld mochte den jungen Mann, weil der ihn «amüsierte»: «Ich bewunderte seine Lässigkeit und die fast zynische Abwesenheit jedes beruflichen Ehrgeizes. Er hat nie etwas gelernt. ‹Ich werde jung sterben›, sagte er, ‹warum soll ich mich anstrengen?›»164 Gegensätze ziehen sich offenbar an. «Niemand war so verschieden von mir», sagte Lagerfeld über die Liebe seines Lebens. «Leute, die wie ich sind, kann ich nicht ausstehen.» Auf paradoxe Art waren also der arbeitsbesessene Deutsche und der dekadente Franzose ein Traumpaar. «Mit Jacques», so Lagerfeld, «das passte zusammen.»165 Jacques de Bascher stammte aus einer Familie, die ihren Adelstitel im Jahr 1818 von Louis  XVIII. bekommen hatte für ihre Unterstützung bei der Rückkehr der Monarchie. Jacques mochte diese Geschichte und kokettierte gern damit, dass seine Familie als Teil der royalistisch-katholischen Gegenrevolution im blutigen Aufstand der Vendée gegen Truppen der Ersten Französischen Republik (1793 bis 1796) gekämpft hatte. In seinem Snobismus gefiel er sich auch darin, seinem Namen einen wohlklingenden Zusatz zu verleihen, den sonst niemand in seiner Familie trug: Er nannte sich Jacques de Bascher de Beaumarchais.166 Die Pariser Gesellschaft machte sich später lustig über den wichtigtuerischen Namen und verballhornte ihn zu «de pas cher de bon marché»: «von nicht teuer von billig».167 Geboren wurde Jacques de Bascher am 8. Juli 1951 in Saigon. Sein Vater war Gouverneur einer vietnamesischen Provinz. Als Antony de Bascher 1953 den Staatsdienst quittierte, um in Kambodscha für Shell zu arbeiten, schickte das Ehepaar die drei älteren Schwestern Gon­ zalve (geboren 1943), Elisabeth (1944) und Anne (1946) nach Frankreich ins Internat, während Antony und seine Frau Armelle de Bascher mit den Jüngeren, Jacques und Xavier, in Kambodscha blieben. Erst 1955 zogen sie gemeinsam in den feinen Pariser Vorort Neuilly-surSeine, wo sie am Boulevard du Commandant Charcot am Bois de Jacques

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Boulogne lebten. Antony de Bascher arbeitete als Geschäftsführer der Versicherungsabteilung von Shell, seine Frau Armelle zog die fünf Kinder auf. Die Sommer verbrachten sie gemeinsam im familieneigenen Château de la Berrière bei Nantes – keine 100 Kilometer entfernt von Grand-Champ, wo sich Karl Lagerfeld Mitte der siebziger Jahre ein Schloss zulegen sollte. Jacques hatte wenig Lust auf die Schule. Er wechselte vom Lycée Pasteur in Neuilly auf das Lycée Janson de Sailly im 16. Pariser Stadtbezirk und dann auf das Lycée Charlemagne im Marais, das schon Schriftsteller wie Honoré de Balzac und Victor Hugo besucht hatten. Die Lehrer beklagten sich in vielen Fächern über den Jungen. Geschichte: «Er macht sich bemerkbar, aber leider nicht durch seine ­Arbeit.» Deutsch: Sein Benehmen sei «untragbar». Mathematik: «res­ pektlos und macht nichts».168 Akademischer und beruflicher Ehrgeiz fehlten ihm. Dafür war er schon als junger Mann verführerisch. Er sah gut aus, wirkte traumverloren und kleidete sich wie ein Dandy. Am Lycée Janson de Sailly hatte er eine Beziehung mit seinem Englischlehrer. Auch bei der ­Marine schaffte er es, einige Matrosen zu «bekehren».169 Nach dem Einsatz auf hoher See arbeitete er im Marineministerium, 1971 nahm er vorübergehend ein Jurastudium auf. Aber mehr Energie steckte er in die Befriedigung seiner und anderer Bedürfnisse – sei es bei seinen Eroberungszügen im Café de Flore, in den Nächten im Le Sept oder auch im Schutz der Eibenhecken-Labyrinthe im Jardin du Carrousel, zwischen dem Louvre und den Tuilerien, wo sich seit dem 18. Jahrhundert und bis heute heimlich Männer treffen. So ausschweifend ging er seinen Vergnügungen nach, dass ihm sein jüngerer Bruder ­Xavier im November 1971 in einem bitteren Brief seinen Narzissmus vorwarf.170 Ob das womöglich Wirkung hatte? Jedenfalls ging ­Jacques de Bascher 1972 zum ersten und letzten Mal einem regulären Beruf nach  – als Steward bei Air France, aber auch nur vorübergehend. Die Veränderungen durch die «soixante-huitards», die Achtundsechziger, rüttelten auch an dieser großbürgerlichen Familie. Anne de Bascher, seine ältere Schwester, gehörte zu den Feministinnen, die am 5. April 1971 im «Nouvel Observateur» das von Simone de Beauvoir 172

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Zu Ehren von Andy Warhol: Jacques de Bascher, Karl Lagerfeld, Clara Saint und Fred Hughes sind im Februar 1974 zu einem Empfang in der Wohnung von Yves Saint Laurent an der Rue de Babylone eingeladen.

angeregte «Manifeste des 343» unterzeichneten.171 Die 343 Frauen, unter ihnen Catherine Deneuve und Jeanne Moreau, bekannten, dass sie abgetrieben hatten – und forderten eine liberalere Gesetzgebung, die schließlich 1975 mit dem «Loi Veil» auch Erfolg hatte, dem von Gesundheitsministerin Simone Veil errungenen Gesetz, das die Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen aufhob. Der ZeitschriftenTitel war das Vorbild für Alice Schwarzer und ihre Aktion «Wir ­haben abgetrieben!», die am 6. Juni 1971 im «Stern» erschien und in Deutschland zu einer erbitterten Debatte über den Paragrafen  218 des Strafgesetzbuches führte. Zum Ärger von Anne de Bascher gingen solche emanzipativen Bewegungen ihren Bruder nicht viel an. Schließlich musste er sich um seinen persönlichen Stil kümmern, einen so originellen wie gewagten Mix: «Er machte Anleihen bei den Filmstars der dreißiger Jahre und den dekadenten französischen Dandys der Belle Époque, aber auch bei einem Exzentriker wie Ludwig II. von Bayern, den Helmut Berger in Viscontis Film so unvergleichlich darstellt», schreibt der Kultur­ Jacques

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historiker Günter Erbe.172 Jacques de Bascher war auf seine Weise faszinierend: Er war provozierend dekadent, seltsam altmodisch, «leicht diabolisch», wie Wolfgang Joop meint.173 Das waren Eigenschaften, die Lagerfeld gefielen, der des popmodernen Stils der Amerikaner langsam überdrüssig wurde. Sie trafen sich 1972 per Zufall im Nuage, einem kleinen Club, in dem der kubanische DJ Guy Cuevas auflegte, der später im Le Sept legendär werden sollte. Das Nuage gehörte dem Impresario Gérald Nanty, den Lagerfeld über den Modeschöpfer Valentino Garavani kannte. Jacques kam auf Karl zu und sprach ihn an. Der Einundzwanzigjährige, der sich in vielen Outfits gefiel, trug an dem Abend eine Tiroler Tracht – die den Siebenunddreißigjährigen an seine jungen Jahre erinnern musste, in denen er Lederhosen und Tirolerhüte trug. Sie redeten die ganze Nacht, bis um fünf Uhr am Morgen.174 Nun änderte sich der Lebensstil des Lebemanns. Lagerfeld ging mit ihm zu seinen liebsten italienischen Schneidern, Cifonelli und ­Caraceni, und ließ für ihn maßgeschneiderte Anzüge und Hemden fertigen. «Wir wollten Kleidung tragen, die andere nicht hatten, Hemden mit Drucken, die ich geschaffen hatte», sagte der Modeschöpfer später.175 Und statt mit dem Citroën 2CV, der «Ente» seiner Familie, fuhr Jacques nun mit Lagerfelds Rolls-Royce oder Bentley umher. Thadée Klossowski de Rola nannte sie bald in seinem Tagebuch im Plural «les Lagerfeld».176 Die etwa 17 Jahre Beziehung, die nun folgten, kann man sich nicht seltsam genug vorstellen: Die beiden gingen miteinander aus, liebten die freie und lockere Rede, erfreuten sich gegenseitig mit Ideen, Anekdoten und Gerüchten. Aber sie schliefen nicht miteinander. Sex will Lagerfeld mit seinem Lebenspartner nie gehabt haben.177 Als Karin Joop-Metz ihn fragte, ob Jacques sein Geliebter sei, sagte er: «Die Jungs sind amüsant, aber wenn sie Sex wollen, sag ich zu ­ihnen: Stellt euch vor die Kasernen! Lässt du die Jungs zu nahe an dich heran, machen sie dich kaputt.»178 Und als ihn seine alte Freundin Victoire Doutreleau fragte, ob er mit Jacques geschlafen habe, sagte er: «Bist Du verrückt? Nie! Überhaupt nie mit einem Mann. Es ist mir egal.»179 Andererseits behauptete er 1978: «Ich habe beides zur Genüge ausprobiert.»180 Aber Liebe und Sexualität gehörten für 174

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ihn nicht zusammen. Auf die Frage, ob er wirklich gesagt habe, dass er mit niemandem schlafe, den er liebe, antwortete er: «Das ist doch das beste, was man machen kann.»181 Vielleicht behauptete er das aber auch nur, um seine Privatsphäre zu schützen, um sein distanziertes Image aufrechtzuerhalten oder um den jungen Gott Jacques nicht durch schnöde Körperlichkeit zu vermenschlichen. Schließlich waren auch die schönen Männermodels, mit denen er sich in späten Jahren umgab, wie Baptiste Giabiconi oder Brad Kroenig, für ihn vor allem ästhetische Ideale. Lagerfelds langjährige Freundin Patricia Riekel kleidet es höflich in die Worte: «Er war sich alleine genug.»182 Die beiden lebten nie zusammen. Lagerfeld brauchte das Alleinsein, um produktiv zu sein und zu lesen, de Bascher brauchte die freie Zeit, um weiter seinen Eroberungen nachzugehen. Er ging schon deshalb viel aus, weil seine 30-Quadratmeter-Wohnung an der Rue de Dragon gleich um die Ecke vom Boulevard Saint-Germain lag, wo die Cafés und Brasserien ein Essen und einen Nachtisch versprachen. ­Wegen seines großzügigen Partners mangelte es ihm an nichts. Schon vor Mittag gönnte er sich zuweilen eine Linie Kokain und einen doppelten Scotch.183 Und er dachte sich Mitte der siebziger Jahre auch nicht viel dabei, seinen jungen Freund Marc Rioufol an harte Drogen zu gewöhnen: «Haschisch ist für Arme.»184 Rioufol wurde schwer abhängig, zerbrach trotz vieler Therapien an seinen Süchten und beging Jahrzehnte später Selbstmord. Karl Lagerfeld sah über vieles hinweg oder tat zumindest so. «Er hat sich zurückgelehnt und dieses böse Kind geliebt», sagt Wolfgang Joop. «Dass da jemand ‹unmöglich› war, wie er das nannte, das war für ihn phantastisch.»185 Es schien ihm nichts auszumachen, dass sein Freund Sex mit anderen Männern hatte. Aber als Jacques mit einer Freundin im Rolls-Royce an Schulen vorfuhr, wo sie sich Jungen in den Fond des Wagens holte, um sie zu Champagner und mehr zu ­verführen – da sagte Lagerfeld nach der Erinnerung von de Baschers Freund Philippe Heurtault: «Ich höre auf zu zahlen.»186 Überhaupt gingen die beiden hart, aber herzlich miteinander um. Jacques nannte ihn auch mal «sale boche» («dreckiger Deutscher»). «Das Geld war schön für Jacques, aber er war wie in einem goldenen Käfig», sagt Jacques

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Heurtault. «Und Jacques bekam nur das, was Karl ihm zugestand, nicht unbedingt das, was er haben wollte.»187 Auch mochte es Lagerfeld nicht, wenn Jacques Frauen verführte. Aber der Don Juan, der die Eroberung mindestens so liebte wie den Vollzug, überwand wie in einem Rausch alle Geschlechter-, Altersund Schamgrenzen. So richtig kompliziert wurde es mal wieder durch Yves Saint Laurent. Der Modemacher war nun schon so lange mit ­Pierre Bergé zusammen, auch geschäftlich, dass sich die Beziehung abnutzte. Mit dem Bild von Jeanloup Sieff, auf dem Saint Laurent 1971 nackt für Pour Homme warb, seinen ersten Herrenduft, wurde er in der Schwulenszene zum Idol. Und nun hatte es der schüchtern wirkende, aber ungemein hartnäckige Modemacher auf den jungen Dandy aus altem Adel abgesehen. Womöglich auch deshalb, weil ­Jacques mit Lagerfeld zusammen war? Clara Saint als Mittelsfrau lud Jacques de Bascher im April 1973 zu einer Modenschau im Atelier an der Rue Spontini ein. Yves war entflammt. Er schenkte Jacques immer wieder Sträuße vom Blumenladen Lachaume, bis man nach Heurtaults Erinnerung die Wohnung vor lauter Blumen kaum noch betreten konnte. Die beiden hatten nun eine Affäre, die in jedem Wortsinn gefährlich war. Der Modeschöpfer mit dem Hang zum Masochismus ließ sich von dem jungen Mann in sexuellen Spielen demütigen, in den Schrank einschließen und zur Luststeigerung fast ersticken.188 «Diese sadomasochistischen Praktiken gingen nicht von Jacques aus, Yves verlangte danach», behauptet Philippe Heurtault, Jacques’ bester heterosexueller Freund, der schon mit ihm bei der Marine ­gewesen war. Jacques habe gesagt: «Du kannst Dir nicht vorstellen, was er von mir verlangte. Ich habe es schließlich gemacht.» Saint Laurent sei fast doppelt so alt gewesen, sagt Heurtault: «Das war doch seine Wahl. Aber er war eben verrückt nach Jacques.» Heurtault, der viele Gespräche an dem zweiten Hörer von Jacques’ Telefon verfolgte und sogar aufnahm, berichtet, Yves habe eines Tages angerufen und flehentlich gesagt: «Ich drehe durch. Die Kollektion ist in drei Wochen, aber ich kriege nichts hin.» Karin Joop-Metz hingegen erinnert sich, dass Jacques zu ihr sagte: «Ich habe Saint Laurent wirklich geliebt. Ich hätte ihn retten können.»189 Lagerfelds Meinung über 176

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seinen Konkurrenten kam Wolfgang Joop daher logisch vor: «Karl schimpfte über Yves wie eine Concierge.» Pierre Bergé bemerkte, wie sein Lebens- und Geschäftspartner abdriftete. «Ihr trefft diesen schrecklichen Menschen nicht mehr», befahl er Yves und seinen Freunden. An einem Abend im Le Sept blaffte er Lagerfeld an: «Halte Deine kleine Nutte fern!» Lagerfeld retournierte: «Yves ist nicht Dein Besitz!»190 Bergé rief im Herbst 1975 auch in der Rue du Dragon an und sagte nach Heurtaults Erinnerung zu Jacques: «Wenn Du nicht aufhörst mit ihm, werde ich alles unternehmen.» Jacques fragte: «Wirklich alles?» Und Pierre sagte: «Ja, ­alles.»191 Nun bekam Jacques wirklich Angst. Sein Kokainkonsum zog ohnehin paranoide Wahnvorstellungen nach sich – durch Pierre Bergé wurden sie nur noch schlimmer. Immerhin wohnte Jacques bald fürstlicher. Er zog in Karls alte Wohnung an der Place Saint-Sulpice 6. Das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert stammt von dem Architekten, der auch die Kirche Saint-Sulpice gebaut hatte, auf die man durch die hohen Fenster blickt. Lagerfeld war an den schönen Platz gezogen, weil seine Mutter sich in der Wohnung an der Rue de l’Université nicht wohl fühlte. Auch er selbst glaubte, auf dem Apartment liege ein Fluch – nicht wegen des Warhol-Films, den sie dort gedreht hatten, sondern wegen einer Erscheinung. Lagerfeld, der einen Sinn fürs Übersinnliche hatte, erzählte der Tochter seiner Kusine Tita, dass in der Wohnung immer wieder das Gespenst einer Dame erschien, die dort einst gewohnt hatte. Sie sei den Flur entlanggegangen oder habe in der Küche am Ende des Flurs gesessen.192 «Alle, die nach mir dort gewohnt haben», so schrieb er später über die Wohnung, «sind darin auf mysteriöse Weise gestorben.»193 In dem riesigen Apartment an der Place Saint-Sulpice, das nicht verhext zu sein schien, konnte Lagerfeld seit 1973 seine Leidenschaft für den Jugendstil noch besser ausleben – mit Kunstwerken und Einrichtungsgegenständen aus den zwanziger Jahren. Aber auch davon hatte er bald genug, als nämlich seine Liebe fürs 18. Jahrhundert ihn zurück an die Rue de l’Université trieb, aber in die Nummer 51, das Stadtpalais Pozzo di Borgo. Nun nutzte Jacques die Wohnung an der Place Saint-Sulpice für zweifelhafte Partys. So richtete er 1976 zu Jacques

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­Ehren des ehemaligen Fremdenlegionärs und Front-National-Mitglieds Jean-Claude Poulet-Dachary eine Feier aus. Eine Harley-David­ son Sportster  1200 stand mitten im Raum. Lagerfeld hatte Jacques das Motorrad geschenkt, aber ihm nach einem Unfall verboten, weiter damit zu fahren.194 Daher wurde die Harley nun zu einem praktischen Einrichtungsgegenstand: Jacques hatte für die Feier die Seitenspiegel des Motorrads nach oben gedreht, Kokain auf die Spiegel gehäuft und netterweise auch Rasierklingen und Strohhalme dazugelegt, so dass sich die Partygäste gleich bedienen konnten.195 Die Wohnung bot viel Platz, mehr als 350 Quadratmeter, so dass sich Philippe Heurtault dort ein kleines Fotolabor einrichten durfte, in dem er seine Bilder entwickelte. Eines Abends klingelte Yves Saint Laurent. Jacques wollte nicht öffnen. Aber Yves klingelte weiter, rief und machte Lärm, so dass Jacques die Tür schließlich doch aufmachte. Heurtault beobachtete durch einen Türschlitz aus dem Nebenzimmer, wie der betrunkene Yves vor Jacques auf die Knie ging: «Bitte, bitte! Tu, was Du willst! Ich liebe Dich!» Aber Jacques erwiderte: «Bitte, geh, geh, geh! Ich will nicht sterben!» Er schob Yves hinaus, aber die Anwohner hatten sich schon beschwert, die Polizei kam, und der ­Modeschöpfer musste die Nacht auf der Wache verbringen. Die beiden Clans versuchten trotzdem, sich zu beherrschen. Bei der Party am 25. Februar 1974 an der Rue de Babylone sah man sie alle zusammen: Lagerfeld, de Bascher, Saint Laurent, Bergé, und alle sind aufgeräumter Stimmung oder täuschen es zumindest vor. Nur ­eines der Fotos, die Philippe Heurtault machte, ist verräterisch: David Hockney, der Jacques de Bascher bald in tagelangen Sitzungen zeichnen sollte, steht brav links im Bild, als würde er nichts ahnen, de ­Bascher, mit Glas in der Hand, scheint etwas zu erzählen, und Saint Laurent stiert ihn so intensiv an, dass man Angst bekommen könnte. Er war an dem Abend so betrunken, dass er immer wieder faselte, er sei ein Paria, ein Ausgestoßener,196 und dass er einen der NarwalZähne im Eingang der Wohnung umriss, als er zusammenbrach.197 Sei es der dauernde Zorn Pierre Bergés, sei es das unterwürfige Verhalten Yves Saint Laurents, sei es Jacques de Baschers Abenteuerlust, sei es Karl Lagerfelds Regie – die Affäre von Yves und Jacques hatte noch 1975 ein Ende. 178

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Mit starrem Blick: Yves Saint Laurent hat nur noch Augen für Jacques de Bascher, Künstler David Hockney und Andy-Warhol-Muse Nicky Weymouth sehen es lockerer.

Jacques war künstlerisch interessiert, sah gerne Filme und hatte an Andy Warhol beobachtet, wie man den Alltag in Kunst verwandelt. Daher war er prädestiniert für Lagerfelds Idee, 1977 einen Werbefilm für die erste Modekollektion des Pelzhauses Fendi zu drehen. Er schrieb das Drehbuch und führte Regie bei «Histoire d’Eau», dem ersten Mode-Werbefilm überhaupt. Darin schreibt die junge Amerikanerin Suzy aus Rom Postkarten an ihre Mutter in New York, gibt aber vor, sie sei in Baden-Baden. Sie schreibt, das Wetter sei schlecht, sie hätte sich besser Pelze mitgenommen, sie freue sich auf die Kur, und sie habe sich eine Katze namens Karl gekauft. In Wirklichkeit ­badet sie in den Brunnen der Stadt, fotografiert sie und geht zu Fendi, um sich Pelze auszusuchen. Zum Hinweis «End» am Ende tritt von links ein «F» und von rechts ein «I», so dass das Wort «Fendi» entsteht. Die spielerische Leichtigkeit der Regiearbeit mit den vielen witzigen Bezügen nahm Lagerfeld viel später auf, lange nach dem Tod sei­nes Lebenspartners – indem er 2013 das Buch «The Glory of Water» her­ ausgab, mit seinen eigenen Brunnenfotos aus Rom. «Histoire d’Eau», das ist eine Anspielung auf «Histoire d’O» («Geschichte der O»), den Jacques

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erotischen Roman von Anne Desclos aus dem Jahr 1954, ­eines der ­bekanntesten sadomasochistischen Werke der Literatur. Beziehungsreich ist der Titel also in jeder Hinsicht: Schließlich unterwirft sich die Frau hier dem Konsum. «Die Dreh­arbeiten müssen schlimm gewesen sein», sagte Karl Lagerfeld.198 ­ Jacques habe jeden Tag  17 oder 18 Stunden an dem Film gearbeitet. Aber immerhin hatte er, finanziert von Fendi, unterstützt von einem Kameramann Federico Fellinis, gerade das Genre des Modefilms erfunden, dem Tausende von Werken und Machwerken folgen sollten. Und er hatte einen Freund, der ihm alle Türen öffnen konnte. Aber für Arbeit war Jacques nicht geschaffen. Lagerfeld war das wohl egal, denn als Décadent ­gefiel er ihm besser. Und der Dekadenz gab sich Jacques de Bascher nun wirklich hin. Die Befreiung der Schwulen feierte er weiter, bis zur vollkommenen Entgrenzung. Was im Le Sept an der Rue Saint-Anne noch fast unschuldig begonnen hatte, wurde nun verschärft fortgesetzt. Am 24. Oktober 1977 lud er mit Xavier de Castella, dem Partner von Kenzo, zu einem «Moratoire Noir» ins Main bleue, «zu Ehren von Karl Lagerfeld». Das war schon vorab ein Skandal, weil man hörte, der Abend solle auch eine Hommage an den RAF-Terroristen ­Andreas Baader sein, der wenige Tage zuvor, am 18. Oktober 1977, in seiner Zelle in Stuttgart-Stammheim Selbstmord begangen hatte.199 Davon war zwar an dem Abend nichts zu bemerken, aber die Männer in Ledermasken und in Wehrmachtsuniformen, die Fetischausstattungen und der Sex auf offener Bühne – «très hard», wie Kenzo über diese düstere Party später sagte.200 Lagerfeld zahlte für alles und freute sich über den Flirt mit dem Risiko. Dagegen war sein eigener «Venetian Ball» am 12. April 1978 nach dem Vorbild von Truman Capotes venezianischen Festen noch regelrecht harmlos. Er lud ins sechs Wochen zuvor eröffnete Le Palace, das Fabrice Emaer als Pariser Gegenstück zum legendären New Yorker Club Studio  54 gegründet hatte und sogleich von Amanda Lear in ­ihrem Disco-Hit «Fashion Pack» besungen wurde: «In Paris you got to be seen at Maxim’s / The Palace / The 7 and then go Chez Regine / Champagne / Caviar / Haute-coututer / Expensive cars / Saint Laurent and Loulou / Rich ladies with a few bijoux». Im Vergleich zu 180

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Nur Andy Warhol verkleidete sich nicht: Nach dem Vorbild von Truman Capote feierte Lagerfeld (in der Mitte, mit Dreispitz) 1978 im Le Palace einen venezianischen Ball, unter anderem mit Paloma Picasso (im schulterfreien Kleid).

Nächten, die noch kommen sollten, fand nun ein zivilisierter Maskenball statt: Jacques de Bascher kam als Rialtobrücke, die «Vogue»Redakteurin Anna Piaggi mit einem Tablett mit frischem Fisch als Hut, Paloma Picasso mit den Buchstaben V, E, N, I, S, E an langen Stangen im Haar, Karl Lagerfeld mit Dreispitz, Andy Warhol mit – Perücke. Paris und New York waren in den siebziger Jahren die besten Orte für absolute Freizügigkeit. Wenn Karl und Jacques nach New York flogen, landeten sie im Studio 54. Während Lagerfeld früh ins Hotel Pierre an der Fifth Avenue zurückkehrte, zog Jacques weiter in ausgefallene Clubs. Eines Tages verließen Rose­marie Le Gallais und Lagerfeld morgens ihre Suiten, um zum ersten Geschäftstermin zu ­eilen – und Jacques kam ihnen von seinem nächtlichen Ausflug entgegen.201 Der Preis für all die Affären, Gang-Bang-Partys und sadomasochistischen Praktiken war der Tod. 1981 wurde in den Vereinigten Jacques

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Staaten eine unbekannte Immunschwächeerkrankung beschrieben. 1982 kamen auch in Europa immer mehr Berichte über die Krankheit auf, die reißerisch «Schwulenseuche» genannt wurde. Forscher des Institut Pasteur in Paris isolierten im Mai 1983 das Virus. Im August 1983 starb als einer der ersten Prominenten der Countertenor Klaus Nomi, der zu Antonio Lopez’ Freunden zählte und sphärische Musik für Chloé-Shows geliefert hatte. Nun schlug die neue Krankheit Aids unerbittlich zu: Michel Foucault starb 1984, Antonio Lopez 1987, Xavier de Castella 1990, Halston 1990, Tina Chow 1992, Rudolf Nurejew 1993, Juan Ramos 1995. Sie alle hatten in den gleichen Clubs verkehrt. Aber als jeder schon von dem tödlichen Risiko redete, als im Le Palace die alten Bekannten nicht mehr erschienen, machten Jacques de Bascher und einige Freunde weiter wie gehabt.202 «Das war nun kein Lifestyle mehr. Sie waren schlicht abhängig von Sex und Drogen», erinnert sich seine Freundin Ariel de Ravenel.203 Und Lagerfeld schrieb viel später: «Wenn man weit gegangen ist, sehr weit, zu weit, ist es schwierig zurückzukehren, manchmal unmöglich.» Es sei herzzerreißend, schrieb er über seine Freunde aus den siebziger Jahren, «dass sie so wenig Zeit hatten, im Fieber dieser beinahe beängstigenden Euphorie zu leben».204 Jacques de Bascher bekam die tödliche Diagnose 1984. Zunächst erzählte er nur seinem Freund davon. Aber bald war seine Schwächung nicht mehr zu übersehen. Er zog sich zurück und ließ die Behandlungen über sich ergehen. Lagerfeld war oft bei ihm, obwohl er Krankheiten, Siechtum und Tod nicht ertragen konnte. 1985 kaufte er ein Haus in Le Mée-sur-Seine bei Fontainebleau, Le Mée genannt, wo sich Jacques erholen sollte – und er selbst auch. 1988 brachte man Jacques ins Krankenhaus Raymond-Poincaré in Garches, westlich von Paris.205 «Karl fuhr jeden Tag zu ihm», erinnert sich sein Assistent Eric Wright.206 Die letzten vier Nächte schlief ­Lagerfeld neben dem Kranken auf einem Feldbett. Als Jacques de B ­ ascher am 3. September 1989 starb, war er bei ihm. Auch in diesen schweren Tagen blieb er stark. «Bald war er wieder im Büro», erinnert sich Lagerfelds Mitarbeiterin Caroline Lebar. «Er war sehr diszipliniert. Er zeigte nicht deshalb keine Gefühle, weil er 182

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keine hatte, sondern weil er sie aus Respekt anderen gegenüber nicht zeigen wollte.»207 Jacques wurde eingeäschert. Gemäß seinem letzten Willen teilte man die Asche auf: Eine Urne bekam seine Mutter, die andere sein Lebensgefährte. Jahrzehnte später sagte Lagerfeld, er bewahre die Asche «mit der meiner Mutter» an einem geheimen Ort auf. «Eines Tages wird man meine hinzufügen.»208 Über die Beziehung zu Jacques sagte Karl Lagerfeld, dass sie einer dieser Zufälle war, «die es vielleicht einmal im Leben gibt». Für «zweitrangigen Ersatz» sei er nicht. «Das Gleiche kann nie wieder existieren und soll auch nie wieder existieren.»209

Deutsche Zwei Freunde im Fahrstuhl im Haus Avenue Montaigne 12, an der feinen Pariser Einkaufsstraße, gegenüber dem Hotel Plaza Athénée. Karl Lagerfeld und Helmut Newton kannten sich im Jahr 1973 schon lange. Beide waren – das gibt es in der Modewelt nicht allzu oft – lustig, geistreich und frech. Sie rissen ihre Witze auf Deutsch und mussten schon deshalb darüber lachen, weil die anderen sie nicht verstanden. Und nun waren sie auf dem Weg hinauf zu einem kleinen Abenteuer. Helmut, der Berliner, sollte Marlene, die Berlinerin, treffen. Karl, der Hamburger, der gerne seine Freunde miteinander bekannt machte, wollte den unternehmungslustigen Fotografen der größten deutschen Diva vorstellen. «Im Fahrstuhl, der uns in der Avenue Montaigne zu Marlenes Wohnung führte, war er aufgeregt wie ein Schuljunge und sprach von der Rolle, die sie für ihn in den erotischen Phantasien seiner erwachenden Sexualität damals in Berlin gespielt hatte.»210 Marlene Dietrich machte selbst die Tür auf. Sie sah grandios aus, fand Lagerfeld. Nun begann ein Gipfeltreffen dreier Deutscher – das am Ende grandios scheiterte. Dabei hätte es das überhaupt nicht geben dürfen: drei deutsche Stars aus Film, Fotografie und Mode. Denn was sollte in diesen populären Künsten schon aus Deutschland kommen? So wunderte sich der britische Interviewer Andrew O’Hagan im Jahr 2015: «Lagerfeld Deutsche

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sprach viel mehr über Deutschland, als ich erwartet hatte.»211 Das war eine typische Reaktion von britischen, amerikanischen oder französischen Interviewern, die sich nicht vorstellen konnten, dass dieser Mann aus Deutschland stammte, zeitlebens Deutscher blieb, viel mit Deutschen zu tun hatte, oft in Deutschland arbeitete und deshalb ­natürlich auch viel über Deutschland sprach. Hätte er über England reden sollen? Kaum jemals hat ein einzelner Mensch die deutsche Kultur so ­intensiv aufgenommen: Karl Lagerfeld las viel deutsche Literatur, sah viele deutsche Filme, vor allem die frühen, beschäftigte sich intensiv mit Gestaltern von Peter Behrens bis Konstantin Grcic, hörte deutsche Musik von Richard Strauss über Lotte Lenya bis Kraftwerk, blätterte Zeitschriften durch von der «Bunten» bis zur «Gala», gab Bücher zur deutschen Literatur, Kulturgeschichte und Fotografie he­ raus, fotografierte für Magazine vom «Stern» bis zur «Vogue», zeichnete für Zeitungen, kannte Intendanten, Museumsdirektoren, Chefredakteure und natürlich viele Schauspielerinnen von Veronica Ferres über Marie Bäumer bis Diane Kruger. Seine besondere Liebe galt dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, also der Zeit, in der die vielen kulturellen Strömungen, die häufig von jüdischen Künstlern geprägt waren, noch nicht durch den ­Nationalsozialismus zerstört worden waren. «Meine Idee von Deutschland entspricht nicht unbedingt der deutschen Realität», sagte er. «Ich denke da eher an das kultivierte Deutschland eines Walther ­Rathenau, an den ‹Simplicissimus› und die deutsche Avantgarde von Bruno Paul und Harry Graf Kessler. Das wäre meine Idee von Deutschland.»212 Wenn Deutschland nach dem Krieg noch so gewesen wäre wie in den zwanziger Jahren, «dann wäre ich nie nach Frankreich gegangen».213 Seine Vorstellung von Deutschland kreiste um das Berlin, in dem Elisabeth Lagerfeld, Helmut Newton und Marlene Dietrich in der wenn auch fragilen Freiheit der Weimarer Republik prägende Jahre erlebt hatten. In Paris erst lernte er sich selbst als Deutschen kennen. Zunächst hatte er sich als junger Mann von seiner Heimat abgesetzt. Als er sich in den fünfziger Jahren in Frankreich einlebte und in den sechziger Jahren Karriere machte, war die Sehnsucht nach Deutschland nicht 184

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besonders groß, wie bei vielen jungen Leuten, die zum Studieren oder Arbeiten in die Welt gehen. Aber je älter er wurde, desto stärker bekannte er sich dazu: «Ich bin im Grunde stinkdeutsch.»214 Er schämte sich auch nicht mehr dafür: Als «Vogue»-Chefredakteurin Carine Roitfeld ihm erzählte, ihr Vater habe Hildegard Knef gemocht, schickte er ihr umgehend einen Stapel mit CDs der Sängerin.215 Vertrautes hilft der Selbstvergewisserung. Er arbeitete oft mit Deutschen zusammen, und die deutsche Kultur liebte er bis in die letzten Ver­ ästelungen: In den achtziger Jahren posierte er in Paris doch wirklich neben einem Weihnachtsbaum, der dick mit silbernem Lametta behängt war. In Marlene Dietrich bündelten sich viele seiner deutschen Vor­ lieben. Die Schauspielerin, 1901 in Berlin geboren, wurde mit dem Film «Der blaue Engel» (1930) berühmt und in Hollywood zu einem der wenigen deutschen Weltstars. Ihr Glamour hatte zwar Patina angesetzt, aber der Berliner Mutterwitz, ihre schneidende Schärfe und der lockere Stil gefielen ihm: «Sie trägt nur Jeans und Männerhemden», sagte er 1973, «aber manchmal bringe ich ihr ein altes Modell im P ­ yjamastil von Chloé mit.»216 Schon damals war sie der Wirklichkeit enthoben. Ihre Wohnung mit Blick auf die Avenue tauschte sie später wegen der hohen Miete gegen eine Wohnung mit Blick nach hinten.217 Aber mit den beiden Männern, die da vor ihr standen, hatte sie viel gemeinsam. «Mit Karl Lagerfeld war es so wie mit Marlene Dietrich: Sie sind über Deutschland hinausgewachsen», sagt Gloria von Thurn und Taxis, die dieses Schicksal offenbar gut nachempfinden kann. «Deutschland war ihnen zu klein.»218 Für Marlene war inzwischen sogar Paris zu klein. Die französische «Vogue», die im Dezember 1973 eine Spezialnummer mit ihr herausbringen wollte, bat den Modeschöpfer daher zu vermitteln. Er hatte ihr Bildbände der beiden Fotografen gezeigt, die für die «Vogue Paris» in Frage kamen. Sie sollte sich einen aussuchen, denn man brauchte frische Aufnahmen. Marlene Dietrich entschied sich gegen Guy Bourdin und für Helmut Newton: «Ich möchte den mal treffen.» – «Gut», sagte Lagerfeld, «ich bringe den mal mit.»219 Helmut Newton war begeistert. Er war 1920 in Berlin geboren worden, musste als Sohn einer jüdischen Knopffabrikantenfamilie Deutsche

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1938 emigrieren, ging nach Australien und freute sich nun auf die Erinnerung an Vorkriegszeiten, als er Lehrling war bei der Berliner Foto­grafin Yva. Die Begegnung mit Marlene Dietrich begann unspektakulär. Weil Newton schon damals, mit Anfang fünfzig, an Herz­ problemen litt, unterhielten sie sich über medizinische Dinge. Dann kam plötzlich Spannung auf. Marlene Dietrich wollte von Lagerfeld wissen, ob ihr eine Hose stehe, die Modemacher André Courrèges geschickt hatte. «Marlene trug an diesem Tage ein Bodystocking aus Lycrajersey und darüber nur einen schurzartigen Lederwickelrock, dessen Druckknöpfe sie plötzlich aufriss», erinnerte sich Lagerfeld. Urplötzlich war sie hüftabwärts entblößt. Newtons spontane Reaktion: «Die Beine sind ja noch toll!» Der Spruch ging nach hinten los: Die Einundsiebzigjährige warf ihn raus.220 Die einzige Begegnung des Fotografen und des Filmstars war ein Flop. Neue Bilder für «Vogue Paris» sind nie entstanden. Die Ausgabe vom Dezember 1973 erschien mit einem schwarzen Titel, auf dem in Gold die Worte «Par Marlene Dietrich» standen, «Von Marlene Dietrich». Im Innenteil waren nur historische Fotos zu sehen aus ihren großen Zeiten. Für den erfolglosen Postillon d’Amour war das zu viel. Mit Marlene Dietrich wollte Lagerfeld nicht mehr viel zu tun haben – auch wenn er weiter den goldenen Anstecker von Cartier aus dem Jahr 1937 trug, den sie ihm geschenkt hatte.221 «Karl redete nur noch schlecht über sie», sagt Peter Bermbach. «Er brach den Kontakt ab.»222 Als mondän konnte er sie nicht mehr sehen. Sie redete ihm zu viel über die Geranien vor ihrem Fenster und über die Tauben, die sie mit einer Wasserpistole zu vertreiben suchte. Bald blieb sie ganz zu Hause. In den letzten Jahren vor ihrem Tod 1992 ließ sich die Schauspielerin, die an Muskelschwund litt, überhaupt nicht mehr blicken, so dass ihre schiere Existenz immer mysteriöser wurde. Über ihr Privatleben drang nichts an die Öffentlichkeit. So immerhin lernte er doch noch etwas von der großen deutschen Schauspielerin: Ihm gefiel die Idee, dass die Diskretion den Mythos nährte. Helmut Newton kam dem Traum seiner Jugend erst nach seinem Tod am 23. Januar 2004 näher. Sein Grab auf dem Friedhof Stubenrauchstraße in Berlin-Friedenau ist durch einen seltsamen Zufall nur 186

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wenige Meter von Marlene Dietrichs Ruhestätte entfernt. Karl Lagerfeld wunderte sich 2004, dass sein alter Freund gerade hier beerdigt worden war. Die beiden hätten sich zu Lebzeiten nicht verstanden und müssten nun die Ewigkeit miteinander verbringen, meinte er ­empört. Das sei doch eine «Fehlbelegung».223 Da hatte er mal wieder leicht übertrieben. June Newton, die Witwe des Fotografen, hatte nichts gegen die späte Nähe der beiden. Nur etwa einen Kilometer entfernt, an der Innsbrucker Straße 24, stand schließlich das Haus, in dem Helmut Neustädter, der als Emigrant zu Helmut Newton wurde, geboren und aufgewachsen war. Irgendwie kamen die drei deutschen Stars nicht voneinander los. Denn auch ­Lagerfeld kam der deutschen Diva nach seinem Tod nahe, auf seine Weise, nämlich auf modische Art. In seiner letzten Chanel-Prêt-à-Porter-Kollektion, die im März 2019, nach seinem Tod, über die Bühne ging, trugen viele Models – Marlene-Hosen.

Schloss Wolfgang Joop und seine Frau Karin waren im Juli 1975 zur CoutureWoche gekommen. Sie hatten schon selbst Kollektionen in Deutschland herausgebracht, aber hier in Paris arbeiteten sie für die «Welt am Sonntag», er zeichnete, sie schrieb. Yves Saint Laurent war ihr Gott. Aber sie waren auch begeistert, als ihnen per Zufall auf der Straße Karl Lagerfeld mit seiner Entourage begegnete. Der Mode­ macher fragte die beiden, die um die 30 Jahre alt waren, blendend aussahen und für deutsche Verhältnisse verrückte Kleider trugen: «Wer seid ihr denn?» Sie kamen ins Gespräch und verstanden sich gut. Lagerfeld, ein Mann der schnellen Entschlüsse, lud sie zum Wochenende in sein Schloss in der Bretagne ein, das er gerade erst erworben hatte. Der schon etablierte und der noch junge Modemacher hatten viel gemeinsam – vor allem ihre Liebe zum alten Preußen. Beim Essen im Schloss saßen sie sich gegenüber, und Lagerfeld porträtierte das junge Paar. «Ich zeichne einen preußischen Junker mit Zigarette», sagte er zu Joop. In diesem aristokratischen Ambiente erzählte er ihm von Menzels «Tafelrunde» und seinem Kindheitswunsch. Was für ein Schloss

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­ ufall! Denn im großen Park von Schloss Sanssouci war der kleine Z Wolfgang in seiner Kindheit oft herumgestreunt, wenn er bei seiner Tante Ulla im Potsdamer Stadtteil Bornstedt zu Besuch war.224 Das Château de Penhoët war ein Sanssouci im Kleinformat. In dem Schloss, das der Sitz einer bretonischen Adelsfamilie sein könnte, kam Karl Lagerfeld seinem Idealbild des höfischen Lebens näher. Durch eine Allee fährt man auf das große Gittertor zu. Der Blick durch das Tor auf das Schloss täuscht: Von vorn sieht es nicht besonders imposant aus, aber wenn man links von der Seite über eine der hohen Mauern schaut, die Lagerfeld bauen ließ, erkennt man die Tiefe des Gebäudes. In Dutzenden Zimmern konnte er viele Wochenendgäste unterbringen. In Paris war Lagerfeld an die Rue de l’Université 51 gezogen, in das Stadtpalais Pozzo di Borgo. Auf den 1000 Quadratmetern am linken Seine-Ufer und in dem Schloss auf dem Land konnte er nun ins 18. Jahrhundert eintauchen. Der vorrevolutionäre Überschwang war ihm ein schöner Gegensatz zur schnöden Moderne, die in den siebziger Jahren in Kunst und Baustil herrschten. Und er passte zu Jacques, der mit seinem gegenrevolutionären Stammbaum und seinem anachronistischen Outfit ebenfalls aus der Zeit fiel. Vermutlich passte es Lagerfeld gut, dass das Schloss in schlechtem Zustand, das Nebengebäude heruntergekommen und der Garten verwildert war. Denn so konnte er von vorne loslegen: historische Literatur lesen, Auktionskataloge durchforsten, Fachleute konsultieren, Umbaupläne entwerfen. Als Vorbild diente ihm laut seinem Freund Patrick Hourcade das Hôtel de Crozat an der Rue de Richelieu in ­Paris. Der Maler Louis-Nicolas Van Blarenberghe hatte das Schlaf­ gemach und einen Kabinettsaal des Stadtpalais um 1770 in Schnupftabakdosen-Format verewigt. Die Mini-Gemälde gefielen Lagerfeld ungemein. So wie er sich wenige Jahre zuvor in den Jugendstil eingearbeitet hatte, so stieg er nun ins 18. Jahrhundert ein, für ein Vierteljahrhundert, bis er zur Jahrtausendwende alle Vergangenheit hinter sich lassen sollte, um nur noch in der Zukunft zu leben. Patrick Hourcade, der Kunstgeschichte studiert hatte, kaufte bei Versteigerungen und in Antiquitätengeschäften Unmengen an Möbeln, Porzellan, Bronzeskulpturen, Vasen, Tapisserien, Gemälden zusam188

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Sein kleines Sanssouci: Das Schloss Penhoët bei Grand-Champ in der Bretagne wurde Mitte der siebziger Jahre zum Wochenend-Refugium.

men: Louis-XV-Stühle von Nicolas Heurtault, Jean-Baptiste Tilliard und Louis Delanois, Vasen von Rouillé de Boissy oder bronzene Wandkerzenhalter von Jacques Caffieri. Sie erwarben Gemälde von Jacques de Lajoüe, Jean-Marc Nattier, Jean-Honoré Fragonard und Philippe de Champaigne. Im Park ließ Lagerfeld Orangenbäume und Buchsbaum-Ornamente anlegen wie in einem Barockgarten.225 Jacques de Bascher war oft dort, er hatte ja Zeit. Lagerfeld blieb meist nur kurz. Er kam mit dem Zug nach Vannes, fuhr mit dem Taxi zum Schloss oder ließ sich von Jacques abholen, überwachte den ­Baufortschritt, sprach mit Architekten, Gärtnern und Handwerkern über weitere Pläne – und schon am nächsten Tag war er wieder fort. Auch die Gemeinde Grand-Champ nahm der neue Schlossbesitzer für sich ein. Lagerfeld spendete 50 000  Francs für die Errichtung einer Gemeindebibliothek. Ins Goldene Buch von Grand-Champ zeichnete er ein Bild vom Bürgermeisteramt, als Erinnerung an eine «wunderbare Soirée vom 18. September 1987». Den Handwerkern am Schloss Schloss

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schenkte er zu ihrem Lohn auch noch Chloé-Parfums; nicht alle konnten damit etwas anfangen.226 Karl Lagerfeld brachte das Schloss zu neuer Blüte, in jedem Wortsinn. Denn auch Anna Piaggi kam oft, die «Vogue»-Autorin, die mit ihrem exzentrischen Stil und ihren florierenden Hüten zu seiner Muse wurde. Sie brauchte Stunden, um sich fertig zu machen, und erschien dann in den unmöglichsten Kombinationen, die Lagerfeld natürlich gleich zeichnete. Den Anwohnern liefen die Augen über: Mal kam Jacques im weißen Anzug mit Panama-Hut nach Grand-Champ, um Kaffee zu trinken, mal beobachteten Spaziergänger mehrere Gäste in alten Seidenmänteln im Park, mal hielten sie den Schlossherrn für den damals populären griechischen Sänger Demis Roussos, der ebenfalls dichtes Haar und einen dunklen Bart hatte.227 Das Wochenende, das Karin und Wolfgang Joop dort erlebten, erschien ihnen etwas undurchsichtig. Sie lernten José kennen, eine Art Hausverwalter, den Jacques als seinen Cousin bezeichnete und den er mit zwei Buchstaben nobilitierte: Aus José-Maria Bazquez-Sarasola machte er José Basquez de Sarasola.228 Seine Eltern waren aber bürgerliche Spanier, die in die Nähe von Nantes gezogen waren, wo José aufwuchs, nicht weit entfernt vom Schloss der Familie de Bascher. Gemeinsam mit Jacques und José fuhren Karin und Wolfgang an den Strand, während Karl im Schloss blieb, um zu zeichnen. «Es war auffällig, wie José unsere Nähe suchte», sagt Karin Joop-Metz. «Dauernd lief er hinter mir her. Mir kam das sehr komisch vor.»229 Wollte er ihnen etwas anvertrauen? Hatte er sich verliebt in ihn oder sie? Oder war er in großen Nöten? Wirkte der nette Typ mit den schwarzen Haaren seltsam – so erschien ihnen Jacques geradezu unheimlich. Er schwärmte Karin JoopMetz von dem Grafen Gilles de Rais vor, einem der schlimmsten ­Serienmörder der Geschichte, der im 15. Jahrhundert mehr als 100 Kinder gefoltert und getötet hatte, und zwar in Machecoul in der Bretagne, nur etwa 100 Kilometer von Grand-Champ entfernt. Als wäre das nicht gruselig genug, winkte er die beiden Besucher aus Deutschland in sein Zimmer im Schloss. Unter seinem Bett zog er einen ­Koffer hervor mit vielen Fotos von jungen Männern in engen Jeans, ausgeschnitten aus Zeitungen und Magazinen. Man sah nur die ­ 190

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Körpermitte. Kopf, Arme und Beine waren abgeschnitten. «Das war wohl sein spezielles Sammelgebiet», sagt Karin Joop-Metz. Wolfgang Joop erkannte auch Fotos aus einer Reportage im «Stern» über einen Querschnittsgelähmten. Die bizarre Vorführung, so meinte er, konnte nur einen Sinn haben: «Er wollte uns Einblick geben in seine sexuellen Phantasien.» Am Sonntag fuhren die Joops mit Lagerfeld im Zug zurück nach Paris und verabschiedeten sich am Bahnhof von ihrem neuen Freund. Der Chloé-Designer musste sich um seine Kollektionen kümmern, denn im August begannen die Ferien: «Was du dann nicht hast, kommt auch nicht mehr», sagte er und entschwand.230 Nur wenige Wochen später geschah in der Bretagne eine Tragödie. Eines Tages war angeblich Geld verschwunden. Man beschuldigte José, der die Finanzen verwaltete, er habe sich aus der Kasse bedient. Er bestritt es, aber Lagerfeld glaubte ihm nicht.231 Am 26. August 1975 beging der Achtundzwanzigjährige Selbstmord – in der Nähe von Vannes wurde er von einem Zug überfahren. Weil Karl und Jacques just in jenen ­Minuten von Vannes aus mit dem Zug nach Paris fahren wollten, glaubten Anwohner, José sei von dem Zug überrollt worden, in dem die beiden saßen. Aber der junge Mann hatte sich vor den Zug geworfen, der in die Gegenrichtung fuhr.232 Seltsam erschien den Joops später auch das Verhalten ihres neuen Freundes Karl. Als sie nach der Chloé-Schau im Herbst mit Karl plauderten, erzählte er ihnen von dem Suizid. Die beiden waren schockiert. In seiner schnoddrigen bis amüsierten Art fügte Lagerfeld hinzu: «Jacques musste ihn identifizieren, und das ging nur anhand eines Zehennagels.» Wie kalt er darüber sprach, das fanden sie brutal, ja abstoßend. «Er schickte mir danach zwar noch einen schönen Schal», sagt Karin Joop-Metz. «Aber meine Bewunderung für ihn war wie ausgeknipst.» Sie blieben noch locker in Kontakt. Als er mal wieder nach Bornstedt reiste, kaufte Wolfgang Joop alle DDR-Bücher über Potsdam und schickte sie an Lagerfeld. Doch die Freundschaft verlor sich. In einem winzigen Augenblick der Modegeschichte waren sich die größten männlichen Modeschöpfer Deutschlands begegnet. Beide hatten sich aus der hässlichen Nachkriegszeit in ihr schönes Reich der Schloss

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Phantasie namens Preußen geflüchtet, beide suchten nach den Verheerungen des Nationalsozialismus ihr Heil in einer vorvergangenen Epoche. Aber es war endgültig aus. Wechselseitig bedachten sich Joop und Lagerfeld über die Jahrzehnte in den Medien mit bissigen bis bösartigen Äußerungen. 2011 lästerte Lagerfeld schließlich über Joop: «Sein Drama ist, dass er nicht ich ist. International kennt ihn doch keiner. Er kann alles gut imitieren, aber er hat keinen eigenen Stil.»233 Gut gebrüllt  – aber falsch gesagt. Denn da hatte Joop längst mit seiner Marke Wunderkind seinen eigenen Stil verwirklicht, der sich auch preußischen Kindheitsmustern verdankte. Auch im Château de Penhoët lebte Preußen weiter. Denn Elisabeth Lagerfeld zog ein. Im Frühjahr 1968 war sie zu ihrem Sohn nach Paris gezogen. Dort war sie ihm vielleicht näher als zu seinen Kinderzeiten. Denn in Bissenmoor und Hamburg übernahmen oft Kindermädchen die Erziehung. In Paris hingegen blieb sie ihrem Sohn ganz nah – sie war die einzige Person, mit der er je als Erwachsener zusammenlebte. Antonio Lopez war so fasziniert von ihrem Anblick, dass er sie angeblich zeichnete, wie sie auf dem Sofa die deutsche Presse studierte.234 Das Verhältnis von Mutter und Sohn war innig. Karl nannte sie liebevoll «Wollmaus», weil sie einmal einen dicken Wollmantel ­getragen hatte, und die Amerikaner amüsierten sich über den Klang des Worts.235 In einem Brief an ihre Schwester von 1972 lässt Elisabeth Lagerfeld bei aller Ironie viel Stolz durchblicken: «Stell Dir vor der verrückte Knabe hat sich einen Bart wachsen lassen. Das geht ja bei ihm sehr schnell. Du meinst der Großvater, also sein Ur … sei aus dem Rahmen gestiegen.»236 Aber er hatte zu tun und konnte sich nicht um sie kümmern. Im Sommer 1969 schrieb sie an ihre Schwester: «Er ist unverwüstlich in der Arbeit, wie sein Ahnherr.»237 Wer also sollte Elisabeth Lagerfeld unterhalten, die tagsüber allein mit einer Bediensteten war und kaum jemanden kannte in Paris? Renate Zatsch, das Model, das für Karl arbeitete, sprach öfters mit ihr: «Sie war froh, wenn ich kam, weil ich auch Deutsche war.»238 Auf Wunsch von Lagerfeld besuchte auch ­Peter Bermbach die alte Dame ein paar Mal. «Ich sprach mit ihr über ihren Sohn oder übers Wetter oder über Deutschland.»239 Er vermied 192

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es aber, mit ihr auf die Straße zu gehen. «Sie trug einen Turban und Kleider wie eine Zirkusprinzessin.» Das ging dem Kulturjournalisten dann doch zu weit. «Als die Friseure im Krieg waren, trugen deutsche Frauen einen Turban, um ihre Haare zu verstecken. Aber niemand lief in den sechziger Jahren nachmittags um vier Uhr mit einem Turban durch Paris. Denn das erinnerte auch an die Schauspielerin Arletty, die als ehemalige Liebhaberin eines deutschen Luftwaffenoffiziers, also als ‹collaboratrice›, nach dem Krieg keinen guten Ruf mehr hatte.» Auch die Amerikaner boten keine Unterhaltung mehr, denn die schönen Sommer in Saint-Tropez waren vorbei. «Für St. Tropez besteht bei Mule & mir nicht große Lust», schreibt Elisabeth Lagerfeld im April 1974 an ihre Schwester – das Kosewort aus seiner Kindheit hielt also noch bis ins Erwachsenenleben. «Das Publikum ist zu mies geworden. Er will event. seine Wohnung dort verkaufen u. sich in der Bretagne dafür etwas einhandeln. Genau wie sein Vater immer kaufen u. verkaufen. Ich muß lachen.»240 Die Bretagne wurde auch für die zunehmend gebrechliche alte Dame zu einer Perspektive. Immer öfter klagte sie nun über gesundheitliche Probleme. Zunächst ging es in einem Brief von 1972 noch um ihren Sohn: «Mule hatte einen Hexenschuß, was er so alle Paar Jahre mal hat.»241 1974 berichtete sie von ihren eigenen Leiden: «Dieser verflixte hohe Blutdruck! der ist sehr unangenehm. (…) Gehen kann ich noch schlechter als früher, Beine wie Blei.»242 Im April 1976 schrieb sie ihrer Schwester in krakeliger Schrift aus der Klinik, sie habe einen Schlaganfall erlitten. Das linke Bein und der linke Arm seien «arbeitsunfähig». Karl sei «jeden Tag gekommen».243 Als ­Rosemarie Le Gallais sie im American Hospital in Neuilly besuchte, weil Lagerfeld zur Fendi-Schau nach Italien musste, erschrak sie über ihre Schnodderigkeit. Die Assistentin berichtete der Mutter, sie habe gerade mit Karl telefoniert, Fendi sei ein toller Erfolg gewesen. Da sagte Frau Lagerfeld: «Das ist doch normal.»244 Elisabeth Lagerfeld zog sich in das Schloss in der Bretagne zurück. Mit Jacques, der oft dort war, verstand sie sich gut. Aber wenn ihr Sohn mit Anna Piaggi und weiteren Gästen kam, ließ sie sich nicht blicken. Meist lag sie in ihrer Wohnung im Schloss auf dem Sofa. Schloss

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­ lleine musste sie sich dort nicht fühlen. Pilar und Rafaël, das HausA meister-Paar, kümmerten sich um sie.245 «Wenn ihr ein Taschentuch runterfiel, dann klingelte sie – und das seit achtzig Jahren», sagte ihr Sohn. Daher bekam das Personal angeblich dreifaches Gehalt.246 Paris brauchte Elisabeth Lagerfeld nicht zu vermissen. Dort hatte sie ohnehin kaum Freundschaften geschlossen. Und zu den Modenschauen ihres Sohnes war sie nie gegangen: Sie habe seinen Vater ja auch nie in seinem Büro besucht.247 Im September 1978, gut zwei Jahre nach ihrem Schlaganfall, der sie arg in Mitleidenschaft gezogen hatte, machte ihr eine langwierige Erkältung zu schaffen. Bevor am 14. September der Arzt zur Behandlung kam, bestellte sie morgens den Friseur ins Schloss. Als sie den Doktor frisch frisiert begrüßen wollte, starb die Einundachtzigjährige. An jenem Donnerstag war ihr Sohn, der vier Tage zuvor 45 Jahre alt geworden war, mal wieder bei der Firma Wibor in Mönchengladbach: Anproben für seine Linie Karl Lagerfeld Impression. Er saß ­neben seiner Assistentin Rosemarie Le Gallais, als man ihn wegen ­eines Telefonats hinausrief. Rosemarie ahnte schon das Schlimmste. «Als er zurückkam, setzte er sich neben mich, sagte nichts, nahm nur meine Hand und drückte sie. Da wusste ich Bescheid.» Die Nachricht trug er unglaublich gefasst. Auf ein Papier schrieb er: «Wir machen hier weiter. Ich will nicht, dass irgendjemand das erfährt.» Als sie am Abend von Düsseldorf nach Paris zurückflogen, sagte Rosemarie Le Gallais: «Wenn Du willst, fahre ich morgen mit Dir in die Bretagne.» Aber er antwortete: «Das brauchst Du nicht. Ich fahre auch nicht.» Seine Mutter selbst habe verfügt, nicht einmal ihr Sohn solle zur Bestattung kommen.248 Auch hatte sie schriftlich festgelegt, so sagte er später, dass er sie nicht tot sehen solle.249 Er hielt sich daran: Wie schon bei seinem Vater elf Jahre zuvor, so begleitete Karl ­Lagerfeld auch seine Mutter nicht auf ihrem letzten Weg. An der Einäscherung nahmen nur Pilar und Rafaël teil. Bestattet ist sie nach den Worten ihres Sohns in der Kapelle des Schlosses. Anwohner behaupten aber, ihre Asche sei damals hinter dem Château im Wald verstreut worden. So oder so: Elisabeth Lagerfeld hat ihre letzte Ruhe in der Gemeinde Grand-Champ im Département Morbi194

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han gefunden, etwa 1100  Kilometer Luftlinie entfernt von ihrem Mann auf dem Nienstedtener Friedhof an der Elbchaussee. Als auch Jacques im Jahr 1989 gestorben war, verlor das Château de Penhoët für Lagerfeld seinen Sinn. Er behauptete sogar, er sei seitdem nie wieder dorthin gefahren, obwohl er das Schloss noch mehrere Jahre lang besaß.250 Zu einem Anlass aber kam er doch. Im Juni 1990 empfing er in seinem kleinen Sanssouci eine leibhaftige Königinmutter, «Queen Mum». Der Schlossherr und die Mutter von Elisabeth  II. tranken Tee im Garten, standen am weiß gedeckten Tisch neben einer großen Pyramide aus bunten Macarons und bewunderten gemeinsam die vielen Blumen. Das war aber fast schon ein Abschiedsbesuch für ihn. In den neunziger Jahren verkaufte er das Château. Viele Einrichtungsgegenstände ließ er in seine Stadtvilla Pozzo di Borgo und in sein Haus in Le Mée-sur-Seine bringen. Mit dem Geld, das er für sein schönstes Hobby der siebziger Jahre nun bekam, tilgte er Steuerschulden.

Einrichtung Matteo Thun war gerade in seinem Studio in Mailand damit beschäftigt, einen Haartrockner für Wella zu entwerfen, da kam an einem Vormittag im Jahr 1981 ein Anruf aus dem Showroom: «Hier ist ein Deutscher. Könntest Du mal vorbeikommen?» Als der junge Designer in den Showroom kam, war er überrascht: Da stand Karl Lagerfeld. Seine Mailänder Freundin Anna Piaggi hatte dem Modemacher empfohlen, bei der jungen Design-Gruppe Memphis vorbeizuschauen. Lagerfeld erkundigte sich bei Thun, zu welchem Möbelstück er ihm denn rate. «Wir hatten bis dahin kein einziges Stück verkauft», sagt Thun. «Also sagte ich mit dem Mut der Verzweiflung: Kaufen Sie doch einfach alles!»251 Im Dezember 1980 hatten Ettore Sottsass, Matteo Thun, Michele De Lucchi und weitere Designer Memphis gegründet, in Anspielung auf die altägyptische Herrscherstadt und die Geburtsstadt von Elvis Presley in Tennessee. Und so wie der späte Elvis sah dieses Design auch aus: Da folgte die Form keiner Funktion mehr, die Entwürfe Einrichtung

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sprießten ohne jeden rechten Winkel in alle Richtungen, und die knalligen Farben hätten dem Bauhaus-Freund Karl Lagerfeld eigentlich Tränen in die Augen treiben müssen. Aber er war begeistert, wohl weil er ein postmodernes Zeitalter oder zumindest anti-minimalistische achtziger Jahre heraufdämmern sah. Und weil er die richtige Möblierung für seine neue Wohnung in Monte-Carlo gefunden hatte. Er hatte noch nie in einem modernen Haus gelebt und nicht die leiseste Idee, wie man es einrichten sollte, sagte er später. Da sei Memphis ideal gewesen.252 Zu Matteo Thun sagte er daher kurz entschlossen: «Packen Sie mir alles ein und schicken Sie es mir nach Monte-Carlo.» Thun konnte es nicht fassen. «Das war unsere Rettung, das war unglaublich.» Denn die Bewegung hatte zwar viel Anklang gefunden, aber noch nichts verkauft. Tagsüber hatten Sottsass und Thun für all ihre Kunden aus der Industrie gearbeitet, nachts an ihren Entwürfen für Memphis. «Ich hatte alle Keramiken vorfinanziert», sagt Thun. Der Großeinkauf des Modemachers aus Paris war also eine wichtige moralische und eine ebenso wichtige finanzielle Unterstützung. 65 Millio­ nen Lire, also etwa 65 000 Mark: «Eigentlich lächerlich», sagt Thun. «Aber im Jahr 1982 war das sehr viel Geld.» Matteo Thun und Inneneinrichterin Andrée Putman halfen Lagerfeld dabei, seine Wohnung im Hochhaus Le Millefiori in Monaco einzurichten. Schwarzer Boden, graue Wände, schwarz-weiße HelmutNewton-Fotos: Da machten sich das Suvretta-Regal von Sottsass, die Riviera-Stühle von Michele De Lucchi, das Dublin-Sofa von Marco Zanini und der Unknown-Tisch von George James Sowden als farbliche Akzente gut. Lagerfeld nutzte die Wohnung mal wieder nicht nur zum Übernachten. Er ließ sich darin porträtieren – und machte auf diese Weise nochmal Werbung für die Memphis-Gruppe und ­natürlich für sich selbst in der Rolle des Designkenners. Aber nach wenigen Jahren – schneller als bei seiner Leidenschaft für den Jugendstil oder für das 18. Jahrhundert – war es mit der Liebe vorbei. Im Oktober 1991 gab er mehr als 100  Möbel und Objekte über Sotheby’s zur Auktion. Allein der bizarre Regalschrank von ­Ettore Sottsass aus Holz und Plastik brachte 120 000  Francs, und 48 000 Francs bezahlte Helmut Newton für eines der schrägen Carl196

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Im Stil der Zeit: In Monaco richtete sich Lagerfeld Anfang der achtziger Jahre mit Möbeln der Memphis-Gruppe ein.

ton-Bücherregale des Designers. Mal wieder hatte Lagerfeld früh ­einen Trend erkannt – und sich von ihm losgesagt, als alle auf die Idee gekommen waren und hohe Preise dafür bezahlten. Netto-Ergebnis: 1,593 Millionen Francs, also etwa 500 000 Mark.253 Bei der Gelegenheit ließ er 1991 auch gleich Möbel und Kunst­ gegenstände des Art déco versteigern. Ein japanischer Käufer zahlte mit 550 000 Francs den höchsten Preis für eine «Vase de tristesse» (um 1900) des Keramikkünstlers Émile Gallé. Beim Verkauf des Mobiliars von Eileen Gray aus ihrem Haus E-1027 in Roquebrune sicherte sich das Centre Pompidou sieben wichtige Stücke, unter anderem ­einen Liegestuhl «Transat» aus Holz und Kunstleder (um 1929) für 340 000 Francs. Ein deutsches privates Museum bot 160 000 Francs für den Tisch E-1027, den man auf höchstens 60 000 Francs geschätzt hatte.254 Karl Lagerfeld war ein Mann von schnellen Entschlüssen und radi­kalen Entscheidungen. Das betraf auch seinen Wohn- und Einrichtungsstil. «Ich bin ein Modemensch», sagte er. «Ich wechsle KleiEinrichtung

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der, Möbel, Wohnungen, Kollektionen. Im Leben geht es um Veränderung. Es gibt einen Moment, in dem die Dinge einfach nicht besser werden können; dann wechselt man sie aus.» Das bedeutete kein großes Opfer für ihn: «Ich habe keinen Sinn für Besitz.»255 Der Designer, der stets nach neuen Projekten suchte und alte abstieß, wechselte auch immer wieder die Inneneinrichtung. Es war ein rastloses Hin und Her für die Assistenten, Umzugsunternehmer, Möbelpacker, Lagerarbeiter. Selbst wenn er seinen Stil gefunden hatte, wurden die Einzelteile wie in einem riesigen Puzzle hin und her geschoben zwischen Paris, GrandChamp, Monaco, Le Mée, Hamburg, Biarritz und Lagerhallen, bis das Bild vollständig war – und ihn zu langweilen begann. Besonders die Leidenschaft fürs 18. Jahrhundert, die schon mit dem Menzel-Gemälde in seiner Kindheit begonnen hatte, überführte er in Paris in immer größere Dimensionen. In seiner Parterrewohnung am Quai Voltaire, wo er Anfang der sechziger Jahre wohnte, hätten zwei vergoldete Sessel im Régence-Stil, seine erste Investition, vor den Fenstern gestanden, neu mit gelbem Veloursleder bezogen, und zwischen den Fenstern eine Louis-XVI-Kommode.256 Sein alter Freund Peter Bermbach kann sich an Régence-Sessel in der Wohnung allerdings nicht erinnern. Es könnte also sein, dass Lagerfeld sie erst später erwarb und nur in seiner Erinnerung in diese Wohnung zurückversetzte. Schon diese gedankliche Projektion würde zeigen, für wie zentral er eine solche Möblierung hielt. Nicht die so beliebte Epoche Louis’ XIV tat es ihm an, sondern der etwas reduzierte folgende Stil von Louis XV mitsamt dem Übergang zum Neoklassizismus. Für ihn erreichte diese Zeit «einen Komfort, eine Eleganz und eine Lebenskunst, wie sie bis heute unübertroffen ist».257 Das weitläufige Stadtpalais an der Rue de l’Université, das in der Zeit von Louis XV entstanden war, bot den richtigen Rahmen für seine Rückkehr in die Vergangenheit. Viereinhalb Meter lichte Höhe, prachtvolle Wandtäfelungen, Türbeschläge in kunstvoll ziseliertem Messing, phantastische Deckengemälde: In einem solchen Ambiente konnte sich die Wirkung der alten Kostbarkeiten gut entfalten.258 ­Lagerfeld besaß die vermutlich größte Sammlung von Gemälden des Rokoko-Künstlers Jacques de Lajoüe, der ihn mit seinen phantasievollen Gartenszenen bei der Renovierung des Schlossparks in Grand198

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An der Rue de l’Université: In seinem Stadtpalais lebte Karl Lagerfeld (hier 1983) wie im 18. Jahrhundert.

Champ anregte. Der Meister des «genre pittoresque» mit seinen ­kuriosen Szenerien in Öl war auch ein Liebhaber der Fête galante: Lagerfeld schwelgte in den Schäferszenen und allegorischen Darstellungen, und er griff den Stil oft auf, in manchen Modenschauen, ­deren Szenerie einem Rendezvous im Idyll glich, und in seinen Fotostrecken mit antikisierenden Inszenierungen.259 Das Palais Pozzo di Borgo war von königlichem Zuschnitt, wie ein kleines Schloss mitten in Paris. Der große Saal war ideal für private Tanzstunden und große Gesellschaften. Der Journalist Godfrey Deeny erinnert sich an einen Tanzabend Mitte der neunziger Jahre, an dem von Gianni Versace bis Nadja Auermann viele Modeleute teilnahmen: «Es war ein wunderbarer Abend mit viel lateinamerikanischer Musik, die er liebte. Karl tanzte schwungvoll Rumba mit Kate Moss – obwohl er da noch gar nicht abgenommen hatte.»260 Einrichtung

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Das Stadtpalais und das Schloss mussten ausstaffiert werden. Über die Jahrzehnte kam so viel zusammen, dass der dreibändige Katalog der Versteigerungen im April und Mai 2000 in Monaco und New York fast 1000  Seiten umfasst. Es ist eine unglaubliche Fülle mit 400  Möbeln und Einrichtungsgegenständen sowie 150  Gemälden, vom Louis-XV-Frisiertisch aus Rosenholz über bronzene Louis-XVIKandelaber bis zum reich dekorierten Knüpfteppich aus der Savonnerie-Manufaktur. Seit dieser Auktion wirkte der Stadtpalast wie leergefegt. Mit weißen Sofas und Flachbildschirmen bereitete sich Lagerfeld auf die kommende Zeit vor. Seine vielen Wohnungen hatten den Vorteil, dass er sich immer anders darstellen konnte. Neue Apartments boten neue Kulissen für Modeshootings, Interviews, Filmaufnahmen. In der ersten Wohnung an der Rue de l’Université filmte Andy Warhol. Im Apartment an der Place Saint-Sulpice wurde ein Werbefilm mit Stéphane Audran für das Chloé-Parfum gedreht, und Anouk Aimée trat dort in «Meine erste Liebe» (1978) auf.261 Die besten Bedingungen für Fotos bot La Vigie («Ausguck») in Monaco. Die dreigeschossige Villa, 1902 für den britischen Pressemagnaten William Ingram auf einem Hügel erbaut, ein quaderförmiger Kasten mit Rundum-Terrasse für tolle Aussichten, stand lange leer. Fürst Rainier  III., ein Freund Lagerfelds, stellte sie ihm 1986 unter der Bedingung zur Verfügung, dass er sie restauriert. Lagerfeld sagte zu und steckte angeblich 15 Millionen Mark in Renovierung und Ausstattung. Die Empfangshalle im Erdgeschoss wurde zu Tanzfläche und Fotostudio. Ganz oben seine Privaträume: Ein Bad ging nach Westen, für die abendliche Sicht auf das kleine Fürstentum, ein anderes nach Osten, für den morgendlichen Blick aufs Mittelmeer. Hier fanden Shootings, Partys, Produktvorstellungen statt  – und schon nach einem Jahrzehnt hatte La Vigie keine Aussichten mehr. Der Modeschöpfer hatte ja noch sein Penthouse in der Stadt. Und in Hamburg war er seit 1991 mit der Villa Jako beschäftigt. Zudem stattete er längst seine neue Villa Elhorria in Biarritz mit Möbeln, Leuchten und Porzellan aus den zwanziger und dreißiger Jahren aus. Der Reichtum der Moderne, den er sich für Biarritz und Monaco ­zusammengestellt hatte, erschloss sich, als er am 15. Mai 2003 bei 200

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Christie’s in Paris versteigert wurde. Unter den mehr als 200 Losen stachen vor allem die etwa 50 Möbelstücke des französischen Designers Jean-Michel Frank heraus. Aber auch Namen wie Pierre Legrain, Marcel Coard, Eileen Gray oder Paul Dupré-Lafon zeugten von ­exquisitem Geschmack. Porzellan von Henri Simmen, Leuchten von Maison Desny, ein Tintenfass aus Chrom von Jacques-Émile Ruhlmann oder ein prachtvoller Spiegel von Dagobert Peche stammten aus dem Jugendstil und seinen Ausläufern. Erlös: knapp sieben Millionen Euro. Das klingt nach einem atemlosen Durcheinander. Aber seinen Wohnungen widmete er sich mit der gleichen Intensität wie den Menschen, die er traf, oder den Firmen, für die er arbeitete. Er dachte sich in jede Wohnung ein, in ihre Atmosphäre, ihre Lage, ihr Licht, ihre Größe. Sein 200-Quadratmeter-Apartment am Gramercy Park in Manhattan zum Beispiel stellte er sich minimalistisch vor, da hätten französische Möbel nicht gepasst. Also sah er dafür den Deutschen Werkbund vor, der schon seit 1907, also vor dem Ersten Weltkrieg und vor der Bauhaus-Gründung, die Moderne nach Deutschland geholt hatte. An die Wände gehörten deutsche Plakate aus den Jahren 1905 bis 1915, die er fast manisch sammelte. «Da ist in Deutschland etwas mit Grafik passiert, was beinahe so etwas war wie Pop-Art. Das war originär deutsch, noch gar nicht von den Franzosen und anderen beeinflusst.»262 Viele der Plakate, die er zusammengetragen hatte, zeigen Technisches, zum Beispiel elektrische Geräte von AEG. Andere geben die nervös-morbide Stimmung vor dem Ersten Weltkrieg wieder wie «Erry & Merry» von Walter Schnackenberg oder das Poster «Die 11 Scharfrichter» von Thomas Theodor Heine, das sich auf das gleichnamige politische Kabarett bezog, das kurz nach der Jahrhundertwende den «Sittlichkeitsparagraphen» des Reichsstrafgesetzbuches anprangerte und immer wieder mit den Zensur­ behörden in München in Konflikt geriet. Solche Werke passten besser nach New York als nach Paris  – zumindest bis 2011, denn da verkaufte er die Wohnung schon wieder. Wie ein Impulskauf wirkt der Erwerb eines Hauses auf einer Insel im Lake Champlain im Jahr 2008. Vielleicht wollte er in Vermont seine inneren Gegensätze in Geschmacksfragen ausleben. Der Mann, Einrichtung

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der mit seiner neuen Wohnung am Quai Voltaire in der Zukunft angekommen war, schätzte eben auch das kitschig anmutende amerikanische Idyll, wie in den Gemälden von Norman Rockwell und in der naiven Kunst von Grandma Moses. Die halbe Million Dollar für das Haus in Vermont, das er unbesehen kaufte, nie bewohnte und nur kurz besuchte, lohnten sich dennoch. Er nahm dort die Chanel-Werbekampagne für das Frühjahr 2009 auf. Und es war am Ende ein schönes Geschenk für Brad Kroenig, eines seiner Lieblings-Models. «Plötzlich ist man konfrontiert mit einer Vergangenheit, die nicht länger die eigene Gegenwart sein oder die Zukunft werden kann», schrieb er anlässlich der großen Versteigerung seiner Sammlungen im April und Mai 2000 über seinen stilistischen Wankelmut. «Es gibt enge Grenzen für die eigenen Träume. Man wächst nicht aus ihnen heraus – man muss nur in eine andere Richtung gehen», schrieb er im Vorwort zu dem dreibändigen Auktionskatalog. «Wie Romane, so haben auch Leben ihre Kapitel.»263 Er sah sich jedenfalls nicht als «Museumskurator»: «Ich wollte damit nicht ruhig und sanft alt ­werden.»264 Ohnehin erleichterte er sein Leben seit jenem Jahr: Am 1. November 2000, als die Auktionen hinter ihm lagen, begann er mit der Diät, die ihn innerhalb von einem Jahr vollkommen verwandelte. Auch innenarchitektonisch reduzierte er sich aufs Nötigste. Das Kapitel 20. Jahrhundert war beendet. Von der riesigen Sammlung zum 18. Jahrhundert blieb nicht mehr viel. Aus der Acht-ZimmerWohnung am Quai Voltaire  17 machte er offene Raumfluchten in ­unterkühlter Atmosphäre mit Glaswänden statt richtigen Wänden. Um an die Bibliotheksregale zu gelangen, drückte er auf einen Knopf, und 50 Glastüren – 25 auf jeder Seite – öffneten sich gleichzeitig. Auf der einen Seite standen die Lesebücher, auf der anderen Kunst.265 Der Futurismus war hier Programm: Nichts in dieser Wohnung, die er 2005 bezog, sollte aus dem 20. Jahrhundert stammen – außer den vielen Büchern und ihm selbst natürlich. Von Marc Newson stammte ein metallisch glänzender Sessel, von Amanda Levete ein weißes Sofa mit rundlichen Formen. Martin ­Szekely lieferte zwei Tische aus weißem Corian-Verbundstoff, jeweils drei Meter lang, einen zum Schreiben, einen zum Zeichnen. Sie standen gegenüber in dem mehr als 20 Meter langen Raum, den er aus 202

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drei Zimmern geschaffen hatte. Die Wohnung nannte er «ein makelloses Raumschiff, das über Paris fliegt», mit dem Blick auf die Seine, die Boote und den Louvre. Er wollte dort ganz alleine sein. Die Küche wurde kaum benutzt: «Ich hasse den Geruch, wenn gekocht wird.»266 Gegessen hat er in einer anderen Wohnung. Denn er hatte mehrere Apartments in seinem Viertel gemietet, zum Mittagessen, zum Zeitschriftenlesen, für Gäste. Behalten hat er sein Kinderzimmer, auch wenn er die Teile nicht benutzte – «sie sind zu klein für mich». Das war ein schönes Ensemble von Biedermeier-Möbeln: der Tisch, an dem er zu schreiben und zeichnen gelernt hatte, und die Gemälde, die seine Mutter in sein Zimmer gehängt hatte, «weil sie nicht gut genug für sie selbst waren». Der kleine Karl bekam die Reste. Diese Bilder aus der deutschen Romantik gab er nie zur Versteigerung.267

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In Paris, 1984

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Lagerfeld Eine Marke unter eigenem Namen hätte er längst gründen können. Schon seit 1961 hatten Yves Saint Laurent und Pierre Bergé damit sensationelle Erfolge. Aber Karl Lagerfeld sagte, mit einer bösen Anspielung auf den Geburtsort von Saint Laurent: «In Hamburg, anders als in Oran, gibt es nichts, das weniger stilvoll ist, als seinen Namen über einer Tür zu haben. Man kann Industrieller oder Bankier sein, aber nicht Boutiquenbesitzer.»1 Seine Eltern wären nicht begeistert gewesen von einem Modehaus, das ihren Namen trägt, meinte er 1987: «Ich erinnere mich noch an ihre sarkastischen Bemerkungen über Hamburger Kaufleute, die ein Geschäft führten.»2 Außerdem scheute er die Verantwortung. «Material bestellen und kalkulieren und sich mit Personal abquälen, das will man ja nicht, oder?»3 Für andere Marken arbeitete er schon deshalb lieber, weil es dann nicht sein Problem war, wenn etwas schiefging. Und: «Ein Modeschöpfer, der sich nicht ums Geschäft kümmern muss, ist freier», sagt seine ehemalige Mitarbeiterin Rosemarie Le Gallais. «Und dadurch womöglich ein besserer Designer.»4 Jetzt aber waren die achtziger Jahre angebrochen, und es hatte sich einiges verändert. Ein Jahrzehnt nach seinem Vater war auch seine geliebte Mutter gestorben. Chloé setzte seinem Drang nach Weltgeltung Grenzen. Und den Mitarbeitern, die Gaby Aghions Marke mit ihm verließen, wollte er eine Perspektive geben. In den Achtzigern ging es «back to business». Wobei sich Karl Lagerfeld nicht verloren hatte in den endlosen Nächten der siebziger Jahre: Bei Ausschweifungen hielt er Distanz, und als alle betrunken waren, war er schon wieder zu Hause. «Ich habe alles gemacht und alles geseLagerfeld

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hen», sagte er zu seinem Assistenten Eric Wright über die alten Partyzeiten. «Und ich bin nicht gut in Wiederholungen.»5 Seine Droge war die Arbeit. Sie bewahrte ihn vor den dunklen Seiten dieser Jahre. «Aids, die Kaviar-Linke und eine fortschreitende Lähmung des Geistes» hätten in den Achtzigern das freie Leben für immer verändert, schrieb er 2009.6 Mit der «Kaviar-Linken» spielte er auf den Umkreis des ersten sozialistischen Präsidenten der Fünften Republik an, François Mitterrand, der am 10. Mai 1981 gewählt wurde: Politiker wie Laurent Fabius, Dominique Strauss-Kahn und Ségolène Royal wurden zu Symbolfiguren der «gauche caviar», die «le cœur à gauche» trägt, das Herz links, aber «le portefeuille à droite», die Brieftasche rechts. Lagerfeld verachtete Scheinheiligkeit, die er vor allem den beiden sozialistischen Präsidenten zuschrieb, François Mitterrand (1981 bis 1995) und François Hollande (2012 bis 2017). Dagegen schätze er den Neogaullisten Jacques Chirac (1995 bis 2002), den Republikaner Nicolas Sarkozy (2007 bis 2012) und Emmanuel Macron (seit 2017), der sich dem Links-Rechts-Schema entzog. Das drückte sich schon in seinem guten Verhältnis zu deren Frauen aus: Bernadette Chirac, die stets zu seinen Modenschauen kam, kleidete er auch ein; Carla BruniSarkozy, die ebenfalls oft bei Chanel in der ersten Reihe saß, war schon aus ihren Modelzeiten eine gute Bekannte; und die Macrons lernte er bei Abendessen im kleinen Kreis näher kennen. Brigitte ­Macron nahm er es nicht mal übel, dass sie meist Louis Vuitton trug. Die reichen Schönen und die schön Reichen waren im Frühjahr 1981 alarmiert angesichts der sozialistischen Bedrohung. Sie bangten «um das eigene Vermögen, den Wohlstand und die künftige Orientierung des Landes im Kalten Krieg: Würde ein von Mitterrand regiertes Frankreich sich nicht dem Osten zuwenden?» Viele hoben ihr Geld von der Bank ab und verkauften ihre Aktien, so dass die Börsenkurse um 30  Prozent fielen.7 Helmut Newton zog aus Furcht vor hohen Steuern nach Monaco und empfahl seinem Freund Karl nachzukommen. Und wirklich: Lagerfeld, der die Fürstenfamilie kannte und im Millefiori-Hochhaus zwei Wohnungen auf der 21. Etage hatte, eine für Jacques, eine für sich, meldete sich im Sommer 1981 dort an, flog am Anfang auch oft übers Wochenende hin und war bis zu seinem 206

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Tod in Monaco gemeldet. Aber das sollte ihn nicht vor den Steuer­ behörden in Paris schützen. Für ihn begann eine neue Zeit. 1982 ging er zu Chanel, 1983 begann er mit Karl Lagerfeld. Der Unternehmer Maurice Bidermann, der mit seinem Konzern Lizenzen von Marken wie Yves Saint Laurent und Ralph Lauren hielt, hatte die Rechte am Namen Lagerfeld erworben. Schon wegen der internationalen Expertise der Groupe ­Bidermann hoffte Lagerfeld auf eine globale Herausforderung. Die neue Marke startete denn auch groß: Die Mitarbeiter zogen 1983 ins Haus Champs-Elysées 144 in der Nähe des Triumphbogens, und im März 1984 veranstalteten sie die erste Schau zur Musik von Cliff Richards: «It’s so funny how we don’t talk anymore» – es hörte sich an wie ein Abschiedsgruß an Chloé. Das sah alles nicht so schlecht aus: «keine Modeoffenbarung, aber sehr gute, verständliche Mode», urteilte Antonia Hilke, die wohl einzige Modejournalistin des deutschen Fernsehens.8 Seinen Auftritt unter eigenem Namen flankierte er mit Parfums. Den Duft KL lancierte er im Sommer 1982 unter anderem in Hamburg.9 Drei Jahre später folgte der Männerduft KL Homme, ebenfalls in Hamburg präsentiert – am Tag bevor ihm der Erste Bürgermeister Klaus von Dohnanyi im Rathaus mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland auszeichnete.10 «Für uns waren die Achtziger ein Jahrzehnt des Erfolgs», erinnert sich Caroline Lebar,11 die im September 1985 als neunzehnjährige Praktikantin bei dem noch jungen Label begann und bald zur Familie gehörte, neben Geschäftsführer Ralph Toledano, «Directrice de col­ lection» Céline Engel (Toledanos späterer Frau), Chefschneiderin (Première) Anita Briey, Accessoire-Designer Eric Wright – und «Direc­ trice» Rosemarie Le Gallais, die aber schon 1987 aufhörte, nach 20 Jahren an seiner Seite, und fortan eine modische Accessoire-Kollektion für Swarovski schuf, den Kristallhersteller aus Tirol.12 Die Szene professionalisierte sich. Designer und Unternehmer bemerkten, dass man mit Mode – und vor allem mit Parfumlizenzen – viel Geld verdienen konnte. In Italien hatten Giorgio Armani, Gianni Versace und Gianfranco Ferré, die in den siebziger Jahren mit ihrer eigenen Marke begonnen hatten, nun so großen Erfolg, dass die Lagerfeld

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­ ailänder Modewoche dem Pariser Prêt-à-Porter langsam die Schau M zu stehlen drohte. Ihr unaufhörliches Wachstum zog weitere Designer nach sich: Franco Moschino schuf seit 1983 witzige Gegenentwürfe zum Mainstream, Domenico Dolce und Stefano Gabbana gründeten 1985 Dolce & Gabbana, Jil Sander präsentierte ebenfalls in Mailand ihre Kollektionen, und Miuccia Prada baute das Lederwarenunternehmen ihrer Familie mit Hilfe ihres Mannes Patrizio Bertelli seit 1988 zu einer der wichtigsten Modemarken der Welt auf. Auch auf dem Kalender der Prêt-à-Porter-Woche war plötzlich ­Bewegung. Christian Lacroix, Thierry Mugler, Claude Montana und Jean Paul Gaultier erlebten ihre besten Zeiten. Aus Japan folgten auf den Wegbereiter Kenzo nun Issey Miyake, Yoji Yamamoto und dessen Freundin Rei Kawakubo (Comme des Garçons), die mit ihren düsteren Entwürfen auch Lagerfeld faszinierten. Und ein junger Geschäftsmann namens Bernard Arnault, der Ingenieurwissenschaften studiert hatte und in das Immobilienunternehmen seines Vaters eingetreten war, erkannte die Modebranche als Chance: 1985 kaufte er den Textilkonzern Boussac/Saint-Frères, zu dem die Marke Christian Dior gehörte. 1987 stieg er bei Christian Lacroix ein. Und schon 1989 hielt er die Mehrheit an der Holding LVMH (Moët Hennessy – Louis Vuitton). Wie der Name schon verrät, sind von Louis-Vuitton-Taschen über Moët-Chandon-Champagner bis zu Hennessy-Cognac viele ­Luxusprodukte unter diesem Dach vereint. Und es sollten noch mehr werden: Neben Wein, Spirituosen, Parfum, Kosmetik und Uhren gehörte bald auch Mode von Givenchy, Céline, Berluti, Kenzo, Loewe, Fendi, Emilio Pucci und Loro Piana zu Arnaults Reich, in dem die Sonne nicht untergeht. In den neunziger Jahren erkannte auch sein Konkurrent François-Henri Pinault im Luxusmarkt ein Zukunfts­ geschäft – und erwarb für seinen Konzern, der seit 2013 Kering heißt, unter anderem die Marken Gucci, Yves Saint Laurent und Bottega Veneta. So wurde in den achtziger Jahren die Basis für die dynamisch wachsende Luxusbranche geschaffen. Neue Märkte wie Russland, China und der Mittlere Osten sowie der seit der Jahrtausendwende aufkommende Onlinehandel trieben das Wachstum an. Es gab nur wenige Rückschläge für das weltumspannende Geschäft, etwa durch 208

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den 11. September 2001, die Sars-Pandemie 2002/2003, den IrakKrieg 2003, die globale Finanzkrise 2008 und die Corona-Pandemie 2020. Insgesamt aber ging es für die meisten großen Marken aus Paris, Mailand und New York nach oben: Luxusunternehmer wurden zu Milliardären, Models zu Supermodels, Designer zu Stars. Karl ­Lagerfeld war überall dabei  – als Freund der Familie Arnault, als Multi-Designer, als einer der Väter der Supermodels, schließlich als Star unter den Modemachern. Nun auch mit seinem eigenen Namen. «Damals war Karl noch nicht weltberühmt, aber er war eine sehr charismatische Person», sagt Caroline Lebar, die schon immer «attachée de presse» werden wollte – und über die Jahrzehnte zu einer der wichtigsten Personen in seinem Leben wurde, Modenschauen vorbereitete, Interviews organisierte und den Überblick über seine zahllosen Termine (und Verspätungen) behielt. «Karl brachte Leute zusammen, das war seine Art, Zuneigung zu zeigen», sagt sie. «Wir waren ja fast noch Kinder!» Das klingt so, als meinte sie damit auch Karl, das Kind im besten Mannesalter, das mit geradezu spielerischer Leichtigkeit an all die Aufgaben einer prosperierenden Marke ging. Schon damals zeichnete und las er morgens zu Hause. Am Nachmittag ließ er sich zur Chanel-Zen­ trale an der Rue Cambon fahren; am Abend kam er in die Zentrale von Karl Lagerfeld, die 1992 von den Champs-Elysées an den Boulevard de la Madeleine 14 umzog. Und manchmal musste er noch ein bisschen weiter, nach New York. Denn so weit reichten die Bidermann-Ambitionen. In Manhattan wurde ein Atelier der Marke Karl Lagerfeld gegründet. Von den Bewerbern für die Studioleitung nahm der Modemacher den jüngsten Aspiranten: Eric Wright. Er wurde wichtig als Ideengeber, Stylist und Designer, als Verbindungsmann zu den Lizenzen in Deutschland, als Statthalter bei Fendi. «Karl war wie mein Vater», sagt Wright. «Ich war 24 Jahre alt, als ich 1983 bei ihm zu arbeiten begann.» Und 23 Jahre lang sollte er bei ihm bleiben, zunächst in New York, dann in Paris, schließlich in Rom. Schon für Chloé war Lagerfeld häufig in den Vereinigten Staaten gewesen. Der amerikanische Konzern Elizabeth Arden war der Parfum-Partner, und dort machte man die größten Umsätze. Auch Jacques Lagerfeld

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flog gern nach New York. Nun hatten sie wieder einen Grund. Oft setzte sich Lagerfeld in die Concorde, meist mit Rosemarie Le Gallais, manchmal auch mit seinem Partner, immer mit mehr als einem Dutzend Koffern. Nur gut drei Stunden lang dauerte der Flug. Das Überschallflugzeug war wie ein Symbol für den Überschalldesigner. Pünktlich war er deshalb noch immer nicht: «Einmal saßen schon alle in der Maschine, die schon angelassen war», erinnert sich Rosemarie Le Gallais, «und wir mussten noch eine Viertelstunde auf ihn warten.» Aber die großen New Yorker Pläne scheiterten. Eric Wright sollte sich mit der amerikanischen Linie der Marke auf sportliche Mode konzentrieren. Doch ausgerechnet in dem Segment waren damals schon Ralph Lauren und Calvin Klein erfolgreich. Das Unternehmen war ein Misserfolg, der Lizenzvertrag mit Bidermann Industries U. S. A. endete 1987. Wright wurde nach Paris beordert, denn da gab es genug zu tun, und in Lagerfelds Heimat ebenfalls: «Niemand in Paris wusste, dass wir auch in Deutschland arbeiteten.» Mit Klaus Steilmann aus Wattenscheid, dem damals größten europäischen Bekleidungshersteller, arbeitete der Designer seit 1988 an KL – by Karl Lagerfeld. Eric Wright, der New Yorker, der in Paris lebte, war nun also oft in Wattenscheid. «Es war eine vollkommen andere Welt.» Deutschland fand er so faszinierend, dass er viele Fotos machte, vom Straßenpflaster bis zum Gullydeckel. Die Motive fanden sich auf Schmuckstücken der Marke Karl Lagerfeld wieder. «Karl jonglierte mit seinen Jobs», sagt Caroline Lebar. «Er hatte mehrere Abteilungen in seinem Kopf. Wenn er sich für etwas entschied, dann machte er es richtig. Als wir ihn fragten, wie die Anproben bei Chanel waren, konnte er sich kaum daran erinnern. Zwischen den einzelnen Bereichen waren dicke Mauern.» Er war so ­intensiv bei der Sache, dass er alles andere vergaß, auch die Zeit. ­Unterschiedliche Bereiche zu trennen schärfte seine Konzentration. Ein schönes Beispiel dafür waren die drei Schreibtische in seiner Wohnung: einer für französische Briefe, einer für deutsche, einer für englische.13 Die Marke seines eigenen Namens war eine Art Experimentierfeld, ein Testgebiet für Chanel. Die Ideen flogen nur so durch Paris. Auch Nebentätigkeiten waren produktiv, zum Beispiel seine Arbeit 210

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als Kostümbildner für die Jürgen-Flimm-Inszenierung des «Schwierigen» bei den Salzburger Festspielen im Sommer 1991. Dafür fand Eric Wright auf der Münchner Stoffmesse ein transparentes haut­ farbenes Stretchgewebe. Das gefiel ihnen so gut, dass sie es auch leicht verändert für die Marke Lagerfeld nutzten. Neue Mitarbeiter und Zulieferer konnte er auf diese Art ebenfalls testen. Vom Atelier an den Champs-Elysées  144 gingen Lagerfeld und Wright gerne zum Plattenladen Champs Disques. Auf dem Weg die Prachtstraße hinunter holten sie sich eine große Cola light bei Mc­Donald’s (auf dem Rückweg noch eine), und in dem Plattenladen ließen sie sich von dem jungen Verkäufer Michel Gaubert die neueste Musik erklären. Bis dahin hatten die meisten Marken einen einzigen DJ für Laufstegmusik – und Eric konnte ihn nicht mehr hören. Nun, Ende der achtziger Jahre, fanden die beiden bei Champs Disques in der Abteilung für Underground-Musik im Untergeschoss einen neuen DJ. Bald revolutionierte Michel Gaubert die Laufstegmusik mit seinem eklektischen Mix aus Alt und Neu, aus Strawinsky und Daft Punk – erst bei Lagerfeld, dann bei Chanel, dann bei weiteren großen Modemarken. «Wir waren füreinander gemacht», sagt Gaubert, der ihn schon aus dem Palace kannte. «Er kam oft in den Laden, wusste viel über Musik und hat wie verrückt Platten gesammelt. Er hat alles Neue gekauft. Vergangenes kannte er ohnehin, deshalb war er so neugierig.» Im Herbst 1989 bat ihn der Modemacher in sein Büro, gab ihm die frisch erschienene Platte «House of the Blue Danube» von Malcolm McLaren, und fragte, ob er daraus etwas machen könne. Gaubert legte gleich mit dem DJ Dimitri from Paris los. Statt zu jeder Themengruppe der Schau neue Musik einzuspielen, schufen sie einen durchgehenden Flow: «Wir haben Soul mit House, Bizet mit Soul oder ­Pavarotti mit House gemischt. Es war ein wilder Mix.» Nach der Modenschau fragten die Gäste: «Was war denn das?»14 Das war die Schau eines Modemachers, der offen war für neue Ideen und neue Menschen. «Er erkannte die Fähigkeiten von Leuten schneller als sie selbst», sagt Caroline Lebar. «Karl sah in Michel den Musikproduzenten der Zukunft für Modenschauen.» Er habe nicht geurteilt, meint Eric Wright. «Er nahm die Leute, wie sie waren.» Es Lagerfeld

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war Lagerfeld zum Beispiel auch egal, dass sein Assistent ein Schwarzer ist. «Er war beruflich und privat inklusiv, mehr als jeder andere», sagt Wright. «Was er für mich als Schwarzen getan hat – das hat sonst niemand getan.» Die distinktionssüchtige Modeszene zeigte nämlich Abstoßungsreaktionen gegen den jungen Mann, der aus New York kam: «Es gab Leute, die mich nicht in Paris haben wollten.» Der großzügige Lagerfeld schenkte großzügig Vertrauen. Das ­motivierte die Mitarbeiter ungemein. Und es half ihm dabei, seine Aufgaben zu delegieren. Wie sein Vater, der Hunderte Mitarbeiter an mehreren Orten dirigierte, so nutzte auch er die Vorteile der arbeitsteiligen Gesellschaft in einem gut austarierten Verhältnis von Vertrauen und Kontrolle. Weil er nur zeichnete und nicht selbst drapierte, musste er sich zum Beispiel blind auf Eric Wright, Virginie ­Viard und seine treueste Schneiderin Anita Briey verlassen. Sie saßen schon morgens im Atelier bei den Anproben – während er zu Hause schon eine ganz andere Kollektion zeichnete. Die Spezialisierung des modernen Arbeitslebens, die passgenaue Aufteilung der Arbeitsinhalte, funktionierte bei ihm auch deshalb so gut, weil er ein unglaublich intensiver Kommunikator war, mit schnellen Urteilen, präzisen Angaben, großer Aufnahmefähigkeit – und geringer Bereitschaft für Diskussionen, Beschwerden, Sitzungen. Jeder seiner Mitarbeiter wusste, dass es schnell vorbei sein konnte. «Nur wenn ein Damoklesschwert über dem Kopf der Leute hängt, läuft der Laden», sagte er einmal.15 Wenn er enttäuscht war, wenn ­jemand zu viel verlangte oder zu wenig gab, dann kippte das Verhältnis, dann war die Trennung radikal. Das erfuhr die Kollektions-­ Managerin Céline Toledano im Herbst 1993. Nach zehn Jahren kühlte ihre Begeisterung für seine Mode ab. Lagerfeld spürte, dass sie seine Entwürfe nicht mehr mochte. Und sie spürte, dass Lagerfeld es spürte, denn er beschenkte sie nun nicht mehr nur wöchentlich, sondern täglich mit Büchern, Blumen oder CDs mit klassischer Musik, die ihr so gut gefiel. Im September 1993 saß das Lagerfeld-Team im Studio an der ­Madeleine bei Anproben zusammen. Nur wenige hundert Meter entfernt vom Atelier, an der Place de la Concorde, war 200 Jahre zuvor, am 16. Oktober 1793, Marie Antoinette hingerichtet worden. Nun 212

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ging es um eine Kollektion im Stil der ehemaligen Königin. Lagerfeld zeichnete nacheinander Porträts der Anwesenden auf einen Block, ­jeweils mit Marie-Antoinette-Perücke. Als Céline Toledano an der Reihe war, zeichnete er eine Hand, die ihren abgeschlagenen Kopf am Haarschopf festhält. Das Damoklesschwert hatte zugeschlagen, ganz im Stil des 18. Jahrhunderts, das Lagerfeld so liebte.16 «Er vergab viel», sagt Sophie de Langlade, die ihn 1975 als junge «Vogue»-Redakteurin kennenlernte und seit 1983 bei Chanel und nach einem Dior-Zwischenaufenthalt seit 1986 bei der Marke Karl Lagerfeld arbeitete. «Aber wenn es vorbei war, dann war es vorbei.»17 Der so feinsinnige Lagerfeld, der fröhlich und freundlich zu jedermann war, beendete Beziehungen unglaublich radikal: «Ich kann da nicht lange fackeln», sagte er einmal. «Meine Leute kennen meine Erwartungen.»18 Als er Céline Toledano später einmal in Paris von ferne auf der Straße sah, wechselte er die Straßenseite. «In verschiedenen Perioden haben ihn unterschiedliche Menschen beeinflusst», sagt Eric Wright. «Er tauschte die Leute aus, weil er ­immer weiter ging. Er wusste immer genau, was er wollte.» 2005 war auch Eric Wright an der Reihe. «Ich wusste schon lange, dass es ­irgendwann enden würde», sagt er. «Ich hatte schon viele seiner Trennungen gesehen, von Inès de la Fressange, Claudia Schiffer, Céline ­Toledano und Gilles Dufour bei Chanel. Ich wollte mich nicht selbst von ihm trennen, um nicht als untreu zu gelten. Es lag eine Spannung in der Luft. Da bot er mir eine Aufgabe an, die ich nicht annehmen konnte. Also habe ich den Vertrag nicht unterschrieben.» Wright ging, wechselte in die Herrenmode, um nicht mit seinem alten Chef verglichen zu werden, und arbeitete für Trussardi, Roberto Cavalli und auch für Mafalda von Hessen, die ehemalige Giorgio-ArmaniMuse, die einige Jahre in Rom eine Modemarke betrieb. Der Bidermann-Konzern verkaufte die Lagerfeld-Rechte 1987 an Cora-Revillon. Innerhalb dieses Luxusgüterkonzerns hatte die Marke Karl Lagerfeld volle Autonomie, und das Geschäft lief gut. Ralph ­Toledano, der 1985 als Geschäftsführer gekommen war, hatte es mit seinem kleinen Team geschafft, Karls Energien zu kanalisieren. Dieser Mann brauchte eine kaufmännische Leitung, wie er sie auch von Chloé und Chanel kannte. 1989 erreichte Karl Lagerfeld die GewinnLagerfeld

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zone, seit 1990 war die Marke profitabel.19 Aber 1992 wurde Karl Lagerfeld weitergereicht, an das britische Luxuswarenunternehmen ­ Dunhill, das schließlich über die Vendôme-Gruppe im RichemontKonzern aufging. Dunhill hatte eine Bedingung für den Kauf: Lagerfeld sollte als Designer zu der Marke Chloé zurückkehren, die schon zu Dunhill gehörte und nicht mehr so erfolgreich war. Das war der Grund, warum er 1992 wieder Chloé-Designer wurde. In den fünf Jahren bis 1997 stellte Karl Lagerfeld einen einsamen Rekord in der Modewelt auf: In jeder Prêt-à-Porter-Saison bestritt er gleich vier Schauen, Chanel, Chloé und Karl Lagerfeld in Paris sowie Fendi in Mailand. Nun wurde das Durcheinander größer. Die Gespräche in Paris schwirrten nur so hin und her. Assistent Arnaud Maillard erinnert sich an die Anrufe zwischen Chloé, Chanel und Lagerfeld so: «Ist er bei Ihnen?» – «Nein. Wir dachten, er wäre noch bei Ihnen.» – «Rufen Sie uns an, sobald er kommt.» – «Und bei Chloé?» – «Zu spät. Er ist schon weg. Wir sprechen uns …»20 Bei der Marke Karl Lagerfeld wurde es nun komplizierter. Erstens konnte sich der Designer nicht mehr so intensiv darum kümmern. Und zweitens musste sein Geschäftsführer Ralph Toledano plötzlich an Mounir Moufarrige berichten, den CEO von Chloé. Toledano fühlte sich zurückgesetzt und folgte 1994 seiner Frau Céline, die ein Jahr zuvor gegangen war. Seit 1996 schrieb Karl Lagerfeld rote Zahlen. Als Lagerfelds Vertrag bei Chloé 1997 auslief, gab Richemont die Marke an Lagerfeld selbst zurück. Die Marke Chloé hingegen behielt der von Johan Rupert gegründete Schweizer Konzern. Jetzt probierte es Karl Lagerfeld in eigener Regie mit neuem Konzept. 1998 brachte er Lagerfeld Gallery heraus, eine kleinere Kollektion. Die dazugehörigen Boutiquen an der Rue de Seine in Paris und in Monaco waren mit ihrem gemischten Angebot von Mode, Büchern und Fotos schon eine Art «Concept Store». Lagerfeld Gallery stand zwar oft auf dem Schauenplan, aber der Stil konnte die meisten Kritiker nicht überzeugen. Im Vergleich zum Chanel-Lagerfeld wirkte der Lagerfeld-Lagerfeld trotz origineller Ideen weniger exklusiv, nicht so geschmackvoll, irgendwie billig. «Sein eigener Name war ihm egal», sagt sein ehemaliger Mitarbeiter Pascal Brault. «Er war eben ein guter Söldner.»21 214

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Auch das Galerie-Konzept zog nicht. Am besten wurde dort Ende der Neunziger die Baguette-Tasche von Fendi verkauft. Seine eigene Mode sank ins Untergeschoss und in die Bedeutungslosigkeit. Und wenn etwas nicht funktionierte, dann fand er es bald langweilig. ­Außerdem hatte er längst eine neue Geschäftsidee: Er eröffnete an der Rue de Lille 7 den Buchladen 7L mit einem riesigen Fotostudio dahinter. Und er bereitete sich 1999 auf die große Auktion seiner Kunstwerke und Möbel vor. Vermutlich hatte er einfach viel zu viel zu tun. Erst spät wurde es doch noch etwas mit der eigenen Marke. Das hatte mehrere Gründe: Er selbst war durch seine Diät seit 2001 zu einer Werbefigur geworden; seine H&M-Kollektion 2004 machte ihn weltberühmt; und Tommy Hilfiger, der wusste, wie es geht, machte Lagerfeld auf das Potential seines Namens aufmerksam.22 Hilfigers Modekonzern kaufte Lagerfeld 2005, und nun kam die Marke über einige Umwege doch noch in die Hände professioneller Anteilseigner.23 Lagerfeld selbst war weiter mit null Prozent an Lagerfeld beteiligt. Auch bei seiner eigenen Marke blieb er nur ein Söldner. Er war glücklich damit, denn er blieb frei – und verdiente trotzdem gut. Ein Grund für den späten Erfolg war der Deutsch-Italiener Pier Paolo Righi, der seit September 2011 bei der Karl Lagerfeld Inter­ national B. V. mit Hauptsitz in Amsterdam die Geschäfte führte. Mit ihm sprach er Deutsch, ihm vertraute er. 2019 sahen die Zahlen gut aus: 150 Läden (etwa zur Hälfte Franchise-Stores), 450 Mitarbeiter, Marken-Jahresumsatz von einer halbe Milliarde Euro, unter anderem mit Lizenzen für Schuhe, Brillen, Uhren, Schmuck, Düfte, Herrenmode.24 In den Jahren vor Lagerfelds Tod (und im Jahr danach) wuchs das Unternehmen stets um 30 Prozent oder mehr. In den letzten drei Jahren seines Lebens hatte er also mit seinen Investoren das Geschäft verdoppelt  – ein später Triumph. Die prächtige neue Firmenzentrale, eine ehemalige Bank aus dem 17. Jahrhundert an der Herengracht  182 in Amsterdam, sah er Ende 2018 noch im Rohbau.25 Bisher galten in der Mode Yves Saint Laurent und Pierre Bergé, Tom Ford und Domenico de Sole, Marc Jacobs und Robert Duffy, Alessandro Michele und Marco Bizzarri als Beispiele für eine ge­ lungene Zusammenarbeit zwischen Designern und Managern. Nun Lagerfeld

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konnte sich Lagerfeld da einreihen. Nach Ralph Toledano in den achtziger Jahren hatte er nun endlich wieder einen passenden Geschäftsführer. «Wir haben hier einen großen Nachlass», sagt Righi. «Für uns ist das ein einzigartiger Fundus. Alle Entwürfe seit 2006 sind fotografiert, archiviert, gut gelagert.» Chefdesigner Hun Kim, der seit 2015 mit Lagerfeld zusammengearbeitet hatte, kennt seine modischen Codes. «Unser Logo ist seine Silhouette», sagt er. «Andere Marken haben einen Polospieler oder ein Krokodil – aber den Schattenriss eines Kopfs als Markenzeichen gibt es sonst nirgends.»26 Als Marke lebt Karl Lagerfeld weiter – fast so wie Coco Chanel, Christian Dior oder Yves Saint Laurent, aber viel preiswerter, viel jünger, mit mehr Logos und geringerem Prestige. Eine Bikerjacke für 795 Euro, ein Trenchcoat für 495 Euro, eine Nadelstreifentunika für 195 Euro, ein T-Shirt für 89 Euro: Das bedeutet auch eine geringere Gewinnspanne als bei den astronomischen Preisen des Prêt-à-Porter de luxe oder gar der Haute Couture. Die Produkte und die Selbstdarstellung der Marke sind jünger als der Luxusmarkt, mit vielen Followern auf Social Media und vielen Kunden im Alter zwischen 25 und 35 Jahren. Carine Roitfeld, die frühere Chefredakteurin der französischen «Vogue», und Sébastien Jondeau, sein Leibwächter und Vertrauter, sollten den Namen wie Markenbotschafter weiter mit Leben füllen. In der Pariser Dépendance des Unternehmens an der Rue SaintGuillaume erinnert viel an ihn. Noch Monate nach seinem Tod liegt dort auf seinem Tisch das Handwerkszeug so, wie er es Mitte Januar 2019 nach den letzten Anproben zurückgelassen hatte: wasserfeste Wachspastelle von Caran d’Ache, Prismacolor-Künstlerfarbstifte auf Wachsbasis, ein Zwanziger-Set Akashiya-Sai-Aquarell-Pinselstifte, ein Block mit leeren Seiten, Schere, Fingerhut, Klammern, Nadeln und ein milchigweißes Kristallglas aus seiner Kollektion für den schwedischen Glashersteller Orrefors. An den Wänden noch Zeichnungen für Herbst und Winter 2019. Die Anweisungen auf den Skizzen lassen seinen Stil erahnen: «chemise à poches» für ein weißes Hemd mit Taschen, «partie detachée» für ein abtrennbares Teil, «col haut» für einen hohen Kragen.

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Als käme er gleich wieder herein: Noch Monate nach seinem Tod liegt in der Pariser Zentrale der Marke Karl Lagerfeld auf seinem Schreibtisch alles für den Modeschöpfer bereit.

Chanel Seine Berufung war eine Geheimoperation. Kitty D’Alessio, die Chefin des Amerika-Geschäfts von Chanel, hatte den Designer schon vor langer Zeit entdeckt. Sie mochte seine Chloé-Kollektionen, und sie mochte auch seine virtuose Art. Wenn Karl Lagerfeld im The Pierre in New York abstieg, standen im Hotelzimmer schon Blumen und Geschenke von ihr. «Sie hat alles gemacht, um diesen Mann zu verführen», sagt Rosemarie Le Gallais.27 Die Managerin sollte Erfolg damit haben. Aber so ganz leicht ließ er sich nicht gewinnen. Inzwischen wusste er, was er wert war. Es begannen geheime Verhandlungen. Lagerfeld wollte nicht, dass er gesehen wird, wie er in Paris in die Chanel-­ Zentrale spaziert.28 Also lud man ihn 1982 zum Kennenlern-Dinner mit Alain Wertheimer nach London ein. Kitty D’Alessio flog aus New York herbei, Lagerfeld mit Rosemarie Le Gallais aus Paris. Wertheimer und Lagerfeld verstanden sich sofort. «Alain und sein Bruder Gérard Wertheimer sind trotz ihres Reichtums bodenständig und nett», sagt Le Gallais. «Deshalb passten sie gut zu Karl.» Im September 1982 teilte Chanel mit, Lagerfeld werde im Januar 1983 seine erste Couture-Kollektion für das Haus präsentieren. In der Modeszene war das eine Überraschung. Ein Deutscher in einem Pariser Haus mit jüdischen Besitzern? Bei einer Marke, deren Gründerin sich mit den deutschen Besatzern eingelassen hatte? Ein Couture-­ Designer, der bislang nur für Prêt-à-Porter-Mode bekannt war? «Jeder dachte, das sei eine falsche Entscheidung», sagte Alain Wertheimer, «außer den Leuten, die es entschieden haben.»29 Chloé-Chefin Gaby Aghion fühlte sich hintergangen von den Designern, die bei ihr das Handwerk gelernt hatten, um dann den «Sirenenrufen der Couture» zu folgen.30 Dabei ging es ihm nicht um die Couture, sondern vor allem um die Herausforderung. Lagerfeld sah sich als Vorreiter. Damals gab es noch keine Ausländer als Chefdesigner großer Pariser Marken, wie er selbst einmal bemerkte.31 Erst in den neunziger Jahren griff diese Mode um sich – unter anderen mit Gianfranco Ferré und John Gal­ 218

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liano (Dior), Alexander McQueen (Givenchy), Marc Jacobs (Louis Vuitton), Michael Kors (Céline) oder Stella McCartney (Chloé). Der Name Chanel sei als erster als Marke wiedergeboren worden, schreibt Lagerfeld im Vorwort zu einem Bildband mit Coco-Chanel-Fotos. «Viele weitere folgten.»32 Die Zeit war reif: Chanel hatte eine starke Vergangenheit – und eine schwache Gegenwart. Aber auf den Klassikern der Marke ließ sich aufbauen. Denn Gabrielle Chasnel, die ihren Namen später so vereinfachte wie ihre Mode, machte Frauen das Leben leichter. Die Modemacherin, 1883 in bescheidene Verhältnisse geboren, musste schon früh selbständig werden. Als sie zwölf Jahre alt war, starb ihre Mutter, und mit ihrer älteren Schwester kam sie 1895 ins Waisenhaus eines Nonnenklosters in Aubazines im Département Corrèze. Dort lernte sie nähen. Die strengen Linien der Romanik prägten ihren eigenen Stil, in dem Form und Funktion schließlich glücklich zusammenfanden. Die Mode der Belle Époque mit den ausladenden Hüten und den einengenden Kleidern lehnte die freiheitsliebende Gabrielle ab. Mit 18 Jahren verließ sie das Waisenhaus, ging ins Pensionat Notre-Dame in Moulins in der Auvergne und begann mit 20  Jahren, in einem ­Geschäft für Aussteuer und Babyartikel zu arbeiten, zunächst als ­Verkäuferin, dann auch als Näherin.33 Außerdem trat sie in Moulins im Pavillon de la Rotonde bei «café-concerts» auf. Weil sie angeblich gerne die Lieder «Qui qu’a vu Coco?» und «Ko-Ko-Ri-Ko» sang, nannten die Soldaten der Garnisonstadt sie bald schlicht Coco. Die ehrgeizige junge Frau lernte 1906 den Offizier Étienne Balsan kennen, den reichen Erben einer Textildynastie, und wurde zu seiner Mätresse. Auf seinem Anwesen Royallieu bereitete sie sich auf ihre Bestimmung vor, die besseren Kreise auszustatten: Sie lernte Reiten, trieb Sport, traf die Schönen und Reichen – und entdeckte einen Kleidungsstil, der zu diesem Lebensstil passte und zum «Grundprinzip ­ihrer Kunst» werden sollte: «die Abwandlung der Herrengarderobe für den weiblichen Gebrauch».34 Wie sie ihre Phantasie mit Hüten auslebte, das lässt sich in Karl Lagerfelds Chanel-Werbefilm «Once Upon A Time …» erkennen, den er 2013 zum hundertjährigen Jubiläum der Marke drehte. In dem Chanel

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Schwarz-Weiß-Film laufen zwei Dienstmädchen an dem frisch eröffneten Hutgeschäft «Gabrielle Chanel» in Deauville vorbei: «Wie schrecklich!» – «Wer ist diese Gabrielle Chanel?» – «Keine Ahnung, aber sie hat keinen Geschmack!» Gabrielle, gespielt von Keira Knightley, wartet erst vergeblich auf Kunden – und turtelt in der Zwischenzeit mit dem Briten Arthur («Boy») Capel, der sie ebenfalls bei ihren Geschäften unterstützte. Die Eröffnung des Geschäfts in Deauville gilt als Geburtsstunde der Marke Chanel – obwohl sie schon vorher in Paris ein Atelier eröffnet hatte, sogar an der Rue Cambon, Nummer 21.35 Schon während des Ersten Weltkriegs hatte sie dank frischem Auftreten und frauenfreundlicher Mode schnellen Erfolg. Madeleine Vionnet und Paul Poiret mochten vorher das Korsett abgeschafft haben. Aber sie machte den neuen Stil mit lockeren Jerseykleidern noch bekannter. In Lagerfelds Film sagt sie selbstbewusst: «Ich hasse Poiret!» Für Karl Lagerfeld war Coco Chanel nicht nur als Mode-Revolutionärin eine reizvolle Leitfigur. Er mochte sie auch als selbständige Frau mit lockerem Mundwerk, die sich von Männern nicht viel sagen ließ. Als er seit 1982 intensiv ihr Leben und Werk studierte, musste sie ihn an seine Mutter erinnern, die wenige Jahre zuvor gestorben war. Auch Elisabeth Bahlmann war ein Mädchen aus der Provinz, das es in die Großstadt trieb, das für die Rechte von Frauen stritt und in den Modesalons der zwanziger Jahre arbeitete. Chanel war für ihn so ­etwas wie die Erfüllung einer biographischen Mission: Seine Mutter, 14 Jahre jünger als Coco Chanel, brach ihre Karriere als Direktrice in Berlin ab. Er arbeitete nun im Sinne einer Legende, die seiner Mutter glich wie ein Chanel-Kostüm dem anderen: mit ihrer Kurzhaarfrisur, dem skeptischen Blick, den scharfzüngigen Bemerkungen und dem ­feministischen Impuls. Die junge Elisabeth Bahlmann wäre eine gute Kundin gewesen. Denn diese Mode war in den zehner und zwanziger Jahren revolutionär. Die Chanel-Frauen trugen bequeme Röcke, lockere Hosen und Marinepullover. «Mademoiselle», wie sie noch im hohen Alter genannt wurde, hielt sich zugute, die Frau gewissermaßen eigenhändig befreit zu haben. Und sie wurde selbst «das Sinnbild einer modernen, selbstbewussten und unabhängigen Frau».36 Zwischen den Kriegen erfand 220

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sie in schneller Folge viele Markenzeichen: den Canotier, also den flachen Strohhut, die Bikolor-Slingbacks, also die beigefarbenen Riemchenschuhe mit mittelhohem Absatz und schwarzer Kappe, das Kleine Schwarze, also ein modernes Cocktail-Seidenkleid, außerdem Taschen aus gestepptem Leder und preiswerten Modeschmuck. Von den Männern entlehnte sie schließlich die Idee für eine Jacke mit farbiger Borte und aufgesetzten Taschen, die mit einem leicht ausgestellten knie­ langen Rock zum Modeklassiker wurde: dem Chanel-Kostüm. Karl Lagerfeld hatte sich in jungen Jahren lustig gemacht über den konservativ wirkenden Ansatz der alten Dame. Beim Frühstück im Ritz unterhielt er sich Ende der fünfziger Jahre mit seiner Freundin Victoire über Coco Chanel, die bis zu ihrem Tod in einer Suite in dem Hotel lebte, das rückseitig schräg gegenüber der Chanel-Zentrale liegt: «Sie muss das Wort sexy hassen, oder?»37 Die maliziöse Frage schloss an den schlechten Ruf an, den Coco Chanel damals hatte – schon aus modischen Gründen, denn sie verabscheute Jeans und ­Minirock, ihr Stil war nicht mehr unbedingt jugendlich, sie selbst ein «has-been oracle of style and fashion», wie Lagerfeld später schrieb, also eine Seherin von gestern, die letzten Jahre «getrübt von Schwermut und Verbitterung».38 Noch schlimmer waren ihre biographischen Makel. Die Beziehung während des Zweiten Weltkriegs zu dem deutschen Diplomaten Hans Günther von Dincklage, dem Sonderbeauftragten des Reichs­ sicherheitshauptamtes in Frankreich, konnte ihr die französische ­Öffentlichkeit nur schwer verzeihen. Im Ritz, wo deutsche Offiziere einquartiert waren, lernte sie ihn 1940 kennen. Sie arbeitete mit den deutschen Besatzern zusammen und plante laut dem amerikanischen Autor Hal Vaughan sogar mit dem SS-Offizier Walter Schellenberg 1944 die «Operation Modellhut».39 Durch den Herzog von Westminster, mit dem sie Ende der zwanziger Jahre zusammengewesen war, kannte sie Winston Churchill. In der geheimen Mission sollte sie den britischen Premierminister nun zu Gesprächen mit den Deutschen über einen Frieden überreden, was aber scheiterte. Nach dem Ende der deutschen Besatzung wurde sie im September 1944 im Ritz als Kollaborateurin festgenommen – und nach wenigen Stunden wieder freigelassen. Chanel

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Noch etwas machte sie den Franzosen verhasst. Ihr Geschäftspartner Pierre Wertheimer, der 1924 die Parfümsparte von Chanel mehrheitlich übernommen hatte, musste 1940 als Jude vor den Nazis in die Vereinigten Staaten flüchten. Die durchaus antisemitische Modemacherin versuchte doch wirklich, durch «Arisierung» die Sparte «Parfums Chanel» wieder an sich zu reißen. Wertheimer war aber so klug gewesen, seine Anteile treuhänderisch einem Freund zu übertragen, dem Industriellen Félix Amiot, der sie nach dem Krieg wieder an ihn zurückgab.40 Kein Wunder, dass die Modemacherin gleich nach der Besatzungszeit für acht Jahre in die Schweiz zog, nach Lausanne. Erst 1954 begann sie wieder mit der Mode – und brachte als Gegenentwurf zu Christian Diors Wespentaillen ihren kastigen Stil nach ­Paris. Als Coco Chanel 1971 gestorben war, wurde das Haus mehr schlecht als recht verwaltet. Zwei ehemalige Mitarbeiter der Designerin, Yvonne Dudel und Jean Cazauban, setzten die Couture-Kollek­ tionen fort. «Aber die starben in Ehrfurcht», sagt Marietta Andreae, die seit 1976 Pressechefin von Chanel für Deutschland und Österreich war.41 Die Mode habe damals in dem Haus keine große Rolle gespielt. Die meisten Einnahmen stammten von den Parfums, vor ­allem von Chanel No 5, dem wohl bekanntesten Duft der Welt. Die Schauen in der Zentrale an der Rue Cambon rissen die Besucher nicht von den goldenen Stühlchen. «Das Chanel-Kostüm», so erinnert sich Andreae, «wurde einmal in Dunkelblau mit bordeauxfar­ bener Borte und einmal in Bordeaux mit dunkelblauer Borte ange­ boten.» Sophie de Langlade, in den Siebzigern Jungredakteurin bei der französischen «Vogue», erinnert sich an die Frage, die jede Saison in der Redaktion aufkam: «Wer geht zu Chanel?» Die einhellige Antwort der Redakteurinnen: «Moi non!»42 «Chanel war tot. Da passierte nichts mehr», sagte Alain Wertheimer selbst.43 Der Geschäftsmann, geboren 1948, und sein Bruder Gérard Wertheimer, geboren 1950, die Enkel von Pierre Wertheimer, waren jung genug, etwas zu wagen. Es war durchaus riskant, einem so selbstbewussten Designer die kreative Leitung anzuvertrauen, denn sie mussten ihm große Freiheiten gewähren. Und er verlangte viel. Angeblich bekam er schon damals eine Million Dollar pro Jahr, 222

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plus Kleider im Wert von 100 000 Dollar, die er an Redakteurinnen und Freundinnen verschenkte, wie Ira von Fürstenberg oder Jacqueline Brynner, die damalige Frau des Schauspielers Yul Brynner.44 Die beiden Eigner mussten ihm viel zugestehen – und hielten sich über die dreieinhalb Jahrzehnte der Zusammenarbeit klug zurück. Ein vielsagendes Zeichen dafür: Bei den Chanel-Modenschauen sitzen sie meist hinten im Publikum, oft Reihe vier oder fünf, um nicht in den Fokus der Society-Fotografen zu geraten. Am Ende der Schau gingen sie schnell durch den Backstage-Eingang zu Lagerfeld, um ihm zu gratulieren und dann hinauszueilen. Lagerfeld fühlte sich wohl mit ihnen: «Es gibt nur ein göttliches Wesen im gesamten Modegeschäft», sagte er, «und das ist Alain Wertheimer.»45 Am 25. Januar 1983 begann seine Mission. Isabelle ­Adjani, Palo­ma Picasso, Claude Pompidou, Andrée Putman und all die anderen Gäste sahen im Stammhaus moderne Kleider, gut geschnitten, mit drama­ tischen Effekten, bauschigen Plissees, nicht pastellfarben, nicht beige, sondern mit Kontrasten, viel Schwarz, Weiß, Marine, Rot. Die Reaktionen auf seine erste Chanel-Couture-Kollektion waren durchwachsen, fast so wie bei Coco Chanels Rückkehr 1954. Aber es wurde schnell besser: «Der Erfolg», so stellte er selbst fest, «begann mit meiner zweiten Saison.»46 Karl Lagerfeld war auf der Höhe seiner Kunst. Er war schon sehr erfahren und noch sehr ehrgeizig, er sprudelte nur so vor Ideen, drückte sich stilistisch vielfältig aus, setzte die Mitarbeiter gut ein, ­organisierte die Ateliers, arrangierte sich mit den Geldgebern und machte Kundinnen neugierig. Denn so etwas hatte die Modewelt seit der Premiere von Yves Saint Laurent bei Dior im Jahr 1958 noch nicht gesehen: dass jemand die einzelnen Elemente eines typischen Stils verwendet, um sie kühn mit ganz anderen Elementen zu konterkarieren. So souverän muss man erst einmal sein: Er nahm die Tradition ernst und verspottete sie doch. Mal stellte er den Rock weit aus, mal flatterte der Tweed in Fransen, mal trugen die Models zum Kostüm ein bauchfreies Shirt, mal eine hochgeschlossene Bluse, mal zog er ihnen hohe weiße Stiefel an, mal ließ er sie barfuß laufen, mal trugen sie Perlenkaskaden, mal ­dicke goldene Ketten wie Rapper. «Es war aufregend», erinnert sich Chanel

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seine Vertraute Marietta Andreae. «Der Wandel war greifbar, der ­Andrang zu den Schauen wurde größer.» Bei dem Imagewandel half auch das exklusiv verpflichtete Model Inès de la Fressange, die wie so viele Mannequins in der Nachkriegszeit adelig war, also für Tradition stand, und zugleich mit ihrer spontanen Art, ihren lockeren Auftritten und ihren witzigen Sprüchen das Bild der Marke verjüngte. Zunächst kümmerte sich Lagerfeld nur um die Couture. Denn sein Chloé-Vertrag verbot es ihm bis 1984, für eine andere Marke in Frankreich Prêt-à-Porter-Mode zu entwerfen. Also verantwortete anfangs Hervé Léger, sein Fendi-Assistent, das Prêt-à-Porter. Offi­ ziell zumindest, denn Lagerfeld war mal wieder überall dabei. «Spät am Abend, wenn er seine Arbeit bei der Marke Karl Lagerfeld be­ endet hatte, kam er im Schutz der Dunkelheit wieder zu Chanel», sagt Eva Campocasso, die damals für die Prêt-à-Porter-Accessoires verantwortlich war. «Er brachte frisches Sushi mit – und wir konnten endlich mit dem Essen und den heimlichen Anproben beginnen.»47 Der Beginn war nicht leicht. Denn es gab Differenzen zwischen den Chanel-Angestellten und der Lagerfeld-Fraktion. Die Alteingesessenen ärgerte es, dass er in seiner ersten Couture-Kollektion auf die zwanziger und dreißiger Jahre anspielte und nicht auf Coco Chanels späte Jahre, die viele von ihnen noch miterlebt hatten. Und Eva Campocasso erinnert sich, dass ihr ein Chanel-Mitarbeiter entsetzt dabei zusah, wie sie für eine der ersten Kollektionen mit der Schere die halben Finger von Lederhandschuhen abschnitt. Was für ein ­Sakrileg! Sogar Chanel wurde jetzt von der Punk-Bewegung beeinflusst, die von London nach Paris gekommen war. Den Konservativen im Haus gefielen auch die Taschen mit großen Doppel-C-Logos nicht, die nun auch hier die Logomanie der achtziger Jahre einläu­ teten. Mit seiner Personalpolitik eckte Lagerfeld ebenfalls an. Er hatte Hervé Léger und Eva Campocasso mitgebracht, den Anzugschneider Paquito Sala, den er schon seit Balmain-Zeiten kannte, und das frühere Model Mercedes Robirosa. «Ich arbeite wie die Kommunistische Partei», scherzte er im Gespräch mit «Women’s Wear Daily» vor seiner ersten Schau. «Ich bringe meine eigenen Leute mit und setze sie 224

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Wie es ihm gefiel: Karl Lagerfeld interpretierte Chanel so frei, dass immer wieder Überraschungen dabei herauskamen, im März 2006 zum Beispiel Overknee-Stiefel.

überall hin.»48 Die Konflikte zogen sich teils durch Jahrzehnte. Alain Wertheimer wollte, dass seine beiden obersten Kreativen zusammenarbeiten: Karl Lagerfeld und Jacques Helleu, Directeur Artistique für Parfums, Kosmetik, Uhren, Echtschmuck, der Sohn des Malers und Coco-Chanel-Vertrauten Jean Helleu. Aber dazu kam es nie. Helleu schien neidisch zu sein auf den Erfolg seines Mitstreiters. «Die Mauer zwischen der Parfum- und der Modesparte ist höher als die Berliner Mauer», sagte Lagerfeld einmal zu seinem Verleger Gerhard Steidl.49 Auch gegen die Accessoire-Designerin Frances Stein, ein altes ChanelGewächs mit Büro unterm Dach, glaubte er bestehen zu müssen. Er fertigte sie mit einem seiner üblichen Namenswitze ab: Aus Frances Stein wurde «Frankenstein».50 Im Oktober 1985 erschien er nach der Prêt-à-Porter-Schau nicht vor dem Publikum. Denn er war in Vertragsverhandlungen. Statt eine Million Dollar im Jahr verlangte Lagerfeld von Alain Wertheimer angeblich eine Million pro Kollektion. Indem er nicht auf den Laufsteg trat, sondern wortlos verschwand, übte er laut Alicia Drake Druck Chanel

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aus, denn nun kamen Gerüchte auf, er könnte Chanel schon wieder verlassen. Wertheimer gab nach, Chanel widersprach den Gerüchten, und Lagerfeld bekam mehr Geld.51 Je besser die Geschäfte liefen, desto mehr sollte sich die Summe über die Jahrzehnte erhöhen. Als er 2011 gefragt wurde, ob die zehn Millionen Dollar im Jahr, die Marc Jacobs angeblich verlangte, um zu Dior zu gehen, nicht hoch gegriffen seien, antwortete er vielsagend: «Kommt drauf an. Es gibt noch Teurere. Die bringen aber auch noch mehr ein.»52 Fachleute vermuten, dass Lagerfeld in seinen letzten Jahren allein von Chanel mehr als 20  Millionen Euro pro Jahr bezog, von Fendi um die zehn Millionen und von der Marke seines Namens eine mittlere einstellige Millionensumme. Wenn sich sein Gespür für Mode seiner Mutter verdankte – so hatte er sich seinen Sinn für harte Verhandlungen von seinem Vater abgeschaut, dem hanseatischen Kaufmann. Der Anspruch an sich selbst und an seine Mitarbeiter war über­ lebensgroß. Wenn jemand nicht nach seinen Vorstellungen arbeitete, reagierte der Meister dünnhäutig. Das musste Madame Colette erfahren. Sie leitete das Flou-Atelier der Haute Couture, war also für die leichten Stoffe, Drapierungen und Kleider zuständig.53 In der Couture-Schau im Juli 1990 gab es eine Panne beim Auftritt von Christy Turlington und Linda Evangelista  – ausgerechnet. Denn die beiden gehörten seit dem von Peter Lindbergh fotografierten legendären ­Cover der britischen «Vogue» vom Januar 1990 neben Naomi Campbell, Tatjana Patitz und Cindy Crawford zu den Supermodels, die nun die Modelszene ein Jahrzehnt lang dominieren sollten. Als Christy und Linda nach vorne marschierten, tat sich ein kleiner Skandal auf. Die Schöße der Gehröcke waren vorne nicht geschlossen. Daher sah man nicht nur, wie geplant, die Overknee-Stiefel, sondern sogar die Schlüpfer der beiden. «Karl war außer sich vor Wut», schreibt seine damalige Assistentin Natasha Fraser-Cavassoni.54 Dabei fand sogar Lagerfelds Freundin Caroline von Monaco diesen Einblick eher ­komisch als schlimm. Er aber kannte keine Gnade: Madame Colette musste gehen, und zwar sofort. Die Außenwelt bekam davon nichts mit, der schöne Schein blieb gewahrt. Die Couture-Mode war ein Ausweis von Noblesse. Zu den 226

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Kundinnen zählte schon Anfang der Achtziger Gloria von Thurn und Taxis aus Regensburg, die 1980 Johannes von Thurn und Taxis ge­ heiratet hatte, einen der reichsten Deutschen. Damals gab es in der Couture nur sehr wenige deutsche Kundinnen. «Aber wenn man in einer gewissen Liga mitspielen wollte, musste man zum Beispiel bei einem eleganten Dinner Couture tragen.» Also fuhr sie nach Paris. «Mir hat an ihm gefallen, dass er sehr lustig und direkt war. Und er war noch ein bisschen geselliger als später, als er sich auch durch das Abnehmen veränderte.»55 Im Salon an der Rue Cambon war während der Couture-Woche oft auch André Leon Talley, Lagerfelds Freund von der amerikanischen «Vogue». «Man ging gerne dorthin», sagt Gloria, die über die Jahre eine große Couture-Garderobe ansammelte. «War André da, waren die Frauen glücklich und haben viel gekauft.» Den Modeschöpfer selbst bekam man nicht oft zu sehen. «Anders als bei Christian Lacroix oder Hubert de Givenchy, bei denen ich auch Couture kaufte, kümmerte sich Karl nicht direkt um die Kundinnen. Das machten die Damen im Salon.» Karl Lagerfeld kam es nicht darauf an, die Welt zu verändern, er wollte sie nur verschieden interpretieren. Wie ein Chamäleon habe er sich dem Chanel-Stil angepasst, meinte die Journalistin Antonia Hilke.56 Er versetzte sich in die Modemacherin hinein, bis er zu einer «Reinkarnation von Coco» wurde, wie er später selbst ironisch sagte.57 Sein Einfühlungsvermögen ging sogar so weit, dass er seine Lebensgeschichte teils umdichtete, so wie einst Coco Chanel, die aus den ärmlichen Verhältnissen, denen sie entstammte, eine behütete Kindheit machte. Aber er passte sich auch immer der Zeit an. In den neunziger Jahren spielten Designer wie Thierry Mugler oder Gianni Versace explizit mit sexuellen Referenzen. Lagerfeld nahm den Trend schnell auf: mit Naomi Campbell in einem Minirock, der so kurz war, dass er kaum unter dem Oberteil hervorragte (Frühjahr/Sommer 1994); und mit Stella Tennant in einem «Bikini», dessen Oberteil nur aus win­ zigen schwarzen Pads auf den Brustwarzen bestand, die mit dem Doppel-C versehen waren und notdürftig von Bändern gehalten wurden (Herbst/Winter 1995). Eine weitere Provokation allerdings war nur ein Fauxpas: Claudia Schiffers Couture-Kleid, auf dessen knapChanel

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pes Bustier Koranverse gestickt waren (Frühjahr/Sommer 1994), führte zu einem Sturm der Kritik, so dass Chanel die Kleider vernichtete. Lagerfeld hatte die Zeichen einem Buch über das Taj Mahal entnommen, in der Annahme, es sei ein indisches Liebesgedicht. Den alten Chanel-Kundinnen blieb die Luft weg, die jungen atmeten auf. Nun konnte man diese Marke wieder tragen und musste sich nicht altmodischer vorkommen als in Dior, Givenchy oder Yves Saint Laurent. Im Gegenteil: Das Publikum wurde wegen des stetigen Wandels in dauernde Spannung versetzt. Seine Mode rief Neugier, Gerüchte, Aufregung, Gespräche, Bilder, Berichte hervor. «Er war unglaublich mutig, er folgte einfach seinen Instinkten», sagt Eric ­ Wright.58 Und Wolfgang Joop bewunderte ihn aus der Ferne: «Teils vertrashte er Chanel – was für ein Wagnis!»59 Mit alledem hatte er Erfolg: mehr Umsatz, mehr Mitarbeiter, mehr Läden. Das lag natürlich auch an den Düften, mit denen er, anders als bei Chloé, nichts zu tun hatte. Sie waren so erfolgreich, dass weitere folgten, wie Coco (1984), Égoïste (1990, für Männer), Allure (1996), Coco Mademoiselle (2001), Bleu de Chanel (2010, für Männer) oder Gabrielle (2017). Parfums und Accessoires tragen den meisten Marken mehr Geld ein als die eigentliche Mode. Zum Beispiel steckt in der Umhängetasche 2.55 aus gestepptem Leder, die Coco Chanel im Februar 1955 auf den Markt brachte und Lagerfeld in unzähligen ­Varianten neu erfand, eine enorme Gewinnspanne. Karl Lagerfeld selbst fand das Wachtsum des Luxusmarkts «schwindelerregend». «Es gibt so viele neue Märkte, in China so viele neue Läden. Heute ist ja der amerikanische Markt direkt ein sympathischer Markt.»60 Die hohen Gewinne investierte die Marke in Zulieferer wie Schuhmacher und Schmuckhersteller.61 In der Chanel-Tochterfirma Paraffection gab es 2019 schon 27  Handwerks­ betriebe.62 Wenn die Eigentümer der Werkstätten älter werden oder die Schließung droht, greift man zu: «Wir müssen das Knowhow sichern», sagt Bruno Pavlovsky, der Geschäftsführer der Chanel-­ ­ Modesparte, mit dem Lagerfeld fast drei Jahrzehnte lang zusammenarbeitete. Das sei schon deshalb wichtig, weil die meisten Werkstätten in oder bei Paris liegen. «Wir haben sechs Wochen Zeit für eine Kollektion, da können wir nicht lange auf die Lieferung warten. Wir 228

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brauchen die kurzen Entfernungen – und wir müssen auch noch in zwanzig Jahren arbeiten können.»63 Die Kunsthandwerksbetriebe brachten Lagerfeld auf die Idee mit der Métiers-d’Art-Kollektion. Vor Weihnachten sah er eine Lücke im Jahresverlauf der Modenschauen. Seit 2002 wird diese besonders aufwendig gearbeitete «Zwischenkollektion» daher immer im Dezember präsentiert, immer an einem anderen Ort der Welt. Dabei hatte er für Chanel ohnehin schon jedes Jahr zwei Mal Prêt-à-Porter (jeweils mit einer Vorkollektion) sowie zwei Mal Haute Couture zu bewältigen. Hinzu kam seit 1990 im Mai eine Croisière-Kollektion, für Kundinnen, die über Weihnachten auf Kreuzfahrt («croisière») in wärmere Gefilde gehen. Schließlich erfand Lagerfeld 2018 noch Coco Beach, eine Kollektion mit Badeanzügen, Strandtaschen, Espadrilles und anderen Produkten für die strandnahen Boutiquen zum Beispiel in SaintTropez, sowie Coco Neige, mit Daunenjacken, Skihosen und Stiefeln für den Skiurlaub. Machten am Ende zehn Kollektionen, ­allein für Chanel, übers Jahr verteilt. Und er lieferte all die Ideen dafür. Dabei wurde Virginie Viard, seine Assistentin (s. Abb. S. 319), die er bis zum Schluss trotz aller Nähe siezte, immer wichtiger. Die Designerin, deren Großeltern mütterlicherseits Seidenfabrikanten in Lyon ­gewesen waren, hatte 1987 bei Chanel als Praktikantin begonnen und arbeitete von 1992 bis 1997 für Lagerfeld bei Chloé. Nach der Rückkehr zu Chanel war sie zunächst nur in der Couture tätig, seit 2000 dann auch für das Prêt-à-Porter. Als Studioleiterin übersetzte und erklärte sie seine Skizzen den Premières, den Chefschneiderinnen der Ateliers. Den ganzen Tag wurde an den Entwürfen gearbeitet, bis er am späten Nachmittag oder Abend für zwei Stunden zu den Anproben kam. Das System funktionierte, der Workflow war straff. Von flachen Hierarchien konnte bei all seiner Offenheit nicht die Rede sein. «Es wird nicht diskutiert», sagte er über seine Arbeitsmethode. «Ich kann da machen, was ich will und wie ich will. Da gibt’s keine Réunions, da gibt’s kein Marketing, ich arbeite direkt mit dem Präsidenten zusammen. Aber der sagt nicht: Jetzt machen Sie mal das! Da wird mit niemandem diskutiert.»64 Mit solchen öffentlichen Äußerungen machte er auch Hauspolitik: In einer Art, wie es kein Designer im neuen Jahrtausend wagen würde, stellte er die Geschäftsführung Chanel

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an die zweite Stelle. Es lief dann alles auch deswegen so erfolgreich ab, weil Bruno Pavlovsky sich stets klug zurückhielt  – und selbst Ideen, die von ihm selbst gekommen sein mochten, dem Chefdesigner zuschrieb. «Entwurf, Image, Werbung, Schaufenster – das mache alles ich», sagte Lagerfeld. «Bei Fendi ist es schwieriger. In großen Konzernen gibt es viele kleine Chefs. Ich habe zu Bernard Arnault gesagt, dem Fendi-Eigner, dass ich was daraus machen könnte wie bei Chanel, aber dann müssten sie meine fast faschistischen Methoden ertragen. Widerspruch gibt’s bei mir nicht, weil ich mir ja erst überlege, was ich sage. Nicht dass ich meine Meinung nicht ändern kann. Aber im Allgemeinen ändere ich sie nicht so oft.»65 Die Modesparte wuchs unaufhörlich – und davon wiederum profitierten auch Parfums, Kosmetik, Uhren und Schmuck. Denn Chanel wurde durch all die Schauen, die Kampagnen, die Werbefilme, die vielen Geschäftseröffnungen und natürlich durch Lagerfeld selbst ­ sichtbarer. Zugleich wurde die Marke vom Image des Hauptdarstellers nicht erdrückt, weil er so viele Rollen auf anderen Bühnen hatte. Bei aller Liebe hielt er auf Distanz. Am 17. Juni 2019 vermeldete Chanel, dass 2018 der Konzern­ umsatz um 12,5 Prozent auf 9,88 Milliarden Euro gesteigert wurde. Der Nettogewinn erhöhte sich um 16,4  Prozent auf 1,9  Milliarden Euro. 2018 hatte das Unternehmen zum ersten Mal Kennzahlen veröffentlicht. Mit der Demonstration von Stärke will man zeigen, dass man selbständig bleiben kann. Patricia Riekel hatte in ihrem Nachruf auf Lagerfeld geschrieben: «Was aus der Marke wird, wenn er nicht mehr lebt, hat Karl so prophezeit: ‹Wahrscheinlich wird Chanel an die C ­ hinesen verkauft werden.›»66 In Paris war man über diese Spekulation irritiert, denn Chanel war gewissermaßen zu einem nationalen Kulturgut geworden. Die Brüder Wertheimer investieren die Gewinne auch in neue Firmen.67 Bei all den Übernahmen schwingt womöglich die Furcht davor mit, selbst übernommen zu werden. Nur durch Geltung wird man unverwundbar. LVMH-Chef Bernard Arnault hatte schon durch seine aggressiven Versuche, Hermès zu übernehmen, weitere Luxusmarken in Angst und Schrecken versetzt. Vor solchen Attacken schützt 230

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man sich selbst am besten mit Größe, Wachstum und Selbstbewusstsein. Symbolisch war ein Gemeinschaftsfoto am Gedenkabend «Karl For Ever» am 20. Juni 2019 im Grand Palais: Da stand FrançoisHenri Pinault, der Chef des Luxuskonzerns Kering, zwischen ChanelPräsident Bruno Pavlovsky und Sidney Toledano, dem zweiten Mann bei LVMH – als ob Pinault Chanel beschützen wollte vor dem Zugriff von LVMH. Dieser Abend verlief friedlich. Noch dämpfte das Gedenken alle Übernahmegelüste. Aber wie lange würde sich Bernard Arnault zurückhalten? Erst wenige Monate zuvor war er zum drittreichsten Menschen der Welt geworden, und wenige Monate später übernahm er die amerikanische Schmuckmarke Tiffany & Co. für 16,2 Milliarden Dollar. Dieser Mann hat noch mehr Mittel, und die Wertheimers wissen das. Den Mythos der Unangreifbarkeit, den Karl Lagerfeld der Marke Chanel mit Macht verliehen hat  – sie müssen ihn noch lange am Leben halten.

Fotos Alles hatte mit schlechten Fotos für eine Chanel-Pressemappe begonnen. Für solche Aufträge konnte man in den achtziger Jahren keine großen Fotografen gewinnen. Daher war die Qualität bescheiden, und Lagerfeld ärgerte sich darüber. «Dann mach es doch selbst», sagte Eric Pfrunder, Directeur Image bei Chanel, zuständig für die Bilder, die von der Marke zu Informations- und Werbezwecken herausgegeben werden. Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Seit der Couture-Kollektion für Frühjahr und Sommer 1987 fotografierte er alle Pressemappen selbst, und seit der Couture für Herbst und Winter 1987 auch alle Chanel-Modekampagnen. «Wenn man Fotos macht, ist man nicht isoliert», sagte Lagerfeld einmal.68 Er sah nun Models, Make-up, Accessoires, Styling aus ­einem anderen Blickwinkel. «Das veränderte auch die Kollektion», sagt Eric Wright. «Bis dahin hatten wir alles irgendwie zusammen­ gestellt: Kostüme, Ohrringe, Gürtel, Sonnenbrillen, Hüte. Und das wollten wir auch alles aufs Bild bekommen.» Durch die Fotos lernten Fotos

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sie nun, dass man beim Styling zuspitzen muss. «Wir haben dann auch für die Schauen reduziert. Es musste eine klare Botschaft haben, die jeder verstand.»69 Die Nebenbeschäftigung wurde immer wichtiger. Seine Veröffentlichungen gingen schnell über Gebrauchsfotos und Anzeigenkampagnen hinaus und reichten von Abstraktionen über Modeshootings bis zu Porträts. Lagerfeld veröffentlichte Bücher, machte Ausstellungen und wurde über die Jahre zum Fotokünstler. Sein Rang als Fotograf reichte sicher nicht an seine Bedeutung als Modedesigner heran. Aber er wusste das wettzumachen, durch Kompositionsfreude, Aufwand – und Perfektionslust: «Abends um 21 Uhr fing er an zu fotografieren», sagt sein Verleger Gerhard Steidl über die teils nervenaufreibenden Shootings, «und um drei Uhr nachts fiel ihm ein, dass die ersten Motive nochmal geändert werden mussten.»70 Das Model ­Julia Stegner erinnert sich an anstrengende nächtliche Aufnahmen in Rom: Man habe so lange gearbeitet, «bis die Stylistin irgendwann sagte, sie habe keine weiteren Kleider mehr». Bei dem Shooting erfuhr sie auch, wie unkonventionell er war. Als sie die Bilder gemeinsam am Schirm anschauten, sagte er zu ihr: «Komm, Julia, setz Dich auf meinen Schoß!» Bei jedem anderen Menschen hätte das komisch geklungen, nicht bei ihm. «Er war wirklich väterlich.»71 Für eine große Fotostrecke musste viel zusammenkommen. Das erkennt man gut an seinen Bildern im Geist von «Daphnis und Chloe», der Liebesgeschichte des antiken Autors Longus. Die Arbeit an der «Modernen Mythologie», wie er die Foto-Inszenierung nannte, war unglaublich aufwendig. Den Klassiker der bukolischen Dichtung hatte Lagerfeld in einer Ausgabe von 1935 entdeckt, mit Illustra­ tionen der deutschen Grafikerin Renée Sintenis. Zunächst einmal ­kopierte er die Zeichnungen und versah sie mit szenischen Anweisungen. «Das war ein genaues Skript, wochenlang vorbereitet», sagt Steidl, der auch an diesen Aufnahmen teilnahm. Die Findelkinder, die einander finden sollten, fand Lagerfeld schnell – in seinen damaligen Lieblingsmodels Baptiste Giabiconi und Bianca Balti. Der Ort, an dem das spielen sollte, wurde kurzerhand vom alten Griechenland ins südliche Frankreich verlegt. Die Groß­ aktion im Sommer 2013 ging in Saint-Tropez los. Lagerfeld fuhr mit 232

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Zu Hause in seinem neuen Hobby: Lagerfeld präsentiert 1991 vor einer Ausstellung seine Lieblingsfotos.

den Models in seinem Rolls-Royce an der Spitze der Karawane. Dann folgten mehrere schwarze Vans mit den Mitarbeitern für Make-up, Haare, Styling, Fotografie. Danach zwei Wagen mit Essen und Getränken. Darauf folgten Viehwagen mit Ziegen, Schafen, Pferden und einer Kuh. Nicht zu vergessen der Möbelwagen mit den Skulpturen, die wie zufällig in die Wälder am Ort des Geschehens gestellt wurden. Drei Tage dauerten die Aufnahmen. Zwei Köche, ein Butler und Servierpersonal waren ebenfalls dabei. Im Wald wurden Klapptische aufgestellt mit weißen Tischdecken, und nachmittags gab es Kaffee und Kuchen. Auch bei der Weiterverarbeitung der Fotos konnte nicht viel schiefgehen. Lagerfeld ließ sich nach den Aufnahmen Kontaktabzüge anfertigen, schnitt die Fotos aus, die ihn interessierten, klebte sie auf Papierbögen, und Steidl verarbeitete die Fotos. «Ich bin Heimarbeiter», sagte Lagerfeld oft in Anspielung auf seine Vorbereitungen zu Hause, «Eric ist Vorarbeiter, und Gerhard ist Ausarbeiter.» Sogar der Fotos

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Franzose Eric Pfrunder, der auch dieses Shooting vorbereitet hatte, beherrscht diese deutschen Wörter nach den Jahrzehnten der Heim-, Vor-, Aus- und Zusammenarbeit.72 Die Auftragsarbeit für einen Kunstsammler in London, dessen ­Dining Room in Mayfair sie nun schmücken, war typisch für diese Phase Lagerfelds. Die Fotos von Baptiste waren eine «Bemächtigung mit dem Kameraauge»,73 wie der Kunsthistoriker Hubertus Gaßner meint. In dem schönen jungen Model wird Lagerfelds Versuch auf die Spitze getrieben, den flüchtigen Augenblick festzuhalten. «Jedes Foto ist ein Abschied», schrieb er selbst einmal. «Ein treuer Zeuge schnellen Schwindens. Es ist diese zerbrechliche und melancholische Macht, die mich so sehr an die Fotografie bindet.»74 Typisch war seine Lust an illusionistischen Verfahren. Das Ta­ bleau vivant, das er schuf, erinnerte an Tromp-l’oeil-Malerei.75 Die Geschichte von Daphnis und Chloe wurde also nicht einfach inter­ pretiert. Die Fotos sind nur zu verstehen, wenn man darin auch die typischen Schäferszenen aus dem Rokoko und dem Barock erkennt, denn Lagerfeld liebte Fête-galante-Bilder. Wenn man dann noch bedenkt, dass er in Baptiste sich selbst als jungen Mann erkannte und dass ihn seine erotische Ausstrahlung gefangennahm – dann erst erschließen sich alle Ebenen dieses Werks.76 Viele weitere Fotostrecken wirken flacher. «Room Service» (2006) oder «Gefährliche Liebschaften», nachgestellt von Brad Kroenig und Claudia Schiffer als Fotostrecke «Visions and a Decision» (2007) in der Rue de l’Université, sind gefällige Auftragsarbeiten mit mäßigem Witz.77 Beeindruckender ist die Anzeigenkampagne für Fendi (Herbst und Winter 2010), die er im Stil von Edward Hopper fotografierte. Sogar klassisches Design erweckte er zum Leben, wie sein Band über die Mailänder Marke Cassina zeigt. Den Stuhl «Zig Zag» (1934) von Gerrit Thomas Rietveld stellt er gegen einen schwarzen Hintergrund so oft aufeinander, dass eine fragil komponierte Skulptur daraus entsteht. Zwei Sessel «Auckland» (2005) von Jean-Marie Massaud rückt er so zusammen, dass sie verbunden sind wie ein vertrautes Paar. Den Stuhl «Superleggera» (1957) von Gio Ponti arrangiert er zu einer ­absurden Installation (s. Abb. S. 217), die wie ein Bühnenbild zu ­Eugène Ionescos Theaterstück «Die Stühle» wirkt.78 234

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Am besten beherrschte er die Neuinterpretation historischer Stoffe. Mit der «Hommage à Feuerbach» arbeitete er ganz im Sinne des deutschen Malers Anselm Feuerbach, der sich seinerseits im Rom des 19. Jahrhunderts an antiken Vorgängern abgearbeitet hatte. Vor allem für die deutsche «Vogue» überhöhte er die Fotografie künstlerisch – und sah zum Beispiel 2008 auf Rügen die Models Toni Garrn und Baptiste Giabiconi durch die Augen von Caspar David Friedrich. Mal wieder wollte Lagerfeld «eine etwas poetischere Form der Wirklichkeit» schaffen. Daher interessiere ihn auch die Nacktfotografie nicht, sagte er einmal zu seinen Brad-Kroenig-Porträts: «Ich bin kein Urologe.»79 Manchmal waren ihm die Fotos auch nicht genug. Als das Metropolitan Museum in New York 2005 eine große Chanel-Ausstellung vorbereitete, nahm man für den Katalog Kleidungsstücke aus der Chanel-Geschichte auf Figurinen auf. «Das sah allerdings schauderhaft aus, auch weil die Kleider schlecht fielen», sagt Gerhard Steidl. «Ihm gefiel das gar nicht.» Also sollte Steidl großformatige Foto­ abzüge von diesen Figurinen-Fotos machen. Dann schnitt Lagerfeld die Kleidungsstücke aus und stellte sie neu zu Collagen zusammen. Davon machte Steidl wieder einen Abzug, und Lagerfeld kolorierte die Schwarz-Weiß-Fotos mit Lippenstiftfarben. Aus Magazinen der zwanziger Jahre schnitt er Köpfe aus, klebte sie auf, und auch davon wurde wieder ein Abzug gemacht. Am Ende wurden die Blätter im ­lithographischen Algraphie-Verfahren gedruckt. Der Aufwand war enorm, das Ergebnis von «Chanel Then Now» künstlerisch wertvoll.80 Besonders oft fotografierte er natürlich Modestrecken, für «Numéro», «V», «Vogue», «Harper’s Bazaar» und weitere Magazine. Dabei zeigt die Studiofotografie oft gewollte Posen und steife Inszenierungen. Spannungsreich wie seine Modeentwürfe sind die stark ­retuschierten Bilder jedenfalls nicht. Aber wichtiger als das künstle­ rische Ergebnis war ohnehin das Verfahren. Nur dank seiner Autorität konnte er in Modestrecken fremde Modemarken wie Dior oder Valentino integrieren. Es ist wie bei seinen Erwähnungen von DieselJeans, Dior-Anzügen oder Hilditch-&-Key-Hemden: Die Flirts mit anderen Modemarken kann man als gezielt gesetzte Nadelstiche geFotos

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gen seine Haupt-Auftraggeber interpretieren. Die Botschaft: Ich bin unabhängig und stehe über den Dingen. Diese Haltung wiederum weitete seine Macht nur noch aus. Am Ende betätigte er sich auch als Foto-Kurator. Seine Auswahl für die Ausstellung «Paris Photo» im Jahr 2017 beweist, dass er vertraut war mit der abstrakten Architekturfotografie eines Mathieu Bernard-Reymond, stilisierten Naturfotos von Mat Hennek und Klassikern wie André Kertész oder Lee Friedlander. Biographisch bemerkenswert: In die Sammlung nahm er zwei Fotos von Arnold Odermatt auf, dem Schweizer Polizeifotografen, der jahrzehntelang Unfälle fotografierte. Auf einem der Bilder ist ein verunglückter Mercedes wie um einen Masten gewickelt – so hatte er selbst einen seiner Unfälle in den sechziger Jahren erlebt.81 Aus der Fotografie ergab sich auch der Film. Schon während der Fotoshootings machte Lagerfeld oft kleine Filme mit der Hand­ kamera und später mit dem iPhone. Dann drehte er richtige Kurzfilme, allen voran 2013 «The Return» mit Geraldine Chaplin als Coco Chanel, die im Jahr 1954 nach Paris zurückkehrt. Der Höhepunkt seiner filmischen Kreativität war wohl 2014 «Reincarnation», mit Cara Delevingne als Sisi und Pharrell Williams in einer Doppelrolle als Franz Joseph  I. und als Salzburger Liftboy, der die urlaubende Coco Chanel – wieder gespielt von Geraldine Chaplin – auf die Idee bringt, seine Uniformjacke für die Damenmode zu benutzen. So etwas konnte nur Karl Lagerfeld einfallen. Oder Coco Chanel. Oder beiden.

Models Als Eric Wright Anfang der achtziger Jahre für die Marke Karl Lagerfeld zu arbeiten begann, saß im Foyer der Firma eine junge Frau, ­schmal, groß, braunhaarig, schön. Sie hätte ihm bekannt vorkommen können, aber er wusste nicht, wer sie war. «Bleiben Sie hier sitzen», sagte der junge Assistent aufgeregt und stürmte zu Lagerfeld ins Studio: «Karl, Sie müssen dieses Model da draußen sehen! Die ist so toll!» Lagerfeld sagte: «Dann holen Sie sie mal!» Wright zog sie 236

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Mit seinem Lieblings-Model: Karl Lagerfeld und Inès de la Fressange bereiten im März 1987 eine Prêt-à-Porter-Kollektion vor.

­he­rein  – und Karl Lagerfeld und Inès de la Fressange mussten laut ­lachen, denn sie arbeiteten längst zusammen.82 Karl Lagerfeld entdeckte Models schneller als die meisten anderen. Besonders diese Verbindung war eng und erfolgreich. Inès de la Fressange, die 1957 geboren wurde und 1983 bei Chanel ihren Exklusivvertrag unterschrieb, wurde zu einem wichtigen Mittel im Kampf um Aufmerksamkeit. Die Journalistin Antonia Hilke behauptete, das Model habe gleich zu Beginn 650 000 Mark im Jahr verdient.83 Aber Inès, wie sie bis heute in Frankreich schlicht genannt wird, brachte Chanel auch viel ein. Sie war eine Markenbotschafterin, bevor es ­dieses Berufsbild überhaupt gab, und ein Supermodel vor Beginn des Supermodel-Zeitalters. Zumindest bis 1989. Da stand sie Modell für die Büste der Nationalfigur Marianne. Das war zuviel für ihn, das fand er bourgeois, ­vulgär, provinziell: «Ich kleide kein Denkmal ein.» Und sie verließ Chanel.84 Schon bei der Couture-Schau im Juli 1989 war sie nicht mehr auf dem Laufsteg zu sehen.85 Die Trennung war ein Skandal, über den Frankreich wochenlang redete. Die wahren Ursachen des Models

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Zerwürfnisses blieben im Dunkeln. Denn später wartete Lagerfeld mit einer anderen Version auf. Inès habe sogar Alain Wertheimer in Verlegenheit gebracht, als sie von ihm in Gegenwart anderer Leute mehr Geld verlangt habe. Daher habe Wertheimer zu ihm gesagt: «Erfinden Sie etwas, damit wir sie loswerden.» Die Marianne sei also nur eine Entschuldigung gewesen.86 Inès wiederum glaubte, auch ihre Beziehung mit Luigi D’Urso, den sie 1990 heiratete, habe zu dem Zerwürfnis beigetragen. «Er sah alles, spürte alles», schrieb sie nach seinem Tod über Lagerfeld. «Wie an dem Tag, als ich ihm erzählte, dass ich einen Blutdruckabfall hatte, um eine Verspätung zu rechtfertigen, während ich bei meinem damaligen Verlobten war. Ich dachte, ich wäre sehr überzeugend, aber er hat mir nicht geglaubt.» Sie hätten aber immer Kontakt gehalten: Er habe sie unterstützt beim Start ihrer eigenen Marke, ließ ihre Tochter Violette d’Urso Praktika bei Chanel machen und setzte sie dann auch wieder als Model ein.87 Vermutlich ist die Wahrheit über die Trennung noch viel einfacher. «Er blieb nicht stehen, er musste einfach weitergehen», sagt Eric Wright. «Deshalb musste Inès gehen. Nur so bleibt man vornedran in der Modeszene.»88 Lagerfeld hatte das unerbittliche modische Gesetz der Verjüngung verinnerlicht. Ihre großen Tage auf dem Laufsteg seien mit mehr als 30 Jahren vorbei, hatte er über Inès gesagt: «Heute sind die Mädchen zwischen 15 und 20  Jahren alt.»89 Doch war er zum Beispiel seinen Ankleidemodels treuer als viele andere Designer. Sie mussten nicht nur stundenlange Anproben durchstehen, sondern durften auch auf den Laufsteg – zum Beispiel Amanda Sanchez, die ihm von 2001 bis 2019 bei den Chanel-Fittings gegenübertrat und auch auf die große Bühne durfte. Schon 1988 hatte für ihn eine neue Zeitrechnung begonnen, denn er entdeckte eine unwiderstehliche Achtzehnjährige: Claudia Schiffer war blond, sinnlich, jung, deutsch, ein neues Gesicht, ganz anders als Inès. Er lud sie ins Studio an der Rue Cambon. «Kaum war ich da, wurde ich mit einem Look aus der neuen Kollektion eingekleidet. Und schon am nächsten Tag fuhren wir nach Deauville, wo Karl meine erste Chanel-Kampagne fotografierte», sagt Schiffer, die erst ein Jahr zuvor in Düsseldorf entdeckt worden war. «Er war unglaub238

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Mit Claudia Schiffer als «Braut»: Lagerfeld nimmt nach der Haute-Couture-Schau im Januar 1995 den Applaus entgegen.

lich energiegeladen. Und das war ansteckend. Ich war voller Adrenalin, wenn ich mit ihm arbeitete.»90 Wenn die anderen am Set müde wurden, machten die beiden einfach weiter. Dann habe er gescherzt: «Wir sind eben die einzigen, die diszipliniert sind, gesund leben und nicht trinken.» In den neunziger Jahren waren sie so produktiv wie keine Desi­ gner-Model-Paarung davor oder danach. Sie lief viele Kilometer über Chanel-Laufstege, ist bis heute das Model mit den meisten ChanelWerbekampagnen und flog mit ihm in der Concorde nach New York für Events. Er gab Bücher über sie heraus, und von ihren mehr als 1000 Magazin-Covern hat er Dutzende fotografiert, vor allem für die «Vogue», aber auch für Trendmagazine wie «Self Service». «Karl war ein Zauberer», sagt Claudia Schiffer. «Er verwandelte mich von ­einem schüchternen deutschen Mädchen in ein Supermodel. Er lehrte mich alles über Mode und Stil  – und wie man in diesem Business überlebt.» Als Wiedergängerin der jungen Brigitte Bardot kam sie ­sogar bei den Franzosen gut an, und mit ihrem tadellosen Image eroberte sie für Chanel ganz neue Märkte. «Mit Claudia änderte sich Models

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auch der Stil», sagt Sophie de Langlade, die damals bei Chanel arbeitete. «Sie war sexy, und das sah man dann auch in den Kollektionen.»91 Claudia war mehr als nur ein Ersatz für Inès – denn mit Lagerfeld verband sie auch ihre Herkunft. Wenn sie mit anderen zusammen ­waren, wechselten sie mühelos vom Deutschen ins Englische und Französische. «Toll für uns waren Shootings in Berlin, München und Wien», sagt Schiffer. «Wir haben dann traditionelle Gerichte wie Knödel oder Kaiserschmarrn gegessen. Der Rest des Teams war davon nicht unbedingt beeindruckt.» Und sie warfen sich seltsame Sätze zu: «Morgenstund hat Gold im Mund» zum Beispiel. Das Sprichwort wurde sogar wahr: «Als Fotograf hatte er so viele Ideen, dass manche Fotoshootings bis zum Sonnenaufgang dauerten.» Aber die Arbeit mit ihm war unglaublich leicht. «Als wir in Monaco Fotos für eine Werbekampagne machten, haben wir mittags ein Picknick am Strand serviert bekommen, mit Silberbesteck, von Frédéric, dem Butler, der auch zur Familie gehörte.» Claudia Schiffer, die immer pünktlich am Set erschien und keine Allüren zeigte wie manch andere Supermodels, wurde von ihm geprägt: «So wie andere ihren Urlaub lieben, so liebte er die Arbeit. Deshalb brauchte er keine Ferien.» Die geradezu protestantische ­Arbeitsethik, das unbedingte Beharren auf Qualität, die genaue Kontrolle des kreativen Prozesses  – all das lernte sie von ihrem väter­ lichen Freund. «Er war ein Genie wie Mozart, dem unglaubliche ­Fähigkeiten ganz natürlich zuwuchsen.» Zu einem vorläufigen Ende kam die Beziehung der beiden trotzdem Ende der neunziger Jahre. «Es war aber natürlich», sagt Claudia Schiffer heute. «In der Mode muss immer alles neu erfunden werden. Deshalb habe ich das verstanden. Ich habe dann eben mehr für Marken wie Versace, Yves Saint Laurent und Valentino gearbeitet. Im Jahr 2006 saßen wir in Spanien bei einem Dinner nebeneinander  – und haben dann da weitergemacht, wo wir aufgehört hatten, mit Werbekampagnen, Magazinaufnahmen und Modeevents.» Auch in der Modelpolitik war Karl Lagerfeld ein Machtmensch. Seine Stellung als Kreativchef für drei und zeitweise sogar vier Modehäuser nutzte er strategisch. Wenn eine Agentur ein Model nicht für 240

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eine Karl-Lagerfeld-Schau hergeben wollte, weil es vielleicht von anderen Marken reserviert war, ließ er ausrichten: «Ach, wie schade, dann kann sie aber auch nicht bei Chanel und Fendi laufen.» So kam er mit seiner wachsenden Marktmacht auch immer an die Models, die gerade angesagt waren. «Und das ging nicht nur bei Models so», sagt Eric Wright. «Das machte er zum Beispiel auch bei Stoffherstellern.»92 Die Models, die auch Botschafterinnen der Marke waren, erschlossen für den Designer neue Welten. Inès de la Fressange, Claudia Schiffer, Vanessa Paradis, Stella Tennant, Kristen McMenamy, Devon Aoki, Cara Delevingne, die Vanessa-Paradis-Tochter Lily-Rose Depp und die Cindy-Crawford-Tochter Kaia Gerber: Sie alle schufen, auch wegen ihrer familiären Herkunft, ihres sozialen Umfelds und ihrer frischen Art, einen Resonanzraum für seine Ambitionen. Und er machte sie so berühmt, dass sie fortan ohne Nachnamen auskamen: Mit Inès, Claudia, Cara, Kaia und all den anderen verjüngte er immer wieder die Marke, ohne selbst jünger werden zu müssen.

Hamburg An diesem Haus kam er nicht vorbei. Ein kleiner Steinweg führt steil hinunter auf ein blaues Tor zu. Den großen Park sichert ein Metallzaun mit Spitzen. In den Buchen hämmert ein Specht. Wenn nicht in der Schulpause das Geschrei von Kindern aus dem Unterstufen­ gebäude des Gymnasiums Blankenese zu hören wäre  – man würde nicht glauben, dass man hier noch immer in einer Großstadt ist. Hinter dem Tor von Wilmans Park 17 liegt mitten im Grün eine neoklassizistische Villa. In den kleinen Löchern über dem Portal waren einst die Lettern «Villa Jako» befestigt. Für Karl Lagerfeld waren 443 Quadratmeter Wohnfläche nicht zu groß. Über dem Atrium ist auf einer Galerie Platz für viele Bücher­ regale. Das Wohnzimmer mit sechs Metern Raumhöhe und blattgoldverzierter Kassettendecke bietet durch drei riesige Rundbogenfenster einen herrlichen Blick auf die träge dahinfließende Elbe und auf die Schiffe, die in den Hamburger Hafen fahren und wieder hinaus. «Karl Hamburg

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war fasziniert», sagt Marietta Andreae, die bei der ersten Besichtigung dabei war. «Er wollte wissen, wie das ist, zurück zu den Wurzeln zu gehen.»93 Es sollte eine Art Rückkehr werden. Aber es wurde eine Rückkehr von der Rückkehr. Das Haus war eine wunderbare Idee. Nur einen Kilometer Luft­ linie entfernt liegt Baurs Park, wo er das erste Jahr seines Lebens verbrachte, ebenfalls am Hang mit Blick auf den Fluss. Außerdem entstammte die Villa seiner liebsten Epoche: Sie war in den zwanziger Jahren erbaut worden. Und schließlich: Nur zwei Jahre zuvor war sein Lebenspartner Jacques de Bascher gestorben, den er Jako nannte, und Lagerfeld musste sich in neue Projekte stürzen. Also kaufte er das Haus 1991 – und nannte es Villa Jako. Wenn Lagerfeld nach Hamburg kam, ging er erst einmal zur Buchhandlung Felix Jud und kaufte Dutzende Bücher, die der Chef Wilfried Weber für ihn bereitgelegt hatte. Dann fuhr er nach Blankenese, wo schon die Handwerker warteten. «Es war unglaublich, wieviel Energie er in die Villa steckte», sagt Matthias Prinz, sein Anwalt, der die Verträge für das Haus ausarbeitete. «Die Baubesprechungen haben mich beeindruckt. Sie waren regelrecht chaotisch, weil er vor Ideen nur so sprudelte.»94 Und weil der Anwalt und seine Frau Alexandra von Rehlingen damals ihr eigenes Haus in Harvestehude umbauten, besah sich Lagerfeld das kurzerhand auch und empfahl, den Salon hellgrün zu streichen. So geschah es, und das tat dem Raum nach dem Eindruck der Bewohner jahrzehntelang gut. «Er war besessen von seinem neuen Haus», sagt Alexandra von Rehlingen. Wie besessen er davon war, das erlebten die beiden, als er sie an einem Sommerabend zum Essen einlud. Der Blick über den terrassierten Barockgarten auf die Elbe war spektakulär. Rätselhaft aber kam ihnen die Vorstellungskraft des Hausherrn vor. «Hören Sie die Stimmen?», fragte er die beiden. «Ich höre die Stimme meiner Mutter.»95 Was seinen Gästen nicht bewusst war: Lagerfeld war «ein sehr spiritueller Mensch», wie sich seine alte Bekannte Gloria von Thurn und Taxis erinnert. So habe er ihr mal erzählt, er habe in MonteCarlo im Spiegel eine Dame gesehen. Caroline von Monaco und er hätten sich bei dem Thema gegenseitig hochgeschaukelt.96 Und 242

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g­egenüber Paul Sahner bekannte sich Lagerfeld zu einem ganzen Kata­log des Aberglaubens: «Man darf keinen Spiegel zerschlagen, keinen Hut aufs Bett legen, keinen Schuh auf den Tisch stellen, man kann darüber lachen, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es Leute gibt, die an so was glauben.»97 An diesem Ort also fühlte sich Karl Lagerfeld seiner Kindheit nahe. Dennoch kam er meist nur vorübergehend und übernachtete selten. Aber monatelang wurde restauriert und umgeräumt und eingeordnet. Den Räumen gab er Namen. Es gab ein Angelika-Kauffmann-Zimmer, ein Klinger-Bad, und das Arbeitszimmer war der Werkbund-Raum. Das unzeitgemäße und teils düstere Haus regte seine Phantasie an. Er nahm Fotos auf für sein Buch «Ein deutsches Haus» (1997), das sich dem Innenleben des Hauses und dem Drumherum widmete, er machte Modeshootings und stellte hier im August 1997 etwa 200 Journalisten seinen Herrenduft Jako vor. Aber es war wie so oft: Er liebte die Idee von dieser Villa, aber mit der Villa selbst konnte er bald nichts mehr anfangen. Schon im Herbst 1997 verkaufte er sie weiter, an den Musikverleger Michael Haentjes. «Was fertig war, war langweilig», sagt Matthias Prinz. «In der Sekunde, in der es vorbei war, hatte er schon wieder die nächsten fünf Themen.» Als er seine Villa der Öffentlichkeit zugänglich machte, war Marietta Andreae klar, dass er das Interesse daran verloren hatte. «Ohnehin war es für sein Arbeitspensum und sein internationales Engagement auf Dauer nicht geeignet.» Sein damaliger Assistent Eric Wright erkannte noch einen Grund: «Karl mochte die Deutschen dann doch nicht, weil sie ihm banal erschienen.»98 Er war fort – und kam doch ein bisschen wieder. Die mannshohe Stehleuchte vom Beginn des 20. Jahrhunderts, die heute im Salon links steht, ist ein Einzelstück von Dagobert Peche, dem Künstler der Wiener Werkstätte. Nachbesitzer Michael Haentjes, der Peche sehr schätzt, hat sie 2006 bei Sotheby’s in Paris ersteigert. Später fiel ihm auf, dass genau diese Leuchte mit den kunstvoll ornamentierten goldenen Kakadus schon einmal in dieser Villa gestanden hatte  – im Buch «Ein deutsches Haus» ist sie abgebildet. Lagerfeld hatte die Stehleuchte 1998 bei Sotheby’s verkauft, aber der neue Besitzer gab sie wieder an das Auktionshaus, und Haentjes griff zu. Über Umwege Hamburg

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fand sie also zurück in das Haus, für das Lagerfeld sie vorgesehen hatte. Was für ein Zufall! Haentjes hält diese wunderliche Geschichte für den Nachweis, «dass manche Gegenstände eine Seele haben».99 Aber Lagerfeld war fort. Auch von Marietta Andreae verabschiedete er sich. Sie hatte bis 2000 als Chanel-Pressechefin für Deutschland und Österreich mit ihm zusammengearbeitet. Seit 2000 arbeitete sie mit ihrer eigenen PR-Agentur weiter für Chanel und organisierte viele Projekte und Fotoausstellungen mit Lagerfeld. Immer wieder hatte sie in den vielen Jahren erlebt, dass er sich plötzlich von engen Mitarbeitern trennte. Deshalb war sie auf alles gefasst. Im November 2007 herrschte plötzlich Stille. Zu Weihnachten schickte er noch einen riesigen Korb mit Amaryllis und Rosen. Sie sollte ihn wiedersehen, denn er konnte von Hamburg nicht lassen. Als er zu seiner Métiers-d’Art-Schau am 6. Dezember 2017 in der Elbphilharmonie kam, unterhielten sie sich lange. In diesen Tagen ging er noch einmal zurück zu seinen Wurzeln. Vor der Schau wurde er gefragt, ob man alle Chanel-Codes sehen werde. «Keine», sagte Lagerfeld, «dieses Mal sind es meine Codes.»100 Über seine Heimatstadt sagte er: «Hamburg gehört zu meinem persönlichen Background. Das ist wie eine Tapete in meinem Gehirn.»101 Das Orchester spielte «La Paloma», als sich die ersten Models auf den langen Weg durch die Ränge des Großen Saals machten. Sie trugen Kostüme mit maritimen Querstreifen, auf dem Kopf ElbseglerMützen und an der Hand «container bags», kleine Handtaschen in der Form von Schiffscontainern. Die Männer kamen in Seemannskluft auf die Bühne, mit Pfeife im Mund. Als Lagerfeld am Ende mit seinem neunjährigen Patensohn Hudson vors Publikum trat, spielte das Orchester wieder «La Paloma», das Lied, dessen Hans-AlbersVersion von 1944 er als Jugendlicher unendlich oft gehört hatte. War das Heimweh? Die «Welt»-Journalistin Inga Griese unterhielt sich an dem Abend mit ihm über Sylt, wo er als Kind mit seiner Familie oft im Sommerurlaub gewesen war. «Ich würde so gern nochmal ins Sansibar», sagte er. Sie bot ihm an, eine Tour in das berühmte Restaurant in den Dünen zu organisieren, aber er antwortete: «Das ist in meinem Leben ja irgendwie nicht mehr möglich.»102 Sie bezog das auf seine vielen Termine. Womöglich meinte er damit aber sein 244

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nahendes Ende, denn er wusste schon seit mehr als zwei Jahren von seiner Krebserkrankung. Der Abend endete hamburgerisch. Für die Party war die Fischauktionshalle in eine Hafenspelunke verwandelt worden. Es gab Lachs und Aalsuppe, und außer Champagner floss auch reichlich Bier. War das Chanel? Nein, das war mehr. Karl Lagerfeld sprach wenig und wirkte in sich gekehrt. Aber als der Shanty-Chor auf der Treppe «Das ist die Liebe der Matrosen» sang, schunkelte er sanft mit seinen Tischnachbarinnen Lily-Rose Depp und Kristen Stewart. Der verlorene Sohn war nach Hause zurückgekehrt, zum letzten Mal. Und war am nächsten Tag wieder fort.

Blumen Vor den Modenschauen herrscht Hochsaison im Blumenladen von Caroline Cnocquaert und ihrer Schwester Stéphanie Primet an der Rue du Faubourg Saint-Honoré 103. Dann gehen die großen Sträuße im feinen Papier nicht mehr im Stundentakt hinaus, sondern im Zehn-Minuten-Takt. Das Blumengeschäft Lachaume ist seit anderthalb Jahrhunderten bekannt, schon Marcel Proust kaufte beim ­«maître fleuriste depuis 1845» jeden Morgen eine Cattleya-Orchidee fürs Knopfloch. Christian Dior war ebenfalls Stammkunde, er wohnte im selben Haus – damals lag der Laden noch an der Rue Royale 10. Aber in den letzten Jahrzehnten erblühte das Geschäft erst richtig, dank einem ganz besonderen Großkunden. Im Jahr 1971 übernahm die Großmutter von Caroline Cnocquaert und Stéphanie Primet das Blumengeschäft. An ihrem ersten Tag im Mai 1971, so geht die Legende, bediente sie als ersten Kunden Karl Lagerfeld, der sich eine langstielige weiße Rose kaufte. Die Tochter der neuen Besitzerin bediente am Nachmittag des gleichen Tages Yves Saint Laurent  – der ebenfalls eine langstielige weiße Rose bestellte. Ein seltsamer Zufall. Beschenkten sie sich gegenseitig? Verehrten sie den gleichen Mann? Die Floristinnen wissen es nicht. Oder wollen das Geheimnis der Rose für sich behalten. Denn Blumenhändler, so sagen sie, müssen «très discret» sein.103 Blumen

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In den frühen Jahren kam Karl Lagerfeld noch selbst in das Geschäft. Seit Ende der neunziger Jahre kümmerte sich Caroline Cnocquaert um seine Bestellungen, da schickte er längst Faxe. «Und seitdem es das iPhone gab, rief er an, fast jeden Tag», sagt sie, «besonders vor den Schauenwochen.» Denn wenn die wichtigsten britischen, amerikanischen, italienischen und deutschen Moderedakteurinnen in ihr Hotel eincheckten, wartete dort schon ein riesiger Blumenstrauß von Chanel mit handgeschriebenem Gruß des Chefdesigners: «Welcome to Paris! Karl». Es war ein genau abgestufter Plan. Chanel fragte etwa 60 wichtige Redakteurinnen zuvor, wann sie anreisen und wo sie absteigen. ­Lagerfeld bestellte daraufhin rechtzeitig für jede der Redakteurinnen – nur selten waren es Männer – einen bestimmten Strauß. «Er wusste alles», sagt Caroline Cnocquaert. «Die eine bekam weiße Rosen, die andere violette.» Dann setzte er sich hin, schrieb die Karte und steckte sie in den Umschlag, den er selbst mit der Hoteladresse beschriftete. Seine Fahrer brachten die Briefe zum Blumenladen. Die Blumenhändlerinnen hefteten die Umschläge an den Strauß, und ein Fahrer brachte die gewaltigen Bouquets in die jeweiligen Hotels. Auch andere Modemarken empfangen Moderedakteure so  – aber meist nicht mit einem persönlichen Gruß des Designers und nicht mit einem so üppigen Strauß. Solche Geschenke verdankten sich natürlich auch seiner generellen Großzügigkeit. Als ihn Alexandra von Rehlingen Mitte der neunziger Jahre mit ihrem Mann bei Chanel besuchte, sagte er: «Alexandra, suchen Sie sich doch ein paar Kostüme aus.» Da sie schwanger war, lehnte sie dankend ab. «Dann nehmen Sie sich wenigstens zwei Taschen», sagte er – und drückte ihr eine blaue und eine schwarze ­Tasche in die Hand. Später sagte Lagerfeld zu ihrem Mann: «Die anderen Frauen von Anwälten nehmen sich immer gleich zehn Kostüme und verkaufen sie dann wieder.»104 Als er 1975 André Leon Talley, damals noch beim Magazin «Interview», in seiner Suite im Plaza in New York zum Interview empfing, deckte er ihn gleich mal mit Hemden von Hilditch & Key ein. Zum 50. Geburtstag schenkte er Talley 50 000 Dollar.105 Da macht sich das Geschenk für Alice Schwarzer, mit der er seit den achtziger Jahren, wie sie sagt, «eine lockere Freund246

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schaft» pflegte, fast bescheiden aus: «Sein schwarzes Paletot für mich hängt noch in meiner Garderobe.»106 Blumenhändlerin Caroline Cnocquaert durfte sich jedes Jahr vor Weihnachten eine Handtasche von Chanel, Karl Lagerfeld oder Fendi aussuchen. Die anderen Mütter staunten nicht schlecht, dass man an ihr immer wieder neue Model­le sah, wenn sie ihre Kinder von der Schule abholte. Können Moderedakteure unabhängig bleiben, die einen Strauß mit ihren Lieblingsblumen im Wert von Hunderten Euro bekommen? Die Modeszene, in der es ohnehin nur «Freunde» gibt, kennt die hässlichen Worte Bestechung oder Vorteilsnahme nicht. Aber Lagerfeld war nicht nur aus reiner Liebe so großzügig. Mit Baptiste Giabiconi sprach er offen darüber, wie die «weiße Armee» – so nannte er die Lachaume-Blumen  – für ihn kämpft: «Es ist verrückt, Baptiste, was man alles erreichen kann mit einer Orchidee.»107 Da hatte er wohl recht: Für ihren Freund Karl ließen Chefredakteurinnen auch wegen all der Orchideen in ihren Magazinen rote Rosen regnen. Gleich nach den Schauen bekamen auch die Chef-Schneiderinnen bei Chanel ihre Sträuße. Und Lagerfeld selbst fand nach der Rückkehr vom Grand Palais zu Hause in seiner Wohnung einen Maiglöckchen-Strauß vor, denn die Floristinnen haben einen Züchter an der Hand, der die Frühlingsblume das ganze Jahr über erntet. Maiglöckchen gehörten zu seinen Lieblingsblumen – neben Orchideen, weißen Rosen und Nelken, die ihn an die Carnation erinnern mochten, in ­deren Zeichen sein Vater mit Kondensmilch handelte. «Für sich selbst bestellte er sonst kaum Blumen», sagt Caroline Cnocquaert, «weil er so viele geschenkt bekam.» Er war ihr einfachster Kunde, denn er wusste genau, was er wollte. Auch außerhalb der Modesaison rief er immer wieder an. Oft gingen die Sträuße an Caroline Lebar, Carine Roitfeld oder Virginie Viard, «meine Virginie», wie er sie gegenüber den Floristinnen nannte. Auch der Designerin Sonia Rykiel ließ er vor jeder Schau einen Strauß ­schicken. «Es war viel Arbeit, sehr viel Arbeit», sagt Caroline Cnocquaert, die alle Faxe von damals aufbewahrt hat. Er allein stand für ungefähr 20 Prozent des Umsatzes dieses nicht ganz kleinen Ladens mitten in Paris, der auch Modemarken wie Balenciaga, Alexandre Vauthier und manchmal auch Dior beliefert. Aber bei allem Stress Blumen

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war er auch unterhaltsam. «Wir haben so viel gelacht mit ihm», sagt Caroline Cnocquaert. Und er wollte immer alles wissen: «Was ­machen die Kinder? Wie alt sind sie jetzt? Auf welche Schule gehen sie? Schicken Sie mir Fotos! Ah, wie toll! Sie müssen glücklich sein!» Eines Tages bekamen die beiden Schwestern iPhones von ihm geschenkt. Stéphanie Primet rief an, um sich zu bedanken. Er fragte: «Wissen Sie, wie man damit Fotos macht?» Sie wusste es noch nicht. Also erklärte der fast 80 Jahre alte Modeschöpfer der halb so alten Blumenhändlerin, wie das geht: «Sie müssen auf die Porträtfunktion gehen und ‹Studio Light› drücken, dann bekommen Sie die besten Bilder.» Seitdem haben auch die beiden Blumenhändlerinnen mit ihren Fotos auf Instagram Erfolg.

Journalisten Karl Lagerfeld und die Medien – das war eine enge Beziehung. ­Andere Modemacher reden in vorgestanzten Phrasen, wissen oft nicht viel zur Kollektion zu sagen und über das Leben schon gar nicht. Markant reden meist nur die Selfmademen, die eine eigene Marke aufgebaut haben, wie Jean Paul Gaultier, Christian Lacroix, Marc ­Jacobs oder Wolfgang Joop. Aber unter den Kreativen der großen Marken, die einen geschönten Diskurs pflegen, war Lagerfeld vielleicht der einzige, der frisch, frei und fröhlich drauflosplauderte, ohne dauernd Rücksicht auf seine Auftraggeber zu nehmen. «Er hat sich mit allen unterhalten, war nahbar, höflich, liebenswürdig, diszipliniert», sagt Marietta Andreae. «Er war überhaupt nicht beeindruckt von wichtigen Menschen. Aber einfache Mitarbeiter, Servicepersonal und zum Beispiel auch Journalisten behandelte er äußerst zuvorkommend.» Auch wenn sich im Laufe des Tages die Termine nur so türmten: «Dass ein Interview nicht stattgefunden hätte – das hat es nicht gegeben. Wenn er allerdings nur 08/15-Fragen hörte, war er schnell gelangweilt.»108 Für Radio, Fernsehen und ­Zeitung war er ein idealer Gesprächspartner. «Schlagfertig, mehrsprachig, vielseitig. Gebildet, aber nicht akademisch, lustig, aber nicht platt», sagt Marietta Andreae. «Ihm selbst hat das viel Spaß ge248

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macht.» In Talkshows war er äußerst beliebt: Oft saß er bei Thomas Gottschalk auf der Couch von «Wetten, dass..» oder in der Runde der «NDR Talk Show». In Deutschland luden ihn die Moderatoren Alfred Biolek, Sandra Maischberger, Johannes  B. Kerner, Reinhold Beckmann und Markus Lanz gern zu Einzelgesprächen: Er hatte mehr als genug zu sagen für 45 oder 60 Minuten. Auf das jeweilige Medium stellte er sich gut ein. «Women’s Wear Daily» («WWD») brachte immer am Morgen der großen Defilees eine Vorschau auf die Kollektion, die das Fachpublikum begierig erwartete. «Für meine Vorberichte brauchte ich Zitate und Fotos», sagt Godfrey Deeny, Anfang der neunziger Jahre Pariser Bürochef des wichtigsten Branchenblatts. Die Zeit war knapp. Denn die Entwürfe mussten ja schon fertig sein. Und die Fotos mussten – als Film oder schon entwickelt – dann schnell mit dem Motorrad zur Concorde gebracht werden, die vom Flughafen Charles de Gaulle zum KennedyFlughafen nach New York flog, und von dort in die «WWD»-Zen­ trale nach Manhattan; die Texte schickte Deeny per Telefax. Da «WWD» auch bei Paris gedruckt wird, konnten die Hefte am nächsten Tag vor der Schau verteilt werden. «Mit Yves Saint Laurent war das immer kompliziert», sagt Deeny. «Karl dagegen war der größte Profi. Er sorgte persönlich dafür, dass wir rechtzeitig gute Bilder hatten, und wollte dann natürlich auch aufs Cover.»109 Godfrey Deeny und seine Nachfolger Miles Socha und Joëlle Diderich hatten auch deswegen einen guten Gesprächspartner in Lagerfeld, weil er mit dem legendären Verlagschef John Fairchild und dem damaligen Chefredakteur Patrick McCarthy befreundet war. Wie er überhaupt auf gute Beziehungen zu den Verlegern im Hintergrund achtete, etwa zu Samuel Irving («Si») und seinem Cousin Jonathan Newhouse vom New Yorker Condé-Nast-Verlag («Vogue», «GQ», «Vanity Fair»), zu Friede Springer von Springer («Bild», «Welt») oder zu Aenne und ihrem Sohn Hubert Burda vom Burda-Verlag («Elle», «Bunte», «Burda Moden», «Instyle»). Er war sogar, man glaubt es kaum, bei der Beerdigung von Aenne Burda am 10. November 2005 in Offenburg anwesend, warf mit einer kleinen Schaufel ­etwas Erde auf den hinabgelassenen Sarg und sagte: «Wir haben eine große Frau und eine gute Freundin verloren.»110 Journalisten

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In seinen Interviews war Lagerfeld für jeden Spaß zu haben. Über die androgyn wirkende Inneneinrichterin Andrée Putman sagte er zu Deeny in einem zweisprachigen Wortspiel, sie sei «more man than pute» («mehr Mann als Nutte»). Viele Zitate aus Interviews wurden zu geflügelten Worten: «Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.»111  – «Sexualität ist heute nur noch eine Sportart.»112  – «Ich kann nicht kochen. Ich kann kaum eine Eisschranktür aufmachen.»113 – «Der Model-Beruf basiert auf gewissen Ungerechtigkeiten. Wer heute als schön gilt, wird morgen kaum noch zum Putzen bestellt.»114 – «Stress? Ich kenne nur Strass.»115 Und über Heidi Klum: «Auch Claudia kennt die nicht. Die war nie in Paris. Die kennen wir nicht.»116 Interviews nutzte der Modeschöpfer, um von den Interviewern Neues zu erfahren. «Er wollte Klatsch und Tratsch hören», sagt Deeny. Auch Journalisten, die nicht zum engsten Kreis der Einfluss­ reichen gehörten, sondern aus Österreich kamen, lieferte er willig ­Zitate. Und nicht nur Arte ließ er zum Interview vor, sondern auch RTL. Waren die Berichte der Kritiker gut ausgefallen, gab es Blumen, und zu Weihnachten kam eine Kiste Wein in die Redaktion  – vom Weingut Rauzan-Ségla im Bordeaux, das zu einer Tochtergesellschaft von Chanel gehört. Auf die Redakteure machte er auch mit seinen Bekannten Eindruck: Als Lagerfeld 1994 in der Villa Vigie in Monaco das Parfum Sun Moon Stars lancierte, stellte er Deeny unter anderem Helmut Newton und Prinzessin Caroline vor. Für diese Produktvorstellung lud der Konzern Elizabeth Arden, mit dem Lagerfeld damals zusammenarbeitete, Moderedakteure aus aller Welt ein. Die Praxis, den Journalisten Flug, Hotel und Verwöhnprogramm zu finanzieren, wuchs sich in den folgenden Jahrzehnten immer weiter aus. Viele große Marken luden Redakteure nun zu mehrtägigen Reisen ein, nach Havanna oder Hamburg, nach Rio de Janeiro oder Tokio, nach Marrakesch oder Palm Springs. Natürlich ging es bei diesen «destination shows» auch um die neue Zwischenkollektion. Aber mehr noch als ein Blumenstrauß dienen die Marketingspektakel dazu, eine gute Stimmung zu schaffen, wichtige Multiplikatoren an sich zu binden und die redaktionellen Inhalte verlässlich ins Positive zu drehen. 250

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Mit seinen Verführungskünsten hatte Karl Lagerfeld früh begonnen. «Er kam oft ins Büro, um Kontakt zu halten», sagt Ariel de ­Ravenel, die sich seit 1967 bei der französischen «Vogue» vor allem um die Accessoires kümmerte. «Meist am frühen Abend, mit einer Flasche Champagner für uns. Er kam auch aus Neugier, schaute aufs Layout, gab ein paar Ratschläge, weil er ein gutes Auge hatte, und wollte wissen, was los ist.» So erfuhr er als einer der ersten, was die nächste Ausgabe brachte. Und weil er schon da war, zeichnete er Porträts der Redakteurinnen. «Wir bekamen die Originale», sagt Ariel de Ravenel. «Ich mochte das sehr.»117 Mit Francine Crescent, die als Chefredakteurin von 1968 bis 1987 mit einer gewagten Bildsprache die französische Ausgabe zur führenden «Vogue» in der Welt machte, war er befreundet. Von Helmut Newton druckte sie Aufnahmen, «die damals keine andere Mode­ zeitung zu drucken gewagt hätte», schrieb Lagerfeld 1982. «Sie hat oft ihre Position für ihn riskiert.»118 Überhaupt waren die «Vogue»Chefinnen für ihn zentral, wie Anna Wintour (amerikanische Ausgabe), Carine Roitfeld (Frankreich), Franca Sozzani (Italien) und Christiane Arp (Deutschland). Stets suchte er die Nähe zu neuen Protagonistinnen der Szene. Obwohl er nicht begeistert war vom Rauswurf Carine Roitfelds bei der französischen «Vogue» Ende Januar 2011, war er sogleich auf ein gutes Verhältnis zu ihrer Nachfolgerin Emmanuelle Alt bedacht. Und mit Anna Wintour war er am Sonntagabend zu Beginn der Modewochen zum Abendessen verabredet: «Die Stunden, die ich mit ihm am Tisch verbrachte», schrieb die sonst so kühle Chefredakteurin nach seinem Tod, «machen mich glücklicher als jeder Glücksgriff am Redaktionsschreibtisch.»119 Für die «Vogue Paris» unter Francine Crescent trat er sogar einmal aus seiner Rolle heraus – und betätigte sich selbst als Journalist. Unter dem seltsamen Pseudonym Minouflet de Vermenou, das er sich wegen des Wohlklangs ausgesucht hatte, schrieb er Kritiken über neue Bücher. Der Titel der Rubrik: «Ex libris». «Man bringt sich um ein großes Vergnügen, wenn man nicht genau verfolgt, was in der ­Bücherwelt los ist», schrieb der Rezensent zum Auftakt im Februar 1979  – und äußerte sich wohlinformiert vor allem über internationale Kunst-, Film- und Modebücher.120 Journalisten

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Im Umgang mit der Presse glaubte sich Lagerfeld so sicher, dass er nicht mal gegen die Zeitung «Bild» vorgehen wollte, als die 1990 behauptete, er habe einen Behinderten aus der ersten Klasse eines Flugzeugs werfen lassen. Medienanwalt Matthias Prinz musste ihn ge­ radezu von einer Klage überzeugen. Er fragte ihn: «War denn da mal etwas vorgefallen mit einem Behinderten?» Darauf Lagerfeld: «Ich bin seit Jahren nicht mehr mit einem Linienflugzeug geflogen.»121 Also erstritt Prinz ein Schmerzensgeld, dessen Höhe bis heute unbekannt ist, weil der Anwalt eine Verschwiegenheitserklärung abgeben musste – und «Bild» entschuldigte sich auf Seite 1. Auch beim Film «Prêt-à-Porter» von Robert Altman griff Prinz im Auftrag von Lagerfeld ein. In der Satire von 1994 über die Modeszene nennt jemand Lagerfeld einen «voleur», einen Dieb also. «Das hat ihn maßlos geärgert», sagt Prinz. Im März 1995 erwirkte der ­Anwalt eine Einstweilige Verfügung, mit der dem Berliner SenatorFilm-Verleih der deutsche Kinostart untersagt wurde, «solange in diesem Film Herr Karl Lagerfeld als Thief und/oder Dieb bezeichnet wird». Die Filmfirma löste es geschickt, indem sie über die Passage einen Piepton legte. Seitdem sagt da ein Designer: «wenn ich Lacroix wäre oder dieser – piep – von Lagerfeld …» Prinz sah sich den Film in Paris im Kino an. «Es war wie in der ‹Rocky Horror Picture Show›, in der die Leute auf eine bestimmte Szene warten und dann klatschen und jubeln.» Karl Lagerfeld konnte auch deshalb so gut mit Journalisten um­ gehen, weil er Zeitungen und Zeitschriften intensiv studierte. Vom ­Kiosk am Boulevard Saint-Germain holte sein Fahrer täglich frische Druckprodukte. Alles blätterte er durch, von der «Vanity Fair» über den «Figaro» bis zur «International Herald Tribune». Trotz seiner späten Liebe zu iPhone und iPad mochte er Gedrucktes lieber als Bildschirme. Im Jahr 2011 stand er vor einem Dinner mit Suzy Menkes von der «International Herald Tribune» zusammen. «Zum ersten Mal ist meine Kritik heute nicht in der Zeitung erschienen, sondern nur im Internet», sagte Menkes, damals die wichtigste Modekritikerin der Welt. Auf Seite 1 der «Trib» hatte es nur einen kleinen Einschlag gegeben, der auf den Artikel im Netz hinwies. Lagerfeld sagte: «Ich lese es aber lieber auf Papier.» Suzy Menkes: «Ich auch.» 252

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Zeichnungen Mit dem Zeichnen begann er früh. Zu seinem Kindermädchen Martha Bünz sagte der kleine Karl Otto, als er mit vielleicht zwei oder drei Jahren gerade den ersten Buntstift halten konnte: «Martha, Papier!» Er wollte nur weißes Papier, ganz sauber. Nach den Worten ihrer Nichte staunte Martha Bünz, wie genau er sie und seine Mutter schon mit vier oder fünf Jahren zeichnete.122 Allerdings bekam die Nachwelt diese frühen Werke nicht zu sehen. «Ich habe nie etwas aufgehoben», sagte er 2015. «Ich habe immer gezeichnet, um zu zeichnen. Schon vor der Schule. Mein ganzes Leben.» Was daran so spannend war? «Eine Welt mir vorzustellen, die mit der Landschaft in Schleswig-Holstein nichts zu tun hatte.» Er wollte sich also hinausträumen aus dieser kleinen Welt? «Genau.»123 Anregungen bekam er genug. Die Illustrationen im Lieblings­ roman seines Vaters, «Krieg und Frieden» von Leo Tolstoi, zeichnete er nach. Und seine Mutter brachte aus Hamburg stets neue Zeitschriften mit. Aber eine Perspektive boten ihm die bunten Blätter kaum. «Ich wusste ja nicht, dass man Mode zum Beruf machen kann, das gab es ja früher nicht», sagte er 2015. «Also wollte ich Kostüme fürs Theater entwerfen. Das habe ich dann ja auch später gemacht, fürs Burgtheater, für die Scala. Aber dazu habe ich jetzt keine Zeit mehr.» Und er hatte auch keine Lust mehr darauf. «Ich bin nicht daran gewöhnt, dass man mir sagt: Mach das, mach das.» Am liebsten habe er selbst alles im Griff: «Wie in meinen Filmen. Da mache ich alles: Regie, Dialoge. Sonst interessiert mich das nicht.» Beim Zeichnen redete ihm niemand rein, da hatte er die volle Kontrolle. Den Jugendlichen förderte sein Kunstlehrer Heinz-Helmut Schulz. In Paris schärfte er seinen Blick und verfeinerte er seine Linienführung. In den Couture-Ateliers von Pierre Balmain und Jean ­Patou lernte er, wie sich die abstrakte Vorstellung materialisieren ließ. Es muss ein fast göttliches Gefühl sein: Man hat eine Idee, wirft sie aufs Papier, und dann erwacht sie zum Leben. «Davon bin ich noch heute jedes Mal überrascht.» Jeden Morgen erschuf er eine neue Welt. «Ich habe oft eine Vision, bevor ich einschlafe oder wenn ich Zeichnungen

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aufwache.» Um die Ideen der Nacht sofort aufs Papier zu bringen, brauche man «einen klaren Kopf», meinte er. Schon deshalb verbat sich Alkohol. «Ich will ja nicht mal ein Schlafmittel nehmen, weil ich dann Angst habe, dass mein Kopf nicht so klar ist, wie er ist.» Viele Ideen waren traumgeboren. So habe er im Schlaf die Dekoration der Couture-Schau vom Januar 2015 «genau so gesehen». Das Bühnenbild aus lauter künst­lichen Pflanzen brachte er gleich aufs Papier. Es war der passende Rahmen für die Frühjahrskollektion: Zu Beginn goss Model Baptiste Giabiconi die Pflanzen, so dass sich die Blüten per Mini-Motor schnarrend öffneten, und am Ende zog die Braut eine lange Schleppe aus lauter Blüten hinter sich her, an der 15 ChanelMitarbeiterinnen drei Wochen lang gearbeitet hatten. Seine nächtlichen Eingebungen bezeichnete Lagerfeld als «elektronischen Flash». Deshalb lag sein Zeichenblock am Bett. «Sonst vergisst man es, wenn man wieder einschläft.» Nach dem Aufstehen zog er ein langes weißes Kittelhemd von Hilditch & Key an. «Denn wenn man mit Pastell- und anderen Farben arbeitet, wird ja alles schmutzig.» Die Hemden wurden jeden Tag gewaschen. «Bei mir muss alles weiß und sauber sein. Die Bettwäsche, alles muss jeden Tag frisch sein. Ich hasse nichts mehr, als wenn es muffig ist. Vernachlässigter Junggeselle? Nein, vielen Dank! Ich rasiere und bade mich erst, wenn ich mit dem Schweinkram fertig bin. Dann lohnt sich’s.» Morgens brauchte er Ruhe. Auf ungebetene Anrufe konnte er ungehalten reagieren. «Ich will alleine sein mit Choupette, in der Ruhe zeichnen, nicht nach der Uhr gucken. Verabredungen mache ich nur für nachmittags aus, sonst schaffe ich das nicht.» Es waren die schönsten Stunden des Tages für ihn, obwohl nicht alles sofort ein Meisterwerk wurde. «Ich werfe viel weg», sagte er. Überall standen bei ihm große Papierkörbe. Seine Wohnung war «im Grunde ein ­Atelier». Sie gleiche fast der École des Beaux-Arts, der nur wenige hundert Meter entfernten Kunsthochschule: «Schräge Fenster fürs Licht! Meine vier Zeichentische sind so beladen, dass ich kaum noch Platz habe.» Das Zeichnen von Modeentwürfen hatte gegenüber dem Drapieren am Modell für ihn gleich zwei Vorteile: Er sparte Zeit, weil er die mühsame Verwirklichung der Ideen den Schneiderinnen überließ; 254

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Mit leichter Hand: Der Designer zeichnet 1979 Chloé-Entwürfe.

und er musste nicht am lebenden Subjekt arbeiten. «Ich bin kein Couturier, der drapiert», sagte er. «Ich habe eine total abstrakte Art zu ­arbeiten. Ich habe eine konzeptuelle Vision und kann sie dreidimen­ sional aufs Papier bringen, mit allen technischen Details. Wenn ich den Entwurf dann im Stoff sehe, brauche ich daran nicht mehr viel zu ändern.» Damit setzte er sich auch ab von technischen Modezeichnungen: «Wenn ich Computerzeichnungen sehe – da sieht ja alZeichnungen

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les gleich aus. Meine Zeichnungen sind dagegen wie eine Handschrift.» Die meisten Entwürfe, die aus diesen Zeichnungen entstanden, wurden in Serie gefertigt. Die eigene Handschrift aber wies den Ur­ heber als originären Schöpfer aus. Daher war auch das Material nicht beliebig. Stifte waren ihm so wichtig, dass er Testimonial für AlbrechtDürer-Aquarellstifte von Faber-Castell wurde und mit dem deutschen Hersteller 2016 die «Karlbox» herausgab, mit 350 Stiften und Pinseln. Für Papier, das er im Fachgeschäft Sennelier holte, in der Nähe seiner Wohnung gelegen, gab er «ein unmögliches Geld» aus.124 So rettete der Zeichner, der selbst nicht Künstler genannt werden wollte, weil ihm das «zu prätentiös» vorkam, die künstlerische Arbeit in die Zeiten des Hochglanzgeschäfts. Ein einsamer Mann mit locker gebundenem Haar sitzt morgens im langen weißen Hemd am Tisch und arbeitet künstlerisch autonom an der turbokapitalistischen Gewinnmaximierung seiner Auftraggeber: was für ein Gegensatz! Allein im Archiv von Fendi in Rom sind mehr als 50 000 seiner Zeichnungen aus einem halben Jahrhundert aufbewahrt. Man muss sich das Zeichnen von Modeentwürfen, ChoupettePorträts, Einladungskarten oder Karikaturen wie eine meditative Übung vorstellen: «Bei mir ist Zeichnen wie Atmen, ich denke nicht weiter dran. Ich habe mein ganzes Leben nichts anderes gemacht.» Wenn seine Mitarbeiterin Caroline Lebar an ihn denkt, dann erinnert sie sich vor allem «an das Geräusch der Stifte und an das Geräusch des zusammengeknäulten Papiers, das im Müll landete».125 «Sogar wenn er mit Anwälten über seine Verträge sprach, zeichnete er», sagt Rosemarie Le Gallais. «Aber das hieß nicht, dass er nicht zuhörte.»126 Er hatte eine erstaunliche Phantasie. Die Mitarbeiter seiner eigenen Marke erlebten das 1989, am Abend bevor Gianfranco Ferrè seine erste Kollektion für Dior präsentierte. Als jemand am Tisch fragte, wie das neue Dior wohl aussehen werde, zeichnete Lagerfeld mit schnellen Strichen den mutmaßlichen neuen Look. Dann warfen ihm die Anderen weitere Namen zu, und er skizzierte die künftigen Kollektionen von Sonia Rykiel, Ralph Lauren und weiteren Mode­ machern. «Man wusste nicht», sagt sein damaliger Geschäftsführer Ralph Toledano, «ob man staunen oder lachen sollte.»127 256

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Am Ende schloss er zeichnerisch auch eine biographische Klammer. Mit den «Karlikaturen», die er von 2013 bis 2019 für das «Frankfurter Allgemeine Magazin» zeichnete, wurde er doch noch Karikaturist (s. Abb. S. 305). Die alten Bände des «Simplicissimus» standen am Zeichentisch bereit. Wieder ließ er sich durch die bös­ artigen Spitzen und fratzenhaften Überzeichnungen der Satiriker Thomas Theodor Heine und Olaf Gulbransson anregen. Nun geißelte er hohle politische Rituale, durchsichtigen Machtmissbrauch, rechts­ gerichtete Politiker. So erweckte er Heines Wappentier des «Simplicissimus» zum Leben: Eine breitbeinige Bulldogge versah er mit dem Gesicht von Jean-Marie Le Pen. Dem rechtsradikalen französischen Politiker, der eine Gegenpartei zum «Front National» seiner Tochter gründete, legte er einen bissigen Kommentar in den Mund: «Mit meiner Partei werde ich meiner Tochter Marine ins Bein beißen.»128 In seinen späten Jahren trat Lagerfeld ins politische Tagesgeschäft. Es sollte ihm noch Kritik einbringen.

Bücher Der Weg in seine Bücherwelt führte durch seine Buchhandlung. Wenn Karl Lagerfeld am Nachmittag in sein Fotostudio an der Rue de ­Lille 7 ging, blieb er erst einmal an den Tischen im Laden 7L stehen. Denn seine beiden Buchhändler Hervé Le Masson und Catherine ­Kujawski legten immer wieder neue Werke aus, zu Fotografie, Design, Architektur, Kunsthandwerk, Film, Theater, Tanz, Kunst, Garten und ein wenig auch zu Mode. «Das ja, das ja, das nicht», sagte er und tippte auf die Bücher. Es war ein Luxus, der ihm gefiel: Seine Bücher kaufte er in seiner eigenen Buchhandlung – mit fünf Prozent Nachlass.129 Nicht nur dort war er der beste Kunde. Schon seit Jahrzehnten ging er zu Galignani an der Rue de Rivoli, wo er nach seinen eigenen Angaben für elf Prozent des beträchtlichen Gesamtumsatzes stand. In New York ging er zu Rizzoli am Broadway, in Berlin in den Bücherbogen am Savignyplatz, in Hamburg zu Felix Jud am Neuen Wall. Im Durchschnitt kaufte er jahrzehntelang pro Tag etwa ein bis zwei DutBücher

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zend Bücher. Ihm selbst kam das «wie eine unerklärliche Bulimie» vor.130 Hervé Le Masson und Catherine Kujawski kannte er schon seit Anfang der achtziger Jahre. Damals hatten sie ihm bei La Hune am Boulevard Saint-Germain die Bücher zurückgelegt. Im Jahr 1999 baute er in den überdachten Innenhof an der Rue de Lille sein Fotostudio. Zur Straße hin gab es noch rund 80 freie Quadratmeter mit großen Schaufenstern. Masson war in Nantes bei einer Fortbildung, als er einen langen Brief bekam: «Wären Sie interessiert? Wir könnten gemeinsam eine Buchhandlung eröffnen, frei und unabhängig.» Bald trafen sie sich an der Rue de Lille. Lagerfeld, der an dem Tag im Studio Carole Bouquet für die Zeitschrift «Egoïste» fotografierte, nahm Masson an der Hand und zeigte ihm das ganze Haus. Am 7. Dezember 1999 feierten sie Eröffnungsparty, mit nur einem einzigen Buch: «Iwao Yamawaki», dem ersten Band der neuen Fotobuch-Reihe 7L, die Lagerfeld gerade mit seinem Verleger Gerhard Steidl gründete, über den japanischen Fotografen, der 1930 bis 1932 am Bauhaus in Dessau studiert hatte. Für die beiden Buchhändler begann eine neue Zeit. «Alles ging so schnell, wir waren gar nicht daran gewöhnt», sagt Le Masson. «Es war immer spannend und lustig mit ihm», sagt Catherine Kujawski. «Er war schon 1981, als wir ihn kennenlernten, beeindruckend und gleichzeitig ganz offen und freundlich. Es ging immer hin und her mit ihm, wie beim Pingpong.» Selbst seine Missbilligung von Büchern kleidete Lagerfeld in elegante Ironie: «Ah, Hervé, Sie mögen dieses Buch?!» Oder: «Na, das Buch werden Sie wohl nicht bestellen. Wir sind ja keine Provinzbuchhandlung, oder?» Wenn die beiden Buchhändler, die bald von Vincent Puente unterstützt wurden, für den ­Laden ein Buch von Yves Saint Laurent bestellt hatten, legten sie es nach ganz hinten oder in ein Fach unter einem Tisch. Manchmal ging der Chef trotzdem noch dazwischen: «Wenn ich dann Sachen sehe, die mir nicht gefallen, dann kaufe ich sie alle», sagte er, «und schmeiße sie weg.»131 Auf seinen Buchladen war Karl Lagerfeld stolz. «Einmal ist ein Mann per Zufall hereingekommen und hat Bücher für 56 000 Euro bestellt», erzählte er. Manche Privatpersonen bestellten die Bücher 258

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gleich meterweise, «auf dass ihre Einrichtung sie kultiviert erscheinen lässt».132 Manchmal stand er wie ein stolzer Geschäftsinhaber draußen vor der Tür, sprach Leute an, die vorübergingen, und unterhielt sich mit ihnen. «Er konnte ganz leicht und direkt auf Leute zugehen», sagt Caroline Lebar. Die Leute waren immer begeistert: «Hello, Karl! Hello!»133 Hatte man sich um die Büchertische geschlängelt, gelangte man durch einen Gang in einen Raum, in dem Butler Frédéric Gouby, stets in weißer Jacke, frisches Essen und Trinken bereithielt, für alle Models, Stylisten, Interviewer, Mitarbeiter, die stundenlang auf ihren Termin mit Lagerfeld warten mussten. Darauf folgte ein weiterer Durchgangsraum mit Tisch, an dem er zeichnete und seine Interviews gab. Dann ging es um eine Zwischenwand ins Studio – und da erwartete die Besucher ein überwältigender Anblick. An den Wänden des etwa sieben Meter hohen riesigen Raums: Bücher bis zur Decke. Die meisten lagen in den Regalen. Dafür nannte er gleich zwei Gründe: So verzogen sie sich nicht, und so musste er den Kopf nicht drehen, wenn er die Titel auf dem Buchrücken lesen wollte. Das war nur etwa ein Viertel seiner Bücher. Tausende hatte er zu Hause, weitere in einer Wohnung an der Rue de Saint-Père, in seinem Apartment in Monaco, in seinem Haus außerhalb von Paris und in Containern in einem Lagerhaus, von einem Bibliothekar verwaltet. Auch für die Sommerferien, die er in einem Haus auf dem Gelände des Hotels La Réserve Ramatuelle bei Saint-Tropez verbrachte, sorgte er vor. «Die Villa war vollgestopft mit Büchern», sagt Gerhard Steidl. «Emmanuel, der das Lager verwaltete, schleppte mit weiteren Helfern zu Beginn der Ferien die ganzen Bücher dorthin.»134 Es war seinem Gedächtnis zu verdanken, dass er bei all dem Hin und Her den Überblick nicht verlor. Manchmal ordnete er nach ­Themen, zu Hause zum Beispiel standen Wörterbücher zusammen. Aber meist hatte er es nicht nötig, die Werke inhaltlich oder alphabetisch zu ordnen. Er kannte ihren Standort «im Kontext des Zimmers, in dem sie stehen».135 «Ich gehe oft an all meinen Bücherborden vorbei und lerne visuell auswendig, wo die Sachen sind. Und wenn ich etwas brauche, kann ich anrufen und beschreiben: in dem Bord, fünftes Regal und so weiter.»136 Bücher

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Seine liebste deutsche Buchhandlung war Felix Jud am Neuen Wall in Hamburg. Florentine Pabst hatte Lagerfeld in den achtziger Jahren mit dem Besitzer Wilfried Weber bekannt gemacht. Mit ihm verstand er sich so gut, dass er häufig per Fax Bestellungen aufgab, die paketeweise nach Paris geschickt wurden  – so dass er auch bei ­Felix Jud zum besten Kunden wurde. Nach dem Tod Wilfried Webers im Jahr 2016 betreute ihn Marina Krauth. «Seine Interessen waren ungeheuer vielfältig», sagt die Buchhändlerin.137 Er bestellte philo­ sophische Klassiker wie Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Nietzsche und Walter Benjamin; literarische Klassiker wie Joseph von Eichendorff, Hans-Christian Andersen, Rainer Maria Rilke, Thomas Mann in vollständiger Werkausgabe, Franz Kafka in Fortsetzungen; Innenarchitekten wie Peter Behrens und Bruno Taut, überhaupt das Bauhaus; die Geschichte des Adels von Metternich bis Königin Luise; ­Literatur zum frühen Film, etwa zu Fritz Langs «Metropolis» oder zu Schauspielerinnen wie Adele Sandrock, Asta Nielsen, Eleonora Duse. Großes Interesse hatte er an Illustratoren wie Henry van de Velde, Kay Nielsen, Léon Bakst, Walter Schnackenberg: Für solche Pioniere der Grafik hatte er, wie Krauth sagt, «ein absolutes Gespür». Als ebenso revolutionär empfand er die Kunst von Frauen, unter anderem am Bauhaus. Kaum jemand kannte die Cranach-Presse besser, den Verlag, den Harry Graf Kessler 1913 in Weimar gegründet hatte. Von dem Autor besaß er zum Beispiel auch dessen Walther-Rathenau-Buch in erster Ausgabe. «Mit allen Namen auf einer Todesanzeige von Kessler konnte er etwas anfangen», sagt Marina Krauth. Seine Kenntnisse über Jugendstil und Wiener Secession gewann er aus der Zeitschrift «Ver Sacrum». Die Kunst- und Architekturzeitschrift «Wendingen», die von 1918 bis 1932 monatlich in den Niederlanden erschien, kaufte der Buchladen für ihn von einem Sammler, alle Bände. «Er war begeistert, das war für ihn eine Fundgrube.» Vor der Métiersd’Art-Schau im Dezember 2017 in Hamburg schickte ihm Marina Krauth alles, was antiquarisch über Geschichte und Architektur seiner Heimatstadt zu finden war, «mindestens 40  Bücher», zum Beispiel einen Fotoband von Albert Renger-Patzsch über die Hansestadt, der nur noch in England aufzutreiben war. Und für die Métiers-d’Art260

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Eine Bibliothek im Fotostudio: An der Rue de Lille 7 lagen aber nur etwa ein Viertel seiner Bücher.

Schau im Dezember 2014 in Salzburg ging es um Stoffe, Trachten und Walzer. «Auch wenn man nur kurz mit ihm gesprochen hatte, war man den ganzen Tag lang beflügelt», sagt Marina Krauth, die er «Madame Krauth» nannte. Weil sie auch einen Kunsthandel betreibt, bot sie Bücher

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ihm zudem historisches Geschirr, Besteck, Stühle, Lampen an, wenn sie handwerklich herausragend, historisch bedeutend und womöglich noch nützlich waren. «Auch dabei ging es ihm um den Geist der­ jenigen, die es entworfen hatten.» Den legendären Gestalter Henry van de Velde, der mit Büchern, Porzellan und Inneneinrichtung an ­einer Art Gesamtkunstwerk arbeitete, verehrte er wegen seiner Vielseitigkeit. In diesem Geistesverwandten sah er seine eigene Mehrfachbegabung gespiegelt. Weil sie wusste, dass er Jugendstil-Illustrationen liebte, machte Krauth ihn darauf aufmerksam, dass Anfang 2017 in einem kleinen New Yorker Auktionshaus mehrere Aubrey-Beardsley-Vignetten versteigert wurden. «Die hätte ich gerne», sagte er. Kurzentschlossen flog sie hin und ersteigerte drei Vignetten. Als sie ihm das schrieb, rief er sofort an: «Toll! Was? Sie sind extra dahingeflogen? Schicken Sie mir alle Rechnungen.» Als Illustrator, Herausgeber und Autor wurde Karl Lagerfeld auch selbst zum Büchermacher. Als er ein Kinderbuch aus dem Coppenrath-Verlag in Münster entdeckt hatte, lud er Gründer und Chef Wolfgang Hölker zu sich nach Paris ein. Hölker war nicht nur von dem Haus an der Rue de l’Université überwältigt: «Es war elf Uhr vormittags, die Gardinen waren zu, es brannten Kerzen, alles war vorbereitet wie zu einem Empfang.» Lagerfeld beeindruckte den Verleger auch dadurch, dass er sich in Münster auskannte – und wusste, dass die Buchhandlung Coppenrath an der Ecke des Prinzipalmarkts lag.138 Der Designer schlug vor, «Des Kaisers neue Kleider» mit seinen Illustrationen herauszugeben. Schon als Kind sei er fasziniert von Hans-Christian Andersens Märchen gewesen. Sofort besprachen sie Aufmachung, Format und Papier. Hölker war angetan: «Ich hatte noch nie einen Illustrator, der so allseits informiert war und wirklich an allem interessiert.» Das Buch mit den 40 Zeichnungen, vorgestellt auf der Buchmesse 1992, wurde ein Erfolg.139 «Das hat ihn aber gar nicht interessiert.» Oft ging es ihm weniger um den Gehalt der Bücher als um Sprache und Stil, Aufmachung und Papier. An Proust liebte er den Duktus, nicht den Inhalt. Am meisten kaufte er «Bilderbücher» über Mode, Kunst, Design. Und immer kam es ihm auf das Material an: «Das 262

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­ apier hat einen Geruch, den kein Schirm ersetzen kann. Es tut mir P leid, ich liebe iPads, aber Bücher sind besser», sagte er im Gespräch mit Roger Willemsen. «Ich will umblättern und das Papier anfassen und riechen.»140 Die Leidenschaft für Papier brachte ihn mit Gerhard Steidl zusammen, dem Göttinger Verleger, der als Siebdrucker mit hauseigener Druckerei auch ein Fachmann für Papierarten und Drucktechniken ist. Steidl, den er Anfang der Neunziger kennenlernte, «der beste Drucker der Welt», wie er einmal sagte, brachte ihn auf viele neue Ideen. Beginnend mit «Off the record» (1994), gab er Dutzende Foto-Bände in dem Göttinger Verlag heraus. Gemeinsam gründeten die beiden im Jahr 2000 die Edition 7L für Kunst- und Foto-Bücher mit Lagerfeld als Kurator. Und 2010 gründeten sie L. S. D. (Lagerfeld, Steidl, Druckerei Verlag) für literarische Titel und Sachbücher, seien es die Erinnerungen von Hélène Mercier Arnault, der Frau von Bernard Arnault, sei es die Chanel-Biographie von ­Justine Picardie oder neue Literatur zu Nietzsche. Lagerfeld hatte so viele Ideen für neue Titel, dass noch nach seinem Tod 20 Bücher erscheinen sollten. Ein intensiver Leser verlangt auch Freunden viel ab. Mit Steidl tauschte Lagerfeld regelmäßig Lektüreempfehlungen aus. Einmal schickte er ihm «Reading Rilke: Reflections on the Problems of Translation» von William H. Gass nach Göttingen. «Das müssen Sie lesen, hochinteressant», sagte er über die Studie aus dem Jahr 1999. Nach einer Woche fragte er: «Haben Sie’s gelesen?» Steidl, den die Schwierigkeiten beim Übersetzen von Rilke-Gedichten ins Englische nicht so recht interessierten, druckste etwas herum. «Geben Sie sich doch die Mühe», sagte Lagerfeld. «Sie müssen das lesen, sonst können wir nicht diskutieren.» Beim nächsten Anruf musste Steidl gestehen, dass er erst auf Seite 30 sei. Da wurde Lagerfeld wütend: «Eines will ich Ihnen sagen: Wenn ich Ihnen Literatur empfehle, dann lesen Sie sie bitte, weil ich mit Ihnen darüber reden möchte. Wenn Sie das nicht interessiert, dann können wir die ganze Arbeit sein lassen.» Steidl las und las und las – und arbeitete weiter mit ihm zusammen.

Bücher

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Bei der Abnahme einer Lagerfeld-Kollektion, 2010

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Diät Dieser Rehrücken blieb in Erinnerung. Werner Thiele wusste eben, wie man Fleisch zubereitet. Der Fahrer und Koch der Bismarcks, noch von Fürst Otto, dem Enkel des Reichskanzlers, eingestellt, ­arbeitete seit dessen Tod im Jahr 1975 für seine Witwe. Fürstin Ann Mari (1907 bis 1999) kaufte gern bei Chanel ein, war mit Karl Lagerfeld befreundet und lud ihn zu ihren Abendessen in Monaco ein. Für eines dieser Dinner hatte ein Förster im Sachsenwald, dem riesigen Forst der Bismarcks bei Hamburg, eigens ein schönes Reh geschossen. Werner Thiele hatte das Fleisch im Koffer nach Monaco geschmuggelt und dort zubereitet. Karl Lagerfeld, der damals noch gut und gerne aß, war begeistert. «Cher Monsieur», schrieb er am 21. April 1990 auf dem Brief­ papier von Le Mée, seinem Haus außerhalb von Paris, «ich habe ­immer noch nicht angerufen, da ich immer fürchte, jemand der Familie B nimmt den Hörer ab und erkennt meine Stimme.» Den Koch der Bismarcks abzuwerben für sein neues Haus in Hamburg – das hatte den Charakter einer Geheimoperation. «Auf jeden Fall wäre ich sehr interessiert», schrieb er abschließend an Thiele, «daß sie für mich ­arbeiten.» Erfolg hatte er damit allerdings nicht. Thiele fand die Villa in Blankenese, die der Modeschöpfer 1991 kaufte, «gruselig». Die Garage mit der Wohnung obenauf, die ihm und seiner Frau zugedacht war, konnte aus Gründen des Denkmalschutzes nicht gebaut werden. «Und dann hörten wir noch», sagt Thiele, «dass er seine Leute überallhin mitnahm, wo er gerade wohnte. Da sind wir lieber bei der Fürstin geblieben.»1 Karl Lagerfeld hat vielleicht nie wieder in seinem Leben einen so guten Rehrücken gegessen. Er wusste sich aber Diät

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anderweitig zu helfen. Schon immer war er unersättlich. Die Kellner im Café de Flore brachten die Standardorder, wenn er kam: Frankfurter Würstchen und frischen Blutorangensaft, zum Nachtisch Käse.2 Auch Junk Food liebte er, mit viel Mayonnaise.3 Über seinen Konsum im Atelier von Chloé schrieb eine erstaunte Journalistin: «Er frisst Schokolade.»4 Schlimm? Seit dem Tod seines Lebenspartners im Jahr 1989 wurde es schlimmer. Die Trauer um Jacques de Bascher bekämpfte er in den neunziger Jahren mit regelrechten Fressorgien. Barock waren nicht nur seine Vorlieben, sondern auch seine Figur. Die Anzüge von Comme des Garçons oder Yoji Yamamoto konnten es nicht mehr verbergen. Seine Lieblings-Models – wie Stella Tennant – wurden immer dünner, er wurde immer dicker, «ohne es zu merken», wie er in seinem ­Abnehm-Buch schrieb. Denn das Café de Flore hielt noch mehr ­Köstlichkeiten bereit: «Dieser vorzügliche Aufschnitt, das würzige Schwarzbrot, reichlich mit Salzbutter bestrichen. Und dann erst die hervorragenden Backwaren, Rosinenbrötchen, Croissants, die Kekse, das Sandgebäck und der berühmte Kaiserschmarren.»5 Der gute Appetit hatte viele Gründe. Als Kind wurde der Sohn ­feiner Leute ernährt wie Söhne einfacher Leute, die körperlich arbeiten müssen. «Obwohl während meiner Kindheit Krieg war, bereitete uns unsere Köchin zu Hause die guten dicken deutschen Torten zu, mit Buttercreme und reichlich Zucker. Denn in Norddeutschland sind Milch, Butter und Sahne im Überfluss vorhanden.» Zwar hatte er damals «nicht allzu viel für diese Art von Kuchen» übrig, weil sie «zu mächtig und ein bisschen ekelhaft» waren. Aber jedenfalls gab es immer reichlich zu essen.6 «Wirklich dick bin ich erst so um die 40 geworden», schrieb Lager­feld. «Mondäne Abendessen, zu denen ich mich damals noch einladen ließ, und die Tatsache, dass ich mit dem Bodybuilding auf­ gehört hatte, wirkten dabei zusammen.» Zunächst ließ es ihn gleich­ gültig, dass er zunahm, «später ärgerte es mich ein wenig».7 Er habe es «kommen lassen aus Gleichgültigkeit».8 Auch Stress kann dick machen. Die Trauer um Jacques, seine vielen Jobs, die neu erworbenen Häuser, die Fotografie, der er sich immer stärker widmete: Es gab viele Gründe, nicht auf den eigenen Körper zu hören und zu schauen. 266

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Ein neuer Mensch: Schon im Oktober 2001, elf Monate nach Beginn seiner Diät, wirkt Karl Lagerfeld extrem abgemagert.

Die Jahrtausendwende war eine gute Gelegenheit, sich zu erneuern: «Adieu, meine wunderschöne Möbelsammlung aus dem 18. Jahrhundert. Adieu, japanische Kleidung, die mir zehn Jahre treue Dienste geleistet hat. Adieu auch zu den überflüssigen Kilos. Willkommen, Diät

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modernes Mobiliar und einfaches, nüchtern-klares Dekor, das sich auf das Wesentliche richtet. Willkommen auch Heiterkeit und Ent­ lastung von allen Problemen.»9 Er ahnte, dass das Übergewicht auf Dauer Folgen nach sich ziehen würde. Deshalb befand er: «Die Eitelkeit ist gut für die Gesundheit.»10 Also begann Lagerfeld am 1. November 2000 mit einer radikalen Diät. «Er hatte seine Entscheidung getroffen, und dann ging es los», sagt Caroline Lebar. Alles andere schloss er aus: «Ihm wurde schon schlecht, wenn er nur an Zucker dachte.»11 Schon nach 13  Monaten hatte er 42  Kilogramm abge­ nommen: «Mein Ehrgeiz ist nun mal an oberflächliche Sachen gebunden.»12 Just in der Zeit begann Hedi Slimane mit einer Moderevolution. Der junge Designer, von Bernard Arnault im Jahr 2000 verpflichtet, unterzog die Dior-Männerkollektionen einer Diät: Die extrem schmale Silhouette, die er schuf, war wegweisend für die gesamte Herrenmode. Bald passte Lagerfeld in die Jacken, die Slimane entwarf: «Solange ich in Größe 48 bei Dior reinpasse, ist alles o. k. für mich.»13 Und bald trug er die gleichen A. P. C.-Hosen wie sein Leibwächter ­Sébastien Jondeau: «Ich habe die gleiche Jeansgröße wie Sébastien!»14 Der Jo-Jo-Effekt blieb aus. Wenn er sich einmal entschieden hatte, dann blieb er dabei. Seine Diät passte zu seinem fortgeschrittenen ­Lebensalter. Er ging nicht mehr so gerne abends aus und konnte daher leichter fasten. Aber er blieb auch bei großen Diners diszipliniert. So saß er am Abend vor der Métiers-d’Art-Schau in Salzburg im ­Dezember 2014 mit Journalistinnen wie Christiane Arp und Patricia Riekel und mit Freundinnen wie Iris Berben und Geraldine Chaplin im Restaurant St. Peter Stiftskeller zusammen – und aß gedünstetes Gemüse und Fisch, während für alle anderen Tafelspitz, Kaiserschmarrn, Salzburger Nockerln und Wein aufgetischt wurden. Die Härte gegen sich selbst vergrößerte seine Autorität. Wer sich zuvor über seine Leibesfülle lustig gemacht hatte, musste nun seine innere Stärke bewundern. Während er sich vorher zu verhüllen suchte, konnte er sich nun exponieren. Die Diät verlieh ihm Prestige, Stärke, Macht. Und sie half ihm dabei, aus sich selbst eine Art Logo zu formen.

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Logo Es war ein neues Lebensgefühl. Er stand zu Hause vor dem Spiegel und schaute sich von allen Seiten an. «Was ich sehe, gefällt mir sehr», sagte er. «Ich bin jetzt praktisch wie mein eigener Kleider­ bügel. Unangezogen sagt mir der Spiegel, dass da jemand vor ihm steht, der ein bisschen an die Skelette im Anatomiesaal für Medizinstudenten erinnert.»15 Er genoss die neue Leichtigkeit des Seins. Die Fächer, die so lange die Blicke der Menschen abgelenkt hatten, benutzte er nie wieder. Die Hosengrößen schrumpften, er brauchte neue Hemden, also ging er shoppen. «Er konnte Zigtausende ausgeben beim Einkaufen», sagt Sébastien Jondeau. «Bei Dior unter Hedi Slimane, bei Saint Laurent, bei Givenchy unter Riccardo Tisci oder bei Colette hat er immer gleich 20 Jacken, zwölf Anzüge und Jeans gekauft. Aber nicht nur für sich selbst. Oft war die Hälfte der Teile für mich.»16 Schon in seinen frühen Jahren hatte er viel Wert auf die Inszenierung seiner Person gelegt. «Ich glaube, ich bin mit dem Schlips geboren», sagte er einmal.17 Krawatte und Haare blieben wichtige Stil­ mittel. Anderes war flüchtig. Einen Vollbart trug er nur Anfang der siebziger Jahre: «Ich brauche über eine Stunde, bis er so ist, wie ich ihn haben will», sagte er damals. Beim Friseur Carita wurde der Bart nach dem Waschen geföhnt, mit einer runden Bürste in Form frisiert, mit Brillantine auf Hochglanz gebracht und mit Duftwasser parfümiert. Im rechten Auge trug er damals ein Monokel, wie seine Mutter nach dem Krieg. Gestärkter Stehkragen, Plastron am Hals, Art-DécoSchmuck am Revers: Die deutsche Journalistin Florentine Pabst, seit dieser Zeit eine seiner besten Freundinnen, nannte ihn bündig «den makellosesten Luxus-Dandy von Paris».18 Sein Look reifte lange. 1976 kam er auf die Idee mit dem Pferdeschwanz, denn die Haare warfen ihm zu viele Locken. Seine Mutter sagte, er sehe aus «wie eine alte Terrine», deren Henkel abstehen. «Aber ich wollte sie nicht abschneiden, weil man immer sagte, dass sie dann nicht nachwachsen.» Also wählte er die bequemste Lösung: «Ich muss nur bürsten, Gummiband dran, dann hat sich das.» Nicht Logo

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einmal zu Hause lief er mit offenem Haar herum. «Ich mache das Gummiband tiefer, so dass die Haare lockerer sind, auch beim Schlafen.» Und weil er im Alter das Gefühl hatte, dass die Haare dünner werden, zog er sie nicht mehr allzu streng nach hinten, sondern ließ einen lockeren Scheitel. Das Thema war ihm auch bei seinen Modenschauen wichtig. «Mode, Schminke, Haare, Schuhe und das Mädchen müssen ein Totallook sein. Es ist nichts schlimmer, als mit unbegabten Friseuren und Schminkkünstlern zu arbeiten. Da würde ich wahnsinnig.»19 Sein «catogan», wie die Franzosen die Frisur mit den im Nacken zusammengebundenen Haaren nannten, wurde über die Jahrzehnte zum Markenzeichen. Präsidiale Würde verlieh diesem Look etwa seit der Jahrtausendwende das weiße Puder. «Meine Mutter hatte Haare wie Rabenflügel, und am Ende waren die richtig weiß. Meine Haare hingegen sahen aus wie Coca-Cola und sähen heute aus wie alter Kuhschwanz.» Seine Haarfarbe erinnerte seine Mutter an «eine alte Kommode». Auf einem Bild von einem Maskenball, «ungefähr 1927», habe sie weiße Haare gehabt, was ihm ausnehmend gut gefiel. «Und nun sind meine weißen Haare gepudert wie im 18. Jahrhundert.»20 Es war ein Ritual: «Das Weiß mache ich jeden Morgen rein, tue ein bisschen Haarlack drauf, so dass nicht alles wegfliegt, und abends bürste ich es wieder raus.»21 Zum Frisieren habe er «ein spezielles Frisierkabinett wegen des Puders, weil das eine Schweinerei hinterlässt». Seine Friseurin, der er über Jahrzehnte treu blieb, kam nur etwa einmal im Monat ins Haus, wenn er sich die Haare wusch. «Allein kriege ich die Haare gar nicht auf die richtige Art trocken – wenn ich sie wasche, werden sie gelockt.»22 Aber es brauchte mehr, um aus dem Look ein Logo zu formen. Er behauptete zwar, das alles habe sich natürlich entwickelt. Es waren jedoch viele kleine Schritte, die aus dem stilistisch noch etwas ziel­ losen Dandy eine bis in die Haarspitzen stilisierte Figur machten, eine Art Schattenriss, der überall in der Welt zu erkennen war. Ein wich­ tiges Element dafür war der hohe Kragen. Den steifen Hemdkragen, der seit seiner ersten Blütezeit im Biedermeier auf ein kragenloses Hemd geknöpft wird, mochte er schon früh, wegen seines Paten­ onkels Conrad Ramstedt. Auch richtete er sich an zwei Männern aus, 270

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die schon seine Mutter als Leitbilder empfahl: den Politiker Walther Rathenau und den Schriftsteller Harry Graf Kessler. Sein Vater war ebenfalls ein Vorbild  – zumindest in Stilfragen. Schon Otto Lagerfeld ging, wenn er in London oder Paris war, in die Hemdengeschäfte von Hilditch & Key. Der Pariser Laden, seit 1907 an der Rue de Rivoli, bot früher nur maßgeschneiderte Hemden an. Schon als junger Mann kaufte Lagerfeld hier ein. Mitte der siebziger Jahre entwarf er für die Firma Hemden mit hohen Kragen und breiten Manschetten, die im Laden verkauft wurden.23 Später zeichnete er immer neue Hemden und Kragen  – für sich selbst. Sein Fahrer brachte seine Zeichnungen ins Geschäft, und in einer Werkstatt außer­ halb von Paris wurden sie dann hergestellt. Nach Lagerfelds eigener Schätzung fertigte Hilditch & Key für ihn Hemden «in mehr als 300 verschiedenen Formen und Dessins».24 Kragen und Manschette sind bei diesen Hemden eigens anzuknöpfen, wie früher. Lagerfeld bestellte auch oft Hemden, die am ­Rücken zu knöpfen waren. «Denn viele seiner meist marineblauen oder schwarzen Krawatten waren sehr schmal, da hätte man leicht die Knopfleiste sehen können», sagt Philippe Zubrzycki, der Geschäftsführer der Pariser Filiale. «Ein schmal geschnittenes Hemd verleiht dem Träger eine bestimmte Haltung, und mit dem hohen Kragen kann man Falten am Hals gut verbergen.»25 Wobei Lagerfeld viel auf seine Haut hielt, denn er ging in seiner zweiten Lebenshälfte kaum noch in die Sonne. «Ich will nicht aussehen wie eine alte Schildkröte», sagte er 2015. «Daher meine schöne Haut. Gar nicht so schlecht, oder? Ohne Retusche.»26 Meist waren die Hemden aus Popeline von ägyptischer Sea-­ Island-Baumwolle. Zu seinen Sondermodellen gehörten auch Kittelhemden zum Zeichnen. Er war der beste Kunde von Hilditch & Key. Manche Politiker oder Manager bestellen 40 oder 50 maßgeschneiderte Hemden im Jahr. Seitdem er abgenommen hatte, bestellte er meist mehr. Er verschenkte sie auch, zum Beispiel an seinen ChanelFreund Eric Pfrunder, der jedes Jahr 20 Hemden zum Geburtstag bekam. Die Kosten von mindestens etwa 700  Euro für ein maß­ geschneidertes Hemd übertraf Lagerfeld, wegen der Sonderanfertigungen. Auch orderte er mal 40 Manschetten oder 20 Kragen extra. Logo

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In den letzten Jahren seines Lebens allerdings bestellte er immer ­weniger. Obwohl sie so unzeitgemäß wirkten, wurden die hohen Kragen mit seiner wachsenden Popularität immer stärker nachgefragt. «Wir bekommen viele Anrufe, ob man einen Kragen wie Karl Lagerfeld ­haben könne», sagt Philippe Zubrzycki. «Aber wir haben das immer abgelehnt, weil dieser Kragen nur für ihn vorgesehen war, über seinen Tod hinaus. Ausnahmen gibt es nur, wenn Chanel oder die Firma Karl Lagerfeld nachfragen.» Der Schwarz-Weiß-Look, der dem strengen Auftritt seines Großvaters entsprach, des preußischen Landrats Karl Bahlmann, war ­unvermutet variabel. Mal trug er ein schwarzes Hemd mit weißem Kragen zum anthrazitfarbenen Anzug, mal ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte zur silbernen Jacke, mal kombinierte er es mit Jeans. Im Sommer an der Côte d’Azur trug er gern Weiß, zu festlichen Anlässen wie der Modenschau in Havanna im Mai 2016 auch mal eine Jacke mit bunten Pailletten (s. Abb. S. 295). Es war gewisser­ maßen das Chanel-Prinzip: immer der gleiche Look, aber in unend­ licher Abwandlung. «Man kann schlecht mithalten mit dem, der man vorher war», sagte er 2013. «Also ändert man sich lieber.»27 Die farblose Grundlage war wie eine Leinwand für den Selbststilisierungskünstler. Denn auch mit Krawatten und mit Schmuck variierte er sein Aussehen. Broschen, Steinketten oder Diamant-Anstecknadeln, typisch weibliche Accessoires, überwanden Geschlechterrollenzuschreibungen. Im Jahr 2017 zeigte eine Suzanne-Belperron-Brosche das Bildnis seiner Katze Choupette, und an den Halsketten baumelten zwei kleine Ohrhörer, ebenfalls Schmuckstücke, mit Diamanten besetzt, entworfen von Nadine Ghosn, der Tochter des damaligen NissanRenault-Chefs Carlos Ghosn.28 An der Hand trug er fingerlose Handschuhe. So vermied er beim Händeschütteln den Hautkontakt. «Die Welt ist verschmutzt», sagte er dazu. Weil die Handschuhe fingerlos seien, müsse er sie bei der ­Begrüßung nicht ausziehen.29 Zugleich versteckte er auf diese Weise zum Teil seine Finger, die seine Mutter für zu dick befunden hatte, und seine Hände, die langsam Altersflecken aufwiesen. Die Handschuhe stammten aus der zu Chanel gehörenden Handschuhmacherei 272

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Causse in Millau. Das liegt in der Nähe von Roquefort, woher der Blauschimmelkäse aus Schafsmilch kommt. In der Gegend gibt es mithin auch viele Lämmer, die leichtes und weiches Leder für Causse liefern. Dort bestellte er jede Saison Halbhandschuhe: in Lamm- oder Aalleder, in Silber, Grau oder Schwarz, mit Nieten oder Ketten.30 Stets trug er trotzdem Ringe der Marke Chrome Hearts. Wie groß die Auswahl war, ist gut zu Beginn des Films «Lagerfeld Confidential» (2007) zu sehen, als er all die Ringe, die er womöglich auf einem Kurztrip nach Monaco brauchen könnte, aus einer Schale in eine ­Tasche kippt. Im 17. Jahrhundert hätten Männer oft mehr Ringe getragen als Frauen, sagte er einmal. Was andere Männer versäumten, schien er alleine ausgleichen zu wollen: Teilweise trug er mehr als 20 Ringe, nicht zu vergessen den Siegelring seiner Mutter.31 Und die Eheringe seiner Eltern baumelten oft an der Halkskette.32 Schließlich die Brillen, deren Gläser schon seit Ende der siebziger Jahre leicht getönt und später ganz dunkel waren. «Meine Augen sind für den Privatgebrauch, nicht für die Öffentlichkeit», sagte er dazu. «Vor allen Dingen kann ich mit Brille besser beobachten: Man sieht nicht, wo ich hingucke. Außerdem bin ich kurzsichtig, nicht allzu sehr, aber ohne Brille hat man dann so einen Blick wie ein treuer Hund, und das ist nicht das, was ich mir als Image vorstelle.» Mit Brille, meinte er, sehe man zehn Jahre jünger aus.33 Er selbst ironisierte die Arbeit an seinem eigenen Bild. «Jeden Morgen habe ich meine kleine Styling-Viertelstunde, dann inszeniere ich die Marionette. Das ist tiefe ‹déformation professionelle›», sagte er.34 «Das habe ich imagemäßig gut hingekriegt, so eine Art Hampelmann aus mir zu machen.»35 Mit dieser Ironie verbarg er, dass er sich selbst als Logo modelliert hatte: Nicht Gott schuf diesen Menschen – er schuf sich selbst. Dabei wirkte seine Erscheinung seltsam paradox. «Die Exzentrizität, die sich zur Routine einer grandiosen Selbstdarstellung verselbständigt hat», so schreibt der Soziologe Tilman Allert, sei bei Lagerfeld von einer «enormen Disziplin» unterlegt.36 Dandys sind nicht fleißig. ­ Aber dieser Preuße in Dandygestalt arbeitete dauernd. Hinzu kam ein psychologisches Paradox: Der so kontaktfreudige Lagerfeld versuchte, unnahbar zu werden. Mit dem äußeren Schein hütete er sich vor VerLogo

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letzungen, wie er sie in seiner Kindheit und Jugend erlitten hatte. Die Maske bewahrte ihn vor Retraumatisierung: Kunstfiguren kennen keinen Schmerz. Oder war der Selbstschutz eine Selbsttäuschung? War er womöglich ein Gefangener seiner Außendarstellung? Sein Logo war wie maßgeschneidert für das Bildermedium Instagram. Zwischen all den Fotos von Influencerinnen und Fußballstars wirkte er überraschend alt­ modisch. «Er wurde immer erkennbarer, als jeder anfing, ein Smartphone in der Hand zu haben», sagt sein Vertrauter Sébastien Jondeau.37 Lagerfeld wunderte sich, dass er «selbst in den verlorensten Vororten» bekannt war.38 Langsam war er der Passanten müde, die immer zudringlicher wurden, ihn ansprachen und um ein Autogramm oder ein Selfie baten. «Wir sind auch Deutsche», sagten Touristen einmal zu ihm. «Ja», antwortete er, «davon gibt’s 80 Millionen.»39 Sogar in seiner Wohnung am Quai Voltaire 17, in seiner Klause, in der er ganze Wochenenden allein verbrachte, blieb er nicht von Gesellschaft verschont. Manchmal hörte er, wie auf den «bateaux mouches», den Touristenschiffen unten auf der Seine, die Lautsprecheransage dröhnte: «Dort oben wohnt Karl Lagerfeld!» Gloria von Thurn und Taxis erzählte er die Anekdote, dass ein Tourist am Quai gesagt habe: «Da ist Karl Lagerfeld.» Ein anderer habe erwidert: «Ach, Quatsch, der geht doch nicht mehr auf die Straße wegen der ganzen Leute.»40 Sein Leben lang hatte er sich äußerlich in vielen Rollen ausprobiert. Über die Jahrzehnte griff dann alles ineinander, und es entstand das klare Bild einer Person, die ganz gegenwärtig war und doch der Gegenwart enthoben. Dabei wirkte er in beide Richtungen des Zeitstrahls. Sein Äußeres stammte aus der Goethe-, Kaiser- und BauhausZeit, seine Arbeit wies in die Zukunft. Die unzeitgemäße Erscheinung ist eine Antwort auf seine zeitgemäße Branche. Die Modeszene sucht Gegenwart, er setzte auf Dauer. Jeder sah, dass er in größeren historischen Linien dachte als all die Menschen, die an Trends glauben. Vom Logo zur Karikatur ist es aber nicht weit. Lagerfeld gehörte zu den beliebtesten Halloween-Kostümen im Jahr seines Todes. Am 31. Oktober 2019 bezeugten unter dem Hashtag #karllagerfeld auf Instagram Tausende von Doppelgängern die Wirkmacht seiner Sil274

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houette. Und noch im Karneval von Nizza am 15. Februar 2020 wurde er zu einer übergroßen Figur: Eine aufgeblasene Coco-ChanelFigur schob beim «Karlneval» einen riesigen Kinderwagen, darin ­Lagerfeld mit hohem Kragen, dunkler Brille, weißem Pferdeschwanz – und einem Schnuller im Mund. Diese Geschichte immerhin wiederholt sich nicht als Tragödie, sondern nur als Farce.

H&M Lagerfelds Entscheidung fiel wieder einmal schnell. Donald Schneider, der Art Director bei der französischen «Vogue» gewesen war, ­beriet 2004 mit seiner Kreativagentur in Paris auch H&M. Er hatte die Idee, für den schwedischen Textilkonzern «high» und «low» zu verbinden, Haute Couture und Fast Fashion zusammenzubringen. In einer Besprechung kam der Name Karl Lagerfeld auf. Sollte das wirklich möglich sein? Kurzerhand rief Schneider ihn an: «Karl, kennst Du H&M?»  – «Natürlich. Meine Assistenten tragen das auch.»  – «Hättest Du Lust, mal eine kleine Kollektion für die zu entwerfen?» – «Tolle Idee! In Zukunft wird es sowieso nur noch ‹high› und ‹low› geben, die Mitte wird uninteressant. Und das ‹high› habe ich ja schon bei Chanel.»  – «Schön. Dann organisieren wir mal ein Treffen.»  – «Warte! Noch eine Frage, Donald: Hast Du vorher schon einen anderen Designer gefragt?»  – «Nein, Du bist der Erste.»  – «Gut, dann ­machen wir das.»41 Und so geschah es. Aber als alles vorbereitet war, die Looks entworfen, die Kampagnen im Rue-de-Lille-Studio von Lagerfeld selbst aufgenommen, die Riesenplakate aufgehängt, die Ware produziert und an die Läden ausgeliefert, wurde der Designer doch noch nervös. Schneider war in New York, als ihn Lagerfeld am späten Abend vor dem großen Tag im November anrief, also am frühen Morgen Pariser Zeit. «Donald, ich kann gar nicht schlafen. Was, wenn das nichts wird? Wenn da niemand kommt? Was machen wir dann?» Schneider, der die Marketingmacht des schwedischen Konzerns kannte, beruhigte ihn: «Das wird schon was.» Aber er war selbst nervös, denn so ein Projekt hatte es vorher nie gegeben. H&M

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Das billigste Teil kostete 14,90 Euro: ein T-Shirt mit einem Druck seines Konterfeis. Selten war es für viele Konsumenten möglich gewesen, bei einem Modeschöpfer mehr einzukaufen als nur einen Lippenstift oder ein Parfum. Nun gab es diese kleine Kollektion in 500 Filia­ len von H&M in Europa und Nordamerika. Die rund 50 Entwürfe für Männer und Frauen waren teurer als das sonstige Sortiment, aber eben weit preiswerter als Designermode. Denn sie wurden zwar wirklich von Lagerfeld und seinem Team entworfen, aber in hohen Stückzahlen zu günstigen Herstellungskosten produziert. Die meisten Teile waren in Schwarz, der Lieblingsfarbe der H&M-Kunden und des ­Designers, kontrastiert mit Weiß, wie bei seinem persönlichen Look. Am Morgen des 12. November stand seine Mitarbeiterin Caroline Lebar schon vor Öffnung im H&M-Laden an der Rue de Rivoli, mit einem Journalisten, der über die Kollektion berichten wollte. Als sich die Türen öffneten, liefen plötzlich all die Menschen, die draußen in einer langen Schlange gewartet hatten, auf sie zu  – und die beiden brachten sich in Sicherheit, um nicht überrannt zu werden. «Es war verrückt», sagt Lebar. «Die Leute haben sich um T-Shirts gestritten. Die ersten Artikel waren nach fünf Minuten ausverkauft.» Sofort rief sie bei Lagerfeld an: «Er war überrascht und glücklich.»42 Die Mitarbeiter von Chanel und Fendi mussten sich fragen lassen, warum ihr großer Chefdesigner für einen solchen Billigheimer arbeite: «Wie könnt ihr Couture machen und H&M?»43 Denn dem ­traditionellen Modehandel hatte der schwedische Konzern seit den neunziger Jahren mit seinem Geschäftsmodell immer stärker zugesetzt, vor allem in Deutschland, dem größten Markt, wo H&M 2004 schon 269 Filialen betrieb. H&M ist «vertikal integriert», kontrolliert also vom Design über den Einkauf und die Logistik bis zum Verkauf die ganze Wertschöpfungskette. Dadurch kann das Textilhandelsunternehmen die Preise niedrig halten, neue Ware innerhalb von Wochen auf den Markt bringen – und alteingesessene Modemarken und Modegeschäfte unter Druck setzen. «Es war sehr smart von Chanel, diese Zusammenarbeit zu akzeptieren», sagt Carine Roitfeld, die Lagerfeld beriet und das Styling der Werbekampagne übernahm. «Am Ende war es gut für Chanel. Denn viele Leute, die bisher nicht damit in Kontakt gekommen waren, ent276

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Übergroß auch in Berlin: Auf den Werbeplakaten für seine H&M-Kollektion posiert der Designer mit dem amerikanischen Model Erin Wasson.

deckten nun auch diese Marke.»44 Und die anpassungsfähige Modeszene war von dem Erfolg begeistert. Als im Januar 2005 die HauteCouture-Schauen stattfanden, traf Lagerfelds Assistent Eric Wright im Hotel Ritz auf Chanel-Kundinnen in Bouclé-Jacke, mit Perlenkette und Diamanten, die ihre Jacken öffneten  – und das H&M-­ T-Shirt mit Lagerfelds Ebenbild hervorzeigten, stolz, dass sie noch ­eines bekommen hatten. «Der 12. November 2004 änderte alles», sagt Caroline Lebar. «Bis dahin war er ein berühmter Designer. Nun war er plötzlich ein Superstar.»45 Jetzt kannten ihn auch jüngere Leute, schon wegen der AnzeiH&M

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genkampagne, in der er selbst mit dem amerikanischen Model Erin Wasson auftrat. «Die Leute haben sich so mit ihm identifiziert», sagt seine Mitarbeiterin Sophie de Langlade, «dass sie in die Karl-Lagerfeld-Läden kamen, wenn sie ein Kleidungsstück aus der H&M-Kollektion geändert haben wollten.»46 Auch Lagerfeld selbst wunderte sich, dass ihn so viele Leute kannten. «Die denken alle, ich sei ein Freund von ihnen», sagte er zu Carine Roitfeld, «obwohl ich sie nie kennengelernt habe.» Für H&M bemaß sich der Erfolg an einem verbesserten Image im Vergleich zu Konkurrenten wie Zara oder C&A  – und an den Geschäftszahlen. Der Umsatz im Jahr 2004 stieg um elf Prozent auf 53,7 Milliarden Schwedische Kronen (mehr als fünf Milliarden Euro); im vierten Quartal, in dem die Lagerfeld-Kollektion herauskam, betrug das Umsatzwachstum 14 Prozent. Ein Erfolgsmodell war geboren: Elio Fiorucci, Stella McCartney, Viktor & Rolf, Roberto Cavalli, Lanvin, Versace und weitere folgten. Auch Marken, die bisher nur Modefans vertraut waren, wie Comme des Garçons, Marni oder Matthew Williamson, hatten nun bei H&M ihren großen Auftritt. Karl Lagerfeld war zum Star geworden, aber die ganze Sache gefiel ihm dann trotzdem nicht. «Die haben nämlich nicht genug der Teile produziert und sie nicht einmal in der Hälfte aller Läden verkauft», sagte er dem «Stern» gleich nach dem Verkaufserfolg. «Das finde ich nicht nett, besonders den Kunden in kleinen Städten und den Ländern im Osten gegenüber. Das ist Snobismus im Antisnobismus!» Das Konzept der limitierten Edition, die den Bedarf anheizte, erschloss sich ihm also nicht. Auch nahm er fälschlich an, H&M habe kleine Konfektionsgrößen größer gemacht.47 Später äußerte er sich aber nur noch positiv über die Zusammenarbeit. Und er fragte sogar bei H&M nach, ob man nicht gemeinsam eine weitere Kollektion ­herausbringen wolle. Aber der Konzern machte dann mit anderen Designern weiter – und mit Stars wie Madonna, Kylie Minogue und David Beckham. Auch dafür war «Karl Lagerfeld for H&M» das Vorbild gewesen.

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Werbung Er war am 14. April 2011 mit dem Privatjet aus Paris nach Düsseldorf gekommen. Im Dorint-Hotel machte er sich noch frisch, als schon mehr als 100  Gäste an der «Lightbox» auf dem Graf-Adolf-Platz auf sein Erscheinen (und das Dinner) warteten. In dem kubischen ­Pavillon stellte die Marke Schwarzkopf, die zum ortsansässigen Henkel-Konzern gehört, ihre Produkte vor, einen Monat lang, bis zum «Eurovision Song Contest» (ESC) Mitte Mai. Lena Meyer-Landrut hatte ein Jahr zuvor den Musikwettbewerb für sich entschieden, daher durfte Deutschland den ESC nun in Düsseldorf ausrichten. Wieder trat Lena an. Immerhin sollte sie es auf Platz  10 schaffen, für deutsche Verhältnisse ein fast schon sensationelles Ergebnis.48 Auf dem weißen Backlight-Kubus war Lagerfelds schwarze Silhouette weithin zu erkennen, und die müde Modemetropole barst an diesem Abend vor Erwartung. «Düsseldorf ist eine junge und hippe Stadt», behauptete Oberbürgermeister Dirk Elbers (CDU). «Daher passt diese Veranstaltung zu uns.» Hans Van Bylen, damals Kosmetik-Vorstand, später Vorstandsvorsitzender von Henkel, war glücklich über den Coup, Lagerfeld für die Ausstattung des leuchtenden Würfels am Anfang der Königsallee gewonnen zu haben. Und die ortsansässige Einzelhändlerin Evelyn Hammerström war nicht die einzige Frau, die zu Ehren des Modemachers eine Bouclé-Jacke von Chanel trug. Karl Lagerfeld kam mit seinem damaligen Lieblings-Model Baptiste Giabiconi. Die Erwartungen seiner Werbepartner und seiner Fans enttäuschte er nicht. Jedem schenkte er zur Kubus-Eröffnung ein Lächeln oder gar einen Spruch. Als ihn eine Reporterin fragte, ob er auch «bad hair days» kenne, verstand er sie nicht. Und als sie die Frage wiederholte und er sie wieder nicht verstand, sagte er nur: «Ich kenne diese Dame nicht.» Selbst peinliche Situationen löste er so auf, dass am Ende alle lachten. Dieser Mann schien für jeden da zu sein, und das war er wirklich, als eine der am besten gebuchten Werbe-Ikonen der Welt. Schon früher hatte er öfters Werbung gemacht. Aber um 2010 war er auf dem Höhepunkt seiner öffentlichen Wirkung. Er Werbung

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war in aller Welt bekannt, und die Lust auf solche hochdotierten Jobs war ihm noch nicht vergangen. In den folgenden Jahren sollten es ­weniger werden. Damals bewarb er teils gleichzeitig in Fernsehspots, Anzeigenkampagnen und Plakatserien den Fernsehsender Sky, die Eis-Marke Magnum, den Getränkehersteller Coca-Cola, die Automarke Volkswagen und eben die Haarkosmetikmarke Schwarzkopf. Dabei hatte er mit alledem wenig zu tun: Er fuhr seit fast einem halben Jahrhundert nicht mehr selbst Auto, er sah kaum fern,49 er nahm kein Puder von Schwarzkopf für seine Haare,50 er aß in der Zeit auch kein Eis mehr, und er trank nicht Cola, sondern die kalorienarme Pepsi Max aus dem Lalique-Glas, das ihm sein Butler Frédéric Gouby bei Fernsehinterviews, Modenschauen oder Fotoaufnahmen stets diskret auf dem Silbertablett reichte.51 All diese Engagements mit Presseterminen, Premieren und Prominenten schienen ihn nicht einmal auszulasten. Er nutzte vielmehr die Events, um weitere Projekte vorzubereiten. Als er in Düsseldorf Veronica Ferres traf, fragte er sie, wann sie zu Fotoaufnahmen nach Paris kommen könne. «Und wenn Karl fragt», sagte Ferres, «kann man ­natürlich nicht Nein sagen.» Auf die Frage, ob ihm das alles nicht zu viel werde, hatte er kurz zuvor gesagt: «Das amüsiert mich, das mache ich parallel zu Mode und Fotografie. Man muss gegen Routine kämpfen. Überbeschäftigung ist besser als die Einsamkeit im Elfenbeinturm. Die halte ich nicht für kreativ.» Neue Eindrücke waren ihm wichtig: «Wegen der Neugier mache ich all das: die neuen Models, der neue Look, der neue Esprit, die neue Attitüde. Vieles, was kommt, wird nicht so lange überleben wie ich selbst, weil ich ja immer weitergehen kann. Oft bleiben Leute in einer Generation oder in einem Stil stecken oder werden überholt. Das ist eine, wie soll ich sagen, cruelle Angelegenheit.»52 Das Erfolgsgeheimnis des Siebenundsiebzigjährigen lag nicht nur in seiner Erkennbarkeit und seinem Witz, sondern auch in seinem Fleiß. Das Hamburger Model Charlott Cordes, auf dem Düsseldorfer Kubus als einer der hinterleuchteten Scherenschnitte zu erkennen, hatte für die Foto-Aufnahmen mit Lagerfeld bis tief in die Nacht gearbeitet. Seine Ausdauer hatte er erst eine Woche zuvor bewiesen, als 280

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Vielfältig tätig: Auch für Diet Coke machte Lagerfeld 2011 Werbung, dabei trank er damals vor allem das Konkurrenzprodukt Pepsi Max.

er morgens um fünf Uhr einen Chanel-Werbefilm im Casino von ­Monaco drehte, wegen des schönen Lichts, dann bis nachmittags zu Besuch im Fürstenhaus war und abends die Coca-Cola-Kampagne vorstellte. Baptiste Giabiconi war längst verschwunden, als Lagerfeld noch um zwei Uhr morgens Interviews gab. Mögliche Werbepartner kamen dauernd auf ihn zu. Die meisten bügelte er mit wenigen Worten ab. Wenn die Idee originell war, er so etwas noch nicht gemacht hatte und das Honorar stimmte, sagte er zu. Oft waren das Automarken: Er gestaltete drei Siebener-BMW der Baureihe E38, schon den ersten im Jahr 1992 mit eingebautem Faxgerät, einem Stifthalter im Handschuhfach und einer Kleenex-BoxHalterung in der Tür für die vom Zeichnen verschmutzten Hände; er fotografierte für das VW-Modell Phaeton den Kalender 2006 in konstruktivistischer Manier und gab dazu gleich auch das Buch «Factory Constructivism» heraus; und er nahm 2012 in der Rolls-Royce-Fa­ brik in Goodwood bei Portsmouth Fotos im Stil der zwanziger Jahre auf – jede der sieben Serien mit jeweils 14 Fotos kostete 90 000 Euro. Er tat aber auch etwas für die Sicherheit im Straßenverkehr. Im Juni Werbung

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2008 warb er in Frankreich für Schutzwesten: «Es ist gelb, es ist hässlich, es passt zu nichts, aber es kann Leben retten» – so lautete der Claim der Aufklärungskampagne der Sécurité Routière, der franzö­ sischen Behörde für Straßenverkehrssicherheit, für die der Mode­ macher eine reflektierende Weste trug. Die Cola-light-Flasche, die er 2010 und 2011 entwarf, machte ihn wiederum in ganz anderem ­Zusammenhang bekannt. Andere Modemarken wie Missoni, Etro, ­Moschino oder Versace nutzten für die Gestaltung die Muster, für die sie bekannt sind. Karl Lagerfeld nutzte sich selbst: Auf den Aluminium-Flaschen ist in Schwarz seine Silhouette zu sehen. Sogar mit Werbung machte er für sich selbst Werbung. «Für Schwarzkopf war er spannend, weil er selbst auch eine starke deutsche Marke war», sagt die damalige Henkel-Marketingchefin Tina Müller.53 2009 begann man mit einer Kampagne zum 111-JahrJubiläum von Schwarzkopf. Als das dafür entstandene Buch «We Love Hair» in Düsseldorf vorgestellt wurde, versöhnte sich Lagerfeld nach unbestimmten Unstimmigkeiten auch wieder mit der Firmen­ patriarchin Gabriele Henkel, obwohl er natürlich verspätet zum Empfang ins NRW-Forum kam. Ein solches Engagement  – Fotoaufnahmen, Interviews, Abend­ empfang – kam die Geschäftspartner teuer zu stehen. «Er ging nicht unter einer Million Euro aus der Tür», sagt Tina Müller. «Dazu kam noch die Bezahlung des Gefolges und des Flugs im Privatflugzeug.» Aber es lohnte sich: «Er hat der Marke Glamour eingehaucht, und das hatte sie ­nötig», sagt Müller, die später zu Opel ging und dann Vorstandsvorsitzende von Douglas wurde. Für den Modeschöpfer wiederum war der Einblick in neue Branchen lehrreich. In seiner ­kurzen Ansprache an dem Abend im April 2011 sagte er: «Wenn ich nicht in der Mode wäre, hätte ich eine Werbeagentur.» Lagerfelds Werbe-Erfolge waren Marktforschern ein Rätsel. Laut dem «Promimeter» des Münchner Instituts IMAS kannte damals fast jeder in Deutschland Karl Lagerfeld. Doch nur elf Prozent fanden ihn laut der repräsentativen Umfrage sympathisch, 29 Prozent hielten ihn gar explizit für unsympathisch. Glaubwürdigkeit genieße er vor allem als Testimonial für Kleidung und Kosmetik, nicht unbedingt für Fernsehsender oder Autos. In der Branche hatte man daher bald Angst vor 282

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dem Verona-Pooth-Effekt: Wenn ein Star für zu viele Marken wirbt, geht die Glaubwürdigkeit verloren, und die Wirkung verpufft. Am Ende hat dann womöglich nur der Star etwas davon, nicht die Marke. Jedenfalls hinterließ Karl Lagerfeld an dem Abend in Düsseldorf mehr als nur die Erinnerung an ein Dinner mit Spargelspitzen-Vinaigrette, Flusskrebsen und gefülltem Stubenküken. Der Modemacher erfüllte seine Rolle als Werbefigur, indem er sie nicht erfüllte. Denn seine Kommentare waren alles andere als gefällig. Eine Reporterin fragte ihn, ob er sich für den Eurovision Song Contest begeistern könne, und er antwortete: «Ich habe keinerlei Beziehung zu Dingen, mit denen ich nichts zu tun habe.» Was für ein Gefühl es sei, hier in Düsseldorf zu sein? «Muss ich jetzt auch noch Gefühle haben?» Musste er nicht. Um 23 Uhr war er schon wieder entschwunden. Als die letzten Gäste noch mit Champagner anstießen, war er über den Wolken, auf dem Weg nach Paris.

Feinde Alle kamen zu der Trauerfeier für Yves Saint Laurent am 5. Juni 2008 in der Pfarrkirche St-Roch in Paris: Präsident Nicolas Sarkozy und seine Frau Carla Bruni, die Designer Christian Lacroix, Sonia Rykiel, Valentino Garavani, Vivienne Westwood und John Galliano, der ­Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë, der Philosoph Bernard-Henri Lévy, die Schauspielerin Catherine Deneuve, das Model Claudia Schiffer, seine alte Freundin Victoire Doutreleau, seine Muse Loulou de la Falaise – und seine Mutter, Lucienne Mathieu Saint Laurent, die ihm zwei Jahre später, in ihrem 96. Lebensjahr, in den Tod folgen sollte. Alle kamen zu Ehren des Designers, der am 1. Juni 2008 an den Folgen eines Hirntumors gestorben war. Nur sein alter Freund Karl Lagerfeld nicht. Schon ewig hatte es keine Verständigung mehr zwischen den beiden größten Modeschöpfern gegeben. Die Nächte in den fünfziger Jahren mit Victoire Doutreleau und Anne-Marie Muñoz waren lange vorbei, die schönen Unterhaltungen über Marcel Proust waren verlorene Zeit, die vielen Ähnlichkeiten wichen noch mehr Unterschieden, Feinde

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die gemeinsamen Freunde pflegten die Freundschaften strikt getrennt. Zu viel war vorgefallen, zu viel war gesagt, geraunt und gelogen ­worden. Vor allem die siebziger Jahre wirkten nach. Yves Saint Laurent war verletzt, weil Jacques de Bascher die Affäre beendet hatte. Pierre Bergé war wütend, weil durch die Amour fou seine Beziehung zu ­seinem Lebens- und Geschäftspartner noch schwieriger geworden war, so dass er am 3. März 1976 aus der Rue de Babylone ins Plaza Athenée umzog und später in eine Wohnung an der Rue Bonaparte.54 Und Lagerfeld heizte den Konflikt mit seiner Provokationslust noch an. So behauptete er öffentlich, Pierre Bergé selbst sei in Jacques verliebt. Bergé antwortete via Alicia Drake, er gehe nicht in diese Falle – und widersprach wütend und wortreich. In diese Falle war er also ­gegangen.55 Nur eine Frau hatte sie alle noch einmal zusammengebracht: ­Paloma Picasso. Die Tochter des Malers, die über den Dingen stand und mit beiden Parteien befreundet war, heiratete am 10. Mai 1978 den Argentinier Rafael Lopez Sanchez, und das Bankett fand in Lager­felds Stadtpalais an der Rue de l’Université statt. Die Garderobe der Braut war äquidistant: Bei der Zeremonie trug sie eine weiße Spencerjacke zu roter Rüschenbluse und schwarzem Wickelkleid von Saint Laurent; bei der Party trug sie ein romantisches rotes Kleid mit Puffärmeln von Lagerfeld. Der Hausherr fühlte sich beim Diner an die Szene am Hof Friedrichs  II. in Menzels Gemälde erinnert, Anna ­Piaggis Federhut fing an den Kerzen eines Silberkandelabers Feuer, und die Feier hielt sogar eine noch größere Sensation bereit: Nach Jahren des Schweigens saßen Yves Saint Laurent und Karl Lagerfeld ­nebeneinander und redeten angeregt. Beide lobten Palomas Kleid des jeweils anderen, und sogar Bergé und Lagerfeld unterhielten sich. «Was ist denn das für eine Liebesbeziehung?» fragte Loulou de la Falaise ironisch. «Diese Hochzeit ist nicht nur eine Vereinigung von Paloma und Rafael, sondern bringt gute Freunde zusammen. Ich hoffe nur, dass es so bleibt.» Es blieb lange so – denn nach dem Dinner gingen die Gäste noch bis zum Morgengrauen ins Le Palace, wo Lagerfeld und Saint Laurent sogar kurz Flamenco miteinander tanzten.56 Aber das war der letzte Tanz. Im Laufe der Jahrzehnte spitzte sich der Konflikt 284

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Feinde fürs Leben: Freundliche Gesten zwischen Lagerfeld und Yves Saint Laurent wirken seit Mitte der siebziger Jahre verkrampft.

i­mmer mehr zu. So erzählte Yves Saint Laurent der Journalistin Janie Samet, er habe geträumt, er sei mit Coco Chanel in P ­ aris spazieren­ gegangen, sie hätten an der Rue Cambon gemeinsam in ein ChanelSchaufenster geschaut und beide geweint.57 Auch Lagerfeld setzte seine Spitzen. Als er 2002 in einem Interview gefragt wurde, was er von Saint Laurents Abschied vom Prêt-à-Porter halte, antwortete er: «Das ist mir egal.» Gleichzeitig lobte er Tom Ford, der von 2002 bis 2004 bei Yves Saint Laurent das Prêt-à-Porter entwarf: «Das ist sehr, sehr gut, was er gemacht hat.»58 Der Konkurrenzkampf hatte sich verselbständigt. Die beiden Großdesigner stießen sich ab wie zwei Magneten, die gleich gepolt sind. «In meinen Interviews fragte mich Lagerfeld nie nach Saint LauFeinde

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rent», sagt der Journalist Godfrey Deeny. «Aber er wollte alles über ihn wissen.» Als Joan Juliet Buck 1994 Chefredakteurin der französischen «Vogue» wurde, gab sie einen Empfang, zu dem viele Designer kamen. Als Deeny fragte, wie es gewesen sei, sagte Lagerfeld: «Ich hatte einen der ekelhaftesten Momente meines Lebens. Yves Saint Laurent kam zu mir und küsste mich auf die Wange. Ich musste das erst mal abwaschen.»59 Vor allem Pierre Bergé, den Sprecher und Lautsprecher Saint Laurents, ertrug Lagerfeld nicht. Er hasste die Großmannssucht und den Kontrollwahn des «Giftzwergs», wie er ihn nannte. Der Unterschied zwischen Yves und ihm selbst: «dass ich mir nicht täglich Pierre Bergé aufs Brot zu schmieren brauchte».60 Er verachtete Bergé auch dafür, dass er die Sozialisten unterstützte, die ihn in Steuersachen bedrängten. «Yves Saint Laurent war in seiner Zeit okay. Jetzt döst er vor sich hin, der Ärmste», sagte Lagerfeld 2007, als Saint Laurent schon erkrankt war. «Im Grunde ist sein Partner Pierre Bergé fast kriminell. Es wäre seine Pflicht gewesen, sich um ihn zu kümmern. Das ist sein Beruf. Das war ein toller Junge, der Yves. Pierre Bergés Aufgabe wäre es gewesen, ihn aufrechtzuerhalten.»61 Damit spielte er auf Yves Saint Laurents Drogen-, Alkohol- und Medikamentensucht an sowie auf seine Depressionen, die ihn oft für Wochen in die psychiatrische Abteilung des American Hospital in Neuilly zwangen. Zum ersten Mal war er 1975 in eine Entgiftungskur gegangen, als die Beziehung zu Jacques zerbrach.62 «Ich bin durch viel Angst und viele Höllen gegangen», sagte Saint Laurent am 7. Januar 2002 zu seinem Abschied. «Ich kannte Furcht und schreckliche Isolierung. Die falschen Freunde der Beruhigungsmittel und der Betäubungsmittel. Das Gefängnis der Depression und das Gefängnis der Krankenhäuser.»63 Als ob er den alten Konflikt endlich entscheiden wollte, schrieb ­Pierre Bergé nach Saint Laurents Tod «Lettres à Yves», Briefe an den verstorbenen Lebenspartner. Auf einigen Seiten liest sich das Buch wie «Lettres à Karl». «Pierre Bergé hasste Lagerfeld, weil der ihm seine Mittelmäßigkeit vorhielt», sagt der Modehistoriker Peter Kempe.64 Um so stärker hielt Bergé jetzt posthum mit Saint Laurent dagegen: «Mit Chanel – wenn heute ein Name genannt werden muss, 286

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nur einer, dann der ihre –, Chanel, die Dich als ihren Nachfolger bestimmte, wirst Du der wichtigste Designer des 20. Jahrhunderts gewesen sein. Sie in der ersten Hälfte, Du in der zweiten.»65 Dieses prätentiöse Anspruchsdenken, das sogar Christian Dior unterschlug, der Saint Laurent den Weg geebnet hatte, war natürlich gegen Lagerfeld gerichtet. Coco Chanel hatte in der Tat wenige Jahre vor ihrem Tod gesagt, dass sie sich Saint Laurent als ihren Nachfolger vorstellen könne. Bergé schreibt aber sogar, er habe sie mit einem Blumenstrauß darüber hinwegtrösten müssen, dass sein Partner lieber weiter sein ­eigenes Modehaus aufbaue.66 Sogar Jacques de Bascher, längst verstorben, wurde noch in diesen Kampf gezogen. Bergé hielt Saint Laurent wiederum post mortem seine Schwächen vor: «Ich habe nie verstanden, wie Du Dich in einen effeminierten Operettenverführer verlieben konntest.» Es sei ihm klar geworden, «dass es Dein stärkster Wunsch war, mit dem Teufel zu spielen».67 Lagerfeld wiederum fand es lächerlich, dass Bergé glaubte, er habe Jacques auf Yves angesetzt, um das Lebenswerk der beiden, das gemeinsame Modehaus, zu zerstören. Und er hatte interessantes Material in der Hand. Vor einiger Zeit habe «K…» ihn angerufen, berichtet Bergé, «um mir zu sagen, dass er Briefe von Dir an J. de B. hat, dass er von ihrer Vulgarität, ihrer Grobheit, ihrer sexuellen Gewalt so entsetzt war, dass er sie fast verbrannt hätte, aber dass er es – halb Drohung, halb Erpressung – letztlich vorgezogen hatte, sie zu behalten. Ich sagte ihm, es sei mir egal.»68 Die zahlreichen Briefe von Yves mit den expliziten Zeichnungen hatte Jacques seinem Lebenspartner schon in den siebziger Jahren gegeben. Er hatte wohl Angst, dass Bergé sie bei einem Besuch in seiner Wohnung, wie er ihn schon angedroht hatte, entdecken könnte. «Die Liebesbriefe, die habe ich alle im Tresor», sagte Lagerfeld Mitte der Siebziger zu Wolfgang Joop und seiner Frau. «Dienstmädchenniveau, sage ich euch!»69 Vermutlich hatte Lagerfeld auch die Tonbänder in Verwahrung, auf denen Philippe Heurtault Anrufe Saint Laurents aufgenommen hatte.70 Dieses Material hatte Skandal-Potential. Aber Lagerfeld behielt es für sich. Dabei hätte es durchaus Gelegenheit zur Veröffentlichung gegeben, als er nämlich 2017 überraschend offen mit der Jacques-deFeinde

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Bascher-Biographin Marie Ottavi sprach, um diese Epoche aus seiner Sicht darzustellen. Aber nein: Er mochte nachtragend gewesen sein und zuweilen bösartig, aber nachzutreten wäre stillos gewesen. Und nach Saint Laurents Tod kamen ihm all die Allianzen und Mesalliancen aus vergangener Zeit wohl auch abgestanden vor. Lagerfeld, der ewige Zweite, war nun der Einzige. Kein Mode­ macher ragte an seine Bedeutung und seine Strahlkraft heran. Yves Saint Laurent hatte sich in den achtziger und neunziger Jahren stilistisch allzuoft wiederholt. Seine Klassiker, die transparente Bluse, das Mondrian-Kleid, der Smoking für die Frau, das Saharienne-Kleid, sie waren jetzt museumsreif – und kamen wirklich in die beiden SaintLaurent-Museen in Paris und Marrakesch, die 2017 eröffnet wurden. Schon 1998 hatte er mit dem Prêt-à-Porter aufgehört. Nur noch mit der Couture machte er weiter, als Gralshüter seiner eigenen Vergangenheit, bis zu seinem endgültigen Abschied im Jahr 2002. Aus diesem Rückzug zog Karl Lagerfeld Energie. Offenbar hatte die Hellseherin recht, die seinem Widersacher eine frühe Blüte und ihm späten Ruhm vorausgesagt hatte. Nun hatte er noch 17 Jahre, in denen er endgültig aus dem Schatten seines alten Freundes trat. Alles, was jetzt kam, beherrschte er: den Aufstieg der Billigmode, die Beschleunigung der Saisons, die Vervielfachung der Defilees, die Globalisierung der Märkte, die Vermarktung über das Internet, die sozialen Medien – und die Haute Couture. Ja, die hohe Schneiderkunst erlebte im neuen Jahrtausend einen unglaublichen Aufschwung. Auch neue Märkte wie Russland, China und der Mittlere Osten verlangten nun nach handgefertigter Maßschneiderei. Die Preise von oft mehr als 20 000 und manchmal mehr als 100 000 Euro je Kleid sind sogar gerechtfertigt. Es steckt so viel teure Handarbeit darin, dass die Gewinne für die Unternehmen gering sind. Aber die klassische Schneiderei ist wichtig für das Marketing, denn die Bilder gehen um die Welt und helfen dem Verkauf von Lizenzprodukten wie Parfums oder Sonnenbrillen. Auch Modehäuser, die zwischenzeitlich ausgestiegen waren, begannen wieder mit der Couture, wie Givenchy (2015), Balmain (2019) und Balenciaga (2021). Aber Chanel und Dior dominieren diesen so kleinen wie feinen Markt. Der Meister der Couture im 21. Jahrhun288

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dert war Karl Lagerfeld – bei allen Bemühungen der Dior-Designer John Galliano, Raf Simons und Maria Grazia Chiuri, bei allen Quali­täten anderer Marken wie Valentino oder Giambattista Valli. Niemand hatte das System besser verinnerlicht, nämlich seit einem halben Jahrhundert, niemand bediente es mit einer ähnlichen stilistischen Bandbreite, nämlich von elegant über dekonstruiert bis sexy, niemand hatte solche Ressourcen, mit den «petites mains» von Chanel, den Schneiderinnen in den Ateliers unter dem Dach, und den vielen Kunsthandwerkern von der Schmuckfedermacherei bis zur Plisseeanstalt. Für Karl Lagerfeld war das äußerst befriedigend. Andere kamen in Schwierigkeiten: Christian Lacroix gab 2009 aus geschäftlichen Gründen auf; Jean Paul Gaultier machte 2020 mit der Couture Schluss; und John Galliano war der Belastung psychisch nicht gewachsen, pöbelte betrunken herum und musste deshalb 2011 Dior verlassen. Karl Lagerfeld aber hatte alles unter Kontrolle, einschließlich sich selbst, und hielt auch in diesem Genre durch. Pierre Bergé hatte mal wieder Unrecht gehabt. 1991 hatte er behauptet, das Ende der Couture sei gekommen, weil selbst reiche Frauen nun Konfek­ tionsmode bevorzugten und weil es keine richtigen Couturiers mehr gebe außer Hubert de Givenchy und Yves Saint Laurent. Lagerfeld nannte die düstere Prophezeiung damals «lächerlich».71 Nun, am Ende, hatte er gesiegt. Aber es war ein Pyrrhussieg: Auch in seinen späten Jahren schaffte er es nicht mehr, wie Yves Saint Laurent Klassiker zu entwerfen, die in die Modegeschichte eingingen. Als am 11. Juni 2008 die Asche des angeblich «letzten Couturiers» im Rosengarten des Jardin Majorelle bei seiner Villa in Marrakesch verstreut wurde, war Karl Lagerfeld beschäftigt. «Ihr Leben fängt an, wenn das der Anderen endet», hatte die Hellseherin gesagt. Es war also ein Zeichen der Vorsehung, dass er just in diesen Tagen, am 8. Juni 2008, Baptiste Giabiconi kennenlernte.72 Eine äußerst produktive letzte Lebensphase begann.

Feinde

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Baptiste Es ist eine maßgeschneiderte Geschichte: Modeschöpfer entdeckt unbekannten Achtzehnjährigen, der noch vor kurzem als Monteur in der Hubschrauberfabrik von Eurocopter in Marignane bei Marseille gearbeitet hat, und macht ihn zum berühmtesten Männermodel der Welt. In Baptiste Giabiconi erkannte sich Karl Lagerfeld selbst als jungen Mann. Dem noch etwas orientierungslosen Jungen half er, wo er nur konnte. Quartierte ihn gleich im Sommer 2008 in seine leerstehende Wohnung an der Rue de l’Université ein, ließ ihn dann beim Studio an der Rue de Lille wohnen und verbrachte mit ihm bald sogar halbe Wochenenden in seiner Wohnung, die ansonsten weitgehend tabu war für andere Menschen. Dorthin bestellte Lagerfeld ihn auch für private erotische Aufnahmen.73 Er verewigte ihn in zahllosen Werbekampagnen unter anderem für Chanel, Fendi, Hogan und Dior, in vielen Modeshootings und gleich in mehreren Büchern. Baptiste ging auch bei Chanel, der Damen­ modemarke, über den Laufsteg, das durften nur wenige Männer. Zum Lieblingsobjekt von Paparazzi wurde er schon 2008. Lagerfeld verbrachte den Sommer in dem Haus auf dem Gelände des Hotels La Réserve in Ramatuelle, das er gemietet hatte. Während Sébastien Jondeau und das britische Model Jake Davies in der Villa 19 nebenan wohnten, blieb Baptiste bei ihm in der Nummer  16. Lagerfeld war gerne mit ihnen zusammen, wenn er nicht arbeitete oder las  – und wenn die drei nicht gerade mit dem Lamborghini aus dem beeindruckenden Fuhrpark nach Saint-Tropez in den Club fuhren. «Sie waren jung und redeten über neue Filme, neue Musik, neue Trends», sagt Gerhard Steidl. «So boten sie ihm das, was sein restliches Umfeld nicht mehr bieten konnte.»74 Karl Lagerfeld genoss es auch, mit seinen männlichen Begleitern die Paparazzi anzuheizen. Er ließ sich von Ramatuelle aus immer gern nach Saint-Tropez fahren, setzte sich mit Sébastien unter die Markise des Cafés Sénéquier am Hafen, bestellte eine Pepsi Max – und wurde von Passanten bestaunt. Im Sommer 2008 flanierte er zum ersten Mal auch mit Baptiste über die Hafenpromenade, der im 290

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Zu Gast bei Dior: Baptiste Giabiconi (links), Karl Lagerfeld und Sébastien Jondeau besuchen 2010 die Herrenmodenschau der Konkurrenz-Marke.

bunten Hemd, mit verwegener Tolle und kurz abgeschnittenen Hosen auffiel. Tage später fuhren sie wieder im offenen Rolls-Royce hinunter an den Hafen und erfreuten sich am Kiosk an dem Ergebnis ihres kleinen Spaziergangs. Da schwärmten die bunten Blätter vielsprachig von «la musa», dem «friend of the summer», dem «toy boy».75 Solche Berichte waren wichtig für «die gute Stimmung einer planetarischen Ikone», wie Baptiste in seinen Erinnerungen schreibt. Nun begannen «seine größten Jahre, seine letzte Regentschaft, die absoluteste, die glücklichste, die von Kaiser Karl».76 Zu Baptistes zwanzigstem Geburtstag lud seine Mutter zu einer Party in der Nähe von Marseille. Lagerfeld hatte nicht zugesagt. Das erhöhte den Überraschungseffekt. Er flog per Privatjet ein, kam überraschend zu der Feier, blieb lange und fotografierte alle Gäste, jeden Verwandten, Freund, Nachbarn. Später schickte er Baptiste die ­Abzüge der Fotos, mit persönlicher Widmung für jeden einzelnen. Was Baptiste noch mehr rührte: Lagerfeld schenkte ihm die Uhr, die ihm sein Vater Otto zum 18. Geburtstag geschenkt hatte.77 Eines Tages standen die beiden in der stark verchromten und kaum genutzten Küche am Quai Voltaire beieinander. «Weißt Du, Baptiste, heute hast Du eine Barriere überwunden, eine Grenze, als erster seit Jacques», sagte Lagerfeld. «Bist Du Dir dessen bewusst?» Baptiste war erstaunt, dass der Freund, der sonst wenig Gefühle zeigte, so offen redete. «Das hat mich erschüttert.» Wie in einem ­Reflex umarmte er ihn fest, küsste ihn lange auf die Wange und wunderte sich über die Reaktion seines väterlichen Freunds: «Er war ergriffen, er zitterte, ich sehe ihn immer noch vor mir, unfähig zu sprechen, als hätte er solche Gefühle seit Jahren nicht gespürt. Die Zeit blieb stehen.»78 Es war vermutlich seit langer Zeit das erste Mal, dass Karl Lagerfeld Zärtlichkeit erfuhr. Vielleicht war es auch das letzte Mal. Solche Augenblicke kann man nicht ins Unendliche dehnen. Als Baptiste eigenständiger wurde, veränderte sich alles. Es begann im Herbst 2011 mit der Tanz-Sendung «Dance avec les stars», an der Baptiste teilnahm. Lagerfeld, der sonst nicht viel fernsah, verfolgte jede Sendung auf TF1. Er bat all seine Bekannten, für Baptiste zu stimmen. Als Marie-Louise de Clermont-Tonnerre, die legendäre 292

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«Directrice de la communication» von Chanel, mit einer Auszeichnung bedacht wurde, zu der sie Familie und Freunde ins Studio eingeladen hatte, steckte ihr Lagerfeld das Ehrenzeichen an und verschwand schnell: «Pardon, liebe Marie-Louise, ich muss Baptiste tanzen sehen.»79 Und als Baptiste im Finale verlor, wurde Lagerfeld wütend: Die Abstimmung sei gefälscht worden. Dank seiner Popularität begann Baptiste auch noch eine Karriere als Sänger. Nun war er selbständig erfolgreich, nicht mehr von Lagerfelds Gnaden. Er drohte ihn zu verlieren und begann ihn zu kontrollieren. Wenn Baptiste nun abends ausging, dann wusste Lagerfeld am nächsten Tag dank seiner Zuträger, mit wem er zusammengewesen war, was er getrunken hatte und wann er nach Hause gegangen war.80 Bald kam es dem jungen Mann vor, als säße er im Gefängnis. «Du hast gestern Kokain genommen», sagte Lagerfeld zu ihm am Telefon. «Man hat’s mir erzählt.»81 Baptiste, der nach eigenen Worten nie in seinem Leben Kokain konsumiert hatte, fühlte sich überwacht. ­Lagerfeld-Mitarbeiter fuhren wie zufällig mit dem Fahrrad am Fenster seiner Wohnung entlang. «Ihr schlaft zu fünft oder sechst in der Wohnung», sagte Lagerfeld, «hast Du sie aufgenommen? Wen lässt Du bei Dir wohnen?» Schließlich bestellte er ihn ins Chanel-Studio und warf ihm seine «Launen» vor, «einen unmöglichen Charakter» und «schlechten Umgang».82 Karl Lagerfeld wollte den Freund, den er berühmt gemacht hatte, ganz besitzen oder gar nicht. Aber beides war unmöglich.

Hudson Am 5. Oktober 2010 gab es gleich zwei Debüts. Bei der Chanel-Prêtà-Porter-Kollektion für Frühjahr und Sommer 2011 war Inès de la Fressange zum ersten Mal nach mehr als 20 Jahren wieder auf einem Chanel-Laufsteg zu sehen: Zwischenapplaus. Gleichzeitig war es die erste Modenschau seines liebsten Patenkinds: Der zwei Jahre alte Hudson ging an der Hand seines Vaters Brad Kroenig durch den nachgebauten Barockgarten – in der vielleicht kleinsten Chanel-Jacke, die je hergestellt wurde. Hudson

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Der große Auftritt des Kleinen hatte eine lange Vorgeschichte. Denn Brad Kroenig, der 1979 in St. Louis geboren worden war, ­gehörte schon seit 2003 zu Lagerfelds Lieblingsmodels. Er war in Modestrecken, Anzeigenkampagnen und auf dem Laufsteg zu sehen, und er gehörte zur Entourage des Designers in Paris und Saint-Tropez. Lagerfeld war so begeistert von dem «All American Boy», dass er ihn unendlich oft porträtierte. Auf den Coming-of-Age-Fotos ­posiert das Model aus dem Mittleren Westen als Lawrence von Arabien, Truman Capote, Elvis Presley, James Dean oder auch einfach nur als Brad Kroenig. All die Bilder waren Lagerfeld ein Werk in vier Bänden wert.83 Hudson wurde im Jahr 2008 geboren. Patenonkel zu werden  – das war eine Rolle, die zu Lagerfeld passte. Er hatte schon Paten­ kinder, unter anderem den Sohn seiner Freundin Anne-Marie Muñoz, Carlos, den Sohn seiner Freundin Florentine Pabst, Jacob Karl, und die Tochter des Models Nadja Auermann, Cosima. Der Mann, der die «Wahlverwandtschaften» von Johann Wolfgang von Goethe schon wegen des Titels zu seinen Lieblingswerken zählte,84 baute sich eine Ersatzfamilie auf, mit Ersatznachkommen, denn eigene Kinder kamen für ihn nicht in Frage: «Es gibt gewisse Leute, die sollten keine Kinder haben, und ich gehöre zu denen», hatte er einmal gesagt. «Ich bin generationsbefreit. Ich gehöre zu keiner Generation, ich gehöre zu keinem Milieu, ich gehöre nirgendwo hin, und ich passe überall hin.»85 Altersgrenzen überwand er leicht, mit Kindern ging er locker um. Aber ein Zweijähriger auf dem Laufsteg? Brad Kroenig hatte nichts dagegen, seine Frau fand das seltsam: «Zuerst dachte ich, Brad sei verrückt, dass er dachte, das ginge», sagt Hudsons Mutter Nicole, die Tochter von Nick Bollettieri, dem Tennistrainer, der unter anderem Andre Agassi und die Williams-Schwestern trainierte. «Ich war im Publikum», sagt sie, «und mein Herz hat sehr schnell geschlagen.»86 Bald ließ Lagerfeld Hudson regelmäßig über den Laufsteg gehen, mal an der Hand eines Models, mal alleine – auch in Schauen, in denen sein Vater nicht auf die Bühne durfte, sondern in der ersten Reihe festsaß. Und oft nahm Lagerfeld den Kleinen nun für die Schlussrunde an die Hand. So zog der Modemacher, der sich auf schmücken294

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Im Mai 2016 in Havanna: Karl Lagerfeld hat für die Cruise-Schau von Chanel auch seinen Patensohn Hudson Kroenig aus New York einfliegen lassen.

des Beiwerk verstand, außer Respekt auch Sympathien auf sich. Zugleich lenkte er ein wenig von seiner zunehmenden Gebrechlichkeit ab. Vor allem aber mochte Lagerfeld ihn einfach: In diesem kleinen Kerl erkannte er den kleinen Karl. Auch das Publikum sah in Hudson ein Porträt des Künstlers als junger Mann. An nichts – außer an Choupette – erfreute sich Lagerfeld in seinen späten Jahren so sehr wie an dem erstaunlichen Selbstbewusstsein dieses Jungen. Als Hudson mit drei Jahren in den Kindergarten musste, so erzählte Lagerfeld, habe er die anderen Jungs geboxt und gesagt: «I have nothing to do with you. I am a supermodel.»87 Einmal erzählte Lagerfeld, Hudson habe eine besondere Louis-Vuitton-­ Tasche geschenkt bekommen. Als ein Mann den Neunjährigen in New York im Aufzug fragte, woher er denn diese tolle Tasche habe, sagte Hudson: «Man muss die richtigen Leute kennen.» Und als Hudson bei einer Chanel-Schau neben Anna Wintour von der Hudson

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«Vogue» in der ersten Reihe saß, sagte der Kleine zur mächtigsten Frau der Mode: «Ich würde lieber neben Pharrell Williams sitzen.» Über solche Sprüche seines kleinen Ebenbilds konnte sich Lagerfeld amüsieren: «Der ist zum Weglachen!»88 Seine Zuneigung drückte der Patenonkel natürlich mit Geschenken aus. Hudson hat zu Hause einen Schrank voller maßgeschneiderter Chanel-Outfits.89 Den letzten Look bekam er als Zehnjähriger ­geschneidert, für die Schau im Metropolitan Museum am 4. Dezember 2018, den letzten öffentlichen Auftritt Lagerfelds. Der DendurTempel bot eine überzeitliche Kulisse für das Bild des Jungen, der an der Seite von Lagerfeld und seiner Assistentin Virginie Viard den ­Applaus entgegennahm. Goldene Hose, goldene Stiefel, goldener Hut und ein Oberteil mit ägyptischen Motiven: Hudson sah aus wie ein kleiner Pharao.

Schauen Supermärkte waren nicht sein natürlicher Lebensraum. Karl Lagerfeld ging damals für den Eigenbedarf vor allem in die Buchhandlungen seines Vertrauens, in den Trendshop Colette und in die Männerabteilung von Givenchy. «Ich arbeite», sagte er nach der Schau vom 4. März 2014 süffisant, «ich gehe nicht einkaufen.» Da ging es vielen Gästen des Defilees ganz anders. Denn kaum war die Chanel-Mode für Herbst und Winter 2014 an ihnen vorbeigezogen, erkannte man in vielen hübschen Gesichtern der Mode­ redakteurinnen plötzlich die hässliche Fratze des Kapitalismus: Sie stürzten auf die Regale des g­ igantischen Supermarkts zu, den Lagerfeld im Grand Palais hatte aufbauen lassen. Anna Dello Russo, Stylistin und Street-Style-Star, fiel fast von ihren hohen Hacken, als sie in der Baumarktabteilung des Mega-Stores zu den Fußmatten mit der Aufschrift «Mademoiselle privé» rannte.90 Mademoiselle Chanel hätte ihre Freude gehabt an den großen Ideen ihres Nachfolgers. Karl Lagerfeld hatte die etwa 2700 Besucher des Defilees mit sage und schreibe 100 000 sorgfältig eingeordneten Produkten überrascht – vom «Eau de Chanel» mit wirklichem Was296

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Ein Supermarkt als Kulisse: Mit Model Cara Delevingne dreht Lagerfeld nach dem Chanel-Defilee im März 2014 eine Schlussrunde.

ser bis zum «Jambon Cambon», echtem Schinken, benannt nach der Straße, an der die Chanel-Zentrale liegt. Das war nicht nur ein schönes Futter fürs beginnende Instagram-Zeitalter. Es war auch ein Kommentar zum hemmungslosen Konsum der «fashion victims». Die Gäste offenbarten ihre niederen Triebe im Wettlauf um Fußmatten und Staubfeudel. Dass eine Schau selbstreflexiv wird, also ihren Hintergrund offenbart – das hat die Modegeschichte nicht oft gesehen. Vielleicht gab es solche Momente, wenn John Galliano in Phantasieverkleidung den Applaus nach seinen Dior-Schauen entgegennahm und als Pirat, Dandy oder Astronaut einen lebenden Verfremdungseffekt gab. Vielleicht im Oktober 2011 bei Jean Paul Gaultier, als der Backstage-­Bereich gut sichtbar auf der Bühne aufgebaut war und man die Entstehung der Schau während der Schau live mitverfolgen konnte. Vielleicht im ­Januar 2019 bei der Marke Odeeh, die im Haus der Berliner Festspiele die Gäste auf der Bühne sitzen ließ, während die Models im Zuschauerraum standen – wie bei dem Perspektivenwechsel, der im Schauen

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Theater als Kunstgriff benutzt wird, zum Beispiel in der «Publikumsbeschimpfung» von Peter Handke. Das alles waren schöne Versuche, den Sinn einer Modenschau, nämlich die neue Ware ins beste Licht zu rücken, auf eine andere Ebene zu heben. Aber erst Lagerfeld hat mit seinen Defilees von 2005 bis 2019 Inhalt, Reflexion und Grandeur neu verschmolzen. So wie Richard Wagner «alle Gattungen der Kunst» zu einem «Gesamtzweck» zusammenführte – so schuf Lagerfeld für Chanel Gesamtkunstwerke, die allerdings keine soziale Utopie, sondern kapitalistische Interessen ästhetisch adelten. Aber all die Werbetafeln waren auch antikapitalistische Manifeste. Denn Lagerfeld legte Sehnsüchte und Süchte offen – und das für eine Modemarke, die von unersättlichen Käuferinnen lebt. Ein kommunistisches Manifest wiederum war es nicht, dafür hatte der Modemacher zu viel Spaß an der Inszenierung, vor allem, wenn sie mit Wortspielen garniert ist wie «Coco Cookies» oder «Lait Coco». Der «Brie Gabrielle» erinnerte an Coco Chanels Geburtsnamen Gabrielle, die «Signorina Farfalle» übersetzten «Mademoiselle» ins Italienische  – und die Rue Saint-Honoré war im Goldton der Wandfarbe «Doré St. Honoré» verewigt. Es war eine Art Befreiung der Modenschauen aus dem engen Geist der Nachkriegszeit, als Journalistinnen, Kundinnen und Einkäuferinnen auf goldenen Stühlchen in den Modehäusern saßen. Die Nachkriegsgeschichte der Mode hatte am 12. Februar 1947 um 10.30 Uhr begonnen: Christian Dior präsentierte in den Räumen seiner Marke an der Avenue Montaigne  30 eine verschwenderische neue Kollektion. Den «New Look», der den Krieg mit Mitteln der Mode endgültig für beendet erklärte, rief er inmitten enger Bestuhlung aus. Nach dem frühen Tod des Meisters ging es kleinteilig weiter: Die bekanntesten Fotos von Yves Saint Laurent nach seiner Dior-Premiere am 30. Januar 1958 entstanden auf dem Balkon der Firmenzentrale. Denn erstens musste der dauernervöse Dior-Nachfolger vermutlich dringend frische Luft schnappen. Und zweitens hatten die Fotografen endlich eine Perspektive auf den erst 21 Jahre alten Designer, anders als in den engen Gängen und Treppenhäusern. Es war vielleicht der schönste Moment der Modegeschichte: Sogar die Leute unten an der 298

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Avenue Montaigne applaudierten dem jungen Genie mit dem schüchternen Lächeln. Wenn Coco Chanel nach ihrer Rückkehr in die Mode 1954 im Haus an der Rue Cambon oben auf dem Treppenabsatz stand, hatte sie über die versetzt angebrachten Wandspiegel einen guten Blick auf die Reaktionen fast des gesamten Publikums. Und der weiße Kittel, den Hubert de Givenchy noch bei seiner letzten Schau im Oktober 1995 sogar auf dem Laufsteg trug, symbolisierte den Anspruch, keine große Show zu bieten, sondern gutes Handwerk. Coco Chanel, Cristóbal Balenciaga, Christian Dior, Yves Saint Laurent, Hubert de Givenchy: Sie alle wurden in kleinem Rahmen groß. Karl Lagerfeld wollte dieses System überbieten. Bei Chloé war das alles noch sehr intim. «Wir veranstalteten Schauen in der Brasserie Lipp», sagt seine damalige Mitarbeiterin Rosemarie Le Gallais. «Die Presse bekam ein Frühstück. Oben zogen wir die Mädchen an, die dann die Treppe runtergingen. Das war persönlich, unkonventionell, in guter Stimmung.»91 Dann wurde es ausgeweitet. Bei Chanel begann er 1983 an der Rue Cambon noch beengt. In den neunziger Jahren ging es in den Carrousel du Louvre. Aber auch das war ihm bald zu wenig. Der Modeschöpfer mit dem großen Selbstbewusstsein suchte die große Bühne. Seit der Jahrtausendwende trafen seine Vorstellungen auf ideale Voraussetzungen: Der wachsende Luxusmarkt verlangte nach außergewöhnlicher Ausstrahlung; die Eventgesellschaft forderte mehr Aufregung als bei den letzten Endlosschleifen von Yves Saint Laurent im Hotel Intercontinental; die asiatischen Kunden, die dank ihrer Shopping-Tempel ganz andere Dimensionen gewohnt sind, brauchten außer Glanz auch Größe; und für die im Jahr 2010 gegründete Plattform Instagram, die in der bildersüchtigen Modeszene schnell zum bestimmenden Marketinginstrument wurde, sind gute Hintergrundmotive wichtig. Daher wurden auch die Schauen von Dolce & Gabbana, Gucci oder Louis Vuitton spektakulärer. Von John Gallianos theatralischer Sendung bei Dior und von Alexander McQueens existentiellen Experimenten für seine eigene Marke hat sich Lagerfeld sicher anregen lassen. Aber man muss schon viel Macht haben, um seine nächtlichen Ideen zu zwanzigminütigen Gesamtkunstwerken im Wert von verSchauen

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mutlich mehr als sieben, oft mehr als zehn Millionen Euro auszubauen. Und man muss Geist haben, um mit Trompe-l’oeil-Effekten auch die Metaebene zu bespielen, nach dem Motto: Hier ist alles eine Wunschvorstellung, womöglich sogar die Mode, und wenn es die meisten gar nicht bemerken, dann ist das noch ein weiterer Dreh in dieser selbstreflexiven Illusionskunst. Chanel sicherte sich 2005 das Grand Palais für die CoutureSchauen im Januar und Juli sowie fürs Prêt-à-Porter im März und Oktober. Die Halle, die für andere Marken fortan tabu war, wurde seit der ersten Schau am 7. Oktober 2005 zum großen Spielplatz des Designers. «Dieser Raum hat ihm die Freiheit gegeben, sich zu ent­ falten», sagt sein ehemaliger Assistent Eric Wright.92 Schon dieses Ausmaß! Bei Michael Kors in New York, dem Geschwindigkeits­ rekordhalter unter den Modemachern, dauert eine Schau nur acht, neun Minuten. Bei Chanel braucht ein Model allein mehr als drei ­Minuten, um das Rund abzuschreiten, und meist sind es mehr als 80 Models, die sich nicht backstage während der Schau schnell umziehen müssen, sondern nur ein Outfit präsentieren («one model, one look»). Dadurch sind gleichzeitig so viele Models unterwegs, dass die Szenerie einem XXL-Wimmelbild gleicht. Alles war genau geplant. Die wichtigsten Redakteurinnen hatten ihren Blumenstrauß schon Tage zuvor aufs Hotelzimmer bekommen. Die Einladungskarten hatte Gerhard Steidl in Göttingen auf bestem Papier gedruckt. Ein Kalligraph schrieb die Adresse des Gasts auf den Umschlag. Ein Bote brachte den Brief ins Hotel oder in die Redaktion. Schon neun Tage vor der Schau war Set-Designer Stefan Lubrina mit seinem Team im Grand Palais, um die gigantischen Kulissen aufzubauen. «Der Hypermarché, das war natürlich seine Idee», sagt ­Lubrina.93 Bei Chanel war man vermutlich nicht gerade begeistert, denn luxuriös wirkte das Ambiente nicht. Aber wer hätte Lagerfeld mit all seinen Ideen bremsen sollen? Stefan Lubrina, als ausgebildeter Bühnenbildner seit 1994 bei Chanel zunächst für die Ladengestaltung und dann für die Defilees tätig, hatte meist nur drei Monate für die Arbeit an einer Schau, musste also teils an mehreren Bühnenbildern gleichzeitig arbeiten. Lagerfeld erklärte ihm seine Idee, Lubrina fertigte ein Modell des 300

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Raums, sie sprachen darüber, und dann begann Lubrina in seiner Werkstatt mit den Aufbauarbeiten, die er schließlich im Grand Palais vollendete. «Es wäre zu gefährlich gewesen, eine Idee sechs Monate im Voraus zu entwickeln», sagt Lubrina. «Er hatte so viele Ideen, dass es dann immer wieder hätte verändert werden müssen.» Diesen Raum musste man erst einmal füllen. «Es war, als würde man den Soundtrack eines Films erfinden oder für ein Theaterstück komponieren», sagt Sounddesigner Michel Gaubert. «Der Raum ist riesig. Man kann dort nicht Punk oder intime Musik spielen. Es muss gut produziert sein, es muss geschliffen und üppig klingen.»94 Lagerfeld habe die Halle verstanden, sagt Stefan Lubrina. «Man muss mit dieser Größe spielen.» Kein Defilee durfte einem anderen gleichen. ­Jedes Mal sollte eine ganz neue Atmosphäre herrschen. Die Laufwege der Models und die Position des Publikums waren immer unterschiedlich. Die Gäste waren in das Bühnenbild integriert, waren Teil der Inszenierung, wie im modernen Theater. Die Chanel-Schauen nach Lagerfelds Tod zeigen, dass in Zukunft alles kleiner ausfallen wird. «Heute ist es nicht mehr so einfach», sagt Lubrina. «Zum Beispiel muss man nun die gesamte Dekoration wiederverwerten können. Man kann also nicht mehr so viele Materialien verwenden wie früher.» In seinen besten Jahren schuf Lagerfeld die größten Sets. Die Fendi-Schau im Oktober 2007 auf der Chinesischen Mauer, die Fendi-Couture-Schau auf dem Trevi-Brunnen im Juli 2016, die Chanel-Cruise-Schau in Havanna im Mai 2016 oder im Grand Palais die Supermarkt-Schau im März 2014 und das Defilee mit der riesigen Rakete im März 2017 – sie gehören zu den spektakulärsten Defilees der Modegeschichte. Er sei ein Geschichtenerzähler, sagte Lagerfeld. Jede dieser Modenschauen habe durch die vielen Medienberichte ­einen Gegenwert in mehrfacher Höhe der Kosten erbracht: Hätte man also die gleiche Zahl an Lesern oder Zuschauern über Anzeigen in Magazinen oder auf Websites erreichen müssen, hätte das Chanel weit mehr gekostet.95 Für die Raketen-Schau vom März 2017 hatte Lubrina mit seinem riesigen Team eine Startrampe mit einer 37  Meter hohen Saturn-­ Attrappe aufgebaut. Die Kollektion spielte am «Centre de Lancement Schauen

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N° 5» auf das Raumfahrtzeitalter an, mit glänzenden Stiefeln, silbernen Mänteln, Planetenstickereien, Astronautendrucken, Schutzbrillen und Rundkragen. Am Ende drückten Lagerfeld und Hudson Kroenig gemeinsam auf den Knopf, das Startgerüst zog sich zur Seite, der Countdown begann, und die Rakete schien abzuheben, zehn Meter hoch, während es blitzte und rauchte und donnerte. «Gut, oder?», fragte Lagerfeld nach der Schau. Der Rauch hatte vernebelt, dass die Rakete nicht abhob, sondern sich nur die untere Triebwerkstufe über die zweite Raketenstufe schob. Die Gäste mussten annehmen, dass die Rakete startet und mit ihrer Spitze durch das Dach in 44  Metern Höhe stößt. Die Musik half der Illusionskunst noch. Zunächst ließ Michel Gaubert das sphärische «Radioactivity» von Kraftwerk laufen, dann das spielerische «Contact!» von Serge Gainsbourg, dann, immer schriller, Daft Punk, und am Ende hob die Stimmung mit «Rocket Man» von Elton John ab. «Es sollte so enden wie ein richtig blöder Science-Fiction-Film», sagt Gaubert, «und das hat funktioniert.» Die Stars in der ersten Reihe wie Anna Wintour, Pharrell Williams und Cara Delevingne klatschten, als wären sie selbst in eine andere Dimension befördert worden. Karl Lagerfeld, dem Trompe-l’oeils aus der Kunst vertraut waren, wendete solche optischen Tricks immer wieder an, mit dem 4000-Quadratmeter-Strand im Oktober 2018, mit echten Eichen und täuschend echtem Waldpanorama im März 2018, mit der feministischen Demonstration («History is Her Story») im September 2014 vor foto­ realistischen Haussmann-Fassaden. Alles strebte auf das Schluss­ defilee zu. Nun sah man, wie geschlossen die Models gecastet wurden, man sah die einheitlichen Frisuren, für die seit 2010 der Schotte Sam McKnight zuständig war, und hatte die gesamte Kollektion im Blick, die meist variantenreich und logisch zugleich wirkte. Am Ende die Epiphanie, die Erscheinung des Herrn. Die Zuschauer, auch durch Champagner in Stimmung gebracht, gaben sich gern der Begeisterung hin. Und der Zeremonienmeister behielt stets gute Laune. «Alle Früchte und alle Bonbons bitte mitnehmen», rief er im März 2014 nach der Supermarkt-Schau mit einem Humor, dem man so manchem Supermarktleiter wünschen würde. «Die sind umsonst!» Da waren die meisten Gäste mit ihrer Beute 302

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längst verschwunden. Viele von ihnen kamen aber nicht weit. Bis auf die Früchte und die Bonbons mussten sie am Ausgang alles abgeben. Im Kapitalismus gibt es nichts umsonst.

Kritik Der Mann, der die Öffentlichkeit für sich zu nutzen wusste wie kaum jemand sonst, konnte es nicht ertragen, wenn sich die Öffentlichkeit seiner Privatheit bemächtigte. Das musste vor allem die Autorin ­Alicia Drake erfahren, die 2006 mit ihrem Buch «The Beautiful Fall» («Die Schönen fallen», «Der schöne Fall» oder «Der schöne Herbst») über die Hassliebe zwischen Lagerfeld und Saint Laurent geschrieben hatte, als wäre es ein Krimi. Besonders missfiel Lagerfeld daran, dass die Journalistin seine frühen Jahre auf dem Land als grau schilderte – und nicht in den leuchtenden Farben, die er für seine Herkunfts­ geschichte wählte. Er war auch erzürnt, dass sein Cousin Kurt Lagerfeld sowie Karl Wagner und andere Jugendfreunde sein wahres ­Geburtsjahr bezeugt hatten. Lagerfeld verklagte Drake nach Artikel 9 des Code civil («Jeder hat das Recht auf die Achtung seines Privat­ lebens») und wollte durchsetzen, dass das Buch in Frankreich nicht verkauft werden dürfe, dass eine Strafe von 10 000  Euro für jedes Buch fällig werde, das in Frankreich nach dem Verbot dennoch verkauft wird, dass sie 100 000 Euro Schadenersatz zahle, und dass die Gerichtsentscheidung auf ihre Kosten in fünf Publikationen seiner Wahl veröffentlicht werde. Nach zwei Anhörungen, zu denen Lagerfeld nicht erschien, wurde die Klage am 15. Januar 2007 vom Gericht abgewiesen. Die Kosten von 6000 Euro hatte er zu tragen.96 Das gut ­recherchierte Buch nannte Lagerfeld «Schundliteratur».97 Ähnlich schroff reagierte er auf Arnaud Maillard, der in seinem Buch viele Details der täglichen Arbeit ausplauderte.98 Der Assistent beichtete 2005 am Telefon, er wolle aufhören und zu einer anderen Marke wechseln. Lagerfeld erwiderte: «Es ist vorbei. Ruf mich nicht mehr an. Du wirst sehen, was du davon hast.»99 Als der Moderator Johannes  B. Kerner fragte, ob er von seinem einstigen Mitarbeiter enttäuscht sei, antwortete Lagerfeld: «Der arme Junge ist derart Null, Kritik

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da kann man nicht mal enttäuscht sein. Jetzt ist er Barmann in Spanien, also so begabt muss er nicht gewesen sein.» Und: «Offen gestanden, das tut mir leid für die Bäume, die für solch einen Mist abgeschlagen worden sind.»100 Karl Lagerfeld war geistreich, genial und großzügig, zuweilen war er aber auch dünnhäutig, reizbar und nachtragend. Er war stilsicher und zugleich elitär, qualitätsbewusst und snobistisch, gesellig und narzisstisch, fleißig und überehrgeizig. Aus all diesen Gründen war er bei vielen Menschen beliebt und bei anderen verhasst – besonders in seinem Heimatland, das Dandytum schnell mit Schnöseligkeit gleichsetzt. Noch am Tag seines Todes schrieb die Autorin Sibel Schick auf Twitter,101 niemand müsse «einem Rassisten, Sexisten und Klassisten wie Karl Lagerfeld nachtrauern». Das war ein so harsches wie falsches Urteil, das aber pointiert die Kritik zusammenfasst, die sich vor allem in seinen letzten Lebensjahren aufgebaut hatte. Bis 2015 verhielt sich Lagerfeld politisch weitgehend neutral. Der Studentenbewegung, den Neuen Sozialen Bewegungen der siebziger Jahre, den Grünen und dem Sozialismus konnte er generell nichts ­abgewinnen. «Ich habe noch nie gewählt. Ich bin mit nichts ver­ bunden», sagte er 2013.102 Auch zur deutschen Politik äußerte er sich kaum. In seinen Karikaturen zeichnete er zunächst jahrelang ein freundlich-kritisches Bild von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zum Beispiel machte er sich über ihre geradezu männliche Machtfülle lustig, als er sie 2014 im Hosenanzug zeichnete, mit der Zeile: «Hier habe ich die Hosen an!»103 Diese Haltung änderte sich mit dem islamistischen Attentat auf die satirische Wochenzeitschrift «Charlie Hebdo» am 7. Januar 2015, dem Flüchtlingszustrom seit dem Sommer 2015, den Terroranschlägen in Paris vom 13. November 2015 und der Silvesternacht 2015 in Köln, als junge Männer, die zumeist aus dem Maghreb stammten, zahlreiche Frauen belästigten. Nun wurde sein Ton schärfer: Die «Karlikatur» vom 13. Februar 2016 zeigt die Kanzlerin mit schwarzem Kopftuch und der Überschrift: «Frau Merkels neuer migrantenfreundlicher Look».104 Jetzt stellte der ferne Beobachter der deutschen Politik einen direkten Bezug her zwischen den zumeist muslimischen Einwanderern, der Zunahme des Antisemitismus und dem Erstarken 304

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Immer mehr Kritik an Merkel: Im Februar 2016 veröffentlicht Lagerfeld im F. A. Z.-Magazin eine «Karlikatur» der Bundeskanzlerin mit «migrantenfreundlichem» schwarzen Kopftuch.

des Rechtspopulismus mit Erfolgen der deutschen AfD, des französischen Front National, der österreichischen FPÖ und der niederlän­ dischen «Partei für die Freiheit» des Rechtspopulisten Geert Wilders, die er jeweils geißelte. Vor allem in zwei Zeichnungen radikalisierte er seine Kritik. Bei der Bundestagswahl vom 24. September 2017 hatte die AfD mit ­einem Zugewinn von 7,9 Prozentpunkten 12,6 Prozent der Stimmen errungen, das bedeutete 94  Bundestagsmandate. Als Reaktion ver­ öffentlichte er am 14. Oktober eine Zeichnung, auf der Merkel im Vordergrund und Adolf Hitler im Hintergrund zu sehen sind. Merkel hält sich erschrocken die Hände vor den Mund: «Was habe ich da anKritik

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gestellt?» Hitler: «Vielen Dank, daß Sie ungewollt meinen Nachfahren erlaubt haben, wieder im Parlament vertreten zu sein.» Lagerfeld sagte dazu, er habe gehofft, «so etwas in meinem Leben nie wieder zu sehen»: «Ich schäme mich für Deutschland.»105 Seine Meinung, dass Merkels liberale Willkommenspolitik den Rechtspopulisten half, war eine Provokation. Analysen zur Wählerwanderung stützten aber seine Sicht: Rund eine Million Menschen, die 2013 für die Union gestimmt hatten, wendeten sich 2017 der rechten Partei zu. Am 11. November 2017 verschärfte Lagerfeld seine Kritik im französischen Fernsehen. In der Sendung «Salut les terriens!» («Hallo Erdlinge!») von Thierry Ardisson auf dem Sender C8 wurde die Hitler-Merkel-Karikatur eingeblendet. «Man kann nicht», sagte ­ Lager­feld dazu, «auch wenn mehrere Jahrzehnte dazwischen liegen, Millionen Juden umbringen und dann ihre ärgsten Feinde zu Millionen hereinlassen.» Sogleich beschwerten sich bei der französischen Rundfunkaufsicht Hunderte von Zuschauern. Aber die folgenden Wochen sollten ihm recht geben, was den Antisemitismus betrifft. Der Zentralrat der Juden beklagte den offenen Judenhass in Deutschland; die lautesten Verunglimpfungen kämen «von muslimischer Seite». Und am 18. Januar 2018 beschloss der Bundestag, das Amt des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung einzurichten. Am 13. Januar 2018 legte Lagerfeld nach. Seine Zeichnung zeigt Angela Merkel mit dem Untertitel «Unbefleckte Empfängnis». Sie trägt einen Hijab, ihr Heiligenschein besteht aus Halbmonden. Sarkastisch wird die Kanzlerin der Muttergottes gleichgestellt – Angela Merkel «empfing» die Flüchtlinge und fühlt sich ebenfalls unbefleckt.106 Noch radikaler fasste er seine Merkel-Kritik im Mai in ­einem Interview mit dem Magazin «Le Point» zusammen: «Musste sie sagen, dass man eine Million Migranten willkommen heißen muss? Man muss sich der Vergangenheit erinnern, die wir in Deutschland haben. Ich hasse Merkel dafür, dass sie das vergessen hat.»107 Am 11. Mai 2018 fasste «Bild» die Aussage in der Titel-Schlagzeile zusammen: «Ich hasse Madame Merkel». Der wachsende Antisemitismus musste ihn schon deshalb em­ pören, weil er eine so große Leidenschaft für die jüdische Kultur der Vorkriegszeit hatte und viele jüdische Freunde – und Auftraggeber – 306

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im Paris der Gegenwart. Aber man konnte nun auch etwas Grundsätzliches beobachten: «Er ist zunehmend konservativ geworden, fast schon reaktionär», sagt Gloria von Thurn und Taxis. «Nicht die Flüchtlinge an sich haben ihn gestört, sondern die unkontrollierte Einwanderung. Er war ein Kontrollfreak, deshalb konnte er ein solches Chaos nicht ertragen.»108 Andererseits legte sich der Kontrollfreak nun selbst keine Fesseln mehr an. Politische Äußerungen eines Modemachers können für das Unternehmen, für das er arbeitet, schädlich sein. Wenn er solche Rücksichten je genommen hätte – nun gab es sie nicht mehr. «Am Ende entglitt ihm die Selbstkontrolle», sagt Wolfgang Joop.109 Der Mann also, der schon durch sein Erscheinungsbild zeigte, wie sehr er sich eigentlich selbst beherrschte, kannte keine Mäßigung mehr. Empörung rief auch seine Zeichnung über Harvey Weinstein vom 11. November 2017 hervor, mit «Harvey Schweinstein» in Schweinegestalt. Er greife «tief in die Kiste antisemitischer Klischees», schrieb die «Welt», und reihe sich damit «in jene lange Bildertradition ein, die mit mittelalterlichen Plastiken beginnt, die Juden als Schweine darstellten. Und die bis zu den Verschweinungen von Juden in Karikaturen, Fotos und Filmen der NS-Zeit reicht.»110 Ausgerechnet ­Lagerfeld antisemitisch? Nach seinen eigenen Worten wurde er durch die Initiative #BalanceTonPorc («Verpfeif dein Schwein») angeregt, die französische Entsprechung der Metoo-Bewegung: «Ich habe nur übersetzt, was jeder sagte.»111 Der Vierundachtzigjährige nahm weder Rücksicht auf diplomatische Empfindlichkeiten, noch kümmerte es ihn, wenn er Applaus von der falschen Seite bekam. Immer schien es ihm ein Bedürfnis, politisch unkorrekt zu sein. Das zeigte sich schon früher, in der Debatte um Magermodels. «Komischerweise wird heute viel mehr Geschrei über die Magersüchtigen gemacht als über die Dicken», sagte er.112 «Es gibt weniger als ein Prozent magersüchtige Mädchen in Frankreich», sagte er in einem anderen Interview, «aber mehr als 30  Prozent mit viel, viel Über­ gewicht. Und das ist viel gefährlicher und sehr schlecht für die Gesundheit.»113 Die Popsängerin Adele nannte er «ein bisschen zu fett». Lagerfeld trug dazu bei, dass allzu dünne Models auf den Laufstegen als selbstverständlich angesehen wurden. Auch damit war er ProtagoKritik

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nist einer schwindenden Epoche. Es ist bezeichnend, dass in den vergangenen Jahren immer mehr normalgewichtige und ältere Models auf den Laufstegen zu sehen waren, seit 2019 sogar bei Chanel. Überhaupt hatte er etwas gegen moralisierende Vorschriften, politische Korrektheit und staatliche Eingriffe. Der Unternehmersohn war ein Freund der ungehinderten Entfaltung des freien Marktes. Als Privatmann spendete er gern und viel Geld, er half Menschen in Not und unterstützte zum Beispiel seit 2015 auch das Programm «Sauver la vie» der Universität Paris Descartes, das die Ausbildung von Medizinstudenten und die medizinische Forschung fördert.114 Aber Steuern störten ihn. Die letzte Auseinandersetzung mit den französischen Steuerbehörden wurde Anfang 2016 öffentlich. Eine verzweigte Konstruktion von Firmen auf den Britischen Jungferninseln, im amerikanischen Bundesstaat Delaware, in Irland und in weiteren Steuerparadiesen habe es ermöglicht, dass Lagerfeld innerhalb von sechs Jahren Einnahmen von mehr als 20 Millionen Euro in Frankreich nicht angegeben habe.115 Er ließ mitteilen, er bezahle in Frankreich «jährlich mehrere Millionen Euro an Steuern». Das war wieder ein Fall für seinen wichtigsten Finanzberater, Wirtschaftsprüfer Lucien Frydlender, der solche Unstimmigkeiten meist diskret zu bereinigen wusste. Im Scherz nannte Lagerfeld den alten Herrn, der auf sein Geld aufpasste, «ma nounou», «mein Kindermädchen».116 Vielsagend war auch die von «Le Monde» enthüllte Steueraffäre vom September 2000. Der Steueranwalt Alain Belot hatte dem damaligen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn 1999 eine Videokassette übergeben. Darin redete der Bauunternehmer Jean-Claude Méry über illegale Parteienfinanzierung zu den Zeiten, als Staatspräsident Jacques Chirac noch Bürgermeister von Paris war.117 Zum Dank für die Videokassette habe Strauss-Kahn die Steuerschulden Lagerfelds, der Belot wegen einer hohen Steuernachforderung in Höhe von 300  Millionen Francs (100  Millionen Mark) um Beistand gebeten hatte, auf nur rund 50  Millionen Francs verringert. Strauss-Kahn korrigierte: Lagerfelds Steuernachzahlung der Jahre 1992 bis 1997, die sich auf rund 80 Millionen Francs belief, sei auf 46 Millionen verringert worden. Der ehemalige Wirtschafts- und Finanzminister versicherte, er sei den Empfehlungen der Steuerverwaltung gefolgt.118 308

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Laut «Le Monde» hatte Lagerfeld, weil er in Monaco gemeldet war und «mehr als die Hälfte seiner Einnahmen» aus dem Ausland stammten, seit 1982 in Frankreich keine Steuern mehr entrichtet. Eine erste Steuernachzahlung für die Jahre 1989 bis 1991 war schon 1995, vor Strauss-Kahns Ministerzeit, von rund 60  Millionen auf zehn Millionen Francs reduziert worden.119 Die Behörden hatten den säumigen Steuerzahler also schon immer großzügig behandelt. Als ob es die Steuerfahndung nun besser machen wollte, suchte sie im Jahr 2000 nach den Enthüllungen von «Le Monde» Lagerfeld heim, wie sein damaliger Assistent Arnaud Maillard schildert. ­Virginie Viard aus dem Chanel-Atelier rief an, Steuerfahnder seien im Haus und wollten auch noch zu Lagerfelds Privatwohnung an der Rue de l’Université fahren. Daraufhin eilten der Designer und sein Assistent nach Hause, packten viele Unterlagen ein, verstauten die Koffer in dem BMW im Hof, weil sie zu schwer waren, eilten dann zu Fuß auf die Straße, nahmen ein Taxi – und sahen beim Wegfahren noch eine Zivilstreife mit Blaulicht vor dem Haus halten.120 Öffentliche Angelegenheiten standen hinter privaten Interessen zurück. Ihn interessierte es kaum, dass ökonomische Freiheit das ökologische Gleichgewicht bedrohen kann. Karl Lagerfeld gehörte zur Großelterngeneration der Bewegung «Fridays for Future», die im Jahr vor seinem Tod gegründet wurde. Insofern muss man ihm nicht vorwerfen, dass die Proteste gegen die Klimakrise spurlos an ihm ­vorübergingen. Aber es ist schon bemerkenswert, wie groß sein persönlicher Anteil war an der zunehmenden Erderwärmung und der Vermüllung des Planeten. So trug seine H&M-Kollektion, oft als Beitrag zur «Demokratisierung» des Stils gefeiert, vor allem dazu bei, dass Billigmode noch populärer wurde. Den umweltschädigenden Trend zur energie- und ressourcenintensiven «Fast Fashion» verstärkte er wie kaum ein anderer. In der Herstellung braucht es viele Chemikalien, die Transportwege in der Wertschöpfungskette sind lang, und das massenhaft eingesetzte Polyester zersetzt sich nur schwer und macht die Vermüllung zu einem Langzeitproblem. All diese Umweltfolgen sind größer in der «Fast Fashion» als in der teuren Mode, schon weil die Billigprodukte zum schnellen Wegwerfen verführen. Auch seine persönliche Umweltbilanz kann sich nicht sehen lassen. Er Kritik

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gehörte zu den Vielfliegern im Privatjet. In seinem Leben sei er allein mehr als 400 Mal in Rom gewesen, hatte er einmal gesagt. Hinzu kamen über die Jahrzehnte zahlreiche Flüge nach New York, Monaco, Mailand, Hamburg, Berlin, Tokio, London und in viele weitere Städte. Bis in die siebziger Jahre flog er in Linienflugzeugen. Seitdem er in den achtziger Jahren bei Chanel noch mehr verdiente, mietete er sich einen Privatjet, und nach New York flog er am liebsten in der Concorde. Bei Superreichen galt das als normal. Aber auch über diese Praxis denkt man in Zeiten der Klimakrise anders. Überhaupt wirken der Drang nach Bedeutung, das Beharren auf Privilegien, der Massenerwerb von Luxusgütern, die Inszenierung von Grandeur überholt. Der Privatjet, der Rolls-Royce, die Kammerzofe für die Katze, der Butler mit dem Silbertablett – Requisiten aus einer Welt von gestern. «Auch diese großen Schauen sind so anachronistisch, mit den vielen abgeholzten Bäumen, mit dem herbeigekarrten Eisberg», sagt Wolfgang Joop. «Verschwendung und Überfluss will man nicht mehr. Man will auch keine Ledertasche aus Kalbsleder mehr.»121 Mit dem Tod von Karl Lagerfeld ist die schöne alte Welt des Luxus und der Moden verschwunden, in der Konsum ohne Reue noch möglich war.

Choupette Sie war eigentlich gar nicht seine Katze. Choupette, die am 19. August 2011 geboren worden war, gehörte Baptiste Giabiconi. Er hatte sie im November von seinem Bruder zum Geburtstag geschenkt bekommen. Als Baptiste in den Weihnachtsferien 2011 nach Marseille fuhr, fragte er Lagerfeld, ob er auf die kleine Birmakatze aufpassen könne: «Mmh. Wie lange?» – «Gut eine Woche, dann bekomme ich sie wieder … Aber Du schickst mir Nachrichten, um mich auf dem Laufenden zu halten.» – «Das Tier hat keine Mikroben, oder?» – «Sie hat alle Impfungen!»122 Karl Lagerfeld kümmerte sich besser um die Katze, als man es hätte erwarten können. In den ersten Tagen schickte er an seinen jungen Freund im Süden noch Nachrichten, die immer verzückter klan310

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«Eine Art Greta Garbo»: Karl Lagerfeld machte auch aus Choupette einen Star.

gen: «Elle est belle.» – «Elle est exquise.» – «Elle est fabuleuse.»123 Dann schickte er nichts mehr, keine Fotos, keine Nachrichten. «Und als ich wiederkam, wollte er sie mir nicht mehr zurückgeben», sagt Baptiste Giabiconi. «Er hatte sich richtig in sie verliebt.» 124 Fast kam es zum handfesten Streit an jenem 2. Januar 2012 in der Wohnung am Quai Voltaire. «Du weißt gar nicht, wie man sich richtig um sie kümmert, Baptiste», sagte Lagerfeld. «Du hängst nicht so sehr an ihr. Das ist nicht Dein Ding. Hier geht es ihr viel besser, bei mir wird sie ein Luxusleben haben.»125 Baptiste nahm sie trotzdem an sich und ging. Aber er bemerkte bald, dass Lagerfeld darüber r­ egelrecht trübsinnig wurde. Also brachte er ihm einige Tage später Choupette wieder zurück, für immer: «Es gibt kein schöneres Geschenk», sagte Lagerfeld überwältigt. «Ich habe noch nie so etwas Wunderbares bekommen.»126 Im Alter von nicht einmal einem halben Jahr zog die Birmakatze also zu dem alten Herrn. Ihren süßlichen Namen mochte er zunächst Choupette

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gar nicht. Er finde ihn «grauenhaft», sagte er 2012. «Aber am Schluss habe ich mich dran gewöhnt und finde ihn beinahe witzig. ‹Houpette› heißt Puderquaste. Und weil sie so aussieht und wegen der Zuchtlinie mit einem ‹C› beginnen musste, heißt sie so.»127 Auch machte ihn Baptiste darauf aufmerksam, dass Choupette in jeder Sprache funk­ tioniere. Das leuchtete Lagerfeld ein. Allerdings: «Sie hört nicht auf einen, wenn man sie Choupette ruft, sondern nur, wenn man sie Choupinette nennt.»128 Wohl auch wegen des katzentypischen Eigenwillens liebte er dieses Tier. Wenn er in den folgenden Jahren Freunde traf, holte er sein iPhone heraus, schob seine Brille in die Stirn, schaute dicht auf den Bildschirm, suchte die schönsten neuen Fotos der Birmakatze mit den saphirfarbenen Augen heraus und zeigte sie herum. Stephen Gan, Chefredakteur der Zeitschrift «V» und ein Freund des Modeschöpfers, twitterte Mitte Januar 2012 ein Foto («Meet Choupette»), und los ging’s. Wie so viele Figuren aus seinem Umkreis machte Lagerfeld auch dieses Tier berühmt. Choupettes Karriere passte in die Zeit. Denn 2012 wurde auch die mürrische Grumpy Cat zum Internet­ phänomen: Die «Petfluencer» kamen auf, die Haustier-Influencer, die das emotionale Bedürfnis der Nutzer sozialer Medien nach Niedlichkeit befriedigen und ihren Besitzern durch Werbeverträge Geld einbringen. Ashley Tschudin, eine Social-Media-Spezialistin aus der New Yorker Modebranche, erkannte das Marktpotential früh. Eine Katze mit einer Zofe, die im Privatflugzeug fliegt? «Mein Gott», dachte sie, «man könnte eine ganze Persönlichkeit um sie herum bauen.» Und das machte sie, denn diese Luxuskatze würde in der Modewelt Resonanz finden. 2012 begann sie auf Twitter und machte «Choupettes­ diary» dann auf Instagram groß. Tschudin, die Enkelin des Hollywood-Schauspielers Rod Steiger, schrieb gewissermaßen ein Drehbuch fürs Instagram-Zeitalter: repostete Fotos unter anderem von Baptistes Instagram-Account, inszenierte Choupette als «playful personality», erdichtete kleine lustige Geschichten, engagierte einen Zeichner, der aus der Katze eine Diva machte, und erging sich in Wortspielen. Bald gehörten auch Popstars wie Fergie und Katy Perry zu ihren Fans. «Wir hatten gute und treue Follower», sagt Ashley Tschudin. Viele 312

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Social-Media-Nutzer schickten ihr Nachrichten und Bilder über ihre Katzen, als wäre sie eine Freundin.129 So wurde die Katze immer berühmter. Choupette mit Laetitia Casta vor nächtlichem Eiffelturm im Magazin «V» (September 2012), Choupette mit Linda Evangelista auf der deutschen «Vogue» (Juli 2013), Choupette mit Gisele Bündchen auf der brasilianischen «Vogue» (Dezember 2014): Lagerfeld organisierte nur die besten ­Namen für sein schönes Tier. Schon 2014 erschien das erste Buch, «Choupette: The Private Life of a High-Flying Fashion Cat», bei Flammarion. Ein weiterer Band, «Choupette by Karl Lagerfeld», mit Lagerfelds eigenen iPhone-Aufnahmen aus dem Jahr 2018, gedacht als Weihnachtsgabe für seine Freunde, kam 2019 posthum bei Steidl heraus. In seinem Geleitwort schreibt Lagerfeld, er glaube nicht, dass er selbst berühmt sei: «Heute ist Choupette wirklich berühmt. Sie ist die berühmteste Katze der Welt geworden.» Sein dekadentes Image übertrug er nun auf seine Katze. Er erzählte, sie werde von «zwei Kammerzofen» umsorgt, die sich um «ihr schönes weißes Haar» zu kümmern hätten und um «die Beauty-­ Behandlungen für ihre Augen». Sie sei «eine Art Greta Garbo».130 Sie liebe Privatflugzeuge und sei nur an Schönheit interessiert. «Und daran, anderen Leuten den Kopf zu verdrehen.»131 «Ich bin nicht die wichtigste Person bei mir zu Hause», sagte er. Aber immerhin: «Choupette hat einen besseren Menschen aus mir gemacht, weniger selbstsüchtig.»132 Sie werde auch zu den Erben seines Vermögens ­gehören.133 Choupette war eine Projektionsfläche für seine Phantasien – denn sie konnte ja zu all den Dingen, die er über sie behauptete, gar nichts sagen, und sie hätte womöglich nicht einmal Lust dazu ­gehabt. Mit der Bekanntheit kamen die Werbejobs. Angebote von Tierfutterherstellern kämen nicht in Frage, meinte Lagerfeld. «Ich bin kommerziell. Sie ist es nicht. Sie ist vollkommen verwöhnt.»134 Aber zwei Anfragen musste er einfach annehmen. Lagerfelds Lieblings-Kosmetikmarke Shu Uemura brachte die Make-up-Kollektion Shupette he­ raus. Und eine Bitte von Opel fand Lagerfeld originell, weil seine Mutter schon ein Opel-Cabriolet gefahren hatte – «wahnsinnig luxuriös, aber in den Kriegsjahren stand er ohne Reifen in der Garage heChoupette

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rum».135 Es ging um die fünfte Generation des Corsa, eines Modells, das bei Frauen beliebter ist als bei Männern. Auch Steffi Graf und Claudia Schiffer hatten den Kleinwagen schon beworben. Nun fotografierte Lagerfeld sein Haustier auf der Motorhaube. «Normalerweise setzt man in der Werbung keine Krallen auf den Lack», sagt Tina Müller, damals Marketingchefin des Autoherstellers. «Schon deswegen war das originell.» Die Kampagne habe Opel «einen witzigen Touch» gegeben.136 Der Katze, für die Lagerfeld eigens ein Konto eröffnete, brachten allein diese Werbeauftritte 2014 insgesamt drei Millionen Euro ein.137 Er war stolz darauf, dass Choupette so bekannt war wie Flipper, der Fernseh-Delfin, und Cheeta, der Schimpanse aus den Tarzan-Filmen – «aber profitabler».138 Nach Lagerfelds Tod brach ein Streit um die Verwertungsrechte aus. Ashley Tschudin hatte über einen Online-Shop zahlreiche Produkte («Daddy Collection») in den Verkauf gebracht. Das wollte die Marke Karl Lagerfeld nicht einfach hinnehmen. Am 15. August 2019 rief sie einen eigenen Account ins Leben, «Choupetteoffical», betreut von einer französischen Social-Media-Agentur. «Das war ein Schlag für mich», sagt Tschudin. Denn sie hatte diese Katze schließlich auf Instagram groß gemacht. Und die Nutzer ihres Accounts fragten: Wo ist Choupette? Warum zeigt ihr keine neuen Bilder mehr? Ganz einfach: Weil der neue Konkurrenz-Account die Bilder mit Wasser­ zeichen versah, konnte Ashley Tschudin die Fotos nicht mehr ver­ wenden. Auch nach dem Tod ihres Besitzers war für Choupette gut gesorgt. Ihre Haupt-Betreuerin Françoise Caçote zog mit ihr in Lagerfelds Haus außerhalb von Paris. Immer wieder kam jemand von der SocialMedia-Agentur und machte Aufnahmen, um den Instagram-Auftritt «Choupetteofficial» zu füttern. Das waren aber schon fast die ein­ zigen Unterbrechungen eines beschaulichen Daseins. Selten wohl hat eine Katze einen angenehmeren Lebensabend verbracht.

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Ende Den Anfang vom Ende kann Sébastien Jondeau genau benennen. Es war am 5. Juni 2015 in Saint-Tropez. Er war mit einem Freund am Strand, als er aufs Handy eine Nachricht von Lagerfeld bekam, der am Nachmittag im Haus in Ramatuelle geblieben war, um zu arbeiten. Jondeau rief sofort zurück: «Ich habe ein Problem», sagte Lagerfeld, «ich kann nicht pinkeln.»139 Schon seit einiger Zeit habe er Schwierigkeiten beim Wasserlassen. «Ich habe das sofort sehr ernst genommen», erzählte Jondeau 2019, nach dem Tod seines Chefs. Er rief Yves Dahan an, einen alten Bekannten Lagerfelds, der sich durch seine Stiftung Sauvons l’hôpital gut in der Ärztewelt auskannte. «Fünf Minuten später hatte ich zwei der wichtigsten Professoren für Urologie in Paris am Apparat.» Sie empfahlen sofortige Untersuchungen. Aber Lagerfeld sagte: «Ah, non! Keine Krankenschwestern!» Gegen 20 Uhr raste Sébastien mit Urinproben auf dem Motorrad über die kurvigen Straßen zum medizinischen Zentrum von Gassin, nur wenige Kilometer entfernt von Ramatuelle. Die Ergebnisse der Laboruntersuchung kamen um vier Uhr morgens – Lagerfeld hatte bis dahin nicht geschlafen, Jondeau auch nicht. «Die Werte waren ­erschreckend.» Die beiden fuhren zusammen nach Paris. «Nie zuvor hatte ich gesehen, dass es ihm so schlecht ging, dass er so be­ unruhigt war.» Seit diesem Tag und über seinen Tod hinaus, vier Jahre lang, wussten nur sehr wenige Menschen, dass er nicht an Bauchspeicheldrüsenkrebs litt, wie man nach seinem Tod vermutete, sondern an Prostatakrebs. «Viele Leute behaupten jetzt, dass sie es wussten», sagt S ­ ébastien Jondeau. «Aber in Wahrheit wusste es niemand.»140 An diesem Tag im Juni 2015 änderte sich alles. Jondeau, der schon seit Beginn seiner Arbeit für Lagerfeld selten Urlaub hatte, der sich kaum mit Freunden zum Abendessen verabreden konnte, den der ­Designer alle paar Stunden kontaktierte, weil er etwas bringen oder holen, etwas organisieren oder installieren sollte – er wurde in den letzten Jahren auf eine schwere Probe gestellt. «Wegen seiner KrankEnde

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heit wurde das Leben schwieriger für ihn», sagt Sébastien. «In den letzten Monaten war er nicht mehr wie vorher. Seine Energie schwand langsam. Aber er beschwerte sich nicht. Und er sprach mit niemandem über seine Krankheit.» Durchhalten konnte Sébastien Jondeau nur, weil die Bindung so stark war. Über die Jahre war er zum engsten Begleiter geworden. Und das lag auch an seiner Vorgeschichte. Denn das frühe Leben von Jondeau, der 1975 in Paris geboren wurde, war so schwierig, dass ­alles andere besser war. Seine Eltern ließen sich scheiden, als er noch im Kindergartenalter war. Teils wuchs er in Aubervilliers auf, einer Banlieue mit starken sozialen Spannungen, teils bei seiner Groß­ mutter im bescheidenen südlichen Vorort Ivry-sur-Seine, dann wieder im Norden von Paris in Gonesse, bei seinem Stiefvater.141 Im Sommer 1990 half er, 15  Jahre alt, seinem Stiefvater in der Transportfirma dabei, Antiquitäten und Krankenhauseinrichtungen zu verladen und zu überführen. Bei einem dieser Jobs ging es an die Rue de l’Université 51, zu Lagerfelds Haus. Mit einer Verspätung von vier Stunden stieß der Modeschöpfer zu den Möbelpackern. «Du bist aber sehr jung», sagte er zu Sébastien. «Musst du nicht in die Schule gehen?» Sébastien antwortete: «Doch, aber ich habe Ferien und muss Geld verdienen, damit ich mir was kaufen kann.» Der Modemacher gab den Arbeitern 500 Francs Trinkgeld, damals umgerechnet mehr als 150  Mark. «Da dachte ich nur: Wow! Was für ein verrückter Mann!» Acht Jahre lang sah Sébastien ihn dann nicht mehr. Nach seiner Schulzeit brachte er medizinische Geräte wie Computertomographen oder Röntgenapparate zur Entsorgung und wurde so zum RecyclingSpezialisten für Blech, Eisen, Aluminium, Gummi, Plastik. Erst nach der Zeit bei der Armee arbeitete er mit 21 Jahren wieder für seinen Stiefvater. Und weil er mehr verdienen wollte, jobbte er nebenher auch in einer Sicherheitsfirma und lieferte Sandwiches aus. «Drei Jobs! Ich habe geschuftet wie verrückt. Ich wollte endlich Geld verdienen und selbständig sein.» Im Oktober 1998 arbeiteten die Möbelpacker in Lagerfelds rie­ siger Villa Elhorria in Biarritz, und zwar mehr als ein Jahr lang, so viel gab es da zu tun. Dort fasste sich Sébastien ein Herz: «Könnte 316

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ich richtig für Sie arbeiten?» – «Wirklich?», fragte Lagerfeld, «willst du nicht mehr bei Deinem Stiefvater arbeiten?»  – «Nein, ich will Dinge lernen, die ich nur bei Ihnen lernen kann.» Lagerfeld sagte zu. Endlich hatte Sébastien jemanden gefunden, der auf all seine Fragen Antworten wusste – und der sogar Antworten hatte auf Fragen, die er sich nie gestellt hatte. An dem Tag begann eine Verbindung, die immer stärker wurde. So kam es, dass der Junge aus Aubervilliers plötzlich mit den mächtigsten, reichsten und schönsten Menschen zu tun hatte: mit Präsidenten wie Emmanuel Macron, Vorstandsvorsitzenden wie Bernard Arnault, Schauspielerinnen wie Diane Kruger, Sängerinnen wie Katy Perry. Nun hatte der junge Mann, der in der Schule fehl am Platz war, der während der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 Sandwiches am Stade de France verkaufte und gelangweilt im Cartier-Geschäft an der Rue de de la Paix als Sicherheitsmann herumstand, eine richtige Anstellung, eine höhere Aufgabe. Sébastian rief seine Mutter an, erzählte ihr von seinem neuen Job – und musste am Telefon weinen.142 Die Mitarbeiter schauten kritisch auf den jungen Mann, aber Lager­feld, der ein Gespür für Talente hatte, mochte ihn. Der gebräunte Jüngling in Baggy Jeans, der dauernd mit Schrammen und Pflastern zur Arbeit kam, amüsierte den Modeschöpfer. Lagerfeld liebte das öffentliche Leben. Und nun hatte er jemanden, der ihn über all das auf dem Laufenden halten konnte, was er nicht mehr sehen und erleben konnte, weil er selbst nicht mehr auf die Straße ging. Wenn Sébastien mit ihm zum Flughafen Le Bourget fuhr, wo das ­Privatflugzeug startete, fuhren sie durch Vororte, in d ­ enen er groß geworden war. Und wenn das Flugzeug abhob und ­Sébastien hinabblickte, sah er hinter den Zäunen Gonesse, wo er als Junge mit dem BMX-Rad herumgekurvt war. In den letzten Jahren aber wurde die Beziehung zu dem Unsterb­ lichen für den Unersetz­lichen auch zu einer Belastung. Zu niemandem, sagt Caroline Lebar, hatte er jemals so viel Vertrauen wie zu ­Sébastien. Das hieß auch, dass sich «Séb», wie ihn die Lagerfeld-­ Familie nennt, nicht mehr frei bewegen konnte, sondern immer für ihn da war. Er ging nicht einmal mehr zum Boxen, seinem liebsten Hobby. Lagerfeld wollte ihn stets abrufbar an seiner Seite haben. Er Ende

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ertrug es nicht, wenn er weg war, er fragte nach ihm, er kontrollierte ihn. Jeden Tag sprach er mit ihm über die Krankheit. «In mir drinnen», sagte Jondeau danach in der Offenheit, die Lagerfeld so an ihm liebte, «sah es aus wie ein Schlachtfeld.»143 Manchmal gaben die Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen Anlass zu Hoffnung, manchmal waren sie niederschmetternd. Zwischen den beiden drehte sich alles nur noch darum. Lagerfeld bat Sébastien, nur noch direkt für ihn zu arbeiten und sich nicht mehr um andere Dinge zu kümmern. Spaßhaft fragte er auch mal, anspielend auf Sébastiens beginnende Karriere als Designer: «Könnte mein Kollege mal kommen?»144 Jondeaus Zukunft war ein Tabuthema. «Nach mir wirst Du nie mehr für jemanden arbeiten, mach Dir keine Sorgen», sagte Lagerfeld zu ihm. So eng wurde die Bindung nun, dass Sébastien sich sogar vorstellte, er selbst werde zur gleichen Zeit sterben wie er.145 Nicht einmal der engste Umkreis wusste, dass Lagerfeld mit einer tödlichen ­Diagnose leben musste. Vielleicht hätte es der Butler ahnen können. Denn Lagerfeld stellte 2016 von Pepsi Max auf stilles Wasser um. Und Frédéric Gouby trug nun immer öfter ein volles Wasserglas auf dem Silbertablett hinter ihm her, das einfach nicht leer werden wollte, obwohl er es ihm dauernd anbot. «Er hat viel zu wenig getrunken in letzter Zeit», sagte Gouby nach dem Tod des Designers. «Dabei müssen doch gerade alte Leute viel trinken.»146 Langsam wurde Lagerfeld schwächer. Seine Trippelschritte auf dem Laufsteg konnte man noch darauf zurückführen, dass er über Ischias-Schmerzen klagte, die er sich wegen der ungesunden Haltung beim Zeichnen zugezogen hatte und von der Akupunktur-Ärztin ­Nadia Volf behandeln ließ. Auch ging er vorsichtiger, nachdem er einmal auf der berühmten verspiegelten Treppe bei Chanel gestürzt war, weil der Teppich Falten geworfen hatte.147 Aber schon die ChanelCouture-Schau im Grand Palais im Juli 2015 führte zu Gesprächen über eine mögliche Schwächung. Am Set, einem nachgebauten Casino, in dem sich Models und Stars wie Kristen Stewart, Julianne Moore oder Rita Ora an Roulette-Tische setzten, drehte der Modeschöpfer nicht die große Runde. Vielmehr ging er aus dem Backstage-Bereich nur wenige Schritte bis zu einem Geländer, das ihn vom Publikum 318

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Mit Assistentin: Auch im Oktober 2018 nahm er gemeinsam mit Virginie Viard den Applaus entgegen – und setzte sie so als seine natürliche Nachfolgerin in Szene.

trennte. Seitdem hatte er nur noch kurze Strecken über den Laufsteg zu bewältigen. Bei den Schauen mit dem Wasserfall 2017 oder mit den Bouquinistes, den Buchhändlern, 2018, trat er jeweils nur kurz hervor, winkte in Richtung «Vogue»-Chefin Anna Wintour, über ­deren Position in der erste Reihe er sich vorher stets informiert hatte, und verschwand wieder in den Kulissen. In seinen letzten Saisons nahm Lagerfeld schließlich seine Assistentin Virginie Viard mit auf den Laufsteg. Bei der Cruise-Schau am 3. Mai 2018 kam sie zum ersten Mal mit hinaus – und stand mit ihm an der Reling der ins Grand Palais gesetzten «La Pausa», des Schiffs, das seinen Namen von der Coco-Chanel-Villa in Roquebrune-CapMartin an der Côte d’Azur entliehen hatte. Auch bei der Schau vom 2. Oktober 2018 kam sie mit ihm auf den Holzsteg am künstlichen Strand. Das Seepanorama, so sagte er, sei der Strand von Sylt, «der Strand meiner Kindheit», «der am wenigsten verschmutzte Ort der Ende

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Welt».148 Seine letzte Prêt-à-Porter-Schau zu Lebzeiten: eine letzte Reise in die Kindheit. Zur Métiers-d’Art im Metropolitan Museum in New York im Dezember 2018, seinem letzten Auftritt auf einem Laufsteg, hatte er beide an der Hand, seine Assistentin und seinen Patensohn. Den Tod vor Augen, setzte er Virginie Viard als Nachfolgerin in Szene. So konnte er seine Assistentin, «meine rechte und meine linke Hand», für die treuen Dienste in mehr als drei Jahrzehnten belohnen. Und so blieb er auch über seinen Tod hinaus der große Chanel-Designer. Hätte die Marke nach seinem Tod ein externes Genie wie Nicolas Ghèsquiere oder Hedi Slimane verpflichtet, wäre Lagerfeld womöglich schnell überstrahlt worden. Den Wertheimers war es recht. Schon wenige Stunden nach seinem Tod ließen sie mitteilen, Virginie Viard trete seine Nachfolge an. Durch den Wendepunkt 2015 änderte sich auch Backstage etwas. Bis etwa zur Jahrtausendwende hatte sich der Modemacher unter all die Models, Stylisten, Visagisten, Friseure, Mitarbeiter, Journalisten, Fotografen und Kameraleute gemischt, die nach den Schauen den Backstage-Bereich bei Chanel in Paris und bei Fendi in Mailand zu einem einzigen Durcheinander machten. Er gefiel sich darin, in stetigem Wechsel die vielen Fragen auf Französisch, Englisch und Deutsch zu beantworten – und zwar so ausführlich, dass Patricia Riekel von der «Bunten» und ihre Pariser Korrespondentin Brita von Maydell, die oft nach den Schauen mit ihm zum Essen verabredet waren, stundenlang auf ihn warten mussten. «So sehr war er im Hier und Jetzt», sagt die damalige Chefredakteurin. «Er hatte seine eigene Zeitrechnung.»149 Dann wurde der Kreis um den Modemacher enger gezogen. ­Sicherheitsleute sperrten den Backstage-Bereich ab. Schließlich gab es im Grand Palais einen eigenen Container für den Designer, in den nur wenige gelangten. So konnte er sitzen bleiben, wenn er den amerikanischen Sänger Pharrell Williams, die französische Schauspielerin ­Vanessa Paradis oder die deutsche «Vogue»-Chefredakteurin Christiane Arp empfing. Die Liste der Backstage-Gäste wurde immer kürzer. Überhaupt schien sich der Designer langsam aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Vor die Tür ging er ohnehin nicht mehr. Sogar die 320

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wenigen hundert Meter von seiner Wohnung am Quai Voltaire  17 zum Fotostudio in der Rue de Lille 7 ließ er sich von Sébastien fahren. Empfänge und Gesellschaften mied er nun. Bei der Vernissage seiner Foto-Ausstellung im Palazzo Pitti in Florenz im Juni 2016 oder der Eröffnung eines neuen Geschäfts der Marke Rimowa an der Rue du Faubourg Saint-Honoré im März 2017 war er schnell wieder verschwunden. Nur noch selten ging er aus – und wenn, dann am liebsten in Restaurants, die er seit langem kannte, wie die Maison du ­Caviar, oder zu privaten Abendessen, etwa bei Bernard Arnault. Wer ihn nicht jeden Tag sah, der erkannte den schleichenden Niedergang am ehesten. Baptiste Giabiconi stellte seinen Freund 2016 zur Rede, weil ihm sein Gesicht geschwollen vorkam. Lagerfeld redete sich mit einer Cortison-Behandlung wegen einer langwierigen Erkältung he­ raus, und schließlich gab er zu, dass es gravierender sei, dass er im American Hospital die besten Ärzte habe, dass er schon per Scanner und Magnetresonanztomographie untersucht worden sei.150 In der letzten Phase seines Lebens baute er merklich ab. Gerhard Steidl bekam nun keine langen Faxe mehr, nicht mehr 15 oder 20 Seiten, sondern nur noch zwei oder drei. «Seit 2015 war nicht mehr alles so genau ausformuliert wie vorher», sagt der Verleger. «Er zeichnete nicht mehr so präzise, und er verspätete sich nun noch öfter mit Zeichnungen, die er versprochen hatte.»151 Zugleich wurde er ungnädiger mit allem. Der grassierende Islamismus und der sich ausbreitende Rechtspopulismus beschäftigten ihn obsessiv. Seine Weltsicht verdüsterte sich. Er wurde unduldsamer und bitterer. «Zum Schluss hatte er plötzlich einen unbeschreiblichen Hass», sagt Patricia Riekel. «Da konnte er richtig ätzend werden.»152 Die Arbeitswut ließ zwar vieles vergessen. Aber nun wurde sein Leiden sichtbar. «Im Herbst 2018 war er plötzlich aufgedunsen, und er hatte rote Flecken im Gesicht», sagt Riekel. Nicht einmal der Bart, den er sich zu Beginn des Jahres hatte wachsen lassen, konnte solche Zeichen verdecken. Am 22. November 2018 trat er zur Illumination der Weihnachtsbeleuchtung an den Champs-Elysées mit der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo öffentlich auf. Als er lachte, offenbarten sich hässliche Zahnlücken. Boulevardmedien rätselten über die Verfallserscheinungen. Dabei waren die Zahnstümpfe nur ein ZeiEnde

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chen dafür, dass er in zahnärztlicher Behandlung war, aber die Kronen noch fehlten. Die Tour nach New York zur Métiers-d’Art-Schau im Metropolitan Museum Anfang Dezember 2018 war seine letzte große Reise. Über Weihnachten blieb er in Paris, um die nächsten Kollektionen vorzubereiten. Für Dienstag, den 22. Januar, waren zwei CoutureSchauen im Grand Palais angesetzt, um 10.30 und 12  Uhr. Bei der ­Accessoirisation zwei Tage zuvor saß er noch mit Musik-Guru Michel Gaubert, Chanel-Chef Bruno Pavlovsky und Chanel-Mitbesitzer Alain Wertheimer im Atelier, um wie immer das Zusammenspiel der Kleider mit den Frisuren und den Accessoires zu überprüfen. Auf ­einem kurzen Instagram-Video der Modejournalistin Suzy Menkes sieht Lagerfeld seltsam abwesend aus, und weil er, wie schon so oft in den letzten Monaten, eine Brille ohne getönte Gläser trägt, glaubt man müde Augen zu erkennen. Auf Miles Socha, den Chefredakteur von «Women’s Wear Daily», der ihn an dem Abend auch noch sah, wirkte Lagerfeld angegriffen: «Aber weil sein Verstand so hell war, blendete man aus, dass der Körper schwächer wurde.»153 Am Dienstagmorgen erschien nach der ersten Couture-Schau nur kurz Virginie Viard vor dem Publikum. Die Gäste schauten sich ungläubig an. Michel Gaubert sagte über Lautsprecher, Lagerfeld werde nach dem Ende des zweiten Defilees erscheinen. Aber auch dann war er nicht zu sehen. Das machte den Fall noch rätselhafter. Er habe sich «müde» gefühlt, teilte Chanel mit. Am Nachmittag rief er seine Blumenhändlerin Caroline Cnocquaert an: «Ich habe einen Durch­hänger. Ich hab’s mit dem Magen. In dem Zustand konnte ich nicht dahingehen.» Sie war erschüttert, weil sie das als schlechtes Zeichen sah.154 An diesem Tag begannen viele Modejournalisten vorsorglich damit, Nachrufe auf Lagerfeld zu schreiben. Seine Gebrechlichkeit muss ihn in seelische Nöte gestürzt haben. Denn von Krankheit, Leid und Tod wollte er zeitlebens nichts wissen. In einer Talksendung kam 2011 die Frage auf: «Was würden Sie denn ­machen, wenn Sie merken, ich kriege das alles nicht mehr so gut geregelt?» Als Fürsprecher der Sterbehilfe antwortete er: «Dann bin ich nicht dagegen, dass man verschwindet.» Auf die wiederholte Nachfrage des Moderators Markus Lanz, ob er selbst bestimmen 322

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wolle, «wann es vorbei ist», sagte er: «Da bin ich nicht gegen. Ich möchte nicht anderen zur Last liegen. Das ist doch grauenhaft, auch wenn man die dafür bezahlt.»  – «Aber Sie können sich das doch leisten!» – «Es gibt Dinge, die man sich nicht leisten möchte. Ich bin dafür, dass, wenn man selber merkt, da ist keine Hoffnung mehr, dass da nichts mehr bei rauskommt, sollte man die anderen befreien.» Applaus des Studiopublikums.155 Trotzdem schaute er weiter in die Zukunft. Die Prêt-à-PorterSchauen für Fendi Ende Februar und Chanel Anfang März standen an. Aber Mitte Februar musste er ins American Hospital. Am 13. Februar bestellte er bei Caroline Cnocquaert telefonisch Blumen: «Keine Karte», sagte er mit schwacher Stimme. «Schreiben Sie die Karte.» So etwas hatte es noch nicht gegeben. Als sie aufgelegt hatte, sagte sie zu ihrem Mann: «Das war’s.» Dann rief sie ihre Schwester an und musste weinen: «Stéphanie, es geht zu Ende mit ihm.»156 Die letzten Blumen gingen an Caroline von Monaco, Bernard Arnault und Françoise Dumas, eine alte Freundin, die private Events organisiert. Auch Baptiste Giabiconi hörte bei seinem letzten Telefonat mit dem väterlichen Freund, dass er angeschlagen klang. «Man hatte Wasser aus seiner Lunge gepumpt.» Er versuchte ihn aufzumuntern, nächste Woche werde es ihm bestimmt besser gehen. «Baptiste», sagte Lagerfeld, «nächste Woche wird es nur noch schlimmer sein.»157 Immer wieder versuchte Baptiste, seinen alten Freund in den letzten Tagen telefonisch zu erreichen. Aber er bekam am 13. Februar nur noch eine kurze Textnachricht von ihm, seine letzte: «Ferme les yeux … Tu me verras.»  – «Schließe die Augen, und Du wirst mich ­sehen.»158 Sébastien war jetzt fast rund um die Uhr beschäftigt. In den letzten drei Nächten schlief er im Raum neben dem Krankenzimmer. Sie ­arbeiteten noch, riefen die Mitarbeiter an, obwohl seine Stimme immer schwächer wurde, besprachen am Telefon mit Silvia Fendi Details der Schau. Lagerfeld wollte nicht einsehen, dass er endlich war: «Sollten wir nicht rausgelassen werden heute?» Sogar das ­Privatflugzeug nach Italien zur Fendi-Schau am 21. Februar sollte ­Sébastien buchen. «Natürlich wusste ich, dass es das Ende war. Aber Ende

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bis zur letzten Minute glaubte ich noch an sein Überleben, an seine Unsterblichkeit.» Am 19. Februar um 10.20 Uhr war es so weit. Als Karl Lagerfeld starb, lag seine Hand in Sébastiens Hand.159 Als einen der ersten rief Sébastien Baptiste an. «Il est parti. C’est fini.» – «Er hat uns verlassen. Es ist vorbei.»160 Die Sterbeurkunde («Acte de décès») verzeichnet unter «Décoration» seine Auszeichnung als «Commandeur de la légion d’honneur», die ihm Präsident Nicolas Sarkozy 2010 verliehen hatte. Als Adresse war angegeben «1, allée des Genêts, Monaco», die Anschrift seiner Penthousewohnung im Hochhaus Le Millefiori. Es ging schnell: Die Sterbeurkunde wurde um 11.06  Uhr ausgestellt und unter­ zeichnet von der Zivilstandsbeamtin Anne-Marie Foubert.161 Um 13.05  Uhr meldete der deutsche Dienst der französischen Nach­ richtenagentur AFP: «Modeschöpfer Karl Lagerfeld mit 85 Jahren gestorben». Und schon um 13.07  Uhr verschickte die deutsche ­Chanel-Pressestelle per Mail das «offizielle Statement aus Paris zum Tod von Herrn Lagerfeld», in dem Virginie Viard als Nachfolgerin benannt wurde. Die Welle der Berichterstattung, die nun begann, übertraf die meisten weiteren Nachrichten des Jahres. Womöglich wurde nur über die Wahl von Boris Johnson zum britischen Premierminister und die Wirren um den Brexit, über die Auftritte von Greta Thunberg und die Klimakrise, über den amerikanischen Präsidenten Donald Trump und seine vielen Kritiker, über die Europawahl am 24. Mai und die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, über den Aufstand in Hongkong, den Krieg in Syrien und den Brand von NotreDame mehr berichtet als über den Tod eines Deutschen in Paris. Im Jahr 2019 starben auch Hannelore Elsner, Doris Day, Niki Lauda, Toni Morrison, Peter Fonda, Ferdinand Piëch, Robert Mugabe sowie Lagerfelds Bekannter Peter Lindbergh und Lagerfelds ehemaliger Nachbar Jacques Chirac. Aber keiner dieser Todesfälle zog eine solche Flut an Trauerbekundungen, Nachrufen, Extrasendungen und Sonderheften in aller Welt nach sich. Die diskreteste Würdigung sah man am Abend im deutschen Fernsehen  – wenn man es denn sah. Im «Heute-Journal» des ZDF um 324

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21.45 Uhr trug Moderator Claus Kleber zunächst zu anthrazitfarbenem Anzug und weißem Hemd eine bordeauxrote Krawatte mit hellen Punkten. Nach den Nachrichten, die Gundula Gause verlas, trat Kleber wieder vor die Kamera. Nun trug er eine schwarze Krawatte, im Stil des Modeschöpfers. So moderierte er den letzten Beitrag an, den Nachruf auf Karl Lagerfeld.162

Ende

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Seine letzte Kollektion: Chanel, Prêt-à-Porter, 5. März 2019

Nachleben

Alle Welt trauerte. Der französische Präsident Emmanuel Macron ließ mitteilen, die Mode verliere «ihren berühmtesten Botschafter». Die amerikanische Präsidentengattin Melania Trump nannte Lagerfeld «ein Genie». In Deutschland aber war von höchster Stelle nichts zu hören. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) musste nach all seiner Kritik vielleicht nichts sagen. Aber auch Bundespräsident FrankWalter Steinmeier (SPD) schwieg, der noch wenige Tage zuvor den Schweizer Schauspieler Bruno Ganz gewürdigt hatte als jemanden, der «den höchsten Höhen und den tiefsten Tiefen der deutschen Geschichte» Ausdruck gegeben habe. Immerhin: Peter Tschentscher (SPD), Hamburgs Erster Bürgermeister, nannte den Verstorbenen «einen außergewöhnlichen Hanseaten und Botschafter Hamburgs». Und Michael Roth (SPD), der Europa-Staatsminister im Auswär­ tigen Amt, sagte, der Verstorbene habe «vermutlich mehr für die deutsch-französischen Beziehungen getan als viele Politiker». Zwei Tage nach Karl Lagerfelds Tod fand in Mailand die FendiSchau statt, wie geplant. Michael Gaubert hatte dafür «Heroes» von David Bowie ausgesucht. Und er spielte «Small Town» von Lou Reed und John Cale ein, über den Jungen aus der Kleinstadt, der hinaus will in die Welt. Als Silvia Fendi am Ende auf den Laufsteg trat, dieses Mal alleine, sprangen die Gäste auf und applaudierten. Zum Schluss noch ein Video von 2013: Karl Lagerfeld zeichnet sich selbst, wie er 1965 an seinem ersten Tag bei Fendi aussah – und vergaß kein Detail vom Cerruti-Hut bis zur Norfolk-Jacke aus schottischem Tweed. Am Tag darauf kam der engste Kreis zur Einäscherung im Pariser Vorort Nanterre zusammen. Caroline von Monaco mit ihrer Tochter Charlotte und ihrem Sohn Andrea Casiraghi. Bernard Arnault mit Ehefrau Hélène Mercier und seinen Söhnen Alexandre und Antoine. Nachleben

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Anna Wintour, Inès de la Fressange, Gerhard Steidl. Von Chanel: Alain und Gérard Wertheimer, Virginie Viard, Bruno Pavlovsky, Eric Pfrunder. Seine Ersatzfamilie: Sébastien Jondeau, Caroline Lebar, Pier Paolo Righi, Choupette mit ihrer Kammerzofe Françoise Caçote, Brad Kroenig mit seiner Frau Nicole und den Söhnen Hudson und Jameson. Und die Schneiderinnen, angeführt von der Première Anita Briey, die ihm mehr als 50 Jahre lang treu geblieben war, seit den frühen Zeiten bei Chloé. Kein Geistlicher hat ihn begleitet. Kein Verwandter war einge­ laden, nicht seine Nichte Thoma Schulenburg aus Hamburg, die Tochter seiner Halbschwester Thea, nicht seine Nichte oder seine beiden Neffen aus den Vereinigten Staaten, die Kinder seiner Schwester Christel. Es war ein Geheimtermin. Aber 60 oder 80 Menschen standen am Straßenrand, als der Leichenwagen vorfuhr und man den schwarzen Sarg ins Crématorium du Mont-Valérien trug. Bei der Trauerfeier im schmucklosen Saal las Prinzessin Caroline das Gedicht «Ave» vor, von Catherine Pozzi, seiner Lieblingslyrikerin, aus einem der ersten Bücher, die er in seinem Verlag L. S. D. he­ rausgegeben hatte: «Très haut amour, s’il se peut que je meure / Sans avoir su d’où je vous possédais, / En quel soleil était votre demeure / En quel passé votre temps, en quelle heure / Je vous aimais» – «Sehr hohe Liebe, sollte ich sterben / Unwissend woher ich dich besaß / In welcher Sonne deine Wohnung war / Deine Zeit in welchem Einst, in welcher Stunde / Ich dich liebte».1 Schon als sie diese ersten Verse auf Französisch las, brach ihre Stimme. Karl Lagerfeld hasste Beerdigungen. Über seinen eigenen Tod sagte er: «Es wird keine Bestattung geben. Da sterbe ich lieber.»2 Er hatte verfügt, dass seine Asche vermischt werde mit der Asche seiner Mutter und Jacques de Baschers. Sébastien Jondeau sollte ihn spurlos verschwinden lassen. Wenige Tage nach der Einäscherung deponierte oder verstreute er die Asche irgendwo in Frankreich. Wo genau, das sagt er niemandem, so hat er es gelobt. Einen Gedenkort gibt es nicht. Modisch war das Nachleben gesichert. Viele Designer versuchen zu arbeiten wie er, viele sind wegen seines Vorbilds überhaupt erst Modemacher geworden, und seine Wunschkandidatin Virginie Viard folgte ihm nach: Fast fünf Jahrzehnte nach dem Tod von Coco Cha328

Nachleben

nel im Jahr 1971 leitete nun wieder eine Frau das Design des wichtigsten französischen Modehauses. Auch in anderen Kollektionen lebte Lagerfeld weiter: In den Schauen im Februar und März sah man überall Jacken, die an Chanel erinnerten, bei Marc Jacobs, Donatella Versace, Hedi Slimane (Celine) oder Alessandro Michele (Gucci). Die Modejournalistin Bridget Foley schrieb, das sei «die schönste Hommage».3 Und noch etwas sollte an ihn erinnern. Im Sommer 2019 wurde der LVMH Prize for Young Designers in Karl-Lagerfeld-Preis umbenannt. Der erste Träger dieser neuen Auszeichnung war Hed Mayner, ein Israeli, der 150 000  Euro erhielt und ein Mentoren­ programm durchlief. Lagerfeld hatte in der Jury des LVMH-Preises gesessen, weil auch er seine Karriere einst mit einem Modepreis begonnen hatte. Am 5. März, zwei Wochen nach seinem Tod, stand die Prêt-à-Porter-Schau von Chanel an, seine letzte Botschaft an die Nachwelt.4 Lars Eidinger erschien in einer schwarzen Chanel-Jacke. Das so klassische wie lockere Kleidungsstück, eigentlich für Frauen gedacht, kleidet einen Mann in die seltsame Aura der umgekehrten Emanzipation. Coco Chanel hatte ihr berühmtes Tweed-Kostüm dem Herrenanzug entlehnt, daher die vier aufgesetzten Taschen. Nun überschritt der deutsche Schauspieler die Geschlechtergrenze in die andere Richtung  – und sagte, Lagerfeld sei «wahnsinnig frei, geradezu anarchisch» gewesen. Es hätte kein passenderes Kleidungsstück geben können für diesen Tag. Denn im Grand Palais wurde die letzte Kollektion eines Mannes gezeigt, der das Chanel-Kostüm in 36 Jahren unendlich oft abwandelte, der alle modischen Gesetze kannte und mit Freude übertrat, der sich nicht an irdische Kategorien hielt wie Alter, Geschlecht oder Herkunft. Auf dem Programm an diesem Dienstag um 10.30  Uhr: Chanel für Herbst und Winter 2019/2020  – mit seinen Entwürfen wirkte er bis ins nächste Jahr. Die Kulisse hatte er noch selbst erdacht: eine Winterlandschaft mit Holzhäusern wie in der Schweiz, wo Coco Chanel nach dem Krieg lange lebte. Die Zuschauer wirbelten den Schnee auf, als sie ihre Plätze suchten, die Schornsteine rauchten, die Tannenbäumchen waren gepudert. Auf dem Haus an der Stirnseite des Laufstegs stand in Nachleben

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Schnörkelschrift «Chalet Gardenia», benannt nach der weiß blühenden Gardenie, die auch in großen Höhen wächst. Coco Chanel hatte schon 1925 eines ihrer Parfums nach der immergrünen Blume benannt: Gardénia. Es war wie immer, wenn Chanel zur großen Schau lädt. Schauspielerin Kristen Stewart saß im schwarzen Jumpsuit mit aufgedruckten Doppel-C-Logos neben Sängerin Janelle Monáe, die einen altägyptisch bunten Look aus der letzten Métiers-d’Art-Kollektion trug. Anna Wintour erschien im blassrosafarbenen Chanel-Kostüm, nicht in Schwarz wie viele andere. Lars Eidinger machte ein Selfie mit Claudia Schiffer. Es wurde gefilmt, gepostet, geplappert, gescherzt. Falsche Sentimentalität war nicht zu sehen, nicht einmal in der ersten Reihe. Die Schau begann mit Glockenklang, fast wie in der Kirche. Mäntel, Kostüme, Kleider, Hüte: überweit. Taschen: flach, gesteppt, mit Rautenmuster und Doppel-C-Verschluss, die neue Chanel  19, von ­Lagerfeld und Virginie Viard entworfen, ein Gruß an die Nachwelt, ein Klassiker wie die 2.55. Und zahlenmystisch bedeutsam: Die ­Chanel 19 ist benannt nach dem Jahr ihrer Lancierung, und wie das Parfum Chanel No  19 spielt sie auf Coco Chanels Geburtstag am 19. August 1883 an. Als sie den Namen für die neue Tasche erdachten, kannten sie weder das Jahr (2019) noch den Tag (19.2.) seines Todes. Die Glocken, die Schweigeminute, die Andacht: «sehr spirituell», sagte Lars Eidinger, als alles vorbei war. Diese Modenschau kam ihm vor wie ein weltlicher Gottesdienst: «Karl Lagerfeld erzählt einem, wie es ist zu sterben, aber das mit Humor.» Die letzten Models trugen runde «snowball dresses». Wenn man sich dereinst an diese Kollektion erinnert, dann wird man Penélope Cruz oder Kaia Gerber vor Augen haben, die wie ein Wattebausch durch den Glaspalast schwebten. Eine Modeschöpfungsgeschichte ging zu Ende: Ideen wurden Wirklichkeit, Entwürfe kamen zum Tragen, Momente dehnten sich in die Ewigkeit. Die übergroßen Capes verwischten die Spuren der Models im Kunstschnee. Auch er wollte spurlos verschwinden. An diesem Morgen ist es ihm gelungen.

330

Nachleben

Anhang

Dank

Ich danke Marietta Andreae (Hamburg), Fritz Andresen (Freising), Nancy Antonelli (Palm Beach Gardens), Sybille Baumbach (Hamburg), Peter Bermbach (Paris), Claudia Bessler (Frankfurt), Sylvia Blankenburg (Neustadt in Holstein), Rainer Blasius (München), Peter  W.  Boveleth (Hünxe), Detlev Brandt (Berlin), Ruth Brandt ­ (Schmallenberg), Hans-Joachim Bronisch (Bad Bramstedt), Michael Bührke (Münster), Paul Caranicas (New York), Yavidan Castillo (Paris), Stefan Clauser (Beckum), Caroline Cnocquaert (Paris), Corinna Cramer-Feuerbach (Berlin), Godfrey Deeny (Paris), Barbara Dieudonné (Dortmund), Victoire Doutreleau (Paris), Markus Ebner (Paris), Lars Eidinger (Berlin), Ulla Ertelt (Frankfurt), Silvia Fendi (Rom), Leonie Feuerbach (Frankfurt), Stephan Finsterbusch (Frankfurt), ­ Helmut Fricke (Frankfurt), Christel Friedrichs (Bad Bramstedt), Claudia Frobenius (Hamburg), Michel Gaubert (Paris), Christine Gensmantel (Frankfurt), Nicola Gerber Maramotti (Reggio Emilia), Baptiste Giabiconi (Paris), Tan Giudicelli (Paris), Inga Griese (Berlin), Rose-Maria Gropp (Frankfurt), Maria Hagedorn (Beckum), Michael Haentjes (Hamburg), Philippe Heurtault (Paris), Wolfgang Hölker (Münster), Manfred Jacobsen (Bad Bramstedt), Sylvia Jahrke (Hitzhusen), Sébastien Jondeau (Paris), Karin Joop-Metz (Potsdam), Wolfgang Joop (Potsdam), Donna Jordan (New York), Elfriede von Jouanne (Hagen), Thomas Karlauf (Berlin), Peter Kempe (SaintRémy-de-Provence), Marina Krauth (Hamburg), Catherine Kujawski (Paris), Günter Lagerfeld (Henstedt-Ulzburg), Wilhelm Lange (Neustadt in Holstein), Sophie de Langlade (Paris), Caroline Lebar (Paris), Rosemarie Le Gallais (Paris), Hervé Le Masson (Paris), Heidelore Litty (Lübeck), Julia Löhr (Berlin), Stefan Lubrina (Paris), Inge Ludwig (Neumünster), Laura Lusuardi (Reggio Emilia), Philippe MorilDank

335

lon (Paris), Eckhard Müller (Münster), Jürgen Müller (München), Tina Müller (Düsseldorf), Clara Munch (Paris), Sarah Obertreis (Frankfurt), Christopher Pfleiderer (Baden-Baden), Stéphanie Primet (Paris), Matthias Prinz (Hamburg), Adelheid Rasche (Nürnberg), Ariel de Ravenel (Paris), Alexandra von Rehlingen (Hamburg), Patricia Riekel (München), Sandra Riggs-Schnakenbourg (Paris), Warren Riggs (Los Angeles), Pier Paolo Righi (Amsterdam), Melanie Christina Röttig (Hamburg), Carine Roitfeld (Paris), Evelyn Rumstedt (Hamburg), Ursula Scheube (Berlin), Claudia Schiffer (London), Anke Schipp (Frankfurt), Peter-Philipp Schmitt (Frankfurt), Donald Schneider (Berlin), Stefanie Schütte (Hamburg), Thoma Schulenburg (Hamburg), Alexandra Schumacher (München), Hans Wilhelm Seyfrid (Hamburg), Andrei Sidorov (Wladiwostok), Miles Socha (Paris), ­Géraldine-Julie Sommier (Paris), Gerhard Steidl (Göttingen), Bernd Steinle (Frankfurt), Rudolf Stratmann (Münster), Hans-Josef Susenburger (Frankfurt), Werner Thiele (Holm), Gloria von Thurn und ­Taxis (Regensburg), Corey Grant Tippin (New York), Céline Toledano (Paris), Ralph Toledano (Paris), Gordian Tork (Palm Beach Gardens), Daniela Tran (Paris), Ashley Tschudin (New York), Jürgen Udolph (Leipzig), Christian Ullrich (Baden-Baden), Marga Ullrich (Baden-Baden), Dirk van Versendaal (Hamburg), Karl Wagner (Bad Bramstedt), Christoph von Weyhe (Paris), Jennifer Wiebking (Düsseldorf), Michaela Wiegel (Paris), Andrea und Matthias Wirthwein (Mannheim), Andreas Wirwalski (München), Stefan Wittenbrink (Beckum), Eric Wright (New York), Georg Wurzer (Wilhelmsdorf), Yorn (Paris), Renate Zatsch (Paris) sowie meiner Mutter, meiner Schwester, meiner Frau und meinem Sohn.

336

Dank

Anmerkungen

Erinnerung 1 Zu den folgenden Absätzen vgl. Alfons Kaiser: «‹Die Kleider tragen uns›.

Die Modewelt erinnert an Karl Lagerfeld – nicht in einer Trauerfeier, sondern in fröhlichem Gedenken». Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Juni 2019, S. 8 2 Bei der Archivarbeit für dieses Buch halfen in Hamburg Sybille Baumbach von DokuSearch sowie in Russland Georg Wurzer. Für den Zugang zu Familienarchiven ist vor allem Gordian Tork, Claudia Frobenius und ­ Thoma Schulenburg zu danken.

Vorgeschichte 1 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 58 2 «Hamburg ist mir familiär und fremd». Bild am Sonntag, 14. Februar 2015 3 Zu einer ersten Fassung dieses Kapitels vgl. Alfons Kaiser: «Wie Lagerfeld

4

5 6 7

begann». Frankfurter Allgemeine Zeitung, Beilage «Die 100  Größten», 3. Juli 2019, Seite H8 Das erschließt sich aus einer Anzeige: «Die Karthäuser-Mönche, aus ihrem Besitztum der ‹Grande Chartreuse› vertrieben, und in Frankreich ihrer ­früheren Marken, welche öffentlich versteigert wurden, entsetzt, haben ihr Geheimnis mitgenommen und stellen nun ihren Likör in Tarragona (Spanien) her. Man verlange diese neue Flasche mit der Bezeichnung: ‹Liqueur des Pères Chartreux› (Tarragona).» Tönnies Otto Lagerfeld unterzeichnete als «Agent für Hamburg, Bremen und für den Export». Hamburger Nachrichten, 15. Juni 1907, S. 3 Traueranzeigen in Hamburger Nachrichten vom 24. Juni 1931; Hamburger Nachrichten vom 15. März 1936 Die Anzeigen hat die Familienforscherin Evelyn Rumstedt gefunden, siehe http://rumstedt-familie.de. Hildegard von Marchthaler: «Chronik der Firma Van Dissel, Rode & Co. Nachf., Hamburg, gegründet 1893, und deren Vorgänger in Venezuela, ­gegründet 1852». Privatdruck, 1953. Stiftung Hanseatisches Wirtschafts­ archiv, Hamburg.

Anmerkungen

337

8 Sylvia Blankenburg: «Wenn der Karl sich auf seine Wurzeln besinnen

würde». Lübecker Nachrichten, 10./11. März 2002, S. 27

9 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 24. Februar 2020 10 Sylvia Blankenburg: «Wenn der Karl sich auf seine Wurzeln besinnen

würde». Lübecker Nachrichten, 10./11. März 2002, S. 27

11 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 42 12 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 24. Februar 2020. Gespräche wer-

den in den einzelnen Kapiteln nur beim ersten Zitat des jeweiligen Gesprächspartners in einer Fußnote nachgewiesen. 13 Als sein Bruder Carl am 14. Dezember 1906 im Alter von nur 34 Jahren zu Hause in Hamburg starb, findet sich in der Traueranzeige in den «Hamburger Nachrichten» vom 16. Dezember 1906 hinter dem Namen Otto Lagerfeld der Zusatz «San Francisco». 14 Die Aufenthaltsgenehmigung datiert vom 11. Dezember 1907. Vgl. Russisches Staatliches Historisches Archiv des Fernen Ostens in Wladiwostok (Российский Государственный Исторический Архив Дальнего Востока), фонд 1 опись 3 дело 1062 «Русские билеты, 1906–1907гг.» 15 Mail von Andrei Sidorov vom 14. Mai 2019 16 Vgl. Russisches Staatliches Historisches Archiv des Fernen Ostens in Wladiwostok (Российский Государственный Исторический Архив Дальнего Востока), фонд  1 опись  12 дело  478 «Германские и австрийские подданные, 1914г.» 17 Vgl. Russisches Staatliches Historisches Archiv des Fernen Ostens in Wladiwostok (Российский Государственный Исторический Архив Дальнего Востока), фонд 1 опись 12 дело 521 «Прошения германских подданных, 1914г.» 18 Vgl. Russisches Staatliches Historisches Archiv des Fernen Ostens in Wladiwostok (Российский Государственный Исторический Архив Дальнего Востока), фонд 1 опись 12 дело 572 «Отказы в прошениях высылаемых немцев о подданстве, 1914г.» 19 Siehe Eleanor L. Pray: «Letters from Vladivostok, 1894–1930», Edited by Birgitta Ingemanson. Seattle und London 2014, S. 162. Die Autorin stand am 8. September 1914 mit anderen in Wladiwostok auf dem Bahnsteig, um sich von einigen deutschen Freunden, «Tolle, Lagerfeldt, Wübbens und ein weiterer», zu verabschieden, «deren einziges Verbrechen es ist, dass sie Deutsche sind». 20 Eine aufwendige Recherche im Nationalen Archiv der Republik Sacha in Jakutsk erbrachte wenig. Otto Lagerfeld wurde nur einmal auf einer Liste von Personen entdeckt, die in das Gouvernement Irkutsk, zu dem Werchojansk gehörte, verbannt worden waren. Telefonische Mitteilung der ­Archivmitarbeiterin Natalija I. Baischewa an Georg Wurzer vom 23. September 2019. 21 «Milch in Scheiben». Leserbrief von Otto Lagerfeld. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. März 1956, S. 18 22 Sylvia Blankenburg: «Wenn der Karl sich auf seine Wurzeln besinnen würde». Lübecker Nachrichten, 10./11. März 2002, S. 27. 23 Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, HRA 20 537, Signatur A1 Band 84. Unklar ist, wann die beiden aus der Gesellschaft austraten.

338

Anmerkungen

Im Adressbuch der Stadt Hamburg von 1925 sind sie noch mit angegeben. 24 Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Modemann?» Stern, 12. Oktober 1978 25 Sylvia Blankenburg: «Wenn der Karl sich auf seine Wurzeln besinnen würde». Lübecker Nachrichten, 10./11. März 2002, S. 27 26 Christian Meurer: «Bad Bramstedt vor Augen, Paris im Kopf». Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. September 2008, S. 9 27 Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer 221-11, Signatur Fa 14 840. Gehalt und Bonus bezog er von der General Milk Company Inc. in New York. 28 Gespräch mit Wilhelm Lange vom 5. November 2019 29 Vgl. Wilhelm Lange: «Cap Arcona. Dokumentation». Neustadt in Holstein, 2014, S. 94 30 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 24. Februar 2020. In den Namensverzeichnissen von Gefangenen der Justizvollzugsanstalt Neumünster aus jenen Jahren ist Otto Lagerfeld allerdings nicht zu finden. Eine mögliche Untersuchungshaft ist heute nicht mehr nachzuweisen: Die einschlägigen Archivbestände umfassen für die Zeit keine Untersuchungshaft- oder ­Nebenakten. Auskunft des Landesarchivs Schleswig-Holstein in Schleswig vom 23. und 27. April 2020. Lagerfeld selbst glaubte sich zu erinnern, ein Konkurrent habe seinen Vater denunziert, vgl. Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 24. 31 Ulrich Herbert: «Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert», München 2014, S. 597 32 Die Glücksklee-Zentrale am Mittelweg 36, die aus zwei miteinander verbundenen Villen entstanden war, ist heute Sitz des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Als das Haus 1986 von der Stiftung erworben wurde, ­erinnerte noch der Schriftzug «Glücksklee» über dem Eingang an die vorherige Nutzung. Mitteilung von Reinhart Schwarz, Archiv Hamburger ­Institut für Sozialforschung, vom 4. Oktober 2019. 33 «Das ist Ihr Leben. Stationen eines Lebens im Spiegel der Erinnerungen. Carlheinz Hollmann stellt Karl Lagerfeld vor». ZDF, 12. Januar 1978 34 «Hamburg ist mir familiär und fremd». Bild am Sonntag, 14. Februar 2015 35 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 36 Zit. nach Sylvia Blankenburg: «Wenn der Karl sich auf seine Wurzeln besinnen würde». Lübecker Nachrichten, 10./11. März 2002, S. 27 37 Kurt Lagerfeld hingegen, der Sohn von Otto Lagerfelds Bruder Johannes Paul, war 1938 mit seiner Frau Gisela von Hamburg nach Neustadt gezogen und wurde dort Betriebsleiter der Milchfabrik. Ihre Kinder Margaret, Jahrgang 1939, und der um zwei Jahre jüngere Günter freuten sich, wenn sie das Auto ihres Großonkels sahen. Dann brachte der Chauffeur Geschenke. Und der kleine Günter war glücklich, wenn er in der Nachkriegszeit hinten im viertürigen Mercedes bis zum Marktplatz von Neustadt mitfahren durfte. «So ein Auto hatte ja damals kaum jemand.» Gespräch mit Günter Lagerfeld vom 14. Juli 2019 38 GM.: «Allgäuer Alpenmilch liegt gut im Markt», Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Juni 1963, S. 22

Anmerkungen

339

39 K. B.: «Glücksklee will das Frühstück reformieren», Frankfurter Allge-

meine Zeitung, 19. August 1967, S. 8

40 Siehe Informationstafeln im «Haus der Manufakturen», Neustadt in

­Holstein

41 Vgl. «Ich bin im Grunde harmlos. Ich sehe nur nicht so aus. Karl Lager-

feld – Das Interview.» Von Christiane Arp und Christoph Amend. Vogue, Januar 2018 42 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 24. Februar 2020 43 Meldekarte Otto Lagerfeld, Stadtarchiv Baden-Baden 44 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 134 f. 45 «Markus Lanz», ZDF, 17. März 2011 46 Vgl. «War doch schön». Eine Nahaufnahme von Inga Griese und Jennifer Wilton. Welt am Sonntag, 1. Dezember 2013, S. 22 47 Todesanzeige für Otto Lagerfeld. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Juli 1967, S. 20 48 Gespräch mit Günter Lagerfeld vom 14. Juli 2019, bezeugt auch von seiner Schwester Margarete 49 Mitteilung der Friedhofsverwaltung der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Nienstedten vom 22. Juli 2019 50 «Markus Lanz», ZDF, 17. März 2011 51 «Der Zopf bleibt dran». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Magazin, Oktober 2015, S. 88 52 Amy Larocca: «Karl Lagerfeld on His Mother, € 3 Million Cat, and Being a ‹Fashion Vampire›.» The Cut, 31. März 2015 53 Andrew O’Hagan: «The Maddening and Brilliant Karl Lagerfeld». T maga­ zine, 12. Oktober 2015 54 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 27 55 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 33 56 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 313 57 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 131 58 LAV NRW, Abt. Westfalen, Best. Regierung Münster, Nr. B 49 59 Vgl. «Fragebogen des Staatskommissars für die Entnazifizierung und ­Kategorisierung der Hansestadt Hamburg», Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer 221-11, Signatur 75 271 60 «Da ich nach den Wirkungen der Geldentwertung nennenswertes Barvermögen nicht besitze, die Witwenpension vielmehr meine hauptsächliche Einkommensquelle darstellt, bitte ich nach Möglichkeit die gesamten ­Umzugskosten auf die Staatskasse übernehmen zu wollen.» 61 Gespräch mit Ruth Brandt vom 24. August 2019 62 Gespräch mit Gordian Tork vom 15. Oktober 2019. Karl Lagerfelds Tante Felicitas starb am 15. Februar 1978, ein halbes Jahr vor ihrer Schwester Elisabeth. Das dreistellige Wahlgrab von Felicitas und Conrad Ramstedt befindet sich auf dem Waldfriedhof Lauheide in Münster in der Abteilung VII Nr. 22 DB. 63 «Der Zopf bleibt dran». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Magazin, Oktober 2015, S. 88 64 Andrew O’Hagan: «The Maddening and Brilliant Karl Lagerfeld». T maga­ zine, 12. Oktober 2015

340

Anmerkungen

65 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 83 66 Gespräch mit Gordian Tork vom 7. April 2020 67 Christian Meurer: «Bad Bramstedt vor Augen, Paris im Kopf». Frankfur-

ter Allgemeine Zeitung, 5. September 2008, S. 9

68 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 24. Februar 2020 69 Ulrich Herbert: «Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert». München

2014, S. 237

70 Ulrich Herbert: «Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert». München

2014, S. 234

71 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 28. Januar 2015 72 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 28. Januar 2015 73 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 39 74 «Adressbuch von Köln und Umgegend 1930». Greven’s Kölner Adress-

buch-Verlag. Erster Band, erster Teil, S. 31. Im Adressbuch von 1929 erschien sie noch nicht, im Adressbuch von 1931 nicht mehr. 75 Briefe von Elisabeth Bahlmann in Köln an ihre Mutter Milly Bahlmann in Münster vom 7. und 8. April 1929. Archiv Gordian Tork. 76 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 28. Januar 2015 77 Als Adresse war auf der Vermählungsanzeige der Sülldorfer Weg  53a in Blankenese angegeben, wo er bis zum Umzug an die Elbchaussee 70 im Oktober 1926 gemeldet blieb. 78 Standesamt Münster, Urkunde Nr. 197/1930 79 Maike und Ronald Holst: «Blankeneser Frauen». Hamburg 2013, S. 69. Am 9. Juli 1930 meldete sich Otto Lagerfeld laut Meldekartei Groß-­ Altona dort an, am 30. Juli zog auch seine Frau offiziell nach. 80 Maike und Ronald Holst: «Blankeneser Frauen». Hamburg 2013, S. 72. «Baurs Park 3» ist in Otto Lagerfelds Briefwechsel mit den Behörden nur noch bis 1935 im Briefkopf zu lesen, dann steht dort «Gut Bissenmoor». Stadtarchiv Bad Bramstedt, Nr. 937 81 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 70 82 Gespräch mit Helmut Junge vom 14. Dezember 2019 83 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 24. Februar 2020 84 Von äußeren Umständen ließ sich Elisabeth Lagerfeld ohnehin leicht beeindrucken. So schrieb sie 1929 aus Köln an ihre Mutter: «Ich glaube wirklich das Klima in Münster macht mich etwas schwermütig.» Brief von Elisabeth Bahlmann in Köln an ihre Mutter Milly Bahlmann in Münster vom 7. April 1929. Archiv Gordian Tork. Karl Lagerfeld selbst schob noch einen weiteren angeblichen Grund für den Wegzug hinterher: Er durfte als Kleinkind nicht so oft in Blankenese sein, sagte er, «weil es dort so feucht war». Der Doktor habe damals gesagt: «Mit fünfzig bist Du schwer­ hörig.» Zit. nach Bernd Skupin: «Karlstadt. Lagerfeld hat Hamburg früh verlassen – aber nie so ganz». Vogue, Juli 2019, S. 177–181, hier S. 180 85 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 86 Gespräch mit Karl Wagner vom 24. April 2019 87 Gespräch mit Sylvia Jahrke vom 23. April 2019 88 Zit. nach Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 173

Anmerkungen

341

89 Andrew O’Hagan: «The Maddening and Brilliant Karl Lagerfeld», T

maga­zine, 12. Oktober 2015

90 Andrew O’Hagan: «The Maddening and Brilliant Karl Lagerfeld», T

maga­zine, 12. Oktober 2015

91 Maureen Orth: «Kaiser Karl: Behind the Mask». Vanity Fair, Februar

1992

92 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 38 93 Maureen Orth: «Kaiser Karl: Behind the Mask». Vanity Fair, Februar

1992

94 Auskunft von Luftfahrtfachmann Jürgen Schelling vom 23. Dezember

2019

95 Maureen Orth: «Kaiser Karl: Behind the Mask». Vanity Fair, Februar 1992 96 Alice Rawsthorn: «Yves Saint Laurent». Die Biographie. Stuttgart 1998,

S. 41

97 Gespräch mit Andrea und Matthias Wirthwein vom 12. März 2019 98 Amy Larocca: «Karl Lagerfeld on His Mother, € 3 Million Cat, and Being

a ‹Fashion Vampire›.» The Cut, 31. März 2015

99 «Lagerfeld Confidential». Dokumentarfilm von Rodolphe Marconi, 2007 100 Gespräch mit Daniela Tran vom 26. April 2020 101 «‹All the other designers hate me …› Karl Lagerfeld gets ready to tell all».

Interview von Philip Utz. Numéro, 12. April 2018

102 «Ich bin sehr dagegen, dass die Leute ihr Innenleben, falls sie eins haben,

dem Publikum preisgeben.» In «Gero von Boehm begegnet … Karl Lagerfeld». 3sat, 12. September 2005 103 «Bei mir wird nicht diskutiert». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54 104 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 105 «Bei mir wird nicht diskutiert». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54 106 Gespräch mit Daniela Tran vom 26. April 2020

1933 bis 1951 1 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 34 2 Ulrich Herbert: «Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert». München

2014, S. 319

3 Ulrich Herbert: «Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert». München

2014, S. 308

4 Ulrich Herbert: «Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert». München 5 6 7 8

342

2014, S. 319 Gespräch mit Gerhard Steidl vom 7. März 2020 Gespräch mit Peter Kempe vom 1. Oktober 2019 Gespräch mit Gordian Tork vom 12. November 2019 «Karl Lügenfeld! Er machte sich fünf Jahre jünger». Bild am Sonntag, 7. September 2003, S. 20 f.

Anmerkungen

9 «Gero von Boehm begegnet … Karl Lagerfeld». 3sat, 12. September 2005 10 Karl Lagerfeld: «L’homme sans passé». Interview von Sylvia Jorif und

­Marion Ruggieri. Elle, 22. September 2008

11 Gespräch mit Sophie de Langlade vom 1. Oktober 2019 12 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 34 13 Laut Mitteilung des Standesamts Hamburg-Nord vom 14. April 2020.

Demnach beträgt die Aufbewahrungsfrist für Geburteneinträge 110 Jahre. Nach Ablauf dieser Frist werden die hamburgischen Personenstands­ bücher an das Staatsarchiv Hamburg abgegeben und unterliegen nicht mehr den strengen Benutzungsregeln des Personenstandsgesetzes. 14 «Lagerfeld pöbelt im TV», Bild, 7. Dezember 2006 15 Gespräch mit Karl Wagner vom 24. April 2019 16 Roland Holst, Maike Holst: «Blankeneser Frauen». Hamburg 2013, S. 70 17 «Hamburger Nachrichten» vom 12. September 1933. Originale der Geburtsanzeige auch in den Privatarchiven von Gordian Tork und Helmut Junge. 18 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 47 19 Laut Vornamenforscher Knud Bielefeld, www.beliebte-vornamen.de 20 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 52 21 Jan-Uwe Schadendorf: «Alt-Bramstedt im Bild». Bad Bramstedt 1984, S. 56 22 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 14. Dezember 2019 23 Stadtarchiv Bad Bramstedt, Nr. 937 24 Stadtarchiv Bad Bramstedt, Nr. 937 25 Brief von Nikita Gsovski an die Stadtverwaltung Bad Bramstedt vom 7. Januar 1979 26 Rechnung der Ernst Krebs KG, Neumünster, vom 22. Januar 1979 27 Carl Swanson: «Karl Lagerfeld’s House of Provocation». The Cut, 9. Dezember 2018 28 «Karl Lagerfeld. L’étoffe d’une star.» Interview von Anne-Cécile Beaudoin und Elisabeth Lazaroo. Paris Match, 28. April 2013; vgl. auch «Markus Lanz», ZDF, 19. Juli 2012: «Ich war ein altkluges Kind, wollte als erwachsen gelten.» 29 Gespräch mit Elfriede von Jouanne vom 24. April 2019 30 Vgl. «Fragebogen des Staatskommissars für die Entnazifizierung und ­Kategorisierung der Hansestadt Hamburg», Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer 221-11, Signatur 75 271 31 Brief von Elisabeth Lagerfeld in Bad Bramstedt an Milly Bahlmann in Münster vom 26. August 1937. Archiv Gordian Tork. Bei allen Zitaten aus Briefen Orthographie und Zeichensetzung wie im Original. 32 Gespräch mit Karl Wagner vom 24. April 2019 33 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 14. Dezember 2019 34 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 55 35 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 28. Januar 2015 36 Laut Auskunft von Siegfried Werners Tochter Christel Friedrichs vom 23. April 2019 37 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 105 38 Gespräch mit Sylvia Jahrke vom 23. April 2019

Anmerkungen

343

39 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 69. Sahner behauptet, Mule leite

sich von Esel her, weil der Junge so stur gewesen sei.

40 Brief von Elisabeth Lagerfeld aus Bad Bramstedt an ihre Schwester Felici-

tas Ramstedt in Münster vom 15. Januar 1937. Archiv Gordian Tork.

41 In «Gero von Boehm begegnet … Karl Lagerfeld». 3sat, 12. September

2005

42 «Lagerfeld Confidential». Dokumentarfilm von Rodolphe Marconi, 2007 43 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 28. Januar 2015 44 Das Original des Gemäldes, das 1850 entstand, wurde im Zweiten Welt-

krieg zerstört. Mit zahlreichen weiteren Werken aus der Gemäldegalerie des Kaiser-Friedrich-Museums verbrannte es im Mai 1945 in einem Flakturm im Volkspark Friedrichshain – wohin die Kunstwerke eigentlich verbracht worden waren, um gerettet zu werden. 45 Bertrand du Vignaud: «Interview de Karl Lagerfeld». In: Karl Lagerfeld: «Collection Lagerfeld». Monaco, New York, 2000. Volume 1: Important Mobilier et Objets d’art, S. 17. Allerdings behauptete er an anderer Stelle, vermutlich wegen seiner geänderten Altersangabe, er sei sieben oder acht Jahre alt gewesen. Einmal sagte er sogar, schon mit drei Jahren habe er sich die «Tafelrunde» gewünscht. Vgl. Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Modemann?» Stern, 12. Oktober 1978 46 Werner Busch: «Adolph Menzel. Auf der Suche nach der Wirklichkeit». München 2015, S. 138 47 Das Haus an der Innocentiastraße 46 war 1909 für I. H. Andersen gebaut worden, wie die Architektenpläne ausweisen. Als Otto Lagerfeld gestorben war, kaufte es sein Mieter Hans Wilhelm Seyfrid. Weil Karl Lagerfeld als Junge hier einige Jahre lebte und die Umgebung als eine seiner Lieblingsgegenden in Hamburg benannte, forderte eine Initiative schon in seinem Todesjahr, den Park oder eine Straße nach ihm zu benennen. 48 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 66 49 Brief von Elisabeth Lagerfeld aus Bad Bramstedt an ihre Schwester Felicitas Ramstedt in Münster vom 15. Juli 1942. Archiv Gordian Tork. 50 Brief von Christel Lagerfeld aus Brad Bramstedt an ihre Tante Felicitas Ramstedt in Münster vom 23. Dezember 1942. Archiv Gordian Tork. 51 Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer 221-11, Signatur Fa 14 840 52 Kennedy Fraser: «The Impresario: Imperial Splendors». Vogue (amerikanische Ausgabe), September 2004 53 «Le Divan». Interview von Marc-Olivier Fogiel. France  3, 24. Februar 2015 54 Gespräch mit Sylvia Jahrke vom 23. April 2019 55 Mitteilung von Manfred Jacobsen vom 23. Oktober 2019 56 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 66 57 Gespräch mit Karl Wagner vom 24. April 2019 58 Vgl. zu diesem Absatz Holger Heims, Hark Lenze: «Bad Bramstedt im Zweiten Weltkrieg». Schriftenreihe der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, Heft 6, Bad Bramstedt 1982 59 Ulrich Herbert: «Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert», München 2014, S. 502

344

Anmerkungen

60 Zit. nach Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious

Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 332 Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 22 Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 26 Stadtarchiv Bad Bramstedt, Nr. 2565 I Ulrich Herbert: «Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert», München 2014, S. 553 65 Das Foto wird im Archiv von Gordian Tork aufbewahrt, dem Enkel von Elisabeth Lagerfelds Schwester Felicitas Ramstedt. 66 Mitteilung von Manfred Jacobsen vom 18. November 2019 67 Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer 221-11, Signatur Fa 14 840 68 Mitteilung von Horst Gies vom 11. Februar 2020 69 Vgl. Jürgen W. Falter: «10 Millionen ganz normale Parteigenossen. Neue Forschungsergebnisse zu den Mitgliedern der NSDAP 1925–1945». Mainz 2016, S. 14. Neumitglieder waren demnach zwischen 1933 und 1938 zu etwa 90 Prozent männlich. 70 Vgl. Björn Weigel: «‹Märzgefallene› und Aufnahmestopp im Frühjahr 1933. Eine Studie über den Opportunismus». In Wolfgang Benz (Hrsg.): «Wie wurde man Parteigenosse? Die NSDAP und ihre Mitglieder». Frankfurt 2009, S. 91–109 71 Vgl. Gustavo Corni, Horst Gies: «Brot – Butter – Kanonen. Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers». Berlin 1997, S. 53 ff. 72 Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer 221-11, Signatur Fa 14 840 73 Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer 221-11, Signatur 75 271 74 Archiv Gordian Tork 75 Vgl. Jürgen W. Falter: «10 Millionen ganz normale Parteigenossen. Neue Forschungsergebnisse zu den Mitgliedern der NSDAP 1925–1945». Mainz 2016, S. 25 76 Mitteilung von Gerda Kessemeier vom 3. April 2020 77 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 24. Februar 2020 78 Brief von Elisabeth Bahlmann in Bad Bramstedt an ihre Schwester Felicitas Ramstedt in Münster vom 15. Januar 1937. Archiv Gordian Tork. 79 Gespräch mit Gordian Tork vom 26. April 2020 80 «Johannes B. Kerner», ZDF, 9. Juni 2009 81 «Markus Lanz», ZDF, 19. Juli 2012 82 Peter  A. J. Bendixen: «Jahreszeiten. Stationen und Episoden aus meinem Leben». Berlin 2012, S. 174 83 Peter  A. J. Bendixen: «Jahreszeiten. Stationen und Episoden aus meinem Leben». Berlin 2012, S. 174 f. 84 Karl Lagerfeld: «Editorial». Welt am Sonntag, 1. Dezember 2013, S. 2 85 «Hamburg ist mir familiär und fremd». Bild am Sonntag, 14. Februar 2015 86 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 79 87 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 28. Januar 2015 88 Gespräch mit Ursula Scheube vom 1. November 2019 89 Gespräch mit Christel Friedrichs vom 23. April 2019 90 Niederdeutsch für: «Braut und Bräutigam, die hauen sich mit der Feuerzang’» 61 62 63 64

Anmerkungen

345

91 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 67 92 Vergleiche zu diesem Absatz: Ernst Neumann: «50 Jahre Jürgen-Fuhlen-

dorf-Schule», in: «Festschrift zum 50jährigen Bestehen der Jürgen-Fuhlendorf-Schule in Bad Bramstedt». Bad Bramstedt 1958 93 Gespräch mit Hans-Joachim Bronisch vom 23. April 2019 94 Alfons Kaiser: «Karl Lagerfeld als Karikaturist». In Karl Lagerfeld: «Karli­ katuren». Göttingen 2019, S. 6 95 Gespräch mit Inge Ludwig vom 25. April 2019 96 Gespräch mit Barbara Dieudonné vom 1. August 2019 97 Bert Krüger: «Modezar Karl Lagerfeld: Seine Jahre auf Gut Bissenmoor». In «Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg». Bad Segeberg 1991, S. 104–106, hier S. 104 98 Alfons Kaiser: «Karl Lagerfeld als Karikaturist». In Karl Lagerfeld: «Karli­ katuren». Göttingen 2019, S. 8 99 «Johannes B. Kerner», ZDF, 9. Juni 2009 100 Gespräch von Roger Willemsen mit Karl Lagerfeld auf der lit.Cologne, Oper Köln, 16. März 2012 101 Peter  A. J. Bendixen: «Jahreszeiten. Stationen und Episoden aus meinem Leben». Berlin 2012, Seite 172 102 Gespräch mit Fritz Andresen vom 3. November 2019 103 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 136; «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 104 Peter Bendixen: «Jahreszeiten. Stationen und Epochen aus meinem Leben». Berlin 2012, S. 160 f. 105 Ernst Neumann: «50  Jahre Jürgen-Fuhlendorf-Schule», in: «Festschrift zum 50jährigen Bestehen der Jürgen-Fuhlendorf-Schule in Bad Bram­ stedt». Bad Bramstedt 1958 106 Gespräch mit Karl Wagner vom 24. April 2019 107 Gespräch mit Fritz Andresen vom 6. November 2019 108 Peter  A. J. Bendixen: «Jahreszeiten. Stationen und Episoden aus meinem Leben». Berlin 2012, S. 172 109 Bert Krüger: «Modezar Karl Lagerfeld: Seine Jahre auf Gut Bissenmoor». In: Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg, 1991, S. 104–106, hier S. 105 110 Didier Eribon: «Betrachtungen zur Schwulenfrage». Aus dem Französischen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Frankfurt 2019, S. 25 111 Didier Eribon: «Betrachtungen zur Schwulenfrage». Aus dem Französischen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Frankfurt 2019, S. 26 112 Didier Eribon: «Betrachtungen zur Schwulenfrage». Aus dem Französischen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Frankfurt 2019, S. 26 113 «Lagerfeld Confidential». Dokumentarfilm von Rodolphe Marconi, 2007 114 «War doch schön». Eine Nahaufnahme von Inga Griese und Jennifer Wilton. Welt am Sonntag, 1. Dezember 2013, S. 19; vgl. «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 115 Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 25. 116 «Karl Lagerfeld. L’étoffe d’une star.» Interview von Anne-Cécile Beaudoin und Elisabeth Lazaroo. Paris Match, 28. April 2013

346

Anmerkungen

117 «War doch schön». Eine Nahaufnahme von Inga Griese und Jennifer

­Wilton. Welt am Sonntag, 1. Dezember 2013, S. 19

118 Vgl. Alfons Kaiser: «Der letzte Modeschöpfer». Frankfurter Allgemeine

Zeitung, 20. Februar 2019, S. 9

119 Didier Eribon: «Betrachtungen zur Schwulenfrage». Aus dem Französi-

schen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Frankfurt 2019, S. 48 ff.

120 Didier Eribon: «Betrachtungen zur Schwulenfrage». Aus dem Französi-

schen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Frankfurt 2019, S. 47

121 Didier Eribon: «Betrachtungen zur Schwulenfrage». Aus dem Französi-

schen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Frankfurt 2019, S. 55

122 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 56 123 Gespräch mit Sylvia Jahrke vom 23. April 2019 124 Graphologische Analyse. Abschrift vom 31. August 1936. Archiv Gordian

Tork.

125 Brief von Elisabeth Lagerfeld aus Bad Bramstedt an ihre Schwester Felici-

tas Ramstedt in Münster vom 20. Juli 1942. Archiv Gordian Tork.

126 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 27. August 2019 127 Gespräch mit Sébastien Jondeau vom 19. März 2020; vgl. Baptiste Giabi-

coni: «Karl et moi». Paris 2020, S. 116

128 Ben Ashford: «‹I have no family,› designer Karl Lagerfeld has declared. But his secret American SISTER isn’t hurt she hasn’t seen him in 45 years –

and would welcome him to her rural home town to share a Diet Coke». Daily Mail, 21. Januar 2015 129 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 56 130 «Vergebung zählt nicht zu meinem Wortschatz». Interview von Sven ­Michaelsen und Stefanie Rosenkranz aus dem Jahr 1996. In «Adieu, Karl. Ein Nachruf», Stern Extra, Februar 2019, S. 68 bis 73, hier S. 72 131 «Christiane M. Johnson», The Hartford Courant, 14. Oktober 2015 132 Gespräch mit Marietta Andreae vom 15. Juli 2019 133 Gespräch mit Barbara Dieudonné vom 1. August 2019 134 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 14. Dezember 2019 135 Willy Pötter: «Geschichte der Reinhardswaldschule  – Berühungspunkte mit Menschen und Institutionen». Fulda 2011, S. 56 136 Gespräch mit Gertrud Scheele vom 31. Juli 2019 137 Brief von Elisabeth Lagerfeld aus Bad Bramstedt an ihre Schwester Felicitas Ramstedt in Münster vom 20. Juli 1942. Archiv Gordian Tork. 138 Auskunft Thoma Schulenburg vom 5. August 2019 139 Hamburger Anzeiger, 1./2. April 1944 140 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 14. Dezember 2019 141 Vgl. Karl Lagerfeld: «Editorial». Welt am Sonntag, 1. Dezember 2013, S. 2 142 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 24. Februar 2020 143 Josef Neckermann: «Erinnerungen». Aufgezeichnet von Karin Weingart und Harvey T. Rowe. Frankfurt, Berlin 1990, S. 259 144 Maureen Orth: «Kaiser Karl: Behind the Mask». Vanity Fair, Februar 1992 145 Mitteilung Günter Lagerfeld vom 14. Juli 2019 146 Archiv Thoma Schulenburg 147 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 56

Anmerkungen

347

148 «Markus Lanz», ZDF, 17. März 2011. Vgl. «Lagerfeld Confidential».

­Dokumentarfilm von Rodolphe Marconi, 2007

149 Gespräch mit Gertrud Scheele vom 31. Juli 2019 150 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 24. Februar 2020 151 Brief von Elisabeth Lagerfeld aus Paris an ihre Schwester Felicitas Ram­

stedt in Münster vom 4. Dezember 1972. Archiv Gordian Tork.

152 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 29. April 2020 153 Gespräch mit Andrea und Matthias Wirthwein vom 12. März 2019, Ge-

spräch mit Christopher Pfleiderer vom 25. März 2019. Zu einer ersten Fassung dieses Kapitels vgl. Alfons Kaiser: «Wie Karl Lagerfeld zum gläubigen Preußen wurde». Frankfurter Allgemeine Magazin, 14. April 2019, S. 20. 154 «Zur Ehre Gottes, zum Heile der leidenden Menschheit, zur Freude der Ärzte und Schwestern, zur Zierde der Stadt Münster». Die Geschichte der Raphaelsklinik. Münster 2008, S. 43 155 «Johannes B. Kerner», ZDF, 9. Juni 2009 156 «Lagerfeld Confidential». Dokumentarfilm von Rodolphe Marconi, 2007 157 «Bei mir wird nicht diskutiert». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54 158 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 73 159 «Johannes B. Kerner», ZDF, 9. Juni 2009 160 «Karl Lagerfeld  – Mode als Religion». Film von Martina Neuen. Vox, 7. September 2013 161 Archiv des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Altholstein in Neumünster, Konfirmationsbuch der Kirchengemeinde Bad Bramstedt, lfd. Nr. 1948/17. Eine Liste über den gesamten Jahrgang ist wegen der Schutzfristen für Konfirmationen von 90 Jahren noch nicht zu erhalten. 162 Laut mündlichen Berichten in der Gemeinde. Vom Erzbischöflichen Generalvikariat Hamburg kann das wegen des postmortalen Persönlichkeitsrechts nicht bestätigt werden, denn die Schutzfrist für Taufbücher reicht bis 120  Jahre nach Geburt. Vgl. aber die Personalie «Karl Lagerfeld». Spiegel, 21. September 1998, S. 284 163 «Der Zopf bleibt dran». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Magazin, 10. Oktober 2015, S. 88 164 «Fragebogen des Staatskommissars für die Entnazifizierung und Kategorisierung der Hansestadt Hamburg», Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer 221-11, Signatur 75 271 165 Mitteilung der Katholischen Pfarrei St. Maria  – Gemeinde Maria Grün, Hamburg, 17. Dezember 2019 166 Laurent Allen-Caron: «Le Mystère Lagerfeld». Paris 2017, S. 158 167 «Bei mir wird nicht diskutiert». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54 168 Mitteilung von Dior vom 11. Juni 2019 169 «War doch schön». Eine Nahaufnahme von Inga Griese und Jennifer Wilton. Welt am Sonntag, 1. Dezember 2013, S. 19 170 Christian Dior: «Dior». Frankfurt 1956, S. 175 171 «80 Modelle unter Polizeiaufsicht. Christian Diors Kollektion traf ein – Constanze begrüßte». Hamburger Abendblatt, 12. Dezember 1949, S. 3; weitere Quellen für die folgenden Absätze: «Erbauende und belehrende

348

Anmerkungen

Kleiderschau», Hamburger Abendblatt, 13. Dezember 1949, S. 3; Erika Müller: «Die Garçonnes von der Seine. Des Pariser Modekünstlers Dior Sendboten in Hamburg». Die Zeit, 22. Dezember 1949; «Man könnte sie sonst schreien hören». Der Spiegel, 15. Dezember 1949; «Er schickte seine schönsten Frauen», Constanze, 1950, Heft 1, S. 8–12; Marie Hélène Bourdil: «Und dann weinte er vor Freude», Constanze. Die Mode 1950. Sonderheft mit zwei Schnittmusterbogen, 1950, S. 14 f. 172 Christian Dior: «Dior». Fischer, 1956, S. 167 173 Vgl. «Ich bin im Grunde harmlos. Ich sehe nur nicht so aus. Karl Lagerfeld – Das Interview.» Von Christiane Arp und Christoph Amend. Vogue, Januar 2018 174 «Ich bin im Grunde harmlos. Ich sehe nur nicht so aus. Karl Lagerfeld – Das Interview.» Von Christiane Arp und Christoph Amend. Vogue, Januar 2018 175 «Constanze. Die Mode 1950. Sonderheft mit zwei Schnittmusterbogen», Seite 14 f. 176 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 91 177 «Hamburg ist mir familiär und fremd». Bild am Sonntag, 14. Februar 2015 178 «Ich bin total improvisiert. Ein Gespräch über Paris, Papier-Passion und die Freiheit, Karl Lagerfeld zu sein». Von Sandra Brant und Ingrid Sischy. In «Karl Lagerfeld. Modemethode». Vogue Special, Mai 2015, S. 12–17, hier S. 16. 179 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 40 180 Ulrich Herbert: «Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert», München 2014, S. 696 181 Nach Angaben von Elisabeth Lagerfeld lebte die Familie Anfang 1950 noch in der Pension Bristol an der Feldbrunnenstraße 52. Siehe «Frage­ bogen des Staatskommissars für die Entnazifizierung und Kategorisierung der Hansestadt Hamburg», Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer 22111, Signatur 75 271 182 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 14. Dezember 2019 183 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 90 184 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004

1952 bis 1982 1 Aus dem Pressetext zur Chanel-Zwischenkollektion, die am 3. Mai 2019

in Paris aufgeführt wurde und für die er noch das Bühnenbild erdacht hatte, nämlich einen Bahnhof. Vgl. Alfons Kaiser: «In einem Zug. Virginie Viard, die Nachfolgerin von Karl Lagerfeld, zeigt in Paris ihre erste eigene Kollektion für Chanel». Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. Mai 2019, S. 8. Im Lycée Montaigne, das er besucht zu haben vorgab, ist er auf keiner Schülerliste zu finden. Ein Gymnasium hat er in Paris wohl nie besucht. Vgl. Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 93

Anmerkungen

349

2 Podcast 3.55 des Magazins «Monocle», Februar 2019, aufgenommen im

Dezember 2018

3 Nach der Darstellung von Karl Lagerfelds Cousin Kurt Lagerfeld, zit.

nach Sylvia Blankenburg: «Wenn der Karl sich auf seine Wurzeln besinnen würde». Lübecker Nachrichten, 10./11. März 2002, S. 27 4 Vgl. «Karl Lagerfeld. L’étoffe d’une star». Interview von Anne-Cécile ­Beaudoin und Elisabeth Lazaroo. Paris Match, 28. April 2013 5 Karl Lagerfeld: «Off the record». Göttingen 1994, o. S. Vgl. «Karl Lagerfeld. L’étoffe d’une star». Interview von Anne-Cécile Beaudoin und Elisabeth Lazaroo. Paris Match, 28. April 2013 6 Podcast  3.55 des Magazins «Monocle», Februar 2019, aufgenommen ­Dezember 2018 7 Karl Lagerfeld: «Off the record». Göttingen 1994, o. S. 8 Karl Lagerfeld: «Off the record». Göttingen 1994, o. S. 9 «Karl Kapital!» Interview von David Slama und Tierry Billard. Paris ­Capitale, März 2008, S. 54–59, hier S. 57 10 «Karl Lagerfeld. L’étoffe d’une star.» Interview von Anne-Cécile Beaudoin und Elisabeth Lazaroo. Paris Match, 28. April 2013 11 «Karl Lagerfeld. L’étoffe d’une star.» Interview von Anne-Cécile Beaudoin und Elisabeth Lazaroo. Paris Match, 28. April 2013 12 «Ich bin total improvisiert. Ein Gespräch über Paris, Papier-Passion und die Freiheit, Karl Lagerfeld zu sein». Von Sandra Brant und Ingrid Sischy. In «Karl Lagerfeld. Modemethode.» Vogue Special, Mai 2015, S. 12–17, hier S. 16 13 «Karl Kapital!» Interview von David Slama und Tierry Billard. Paris ­Capitale, März 2008, S. 54–59, hier S. 57 14 «Ich bin total improvisiert. Ein Gespräch über Paris, Papier-Passion und die Freiheit, Karl Lagerfeld zu sein». Von Sandra Brant und Ingrid Sischy. In «Karl Lagerfeld. Modemethode». Vogue Special, Mai 2015, S. 12–17, hier S. 16 15 Walter Benjamin: «Das Passagen-Werk». In: Rolf Tiedemann (Hrsg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften. Band  5, Nr. 1. Frankfurt 1991, S. 529 16 Karl Lagerfeld im Gespräch mit Bridget Foley auf dem «WWD Apparel and Retail CEO Summit», New York, 8. Januar 2013 17 «Karl Kapital!» Interview von David Slama und Tierry Billard. Paris ­Capitale, März 2008, S. 54–59, hier S. 54 18 Walter Benjamin: «Das Passagen-Werk». In: Rolf Tiedemann (Hrsg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften. Band  5, Nr. 1. Frankfurt 1991, S. 529 19 Walter Benjamin: «Das Passagen-Werk». In: Rolf Tiedemann (Hrsg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften. Band  5, Nr. 1. Frankfurt 1991, S. 537 f. 20 Die Zitate in diesem Kapitel entstammen Gesprächen mit Peter Bermbach vom 14. April, 20. August und 6. Dezember 2019. 21 Didier Eribon: «Betrachtungen zur Schwulenfrage». Aus dem Französischen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Frankfurt 2019, S. 46 22 «Boulevard Bio», ARD, 5. November 1996

350

Anmerkungen

23 Vgl. Matthias Waechter: «Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert».

München 2019, S. 274 ff.

24 Peter Bermbach: «Mein Karl». Magazin «Z», Frankfurter Allgemeine Zei-

tung, 26. März 2011, S. 24 ff. «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 95 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 95 Vgl. «The Divine History of the International Woolmark Prize», o. J. The Woolmark Company 29 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 30 Vgl. WWD Staff: «Woolmark Spins a New Yarn in Tribute to Karl Lagerfeld». Women’s Wear Daily, 4. Februar 2020 31 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 32 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 100 33 «Das ist Ihr Leben. Stationen eines Lebens im Spiegel der Erinnerungen. Carlheinz Hollmann stellt Karl Lagerfeld vor». ZDF, 12. Januar 1978 34 «Johannes B. Kerner», ZDF, 17. Dezember 2005 35 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 100 36 Peter Bermbach: «Mein Karl». Magazin «Z», Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. März 2011, S. 24 f. 37 Zit. nach Peter Stanford: «Bronwen Astor. Her Life and Times». London 2000, S. 119 38 Zit. nach Peter Stanford: «Bronwen Astor. Her Life and Times». London 2000, S. 119 39 Gespräch mit Victoire Doutreleau vom 3. März 2020 40 Victoire Doutreleau: «Et Dior créa Victoire». Paris 1997, S. 263 41 Victoire Doutreleau: «Et Dior créa Victoire». Paris 1997, S. 293 42 Victoire Doutreleau: «Et Dior créa Victoire». Paris 1997, S. 268 43 Victoire Doutreleau: «Et Dior créa Victoire». Paris 1997, S. 269 44 Vgl. Alice Rawsthorn: «Yves Saint Laurent. Die Biographie». Stuttgart 1998, S. 11 ff. 45 Laurent Allen-Carron: «Le Mystère Lagerfeld». Paris 2019, S. 63 f. 46 Gespräch mit Peter Kempe vom 30. April 2020 47 «Vergebung zählt nicht zu meinem Wortschatz». Interview von Sven ­Michaelsen und Stefanie Rosenkranz aus dem Jahr 1996. In «Adieu, Karl. Ein Nachruf», Stern Extra, Februar 2019, S. 68–73, hier S. 72 48 Vgl. Laurent Allen-Carron: «Le Mystère Lagerfeld». Paris 2019, Seite 71 f., Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 51 49 «Vergebung zählt nicht zu meinem Wortschatz». Interview von Sven ­Michaelsen und Stefanie Rosenkranz aus dem Jahr 1996. In «Adieu, Karl. Ein Nachruf», Stern Extra, Februar 2019, S. 68–73, hier S. 72 50 Alice Rawsthorn: «Yves Saint Laurent. Die Biographie». Stuttgart 1998, S. 48 f. 51 Vgl. Alice Rawsthorn: «Yves Saint Laurent. Die Biographie». Stuttgart 1998, S. 51 f. 52 «Das ist Ihr Leben. Stationen eines Lebens im Spiegel der Erinnerungen. Carlheinz Hollmann stellt Karl Lagerfeld vor». ZDF, 12. Januar 1978 53 Gespräch mit Peter Kempe vom 18. April 2020 25 26 27 28

Anmerkungen

351

54 Gespräch mit Peter Bermbach vom 20. August 2019 55 «Pariser Frühling in Samt und Seide». Münchner Illustrierte, Nr. 10,

5. März 1960, Titel und S. 12

56 «‹War doch schön›. Eine Nahaufnahme von Inga Griese und Jennifer

­Wilton». Welt am Sonntag, 1. Dezember 2013, S. 22

57 Florentine Pabst: «Karls neue Kleider. Wie ein listiger Hamburger seine

modischen Einfälle in Paris durchsetzte». Stern, 20. September 1973, S. 184–190 58 Silke Wichert: «Das tapfere Schneiderlein. Sie waren jung und wollten die Welt: Große Designer erzählen von ihren kleinen Anfängen.» Süddeutsche Zeitung Magazin, 7. September 2012, S. 46 59 Im Podcast 3.55 des Magazins «Monocle», Februar 2019, aufgenommen im Dezember 2018 60 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 115 61 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 112 62 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 113 63 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 64 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 96 65 Gespräch mit Peter Bermbach vom 14. April 2019 66 Peter Bermbach: «Mein Karl». Magazin «Z», Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. März 2011, S. 24 f. 67 Vgl. zu den folgenden Sätzen Matthias Waechter: «Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert». München 2019, S. 311 ff. 68 Matthias Waechter: «Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert». München 2019, S. 377 69 Vgl. Matthias Waechter: «Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert». München 2019, S. 371 70 Vgl. Matthias Waechter: «Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert». München 2019, S. 372 71 Gespräch mit Christoph von Weyhe vom 1. Juli 2019 72 Vgl. Marie-Claire Pauwels: «Karl le magnifique». Le Point, 7. Juli 2005, S. 76 73 «Anti-portrait chinois: Karl Lagerfeld». Interview mit Thierry Ardisson. 24. März 1990 74 Vgl. zum Beispiel Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 50 ff. 75 Zit. nach Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 171 76 Die Bildung zusammengesetzter Namen nach diesem Muster ist laut den Namenforschern Jürgen Udolph und Judith Pfaff in Schweden typisch. Auch auf allen weiteren Wappen von Familien, deren Nachname mit ­«Lager» beginnt, sind Lorbeerblätter zu finden – dabei wächst Lorbeer in Schweden kaum, da die Pflanze nur bedingt winterhart ist. Mitteilung von Jürgen Udolph vom 15. April 2020. 77 Tönnies (also Anton) Lagerfeld(t) wurde am 8. April 1767 erstmals in St. Pauli in dem ältesten überlieferten Schutzverwandtenprotokoll als ­Matrose aufgeführt. (Staatsarchiv Hamburg  1: 411-2_I 221, Schutzverwandte St. Pauli 1755–1837, S. 51, Nr. 244) Schutzverwandte genießen den Schutz einer Gemeinschaft, ohne ihr eigentlich anzugehören. Tönnies

352

Anmerkungen

Lagerfeld(t) könnte zuvor als Matrose aus Schweden in der damaligen Hamburger Vorstadt St. Pauli an Land gegangen sein. Schon am 26. April 1767 heiratete er demnach seine Verlobte Anna Sophia Elisabeth Winnert. Viele ihrer Kinder und Kindeskinder blieben in St. Pauli (seit 1894 zu Hamburg gehörig), Altona (seit 1938 zu Hamburg gehörig) und in Hamburg selbst. 78 Pat Cleveland: «Walking with the Muses. A memoir». New York 2016, S. 228 79 Michael Gross: «The Stranger. Lagerfeld makes his marks». New York Magazine, 20. August 1990, S. 24–26, hier S. 24 80 «‹All the other designers hate me …› Karl Lagerfeld gets ready to tell all.» Interview von Philip Utz. Numéro, 12. April 2018 81 Gespräch mit Marga und Christian Ullrich vom 20. November 2019 82 Gespräch mit Peter Bermbach vom 14. April 2019 83 Gespräch mit Thoma Schulenburg vom 24. Februar 2020 84 «Ich mag es nicht so gern erdnah». Interview von Dirk van Versendaal. Stern, 9. Oktober 2014, S. 114 85 «Wenn ich geradeaus gucken muss, schlafe ich ein». Interview von Mira Wiesinger. Welt Online, 24. November 2012 86 «Wenn ich geradeaus gucken muss, schlafe ich ein». Interview von Mira Wiesinger. Welt Online, 24. November 2012 87 «Ich mag es nicht so gern erdnah». Interview von Dirk van Versendaal. Stern, 9. Oktober 2014, S. 114 88 «Wenn ich geradeaus gucken muss, schlafe ich ein». Interview von Mira Wiesinger. Welt Online, 24. November 2012 89 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 96 90 «Markus Lanz», ZDF, 19. April 2012 91 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 97 92 «Markus Lanz», ZDF, 19. April 2012 93 «Ich mag es nicht so gern erdnah». Interview von Dirk van Versendaal. Stern, 9. Oktober 2014, S. 114 94 «Markus Lanz», ZDF, 19. April 2012 95 «Ich mag es nicht so gern erdnah». Interview von Dirk van Versendaal. Stern, 9. Oktober 2014, S. 115 96 Thadée Klossowski de Rola: «Vie rêvée». Paris 2013, S. 223 97 Alle Zitate in diesem Kapitel aus Gesprächen mit Rosemarie Le Gallais vom 27. November 2019, 16. Januar 2020 und 1. Februar 2020. 98 Manche Quellen behaupten, er habe schon 1963 bei der Marke zu arbeiten begonnen. Aber die früheste Zeichnung, die im Chloé-Archiv von ihm zu finden ist, stammt von 1964, für die Kollektion Herbst und Winter 1964. 99 Gespräch mit Peter Bermbach vom 14. April 2019 100 Gespräch mit Géraldine-Julie Sommier vom 21. Januar 2020 101 In: «Chloé Founder Gaby Aghion Dies at 93». Von Miles Socha und Laure Guilbault. Women’s Wear Daily, 29. September 2014 102 Florentine Pabst: «Karls neue Kleider. Wie ein listiger Hamburger seine modischen Einfälle in Paris durchsetzte». Stern, 20. September 1973 103 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 77

Anmerkungen

353

104 Karl Lagerfeld: «Off the record». Göttingen 1994, o. S. 105 Vgl. Sarah Mower: «Chloé: Attitudes». New York 2013, S. 86 106 Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Mode-

mann?» Stern, 12. Oktober 1978

107 Vgl. Sarah Mower: «Chloé: Attitudes». New York 2013, S. 96 108 Gespräch mit Ariel de Ravenel vom 1. Februar 2020 109 Gespräch mit Corey Grant Tippin vom 5. Januar 2020 110 Bill Cunningham in «Antonio Lopez 1970: Sex Fashion & Disco». Doku-

mentation von James Crump, 2017

111 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 27. November 2019 112 «Vogue Paris», Februar 1970, Titel und S. 3 113 Vgl. Adrien Gombeaud: «Je vous embrasse. K. L.», Vogue Paris, Dezember

2016, S. 160 ff.

114 Gespräch mit Renate Zatsch vom 25. September 2019 115 Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Mode-

mann?» Stern, 12. Oktober 1978

116 In seinen ersten Jahren bei Chloé verdiente Lagerfeld nach der Erinnerung

von Peter Bermbach umgerechnet 7000 Mark im Monat. Die Summe wird sich mit dem Erfolg in den siebziger Jahren stark erhöht haben. Gespräch mit Peter Bermbach vom 1. Mai 2020 117 «NDR Talk Show», NDR, 6. Januar 1984 118 Gespräch mit Claudia Bessler vom 5. Februar 2020 119 Karl Lagerfeld im Gespräch mit Bridget Foley auf dem «WWD Apparel and Retail CEO Summit», New York, 8. Januar 2013 120 Vgl. WWD Staff: «‹Karl For Ever›: A Joyful Celebration of Karl Lagerfeld’s Legacy». Women’s Wear Daily, 20. Juni 2019 121 «‹Ich bin nicht sein Klon›. Silvia Fendi über Karl Lagerfeld». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Magazin, August 2019, S. 35 122 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 123 «‹Ich bin nicht sein Klon›. Silvia Fendi über Karl Lagerfeld». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Magazin, August 2019, S. 35 124 Alfons Kaiser: «Furore um die Fourrure. Fendi zeigt Pelzmode bei der Couture – zu Ehren von Lagerfeld, zum Ärger der Tierschützer». Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Juli 2015, S. 6 125 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 133 126 Gespräch mit Laura Lusuardi vom 14. Juni 2019 127 Nathalie Mont-Servan: «Taille fine et prêt-à-porter d’hiver.» Le Monde, 15. April 1972 128 Mitteilung von Peter Kempe vom 20. April 2020 129 «‹I have it in the blood›. Karl Lagerfeld on his success at Chanel. CNN, 19. Oktober 2011 130 Gespräch mit Ulla Ertelt vom 6. April 2020 131 Gespräch mit Peter Boveleth vom 5. Januar 2020 132 Karl Lagerfeld im Gespräch mit Bridget Foley, «WWD Apparel and Retail CEO Summit», New York, 8. Januar 2013 133 Gespräch mit Tan Giudicelli vom 2. März 2020 134 Vgl. Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious ­Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 91 f.

354

Anmerkungen

135 Gespräche mit Corey Grant Tippin vom 31. Dezember 2019 und vom

5. Januar 2020

136 Pat Cleveland: «Walking with the Muses. A memoir». New York 2016,

S. 234

137 Zit. nach Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious

Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 86

138 Jerry Hall: «Mein Leben in Bildern». München 2011, S. 32 139 «Instamatics: Antonio Lopez». Santa Fe 2011, o. S. 140 «Instamatics: Antonio Lopez». Santa Fe 2011, o. S. 141 Gespräch mit Renate Zatsch vom 25. September 2019 142 Pat Cleveland: «Walking with the Muses. A memoir». New York 2016,

S. 219

143 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 27. November 2019 144 Vgl. Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017,

S. 64

145 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in

1970s Paris». London 2012 (2006), S. 103

146 Gespräche mit Corey Grant Tippin vom 31. Dezember 2019 und 5. Januar

2020

147 Andrew O’Hagan: «The Maddening and Brilliant Karl Lagerfeld».

T maga­zine, 12. Oktober 2015

148 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 64 149 Laurence Benaïm: «Yves Saint Laurent. A Biography». New York 2019,

S. 241

150 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in

1970s Paris». London 2012 (2006), S. 105

151 Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 77 152 Vgl. zu diesem Absatz Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius

and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 106 ff.

153 Thadée Klossowski de Rola: «Vie rêvée». Paris 2013, S. 35 154 Mitteilung von Paul Caranicas vom 28. Januar 2020 155 Vgl. Paul Caranicas: «Antonio’s People». New York 2004 156 Gespräch mit Ariel de Ravenel vom 1. Februar 2020 157 Bill Cunningham in «Antonio Lopez 1970: Sex Fashion & Disco». Doku-

mentation von James Crump, 2017

158 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 13. Februar 2020 159 Bill Cunningham in «Antonio Lopez 1970: Sex Fashion & Disco». Doku-

mentation von James Crump, 2017

160 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 161 Wolfgang Joop: «Die einzig mögliche Zeit». Hamburg 2019, S. 301 162 John Colapinto: «In the Now. Where Karl Lagerfeld lives». New Yorker,

19. März 2007

163 Vgl. zu diesem Absatz Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius

and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 135

164 «Karl Lagerfeld. L’étoffe d’une star.» Interview von Anne-Cécile Beaudoin

und Elisabeth Lazaroo. Paris Match, 28. April 2013

165 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 166 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 17

Anmerkungen

355

167 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in

1970s Paris». London 2012 (2006), S. 163

168 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 38 169 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 41 170 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 33 171 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 26 172 Günter Erbe: «Der moderne Dandy». Köln/Weimar/Wien 2017, S. 258 173 Wolfgang Joop: «Die einzig mögliche Zeit». Hamburg 2019, S. 297 174 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 70 175 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 87 176 Thadée Klossowski de Rola: «Vie rêvée». Paris 2013, S. 130 177 Vgl. Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017,

S. 75

178 Wolfgang Joop: «Die einzig mögliche Zeit». Hamburg 2019, S. 296 179 Gespräch mit Victoire Doutreleau vom 3. März 2020 180 Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Mode-

mann?» Stern, 12. Oktober 1978

181 «Markus Lanz», ZDF, 19. April 2012 182 Gespräch mit Patricia Riekel vom 20. November 2019 183 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 94 184 Marc Rioufol: «Tox. Comment je suis mort et ressuscité». Paris 2011,

S. 46

185 Gespräch mit Wolfgang Joop vom 20. Februar 2020 186 Vgl. Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017,

S. 111

187 Gespräch mit Philippe Heurtault vom 5. Januar 2020 188 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 123 189 Gespräch mit Karin Joop-Metz vom 20. Februar 2020 190 Vgl. Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 119 191 Vgl. Alexandre Debouté, Véronique Richebois: «Pierre Bergé. Le Pygma-

lion». Paris 2020, S. 187

192 Gespräch mit Claudia Frobenius vom 14. April 2020 193 Karl Lagerfeld: «Off the record». Göttingen 1994, o. S. 194 Marc Rioufol: «Tox. Comment je suis mort et ressuscité». Paris 2011,

S. 74

195 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in

1970s Paris». London 2012 (2006), S. 220

196 Thadée Klossowski de Rola: «Vie rêvée». Paris 2013, S. 197 197 Vgl. Alexandre Debouté, Véronique Richebois: «Pierre Bergé. Le Pygma-

lion». Paris 2020, S. 199

198 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 173 199 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in

1970s Paris». London 2012 (2006), S. 246

200 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in

1970s Paris». London 2012 (2006), S. 247

201 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 16. Januar 2020 202 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 260 203 Gespräch mit Ariel de Ravenel vom 1. Februar 2020

356

Anmerkungen

204 Karl Lagerfeld: «Souvenirs pour l’imaginaire à venir». In Philippe Moril-

lon: «Une dernière danse? 1970–1980. Journal d’une décennie». Paris 2009, S. 4–5, hier S. 5 205 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 264 206 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 207 Gespräch mit Caroline Lebar vom 18. April 2019 208 Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 273 209 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 210 Karl Lagerfeld: «Nordfleisch». In: «Helmut Newton». München 1982, S. 7–15, hier S. 10 211 Andrew O’Hagan: «The Maddening and Brilliant Karl Lagerfeld». T magazine, 12. Oktober 2015 212 «Das Lagerfeld-Alphabet. Der Modeschöpfer buchstabiert seine Welt  – von A wie ‹Armani› bis Z wie ‹Zukunft›». Protokoll von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11. Februar 2007, S. 55 213 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 28. Januar 2015 214 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 28. Januar 2015 215 Gespräch mit Carine Roitfeld vom 1. Oktober 2019 216 Florentine Pabst: «Karls neue Kleider. Wie ein listiger Hamburger seine modischen Einfälle in Paris durchsetzte». Stern, 20. September 1973, S. 184–190 217 Gespräch mit Peter Bermbach vom 21. Februar 2020 218 Gespräch mit Gloria von Thurn und Taxis vom 13. August 2019 219 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 220 Karl Lagerfeld: «Nordfleisch». In: «Helmut Newton». München 1982, S. 7 bis 15, hier S. 10 221 Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Modemann?» Stern, 12. Oktober 1978 222 Gespräch mit Peter Bermbach vom 21. Februar 2020 223 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 224 Gespräch mit Wolfgang Joop vom 20. Februar 2020 225 Vgl. Carole Blumenfeld: «Karl Lagerfeld: the colour of the 18th century». La Gazette Drouot, 21. Februar 2019 226 Auskunft von Anwohnern und im Rathaus von Grand-Champ am 4. Okto­ ber 2019 227 Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 133 228 Mitteilung von Philippe Heurtault vom 12. Januar 2020 229 Gespräch mit Karin Joop-Metz vom 20. Februar 2020 230 Wolfgang Joop: «Die einzig mögliche Zeit». Hamburg 2019, S. 297 231 Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 119; vgl. Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 157 f. 232 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 195 f. 233 «‹Ein bisschen Humor tut immer gut.› Treffen zweier Macher. In Paris diskutieren Karl Lagerfeld und Bread & Butter-Chef Karl-Heinz Müller über den Erfolg ihrer Marken, Designer aus Berlin und die Hosenlängen der Kanzlerin.» Interview von Lorenz Maroldt. Tagesspiegel, 6. Juli 2011, S. 28 234 Die Zeichnungen sind im Nachlass von Antonio Lopez allerdings nicht zu

Anmerkungen

357

finden, laut Mitteilung von Nachlassverwalter Paul Caranicas vom 12. September 2019. 235 Gespräch mit Corey Grant Tippin vom 5. Januar 2020. 236 Brief von Elisabeth Lagerfeld in Paris an Felicitas Ramstedt in Münster vom 30. Dezember 1972. Archiv Gordian Tork. 237 Brief von Elisabeth Lagerfeld in Paris an Felicitas Ramstedt in Pfatter (Oberpfalz) vom 11. August 1969. Archiv Gordian Tork. 238 Gespräch mit Renate Zatsch vom 25. September 2019 239 Gespräch mit Peter Bermbach vom 14. April 2019 240 Brief von Elisabeth Lagerfeld in Paris an Felicitas Ramstedt in Münster vom 14. April 1974. Archiv Gordian Tork. 241 Brief von Elisabeth Lagerfeld in Paris an Felicitas Ramstedt in Münster vom 30. Dezember 1972. Archiv Gordian Tork. 242 Brief von Elisabeth Lagerfeld in Paris an Felicitas Ramstedt in Münster vom 14. April 1974. Archiv Gordian Tork. 243 Brief von Elisabeth Lagerfeld in Paris an Felicitas Ramstedt in Münster vom 13. April 1976, Archiv Gordian Tork. 244 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 1. Februar 2020 245 Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 123 246 Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Modemann?» Stern, 12. Oktober 1978 247 Marie-Claire Pauwels: «Karl le magnifique». Le Point, 7. Juli 2005, S. 77 248 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 6. Januar 2020 249 Kennedy Fraser: «The Impresario: Imperial Splendors». «Vogue», amerikanische Ausgabe, September 2004; vgl. Marie-Claire Pauwels: «Karl le magnifique». Le Point, 7. Juli 2005, S. 78 250 Vgl. Marie Ottavi: «Jacques de Bascher. Dandy de l’ombre». Paris 2017, S. 274 251 Gespräch von Peter-Philipp Schmitt mit Matteo Thun vom 15. April 2019 252 Karl Lagerfeld in Pressemitteilung von Sotheby’s zur Auktion in Monaco am 13. Oktober 1991 253 Pressemitteilung von Sotheby’s zur Auktion in Monaco am 13. Oktober 1991 254 A. H. (Angelika Heinick): «Stuhl für’s Museum. Art déco und Memphis in Monaco». Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Oktober 1991, S. 35 255 Jean Bond Rafferty: «Living Lagerfeld». Art + Auction, September 2008, o. S. 256 Bertrand du Vignaud: «Interview de Karl Lagerfeld». In: Karl Lagerfeld: «Collection Lagerfeld». Monaco, New York, 2000. Volume 1: Important Mobilier et Objets d’art, S. 17 f. 257 Bertrand du Vignaud: «Interview de Karl Lagerfeld». In: Karl Lagerfeld: «Collection Lagerfeld». Monaco, New York, 2000. Volume 1: Important Mobilier et Objets d’art, S. 18 258 Vgl. Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Modemann?» Stern, 12. Oktober 1978 259 Vgl. Chanel-Prêt-à-Porter Frühjahr/Sommer 2010 sowie «The Lagerfeld Collection». Monaco, New York, 2000. Volume 3: Old Master Pictures, S. 70 ff.

358

Anmerkungen

260 Mitteilung von Godfrey Deeny vom 28. Januar 2020 261 Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Mode-

mann?» Stern, 12. Oktober 1978

262 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 28. Januar 2015 263 Karl Lagerfeld: «Collection Lagerfeld». Monaco, New York, 2000.

­Volume 1: «Important Mobilier et Objets d’art», S. 15.

264 «Gero von Boehm begegnet … Karl Lagerfeld». 3sat, 12. September 2005 265 Jean Bond Rafferty: «Living Lagerfeld». Art + Auction, September 2008,

o. S.

266 Jean Bond Rafferty: «Living Lagerfeld». Art + Auction, September 2008,

o. S.

267 Jean Bond Rafferty: «Living Lagerfeld». Art + Auction, September 2008,

o. S.

1983 bis 1999 1 Zit. nach Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 67 2 Zit. nach Laurent Allen-Carron: «Le Mystère Lagerfeld». Paris 2019, S. 83 3 Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Mode-

mann?» Stern, 12. Oktober 1978

4 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 13. Februar 2020 5 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 6 Karl Lagerfeld: «Souvenirs pour l’imaginaire à venir». In Philippe Moril-

lon: «Une dernière danse? 1970–1980. Journal d’une décennie». Paris 2009, S. 4–5, hier S. 5 7 Matthias Waechter: «Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert». München 2019, S. 431 8 «Neues vom Kleidermarkt», NDR, 15. August 1984 9 «Zu Gast in Hamburg: Karl Lagerfeld». «Nordschau Hamburg», NDR, 30. Juli 1982 10 «Hamburger Journal», NDR, 4. Dezember 1985 11 Gespräch mit Caroline Lebar vom 18. April 2019 12 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 27. November 2019 13 Vgl. «Gero von Boehm begegnet … Karl Lagerfeld». 3sat, 12. September 2005 14 Gespräch mit Michel Gaubert vom 15. April 2019 15 «Lagerfeld Confidential». Dokumentarfilm von Rodolphe Marconi, 2007 16 Gespräch mit Céline Toledano vom 27. März 2020; vgl. Arnaud Maillard: «Karl Lagerfeld und ich. 15 Jahre an der Seite des Modezaren». München 2007, S. 86 17 Gespräch mit Sophie de Langlade vom 1. Oktober 2019 18 «Lagerfeld Confidential». Dokumentarfilm von Rodolphe Marconi, 2007 19 Gespräch mit Ralph Toledano vom 28. März 2020 20 Arnaud Maillard: «Karl Lagerfeld und ich. 15  Jahre an der Seite des ­Modezaren». München 2007, S. 78

Anmerkungen

359

21 Gespräch mit Pascal Brault vom 1. Februar 2020 22 Gespräch mit Tommy Hilfiger vom 20. Juni 2019 23 Anteilseigner von Karl Lagerfeld wurden Hilfigers Geschäftsführer Fred

Gehring, der Hongkonger Milliardär Silas Chou, der Michael Kors mit aufgebaut hatte, die G-III Apparel Group, zu der Donna Karan gehört, ­sowie weitere Beteiligte wie der amerikanische Bekleidungskonzern PVH und die Beteiligungsgesellschaft Apax Private Equity. 24 Die Herrenmode kommt seit Jahrzehnten von der F. D. Fashion Design Herrenmode GmbH in Miltenberg am Main – und wird nun auch über die Läden und die Website der Marke Karl Lagerfeld verkauft. 25 Gespräch mit Pier Paolo Righi vom 25. September 2019 26 Gespräch mit Hun Kim vom 25. September 2019 27 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 27. November 2019 28 «Ich bin total improvisiert. Ein Gespräch über Paris, Papier-Passion und die Freiheit, Karl Lagerfeld zu sein». Von Sandra Brant und Ingrid Sischy. In «Karl Lagerfeld. Modemethode». Vogue Special, Mai 2015, S. 12–17, hier S. 16 29 Zit. nach Michael Gross: «Chanel Today». The New York Times Magazine, 28. Juli 1985 30 Gespräch mit Géraldine-Julie Sommier vom 21. Januar 2020 31 Karl Lagerfeld im Gespräch mit Bridget Foley auf dem «WWD Apparel and Retail CEO Summit», New York, 8. Januar 2013 32 «Mademoiselle Coco Chanel Summer 1962». Photographs Douglas Kirkland. Text Karl Lagerfeld. Göttingen 2009, o. S. 33 Edmonde Charles-Roux: «Chanel. Ihr Leben in Bildern». Aus dem Französischen von Eva Plorin. München 2005, S. 28 34 Edmonde Charles-Roux: «Chanel. Ihr Leben in Bildern». Aus dem Französischen von Eva Plorin. München 2005, S. 67 35 In der Nummer 31 eröffnete sie 1918 ihr Modehaus; das ist bis heute die Adresse der Zentrale mit der großen Boutique im Erdgeschoss, dem Couture-Salon im ersten Stock, der Wohnung von Coco Chanel im zweiten Geschoss, dem Designstudio im dritten und den Schneiderateliers unter dem Dach. 36 Matthias Waechter: «Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert». München 2019, S. 190 37 Victoire Doutreleau: «Et Dior créa Victoire». Paris 1997, S. 269 38 «Mademoiselle Coco Chanel Summer 1962». Photographs Douglas Kirkland. Text Karl Lagerfeld. Göttingen 2009, o. S. 39 Vgl. Hal Vaughan: «Der schwarze Engel – Ein Leben als Nazi-Agentin». Hamburg 2011 40 Vgl. Matthias Waechter: «Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert». München 2019, S. 272 41 Gespräch mit Marietta Andreae vom 15. Juli 2019 42 Gespräch mit Sophie de Langlade vom 1. Oktober 2019 43 Michael Gross: «Chanel Today». The New York Times Magazine, 28. Juli 1985 44 Christopher Petkanas: «Lagerfeld Tackles Couture». Women’s Wear Daily, 19. Januar 1983, S. 1 sowie 4 f.

360

Anmerkungen

45 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 207 46 «Ich bin total improvisiert. Ein Gespräch über Paris, Papier-Passion und

die Freiheit, Karl Lagerfeld zu sein». Von Sandra Brant und Ingrid Sischy. In Karl Lagerfeld. Modemethode. Vogue Special, Mai 2015, S. 12 bis 17, hier S. 17 47 Gespräch mit Eva Campocasso vom 22. März 2020 48 Christopher Petkanas: «Lagerfeld Tackles Couture». Women’s Wear Daily, 19. Januar 1983, S. 1 sowie 4 f. 49 Gespräch mit Gerhard Steidl vom 7. März 2020 50 Natasha Fraser-Cavassoni: «After Andy. Adventures in Warhol Land». New York 2017, S. 246 51 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 316 52 «‹Ich will das so, dann geht das so›. Designer Karl Lagerfeld über die Mode und das Leben». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. Oktober 2011, S. 9 53 Neben dem Atelier Flou gibt es in der Couture das Atelier Tailleur für die festen Anzugstoffe, Röcke, Hosen, Tweedkleider. Auch im Prêt-à-Porter ist das Atelier in Flou und Tailleur aufgeteilt. Damals gab es also insgesamt vier Ateliers. Diese Zahl erhöhte sich mit der Zeit: 2020 waren es vier ­Ateliers für die Haute Couture und drei fürs Prêt-à-Porter. 54 Natasha Fraser-Cavassoni: «After Andy. Adventures in Warhol Land». New York 2017, S. 255 55 Gespräch mit Gloria von Thurn und Taxis vom 13. August 2019 56 «Neues vom Kleidermarkt», NDR, 15. August 1984 57 «Hinter den Kulissen von Chanel. Künstler, Ateliers und Werkstätten». Eine Reportage von Laetitia Cénac. Illustrationen Jean-Philippe Delhomme. Aus dem Französischen von Cornelia Panzacchi. München 2019, S. 7 58 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 59 Gespräch mit Wolfgang Joop vom 20. Februar 2020 60 «Bei mir wird nicht diskutiert». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54 61 Unter anderem erwarb Chanel den Sticker Lesage (2002), den Schuhmacher Massaro (2002), den Hutmacher Michel (1997), den Schmuckfedermacher Lemarié (1996), die Plisseeanstalt Lognon (2013), den Schmuckhersteller Desrues (1985), den Gold- und Silberschmied Goossens (2005), den Seidenspinner Riotord (2016), den Futterseidenspezialisten Denis & Fils (2016), den Seidenveredler Hugotag (2016), den Handschuhmacher Causse (2012), den schottischen Stricker Barrie (2012) und den Weiß­ gerber Bodin-Joyeux (2013). 62 «Hinter den Kulissen von Chanel. Künstler, Ateliers und Werkstätten». Eine Reportage von Laetitia Cénac. Illustrationen Jean-Philippe Delhomme. Aus dem Französischen von Cornelia Panzacchi. München 2019, S. 221 63 Alfons Kaiser: «Eine Jacke, die allen passt. Chanel macht mit einer FotoAusstellung Station in Berlin  – und Bruno Pavlovsky, der Mode-Chef, ­erklärt die Luxusmarke». Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. November 2012, S. 9

Anmerkungen

361

64 «Bei mir wird nicht diskutiert». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter

Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54

65 «Bei mir wird nicht diskutiert». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter

Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54

66 Patricia Riekel: «Karl Lagerfeld, der Deutsche, der die Welt verzauberte».

Focus, 23. Februar 2019, S. 30

67 So kauften sie 2019 die italienische Gerberei Samanta und Anteile an den

Lederwarenfabriken Renato Corti und Mabi, investierten 2018 in Sulapac, ein finnisches Start-up für biologisch abbaubare Verpackung, und kauften sich in die kleine Firma Evolved by Nature bei Boston ein, die öko-freundliche Textilbeschichtungen entwickelt. Außerdem gönnten sich die Brüder einige Weingüter. 68 Karl Lagerfeld im Gespräch mit Bridget Foley auf dem «WWD Apparel and Retail CEO Summit», New York, 8. Januar 2013 69 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 70 Gespräch mit Gerhard Steidl vom 7. März 2020 71 Gespräch mit Julia Stegner vom 20. Februar 2019 72 Gespräch mit Eric Pfrunder vom 21. Juni 2019 73 Hubertus Gaßner: «Von der Kunst der Künstlichkeit. Über die Fotografie des Karl Lagerfeld». In: «Karl Lagerfeld. Fotografie». Kunstmuseum ­Moritzburg Halle (Saale). Göttingen 2020, S. 13–39, hier S. 32 74 Karl Lagerfeld: «Le Rêve brisé de la Modernité». In Karl Lagerfeld: «Villa Noailles, Été 1995». Göttingen 1995, o. S. 75 Vgl. Hubertus Gaßner: «Von der Kunst der Künstlichkeit. Über die Fotografie des Karl Lagerfeld». In: «Karl Lagerfeld. Fotografie». Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale). Göttingen 2020, S. 13–39 76 Vgl. Karl Lagerfeld: «Moderne Mythologie». Göttingen 2014 77 Vgl. «Karl Lagerfeld. Fotografie». Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale). Göttingen 2020, S. 96 ff. 78 «Cassina as seen by Karl». Photos Karl Lagerfeld. Göttingen 2018 79 «Ich bin die Unschuld vom Lande». Interview von Viola Keeve und Dirk van Versendaal. Stern, 14. Dezember 2006, S. 116–121, hier S. 117. 80 Vgl. «Karl Lagerfeld. Fotografie». Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale). Göttingen 2020, S. 80 ff. 81 «Paris Photo by Karl Lagerfeld». Göttingen 2017 82 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 83 «Neues vom Kleidermarkt», NDR, 15. August 1984. Das entspricht etwa den 300 000  Dollar, die andere Quellen veranschlagen. Vgl. Raphaëlle Bacqué: «Kaiser Karl». Paris 2019, S. 197 84 Inès de la Fressange: «Profession Mannequin». Conversations avec Marianne Mairesse. Paris 2002, S. 106 ff. 85 Laurence Benaïm: «Yves Saint Laurent. A Biography». New York 2019, S. 350 86 Maureen Orth: «Kaiser Karl: Behind the Mask». Vanity Fair, Februar 1992 87 Inès de la Fressange: «Comme tous les génies, il n’aimait pas qu’on lui ­résiste et il voulait l’exclusivité». Paris Match, 21. Februar 2019, S. 67 88 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019

362

Anmerkungen

89 Maureen Orth: «Kaiser Karl: Behind the Mask». Vanity Fair, Februar

1992

90 Mitteilung von Claudia Schiffer vom 22. April 2020 91 Gespräch mit Sophie de Langlade vom 1. Oktober 2019 92 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 93 Gespräch mit Marietta Andreae vom 24. Februar 2020 94 Gespräch mit Matthias Prinz vom 9. Mai 2019 95 Gespräch mit Alexandra von Rehlingen vom 9. Mai 2019 96 Gespräch mit Gloria von Thurn und Taxis vom 13. August 2019 97 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 129 f. 98 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 99 Mitteilung von Michael Haentjes vom 3. April 2020 100 Loïc Prigent: «Karl Lagerfeld symbolise la mode dans ce qu’elle a de plus

extraordinaire …» Vogue Paris, April 2019, S. 236–240, hier S. 240

101 Anke Schipp: «Seemannsgarn. Der verlorene Sohn ist zurück: Nicht reu-

mütig, sondern mit Pauken und Trompeten präsentiert Karl Lagerfeld in der Elbphilharmonie eine Chanel-Kollektion.» Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Dezember 2017, S. 8 102 Gespräch mit Inga Griese vom 21. Juni 2019 103 Gespräch mit Caroline Cnocquaert und Stéphanie Primet vom 26. November 2019 104 Gespräch mit Matthias Prinz vom 9. Mai 2019 105 Fern Mallis: «Fashion Lives. Fashion Icons with Fern Mallis». New York 2015, S. 307 ff. 106 Mitteilung von Alice Schwarzer vom 9. Juli 2019 107 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 141 108 Gespräch mit Marietta Andreae vom 24. Februar 2020 109 Gespräch mit Godfrey Deeny vom 17. April 2019 110 Ute Dahmen: «Aenne Burda. Wunder sind machbar.» München 2011, S. 401 111 «Markus Lanz», ZDF, 19. April 2012 112 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 113 «Markus Lanz», ZDF, 17. März 2011 114 «Vergebung zählt nicht zu meinem Wortschatz». Interview von Sven ­Michaelsen und Stefanie Rosenkranz aus dem Jahr 1996. In «Adieu, Karl. Ein Nachruf», Stern Extra, Februar 2019, S. 68–73, hier S. 70 115 «Freundin», September 2008 116 «Johannes B. Kerner», ZDF, 9. Juni 2009 117 Gespräch mit Ariel de Ravenel vom 1. Februar 2020 118 Karl Lagerfeld: «Nordfleisch». In: «Helmut Newton». München 1982, S. 7–15, hier S. 11 119 Anna Wintour: «My Brilliant Friend». Vogue, April 2019, S. 40 120 Minouflet de Vermenou: «Ex libris». Vogue Paris, Februar 1979, S. 233 ff. hier S. 233. Vgl. «Der Modemacher als Literaturkritiker». Der Spiegel, 19. Februar 1979, S. 185 121 Gespräch mit Matthias Prinz vom 9. Mai 2019 122 Gespräch mit Elfriede von Jouanne vom 24. April 2019 123 Alle Zitate aus diesem Kapitel, die nicht anders ausgewiesen sind, ent-

Anmerkungen

363

stammen einem bisher weitgehend unveröffentlichten Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 28. Januar 2015. 124 «Gero von Boehm begegnet … Karl Lagerfeld». 3sat, 12. September 2005 125 Gespräch mit Caroline Lebar vom 18. April 2019 126 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 1. Februar 2020 127 Gespräch mit Ralph Toledano vom 28. März 2020 128 Karl Lagerfeld: «Karlikaturen». Göttingen 2019, S. 77 129 Gespräch mit Hervé Le Masson und Catherine Kujawski vom 21. Juni 2019 130 «La Blonde et Moi: Une journée dans la vie de Karl Lagerfeld». Dokumentation von Alexandra Golovanoff, 18. Oktober 2009, Paris Première 131 Gespräch von Roger Willemsen mit Karl Lagerfeld auf der lit.Cologne, Oper Köln, 16. März 2012 132 «Karl Kapital!» Interview von David Slama und Tierry Billard. Paris ­Capitale, März 2008, S. 54–59, hier S. 54. 133 Gespräch mit Caroline Lebar vom 18. April 2019 134 Gespräch mit Gerhard Steidl vom 7. März 2020 135 «Karl Kapital!» Interview von David Slama und Tierry Billard. Paris ­Capitale, März 2008, S. 54–59, hier S. 59 136 Gespräch von Roger Willemsen mit Karl Lagerfeld auf der lit.Cologne, Oper Köln, 16. März 2012 137 Gespräch mit Marina Krauth vom 9. Mai 2019 138 Gespräch mit Wolfgang Hölker vom 9. Juli 2019 139 «Des Kaisers neue Kleider». Das Märchen von Hans Christian Andersen, illustriert von Karl Lagerfeld. Münster 1992. Neuauflage 2019. 140 Gespräch von Roger Willemsen mit Karl Lagerfeld auf der lit.Cologne, Oper Köln, 16. März 2012

2000 bis 2019 1 Gespräch mit Werner Thiele vom 14. Dezember 2019 2 Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Mode-

mann?» Stern, 12. Oktober 1978

3 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 27. November 2019 4 Wibke Bruhns: «Der gestiefelte Kater. Was macht eigentlich so ein Mode-

mann?» Stern, 12. Oktober 1978

5 Karl Lagerfeld, Jean-Claude Houdret: «Die 3D-Diät». Göttingen 2002,

S. 79

6 Karl Lagerfeld, Jean-Claude Houdret: «Die 3D-Diät». Göttingen 2002,

S. 167

7 Karl Lagerfeld, Jean-Claude Houdret: «Die 3D-Diät». Göttingen 2002,

S. 61

8 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 9 Karl Lagerfeld, Jean-Claude Houdret: «Die 3D-Diät». Göttingen 2002,

S. 73

364

Anmerkungen

10 Marie-Claire Pauwels: «Karl le magnifique». Le Point, 7. Juli 2005, S. 76 11 Gespräch mit Caroline Lebar vom 18. April 2019 12 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 13 «Markus Lanz», ZDF, 19. April 2012 14 Loïc Prigent: «Sébastien Jondeau, l’ange gardien de Karl Lagerfeld: ‹Parler

avec lui, je ne pensais pas que ça me manquerait autant›». Madame F ­ igaro, 9. Februar 2020 15 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 312 16 Alfons Kaiser: «Aus der Vorstadt in die Mode. Er war sein Leibwächter, Assistent und Vertrauter: Vier Monate nach dem Tod von Karl Lagerfeld hat Sébastien Jondeau nun eine neue Aufgabe.» Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16. Juni 2019, S. 14 17 «Boulevard Bio», ARD, 5. November 1996 18 Florentine Pabst: «Karls neue Kleider. Wie ein listiger Hamburger seine modischen Einfälle in Paris durchsetzte». Stern, 20. September 1973 19 «Der Zopf bleibt dran». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Magazin, Oktober 2015, S. 88 20 «Der Zopf bleibt dran». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Magazin, Oktober 2015, S. 88 21 «Bei mir wird nicht diskutiert». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54 22 «Der Zopf bleibt dran». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Magazin, Oktober 2015, S. 88 23 Nathalie Mont-Servan: «Haut les cols». Le Monde, 17. Januar 1976 24 «Ich bin total improvisiert. Ein Gespräch über Paris, Papier-Passion und die Freiheit, Karl Lagerfeld zu sein». Von Sandra Brant und Ingrid Sischy. In «Karl Lagerfeld. Modemethode». Vogue Special, Mai 2015, S. 12–17, hier S. 15 25 Gespräch mit Philippe Zubrzycki vom 27. November 2019 26 «Der Zopf bleibt dran». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Magazin, Oktober 2015, S. 88 27 Karl Lagerfeld im Gespräch mit Bridget Foley auf dem «WWD Apparel and Retail CEO Summit», New York, 8. Januar 2013 28 Alfons Kaiser: «Karl Lagerfeld trägt und macht Schmuck». Frankfurter Allgemeine Magazin, 9. Dezember 2017, S. 20 29 «The Charlie Rose Show». Interview von Charlie Rose und Harriet Mays. Bloomberg Television, 10. Februar 2006 30 «Hinter den Kulissen von Chanel. Künstler, Ateliers und Werkstätten». Eine Reportage von Laetitia Cénac. Illustrationen Jean-Philippe Delhomme. Aus dem Französischen von Cornelia Panzacchi. München 2019, S. 163 31 «Beckmann», ARD, 5. Juli 2004 32 «Markus Lanz», ZDF, 17. März 2011 33 «War doch schön». Eine Nahaufnahme von Inga Griese und Jennifer ­Wilton. Welt am Sonntag, 1. Dezember 2013, S. 18 34 Marie-Claire Pauwels: «Karl le magnifique». Le Point, 7. Juli 2005, S. 75 35 «Bei mir wird nicht diskutiert». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54

Anmerkungen

365

36 Tilman Allert: «Gruß aus der Küche. Soziologie der kleinen Dinge».

Frankfurt 2017, S. 217

37 Loïc Prigent: «Sébastien Jondeau, l’ange gardien de Karl Lagerfeld: ‹Parler

avec lui, je ne pensais pas que ça me manquerait autant›». Madame F ­ igaro, 9. Februar 2020 38 «Karl Lagerfeld. L’étoffe d’une star.» Interview von Anne-Cécile Beaudoin und Elisabeth Lazaroo. Paris Match, 28. April 2013 39 «Markus Lanz», ZDF, 19. April 2012 40 Gespräch mit Gloria von Thurn und Taxis vom 13. August 2019 41 Gespräch mit Donald Schneider vom 25. März 2020 42 Gespräch mit Caroline Lebar vom 24. April 2020 43 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 44 Gespräch mit Carine Roitfeld vom 1. Oktober 2019 45 Gespräch mit Caroline Lebar vom 19. März 2020 46 Gespräch mit Sophie de Langlade vom 1. Oktober 2019 47 «Mode lebt von Hysterie». Interview von Dirk van Versendaal. Stern, 18. November 2004, S. 282 48 Vgl. zu diesem Kapitel Alfons Kaiser und Julia Löhr: «Auf allen Kanälen. Karl Lagerfeld wird mit seinen vielen Kampagnen gerade zu einer der größten Werbe-Ikonen.» Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. April 2011, S. 16 49 Vgl. «Gero von Boehm begegnet … Karl Lagerfeld». 3sat, 12. September 2005 50 «Bei mir wird nicht diskutiert», Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54 51 Seit den neunziger Jahren trank er nur noch Pepsi Max, eine kalorienarme und zuckerfreie Cola, nicht mehr Coca-Cola: «In die Cola light in Frankreich haben die neuerdings einen Zusatz reingetan», behauptete er. «Die schmeckt jetzt wie Mundwasser.» In: «Vergebung zählt nicht zu meinem Wortschatz». Interview von Sven Michaelsen und Stefanie Rosenkranz aus dem Jahr 1996. In «Adieu, Karl. Ein Nachruf», Stern Extra, Februar 2019, S. 68–73, hier S. 72 52 «Bei mir wird nicht diskutiert», Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54 53 Gespräch mit Tina Müller vom 7. Januar 2020 54 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 200 f. 55 Alicia Drake: «The Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 215 56 Vanessa Lau: «May 10, 1978: La Vie En Rouge». Women’s Wear Daily, 29. November 2010 57 Vgl. Laurent Allen-Caron: «Le Mystère Lagerfeld». Paris 2017, S. 266 f. 58 Zit. nach Laurent Allen-Caron: «Le Mystère Lagerfeld». Paris 2017, S. 266 59 Gespräch mit Godfrey Deeny vom 17. April 2019 60 «Ich bin die Unschuld vom Lande». Interview von Viola Keeve und Dirk van Versendaal. Stern, 14. Dezember 2006, S. 116–121 61 «Das Lagerfeld-Alphabet. Der Modeschöpfer buchstabiert seine Welt  –

366

Anmerkungen

von A wie ‹Armani› bis Z wie ‹Zukunft›». Protokoll von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11. Februar 2007, S. 55 62 Alexandre Debouté, Véronique Richebois: «Pierre Bergé. Le Pygmalion». Paris 2020, S. 207 63 Laurence Benaïm: «Yves Saint Laurent. A Biography». New York 2019, S. 446 64 Gespräch mit Peter Kempe vom 1. Oktober 2019 65 Pierre Bergé: «Lettres à Yves». Paris 2010, S. 15 66 Pierre Bergé: «Lettres à Yves». Paris 2010, S. 78 67 Pierre Bergé: «Lettres à Yves». Paris 2010, S. 38 68 Pierre Bergé: «Lettres à Yves». Paris 2010, S. 39 69 Wolfgang Joop: «Die einzig mögliche Zeit». Hamburg 2019, S. 297 70 Gespräch mit Philippe Heurtault vom 5. Januar 2020 71 Laurence Benaïm: «Yves Saint Laurent. A Biography». New York 2019, S. 361 72 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 31 ff. 73 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 75 f. 74 Gespräch mit Gerhard Steidl vom 7. März 2020 75 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 114 ff. 76 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 116 f. 77 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 192 78 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 14 f. 79 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 160 80 Vgl. Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 178 81 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 183 82 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 183 f. 83 Karl Lagerfeld: «Metamorphoses of an American: A Cycle of Youth 2003– 2008». Göttingen 2008 84 «La Blonde et Moi: Une journée dans la vie de Karl Lagerfeld». Dokumentation von Alexandra Golovanoff, 18. Oktober 2009, Paris Première 85 «Gero von Boehm begegnet … Karl Lagerfeld». 3sat, 12. September 2005 86 Ingrid Sischy: «The Boy Who Loved Chanel». Vanity Fair, September 2015, S. 300–303, hier S. 302 87 «Bei mir wird nicht diskutiert». Interview von Alfons Kaiser. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2011, S. 54 88 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 13. November 2017 89 Ingrid Sischy: «The Boy Who Loved Chanel». Vanity Fair, September 2015, S. 300–303, hier S. 303 90 Vgl. zu einer ersten Fassung dieses Kapitels: Alfons Kaiser: «Die große Show». Frankfurter Allgemeine Magazin, 14. September 2019, S. 58 ff. 91 Gespräch mit Rosemarie Le Gallais vom 27. November 2019 92 Gespräch mit Eric Wright vom 8. September 2019 93 Gespräch mit Stefan Lubrina vom 1. Februar 2020 94 Gespräch mit Michel Gaubert vom 15. April 2019 95 Karl Lagerfeld im Gespräch mit Bridget Foley auf dem «WWD Apparel and Retail CEO Summit», New York, 8. Januar 2013 96 Vgl. das Postskriptum in der Taschenbuchausgabe: Alicia Drake: «The

Anmerkungen

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Beautiful Fall: Fashion, Genius and Glorious Excess in 1970s Paris». London 2012 (2006), S. 378 ff. 97 «Ich bin die Unschuld vom Lande». Interview von Viola Keeve und Dirk van Versendaal. Stern, 14. Dezember 2006, S. 116–121, hier S. 117 98 Arnaud Maillard: «Karl Lagerfeld und ich. 15  Jahre an der Seite des ­Modezaren». München 2007 99 Arnaud Maillard: «Karl Lagerfeld und ich. 15  Jahre an der Seite des ­Modezaren». München 2007, S. 252 100 «Johannes B. Kerner», ZDF, 9. Juni 2009 101 Twitter, @sibelschick 102 Karl Lagerfeld im Gespräch mit Bridget Foley auf dem «WWD Apparel and Retail CEO Summit», New York, 8. Januar 2013 103 Karl Lagerfeld: «Karlikaturen». Göttingen 2019, S. 47 104 Karl Lagerfeld: «Karlikaturen». Göttingen 2019, S. 93 105 Karl Lagerfeld: «Karlikaturen». Göttingen 2019, S.128 106 Karl Lagerfeld: «Karlikaturen». Göttingen 2019, S. 135 107 Christophe Ono-dit-Biot : «Karl Lagerfeld: ‹La mort, c’est pour les autres qu’elle me dérange›». Le Point, 9. Mai 2018 108 Gespräch mit Gloria von Thurn und Taxis vom 13. August 2019 109 Gespräch mit Wolfgang Joop vom 20. Februar 2020 110 Thomas Schmid: «Lagerfeld in dumpfen Wassern». Die Welt, 13. November 2017, S. 3 111 Joelle Diderich: «Karl Lagerfeld Talks Jewelry, Weinstein – and Acupuncture». Women’s Wear Daily, 13. November 2017, S. 2 112 Paul Sahner: «Karl». München 2019, S. 313 113 «Karl Lagerfeld: the creations and the controversy». Interview von Cathy Newman. Channel 4 News, 11. Oktober 2012 114 Vgl. Alfons Kaiser: «Ein zurückgegebenes Geschenk. Prominente haben Hemden zum Gedenken an Karl Lagerfeld entworfen, die für einen guten Zweck verkauft werden». Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. September 2019, S. 9 115 Vgl. Emmanuel Paquette: «L’argent voyageur de Karl Lagerfeld». L’Express, 5. Januar 2016 116 Gespräch mit Gerhard Steidl vom 7. März 2020 117 Fabrice Lhomme und Hervé Gattegno: «Le testament de Jean-Claude Méry, financier occulte du RPR». Le Monde, 21. September 2000 118 Laurent Mauduit: «Le redressement fiscal de M. Lagerfeld a été réduit de moitié». Le Monde, 27. September 2000 119 Vgl. o. N.: «Dominique Strauss-Kahn avait suivi l’avis du fisc sur le dossier Lagerfeld». Le Monde, 6. Oktober 2000 120 Arnaud Maillard: «Karl Lagerfeld und ich. 15  Jahre an der Seite des ­Modezaren». München 2007, S. 184 f. 121 Gespräch mit Wolfgang Joop vom 20. Februar 2020 122 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 166 123 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 166 124 Gespräch mit Baptiste Giabiconi vom 25. September 2019 125 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 169 126 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 169

368

Anmerkungen

127 «Markus Lanz», ZDF, 19. April 2012 128 Im Podcast 3.55 des Magazins «Monocle», Februar 2019, aufgenommen

im Dezember 2018

129 Gespräch mit Ashley Tschudin vom 9. September 2019 130 Amy Larocca: «Karl Lagerfeld on His Mother, € 3 Million Cat, and Being

a ‹Fashion Vampire›.» The Cut, 31. März 2015

131 Karl Lagerfeld im Podcast 3.55 des Magazins «Monocle», Februar 2019,

aufgenommen Dezember 2018

132 Andrew O’Hagan: «The Maddening and Brilliant Karl Lagerfeld».

T magazine, 12. Oktober 2015

133 «‹All the other designers hate me …› Karl Lagerfeld gets ready to tell all».

Interview von Philip Utz. Numéro, 12. April 2018

134 «Choupette by Karl Lagerfeld». Göttingen 2019 135 «Ich mag es nicht so gern erdnah». Interview von Dirk van Versendaal.

Stern, 9. Oktober 2014, S. 115

136 Gespräch mit Tina Müller vom 7. Januar 2020 137 Amy Larocca: «Karl Lagerfeld on His Mother, € 3 Million Cat, and Being

a ‹Fashion Vampire›.» The Cut, 31. März 2015

138 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 171 139 Vgl. zu den folgenden Absätzen Elisabeth Lazaroo: «Sébastien Jondeau:

Le gardien des secrets de Karl Lagerfeld.» Paris Match, 19. Dezember 2019, S. 98 ff. 140 Gespräch mit Sébastien Jondeau vom 19. März 2020 141 Vgl. zu den folgenden Absätzen Alfons Kaiser: «Aus der Vorstadt in die Mode. Er war sein Leibwächter, Assistent und Vertrauter: Vier Monate nach dem Tod von Karl Lagerfeld hat Sébastien Jondeau nun eine neue Aufgabe.» Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16. Juni 2019, S. 14 142 Marion Ruggieri: «‹Il est mort dans ma main›: le garde du corps de Karl Lagerfeld se confie sur son décès.» Elle, 24. September 2019 143 Elisabeth Lazaroo: «Sébastien Jondeau: Le gardien des secrets de Karl ­Lagerfeld.» Paris Match, 19. Dezember 2019, S. 98 ff. 144 Gespräch mit Caroline Lebar vom 13. Juni 2019 145 Elisabeth Lazaroo: «Sébastien Jondeau: Le gardien des secrets de Karl ­Lagerfeld.» Paris Match, 19. Dezember 2019, S. 105 146 Gespräch mit Frédéric Gouby vom 20. Juni 2019 147 Gespräch mit Karl Lagerfeld vom 13. November 2017 148 «Hinter den Kulissen von Chanel. Künstler, Ateliers und Werkstätten». Eine Reportage von Laetitia Cénac. Illustrationen Jean-Philippe Delhomme. Aus dem Französischen von Cornelia Panzacchi. München 2019, S. 39 149 Gespräch mit Patricia Riekel vom 20. November 2019 150 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 201 151 Gespräch mit Gerhard Steidl vom 7. März 2020 152 Gespräch mit Patricia Riekel vom 20. November 2019 153 Gespräch mit Miles Socha vom 28. April 2020 154 Gespräch mit Caroline Cnocquaert vom 26. November 2019 155 «Markus Lanz», ZDF, 17. März 2011 156 Gespräch mit Caroline Cnocquaert vom 26. November 2019

Anmerkungen

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157 «‹Er hat gekämpft wie ein Krieger.› Ein Jahr nach dem Tod von Karl

­ agerfeld spricht sein enger Vertrauter Bapitste Giabiconi über das Leben L an der Seite des Modeschöpfers». Interview von Martina Neuen. Stern, 20. Februar 2020, S. 100 158 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 217 159 Elisabeth Lazaroo: «Sébastien Jondeau: Le gardien des secrets de Karl ­Lagerfeld.» Paris Match, 19. Dezember 2019, S. 105 160 Baptiste Giabiconi: «Karl et moi». Paris 2020, S. 220 161 Vgl. Stefan Blatt: «Erbkrieg um Choupette». Bunte, 28. März 2019, S. 24 ff., hier S. 26 162 Vgl. Claudia Fromme: «Schöne Nachrichten». Süddeutsche Zeitung, 20. April 2019, S. 57

Nachleben 1 Catherine Pozzi: «Die sechs Gedichte. Les six poèmes. The six poems». Ins

Deutsche übertragen von Friedhelm Kemp. Göttingen 2002

2 «‹All the other designers hate me …› Karl Lagerfeld gets ready to tell all».

Interview von Philip Utz. Numéro, 12. April 2018

3 Bridget Foley: «The Chanel Influence on Fall. For fall, numerous designers

found inspiration in the Chanel jacket. The timing was mere coincidence.» Women’s Wear Daily, 5. April 2019 4 Vgl. zu den folgenden Absätzen Alfons Kaiser: «Prêt-à-Partir. Im Grand Palais in Paris wird Karl Lagerfelds letzte Chanel-Kollektion gezeigt.» Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. März 2019, S. 7

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Anmerkungen

Bildnachweis

akg-images/picture alliance/Eventpress: S. 311 Archiv Andrea und Matthias Wirthwein, Repro Frank Röth: S. 91 Archiv Andrei Sidorov: S. 19 Archiv Chloé: S. 141 Archiv Claudia Frobenius: S. 16, 83 Archiv Gordian Tork: S. 29, 44, 50, 65, 133 Archiv Hans-Joachim Bronisch: S. 73 Archiv Helmut Junge: S. 49, 55 Archiv Rosemarie Le Gallais: S. 137 Archiv Thoma Schulenburg: S. 99 Archiv Ursula Scheube: S. 80 Archiv Victoire Doutreleau/Lagerfeld-Erben: S. 115 Association Willy Maywald: S. 102 Estate of Antonio Lopez and Juan Ramos: S. 158, 161 Helmut Fricke/FAZ: S. 153 (Archiv Max Mara), 225, 239, 264, 267, 319, 326 Getty Images, München: S. 8 (Christophe Archambault), S. 111 (The Woolmark Company/Keystone-France/Gamma-Keystone), S. 147 (Vittoriano Rastelli/ Cor­bis), S. 181 (Francis Apesteguy), S. 197 (Jürgen Schadeberg), S. 199 (Pierre Perrin), S. 204 (Jürgen Schadeberg), S. 233 (Manuel Litran), S. 237 (Pierre Guillaud), S. 255 (Daniel Simon), S. 277 (Sean Gallup), S. 281 (Bertrand Langlois), S. 291 (Bertrand Rindoff Petroff), S. 295 (Adalberto Roque), S. 297 (Patrick Kovarik) Philippe Heurtault: S. 173, 179 Alfons Kaiser: S. 97, 189, 217 Karl Lagerfeld/Eric Pfrunder: S. 261 sowie vorderer und hinterer Vorsatz Karl Lagerfeld/Frankfurter Allgemeine Magazin: S. 305 William Middleton/Lagerfeld Erben: S. 119 Münchner Illustrierte: S. 123 Max Scheler/Max Scheler Estate/Agentur Focus: S. 2, 156 Leider war es nicht in allen Fällen möglich, die Inhaber der Rechte zu ermitteln. Es wird deshalb gegebenenfalls um Mitteilung gebeten. Der Verlag ist bereit, berechtigte Ansprüche abzugelten.

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Personenregister

Ackermann, Haider  12 Adele, Laurie Blue Adkins  307 Adenauer, Konrad  94, 100 Adjani, Isabelle  223 Adler, Alfred  41 Agassi, Andre  294 Aghion, Gabrielle «Gaby»  135–139, 141, 144–146, 205, 218 Aghion, Mikhaela  145 f. Aghion, Philippe  145 f. Aimée, Anouk  200 Alaïa, Azzedine  128, 130 Albers, Hans  244 Allert, Tilman  273 Alt, Emmanuelle  251 Altman, Robert  252 Amiot, Félix  222 Andersen, Hans-Christian  260, 262 Anderson, Paulo Melim  145 Andreae, Marietta  222, 224, 241–244, 248 f. Andresen, Fritz  76 f., 79 Aoki, Devon  241 Ardisson, Thierry  306 Arletty, Léonie Bathiat  193 Armani, Giorgio  207, 213 Arnault, Alexandre  327 Arnault, Antoine  327 Arnault, Bernard  11–13, 149, 208, 230 f., 263, 268, 317, 321, 323, 327 Arnault, Hélène Mercier  263, 327 Arp, Christiane  251, 268, 320 Audran, Stéphane  142, 200 Auermann, Cosima  294 Auermann, Nadja  199, 294

Baader, Andreas  180 Bacqué, Raphaëlle  39 Bäumer, Marie  184 Bahlmann, Emilie «Milly» (Großmutter)  16, 31, 35, 54, 68, 71 Bahlmann, Karl (Großvater)  28, 30 f., 48, 68, 272 Bahlmann, Wilhelm  28 Bakst, Léon  260 Balenciaga, Cristóbal  112, 167, 299 Balmain, Pierre  11, 110–114, 117, 121, 224, 253 Balsan, Étienne  219 Balthus, Balthasar Klossowski de Rola 165 Balti, Bianca  232 Balzac, Honoré de  172 Barbas, Raymond  121 Bardot, Brigitte  149, 239 Baron, Simone  111 Barthes, Roland  157 Basquez de Sarasola, José  190 Baur, Auguste  36 Baur, Georg Friedrich  36 Beardsley, Aubrey  142 Beckham, David  278 Beckmann, Reinhold  249 Behrens, Peter  143, 184, 260 Belmondo, Jean-Paul  125 Belot, Alain  308 Belperron, Suzanne  272 Bendixen, Peter  72 f., 76, 78 f. Benjamin, Walter  105 f., 260 Berben, Iris  268 Bergé, Pierre  120, 127, 130, 165, 169, 176–178, 205, 215, 284, 286 f., 289 Berger, Helmut  165 f., 173

Personenregister

373

Berghe von Trips, Wolfgang Graf  45 Bergman, Ingrid  127 Berlin, Brigid  164 Bermbach, Peter  106–109, 113, 122, 124 f., 127, 131, 136, 186, 192, 198 Bermbach, Ria  113 Bernard-Reymond, Mathieu  236 Bertelli, Patrizio  208 Bessler, Claudia  145 Bidermann, Maurice  207 Biolek, Alfred  249 Bismarck, Ann Mari von  265 Bismarck, Otto von  265 Bismuth, Aaron Cyril  11 Bizet, Georges  211 Bizzarri, Marco  215 Böge, Dorothee, geb. Großekettler  74 f. Bohan, Marc  121 Bollettieri, Nick  294 Bourdin, Guy  140, 160, 163, 185 Bousquet, Marie-Louise  120 Boveleth, Peter  152 f. Boveleth, Willebert  152–154 Bowie, David  327 Bracchi, Colette  110 f. Brandt, Ruth  31 Brauer, Max  94 Brault, Pascal  214 Briey, Anita  207, 212, 328 Bronisch, Hans-Joachim  75 Bruce, Captain  62 Bruni-Sarkozy, Carla  10, 206, 283 Brynner, Jacqueline  223 Brynner, Yul  223 Buck, Joan Juliet  286 Bündchen, Gisele  313 Bünz, Martha  53 f., 253 Buffet, Bernard  120 Buñuel, Luis  142 Burda, Aenne  249 Burda, Hubert  249 Busch, Werner  58 Caçote, Françoise  314, 328 Caffieri, Jacques  189 Cale, John  327 Callas, Maria  120, 142

374

Personenregister

Camp, Joachim de la  37 Campbell, Naomi  226 f. Campbell-Walter, Fiona  113 Campocasso, Eva  224 Capote, Truman  180 f., 294 Caranicas, Paul  167–169 Cardin, Pierre  157 Caroline, Prinzessin von Monaco  10, 142, 226, 242, 250, 323, 327 f. Carsen, Robert  12 Casiraghi, Andrea  327 Casiraghi, Charlotte  10, 327 Casta, Laetitia  313 Castelbajac, Jean-Charles de  154 Castelnot, Madame  96 Cavalli, Roberto  213 Cazauban, Jean  222 Chabrol, Claude  104, 142 Chanel, Coco  114, 117, 151, 167, 216, 219–225, 227 f., 236, 263, 275, 285–287, 296, 298 f., 319, 329 f. Chaplin, Geraldine  236, 268 Charles, Prince of Wales  12 Chasnel, Gabrielle  219 Chastel, Jacques  96 Chirac, Bernadette  206 Chirac, Jacques  206, 308, 324 Chiuri, Maria Grazia  148 f., 289 Chopin, Frédéric  13 Chow, Michael  160 Chow, Tina  160, 182 Churchill, Winston  9, 221 Clark, Ossie  113 Cleveland, Pat  140, 143, 158, 162, 170 Cnocquaert, Caroline  11, 245–248, 322 f. Coard, Marcel  201 Cocteau, Jean  104, 121 Coddington, Grace  169 Colette, Madame  226 Colette, Sidonie-Gabrielle Claudine 13 Cordes, Charlott  280 Courrèges, André  186 Crawford, Cindy  226, 241 Crescent, Francine  251

Dean, James  128, 294 Deeny, Godfrey  199, 249 f., 285 f. Delacroix, Eugène  104 Delanoë, Bertrand  283 Delanois, Louis  189 Dahan, Yves  315 Delevingne, Cara  13, 236, 241, 297, D’Alessio, Kitty  218 302 D’Arbanville, Patti  160, 166 Dello Russo, Anna  296 Darré, Vincent  147 Deneuve, Catherine  125, 142, 173, Davies, Jake  290 283 Day, Doris  324 Depp, Lily-Rose  241, 245 De Bascher, Anne  171–173 Desclos, Anne  180 De Bascher, Antony  171 f. Desny, Maison  201 De Bascher, Armelle  171 f. Diderich, Joëlle  249 De Bascher, Elisabeth  171 Dietrich, Marlene  96, 113, 158, De Bascher, Gonzalve  171 183–187 De Bascher, Jacques «Jako»  10, 134, 156, 164, 167 f., 170–183, 188–191, Dieudonné, Barbara  76, 85 Dincklage, Hans Günter von  221 193, 195, 206, 209 f., 242, 266, Dior, Christian  40, 53, 95–98, 101, 284, 286–288, 292, 328 112–114, 120 f., 222, 245, 287, De Bascher, Xavier  171 f. 299 De Beauvoir, Simone  126 f., 172 f. Dohm, Hedwig  32 De Blégiers, Nicole  128 Dohnanyi, Klaus von  207 De Brunhoff, Michel  112 Dolce, Domenico  208 De Castella, Xavier  180, 182 Dorléac, Françoise  125 De Champaigne, Philippe  189 Doutreleau, Victoire «Vichnou»  114– De Clermont-Tonnerre, Marie-Lou119, 121, 174, 221, 283 ise  292 f. Drake, Alicia  164, 171, 225, 284, De Gaulle, Charles  108, 249 303 De Givenchy, Hubert  110 f., 142, Droste-Hülshoff, Annette  119 227, 289, 299 De La Falaise, Loulou  136, 165, 169, Dudel, Yvonne  222 Dürer, Albrecht  256 180, 283 f. Duffy, Robert  215 De La Falaise, Maxime  136 Dufour, Gilles  147, 213 De La Fressange, Inès  213, 224, Dumas, Françoise  323 237 f., 240 f., 293, 328 Dupré-Lafon, Paul  201 De La Renta, Oscar  169 D’Urso, Luigi  238 De Lajoüe, Jacques  189, 198 D’Urso, Violette  238 De Langlade, Sophie  47, 213, 222, Duse, Eleonora  260 240, 278 De Lucchi, Michele  195 f. Eichendorff, Joseph von  260 De Maigret, Caroline  10 Eidinger, Lars  329 f. De Noailles, Marie-Laure  120 El Greco, Domínikos TheotokópouDe Rais, Gilles  190 los 118 De Ravenel, Ariel  140, 143, 168, 182, Elbaz, Alber  12 251 Elbers, Dirk  279 De Rola, Thadée Klossowski  134, Elisabeth «Sisi», Kaiserin von 165 f., 168, 174 Österreich  45, 236 De Sole, Domenico  215 Cruz, Penélope  330 Cuevas, Guy  157, 174 Cunningham, Bill  140, 169

Personenregister

375

Elisabeth II., Königin von Großbritannien 195 Elisabeth Bowes-Lyon  195 Elsner, Hannelore  324 Emaer, Fabrice  157, 180 Engel, Céline  207 Erbe, Günter  173 f. Eribon, Didier  80–82, 107 Ertelt, Fritz  152 Ertelt, Ulla  152 Evangelista, Linda  226, 313 Fabius, Laurent  206 Fairchild, John  249 Fath, Jacques  110 f. Fellini, Federico  180 Fendi, Alda  146–148 Fendi, Anna  146–148 Fendi, Carla  146–148 Fendi, Franca  146–148 Fendi, Paola  146–148 Fendi, Silvia  12, 146–148, 323, 327 Fergie, Fergie Duhamel  312 Ferré, Gianfranco  207, 218 Ferrer, Melchor «Mel»  112 Ferres, Veronica  184, 280 Ferry, Bryan  169 Feuerbach, Anselm  146, 235 Fichte, Johann Gottlieb  260 Flaubert, Gustave  39 Foley, Bridget  329 Fonda, Jane  142 Fonda, Peter  324 Fontana, Graziella  136, 139, 151 Ford, Tom  215, 285 Forth, Jane  163, 166 Foubert, Anne-Marie  324 Foucault, Michel  182 Fragonard, Jean-Honoré  189 Franco, Francisco  118 Frank, Jean-Michel  201 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich 236 Fraser-Cavassoni, Natasha  226 Freiligrath, Ferdinand  90 Friedlander, Lee  236 Friedrich II., König von Preußen  57– 59, 89–91, 284

376

Personenregister

Friedrich, Caspar David  235 Friedrichs, Christel  50, 74 Frydlender, Lucien  308 Fürstenberg, Ira von  223 Fuhlendorf, Jürgen  75 Gabbana, Stefano  208 Gainsbourg, Serge  302 Gallé, Émile  197 Galliano, John  218 f., 283, 289, 297, 299 Gan, Stephen  312 Ganz, Bruno  327 Garavani, Valentino  12, 174, 283 Garbo, Greta  113, 311, 313 Garrn, Toni  235 Gass, William H.  263 Gaßner, Hubertus  234 Gaubert, Michel  211, 301 f., 322, 327 Gaultier, Jean Paul  208, 248, 289, 297 Gause, Gundula  325 Gerbaulet, Max  30 Gerber, Kaia  241, 330 Ghèsquiere, Nicolas  320 Ghosn, Carlos  272 Ghosn, Nadine  272 Giabiconi, Baptiste  175, 232, 234 f., 247, 254, 279, 281, 289–293, 310–312, 321, 323 f. Gies, Horst  66 Giudicelli, Tan  155 f. Goalen, Barbara  113 Goethe, Johann Wolfgang von  85, 146, 274, 294 Gontscharow, Iwan  108 Gordon-Lazareff, Hélène  136 Gottschalk, Thomas  249 Gouby, Frédéric  240, 259, 280, 318 Graf, Steffi  314 Gray, Eileen  197, 201 Grcic, Konstantin  184 Griese, Inga  244 Gruau, René  109, 111, 155 Gulbransson, Olaf  257 Gundlach, F. C.  101 Gsovsky, Nikita  52

Hadid, Gigi  10 Haentjes, Michael  243 f. Hagenbeck, Willy  54 Hall, Jerry  159 f., 169 Halston, Roy Halston Frowick  162, 182 Hammerström, Evelyn  279 Handke, Peter  298 Harlan, Veit  94 Harlech, Amanda  147 Heine, Thomas Theodor  201, 257 Helleu, Jacques  225 Helleu, Jean  225 Henkel, Gabriele  282 Hennek, Mat  236 Hepburn, Audrey  112, 142 Herbert, Ulrich  34, 64 Heurtault, Philippe  168, 175–178, 189, 287 Hidalgo, Anne  321 Hilfiger, Tommy  12, 215 Hilke, Antonia  207, 227, 237 Hinzpeter, Fräulein  72 Hitler, Adolf  45, 52, 67–70, 77, 305 f. Hockney, David  178 f. Hölker, Wolfgang  262 Hollande, François  10, 206 Hopper, Edward  234 Hourcade, Patrick  188 Huffzky, Hans  95 Hughes, Fred  163, 173 Hugo, Victor  172 Hun Kim  216 Huymans, Chloé  138 Ieoh Ming Pei  106 Ingram, William  200 Ionesco, Eugène  234 Israelson, Israel  129 Jackson, Michael  78 Jacobs, Marc  215, 219, 226, 248, 329 Jacobsen, Manfred  60, 65 Jagger, Mick  169 Jahr, John  95 Jahrke, Ingrid  60 Jahrke, Rosemarie  60

Jahrke, Sylvia  38–40, 56, 59–61, 64, 82 Jarren, Hans-Otto  79 Jeanmaire, Zizi  121 John, Elton  302 Johnson, Boris  324 Johnson, Caroline  84 Johnson, Christiane «Christel», geb. Lagerfeld (Schwester)  9, 37, 53 f., 56, 59, 65 f., 74, 82–85, 88, 328 Johnson, Jay  166 Johnson, Jeb  166 Johnson, Karl  84 Johnson, Paul  84 Johnson, Robert  84 f. Johnson, Roger  84 Jondeau, Sébastien  10, 12, 84, 134, 216, 268 f., 274, 290 f., 315–318, 321, 323 f., 328 Jones, Grace  160 Joop, Wolfgang  81 f., 101, 170, 174 f., 177, 187, 190–192, 228, 248, 287, 307, 310 Joop-Metz, Karin  174, 176, 187, 190 f., 287 Jordan, Donna  157–159, 162 f., 166, 169 f. Jouanne, Elfriede von  54 Jung, C. G.  129 Junge, Gertrud  37 Junge, Helmut  37 Junge, Kurt  37 Kafka, Franz  260 Kahlo, Frida  168 Kant, Immanuel  70 Kara 122 Kauffmann, Angelika  243 Kawakubo, Rei  208 Keller, Clare Waight  145 Kempe, Peter  46, 286 Kenzo Takada  170, 180, 208 Kerner, Johannes B.  91, 249, 303 f. Kertész, André  236 Kessemeier, Gerda  70 Kessler, Harry Graf  184, 260, 271 Khanh, Emmanuelle  151 Kleber, Claus  325

Personenregister

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Lang Lang  13 Lange, Jessica  160 Lanz, Markus  72, 249, 322 f. Lauda, Niki  324 Lauren, Ralph  12, 207, 210, 256 Lawrence von Arabien  294 Le Bidois, Mademoiselle  96 Le Gallais, Rosemarie  135–139, 143 f., 152, 169, 181, 193 f., 205, 207, 210, 218, 256, 299 Le Masson, Hervé  11, 257 f. Le Pen, Jean-Marie  257 Le Pen, Marine  257 Lear, Amanda  180 Lebar, Caroline  182, 207, 209–211, 247, 256, 259, 268, 276 f., 317, 328 Léger, Hervé  147, 224 LaBrie, Carole  140 Legrain, Pierre  201 Lacroix, Christian  208, 227, 248, Leigh, Vivien  113 252, 283, 289 Lemp, Eleonore  85 Lagerfeld, Elisabeth, geb. Bahlmann Lenoir, Jacques  135 f., 138, 143 f. (Mutter)  9 f., 16 f., 20, 25–30, Lenya, Lotte  108, 184 32–42, 46, 48–51, 53–55, 57, Leonard (Levy), Norbert  96 59–61, 66, 68–75, 81–83, 86, Levete, Amanda  202 88–93, 95, 99 f., 103, 117, 119, 124, 130–134, 148, 155, 158 f., 161, Lévy, Bernard-Henri  283 Lindbergh, Peter  101, 226, 324 168, 177, 184, 192–195, 203, 205, Liselotte von der Pfalz  106 220, 226, 242, 253, 269 f., 272 f., Lloyd, Svetlana  113 313, 328 Longus 232 Lagerfeld, Johannes Jacob (OnLopez, Antonio  129, 140, 155–160, kel)  18, 22 162, 166–170, 182, 192 Lagerfeld, Joseph (Onkel)  18 Lopez Sanchez, Rafael  284 Lagerfeld, Kurt (Cousin)  24, 26, 34, Lubrina, Stefan  135, 300 f. 88, 303 Ludwig II., König von Bayern  173 Lagerfeld, Maria, geb. Wiegels (Großmutter)  18, 26 Ludwig XIV., König von FrankLagerfeld, Ottilie (Tante)  48 reich  106, 198 Lagerfeld, Otto (Vater)  9, 16–27, Ludwig XV., König von Frank32 f., 35–37, 40, 48–56, 59, 61–63, reich  189, 198, 200 66–68, 74 f., 77, 81–84, 86, 88, 92, Ludwig XVI., König von Frank99–101, 103, 110, 124, 128, reich  198, 200 131–134, 148, 154, 194, 205, 226, Ludwig XVIII., König von Frank247, 253, 271, 273, 292 reich 171 Lagerfeld, Theresia, geb. Feigl  36 Ludwig, Inge  75–79 Lagerfeld, Tönnies Johann Otto Luise, Königin von Preußen  260 (Großvater)  17, 26, 48, 129 Luling, Suzanne  96 Lalanne, Claude  118 Lusuardi, Laura  151, 154 Lalanne, François-Xavier  118 Lang, Fritz  260 MacGibbon, Hannah  145 Klee, Paul  109 Klein, Calvin  210 Klum, Heidi  250 Knef, Hildegard  185 Knightley, Keira  220 Kors, Michael  219, 300 Krauth, Marina  11, 260–262 Kroenig, Brad  175, 202, 234 f., 293 f., 328 Kroenig, Hudson  244, 293–296, 302, 328 Kroenig, Jameson  328 Kroenig, Nicole  294, 328 Kruger, Diane  184, 317 Kujawski, Catherine  11, 257 f.

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Personenregister

Macron, Brigitte  10, 206 Macron, Emmanuel  10, 206, 317, 327 Madonna, Louise Ciccone  278 Mafalda von Hessen  213 Maillard, Arnauld  214, 303, 309 Maischberger, Sandra  47, 249 Mann, Katia  32 Mann, Thomas  32, 260 Mansfield, Katherine  104 Maramotti, Achille  150 f., 154 Marie Antoinette, Königin von Frankreich  212 f. Massaud, Jean-Marie  234 May, Karl  89, 92 Maydell, Brita von  320 Mayner, Hed  329 Maywald, Willy  122 McCarthy, Patrick  249 McCartney, Linda  145 McCartney, Paul  145 McCartney, Stella  12, 145, 219 McKnight, Sam  302 McLaren, Malcolm  211 McMenamy, Kristen  241 McQueen, Alexander  219, 299 Menkes, Suzy  252, 322 Menzel, Adolph von  57 f., 187, 198, 284 Merkel, Angela  304–306, 327 Méry, Jean-Claude  308 Meta, Schwester  37 Metternich, Klemens Wenzel Lothar von 260 Meyer-Landrut, Lena  279 Michele, Alessandro  12, 148 f., 215, 329 Middleton, William  119 Minogue, Kylie  278 Mirren, Helen  13 Mitterrand, François  125, 206 Miyake, Issey  208 Molière, Jean-Baptiste Poquelin  82 Monáe, Janelle  330 Mondrian, Piet  142, 288 Montana, Claude  208 Montand, Yves  127 Moore, Julianne  318

Moreau, Jeanne  173 Morrison, Toni  324 Morrissey, Paul  163 Moschino, Franco  208 Moses, Grandma  202 Moss, Kate  199 Moufarrige, Mounir  214 Mozart, Wolfgang Amadeus  240 Müller, Tina  282, 314 Mugabe, Robert  324 Mugler, Thierry  208, 227 Muñoz, Anne-Marie, geb. Poupard  114 f., 118, 128, 158, 283, 294 Muñoz, Carlos  118, 294 Muñoz, José  118 Nanty, Gérald  174 Nattier, Jean-Marc  189 Neckermann, Josef  88 Newhouse, Jonathan  249 Newhouse, Samuel Irving  249 Newson, Marc  202 Newton, Helmut  140, 160, 168, 183– 187, 196, 206, 250 f. Newton, June  187 Nielsen, Asta  260 Nielsen, Kay  260 Nietzsche, Friedrich  260, 263 Nitribitt, Rosemarie  124 Nomi, Klaus  182 Nurejew, Rudolf  165, 182 Odermatt, Arnold  236 O’Hagan, Andrew  183 f. Onassis, Jackie  142 Ora, Rita  318 Ottavi, Marie  288 Pabst, Florentine  260, 269, 294 Paradis, Vanessa  241, 320 Parkinson, Norman  169 Patitz, Tatjana  226 Patou, Jean  121–124, 253 Paul, Bruno  184 Pavarotti, Luciano  211 Pavlovsky, Bruno  228, 230 f., 322, 328

Personenregister

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Peche, Dagobert  201, 243 Perkins, Anthony  127 Perry, Katy  313, 317 Petit, Roland  121 Pfleiderer, Christopher  89 Pfrunder, Eric  231, 233 f., 271, 328 Philo, Phoebe  145 Piaggi, Anna  181, 190, 193, 195, 284 Picardie, Justine  263 Picasso, Pablo  13, 168, 284 Picasso, Paloma  168, 181, 223, 284 Piccioli, Pierpaolo  148 f. Piëch, Ferdinand  324 Pinault, François-Henri  208, 231 Pipart, Gérard  136 Poincaré, Raymond  182 Poiret, Paul  220 Polanski, Roman  125 Pompidou, Claude  223 Ponti, Gio  234 Pooth, Verona  283 Poulet-Dachary, Jean-Claude  178 Pozzi, Catherine  328 Prada, Miuccia  208 Pray, Eleanor L.  20 f. Presley, Elvis  195, 294 Prigent, Loïc  51 Primet, Stéphanie  245, 248 Prinz, Matthias  242 f., 252 Proust, Marcel  117, 120, 245, 262, 283 Puente, Vincent  258 Pugh, Bronwen  113 Putman, Andrée  143, 196, 223, 250

57, 59, 68, 70 f., 86, 88, 90, 119, 192 f. Rathenau, Walther  184, 260, 271 Reed, Lou  327 Rehling, Alexandra von  242, 246 Renger-Patzsch, Albert  260 Ricci, Nina  136 Richards, Cliff  207 Riekel, Patricia  175, 230, 268, 320 f. Rietveld, Gerrit Thomas  234 Righi, Pier Paolo  215 f., 328 Rilke, Rainer Maria  260, 263 Rioufol, Marc  175 Robirosa, Mercedes  224 Rockwell, Norman  202 Roitfeld, Carine  185, 216, 247, 251, 276, 278 Rosier, Michèle  136 Rostand, Jean  91 Roth, Michael  327 Roussos, Demis  190 Royal, Ségolène  206 Ruhlmann, Jacques-Émile  201 Rupert, Johan  214 Rust, Walter  52 Rykiel, Sam  135 Rykiel, Sonia  135, 159, 247, 256, 283

Sagan, Françoise  120, 127 Sahner, Paul  49 f., 55 f., 243 Saint, Clara  165, 168, 173, 176 Saint Laurent, Charles  117 Saint Laurent, Lucienne-Andrée Mathieu  39 f., 117, 283 Saint Laurent, Yves  39 f., 46, 110–121, 123, 126 f., 136, 142, 162–169, 173, 176–180, 187, 205, Quant, Mary  113 207, 215 f., 223, 228, 245, 249, 258, 283–289, 298 f., 303 Rachmaninoff, Sergei  141 Sala, Paquito  224 Rainier III. von Monaco  200 Ramos, Juan  156–158, 162, 167–170, Samet, Janie  285 Sanchez, Amanda  238 182 Sander, Jil  101, 208 Ramsay-Levi, Natacha  145 Sandrock, Adele  260 Ramstedt, Conrad  16, 31, 36, 48 f., Sarkozy, Nicolas  206, 283, 324 90 f., 270 Sartre, Jean-Paul  126 Ramstedt, Eva  16 Sauguet, Henri  114 Ramstedt, Felicitas, geb. Bahlmann (Tante)  16, 28 f., 31–33, 36, 39, 46, Scheele, Gertrud  85, 88

380

Personenregister

Schellenberg, Walter  221 Scheube, Ursula  74–76, 78 f. Schiaparelli, Elsa  139, 167 Schick, Sibel  304 Schiffer, Claudia  10, 213, 227 f., 234, 238–241, 250, 283, 314, 330 Schiller, Friedrich  85 Schlemmer, Oskar  142 Schnackenberg, Walter  201, 260 Schneider, Donald  275 Schulenburg, Thea-Friederike «Thoma» von der  19, 25, 34, 37 f., 51, 56, 70, 85–89, 100, 132, 328 Schulenburg, Theodora von der  86 Schulenburg, Theresia «Thea» von der, geb. Lagerfeld (Halbschwester)  34, 36, 51, 54, 56, 82 f., 85–89, 94 f., 328 Schulenburg, Thomas Graf von der  86 f. Schulz, Heinz-Helmut  76, 253 Schumpeter, Joseph  145 Schwarzer, Alice  173, 246 Sebastian, Birte Carolin  11 Sharif, Omar  165 Shrimpton, Jean  113 Sidorov, Andrei  20 Sieff, Jeanloup  142, 176 Simmen, Henri  201 Simoni, Charles  124 Simons, Raf  289 Sintenis, Renée  232 Sitbon, Martine  145 Slimane, Hedi  268 f., 320, 329 Socha, Miles  249, 322 Soler, Antonio «Padre»  108 Sommier, Géraldine-Julie  137, 139 Sottsass, Ettore  195 f. Sowden, George James  196 Sozzani, Franca  251 Springer, Axel  95 f. Springer, Friede  249 Stahlberg, Julius  87 Stegner, Julia  232 Steidl, Gerhard  46, 225, 232 f., 235, 258 f., 263, 290, 300, 313, 321, 328 Steiger, Rod  312 Steilmann, Klaus  154, 210

Stein, Frances  225 Steinmeier, Frank-Walter  327 Stevens, Cat  160 Stewart, Kristen  245, 318, 330 Strauss, Richard  184 Strauss-Kahn, Dominique  206, 308 f. Strawinsky, Igor  211 Sweetinburgh, Thelma  110 Swinton, Tilda  13 Szekely, Martin  202 Talley, André Leon  128, 140 f., 227, 246 Taut, Bruno  260 Tennant, Stella  227, 241, 266 Thiele, Werner  265 Thun, Matteo  195 f. Thunberg, Greta  324 Thurn und Taxis, Gloria von  185, 227, 242, 274, 307 Thurn und Taxis, Johannes von  227 Tidmarsh, Christine  113 Tilliard, Jean-Baptiste  189 Tippin, Corey Grant  140, 156–159, 163–168 Tisci, Riccardo  269 Toledano, Céline  212–214 Toledano, Ralph  207, 213 f., 216, 256 Toledano, Sidney  231 Tolstoi, Leo  253 Tork, Gordian  31–34, 70 Tork, Tita  16, 46, 119, 177 Tran, Daniela  40 f. Truffaut, François  104, 125 Trump, Donald  324 Trump, Melania  327 Tschentscher, Peter  327 Tschudin, Ashley  312–314 Turbeville, Deborah  140 Turlington, Christy  226 Twiggy, Lesley Hornby  113 Ullrich, Christian  132 Ullrich, Marga  130–132 Utermarck, Friedrich  52 Van Blarenberghe, Louis-Nicolas  188

Personenregister

381

Van Bylen, Hans  279 Van de Velde, Henry  260, 262 Vaughan, Hal  221 Vehka, Eija  156, 162, 170 Veil, Simone  173 Versace, Donatella  329 Versace, Gianni  199, 207, 227 Viard, Virginie  212, 229, 247, 296, 309, 319 f., 322, 324, 328, 330 Vionnet, Madeleine  39, 220 Visconti, Luchino  165, 173 Volf, Nadia  318 Voltaire, François-Marie Arouet  58, 104 Von der Leyen, Ursula  324 Wagner, Karl  38, 47 f., 54, 60 f., 79, 303 Wagner, Richard  298 Warhol, Andy  156 f., 163–166, 168, 170, 173, 177, 179, 181, 200 Warsuma, Amina  140 Wasson, Erin  277 f. Weber, Wilfried  242, 260 Weinstein, Harvey  307 Weis, Josef  131 Werner, Siegfried  47, 50, 55, 74 Wertheimer, Alain  11 f., 218, 222 f., 225 f., 230 f., 238, 320, 322, 328 Wertheimer, Gérard  12, 218, 222, 230 f., 320, 328 Wertheimer, Pierre  222

382

Personenregister

Westminster, Hugh Grosvenor, Herzog von  221 Westwood, Vivienne  283 Weyhe, Christoph von  128, 130 Weymouth, Nicky  179 Wilders, Geert  305 Wilhelm II., Deutscher Kaiser  28 f., 34 Wilke, Horst Joachim  87 f. Willemsen, Roger  263 Williams, Pharrell  13, 236, 296, 302, 320 Williams, Serena  294 Williams, Venus  294 Wintour, Anna  12, 251, 295, 302, 319, 328, 330 Wirthwein, Andrea  89 f., 92 Wirthwein, Matthias  89 f., 92 Woolf, Virginia  13 Wright, Eric  147, 170, 182, 206 f., 209–213, 228, 231, 236–238, 241, 243, 277, 300 Wübbens, Carl  22 Yoji Yamamoto  208, 266 Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon 186 Zanini, Marco  196 Zatsch, Renate  143, 161 f., 169, 192 Zubrzycki, Philippe  271 f.

Stammbaum

Tönnies Johann Otto Lagerfeld * 22.10.1845 Hamburg † 22.6.1931 Hamburg

⚭ 4.11.1871, Hamburg

Maria Wilhelmine Franziska Wiegels * 12.11.1848 Hamburg † 13.3.1936 Hamburg

Heinrich Maria Karl Bahlmann * 6.3.1859 Neustadt, Oberschlesien † 6.3.1922 Beckum

⚭ 21.1.1892, Recklinghausen

Emilia Caroline Maria («Milly») Drecker * 28.2.1865 Recklinghausen † 22.11.1937 Münster

⚭ 31.1.1922 Theresia Feigl * 20.3.1896 Hamburg † 30.11.1922 Hamburg

Elisabeth Josef Emilie Bahlmann * 25.4.1897 Gammertingen † 14.9.1978 Grand-Champ (Bretagne) ⚭ 11.4.1930, Münster

Christian Ludwig Otto Lagerfeld * 20.9.1881 Hamburg † 4.7.1967 Baden-Baden

Theresia («Thea») Lagerfeld (verh. von der Schulenburg) * 30.11.1922 Hamburg † 1.10.1997 Wiesbaden

Martha Christiane («Christel») Lagerfeld (verh. Johnson) * 11.5.1931 Hamburg † 9.10.2015 Portland (Connecticut)

Karl Otto Lagerfeld * 10.9.1933 Hamburg † 19.2.2019 Paris

Zum Buch „Es fängt mit mir an, und es hört mit mir auf.“ Karl Lagerfeld stilisierte sich selbst zum lebenden Logo und zu einem Mythos der Modewelt. F.A.Z.-Redakteur Alfons Kaiser, der Lagerfeld seit langem kannte, stellt in dieser Biographie anhand vieler bislang unbekannter Quellen den charismatischen Modeschöpfer vor. Und er erklärt die vielen Rollen seines Lebens: den jugendlichen Außenseiter im norddeutschen Flachland, das weltgewandte Genie in Paris, den unermüdlichen Zeichner, begeisterten Fotografen, leidenschaftlichen Büchersammler und den preußisch disziplinierten Workaholic.

Über den Autor Alfons Kaiser ist Redakteur der «F.A.Z.» und leitet das Ressort «Deutschland und die Welt». Für das monatlich erscheinende «Frankfurter Allgemeine Magazin», das er ebenfalls verantwortet, zeichnete Karl Lagerfeld jahrelang politische Karikaturen («Karlikaturen»).