Karl Kraus und die Fackel: Aufsätze zur Rezeptionsgeschichte/Reading Karl Kraus: Essays on the Reception of Die Fackel 3-89129-050-0

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Karl Kraus und die Fackel: Aufsätze zur Rezeptionsgeschichte/Reading Karl Kraus: Essays on the Reception of Die Fackel
 3-89129-050-0

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Karl Kraus und Die Fackel

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Karl Kraus und Die Fackel. Aufsätze zur Rezeptionsgeschichte Reading Karl Kraus. Essays on the reception of Die Fackel Herausgegeben von / Edited by Gilbert J. Carr und/and Edward Timms

Karl Kraus und Die Fackel. Aufsätze zur Rezeptionsgeschichte Reading Karl Kraus. Essays on the reception of Die Fackel

Herausgegeben von / Edited by Gilbert J. Carr und / and Edward Timms

Thomas J. Bata Library

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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Karl Kraus und Die Fackel: Aufsätze zur Rezeptionsgeschichte = Reading Karl Kraus / hrsg. von Gilbert J. Carr und Edward Timms. München : Iudicium, 2001 ISBN 3-89129-050-0

© IUDICIUM Verlag GmbH München 2001 Alle Rechte Vorbehalten Druck: Difo Druck, Bamberg Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen

7

Vorwort

9

Foreword

15

Satirisches Selbstverständnis (The self-image of the satirist) Gilbert J. Carr (Dublin) The ‘young’ Kraus and the ‘old’ Burgtheater. Sources and interpretations

23

Peter Hawig (Recke) Karl Kraus und Jacques Offenbach. Untersuchungen und Thesen zu einer Rezeption auf verschiedenen Ebenen

40

Paul Reitter (Ohio) Mimesis, modernism and Karl Kraus’s ‘Jewish question’

55

Edward Timms (Sussex) ‘True believers’. The religious vision of a Jewish renegade

74

Antonio Ribeiro (Coimbra) Nachwelt als diskursives Verfahren in der Fackel

88

Reaktionen der Zeitgenossen (Responses of contemporaries) Julian Johnson (Sussex) The reception of Karl Kraus by Schönberg and his School

99

Allan Janik (Innsbruck) Karl Kraus und die Entwicklung der analytischen Philosophie im 20. Jahrhundert

109

Christian Jäger (Berlin) Unterwegs zum Ungedachten. Karl Kraus’ Aphorismen und die Denkbilder Benjamins und Blochs

120

Elke Lorenz (Lawrence, Kansas) The significance of Albert Bloch’s Nachlass for the understanding of Karl Kraus’s work and biography

132

5

Inhalt

Kurt Krolop (Praha) Karl-Kraus-Rezeption in den böhmischen Ländern

147

Andrew Barker (Edinburgh) Karl Kraus, Friedrich Wolf and the response to February 1934

163

Fragen der wissenschaftlichen Rezeption (Questions of scholarly reception)

Helmut Arntzen (Münster) Die Kraus-Rezeption nach 1945. Eine Typologie

173

Mike Rogers (Southampton) Die Satire der Anspielung bei Karl Kraus und das Problem der Anmerkung

183

Sigurd Paul Scheichl (Innsbruck) Die österreichische Literaturgeschichtsschreibung und Karl Kraus

193

Gerald Stieg (Paris) ,Wir wollen weniger zitiert und mehr gelesen sein. ‘ Karl Kraus in Frankreich

206

Jay F. Bodine (Colorado) Karl Kraus and recent paradigms of literary criticism

219

Bill Dodd (Birmingham) Karl Kraus’s reputation as language critic in the light of ‘linguistically grounded language criticism’

6

231

Abkürzungen

Karl Kraus: Schriften. Hg. von Christian Wagenknecht. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1986ff.: S

1

Sittlichkeit und Kriminalität (1987)

S 2

Die chinesische Mauer (1987)

S

Literatur und Lüge (1989)

3

S 4

Untergang der Welt durch schwarze Magie (1989)

S 5

Weltgericht I (1988)

S 6

Weltgericht II (1988)

S 7

Die Sprache (1987)

S

8

Aphorismen (1986)

S

9

Gedichte (1989)

S 10

Die letzten Tage der Menschheit (1986)

S 11

Dramen (1989)

S 12

Dritte Walpurgisnacht (1989)

S 13

Theater der Dichtung. Offenbach (1994)

S 14

Theater der Dichtung. Nestroy. Zeitstrophen (1992)

S 15

Theater der Dichtung. William Shakespeare (1994)

Andere Werke Karl Kraus’: BSN

1 bzw. 2 Karl Kraus: Briefe an Sidonie Nädherny von Borutin 1913-1936. Hg. v. Heinrich Fischer, Michael Lazarus. Walther Methlagl und Friedrich Pfäfflin. 2 Bde. München: Kösel 1974.

F

Die Fackel. Hg. von Karl Kraus. Wien 1899-1936.

(F Heft-Nr., Erscheinungsjahr, Seite), etwa: (F 391/2, 1914, 40) FS

Karl Kraus: Frühe Schriften. 1892-1900. 2 Bde. Hg. von Johannes J. Braakenburg. München: Kösel 1979. (FS I, 18) Erläuterungen. Hg. von Johannes J. Braakenburg. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1988.

7

Abkürzungen

WiV

Worte in Versen. 9 Bde. Leipzig: Verlag der Schriften von Karl Kraus 1916—

1930.

Andere Quellen: KKA

Karl-Kraus-Archiv der Wiener Stadt- und Landesbibliothek

WSLB

Wiener Stadt- und Landesbibliothek

H.I.N.

Handschriften-Inventurnummer

Kerry

+ Sigel (,Kerry K‘ etc.): Otto Kerry: Karl-Kraus-Bibliographie. Mit einem Register der Aphorismen, Gedichte, Glossen und Satiren. München: Kösel 1970.

A

Numerierung der Aphorismen Kraus’ nach Kerry (bzw. S 8, 475-530).

Vorwort

Das 100. Jubiläum der von Karl Kraus im April 1899 gegründeten Wiener Zeitschrift Die Fackel gab den Anlaß zu einer systematischen Neubewertung der kritischen und

kreativen Rezeption dieses größten monologischen Satirikers des 20. Jahrhunderts, dessen Dialog mit seinen Lesern im Text der Fackel bereits angelegt ist. Hauptthema des internationalen Symposiums, das vom 7.—10. September 1999 unter dem Titel „Karl Kraus und die Nachwelt“ in London veranstaltet wurde, war in diesem Sinne die Rezeption eines Werkes, das bis auf den heutigen Tag starke Reaktionen hervorgeru¬ fen hat. Die Symposiumsbeiträge, die für den Druck wesentlich überarbeitet worden sind, werden hier in drei Teilen mit verschiedenen Schwerpunkten vorgelegt: I. Satirisches Selbstverständnis; II. Reaktionen der Zeitgenossen', III. Fragen der wissenschaftlichen Rezeption. Der Sammelband faßt damit verschiedene kultur- und literarhistorische

Methoden im Rahmen eines möglichst breit definierten Rezeptionsbegriffs zusam¬ men, von der klassischen Wirkungsgeschichte zu den von der Rezeptionsästhetik und dem Poststrukturalismus ausgelösten Diskussionen, von der historisch-biographi¬ schen Archivforschung und der Textphilologie zum intertextuellen und interkulturel¬ len Lesen und den verwandten Fragen des philologischen Kommentars und der Über¬ setzung.

I. Teil: Satirisches Selbstverständnis

Im I. Teil eröffnet das Thema Rezeption verschiedene Perspektiven für eine Beschäf¬ tigung mit dem Selbstverständnis des Satirikers als Textstrategie und als Frage der Identität, beginnend mit zwei einander ergänzenden Studien der eigenen Theaterre¬ zeption bzw. Bearbeitung von Operettenlibretti. Das ,alte‘ Burgtheater gilt als einer der bestimmenden Orientierungspunkte für den konservativen1 Satiriker der Fackel, aber Gilbert Carrs quellenkritische Studie über das, was der junge‘ Kraus jenem Theater zu verdanken hatte, korrigiert naiv biographische Thesen über die prägenden Jugenderlebnisse und deutet die .Erinnerungen' Kraus’ an die großen Schauspieler¬ im Sinne eines textuell konstruierten .Gedächtnisses' - als komplexe Verarbeitung von Eigenem und Angeeignetem. Von eben so großer Bedeutung für das Selbstver¬ ständnis des Satirikers und als autoritative Quelle für dessen Zeitkritik war Jacques Offenbach. Der musikhistorische Beitrag Peter Hawigs zu Kraus’ Offenbach-Bear¬ beitungen bietet Analysen von bisher unerforschten Quellentexten sowie vielfältige Spiegelungen des rezeptiven Prozesses auf verschiedenen Ebenen: Kraus als Offen¬ bach-Interpret, Kraus über zeitgenössische Offenbach-Aufführungen und Offenbach-

9

Vorwort

Forschung, und schließlich Kraus’ Offenbach-Renaissance aus der Sicht der Nach¬ welt. Trotz aller Anerkennung von Kraus als dem konsequentesten Kämpfer gegen den Einfluß der modernen Massenmedien ist seine Pressekritik bisher kaum ohne polemi¬ sche Absicht erörtert, sein Verhältnis zum Journalismus kaum pressegeschichtlich er¬ forscht worden. Außerdem bleiben Kraus’ Einstellungen zur jüdischen Identität und zum Antisemitismus heftig umstritten. Der Aufsatz Paul Reitters stellt einen neuen Zusammenhang zwischen Journalistenrolle und jüdischer Identität als Rezeptionspro¬ bleme her und entdeckt eine modernistische Seite an Kraus’ mimetischer Praxis: Kraus’ selbstbewußte Formexperimentation wurde von führenden deutsch-jüdischen Intellektuellen als Vorbild für eine Überwindung des antisemitischen ,Mimesis’-Stereotyps des jüdischen Journalisten und deshalb für die jüdische Identitätsproblematik als erlösend empfunden. Damit wird die Diskussion um die Frage wieder eröffnet, wie weit Kraus dem Kulturkonservativismus oder der Moderne zuzurechnen sei. Als eindeutig konserva¬ tiv* gilt sein Bekenntnis zum Christentum und seine Wirkung auf katholische Intellek¬ tuelle, etwa des Brenner-Kieises. Edward Timms’ Neuansatz zur religiösen Vision eines jüdischen Renegaten* arbeitet auf Grund von bisher übergangenen Topoi in der Krausschen religiösen Metaphorik die paradoxe kulturelle Identität dieses aus christ¬ lichen wie auch jüdischen Schrift-Traditionen Schöpfenden heraus. Bei Kraus’ Aneig¬ nung der heiligen Schrift geht es Timms auch um ein Beispiel für die intertextuelle Dichte des auktorialen Selbstkommentars des Lyrikers und Polemikers. In ähnlichem Sinne wie diese Darstellung nimmt der Essay Antonio Ribeiros die nuancierten „Vorstellungskomplexe“ in der selbstbezogenen Sprachlogik Kraus’ zum Gegenstand, bei der der Motivkomplex,Nachwelt* eine strategische, diskurssteuernde Funktion hatte. Zwischen Klagen über die unverbesserlichen Zeitgenossen und der Hoffnung auf eine bessere ,Nachwelt* angelegt, bleibt Kraus’ Schreiben - als selbst¬ bewußter dialogischer Prozeß - eine Herausforderung an heutige Leser wie an die Rezeptionsgeschichte.

II. Teil: Reaktionen der Zeitgenossen Kraus’ schöpferische Wirkung auf einige der begabtesten Künstler und Intellektuellen seiner Zeit bildet das gemeinsame Thema einer Reihe von Beiträgen. Obgleich Kraus heute als Schlüsselfigur in der Kulturgeschichte der Moderne (auch auf nichtliterari¬ schem Gebiet) anerkannt wird, ist es bisher nicht immer gelungen, bei seinem häufig zitierten ,Einfluß*, etwa bei möglichen Beziehungen zu Wittgenstein und zum Schön¬ berg-Kreis, zwischen Tatsache und Legende zu unterscheiden. Obgleich der Satiriker vorgab, musikalisch vollkommen ungebildet zu sein, wirkten seine Schriften als Aus¬ löser für den revolutionären Durchbruch der Zwölftonmusik der Schönberg-Schule.

10

Vorwort

Julian Johnsons Analyse der Kraus-Rezeption Schönbergs und seiner Schule geht diesem Einfluß sowohl allgemein in dem strengen musikästhetischen .Gedanken’-Be¬ griff Schönbergs als in besonderen Kompositionstechniken seiner Schüler nach. Allan Janik unterzieht frühere Thesen zum Einfluß Kraus’ auf Wittgenstein einer strengen Überprüfung und erwägt eine mögliche indirekte Wirkung des Aphoristikers auf die Entwicklung der analytischen Philosophie. Vor allem stellt er beim Philosophen eine Reihe einleuchtender Parallelen zu den sprachkritischen Ape^us Kraus’ fest. Dem Thema Sprache und Denken ist auch Christian Jägers Untersuchung der Parallelen zwischen Kraus’ aphoristischem Nachdenken über die Sprache und den lakonischen .Denkbildern' Walter Benjamins und Ernst Blochs gewidmet. Benjamin gilt der Kraus-Rezeption seit langem als wichtige Autorität, aber Jägers Themenschwerpunkt ergänzt die Beiträge Paul Reitters und Jay Bodines in diesem Band, aus denen her¬ vorgeht, wie erst in letzter Zeit auf die Verwandtschaft Benjamins mit Kraus differen¬ zierter eingegangen wird. In der Zwischenkriegszeit war der den aktuellen satirischen Anlässen entfernteste und zugleich verständnisvollste Leser der Fackel der in Amerika lebende expressioni¬ stische Maler Albert Bloch, dessen Briefwechsel über sprachliche Nuancen dem Mei¬ ster der .Sprachlehre' als exemplarische Ausnahme galt, die er mit den Mißverständ¬ nissen seines sprachlich unempfindlichen Publikums zu kontrastieren suchte. Elke Lorenz’ Dokumentation der Korrespondenzen Blochs mit dem engeren Freundeskreis um Kraus ergänzt sowohl die Kraus-Biographie als auch die Geschichte der Rezeption in den Jahren nach dessen Tode. Sie spürt in Albert Blochs Dialog mit Sidonie Nädhemy dem wenig erforschten Weg der Überlieferung der privaten Lyrik auf die Nach¬ welt nach. Außerdem erscheint Blochs intensive Beschäftigung mit Kraus charakteri¬ stisch für die kulturelle Identitätsproblematik im amerikanischen Sprachraum. In den Jahren des politischen Konflikts um die Erste Republik nach 1918 war Kraus nicht der einzige, der die Tschechoslowakei (und umso mehr nach 1934) als legitimste Vertreterin einer mitteleuropäischen Kultur schätzte. In seiner präzisen Quellenstudie rekonstruiert Kurt Krolop die intensive Beschäftigung führender tschechischer und mährischer Intellektueller mit Kraus. Diese (mit der möglichen Ausnahme Frankreichs) wichtigste internationale Dimension der Kraus-Rezeption der Zwischenkriegszeit bildet den Kontext, in dem die allererste Übersetzung seines Hauptwerkes Die letzten Tage der Menschheit entstand. Die Rezeptionszeugnisse, die durch Krolops Darstellung zugänglich gemacht werden, machen auch die Rolle des publizistischen Vorbildes Kraus für den konsensbildenden deutsch-tschechischen Dia¬ log im neuen Staat deutlich. Die Fackel wird oft als bevorzugte kritische Quelle für die Auswüchse und Eitelkeiten des öffentlichen Diskurses in der Habsburger Monar¬ chie am Vorabend ihres Zusammenbruchs herangezogen, aber für die Dokumentation der bitteren Folgezeit der Ersten Republik wurde sie bisher verhältnismäßig unter¬ schätzt. Kraus’ Verhalten im Konflikt zwischen Austrofaschisten und Austromarxisten im Februar 1934 wurde von vielen Zeitgenossen als die problematischste und

11

Vorwort

desillusionierendste Entscheidung seines Lebens wahrgenommen. Andrew Barkers kritischer Vergleich seiner publizistischen Stellungnahme mit der des sozialistischen Dramatikers Friedrich Wolf eröffnet den aktuellen Diskussionen des heutigen Öster¬ reich um das politische Erbe eine wichtige Perspektive für die Einschätzung der Rolle des Satirikers.

IIL Teil: Fragen der wissenschaftlichen Rezeption

Der ID. Teil hat als Schwerpunkt institutioneile (wissenschaftliche, auch journalisti¬ sche) Dimensionen kultureller Überlieferung und Vermittlung, aber Grundthema ist die Unbestimmbarkeit der Satire als literarische Gattung, die ständig die konventio¬ nellen Lesererwartungen herausfordert. Die Probleme der Interpretation werden von Helmut Arntzen systematisch beurteilt, wobei zwischen verschiedenen Phasen und Richtungen der Nachkriegsrezeption unterschieden wird: dem Biographismus der 50er und 60er Jahre, der ideologischen1 Rezeption der 70er, der neopositivistischen Rezeption seit den 80er Jahren. Eine Gefahr der ,extensiven" statt der .intensiven1 Re¬ zeption sei „die Verführung des Thematischen“ im vielfältigen Werk. Eine ähnliche Skepsis äußert Mike Rogers, der die Möglichkeiten und Grenzen der kulturellen Überlieferung, besonders eines so sprachbezogen reflektierenden Stilisten wie Kraus, erörtert, der den Übersetzer vor besondere Schwierigkeiten stelle. Seine „Satire der Anspielung“ - deren mehrschichtige, nichtlineare Textkonstruktion einer Reduktion auf .Meinungsgehalt1 geistige .Hindernisse1 in den Weg legt

sei eher über Textver¬

gleiche mit anderen satirischen Werken der Weltliteratur als mittels eines systemati¬ schen philologischen Apparats zugänglich zu machen. Zwei kritische Bestandsaufnahmen der historischen und aktuellen Kraus-Rezeption auf nationaler Ebene in den institutionellen Kontexten der Kanonbildung und der von Wissenschaftlern mitgeprägten literarischen Öffentlichkeit werden von Sigurd Scheichl und Gerald Stieg beigetragen, die in beiden Fällen die langjährige relative Vernachlässigung des Satirikers und die Einseitigkeit der Rezeption nachweisen. Scheichl beschränkt sich bewußt auf österreichische Literaturgeschichten, in denen er durch genaue Vergleiche die Schwierigkeiten mit der „Präsentation eines literarischen Einzelgängers“ feststellt, ohne auf etwaige „ideologische Bedingungen der Kanonbil¬ dung“ zu schließen - wobei er zeigen kann, was man bis in die Gegenwart dem Sati¬ riker schuldig geblieben ist. Stieg ergänzt die teilweise bekannte frühe Rezeptionsge¬ schichte in Frankreich, bevor er das „Scheitern“ der Kraus-Rezeption an der Hürde des akademischen Systems nachzeichnet und feststellt, daß sogar die verspätete .Entdekkung' der Wiener Moderne zu einer einseitigen Beschäftigung mit der jüdischen Frage und einer Vernachlässigung des Werkes führte. Erst in den letzten Jahren scheine eine werkgerechte Rezeption sich durchzusetzen, nicht zuletzt durch die Bemühungen von Jacques Bouveresse und Pierre Bourdieu.

12

Vorwort

Jay Bodine geht von einem Modell des wissenschaftlichen Paradigmavergleichs aus und läßt eine Reihe von Literaturtheorien der Nachkriegszeit - u.a. Theorien der Lesererwartung, Dialogizität, Poststrukturalismus, Diskurstheorie - Revue passieren, die mehr oder weniger mit dem sprachkritischen Paradigma Kraus’ vergleichbar er¬ scheinen, mit deren Mängeln aber sich Bodine gerade mittels der .Korrektur1 durch den Krausschen Ansatz auseinandersetzt. Abschließend untersucht Bill Dodd Karl Kraus’ Ruf als Sprachkritiker im Zusammenhang der .linguistisch begründeten Sprachkritikk Kraus' Auffassung der Sprache wurde als Herausforderung auch von Sprachwissenschaftlern der Nachkriegszeit empfunden, die sich mit den sprachkriti¬ schen Ansätzen Dolf Stembergers auseinandersetzten. Die Weiterführung dieser Debatten und ihre systematische Präzisierung durch Peter von Polenz und Hans-Jürgen Heringer werden hier zum erstenmal gründlich erforscht. Kraus hat dem literarhistorischen Interesse an Rezeptionsgeschichte ironisch vor¬ gearbeitet, indem er seine satirische Anklage gegen die moderne Gesellschaft als Ver¬ fälschung oder Abfall vom Ideal der .Menschenwürde1 durch den dokumentarischen Abdruck der zum großen Teil verständnislosen Kritiken seines Werkes ergänzte. Da aber die Unzulänglichkeit der Rezeption, wie er sie selbst beklagte, auch die Medien der Nachwelt zu charakterisieren scheint, schiene es geboten, auf seine Aktualität hin¬ zuweisen und als Schlußwort seine häufige Berufung: „Shakespeare hat alles voraus¬ gewußt11 umzumünzen: .Kraus hat vieles vorausgewußt1. Trotzdem stellen die hier ge¬ sammelten neuen Ansätze der Kraus-Forschung eine bescheidene Alternative zur Re¬ zeption als Wiederholung des Vorausgewußten dar. Als Veranstalter der Tagung und Herausgeber des Bandes möchten wir uns an dieser Stelle für die vielfältige Unterstützung bedanken, ohne die das Symposium kaum hätte stattfinden und dieser Band kaum hätte erscheinen können. Für die großzügige finanzielle Förderung danken wir an erster Stelle dem Öster¬ reichischen Kulturinstitut, London, und seinem ehemaligen bzw. jetzigen Leiter, Herrn Dr. Emil Brix und Herrn Dr. Michael Zimmermann; Herrn Dr. Thomas Mit¬ chell, dem Provost der University of Dublin, und dem Provost’s Academic Develop¬ ment Fund; sowie dem Appeal Fund vom Centre for German-Jewish Studies, Univer¬ sity of Sussex. Weitere finanzielle Unterstützung erhielten wir vom Centre for Ger¬ man-Jewish Studies (University of Sussex) und vom Department of Germanic Stu¬ dies, Trinity College, Dublin. Für entscheidende Hilfe bei der Organisation der Veran¬ staltung danken wir unseren Kolleginnen und Kollegen an der School of Advanced Studies, University of London, insbesondere am dortigen Institute of Germanic Stu¬ dies dem Institutsdirektor Professor Dr. Rüdiger Görner und seinen Mitarbeiterinnen Frau Jane Lewin und Frau Karin Hellmer, sowie Frau Andrea Hammel vom Centre for German-Jewish Studies (University of Sussex). Herrn Professor Dr. Werner Welzig, dem Präsidenten der Österreichischen Akade¬ mie der Wissenschaften, Wien, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pro¬ jektgruppe Wörterbuch der Fackel, besonders Frau Evelyn Breiteneder, danken wir

13

Vorwort

herzlich für die wissenschaftliche Präsentation des Wörterbuchs, mit der das Sympo¬ sium eröffnet wurde. Wir sagen auch Herrn Dr. Mike Rogers (Southampton) im Na¬ men des Symposiumspublikums unseren besten Dank für seine schauspielerisch pro¬ fessionelle Lesung aus dem Manuskript seiner englischen Übersetzung der Letzten Tage der Menschheit, sowie den anderen Symposiumsteilnehmerinnen und -teilneh-

mern, unter ihnen Herrn Prof. George Avery (Swarthmore), Frau Silke Hassler (Wien), Herrn Gerald Krieghofer (Wien) und Herrn Professor Dr. Robert Wistrich (Jerusalem), für ihr Engagement und Kooperationsbereitschaft. Schließlich gilt unser Dank den Beiträgerinnen und Beiträgem dieses Bandes, Frau Katrin Eberbach und Herrn Alan Hannigan (Dublin) für die Hilfe bei der Korrek¬ tur und dem iudicium Verlag für seine entgegenkommende und umsichtige Betreuung des Manuskripts. Dublin und Sussex im Juni 2001

14

Die Herausgeber

Foreword

The centenary of Karl Kraus’s magazine Die Fackel founded in Vienna in April 1899, provided the opportunity for a systematic reassessment of critical and creative re¬ sponses to the work of the greatest monologue satirist of the twentieth century, whose dialogue with his readers is implicit in the text of Die Fackel. The focus of the inter¬ national symposium held in London from 7th—10th September 1999 under the title "Karl Kraus und die Nachwelt" was in this sense the reception of his work, which has continued to provoke strong reactionsmntil the present day. The conference papers, which have been systematically revised for publication, are presented here in three sections with different themes: I. The self-image of the satirist; II. Responses of contemporaries', and III. Questions of scholarly reception.

The volume exemplifies a range of cultural and literary historical methodologies within the broad paradigm of reception studies, from classical Wirkungsgeschichte to the debates initiated by Rezeptionsästhetik and post-structuralism, from historical and biographical archival research and text philology to intertextual and inter-cultural reading and the related questions of scholarly annotation and translation.

Part One: The self-image of the satirist

The subject of reception opens various perspectives in which to examine the self-im¬ age of the satirist both as a textual strategy and as a question of identity, beginning with two complementary studies of Kraus’s own theatre reception and adaptation of oper¬ etta libretti. The ‘old’ Burgtheater constitutes one of the defining frameworks for the ‘conservative’ satirist of Die Fackel, but in a critical reassessment of the sources for the ‘young’ Kraus’s debt to that theatre, Gilbert Carr takes issue with naively bio¬ graphical assumptions about formative experiences of Kraus’s youth and elucidates ‘reminiscences’ of the great actors as a textually constructed ‘memory’ comprising a complex blend of personal memories and printed sources. Of equal importance for Kraus’s self-image and an authoritative source for his satire on contemporaries was Jacques Offenbach. Peter Hawig’s musicological research on Kraus’s adaptations of Offenbach analyses hitherto unknown manuscript sources and offers multiple reflec¬ tions of the receptive process: Kraus on Offenbach, Kraus on contemporary Offenbach performance and research, and finally Kraus’s Offenbach renaissance in the eyes of posterity. Despite his being recognized as the twentieth century’s most consistent critic of the influence of the media, Kraus’s critique of the press has scarcely been discussed in an unpolemical way and his relation to journalism scarcely explored by histories of the

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Foreword

press. Moreover, one of the most persistent controversies has concerned his attitudes to Jewish identity and anti-Semitism. Paul Reitter links these two questions in a new approach to the role of the journalist and Jewish identity as problems of reception, and identifies a modernist aspect in Kraus’s mimetic practice: Kraus’s formal innovation was perceived by leading German-Jewish intellectuals as capable of rehabilitating the ‘Jewish mimesis stereotype’ which had dominated anti-Semitic discourse on journal¬ ism. Kraus could thus provide a redemptive model in the ‘Jewish identity’ debate. This reading of cultural identity in terms of formal innovation also re-opens the debate about how much of a cultural conservative or modernist Kraus was. His con¬ version to Christianity and his impact on the Catholic intellectuals of the Brenner cir¬ cle may be considered unambiguously ‘conservative’. In his reassessment of the ‘reli¬ gious vision of a Jewish renegade’, Edward Timms undertakes a close textual reading of neglected topoi in Kraus’s religious imagery to elucidate the paradoxical cultural identity of a writer drawing on Jewish and Christian traditions. Kraus’s creative assim¬ ilation of holy scripture is a classic example of the intertextual resonances in the au¬ thorial voice of the poet and polemicist. This reading is complemented by the paper of Antonio Ribeiro, which documents the intricately self-referential logic of the satirist’s conceptualizing discourse, in par¬ ticular the strategic function which the ‘posterity’ motif and its connotations have for structuring the self-commentary in Kraus’s work. Situated between the satirist’s plaint about unreformed contemporaries and his hopes of a better ‘posterity’, Kraus’s writing remains a self-consciously dialogic process which challenges both present-day readers and the historians of reception.

Part Two: Responses of contemporaries

Kraus’s creative impact on some of the most gifted artists and intellectuals of his age forms the common link between a series of papers. Though Kraus is recognized today as a key figure in the cultural history of modernism (and not only in literature), fact and legend have not always been successfully separated, for example regarding his possible influence on Wittgenstein and his relationship to the Schönberg circle. Al¬ though the satirist claimed to be musically uneducated, his writings helped to inspire the revolutionary breakthrough of twelve-tone composition by Schönberg and his School. Julian Johnson’s analysis of their reception of Kraus demonstrates this influ¬ ence both generally, in the stringency of the ‘musical idea' in Schönberg’s aesthetics, and in the School’s particular compositional techniques. Allan Janik subjects previ¬ ous claims about the influence of Kraus on Wittgenstein to rigorous scrutiny and as¬ sesses the aphorist’s indirect impact on the development of analytical philosophy in an illuminating set of parallels between the philosopher’s and the language critic’s apergus. This theme of language and thought returns in Christian Jäger’s focus on

16

Foreword

the parallels between Kraus’s aphoristic conceptualizations of language and the la¬ conic Denkbilder of Walter Benjamin and Ernst Bloch. Benjamin has long been ac¬ knowledged as a major authority in Kraus reception, but it is only recently that his affinities with Kraus have received closer attention, as illustrated by Jäger and com¬ plemented by Reitter and Jay Bodine. The most distant and yet appreciative reader of Die Fackel in the inter-war years was Albert Bloch, the American-based Expressionist painter, whose correspondence on linguistic nuances provided the master of Sprachlehre with an exemplary exception to contrast with his public’s insensitivity. Elke Lorenz’s documentation of his corre¬ spondence with the Kraus circle fills a major gap both in Kraus biography and in the history of reception for the years after the author’s death. In Albert Bloch’s scarcely researched dialogue with Sidonie Nädherny, Lorenz traces the path by which Kraus’s private poetry was passed down to posterity, while also interpreting Bloch’s intense involvement with Kraus’s work as characteristic of problems of cultural identity expe¬ rienced in America. In the years of political conflict in Austria’s First Republic after 1918, Kraus was not alone in seeing Czechoslovakia as in some respects the most legitimate represent¬ ative of Central European culture (especially after 1934). In a precise study of source material, Kurt Krolop reconstructs the intense engagement with Kraus by leading Czech and Moravian intellectuals. This was (with the possible exception of France) the most important international dimension of Kraus reception in the inter-war period, providing the context in which the first ever translation anywhere of The last days of mankind, Kraus’s magnum opus, was produced. Krolop’s paper makes available key

documents which suggest that Kraus’s example was a catalyst of German-Czech con¬ sensus-seeking dialogue in public debates within the new state. Die Fackel is often cited for its critical testimony to the excesses and delusions of public discourse in the Habsburg monarchy on the brink of its collapse, yet as a source for the bitter years of decline in the First Republic it has been relatively neglected. Kraus’s stance on the conflict of February 1934 between Austro-Fascists and Austro-Marxists was seen by many contemporaries as the most problematic and demoralizing decision of his career. Andrew Barker’s critical comparison of his published response with that of the So¬ cialist dramatist Friedrich Wolf provides an important reference-point for the satirist’s continuing significance in the discourse on modern Austria’s historical legacy.

Part Three: Questions of scholarly reception

Part Three focuses on institutional (academic, in some cases journalistic) dimensions of cultural transmission, but its underlying theme is the elusiveness of satire, as a lit¬ erary genre which constantly challenges the conventional expectations of the reader. The problems of interpretation are set out systematically by Helmut Arntzen, who

17

Foreword

distinguishes between several phases or tendencies in reception since 1945: the biographism of the ’fifties and ’sixties, the ‘ideological’ reception of the seventies, but also the neo-positivistic reception since the 1980s. He sees a danger in thematic and ‘ex¬ tensive’ approaches to Kraus’s multi-faceted oeuvre, which lead too far away from an ‘intensive’ reception of the text. This scepticism is complemented by Mike Rogers, who raises questions about the possibilities and limits of cultural transmission, in the case of this inimitable German stylist, who presents particular problems for the trans¬ lator. Kraus’s ‘allusive satire’, whose multi-faceted, non-linear text construction in¬ trinsically resists reduction to ‘content’ and ‘opinion’, is better approached through comparison with other strategies of satire in world literature than by means of system¬ atic annotation. Two critical historical reviews of a nation’s reception up to the present-day in the institutional contexts of the literary historical canon and a literary public influenced by academic criteria are provided by Sigurd Scheichl and Gerald Stieg. They take issue with the relative neglect or one-sided reception of the satirist. Scheichl consciously limits his survey to Austrian academic literary histories, in comparing the difficulties of presenting an individualistic author in terms of literary history. However, Scheichl’s precise analysis does not attribute this to the ‘ideological conditions’ deter¬ mining the canon, but finds that even in present day works the satirist has not received due attention. Stieg adds to our knowledge of the early history of Kraus reception in France, before demonstrating, on the one hand, the ‘failure’ of the academic establish¬ ment to recognize Kraus, and - even in the belated ‘discovery’ of Viennese modernism - a one-sided emphasis on Jewish identity and a neglect of the literary work. Only in very recent years has a more accurate picture of the work been given, notably in the writings of Jacques Bouveresse and Pierre Bourdieu. Jay Bodine undertakes a comparative analysis of scholarly paradigms in order to review a range of post-war literary theories - including reader response, dialogism, post-structuralism and discourse theory - which to a greater or lesser extent appear comparable to Kraus’s language critical paradigm. In this comparison, Bodine takes issue with their methodological weaknesses, using Kraus’s paradigm as a corrective. The volume concludes with Bill Dodd’s reassessment of Kraus’s reputation as a lan¬ guage critic in the light of ‘linguistically grounded language criticism’. This relates to the challenge which Kraus’s conception of language was felt to present to post-war linguistics. The debate sparked off by the language critique of Dolf Sternberger and others is analysed in depth for the first time here, drawing on the systematic distinc¬ tions of Peter von Polenz and Hans-Jürgen Heringer to describe the nature of Kraus’s critique more precisely. Kraus ironically anticipated literary historical reception studies with his verbatim quotation of largely ignorant reviews of his work, thus reinforcing his satirical indict¬ ment of modern society's distortion or betrayal of the ideal of ‘human dignity’. Since the inadequate journalistic response to his work, which he so deplored, seems to be

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Foreword

matched by posterity, at least as represented in the media, it seems appropriate to end with an acknowledgement of the relevance of his critique, by adapting his frequent invocation of ‘Shakespeare anticipated everything’ to ‘Much of it Kraus anticipated’. Nevertheless the new approaches in Kraus scholarship collected here modestly present an alternative to this cycle of reception already anticipated. As symposium organizers and editors of this volume we here wish to thank all those whose support has, in various ways, made the symposium and this volume pos¬ sible. For their generous financial assistance we owe a special debt of gratitude to the Austrian Cultural Institute, London, and its former and present directors, Dr. Emil Brix and Dr. Michael Zimmermann; to Dr. Thomas Mitchell, Provost of the University of Dublin, and the Provost’s Academic Development Fund; and to the Appeal Fund of the Centre for German-Jewish Studies, University of Sussex. Further financial support was provided by the Centre for German-Jewish Studies (University of Sussex) and the Department of Germanic Studies, Trinity College, Dublin. For their indispensable as¬ sistance with the organization of the symposium we are extremely grateful to col¬ leagues in the School of Advanced Studies, University of London, in particular the Institute of Germanic Studies: its director Professor Dr. Rüdiger Görner and his ad¬ ministrative assistants Ms. Jane Lewin and Ms. Karin Hellmer, as well as to Ms. An¬ drea Hammel of the Centre for German-Jewish Studies, University of Sussex. We should warmly like to thank Professor Dr. Werner Welzig, President of the Austrian Academy of Sciences, Vienna, and his research team in the project group Wörterbuch der Fackel, especially Evelyn Breiteneder, for agreeing to open the Sym¬

posium with a scholarly presentation to mark the publication of the Wörterbuch. We should also like to thank Dr. Mike Rogers (Southampton) on behalf of the Symposium participants for his virtuoso reading from the manuscript of his own English transla¬ tion of The last days of mankind, and to thank the other symposium contributors, in¬ cluding Prof. George Avery (Swarthmore), Silke Hassler (Vienna), Gerald Krieghofer (Vienna) and Professor Dr. Robert Wistrich (Jerusalem), for their dedication and co¬ operation. Finally we thank the contributors to this volume, Katrin Eberbach and Alan Hannigan (Dublin) for their help in proof-reading, and the iudicium Verlag for their patient and thoughtful editing of the manuscript. Dublin and Sussex, June 2001

The editors

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Satirisches Selbstverständnis (The self-image of the satirist) *

The ‘young’ Kraus and the ‘old’ Burgtheater Sources and interpretations

Gilbert J. Carr

Long before reception studies had challenged the canonizing function of literary his¬ tory, Karl Kraus extensively reprinted reviews of his work and public recitals, osten¬ sibly defying the press’s suppression or distortion of information. In these rubrics, ironically styled “Selbstanzeige” in Die Fackel, he has also provided posterity with a record of the history of reading as misreading. This consciousness of the mediating and mediated function of all public discourse is what aligns his language satire with modernism, even if other features of his work are categorized as ‘cultural conserva¬ tism’,1 2 such as his invocations of the ‘old’ Burgtheater, which recurred until the very last pages of Die Fackel. I can scarcely avoid other critics’ conclusions that these comments on an elder generation of actors were ‘stable orientation points’, intended as nostalgic invocations of a lost Golden Age, which counterbalance the satirist’s indictments of decline and corruption in contemporary Vienna. The detailed critical analysis often missed in his reception of the ‘old’ Burgtheater re-emerges in the nuances of his Sprachlehre and his interpretations and textual researches for his Theater der Dichtung, which aimed at putting neglectful philologists to shame and rehabilitating bowdlerized or neglected works in his alternative canon. This affirmative complement to his satire, without doubt a conservative project, was not a passive retrospect, however, rather a challenge to contemporaries and posterity alike. In this sense the ‘old’ Burgtheater remains an essential part of the whole picture. Yet I shall also use this much-discussed theme to show how a meticulous study of historical sources - even in this post-modernist era with its disdain for positivistic methods - may enhance our awareness of the ‘con¬ structed’ dimensions of narrative identity in that textual palimpsest which is Die Fackel. It is obvious why I put ‘old’ Burgtheater in inverted commas. The irretrievability of that theatre wie es eigentlich gewesen is not only a commonplace for theatre historians; as Edgar Yates has warned about that era before phonographic and filmic

1 Jens Malte Fischer: Karl Kraus. Studien zum Theater der Dichtung und Kulturkonservatisimus. (Theorie - Kritik - Geschichte 1) Kronberg/Ts.: Scriptor 1973. 2 On adulation of the Burgtheater as one Kraus’s “Fixpunkte” see Alfred Pfabigan: Karl Kraus und der Sozialismus. Eine politische Biographie. Vienna: Europaverlag 1976, p. 29, who exaggerates the element of ‘distortion’. On their function as counterweight to satirical aggression see Werner Kraft: Karl Kraus. Beiträge zum Verständnis seines Werkes. Salzburg: Otto Müller 1956, pp. 14f., 40ff.

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recording, “all our knowledge is filtered either through memory or through reports whose reliability cannot be determined”.3 Moreover, its irretrievability was invoked soon after its closure in resonant laments by contemporaries, and among these Kraus repeatedly reconstructed his ‘old’ Burgtheater within the specific textual strategies of a polemic. Yet it is also necessary to qualify ‘young’ Kraus with inverted commas too, since there are scarcely any sources for Kraus’s youthful experience outside those same piecemeal self-reconstructions. Why still ask about Kraus’s writings as documents of his own reception and me¬ diation of theatrical experience? Biographical reconstruction may appear out of time with our era of deconstructed subjectivity since “the death of the author”;4 * but the way sources have been used by critics and biographers is very much part of Kraus recep¬ tion, particularly as interpretations of the symbolic status of childhood in Kraus’s writ¬ ing have a bearing on the concept Ursprung and therefore the satirist’s norms in gen¬ eral. A critical review of this reception is called for; and a closer reading of key texts in which he claims a youthful experience of authenticity may make the ‘young’ Kraus appear ever more elusive and the self-reconstruction of this ‘cultural conservative’ more and more akin to modernist textual inventiveness. Although the decade before the founding of Die Fackel is important precisely be¬ cause Kraus’s satirical norm of language appears to be absent,3 his early life and writ¬ ing have either been detached from the main corpus of the oeuvre or connected to it in an unsatisfactory manner. This has followed the pattern of what was termed “automa¬ tisierte Konkretisation” in reception theory, the transmission of works by unreflecting reiteration of standard interpretations.6 The reduction of Die demolirte Literatur to a polemic against individual authors concretizes that work in a way which has pre¬ empted closer scrutiny, and a consensus as regards both his childhood and his contacts with the literary circle Jung-Wien has been based on a very limited range of sources.7

3 W. E. Yates: Kraus and the remembrance of things past. In: Sigurd P. Scheichl, Edward Timms (Eds.): Karl Kraus in neuer Sicht. Karl Kraus in a new perspective. Londoner Kraus-Symposium. (Special issue of Kraus-Hefte) Munich: Edition text + kritik 1986, pp. 76-91, esp. p. 85. 4 Roland Barthes: The death of the author (1968). In: R. B.: Image - Music - Text. Essays. Transl. by Stephen Heath. Glasgow: Fontana, Collins 1977, pp. 142M8. 3 Gilbert J. Carr: Karl Kraus’s reception of satire in his early career. In: Scheichl, Timms: Karl Kraus in neuer Sicht (Footnote 3), pp. 109-27, esp. p. 110. Heidi Rauscher Tilghman: Karl Kraus con¬ fronts modernism: Authenticity versus theatricality in the early writings. [Ph.D. Diss.] Univ. of Washington 1989, has traced Kraus's struggle for norms in his preoccupation with the actors ofthat era. She modifies her over-simplified norm of “naturalness” when recognizing that Kraus’s desig¬ nation of Naturalism as unnatural “Defektspielerei” was a reversal (p. 73). 6 Felix Vodicka: Die Struktur der literarischen Entwicklung. (Theorie und Geschichte der Literatur und der Schönen Künste 37) Munich: Fink 1976, pp. 87-125, esp. p. 120; cf. Walter Reese: Litera¬ rische Rezeption. (Sammlung Metzler 194) Stuttgart: Metzler 1980, pp. 10, 74. 7 Though more detailed comparisons have now been made with Jung-Wien (Nike Wagner: Geist und Geschlecht. Karl Kraus und die Erotik der Wiener Moderne. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1982; Dag¬ mar Lorenz: Wiener Moderne. [Sammlung Metzler 290] Stuttgart: Metzler 1995), its significance was denied by Fischer: Karl Kraus (Footnote 1), p. 115, simply by excluding Kraus from that group-

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The ‘young’ Kraus and the 'old' Burgtheater

The early reviews and feuilletons have, in the meantime, been taken as a source for Kraus s theatre criticism by Kari Grimstad and Heidi Rauscher Tilghman.8 Hans Weigel’s popularizing biography connected the earlier and later career, albeit with a rather simplified psychological explanation of Kraus’s satire deriving from his early failure as an actor, thereby fixing the image of an author of histrionic tempera¬ ment, who for 37 seasons staged himself in the role of militant publicist.9 Weigel was thus a prelude to the psychoanalytically inspired quests for the traumatic origins of Kraus’s aggression - undertaken, for instance, by Margarete Mitscherlich-Nielsen around the centenary of 1974,10 in defiance of the earlier hagiographic biographies and the legend of Kraus’s happy childhood.* 11 Both the hagiographers and the psycho¬ analysts lacked adequate sources. Up to the commemorative exhibitions in Marbach and Vienna in 1999,1_ little biographical material from or about Kraus’s childhood had been published. Instead of checking institutional records of Kraus’s schooling, Mitscherlich-Nielsen and others recycled Karl Rosner’s flawed account,13 just as they relied upon Germaine Goblot’s anecdotal snippets about the infant Kraus’s anxiety and ing; the Early Writings were equally dismissed by Hans C. Rosier: Karl Kraus und die Wiener Moderne. In: Heinz L. Arnold (Ed.): Karl Kraus. (Text + Kritik Special issue) Munich: Edition text + kritik 1975. pp. 39-57, esp. p. 40. Among the very few who did not simply comb “Die demolirte Literatur” for Kraus’s opinions of authors are Christian J. Wagenknecht: Das Wortspiel bei Karl Kraus. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1965, and Kurt Krolop: Wechseldauer der Schwierig¬ keiten beim Schreiben der Satire. Traditionswahl und Zeiterfahrung im Frühwerk von Karl Kraus. In: idem: Reflexionen der Fackel. Neue Studien über Karl Kraus (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Sitzungsberichte 613), Vienna: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1994, pp. 27-52. 8 Kari Grimstad: Masks of the prophet. The theatrical world of Karl Kraus. Toronto, Buffalo, London: Univ. of Toronto Press 1982; Tilghman: Karl Kraus (Footnote 5). 9 Hans Weigel: Karl Kraus oder Die Macht der Ohnmacht. Versuch eines Motivenberichts zur Erhel¬ lung eines vielfachen Lebenswerks. Vienna, Frankfurt/M., Zürich: Molden 1968, p. 38. 10 Margarete Mitscherlich-Nielsen: Sittlichkeit und Kriminalität. Psychoanalytische Bemerkungen zu Karl Kraus. In: Arnold: Karl Kraus (Footnote 7), pp. 21-38, esp. p. 25. Manfred Schneider: Die Angst und das Paradies des Nörglers. Versuch über Karl Kraus. Frankfurt/M.: Syndikat 1977, p. 10, remarks on how critics had continued to be influenced by the satirist’s self-image which had formed a "vitalen Selbstschutz”. Cf. also Pfabigan: Karl Kraus und der Sozialismus (Footnote 2), p. 18. These critiques were vigorously rebuffed by Helmut Arntzen: Karl Kraus und die Presse (Literatur und Presse. Karl Kraus-Studien 1) Munich: Fink 1975, p. 64. 11 Caroline Kohn: Karl Kraus. Le polemiste et l'ecrivain, defenseur des droits de l’individu. Paris: Didier 1962; Werner Kraft: Das Ja des Neinsagers. Karl Kraus und seine geistige Welt. Munich: Edition text + kritik 1974, p. 10. 12 Friedrich Pfäfflin, Eva Dambacher (Eds.): Karl Kraus. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturar¬ chivs im Schiller-Nationalmuseum Marbach. Marbach/N.: Deutsche Schiller-Gesellschaft 1999; Heinz Lunzer, Victoria Lunzer-Talos, Marcus G. Patka (Eds): “Was wir umbringen”. "Die Fackel” von Karl Kraus. Vienna: Mandelbaum 1999. 13 Mitscherlich-Nielsen: Sittlichkeit und Kriminalität (Footnote 10), p. 26; corrected by Sophie Schick in her uncompleted revision of Paul Schick: Karl Kraus in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (n. p. n .d. [Reinbek: Rowohlt 1965]): in her chapters “Kindheit und Schuljahre”, “Die Lehrjahre”, unpublished Mss. WLSB. Zuwachsprotokoll 943, pp. 13f., 31, she establishes that Rosner was not an exact contemporary of Kraus at school. This also corrects Pfabigan: Karl Kraus und der Sozia¬ lismus (Footnote 2), pp. 29f.

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his attachment to his puppet theatre.14 If Goblot’s pre-war researches appear imprecise or even factually incorrect,15 can latter-day Kraus scholarship dispense with such sub¬ jective accounts of Kraus’s contemporaries altogether? If not, how do we use them? More plausible than Mitscherlich-Nielsen’s Oedipal interpretation of Kraus’s anti¬ press campaign (adopted from Fritz Wittels) was Manfred Schneider’s use of Kraus’s reception of King Lear as a “Teilidentifikation mit dem mächtigen Vater” and “dessen überstrengen Moralprinzipien”, compensating for repressed hatred.16 Why ? Which re¬ ception of King Lear? That of 1914 or of Kraus’s youth ? As a claim about Kraus’s childhood it remains unproven. Where else could such a psychoanalytical diagnosis of a narrow, theoretically pre-determined range of behavioural patterns look for evidence of what it calls ‘ego-splitting’ except in Kraus’s text? Why apply it to the author’s personality at all? If the hypothesis were only a textual reading, it could lead to insights about Kraus’s satirical discourse, which more than once invokes responses to author¬ itarian figures and voices. Yet this authoritarian syndrome still contrasts sharply with early interpretations of Kraus and the Burgtheater, by Leopold Liegler or Berthold Viertel, who emphasize his linguistic and acoustic inspiration and its humanizing ef¬ fect; and Hermann Broch's similar account of the young Hofmannsthal and the Burgtheater reminds us that this sense of a formative experience was not one individ¬ ual’s neurotic fixation, but shared by a whole cultural era.17 Resorting to Die Fackel to document Kraus’s memory of the 1880s is problematic, given that the ‘nostalgic’ discourse of its editor is part of a conscious self-construction.

14 Mitscherlich-Nielsen: Sittlichkeit und Kriminalität (Footnote 10). p. 25; Germaine Goblot: Les par¬ ents de Karl Kraus. In: Etudes Germaniques 5/17-20 (1950), pp. 43-53, esp. p. 47. 15 Corrected by Sophie Schick (Footnote 13). 16 Mitscherlich-Nielsen: Sittlichkeit und Kriminalität (Footnote 10), p. 29; cf. Fritz Wittels: Die Fackel-Neurose. In: Herman Nunberg, Emst Federn (Eds.): Protokolle der Wiener Psychoana¬ lytischen Vereinigung. Vol. 2: 1908-1910. Frankfurt/M.: Fischer 1977, pp. 346-56, esp. p. 347; cf. Schneider: Die Angst und das Paradies (Footnote 10), pp. 23f„ who also applies MitscherlichNielsen's hypothesis of the puppet theatre as (what child psychologists since Winnicott call) a 'tran¬ sitional object’ to the function of the Burgtheater as a medium for combating anxieties experienced in Kraus’s adjustment between domestic security and the threatening outside world (ibid., pp. 168f.). 1

Leopold Liegler: Karl Kraus und sein Werk. Vienna: Lanyi 1920. pp. 60L; Berthold Viertel: Karl Kraus und das Burgtheater. In: B. V: Schriften zum Theater. Ed. by Gert Heidenreich. Munich: Kösel 1970, pp. 404L: Hermann Broch: Hofmannsthal und seine Zeit. In: H.B.: Kommentierte Werkausgabe. Ed. by Paul M. Lützeier. Vol. 9/1. Schriften zur Literatur I. Kritik. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1976, p. 202. Cf. Jens Rieckmann: Schools of inauthenticity. The role of the Akade¬ misches Gymnasium and the Burgtheater in Hofmannsthal’s formative years. In: Jeffrey B. Berlin (Ed.): Turn of the century Vienna and its legacy. Essays in honour of Donald G. Daviau. Vienna: Edition Atelier 1993, pp. 67-77. See also Robert Mühlher: Karl Kraus und das Burgtheater vor 1890. [Orig, in: Österreich in Geschichte und Literatur 10/6 (1966), pp. 298-307]; quoted from: R. M.: Österreichische Dichter seit Grillparzer. Gesammelte Aufsätze. (Wiener Arbeiten zur Deut¬ schen Literatur 2) Vienna, Stuttgart: Braumüller 1975. pp. 276-87. esp. pp. 278L, on the ‘old’ Burgtheater as the source of Kraus’s "Sprachanschauung"; and Weigel: Karl Kraus (Footnote 9), p. 113, on Kraus's reciting poetry "im Stil seines alten Burgtheaters".

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The ‘young’ Kraus and the 'old' Burgtheater

The poem “Jugend” (S 9, 203-207), with its synoptic recall of isolated impressions, red admirals and blue skies, is an idealization of “jenen figürlichen Achtziger Jahren”, which evokes the Burgtheater with the laconic metonymies “ein Wolterschrei” and “Sonnenthals Träne” (S 9, 205f.).ls However, these were long part of Viennese theatre lore19 and encapsulate experiences which Kraus could easily have had for most of the ’nineties too. It is in fact the poem’s operetta heroines who are specific enough to make this a testimony to formative theatrical experience in the mid-to-late ’eighties rather than, say, much earlier, since there was a cluster of performances of precisely these operettas between 1885 and 1887.20 Of course the poem remains a cultural critical intervention in the brashly commercialized war-gripped era of its composition in Sep¬ tember 1917.21 With a similar evocative style, which spares descriptive embellishment in favour of incantation of the names of characters and actors, Kraus’s retrospect on the Burgtheater, in the prose poem which concludes the essay “Das Denkmal eines Schauspielers” (F 391/92, 1914, 40) and in the poem “Sonnenthal” (S 9, 57), repre¬ sents a response to the contemporary crisis of culture which is by no means unique to him. Richard Sennett has connected the alienation and identity crisis in that period with the search for images of spontaneity and authenticity in the actor’s self-realiza¬ tion on the stage.22 The very theme of “mask and costume”, which Tilghman misses in Kraus’s conception of theatre,23 is central to this essay’s paradox: that the actor’s

18 Paul Schick’s generally trustworthy biography used the poem and some aphorisms at face value as childhood reminiscences, which Pfabigan: Karl Kraus und der Sozialismus (Footnote 2), pp. 28f. deemed an uncritical use of sources. 19 For Wolter’s ‘cry’ as part of her vocal range see Ludwig Speidel’s jubilee tribute to her of 15.5.1887 in: L.S.: Sämtliche Schriften. Vol. 4. Schauspieler. Berlin: Meyer & Jessen 1911, p.239. The “Neues Wiener Tagblatt” queried the appropriateness of “Iphigenie”, “das Drama der Leiden¬ schaftslosigkeit” for the emotional closing performance at the old Burgtheater, wishing for a “Wolter-Schrei” rather than the classical reserve of the priestess; Der Abschied vom alten Burgtheater. Der letzte “Einlaß”. Ibid. 284. (13.10.1888), pp. 6f. On Sonnenthal’s “Tränensäcke” and his talent for sentimental (“weinerlichen”) characterization see Jakob Minor’s tribute: Adolf Sonnenthal. [Re¬ printed in]: J. M.: Aus dem alten und neuen Burgtheater. Mit einem Begleitwort von Hugo Thimig.

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Zürich, Leipzig, Vienna: Amaltha 1920, p. 54. Cf. W. E. Yates: Theatre in Vienna. A critical history, 1776-1995. Cambridge: Cambridge Univ. Press 1996, pp. 155f. on Theater an der Wien productions of Andran’s “Gilette de Narbonne” (on 28.3.1885) and of “Die Prinzessin von Trapezunt” (17.1.1885) and Lecocq’s “Angot, die Tochter der Halle” (13.4.1886). Their emulation by spa theatres needs further exploration. Fischer: Karl Kraus (Footnote 1), p. 10, merely characterizes “Gilette” and “Angot” within a trivial post-Offen-

bachian genre. 21 Cf. Kraft: Karl Kraus (Footnote 2), p. 40; Weigel: Karl Kraus (Footnote 9), p. 94, sees Kraus’s hymns to the greats played out against the present decline of the Burgtheater. 22 Richard Sennett: The fall of public man. London 1986, p. 176; cf. Annette Meyhöfer: Das Motiv des Schauspielers in der Literatur der Jahrhundertwende. (Kölner germanistische Studien 27) Co¬ logne, Vienna: Böhlau 1989, p. 42. 23 Tilghman: Karl Kraus (Footnote 5), p. 47: Kraus reduced the stage to “acoustic qualities”, and even in his prose poem of 1914 removed “mask and costume”, “inherent in the theatre”, “from their theatrical context by depicting them as manifestations of a natural or rural environment”, mourning “their loss as if nature itself had ceased to exist”.

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mask does not preclude authenticity. Kraus is at pains to emphasize the great actor’s transcending of convention and role, in life and on stage. The essay would thus lend itself as a primary source for Edward Timms’ hypothesis that the artist’s persona as a conscious self-stylization is a prerequisite for achieving the voice of authenticity.24 Yet does this authenticity exist outside the literary language which evokes and exemplifies it? In Sonnenthal’s letters, testimony to the integrity of a bygone era, Kraus seems to have believed that it did, and, by extension, that his own personal memoir of the ‘old’ Burgtheater is a touchstone for it. However, Kraus the reading subject, inspired to construct imagination’s stage as ‘authentic’ presence, even to draw on acoustic and theatrical effects to do so,25 turns the act of ‘retrieval’ itself into ethical testimony against the keenly felt discontinuity of modernity. This defiant reassertion of continu¬ ity is an act of the present, part of a developing cultural perspective which is likely to have changed his evaluation of original impressions. Can we even accept, as Yates remarks, that in the later Kraus’s adulation of Charlotte Wolter “memory of the actress past survives as a norm of judgment, an ideal’’?26 Grimstad’s meticulous documenta¬ tion of Kraus’s practice during his career, of synthesizing past and contemporaneous theatrical impressions, for example, includes the discrepancies between the early re¬ views and later, such as between Kraus’s approval of Max Burckhard’s ‘modernist’ directorship during the “Stilwandel des Burgtheaters” in the era of Naturalism be¬ tween 1892-94 and his revised opinion of 1897/98, and his concurrent ambiguity to¬ wards Charlotte Wolter after earlier coolness.27 In face of their ephemeral material, theatre historians seek to counterbalance un¬ representative critical opinion with a broad spectrum of other sources of reception.28 Kraus’s later appreciations of that bygone era, his images of unique scenes or acting performances - for instance of Wolter and Sonnenthal, which concur with Ludwig Speidel’s more detailed portraits - are in fact not in themselves unrepresentative of standard Burgtheater history; but merely to corroborate them with texts by other au¬ thors had its pitfalls for the generation of hagiographers.24 Yet his retrospective texts

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Edward F. Timms: Language and the satirist in the work of Karl Kraus. [Ph. D. Diss.] Cambridge University 1967, pp. 64-67.

25 By emphasizing images of the “natural or rural environment” Tilghman: Karl Kraus (Footnote 5). p. 47, overlooks the evidence of highly theatrical constructs of nobility or vitality in the 1914 trib¬ ute, such as the echo of classical diction in Robert’s “edlen Herbstes Röcheln” or the orchestration of leitmotifs: “Orgel", “Hammer”, “Glocke” (F 391/92, 1914, 40). 26 Yates: Kraus and the remembrance of things past (Footnote 3). 27 Kraft: Karl Kraus (Footnote 2), p. 60 and Grimstad (Footnote 8), pp. Ilf. See also Tilghman: Karl Kraus (Footnote 5), p. 48. 2* Norbert Jaron, Renate Möhrmann, Hedwig Miiller (Eds.): Berlin - Theater der Jahrhundertwende. Bühnengeschichte der Reichshauptstadt im Spiegel der Kritik (1889-1914). Tübingen: Niemeyer 1986, p. ix. It is no longer enough to correlate Kraus's eulogy in “Das Denkmal eines Schauspielers” with the equal effusiveness of one theatre historian's sketch of Charlotte Wolter from 1948, as Mühlher once did in: Karl Kraus und das Burgtheater (Footnote 17), p. 282.

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do detach themselves from any purely theatre critical intentionality, not least if invok¬ ing a formative Erlebnis is a means of renewing the subject’s self-identification and of legitimizing his transcending of the fragmented present. Above all, his polemical de¬ nunciations of the new Burgtheater of subsequent decades, as one among many cul¬ tural institutions which earn his disdain, are what make his ‘absolute’ claims about the past controversial - certainly for those critics who interpret his comments on individ¬ ual actors and directors as aspiring to theatre criticism in a professional sense,30 rather than as forming part of his character-orientated satire of contemporary society. The fact that Kraus’s later reminiscences use details unmentioned in the Early Writings makes Die Fackel a supplementary source of early reception, but one that has been filtered in a discourse of re-evaluating impressions. It is striking how little reflection in the Early Writings there is of the debates of professional critics on the defects of the new Burgtheater in the transition after 1888 and general Viennese nos¬ talgia for the old theatre on the Michaelerplatz.31 Even so, the critic Rudolph Lothar (editor of Die Wage, a periodical for which Kraus wrote in 1898) noted the residual influence of Makart and Dingelstedt in the scenic conception and setting around 1899 and observed that the change in acting and speaking style demanded by the new house had not yet been accomplished.32 Whatever Burckhard’s reputation for mod¬ ernist innovation eroding the ensemble, one might infer from this that the transition to the new house did not make the continuities from the old Burgtheater style unrec¬ ognizable. For the most part, when Kraus criticizes the Burgtheater as an institution, he ap¬ pears indifferent towards its stage; and even the ‘old’ Burgtheater for him is not a concrete locus, but an ensemble of actors, voices and scenes which he recalls in vary¬ ing order of preference.33 Yet in the most simplistic interpretations, Kraus’s reception

30 Grimstad: Masks of the prophet (Footnote 8), pp. 46, 169 et passim. 31 Ludwig Gabillon had soon complained of the poor acoustics and loss of intimacy in the new theatre, cf. Yates: Theatre in Vienna (Footnote 20), p. 84. As Yates summarizes it, the declamatory style was used to solve the problem of inaudibility, as “the new building had been constructed with total disregard for the whole tradition of the Burgtheater”, including “the art of subtle conversational speaking” with which it had been associated. Friedrich Uhl in 1888 had remarked on the Burgtheater audience’s receptivity to spoken nuances; idem: Die Gesellschaft. In: Wien. 1848-1888. Eine Denkschrift zum 2. Dezember 1888. Ed. by Gemeinderath der Stadt Wien. Vol. 2. Vienna 1888, pp. 469-552, esp. p. 527. Whereas Ludwig Speidel lamented the disappearance of the old court theatre and its style, and even suggested that the new house be abandoned, Hermann Bahr had urged the company to adapt its traditional style and repertoire to its new surroundings: in: Die Krisis des Burgtheaters, In: H. B.: Zur Kritik der Moderne. Gesammelte Aufsätze. Erste Reihe. Zürich: Verlags-Magazin 1890, pp. 138-47. 32 Rudolph Lothar, Julius Stern et al.: 50 Jahre Hoftheater. Geschichte der beiden Wiener Hoftheater unter der Regierungszeit des Kaisers Franz Joseph I. Vol. I. Das Hof-Burgtheater. Vienna, Magde¬ burg: Schallehn & Wollbrück 1900, pp. 43, 39, who nevertheless noted Burckhard’s loosening of the ensemble. 33 Kraus lists Burgtheater actors e.g. in: F 305/6, 1910, 53; F 326/8, 1911, 60; F 336/7, 1911, 17; F 341/2, 1912, 7; F 339/40, 1911,27.

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of the Burgtheater is reduced to two phases, a happy childhood up to the closing of the old Burgtheater in 1888, and a career thereafter which rejected contemporary theatre, including the ‘new’ Burgtheater, as symptomatic of a general cultural decline. Weigel claims of the moribund old Burgtheater that it symbolized the trauma of Kraus’s lost youth.34 This begs the question as to when the loss is felt, and whether for Kraus the Burgtheater had really died in his puberty, in 1888.1 would argue that there would be a psychological difference between identifying such a loss with that 14-year-old and, say, with the 20-year-old, who suddenly becomes less than enthusiastic about Natural¬ ism in 1894. Kraus’s early criticisms of “Komödiantentum” (FS I, 18) and the “vornehme Hofbühne” (FS I, 21) defy the interpretation of a career committed to the ‘old’ Burgtheater; when in 1892 “das Allerheiligste” is threatened, it is not the Burgtheater, but modern art itself (FS I, 20), and even in 1898 when he does lament that theatre’s decline from being a “Heiligthum” (FS II, 267), it concurs with the journal¬ istic discourse of those years, when the new theatre was declared a disaster by all and sundry.35 In 1935, however, Kraus tacitly adopts the actor Josef Lewinsky’s precise dating of the Burgtheater’s demise from the closure of the old theatre on the Michaelerplatz and the diagnosis of the new building on the Ringstrasse as the theatre’s “Grab¬ mal” (F 916, 1935, 15). As a result, few critics have tried to differentiate Kraus’s idea of the ‘old’ Burgtheater.16 Schneider’s use of the Burgtheater experience to symbolize Kraus’s farewell to youth rests on the assumption that he had attended the last performance in the old court theatre on 12th October 1888.37 Goblot had given credence to this, to the legend that the much loved voice of Adolf Sonnenthal uttering Thoas’s “Lebt wohl!” in Iphigenie auf Tauris lived on in his memory.38 Sophie Schick, otherwise so critical of second¬ hand opinion, claims that Kraus had seen that historic performance with Sonnenthal as Thoas: Er lernte sehr früh das alte Burgtheater kennen und war bei der letzten Vorstellung am 12. Oktober 1888 zugegen. [...] Sonnenthal spielte den Thoas, und sein letztes “Lebt wohl” wurde mit solcher Wehmut gesprochen, als gelte es dem alten Thea¬ ter. So verstand es auch das Publikum, aber der 14jährige Junge, der das Stück

34 Weigel: Karl Kraus (Footnote 9), p. 21. 35 Yates: Theatre in Vienna (Footnote 20), pp. 81, 84. 36 Mühlher gave us no factual basis to his essay: R. M.: Karl Kraus und das Burgtheater vor 1890 (Footnote 17); Fischer feels justified in claiming that “Kraus hat also die entscheidenden Thea¬ tereindrücke vor seinem 15. Lebensjahr empfangen”, J. M. R: Karl Kraus (Footnote 1), p. 4. Others assume, but cannot prove, that Kraus visited the Burgtheater from the age of 13 or 14: Volker Bohn: Satire und Kritik. Über Karl Kraus. Frankfurt/M.: Athenaion 1974, p. 37, says ‘13’; according to Schneider: Die Angst und das Paradies (Footnote 10), pp. 42f„ Kraus visited the 'old' Burgtheater regularly “seit seinem 14. Lebensjahr”. 37 Ibid., pp. 68f. 38 Goblot: Les parents (Footnote 14), pp. 50f.

30

The ‘young’ Kraus and the 'old' Burgtheater

miterlebte, wurde derart ergriffen, daß er es nie vergessen konnte. Es blieb für ihn immer der größte Abschied, den es in deutscher Sprache gibt.39 This is factually incorrect, for Sonnenthal, who delivered Alfred von Berger’s festive epilogue at the close of the last evening, did not play Thoas. On that historic occasion that role was played by Konrad Hallenstein,40 whom on his death in 1892 Kraus re¬ members for portraying “die kräftigen, derben, markigen Menschen” (FS I, 48), but whom he scarcely mentions thereafter, except to imply his mediocrity (F 876-84, 1932, 105; F 906/07, 1935, 27), or to damn with faint praise (F 398, 1914, 13). The absence of any mention of Hallenstein's “Febt wohl!” makes it extremely unlikely that Kraus witnessed it in October 1888. Kraus frequently appreciated the Goethean humanism in this ending, the lapidary response “Febt wohl!" to Iphigenie’s “Bitte um ein holdes Wort des Abschieds”, in terms of inspired renewal, “als ob zum erstenmal in der Welt Abschied genommen würde" (F 329/30, 1911,33) and the encapsulation of ‘new’ emotion in ‘old’ words in "Iphigeniens Abschied" (F 391/92, 1914, 40). Perhaps it was the sheer reverence of tone here that led Schick and others to assume a first-hand experience of that occasion, with the further inference, from this symbolic “Febt wohl!” to an era, that the young Kraus would have received his formative experience before that closing performance. But should not a more discriminating posterity, attuned to the complexities of textually transmitted memory, find other ways of construing such epiphanies than by invoking ‘original experience’? Even the link of “ein holdes Wort des Abschieds” to the vale¬ dictory function of the play for that occasion was a key theme of Berger’s own tribute

39 Sophie Schick: Die Lehrjahre (Footnote 13), p. 16. Her unacknowledged source for the account of Wolter’s unusual emotion in the “Parzenlied”, is Ludwig Gabilion: Tagebuchblätter, Briefe, Erin¬ nerungen. Ed. by Helene Bettelheim-Gabillon. Vienna, Pest, Leipzig: A. Hartleben 1900, p, 223: “Die Wolter, die nach dem Tode ihres Gatten die ‘Iphigenie’ zum ersten Male wieder spielte, wurde beim Sprechen des Parzenliedes so tief ergriffen, daß sie das Weinen nur mühsam unter¬ drückte, und in der mächtigen Erregung brach die weiche Fülle ihres Organs in nie gehörtem Wohllaut durch die niedergekämpften Thränen durch, und die ohnedies gehobene Stimmung im Publikum steigerte sich zu nicht endenwollender Begeisterung.” Retrospectively, Alexander von Weilen remarked on the audience’s sobbing during this performance of “Iphigenie”; idem: Char¬ lotte Wolter. In: Lothar. 50 Jahre Hoftheater. Vol. 2: Künstler-Album [Footnote 32], pp. If. The “Neue Freie Presse” remarked on the audience’s rapt attention to the euphony of her speeches, and then the tearful scenes during Sonnenthal’s epilogue: Der letzte Abend im Burgtheater. In: Ibid. 8670 (13.10.1888), pp.1-3. Just how much of a construct Kraus’s later idea of a Burgtheater tradi¬ tion was can be seen from the way he uses Lewinsky’s tribute to an earlier “Lebt wohl!”, spoken by the “sprachgewaltige Künstler” Heinrich Anschütz, to validate his own appreciation of that key scene. Schneider: Die Angst und das Paradies (Footnote 10), pp. 191 f., is incorrect in assuming that Kraus’s reference to the Anschütz memoir, “[...] uns von einem nachfolgenden Meister als der Ausdruck des erhabensten Abschieds überliefert” (F 777, 1928, 12) implies that Lewinsky himself performed that later farewell. 40 I am grateful to Edward Timms for drawing this to my attention; cf. Karl Kraus (Ed.): Die Fackel. Vol. 12. [Pt. 2]: Franz Ögg: Personenregister zur Fackel Nr. 1 bis 922. Munich: Kösei 1977, p. 171.

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Gilbert J. Carr

in his epilogue,41 and therefore common currency in Vienna. And why assume that Kraus witnessed that particular performance of the long-running classic, which was by no means the last with Charlotte Wolter as Iphigenie?42 For theatre historians there is always a tension between each single performance as a work of art in its own right, and the task of accessing reception through written documents (and, later, recordings). But even in contemporary theatre criticism there is already a tension between the aesthetic value placed on uniqueness and the familiar fact that repertoire entails re-enactment and repetition of the supposedly unique. And how rarely does the critic, who has the possibility of reviving and reinforcing the ini¬ tial impact, of synthesizing memory with the most recent unrepeatable moment, for¬ sake the ideal of uniqueness?43 Despite the finality of Kraus’s eulogies, many of his appreciations of Burgtheater actors confirm this general dynamic between unique and yet still repeatable experience. In March 1907, Kraus’s tribute to the perennial vitality of the eighty-year-old Baumeister: “Nie kann es ähnliches vorher gegeben haben und nie wird es wiederkehren” (F 222, 1907, 15), is typical of this aesthetics of uniqueness applied to this same role of Baumeister’s in Der Richter von Zalamea that he had witnessed at least in 1897, ten years previously (FS II, 22). In 1907, nostalgic retro¬ spect is not required when bearing witness to the “Elementarereignis” ofacurrent example of the so-called ‘old’ Burgtheater style.44 Three other examples in the first decade of Die Fackel would confirm his recep¬ tion of (members of) the old ensemble in the new rather than the old Burgtheater. In 1901, Kraus specifically chooses the much-abused Ernst Hartmann as “ein unver¬ gleichlicher Heinz” in Henry IV in the Burckhard era to compare with the “neurasthenische Puppe Kainz mit equilibristischen Zungenkünsten” (F 65, 1901, 26). When Richard II reopened on 3rd May 1901, Kraus compared it with “die Besetzung, die dem Burgtheaterpublicum einst das edelste der Königsdramen theuer machte”: i. e.

41 Alfred von Berger: Epilog zur letzten Vorstellung im alten k. k. Hofburgtheater. In: Neue Freie Presse 8670 (Footnote 39). Cf. Richard Smekal (Ed.): Das alte Burgtheater. (1776-1888). Eine Charakteristik durch zeitgenössische Darstellungen. Vienna: Schroll 31916. p. 223: "Das Stück ist gut gewählt, denn es verhallt in milde, ans Herz greifende Abschiedsworte.'' 42 "Iphigenie” was played 24 times between 1862 and 1894; Wolter played Iphigenie on 17.9.1889 opposite Hallenstein as Thoas (cf. Gabilion: Tagebuchblätter [Footnote 39], p. 235), on 18.5.89 and 16.12.90 opposite Gabillon; on 14.10.1891 and 16.1.94 opposite Adolf Winds. See also Österrei¬ chischer Bundestheaterverband (Ed.): Burgtheater 1776-1976. Aufführungen und Besetzungen von 200 Jahren. Compiled by Minna von Alth. Vol. 1. Vienna: Ueberreiter 1979, p. 279; Gabillon: Tage¬ buchblätter (Footnote 39), pp. 233, 243. Neither Hallenstein’s nor Gabillon's performance in "Faust" appealed to the young Kraus at the time (FS I, 77). 43 G[ilbert] J. Carr: ‘Organic’ contradictions in Alfred Kerr’s theatre criticism. In: Oxford German Studies 14 (1983), pp. 111-124, esp. pp. 114f. 44 This still applies even though Paul Schlenther (Ed.): Bernhard Baumeister. 50 Jahre Burgtheater. 1852-1902. Eine Statistik. Wien: Konegen 1902, showed that the bulk of that actor’s roles derived from his old Burgtheater days. Cf. Minor: Aus dem alten und neuen Burgtheater (Footnote 19), pp. 124f. “Der Richter von Zalamea” had been performed on 23.2.1907, with Baumeister as Pedro Crespo; cf. Alth: Burgtheater 1776-1976 (Footnote 42), p. 333.

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The ‘young’ Kraus and the ‘old’ Burgtheater

Sonnenthal as Bolingbroke, Robert as Richard II, Kutschera as Percy and Frau Lewin¬ sky as the Duchess of York (F 76, 1901, 16f.) - in fact the cast of the new Burgtheater version between 1890 and 1897.4:1 If Kraus had seen the old Burgtheater cast, with Hallenstein as Bolingbroke, Sonnenthal as Richard II, he would surely have men¬ tioned Robert Hübner as Percy and Zerline Gabillon as the Duchess. Despite the fluc¬ tuations in Kraus’s assessment of Sonnenthal from 1897 to 1909, Kraus admitted in December 1905 that he had witnessed Sonnenthal’s Lear on eight occasions, including the first performance in the new Burgtheater: “Achtmal hat mich - ich hörte ihn schon, als er zum erstenmal das Haus erzittern machte - Sonnenthals Goneril-Fluch erschüt¬ tert wie kaum eine zweite Temperamentsentladung auf deutscher Bühne [...]” (F 191, 1905, 22). The eight occasions are a cumulative sequence not restricted to Kraus’s youth;

the clearest evidence that he returned to the theatre in subsequent years to see

his favourite actors - which was made possible by the long runs in the repertoire. Sonnenthal’s own comments on how his Lear might ‘grow’ with each performance47 remind us that the reality of repertory acting was more than the ‘unsurpassable’ first night. Yet how much had Kraus witnessed of the actors he extols while they were still performing in the old house? Tilghman despairs that “little evidence exists today to suggest which Burgtheater productions Kraus witnessed in the 1880s and early 1890s”.48 Is this true? Admittedly we have very few dated personal records of per¬ formances he witnessed, but it is n o t impossible to reconstruct in terms of whom and what he saw when, by correlating select examples he mentions - even those in his effusive tributes - with the old and new Burgtheater cast lists. One finding is that the vast majority of performances he later specifically admires from (what he presents as) the beloved ensemble of old were available to him in the new Burgtheater. Despite his often stated loyalty to the ‘old’ Burgtheater, his general references to roles and per-

45 For the cast of “Richard II” between 1890 and 1897 see Alth: Ibid., p. 362; and ibid., p. 313 for the years 1875 to 1888. 46 Tilghman: Karl Kraus (Footnote 5), p. 69, rightly points out the fluctuations in Kraus’s assessment of Sonnenthal, “the mixture of praise and rebuke”, but her view that Kraus remained “highly criti¬ cal” of “Sonnenthal’s contemporary stage appearances”, while “valorizing the actor on the basis of his “past performances”, and: “Only as a representative of the past [...] could Sonnenthal meet Kraus’s expectations”, is based on a misreading (ibid., p. 54), as if the 15-year-old Kraus had seen “Lear” “no less than eight times” in 1 8 8 9 , the year of its first performance. In fact it was only played 5 times that year. In 1901. on the other hand, Kraus compares Sonnenthal’s performance as Lear (with a new cast, premiered 23.5.1901) as no less flawed than 10 years before (F 78, 1901,

21). 47 See Sonnenthal’s letters to his son Sigmund of 27.11.1889 and to Heinrich Bulthaupt of 29.11.1889 in: Adolf von Sonnenthals Briefwechsel. Ed. by Hermine von Sonnenthal. Stuttgart, Berlin: DVA 1912, pp. 66, 70 respectively. Sonnenthal continued to play Lear until February 1909, e.g. in Sep¬ tember 1902 and on 5.12.1903; ibid., pp. 191, 201 respectively. 48 Tilghman: Karl Kraus (Footnote 5), p. 25.

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Gilbert J. Carr

forraances do not clearly distinguish between the old and the new Burgtheater as such, or between the 'old' Burgtheater ensemble pre- and post-1888. So what of the longevity of Kraus’s memory? Kraus was not infallible, as his sup¬ posed recollection of the cast of Die lustigen Weiber von Windsor shows.49 If Kraus’s other apparent recollections of deceased actresses and actors are increasingly difficult to verify or falsify, is Kraus and the ‘old’ Burgtheater a closed book now? Let us take two actors, the Gabillon couple. In the poem “Liebeserklärung an Zerline Gabillon” of 1926 Kraus seems to name some of this prematurely deceased (1834-92) actress’s roles, including: “[...] als dich dein Landsmann, der Gascogner, freite. / Das war wohl Benedicts, das war Petruchios / Sieg über Beatrice, Katharina.” (S 9, 605L). Benedict and Beatrice are, of course, from Much ado about nothing, a play often performed in the old Burgtheater, from 1852 to 1880 with Ludwig Gabillon and Zerline as Benedict and Beatrice, but already in the years 1885-88 with the Hartmann couple in these roles.50 Are we to believe that the 52-year-old Kraus was recalling having seen the Gabillons as a 6-year-old, or was it that he was an imaginative reader of sources still available to him? It seems that Kraus’s poem is not about his first-hand experience of her actual roles, so much as an application of Shakespearean roles to her and her hus¬ band’s real life wooing of her, as Kraus imagines it on the basis of other roles he witnessed them in, but also reinforced by the accounts of their early relationship in Ludwig Hevesi’s biography of Zerline and in Helene Bettelheim-Gabillon’s biography of Ludwig Gabillon.51 So does this explode the myth of the ‘young’ Kraus and the ‘old’ Burgtheater? In a footnote in 1935, quoting Jakob Minor on Zerline Gabillon, Kraus also refers to the irretrievable uniqueness of Ludwig Gabillon (1825-96) in a range of roles (F 912-15, 1935, 23L). These roles Kraus lists factually, with such a minimum of pathos that one may hesitate to read this laconic note as testimony that he had actually witnessed Ga¬ billon in all of these roles. The lack of detailed description, the similarity to a lexicon entry, might suggest that it is second-hand knowledge. Nevertheless, two parenthetic glosses tell us some more. Kraus claims to have ‘recently’ recalled Gabillon’s very

49 His claim to remember what was then deemed an apocryphal cast (F 426-30. 1916, 47f.) is cor¬ rected in 1933 to “die spätere ideale Besetzung”, which the Burgtheater had somehow failed to make use of. and, in 1935, to “die zur Verkörperung der Urgestalt wie prädestinierte Nachfolge” (F 917-22, 1936, 24). 50 For the 1852-80 cast see Alth: Burgtheater 1776-1976 (Footnote 42), p. 247; for 1885-88 ibid., p. 342. 51 Ludwig Hevesi: Zerline Gabillon. Ein Künstlerleben. Stuttgart: Bonz 1894. pp. 117f„ specifically casts the marriage as the taming of two “Widerspenstige”, like the clash of temperaments in their Benedict and Beatrice roles. Jakob Minor: Aus dem alten und neuen Burgtheater (Footnote 19), pp. 101-116, esp. pp. 106f„ describes how Zerline perfected a style of pathos particularly in parodistic passages like Beatrice’s challenge in the verbal duel in “Much ado about nothing”: “Nun, Signor Benedikt, wie viele Feinde habt ihr denn aufgefressen", with all the force on the last word. On their courtship see Gabillon: Tagebuchblätter (Footnote 39), pp. 78f., which quotes this passage from Minor.

34

The 'young' Kraus and the 'old' Burgtheater

voice and gait as Georg III in Pitt und Fox: “nach fast einem halben Jahrhundert hörte ich jüngst plötzlich sein gedehntes ‘Was? Quoi?’, ausgreifend wie sein Gang”; and he testifies to the continuing impact of Gabillon as Mattem in Hannele: “noch heute läuft’s einem vor dem Gespenst über den Rücken” (F 912-15, 1935, 24). Knowing the parenthetical style of Kraus’s affirmations, we may, indeed, take these isolated cases as representative of the quality he wishes to claim for the whole range of roles. More¬ over. Kraus’s witnessing of some fifteen of the thirty-three roles in the list during Gabillon’s latter years could be confirmed from other references, which would, in¬ deed, corroborate the reliability of this record of his favourite roles. Even so, the list does not answer the question about his- knowledge of the old Burgtheater, until it is correlated with the Theaterzettel. Only this enables us to compare the frequency of Gabillon’s appearances in those roles during the last two seasons of the old Burgtheater - the most likely period, if at all, for Kraus to have been a spectator there - and in the new Burgtheater (see Appendix).52 How far does this reconstruction affect our interpretation of Kraus? We see that all but two of- those roles listed were either played by Gabillon in the new Burgtheater only, or roles from his old Burgtheater repertoire which he had continued to play in the new theatre. That is, while we cannot disprove that Kraus knew the latter group of roles from the old Burgtheater, the fact that Gabillon’s continued appearance in them over¬ laps with so many roles datable to the new Burgtheater suggests that Kraus’s most in¬ tensive reception of what has been called the ‘old’ Burgtheater was of members of that ensemble in the very first years of the new Burgtheater. But what of the two excep¬ tions mentioned? Euripides’ Der Zyklop, adapted by Adolf Wilbrandt, was premiered on 10th February 1882 and played only 10 times, the last two being 29th December 1886 and 6th January 1887; and Oskar Justinus’ Griechisches Feuer was played 12 times cO

between November 1886 and May 1887.

Of these two, we cannot avoid being struck

by the fact that in his hymn to the ‘old’ Burgtheater actors in 1914, one of the few specific allusions to characters is to the ‘Cyclops’ Gabillon’s speech (F 391/92, 1914, 40). This, at least, seems conclusive enough proof that in 1914 Kraus is recalling an experience ofthe 1886/87 season, when he would have been 12years old. In laconically conveying the ‘lasting’ impression of Gabillon’s performances in 1935 Kraus wants us to know that he did know the old Burgtheater from an early age; but only with the corroboration of the repertoire statistics can we say for certain that his allusion in Feb¬ ruary 1912 to his 25 years of theatre-going (F 343/44, 1912, 20) is reliable.

52 The list is re-ordered chronologically according to the sequence of Gabillon’s appearances in the period under discussion (old Burgtheater January 1887 to October 1888 and new Burgtheater Oc¬ tober 1888 to 1895). Figures are based on: Theaterzettel des k. k. Hofburgtheaters. Österreichische Nationalbibliothek Vienna. The date of Gabillon’s first appearance in longer running productions is taken from the “Rollenverzeichnis 1844-1895” in Gabillon: Tagebuchblätter (Footnote 39), pp. 299-304; cf. also statistics in: Alth: Burgtheater 1776-1976 (Footnote 42). 53 Cf. Alth: Ibid., p. 345.

35

Gilbert J. Carr

Yet are we really able to call it a lasting impression, or is it a reconstructed mem¬ ory, reinforced by reading? Piecemeal and laconic as Kraus’s remarks about the 'old' Burgtheater were - both in the early Fackel and the decade before it - compared with his criticisms of subsequent generations of actors and directors of the new Burgtheater, what is additionally striking is his increasing use of documentation in the later Fackel to vindicate his claim to authentic past experience. We cannot entirely separate the note of 1935 from Kraus’s printed sources, like Gabillon's Tagebuchblätter or, indeed, Jakob Minor’s essays, a literary historian he is known to have scorned (F 279/80, 1909, 33f.). Though Minor names over 100 of Gabillon’s roles,54 Kraus’s list does not entirely overlap with them, and one could still ask why he singles out those particular thirty-three. Paul Schlenther’s obituary for Gabillon included reference to many of them too, including Hagen, Kattwald, Mattem, Derwisch, Don Lope and Junker To¬ bias.55 Certainly, we cannot speak of Kraus’s list as a document of reception in the full sense, only as a claim to have seen these roles, and as a quantitative guarantee of the actor’s consistent exemplification of the qualities claimed in those two roles in Pitt und Fox and Hannele, which are exceptionally evoked. Though his oblique references

in his other documentations in the 1920s and 1930s cannot always be assumed to be testimony to his experience, I would argue that this is indeed their intention here in 1935. But to reinterpret the myth of the ‘old’ Burgtheater in Die Fackel, do we need this positivistic anchorage in the biographical circumstances at all? Yes, but only in the sense that the statistical control and sourcing provide further evidence of the con¬ structed quality of Kraus’s texts, even those that lay claim to homegeneity and invoke the possibility of organic creativity.56 Robert Miihlher recognized the potential contra¬ diction of Kraus’s critical and histrionic leanings: of his philological guardianship of the text which in his beloved spoken arts is all too often sacrificed to enhance perform¬ ance. Miilher uncritically resolved this by concluding that Kraus had indeed witnessed that synthesis of life and philology, acting and poetry, which was the Burgtheater.57 Whereas for the scholar to appeal to Erlebnis begs the question, it is part of the elab¬ orately contrived evocativeness of Kraus’s 1914 essay to cite La Roche’s admonition to Sonnenthal about the actor’s art: “Sein Kunstwerk geht dahin, wie das Lächeln über

44 Minor: Aus dem alten und neuen Burgtheater (Footnote 19), op. cit. 55 Gabillon: Tagebuchblätter (Footnote 39). pp. 292ff. 56 How Kraus’s poetics contrived ‘organic’ unity from a scarcely spontaneous process of editorial substitutions can be seen from his analysis of a poem by Otto Stoessl; see Karl Kraus - Otto Stoessl: Briefwechsel. Ed. by Gilbert J. Carr, Vienna: Deuticke 1996. p. 23. 57 Miihlher: Karl Kraus und das Burgtheater (Footnote 17), p. 284. Also Grimstad: Masks of the prophet (Footnote 8), p. 37: “According to Schreyvogl (p. 67), Sonnenthal was famous for his abil¬ ity as a mime rather than as a speaker”. On the dualism of literary drama and the tradition of virtuoso ‘Gebrauchsdramatik’ see Günter Schäuble: Burgtheater und Gebrauchsdramatik. [Diss.] Univ. Vi¬ enna 1962, p. 89; quoted in: Margret Dietrich: Das Burgtheater und sein Publikum. Vienna: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1976, pp. 385f.

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The ‘young’ Kraus and the ‘old’ Burgtheater

das Gesicht eines Menschen. Drum rede der Freund und der Bewunderer eines seltenen Talents ein dankbares Wort von dem. was gewesen ist!” (F 391/92, 1914, 39). Here intertextual authority is tacitly aimed at cultural decline, but it also appeals to posterity’s capacity for imaginative retrieval. Werner Kraft claimed that “das Bild als ganzes ist wahr und wesentlich, aber die Teile, aus denen es sich zusammensetzt, wurden in der leidenschaftlichen Gegenwart jugendlicher Begeisterung anders erlebt, positiv, negativ, wie jeweils der lebendige Eindruck war".''5 My evidence contradicts the image of Kraus as by nature and from the start a backward-looking conservative with no appreciation of present experiences. I read Kraus’s latter-day appeals to memory, ‘conservative’ as they are, as intimating fragments of ‘authenticity’; but I then question whether this is more than an aesthetic, say, a biographical category, or, indeed, whether the originality invoked can entail Ursprung in any temporal or causal sense, in which it is so often associated with a past

state of innocence.59 I am extremely sceptical of any holistic image of an ‘old Burgtheater era’ actually witnessed by the young Kraus. So construing what is assumed to have been indebtedness to youthful experience in terms of the later satirist’s conscious acts of re-creation may in turn lead to a reassessment of Ursprung, as a concept that is nowhere apparent in his own literary or biographical origins. Ur¬ sprung may be less a static ethical ideal that has once (‘originally’) been ‘experienced’

than a verbal riddle which configures the ethical as a dynamic existential leap across a gaping abyss of thought. Likewise, “Was gewesen ist” is only symbolically retriev¬ able, and whether invoked for poetry or polemic, it is imbued with the present cog¬ nitive interest, as are all acts of reception.60

58 Kraft: Karl Kraus (Footnote 2), p. 60, who also refers to the young Kraus’s “Bilderlebnis”. 59 Schneider: Die Angst und das Paradies (Footnote 10), pp. 175-180, who, however, admits that the childhood reality cannot be restored. A more convincing reading is Jay Bodine’s dynamic concep¬ tion of ‘Ursprung' in: J.B.: Karl Kraus. Sprache, Literatur und Wirklichkeit. [Princeton Univ. Ph.D. Diss. 1973] Ann Arbor Michigan: UM! 1974.pp.23, 122, 13 If. Also John Pizer: "Ursprung ist das Ziel”. Karl Kraus’s concept of Origin. In: Modem Austrian Literature 27/1 (1994), pp. 1-21; An¬ dreas Disch: Das gestaltete Wort. Die Idee der Dichtung im Werk von Karl Kraus. Zürich: Juris 1969. 60 Cf. Reese: Literarische Rezeption (Footnote 6).

37

Gilbert J. Can-

Appendix: Frequency of Ludwig Gabillon’s appearances, 1886/7-1894/5 Ludwig Gabillon’s Roles

First

1887-88

1888-95

(F 912-15, 1935, 23f.)

performed

Old B.Th.

New B.Th.

Polyphem in

1882

2

0

[1886/87]

Euripides: Der Cyklop Oberst Sperling in Justinus: Griechisches

1886

Alba in Goethe: Egmont

Vaucourtois in Sardou:

1861

1886

Die alten Junggesellen Freiherr von Boffesen in Bauernfeld: Land¬

1870

frieden Alba in Schiller: Don Carlos

Selbitz in Goethe:

1855

1879

Götz von Berlichingen Junker Tobias in Shakespeare: Was ihr wollt

Talbot in Schiller:

1866

1865

Die Jungfrau von Orleans Georg III in Gottschall:

1865

Pitt und Fox Claudius in Shakespeare: Hamlet

John Thomson in Schaufert: Schach dem

1883

1887

König Kattwald in Grillparzer:

1879

Weh dem, der lügt Kalb in Schiller:

1857

Kabale und Liebe Wachtmeister in Schiller: Wallensteins Lager

Butler in Schiller: Die Piccolomini, Wallen¬

1884

1884

steins Tod Don Lope in Calderon:

1882

Der Richter von Zalamea Abdallah in Sardou:

1863

Die guten Freunde Lindenschmied in Ludwig: Der Erbförster

Mann vom Felsen in Grillparzer: Der Traum ein Leben

38

5

0

[1886/87]

Feuer

1869

1858

4

12

[1887-88]

[1889-95]

3

7

[1887]

[1891-94]

5

10

[1887]

[1889-94]

5

10

[1887-88]

[1890-94]

4

28

[1887-88]

[1888-95]

7

5

[1887-88]

[1890-94]

4

8

[1887-88]

[1892-94]

2

9

[1887]

[1889-94]

3

14

[1887-88]

[1889-94]

4

9

[1887-88]

[1890-95]

3

15

[1887-88]

[1889-95]

3

10

[1887-88]

[1889-94]

1

11

[1887]

[1888-95]

4

18

[1887-88]

[1889-95]

3

16

[1887-88]

[1888-95]

2

10

[1888]

[1889-95]

3

12

[1888]

[1888-95]

3

12

[1888]

[1889-94]

The ‘young' Kraus and the ‘old' Burgtheater

Ludwig Gabillon’s Roles

First

1887-88

1888-95

(F 912-15, 1935, 23f.)

performed

Old B.Th.

New B.Th.

Delobelle in Daudet/Belot: Fromont jun. und

1876

2

15

[1888]

[1889-95]

0

6

Risler sen. Choiseul in Brachvogel: Narciß

1864

[1888-90] Baron Paumann in Herzl / Wittmann: Wild¬

1889

0

diebe Oberst Berg in Freytag:

[1889-95] 1889

0

Die Journalisten Hagen in Hebbel:

36

11 [1889-93]

0

6

Die Nibelungen

1863

[1891-95]

Northumberland in Shakespeare: Heinrich IV

0

(Pt. 1)4

1890

[1890-91] (Pt.2) 2 [1890] Der Betrunkene in Ibsen: Ein Volksfeind

1890

0

8

Bardolph in Shakespeare: Heinrich TV

1892

0

(Pt.l & Pt.2) 2

[1890-94]

in each [1892-93] Erdgeist in Goethe: Faust

1877

0

18 [1892-95]

Milota in Grillparzer: König Ottokars Glück

1876

0

und Ende Neagoi in Carmen Sylva:

1891

0

1893

0

1893

0

1893

0

Der Tod im Stock

15 [1893-95]

Hanneles Himmelsfahrt Dismas in Hans Sachs:

1 [1893]

College Crampton Mattem in Hauptmann:

10 [1893]

Kriemhilde Seifert in Hauptmann:

5 [1891-95]

Meister Manole Nicolai Saweljew in Wilhelm Meyer:

19 [1891-95]

1894

0

5 [1894-95]

39

Karl Kraus und Jacques Offenbach Untersuchungen und Thesen zu einer Rezeption auf verschiedenen Ebenen

Peter Hawig

„Wie schade, daß Du nicht am 29. und direkt nach Wien fahren kannst“, schreibt Karl Kraus am 21. November 1928 aus Davos-Platz an Sidonie Nädhemy. „Aber vielleicht am 9. Dezember: z. 1. Mal Die Briganten von Offenbach. [...] In der argen Plage für den 30. [...] sind die kurzen Offenbach-Proben eine Erholung. Die Musik ist unbeschreiblich schön.“ (BSN 1,604 f.)1 Wie allenthalben im Werk von Karl Kraus finden sich die Spu¬ ren seines Enthusiasmus für Jacques Offenbach auch in den 1065 Briefen, Notizen, Te¬ legrammen an Sidonie Nädhemy, auch in ihnen hat er - wie nebenbei, und gerade da¬ durch so selbstverständlich - seine Bearbeitungs- und Vorlesungstätigkeit für den seiner Meinung nach „größten satirischen Schöpfer aller Zeiten und Kulturen“ (F 827-33, 1930, 77) bekundet. Von der ersten bis zur letzten Nummer der Fackel sind Name und Werk Offenbachs präsent;2 und die fünf Zeitstrophen zum Couplet des Kapitäns Feuillemorte aus Offenbachs Kreolin sind die letzten Zeilen seiner lyrischen Produktion. Es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man sich auf einem Symposion, das der 100. Wiederkehr des Ersterscheinens der Fackel gewidmet ist, über die grundsätzliche Bedeutung des Offenbachschen (Euvres für Kraus’ Selbstverständnis und Schreibpra¬ xis länger und über Gebühr verbreiten. Aber es darf vielleicht erinnert werden an die prägende Wirkung des „Sommertheaters“ (im Gedicht „Jugend“, S 9, 205f.) mit sei¬ nen klassischen französischen Operetten für Kraus’ Vorstellungen vom „Ursprung“, von Wesen und Wirkung des Theaters schlechthin - erinnert werden an die rückversi¬ chernde Funktion, die das Leitbild des Komponisten für den eigenen Kampf gegen das Zeitübel ausübte; „Um mich an heut’ge Macht zu wagen / setz’ fort ich Offenbachs Couplet.“3 Erinnert werden auch an die Trostwirkung der Offenbachschen „Insel¬ welt“4 vor der scheinbar unaufhaltsam steigenden Flut des politischen „Troglodyten-

1 Mit der „argen Plage für den 30.“ nimmt Kraus darauf Bezug, daß er eine Wiener Vorlesung vorzu¬ bereiten hatte. 2 Schon in F 1, 1899, 15 spricht Kraus von dem „herrlich verwienerten Offenbach“ besserer Tage. In F 917-22, 1936,32^40, zieht er ein letztes Mal gegen die unberufenen Adepten Offenbachs und der eigenen „Offenbach-Renaissance“ zu Felde. 3 Zeitstrophe zum Couplet des Barons Gondremark in „Pariser Leben“. Zit. nach: S 14, 391. Vgl. auch F 847-51, 1931, 19f.; F 857-63, 1931,65. 4 Georg Knepler: Karl Kraus liest Offenbach. Erinnerungen. Kommentare. Dokumentationen. Wien: Locker 1984, S. 152. Vgl. auch F 838^44, 1930, 6.

40

Karl Kraus und Jacques Offenbach

tums“ - bis hin zu dem Punkt, da er „nur noch versgebunden, klangverpflichtet, stro¬ phenfertig [...] die Halunken und Idioten vorzuführen“ vermochte (F 845/6, 1930, 33).5 Dies also sei noch einmal in Erinnerung gebracht mit all seiner tiefenpsychologi¬ schen, emotionalen und lebenspraktischen Vielschichtigkeit6 als notwendig mitzuden¬ kender Kontext, wenn ich hier Schlaglichter auf verschiedene Ebenen der Rezeption werfe: Wie Kraus Offenbach rezipierte; wie Kraus den bühnenpraktischen und wis¬ senschaftlichen Efmgang seiner Zeitgenossen mit Offenbach rezipierte; und wie die Nachwelt die von Kraus initiierte Offenbach-Renaissance rezipierte und immer noch rezipiert. Es sind Schlaglichter in sehr verschiedene Richtungen, die recht verschiedene Wege abseits des allgemein Bekannten kurz anstrahlen. Auch wenn diese Schlaglich¬ ter manchmal schon Details in den Blick rücken, können sie in dem hier vorgegebenen Rahmen nicht mehr tun, als das schon Gewußte und Vermutete zu präzisieren und Bereiche noch zu leistender Forschungsarbeit zu umreißen. In diesem Sinne versteht sich der folgende Text als kleines Kompendium von Anregungen.

1 Kraus’ Offenbach-Rezeption an konkreten Beispielen 1.1 Die Bearbeitung der Schwätzerin von Saragossa 1862 in Bad Ems uraufgeführt, gehört Offenbachs Schwätzerin von Saragossa (Les Bavards in der endgültigen Pariser Fassung 1863) zu den in der Fachliteratur hoch

gepriesenen, in der Praxis aber selten gespielten Kostbarkeiten des Meisters.7 8 Nach einem wahrscheinlich Cervantes zuzuschreibenden Entremes „Los habladores“ stellt der Librettist Charles Nuitter den gewitzten, aber verarmten Hidalgo Roland auf die Bühne, der die Nichte des reichen Sarmiento dadurch gewinnt, daß er dessen ununtero

brachen redende Ehefrau Beatrix niederschwatzt.

5 Vgl. auch F 864-67, 1931,5; F 890-905, 1934, 169. 6 Vgl. Peter Hawig: „Die Zeit ist eine Operette.“ Jacques Offenbach und Karl Kraus. In: ders.: Jac¬ ques Offenbach. Facetten zu Leben und Werk. Köln: Dohr 1999, S. 235-58. Als spekulativ und insgesamt wenig ergiebig, außer in den rein musikanalytischen Passagen, erweist sich der Aufsatz von Margarete Saary: Offenbachs „Traummusik“ im Weltbild des Karl Kraus. In: Othmar Wessely (Hg.): Studien zur Musikwissenschaft. (Beihefte der Denkmäler der Tonkunst in Österreich 36) Tutzing: Schneider 1985, S. 123-75. 7 Vgl. Peter Hawig: Acht Stücke für den Marmorsaal oder: Paris an der Lahn. Jacques Offenbach komponiert für Bad Ems. (Bad Emser Hefte 168. Offenbach-Reihe 25) Bad Ems: Verein für Ge¬ schichte/Denkmal- u. Landschaftspflege e. V. 1997, S. 10. 8 Siehe jetzt auch meine Neuausgabe: Die Schwätzerin von Saragossa. (Les Bavards). Deutsches Libretto von Karl Treumann bearbeitet von Karl Kraus. (Bad Emser Hefte 180.1/180.2. OffenbachReihe 31/32) Bad Ems: Verein für Geschichte/Denkmal- u. Landschaftspflege e. V. 1999.

41

Peter Hawig

Durch einen glücklichen Umstand verwahrt die Handschriftenabteilung der Wie¬ ner Stadtbibliothek sowohl die früheste Übersetzung durch den Wiener Theaterleiter und Sänger Karl Treumann (1823-77) als auch zwei vollständige Typoskripte der Kraus-Fassung, die als ,Korrekturfassung1 und ,Reinschrift1 zwei Etappen der Texter¬ stellung widerspiegeln und die so, im Verein mit dem französischen Libretto Nuitters, einen vierstufigen Textvergleich ermöglichen. Greifen wir zwei konkrete Textbei¬ spiele aus der Treumann-Fassung auf! In dem grausam nichtssagenden Redeschwall, mit dem Roland den bedauernswer¬ ten Sarmiento auf offener Straße überschüttet, kommt er neben tausenderlei anderen Dingen auch auf verschiedene Arten von Blessuren zu sprechen: Die Schmarre in der Schlacht verabreicht endlich oder die Ehrenblesur [!], bildet eine streng geschiedene Abtheilung in der Klassifikation der Verwundungen [,] wird mit dem Namen Heldenthat bezeichnet, macht den Geber wie den Empfänger interessant, und wird gewöhnlich an Beiden belohnt.9 Zweites Beispiel: Mit „dem vorbildlich operettenhaften Einschlag von Autoritätssa¬ tire“ (F 845/6, 1930, 9) treten zwei vertrottelte Verkörperungen der Obrigkeit, der Alcade Torribio und sein getreues Schreiberecho Christobal,10 in Erscheinung - auf der stets erfolglosen Suche nach dem schuldenüberhäuften Roland, und der „Chor der Gläubiger“ mahnt: Folgt pünktlich dem Alcaden Denn es wär ein großer Schaden Wenn er uns entkommt der Wicht Nein, nein, nein, das duld ich nicht Leise auf die Posten gehen Und mit Ruhe Schildwacht stehen Bis man die Parole spricht So will es die Pflicht!11 Dem Kraus-Leser springen Auffälligkeiten des Treumann-Textes sofort ins Auge: Die .lästerlichen1 Reden über die gesellschaftlich honorierten Heldenblessuren mußten

9 Kail Treumann: Die Schwätzerin von Saragossa. Komische Operette in 2 Bildern. Nach dem Fran¬ zösischen. Musik von Jacques Offenbach. Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Jb. 51751, Bl. 25. Kraus übernahm den Passus in seiner Reinschrift mit nur marginalen Veränderungen in: Die Schwaetzerin von Saragossa. Operette in 2 Akten nach Charles Nuitter von Carl Treumann. Bearb. v. Karl Kraus. Musik v. Jacques Offenbach. KKA. Jb. 149.520 / B 160.551, S. 24. Ich folge hier der Rollenzuweisung Treumanns, die Kraus übernahm. Im französischen Original ist die Rollenzuweisung umgekehrt, d.h. Torribio ist der Schreiber des Alcaden Christobal. Vgl. dazu meine editorische Notiz in der Neuausgabe: Die Schwätzerin (Anm. 8). Treumann: Die Schwätzerin (Anm. 9), Bl. 36f„ von Kraus wiederum ziemlich getreu übernommen, unter anderem aber verschärfende Ersetzung der Zeile: „Nein, nein, nein, das duld ich nicht“ durch: „Und es widerspricht der Pflicht“.

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Karl Kraus und Jacques Offenbach

dem Autor der Letzten Tage der Menschheit spontan gefallen; das Reden von der „Pflicht" mit den diversen Reimen, darunter auch auf „Wicht“, mußte den Plakatierer gegen den Wiener Polizeipräsidenten geradezu elektrisieren, und so schreibt Kraus 1929 unter dem bezeichnenden Titel „Offenbach für Troglodyten“ triumphierend, daß dieses ihm offenkundig bis dato unerschlossene „Prachtwerk ungeahnte SchoberMöglichkeiten bietet. (Das ganze Pflicht-Couplet ist dort vorweggenommen.)“ (F 811-19, 1929, 97)12 Hier lag ein Fall jener geheimnisvollen Wahlverwandtschaft vor, die Kraus in sei¬ nem Verhältnis zu Offenbach verspürte, ein quasi schicksalhaftes Füreinander-Bestimmtsein über die Grenzen von Generationen und Ländern hinweg. Er m u ß t e die hier schlummernden satirischen Kräfte zu neuem Leben erwecken, durch das ent¬ deckte Gut mehr als nur berechtigt: „Wenn mir die Pflicht, die ich zu erfüllen habe, Spielraum läßt, werde ich diesen und jene erfüllen, weil dies und nichts anderes meine Pflicht ist.“ (F 811-19, 1929, 97) Kraus nahm sich der neuen Trouvaille aus Offen¬ bachs schier unerschöpflichem Vorrat mit Feuereifer an, bearbeitete die klassische Übersetzung Treumanns und trug das Stück erstmals am 24. September 1930 „Zum 50. Todestag Offenbachs“ vor (F 845/6, 1930, 7). Nimmt man den oben erwähnten vierstufigen Textvergleich vor, wobei eine an sich lohnende Abgleichung Szene für Szene allerdings den Rahmen dieser Abhand¬ lung sprengen würde, so kann man resümierend folgendes festhalten: a) Getreu seiner immer wieder geäußerten Auffassung, man dürfe von Offenbach möglichst kein Jota verloren geben, folgt Kraus in der Regel jeweils deijenigen seiner beiden Quellen, die die ausführlichere Textversion bietet,13 einmal Nuitter, einmal Treu¬ mann. Das zeigt sich besonders daran, daß im Treumannschen Manuskript ein komplettes Terzett fehlt, das von Kraus wieder eingefügt wurde.14 Die ,Regel“ gilt auch für jene Sze¬ nen, in denen titelgerecht geschwatzt wird. Wenn Kraus Nuitter folgt, übersetzt er das Französische ziemlich wörtlich. Auf diese Weise hat er manche hübsche Replik gerettet; Torribio: [...] auch ich schmeichle mir, ein Weib zu besitzen, das [sic!] den ganzen

Tag das Mundwerk nicht stille steht. Christobal: Ja! Unser Weib redet viel! Torribio-, Ruhig!15

12 Vgl. „Das Schoberlied“ (S 9, 613f.). Der zum Kreis um Arnold Schönberg gehörende Pianist Edu¬ ard Steuermann (1892-1964) hatte ihn „auf das phänomenale Quartett im zweiten Akt“ hingewie¬ sen (F 845/6, 1930, 9). 13 Ausnahmen: die Szene nach der Einlage „Zum Kampfspiel in Granadas Auen“, die Szene mit der stummen Beatrix sowie der Schluß des 2. Aktes. 14 In der handschriftlichen Orchesterpartitur der Österreichischen Nationalbibliothek (Musiksamm¬ lung. Sign. S.m. 1511) war und ist auch dieses Terzett greifbar. Als Kuriosum sei erwähnt, daß jemand in diese Partitur an manchen Stellen zusätzlich die Kraus-Textierung eingetragen hat! 15 Die Schwaetzerin. Bearb. v. Kraus (Anm. 9), S. 17. In der Korrekturfassung ist ein - grammatisch allerdings ebenfalls anfechtbares - „der“ noch zu erkennen!

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Peter Hawig

b) Da, wo Kraus der Treumannschen Vorlage folgt, folgt er ihr im allgemeinen recht getreu, wie er ja meistens die ursprünglichen Wiener Übersetzungen gelobt oder zu¬ mindest in Schutz genommen hat. Fallweise verbessert Kraus den Text, etwa die Cou¬ plets der Gläubiger im 1. Finale mit besonders treffsicher zugespitzten Schlußzeilen. So singt etwa der Eselverleiher: „Und so ritt er mich hinein“, der Schneider: „Und mich selber zog er aus“. Ein anderes Beispiel: Chor: Und was soll weiter jetzt geschehen? Torribio: Wenn ihr ihn habt, so schleppt ihn her!

Darauf bei Treumann: Chor: Danke sehr - das ist schwer!

Dagegen besser bei Knaus: Chor: Danke sehr, dann wär’s nicht schwer!

c) Die im Stück ohnehin Vorgefundene extensive Verwendung des Wortes „Pflicht“ wird ,natürlich1 auf zusätzliche Stellen ausgeweitet, z.B. im ersten Finale bei Nuitter: Christobal et Torribio (toujours endormis): Veillons!

Keine Entsprechung bei Treumann, bei Kraus hingegen: Torribio / Christobal (Im Schlaf): Pflicht —

Der theaterpraktisch durchaus versierte Kraus war aber klug genug, eine Überstrapazierung der Schober-Parallelen zu vermeiden. In besagtem Finale sagt der Alcade zu seinem eigenen Lobe laut ursprünglicher Fassung: „Glücklich die Stadt, die einen sol¬ chen Vorstand aufweisen kann.“ In Kraus’ Reinschrift ist dies verschärft zu: „Glück¬ lich der Staat, der einen solchen Hort der Sicherheit aufweisen kann." Dafür hat Kraus unmittelbar im Anschluß einige Bleistifteinzeichnungen der Korrekturfassung, die das unverfängliche im Halbschlaf gesprochene Wort „Fein" in „Pflicht“ verändern sollten, in die Reinschrift nicht übernommen. Hier heißt es nun schlicht: „Pst’st!“

1.2 Werktreue und Aktualisierung Kraus hat einmal geäußert, Zusatzstrophen gehörten zum „Wesen des Couplets, das, aus dem Dialog hervorbrechend, zur Aktualität berechtigt und zum Ersatz einer veral¬ teten Realität verpflichtet“. Seine mindestens 346 Zeitstrophen für Offenbachsche Rollen sind die konsequente Anwendung dieser Auffassung. Er fährt an der genannten Stelle fort: „Ganz wie auch der Dialog die Stellen enthält, an denen jeweiliger Zeitin¬ halt improvisiert werden kann und soll.“ (F 827-33, 1930, 87) Wie bei solcher Art der Aktualisierung ein virtuoses Gemisch aus Anspielungen, Zitaten und Selbstzitaten

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Karl Kraus und Jacques Offenbach

entstehen kann, möchte ich an einigen wenigen Beispielen aus zwei Stücken zeigen, die genau wie Die Schwätzerin von Saragossa nicht veröffentlicht worden sind. Der „öffentliche Ausrufer“ Cascadetto in der Seufzerbrücke (erstmals 1930 vorge¬ tragen) führt mit schöner Regelmäßigkeit das Wort „Extraausgabe“ (als Autozitat von Kraus sozusagen) im Mund. Sein letzter Texteinwurf im Stück lautet: „Jetzt vorwärts zum Rialto! Meine Herren! Es war mir ein Vergnügen. Jeder erfüllt in diesem Staat seine Pflicht, so auch ich. Extraausgabe!“16 Ihre „Pflicht“ erfüllen erwartungsgemäß auch die Sbirren von Venedig und der Usurpator-Doge Malatromba.17 Und sogar eine Parodie auf die schlechten Reime der Fledermaus, die Kraus immer sehr mitleidig bewertet hat, findet der aufmerksame beser: A[c]h Sapperlot, was woll’n denn die da? Der Schrecken schlagt mich völlig nieda.18 In der Reise in den Mond (erstmals 1932 vorgetragen) gibt es irdische Kanzler und lunarische Obrigkeiten, die „nix“ als ihre Pflicht tun.19 Weltgericht und Die letzten Tage der Menschheit grüßen herüber, wenn ein „Verkehrsmittel ausgebaut“ - hand¬

schriftlich ergänzt: „Und vertieft“ - sein wird.20 Max Reinhardt kommt vor21 und ei¬ ner von Kraus’ Lieblingspopanzen, Bernhard Diebold. Mondkönig Cosmos hat sich soeben mit einer Karte versehen: Cosmos: [...] Da ist sie, die Erde! Ich kenne sie genau, als wenn ich dort gewesen

wäre. Man braucht nur einen Blick auf diese Karte zu werfen, um zur Über¬ zeugung zu gelangen, die alle Männer der Wissenschaft teilen, das ist, daß die Erde vollständig unbewohnt sei. Erster Mondbewohner: Ist diese Karte aber auch zuverlässig? Cosmos: Erlauben Sie mir! Bernardo Dieboldo et Alberto Pedretto con amore fe-

cerunt! Zweiter Mondbewohner: Aha, Neapel sehen und nicht sterben!22

Das geht direkt zurück auf „Dieboldo“ in der Fackel, wo Kraus besagten Herrn Die¬ bold bloßstellt, der sich mit eben den zitierten lateinischen Worten zum Italienreise¬ führer aufgeworfen hatte (F 873-5, 1932, 38), was zu folgender Schlußfolgerung Ver¬ anlassung gibt:

16 Die Seufzerbrücke. Typoskript. KKA. Jb. 149.516 / H. I. N. 158.613, S. 59. 17 Ebd., S. 37, 55. 18 Ebd., S. 21. Im Typoskript ist im Wort „Ach“ das c durchgestrichen. Kraus zitiert noch in „Dame im Traum“ (F 917-22,1936, 63) genüßlich folgende Textzeile der „Fledermaus“: „Langeweile gibt es nie da / So schreibt meine Schwester Ida!“ 19 Reise in den Mond. Typoskript. KKA. Jb. 149.523 / H. I. N. 158.629, S. 57, 84. 20 Ebd., S. 27. 21 Ebd., S. 118. 22 Ebd., S. 40; vgl. auch S. 43.

45

Peter Hawig

Und da auf diesem Planeten, der sich vom Abend- zum Morgenblatt nur noch um die Sonne des Herrn Albers dreht und von ihr Licht und Lachen in dunkler Zeit erhält, [...] da gemäß dem Fluch einer Lebensanschauung, die den Lebenszweck dem Lebensmittel unterjocht hat [...], die Kultur im Dienste des Kaufmanns steht und stehen wird: so ist es an der Zeit, die „Re i s e in den M o n d" anzutreten, im Höhenflug einer Geistesmusik, die jegliche Trübsal dieser Erde in Traum ver¬ zaubert hat und jegliche Mißform in Spuk und Gelächter! (Ebd., 44) Gerade in dem letzten Zitat zeigt sich die bezeichnende Verschränkung von Zeitungs,Realität‘, Spiegelung dieser ,Realität‘ auf der höheren Ebene des Offenbachschen Spielrahmens und der Rückbindung dieses Spielrahmens an die satirische Kampfstätte der Fackel. Das hat vielleicht auch der Komponist Ernst Krenek gemeint, als er im elften Heft des Anbruch (1929) von „dem über das Original weit hinaus bereicherten und mit Aktualitäten organisch ergänzten Dialog“ sprach (vgl. F 806-9, 1929, 62). Die angeführten Beispiele aus der Seufzerbrücke und der Reise in den Mond, die übrigens keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollten nur einen Einblick in diese Praxis geben. Betrachtet man nun aber demgegenüber einmal das endgültige Typoskript der Madame l’Archiduc,23 so stellt man fest, daß es keinerlei diesbezügli¬ che Einzeichnungen oder Retuschen enthält. Das Stück wurde in der Form, in der Kraus es drucken ließ, als ein von den Zeitverstrickungen quasi losgelöstes Kunstwerk überliefert. Es wäre anhand aller vorhandenen Materialien einmal zu untersuchen, ob den drei veröffentlichten Stücken (Madame l’Archiduc, Perichole und Vert-Vert) damit eine von vornherein andere Funktion oder Aufgabe zugewiesen war oder erst im Verlaufe eines Klärungsprozesses zuwuchs, und warum Kraus einen solchen Prozeß nicht für alle seine 14 Offenbach-Bearbeitungen anstrebte.24 Der Grund kann nicht allein im Grad der Selbständigkeit und damit des Eigenwertes der jeweiligen Kraus-Fassung zu suchen sein, denn solches könnte auch für die Briganten, Die Seufzerbrücke oder für die - zugegeben nahe an Kraus’ Tod heranrückende - Kreolin angeführt werden (S 13, 421; F 834-37, 1930, 32; F 916, 1935, 2).

23 Madame l’Archiduc. Typoskript. WSLB. H. I. N. 176.624 '4 Die einzige zeitaktuelle Anspielung in einem der drei gedruckten Stücke, die mir aufgefallen ist, ist das von Kraus immer wieder zitierte und damit fast schon wieder klassisch gewordene „verklungen und vertan“ am Ende von „Perichole“, das auf ein Verdikt der Wiener „Arbeiterzeitung“ zurückgeht (vgl. F 811-19, 1929, 60f„ 75ff. u.ö.).

46

Karl Kraus und Jacques Offenbach

2 Die Offenbach-Renaissance mit und nach Kraus 2.1 Das Theater-Unwesen rezipiert Kraus’ Offenbach-Renaissance

Am Beispiel der erwähnten Madame 1 'Archiduc möchte ich nun einige Worte über einen zweiten Aspekt der Offenbach- und Kraus-Rezeption verlieren, nämlich das zu¬ tiefst zwiespältige Verhältnis des Initiators der viel zitierten „Offenbach-Renaissance“ zu den Realisierungen auf der Bühne, wohin die Stücke ja eingestandenermaßen ge¬ hörten. Was soll ich denn da anderes antworten, als daß es ganz der Sehnsucht des Offen¬ bach-Liebhabers, der ich nun einmal bin, entspricht, ihn aufgeführt statt von mir vorgelesen zu hören, daß aber die bürgerlichen Bühnen, kontrolliert von den Kunstwächtem der Sozialdemokratie, ihm seit zwei Jahrzehnten den bürgerlichen Operettendreck vorziehen, und daß sich für die Schober-Operette „Die Briganten“ keine Kunststelle hergeben würde! (F 811-19, 1929, 81 )25 Und so wetterte er anläßlich der Prager und Essener Inszenierungen seiner Madame VArchiduc gegen die zeitgenössische Wort- und Bewegungsregie, gegen die Sendbo¬

ten „aus der Kalman-Welt, ausgesandt, den Einbruch des ursprünglichen Operetten¬ gedankens in das Gehege der Barmusik zu kompromittieren“ (F 885-7, 1932, 38). Von einer Regie in Szene gesetzt und von Sängern interpretiert, die beide einem de¬ generierten Zeitgenossentum entstammten und den Kontakt zur wahren OffenbachWelt längst nicht mehr hatten, klangen ihm selbst originale Sätze wie schlechte Hin¬ zufügungen (Ebd., 37). Die inkompetenten Aktualisierungen waren Kraus ein Greuel, aber nicht, wie wir wissen, weil er etwa einer historisierenden Praxis ange¬ hangen hätte: Es handelt sich ihm keinesfalls darum, gegen die Konzessionen, die eingestande¬ nermaßen einem angeblichen „Geschmack“ der Gegenwart gemacht werden sol¬ len, einen angeblichen „Geschmack von 1875“ zu verteidigen. Wären danach die Inszenierungen nach dem Geschmack von 1875 erfolgt, so wären sie heute veral¬ tet. Aber sie sind damals bloß in einer besseren Einsicht erfolgt, als sie das heutige Theater hat: in das Wesen des Theaters und die Zeitentrücktheit des Wesens der Operette. Alles Zeitgebundene, ob es nun der Gegenwart angehört oder einer dem

25 Hingewiesen sei im Zusammenhang mit der „Schober-Operette“ auf den Tatbestand, daß Kraus für seine eigene Übersetzung des „Schoberliedes“ ins Französische konsequenterweise eine (berühmte) Zeile der „Brigands“ fruchtbar gemacht hat. Bei Kraus heißt es: „Mais je viens toujours trop tard / malgre le devoir“ (F 838^44,1930,138), was ein deutlicher Anklang an die Karabinieri im 1. Finale bei Offenbach ist: „Mais par un malheureux hasard / Au secours des particulars / Nous arrivons toujours trop tard.“

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Peter Hawig

Gedächtnis erreichbaren Vergangenheit, das verstandesmäßig Kontrollierbare, hat von der Szene der Operette entfernt zu werden [...].26 Der scheinbare Widerspruch zu den oben erwähnten Aktualisierungen in Dialog und Couplet durch Kraus selbst ist keiner. Der im dortigen Zusammenhang zitierte Ernst Krenek kann ein weiteres Mal als Autorität angeführt werden. Er unterscheidet genau zwischen minderwertigen Bearbeitungen, die „diese höheren Werte [...] auf das Ni¬ veau des Unwertes heruntergebracht“ haben, und denjenigen von Kraus mit ihrem [...] Verzicht auf jede materielle, grobschlächtige Aktualisierung der alten Texte [...], im Gegensatz zu den landläufigen tölpelhaften Anzüglichkeiten [...], die nur von Dickhäutern für geistreich gehalten werden können. Daß uns die Figuren Of¬ fenbachs in der Krausschen Erneuerung dennoch ganz nahe kommen, liegt an ihrer inneren Aktualität: wie alle richtigen Theaterpersonen stellen sie unveränderliche Typen menschlichen Verhaltens dar, in zahllo¬ sen Abwandlungen und Ausprägungen, und bedürfen darum keiner konkreten Bezüglichkeit, um Leben zu gewinnen.27 Wenn Kraus nun in diese Zeitlosigkeit seine sehr spezifischen Aktualisierungen setzte, die ja ihrerseits stets die Vorgefundene Realität in satirische Typen rückverwandelte, war dies eben etwas völlig anderes als die platten Banalitäten des journalistischen Aufmachertums. Entsprechend geriet auch das „Beineschlenkem“ fortgeschriebener Toulouse-Lautrec-Klischees in sein Visier, als er, wieder anläßlich der Madame l'Archiduc, schrieb: „Für Girl-Übungen ist weder diese Musik noch diese Versübersetzung geschaffen worden.“

Kraus reagierte mit langen Briefen an die Verantwortlichen der

Theater und der Bühnenverlage,29 mit der Androhung rechtlicher Schritte,30 mit der Ankündigung, seine Bearbeitungen den „vorhandenen Kräften“ überhaupt zu entzie¬ hen (F 885-7, 1932,44). Er erklärte gegenüber der Funk-Stunde in Berlin-Charlotten-

26 Verlag Die Fackel: Brief an die Direktion des Deutschen Theaters Prag v. 22.1.1932. KKA. Jh. 163.331. Nr. 137, S. 2. Kraus spricht von sich einmal mehr in der dritten Person. Die im Kon¬ volut Jb. 163.331 gesammelten Briefe sind von gleicher Gedankenschärfe und sprachlicher Brillanz wie die bekannteren zu „Pariser Leben“ und „Perichole“, so daß auch ihre Veröffentlichung allemal lohnen würde. Anhand eines anderen Konvoluts in der WSLB (Musiksammlung. Korrespondenz der Universal-Edition) sind sie verwendet in der nützlichen Studie von Susanne Rode-Breymann: „Gegen die Operettenschande der Gegenwart.“ Anmerkungen zu den Offenbach-Vorlesungen von Karl Kraus. In: Rainer Franke (Hg.): Jacques Offenbach und die Schauplätze seines Musiktheaters. (Thumauer Schriften zum Musiktheater. Hg. v. Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth 17) Laaber 1999, S. 85-94. 27 Aus der Programmschrift der Städtischen Bühnen Düsseldorf zu „Perichole“. Zit. nach: F 864-67, 1931, 14-16, hier 14f. 2X Verlag Die Fackel: Brief (Anm. 26). 29 Vgl. die Briefe des Verlages Die Fackel an die Universal-Edition v. 21.3. bzw. 4.4.1932. Jb. 163.331. Nr. 151, 166. 30 Vgl. Brief des Verlages Die Fackel an die Direktion des Deutschen Theaters Prag v. 11.3.1932. Jb. 163.331. Nr. 146.

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Karl Kraus und Jacques Offenbach

burg, seine Offenbach-Bearbeitungen würden nur noch dem Rundfunk überlassen, da auf diese Weise szenischer Unfug ausgeschlossen sei.31 Man vermutet, daß ich es auf alle anderen Offenbach-Bearbeiter so scharf habe, weil ich wünsche, daß die Bühnen meine Offenbach-Bearbeitungen spielen. Das wäre ja ein ganz begreiflicher Wunsch, weil doch meine Bearbeitungen besser sind. Aber ein Eigenbrötler wie ich bin, falle ich den Theaterdirektoren in den Arm, wenn sie zulangen wollen, und mache ihnen - wie zum Beispiel jetzt der Städtischen Oper mit der Madame l’Archiduc - die größten Schwierigkeiten, so¬ bald sie durch einen Bühnenvertrieb, dem nun einmal etliche Bearbeitungen an¬ vertraut wurden, eine erwerben. So zwinge ich sie eigentlich, den Dreck aufzufüh¬ ren, gegen den ich dann eine Strafexpedition in Form des Vortrags unternehme. (F 868-72, 1932,15) Und so verfluchte er die Tatsache, daß er die Direktoren-Brüder Rotter auf die Spur des Blaubart gebracht hatte (F 811-19, 1929, 66f., 106; F 834-7, 1930, 21-3), ja ihm schien „die Verwirklichung der Offenbach-Renaissance durch die heutige Bühne als ein Ziel [...], aufs innigste zu verwünschen“ (F 811-19, 1929, 73): „[...] ich werde nicht dulden, daß mit dem Mißbrauch des Gedankens, den ich in die Theaterwelt ge¬ setzt habe, ein Geschäft gemacht, noch auch nur die geringste Pleite abgewendet wird“ (F 868-72, 1932, 18; vgl. auch F 857-63, 1931, 94). Indem sich eine „verknödelte“32 Quadriga aus Sängern, Regisseuren, Verlegern und Kritikern des Offenbachschen Gei¬ stesgutes bemächtigte, drohte sie eine der wichtigsten tagespolitischen Waffen von Karl Kraus stumpf zu machen; gleichzeitig trampelte sie im Garten des Ursprungs herum und griff damit den wichtigsten Fluchtpunkt für Kraus aus ebenjener Tagespo¬ litik an. Beides mußte ihn mit einem ,heiligen Zorn1 erfüllen. Nur unter höchsteigener Überwachung überließ er dem Rundfunk elf seiner Bear¬ beitungen,33 und nur eine Außenseiterproduktion wie die der Madame l’Archiduc an der Hamburger Fichtwark-Schule war für ihn eine angenehme Überraschung und ein beglückendes Erlebnis (F 781-6, 1928, 71-3).34

31 Zit. nach: Gerald Krieghofer (unter Mitwirkung von Ela Piplits): Bestandsregister für das KarlKraus-Archiv in der Handschriftenabteilung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Bd. 3. Wien 1993, S. 123. Der Brief selber war in dem entsprechenden Konvolut Jb. 163.331 nicht aufzufinden (als angegebene Nr. 201). 32 Zur „Verknödelung“ vgl. F 270/1, 1909, 13. 33 Vgl. Knepler: Karl Kraus (Anm. 4), S. 223-5. 34 Das gleiche Werk in der Stendaler Provinz (unter Fritz Mahler) fand ebenfalls seinen Beifall (F 806-9, 1929, 64).

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Peter Hawig

2.2 Karl Kraus als Rezipient der Offenbach-Literatur seiner Zeit Weniger polemisch, aber zumindest sehr ambivalent ist Kraus mit der ihm vorliegen¬ den Offenbach-Literatur umgegangen. Er zitiert zustimmend aus der 1924 von Kurt Soldan herausgegebenen kleinen Sammlung nützlicher Aufsätze35 und bezieht sich, neben der ersten Lebensbeschreibung Offenbachs von Andre Martinet,36 regelmäßig auf die 1923 erschienene französische Biographie von Louis Schneider,

mit dem er

korrespondierte (F 885-7, 1932, 12). Auch mit dem Offenbach-Enkel Jacques Brindejont-Offenbach, der 1940 sein für die Forschung so überaus nützliches Erinnerungs¬ buch veröffentlichen würde,38 stand er in persönlichem Kontakt - er sang ihm in Paris die gesamte Madame l'Archiduc vor (F 909-11, 1935, S. 26 f.)!39 Aber das kleine Buch von Paul Bekker,40 das dafür, daß es sich quasi auf keine Forschung stützen konnte (1909), ein respektabler Anfang war, nannte er „überwältigend banal“ und ei¬ nen „gediegenen Kitsch“ (F 811-19, 1929, 71, 95; auch F 909-11, 1935, 40). 1930 und 1931 erschienen zwei für die deutsche Offenbach-Forschung bahnbre¬ chende Werke, die Biographie von Anton Henseler und die Ikonographie von Hans Kristeller.41 Henseler hat „Grimassen über Kultur und Bühne“ (F 270/1, 1909, 1-20) und „Offenbach-Renaissance“ (F 757/8, 1927, 38-48) gründlich gelesen, er hat die Programme zu den Offenbach-Vorlesungen in der Fackel seit 1926 genau gekannt, wie seine achtungsvollen Worte und die wörtlichen Zitate zu Pariser Leben und den Ban¬ diten beweisen. Aber seltsamerweise hat Kraus dieses grundlegende und noch heute wertvolle Buch nur am Rande zur Kenntnis genommen, es schulterklopfend kurz do¬ kumentiert (F 845/6, 1930, 15, 22; F 847-51, 1931, 40). Das gleiche Bild in bezug auf Kristellers Ikonographie. Er hat „ihr die seltene Ehre einer Anzeige in der Fackel erwiesen“ (S 13, 428, zu: F 857-63, 1931, U4) und sie eine „wohlgemeinte Zusammenstellung“ genannt, gleichwohl aber „kleine Irrtümer“ und „modische Einschübe“ in ihr getadelt (F 917-22, 1936. 46). Ganz am Ende seines Buches hatte Kristeller „geschäftiges Getue von Verflachem“ moniert, unter an¬ derem das auch von Kraus mehrfach verdammte Potpourri „Aus Offenbachs Muster-

35 Kurt Soldan (Hg.): Jacques Offenbach. Beiträge zu seinem Leben und seinen Werken. Berlin: F. V. Günther & Sohn 1924. 36 Andre Martinet: Offenbach. Sa vie et son oeuvre. Paris: Dentu 1887. 37 Louis Schneider: Les maitres de l’operette fran§aise. Offenbach. Paris: Perrin 1923. 38 Jacques Brindejont-Offenbach: Offenbach. Mon grand-pere. Paris: Pion 1940. Dt.: Mein Großvater Offenbach. Übers, v. Horst Wolf. Berlin: Henschelverlag 1967. Vgl. F 917-22, 1936, 38: „Offenbachs Enkel [...] versteht kein deutsches Wort der Madame l’Archiduc. und doch kam sie, ohne die geringste Abrede, in privatem Kreis zu lebendigerer Wirkung als im Prager Theater, welches das Verdienst hat. die Zurückziehung der .Offenbach-Renaissance' bewirkt zu haben.“ 40 Paul Bekker: Jacques Offenbach. (Die Musik 31/32. Hg. von Richard Strauss) Berlin: Marquardt 1909. 41 Anton Henseler: Jakob Offenbach. Berlin: M. Hesse 1930; Hans Kristeller: Der Aufstieg des Köl¬ ners Jacques Offenbach. Ein Musikerleben in Bildern. Berlin: A. Schultz 1931.

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Karl Kraus und Jacques Offenbach

koffer“ im Blick gehabt, um dann feierlich fortzufahren:

hoch über ihnen aber

wirkt KARL KRAUS, der mit feinster Einfühlung in den Geist der Offenbach’schen Werke eindringt, als prominentester Vertreter einer echten ,Offenbach-Renaissance'“ (ebd.).

Mit der für ihn typischen sprachlichen Sensibilität nahm ihm Kraus

das Wort „Vertreter“ übel, da dieses „gleichfalls dem Gebiet der Geschäftstouren zu¬ ständig“ sei (ebd.). Der so geartete Umgang mit der Fachliteratur legt nahe, daß Kraus ,seinen1 Offen¬ bach als ein sehr persönliches Reservat betrachtete, das er auch von den Fachleuten nur ungern anderweitig kommentiert sah. Er konnte mit einem abstrakten, an Werkbe¬ sprechungen und musikalischen Analysen orientierten Buch wie dem von Henseler offensichtlich wenig anfangen. Er hielt sich weiterhin an das biographisch locker ge¬ strickte, zum Teil anekdotisch angereicherte Buch von Louis Schneider. Und noch in einer weiteren Hinsicht war Offenbach für Kraus ein Unikat. Es ist nämlich eine be¬ merkenswerte Tatsache, daß er zwar das Wiener Operettenwesen seiner Zeit mit aller Schärfe brandmarkte, aber die in Frankreich wirkenden Kräfte einer echten Offenbach-Nachfolge - etwa von Claude Terrasse (1867-1923) mit Les Travaux d’Hercule (1901-13), Le Sire de Vergy (1903), Monsieur de la Palisse (1904) und Paris, oa Le bon juge (1906-11) oder von Henri Christine (1867-1941) mit Phi-Phi (1918) - mit

keinem Wort zur Kenntnis nahm!

2.3 Die Nachkriegszeit rezipiert Kraus’ Wirken für Offenbach

Die von Kraus nur nebenbei zur Kenntnis genommene Fachliteratur tat ihrerseits nach dem Tod des Fac/teZ-Herausgebers diesem gegenüber das nämliche und überging ihn zunächst vielfach. Das hatte auch damit zu tun. daß Kraus, bedingt durch die NS-Zeit, in Vergessenheit geraten war. Schon in der 1937 im Amsterdamer Exil erschienenen grundlegenden „Gesellschaftsbiographie“ von Siegfried Kracauer, Jacques Offenbach und das Paris seiner Zeit, wird Kraus nur einmal im Zusammenhang mit Pariser Le¬ ben erwähnt.43 Erst mit Beginn der 50er Jahre rückten Werner Kraft und Heinrich

Fischer den Autor der Fackel wieder in das literarische und dann auch in das breitere öffentliche Bewußtsein,44 was auch eine Anknüpfung an die Offenbach-Renaissance erlaubte: „Man hat nach dem Zweiten Weltkrieg Offenbach-Bearbeitungen von Karl Kraus wiederbelebt, im Wiener Redoutensaal als Veranstaltung des Burgtheaters Ma¬ dame l’Archiduc, im Theater an der Wien als Festwochenveranstaltung Die Prinzessin

42 Zit. nach Kristeller: Ebd., [nicht paginiert], wo an der Stelle KARL KRAUS ein Photo von Kraus ergänzt ist. Die Worte „echten ,Offenbach-Renaissance“‘ sind im Nachdruck in der „Fackel“ nicht gesperrt. 43 Siegfried Kracauer: Schriften. Bd. 8. Jacques Offenbach und das Paris seiner Zeit. Hg. v. Karsten Witte. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1976, S. 261. 44 Vgl. Hans Weigel: Karl Kraus oder Die Macht der Ohnmacht. München: dtv 1972, S. 345f.

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Peter Hawig

von Trapezunt und auch im Deutschen Fernsehen.“45 So hat dann endlich die bis heute

neueste deutschsprachige Offenbach-Biographie von Paul Walter Jacob (1969 [!]) re¬ gelmäßig auf Aussagen von Kraus hingewiesen, und sie zieht am Ende ein Fazit, das keine wohlfeile Deklamation ist, sondern durch das Buch beglaubigt: „Und keiner hat für Offenbach-Kenntnis und Offenbach-Renaissance mehr geleistet als Karl Kraus.“46 In den drei 1980, 1985 und 1999 erschienenen Aufsatzsammlungen47 zu Offen¬ bach ist die Berufung auf Kraus dann selbstverständlich geworden. Die OffenbachAusstellung 1980 des Historischen Archivs der Stadt Köln widmete dem Doppel¬ thema „Offenbach und Wagner - Karl Kraus und Offenbach“ eine eigene Abteilung 48 Bernard Grün hinterfragt in seiner Kulturgeschichte der Operette als einer der weni¬ gen Kraus’ Verteidigung der Operetten-Absurdität ä la Offenbach - mit immerhin be¬ merkenswertem Ergebnis: „Was er übersah, war, daß es [...] nicht die Forderung der Vernunft war, die den Operettenblödsinn verursachte, sondern daß die von Offenbach, Meilhac und Halevy gepflanzte Absurdität der Operette in dem Augenblick, da sie deren Meisterhänden entglitt, jedwede Vernunft ausschloß und damit zum reinen Blödsinn wurde.“49 Neuerdings hat sich Moritz Csäky in einem längeren „kulturpolitischefn] Essay zur österreichischen Identität“, Ideologie der Operette und Wiener Moderne, von den „puristischen Ansichten eines Karl Kraus“ distanziert, für den „Jac¬

ques Offenbach der eigentliche und einzige Maßstab“ war.50 Csäky deutet die Wiener Operette des 20. Jahrhunderts kultursoziologisch als Ausfluß der Fin de Siecle-Stimmung und betrachtet sie in dieser Symptomatik als lohnenswerten Untersuchungsge¬ genstand. Das hätte Karl Kraus nicht berührt - ihn interessierte auch und gerade an einer Operette ihr überzeitlicher Kunstwert, nicht ihre Aussagekraft für gesellschaftli¬ che Strömungen, die er überdies sowieso zumeist verachtete. Die heutige deutschsprachige Offenbach- und Operettenforschung, die an der Schnittstelle von Kraus und Offenbach in Gestalt des Buches von Georg Knepler ein Standardwerk von hohen Graden besitzt, kommt ohne Rekurse auf Kraus nicht mehr aus.51 Er wird mittlerweile allenthalben zitiert, in der Regel als Autorität. Der Mann,

45 Ebd„ S. 247. 46 P[aul] Walter Jacob: Jacques Offenbach in Selbstzeugnisssen und Bilddokumenten, Reinbek: Ro¬ wohlt 1969, S. 154. 47 Heinz-Klaus Metzger, Rainer Riehn (Hg.): Jacques Offenbach. (Musik-Konzepte 13) München: Edition Text + Kritik 1980; Winfried Kirsch, Ronny Dietrich (Hg.): Jacques Offenbach. Komponist und Weltbürger. (Beiträge zur mittelrheinischen Musikgeschichte 26) Mainz etc.: Schott. 1985; Franke: Offenbach (Anm. 26). 48 Vgl. den Katalog der Ausstellung: Jacques Offenbach. Schauplätze eines Musikerlebens. Bearb. v. Gertrud Wegener u.a. Köln: Eigenverlag d. Historischen Archivs der Stadt Köln 1980, S. 169f. 44 Bernard Grün: Kulturgeschichte der Operette. München: Langen-Müller 1961, S. 193. 50 Moritz Csäky: Ideologie der Operette und Wiener Moderne. Ein kulturgeschichtlicher Essay zur österreichischen Identität. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1996, S. 162, 31. 31 Knepler: Karl Kraus (Anm. 4). Es muß betont werden, daß die hier skizzierte Entwicklung nur für die deutschsprachige Literatur gilt. Für die zum Teil sehr ergiebige und reichhaltige französische und englische Offenbach-Forschung findet Karl Kraus nicht statt. Ausnahmen: die - im Rahmen

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KarI Kraus und Jacques Offenbach

der eingestandenermaßen nicht Noten lesen konnte, hat die ,Zunft1 mehr als einmal beschämt: Er hat längst gewußt, daß die berühmte „Spiegelarie“ des Dapertutto eine postume Einlage in Hoffmanns Erzählungen war (F 868-72, 1932, 11; F 876-84, 1932, 90), längst gewußt, daß in Brünn (Brno) das Archiv des Carl-Theaters gelandet war und mit ihm zahlreiche rare Kostbarkeiten (F 834-7, 1930, 33), längst gewußt, daß es in der Perichole ein später ausgeschiedenes „Juwelen-Duett“ gab (S 13, 123) alles Dinge, die in der Fachwissenschaft erst vor kurzer, zum Teil sehr kurzer Zeit wieder oder erstmals ans Tageslicht befördert wurden.52 Kraus aber hatte die Offenbach-Renaissance als einen seiner stärksten praktischen Mißerfolge gesehen (F 834-7, 1930, 23). Man kann diesen Mißerfolg getrost auch einem bedeutenden Teil der gegenwärtigen Bühnenpraxis attestieren. Das, was er zu seiner Zeit geißelte (die Aktualisierungen, die technischen Überfremdungen, die Auf¬ tritte der Darsteller durch den Zuschauerraum, die Einbeziehung des Publikums ins Spiel), macht ja gerade das moderne ,Regietheater‘ aus. Hoffmanns Erzählungen, im Metroschacht situiert, Die schöne Helena auf der Müllkippe - das hätte ihm schwer¬ lich gefallen. Es ist dazu kein Widerspruch, daß man kaum auf Programmhefte Offen¬ bachscher Operettenproduktionen im deutschsprachigen Raum stoßen wird, in denen er nicht (mit immer den gleichen Auszügen aus „Grimassen über Kultur und Bühne“) zitiert wird. In aller Regel bleibt dies für das Agieren auf der Bühne, für die benutzten Fassungen und Übersetzungen völlig folgenlos. Paradoxerweise wird Kraus damit zu¬ mindest indirekt als Autorität für Konzepte in Anspruch genommen, die seinem Bild vom Theater allgemein und von der Operette im besonderen stracks zuwiderlaufen. Was er dazu gesagt hätte, wage ich mir im einzelnen nicht auszumalen. So bleibt Kraus’ Offenbach-Arbeit, obwohl einige Bühnen vertriebe seine Textierungen anbie¬ ten53, letztlich eine Sache des intellektuellen Wohlgefallens. Er hat dem Offenbachschen (Euvre eine geistige Dignität verliehen, die dessen Verfechter vor dem Ruch bewahrt, einem „Amüsiertheater für die Dummen“ anzuhängen: „Das rührt noch aus der Zeit von Karl Kraus. Er hat Offenbach durchgesetzt - das ist eine Variante des jus primae noctis. Kraus hat’s als erster getan, und die anderen Intellektuellen durften

danach, da brauchten sie sich nichts zu vergeben.“54 Immerhin!

seiner Biographie notwendig kurzen - Verweise bei Robert Pourvoyeur: Offenbach. Paris: Seuil 1994, S. 132, 203, sowie die Passagen in der monumentalen Neuerscheinung von Jean-Claude Yon: Jacques Offenbach. Paris: Gallimard 2000. S. 656f., 659f. 52 Auch die „Einlage“ der Ines im 2. Akt der „Schwätzerin von Saragossa“, die Kraus aus der Treu¬ mann-Übersetzung übernahm, findet sich sonst in keinem deutschen oder französischen Material des 20. Jahrhunderts. 53 Laut Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters. Bd. 4. München, Zürich: Piper 1991: „Die Schwätze¬ rin von Saragossa“, „Die Großherzogin von Gerolstein“, „Perichole“, „Veit-Vert“, „Die Prinzessin von Trapezunt“, „Die Banditen“. 54 Volker Klotz im Gespräch mit Thomas Voigt in: Operette - Amüsiertheater für die Dummen? In: Opernwelt ([März] 1995), S. 1-6, hier S. 5. Vgl. Adelheid Coy in: Kirsch/Dietrich: Jacques Offen¬ bach (Anm. 47), S. 85: „In Deutschland ist die Betroffenheit der Intellektuellen noch nicht im letz-

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Es herrscht aber gerade im deutschsprachigen Raum ein dramatischer Mangel im doppelten Wortsinne - an guten Texten für die „Offenbachiaden": „Ganz offen¬ sichtlich fällt dem 20. Jahrhundert der intellektuelle Umgang mit dem Theater Offen¬ bachs leichter als dessen praktische Verwirklichung auf der Bühne.“55 Daher bleibt die faktische Nicht-Rezeption von Kraus zumindest ein Ärgernis, wenn nicht ein Skandal. Das hängt mit der leidigen Tatsache zusammen, daß im gegenwärtigen Theaterwesen eine Vermittlung der voluntas auctoris nur geringen Stellenwert hat. Genau dieser Aufgabe aber fühlte Kraus seine Redlichkeit und seinen Enthusiasmus verpflichtet. Daher zielt übrigens auch die Kritik von Hans Weigel an mancher sprachlichen „Unbeholfenheit“ der Krausschen Librettoversionen56 ins Leere. Einmal abgesehen von der Frage, wer es denn besser gemacht habe als Kraus, hat schon dieser selbst immer betont, daß die Eindeutschung Offenbachs losgelöst von der Musik keinen sprachlichen Eigenwert besitze (S 13, 261; F 827-33, 1930, 87). Es ging ihm eben weder um Tantiemen noch um eigenen Bearbeiterruhm. Er wollte seine Arbeit als Dienst an einer klingenden Freudenwelt verstanden wissen, die in ihrer Einheit von Satire und Süße die Welt zumindest erträglicher macht. Sein schlichter Satz an Sidonie Nädherny bleibt gültig: „Die Musik ist unbeschreiblich schön.“57

ten Jahrhundert festzustellen. Sie fängt an bei Karl Kraus, und auf ihn gehen wir - wenn ich das so sagen darf - auch irgendwie zurück“. Zur verstandesmäßigen Herangehens weise von Kraus an die Musik Offenbachs siehe Harry Zohn: Karl Kraus. (Jüdische Lebensbilder) Frankfurt/M • Hain 1990. S. 138. 35 Leo Karl Gerhartz in: Kirsch/Dietrich: (Anm. 47), S. 251. 56 Vgl. Weigel: Karl Kraus (Anm. 44), S. 247-9. 57 Es sei abschließend verwiesen auf die meines Wissens einzigen Tondokumente von OffenbachMelodien zu Kraus-Texten - neben Kraus’ eigenem Vortrag aus dem „Pariser Leben“, der „Schwät¬ zerin von Saragossa“, den „Briganten“ und der „Prinzessin von Trapezunt“ auf der CD: Karl Kraus und Jacques Offenbach. MONO 91058 AAD. Sonderprägung für die Ausstellung Karl Kraus im Schiller-Nationalmuseum Marbach 1999. Auf der LP: Pariser Spezialitäten (Decca 6.42503 AJ) singen - zur leider verfremdeten Orchestration eines Studio-Orchesters - Fritz Muliar das Auftritts¬ lied des Generals Bumm aus der „Großherzogin von Gerolstein“ und Theo Lingen das Entencouplet des Fürsten Cacatois aus der „Insel Tulipatan“. Lingen hatte 1930 im Theater am Schiffbauerdamm in Kraus’ Anwesenheit den Totenkopfhusaren der „Letzten Nacht“ gespielt (vgl F 827-33 1930 117; F 834-37, 1930, 65).

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Mimesis, modernism and Karl Kraus’s ‘Jewish question’ 1 Paul Reitter

“Geistiger Stammbaum” ,

Schopenhauer (Kant), Marx. Freud, Nietzsche (als Bestätigung) Voltaire, Karl Kraus. Judentum. Max Horkheimer2

Karl Kraus’s relentlessly contradictory attitude toward German Jews and GermanJewish culture, his ‘Jewish question’, is one of the most difficult questions with which his work confronts us. Indeed, it quickly led to a debate that has been both polarized and protracted. Theodor Lessing labelled Kraus as “das leuchtendste Beispiel von jüdischem Selbsthaß”,3 And a number of prominent contemporaries expressed similar views: for example, Anton Kuh, Franz Werfel and Max Brod.4 5 More recently, Walter Kaufmann, Wilma Iggers and Sander Gilman have taken up the Kraus-as-self-hater line of interpretation.8 On the other hand, for Berthold Viertel, Kraus was an “Erzjude”,6 7 Werner Kraft spoke of Kraus as a “großer Jude”, while Theodor Adorno n

vigorously defended him against the charge of Jewish anti-Semitism. Decades later, Erich Heller echoed Kraft, calhng Kraus a “great Jew”.8

1 Though my essay: Karl Kraus and the soul of form. In: Germanic Review 75/2 (Spring 2000), pp. 99-119, addresses the same question, my answer to Kraus’s ‘Jewish question’ as presented here has evolved appreciably. 2 Max Horkheimer: Gesammelte Schriften. Vol. 14. Nachgelassene Schriften 1949-1972. 5. Notizen. Ed. by Gunzelin Schmid-Noerr. Frankfurt/M.: Fischer 1988, p. 391. 3 Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthaß. Berlin: Jüdischer Verlag 1930, p. 43. 4 Cf. Anton Kuh: Der Affe Zarathustras. Vienna: Deibler 1925; Franz Werfel: Spiegelmensch. Magische Trilogie. Munich: Kurt Wolff 1920: Max Brod: Der Selbsthaß des Karl Kraus. In: Der Aufbau 28/13 (30.3.1962), p. 24. 5 Cf. Walter Kaufmann: On Karl Kraus. In: New York Review of Books 20 (9.8.1973); Wilma A. Iggers: Karl Kraus. A Viennese critic of the twentieth century. The Hague: Nijhoff 1967; Sander Gilman: Jewish self-hatred. Anti-Semitism and the hidden language of the Jews. Baltimore: Johns Hopkins Univ. Press 1986. 6 Berthold Viertel: Karl Kraus. Ein Charakter und die Zeit. Dresden: Kaemmerer 1921, pp. 56f. 7 Werner Kraft: Franz Kafka. Durchdringung und Geheimnis. Frankfurt/M: Suhrkamp 1968, p. 206; Theodor W. Adorno: Sittlichkeit und Kriminalität. In: T. W. A.: Noten zur Literatur. Ed. by Rolf Tiedemann. Frankfurt/M: Suhrkamp 1989, p. 371. 8 Erich Heller: In the age of prose. Literary and philosophical essays. New York: Cambridge Univ. Press 1984, p. 92.

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Paul Reitter

This dichotomy is striking, yet certainly no enigma. For Kraus’s own utterances on the Jewish Question are, again, extremely dichotomous and invite both readings. Kraus frequently appropriated the most vicious anti-Semitic tropes; "jüdische[s] Gift” was one of his preferred phrases. And he admonished Jews to give up Judaism, main¬ taining that real integration could be achieved only through total assimilation: “Durch Auflösung zur Erlösung” (F 23, 1899, 7), as he put it. Kraus went even further in Die Fackel, however, when he embellished a long essay by Houston Stewart Chamberlain,

one of the architects of modern racist anti-Semitism, with the addition of ‘the press’ to the targets of its invective against Jews.9 Chamberlain regarded Judaism as a perni¬ cious influence in Western culture, whereas Kraus blamed the destruction of the world on the “schwarze Magie” of the (implicitly Jewish) press. But Kraus was also among fin-de-siecle Vienna’s fiercest critics of anti-Semitism. He frequently poured scorn on “die Dummheit der antisemitischen Presse”. And he openly derided the most important anti-Semitic demagogues of his day, such as Karl Lueger and Adolf Bartels. Moreover, while not simply aligning himself with Jewish culture by waging war against its enemies, he explicitly identified with Judaism, at times quite forcefully. For example, in 1934, as the Anschluß with Nazi Germany be¬ gan to seem inevitable, Kraus took a defiant position on the Nazi policy of labelling publications by German Jews as translations “aus dem Hebräischen”. When a German radio station wanted to review his translation of Shakespeare’s Sonnets, he insisted that it refer to the book as a rendering of Shakespeare from Hebrew into German (S 12, 159). In the same year, Kraus wrote that he loved above all other things “die Naturkraft eines unkompromittierbaren Judentums” (F 890-905, 1934, 38). Furthermore, the kind of withering critique Kraus levelled against Jews had a kind of Jewish aspect in tum-of-the-century Vienna. For quite a few of his readers, readers such Adolf Loos and Karl Borromäus Heinrich, Kraus embodied the Jeremian tradi¬ tion of apocalyptic Jewish self-criticism. Despite the fact that he grew up in an as¬ similated family, became ‘confessionless’ in 1899, secretly converted to Catholicism in 1911, only to become publicly ‘confessionless’ again in 1923, Kraus often stylized himself as a rancorous modern-day. Old Testament prophet, in titles like “Apoka¬ lypse”, Die letzten Tage der Menschheit, Weltgericht. Even more striking are Kraus’s explicit statements about his relation to Jewish culture. For example: Ich glaube von mir sagen zu dürfen, daß ich mit der Entwicklung des Judentums bis zum Exodus noch mitgehe, aber den Tanz um das goldene Kalb nicht mehr mitmache und von da an nur jener Eigenschaften mich teilhaftig weiß, die auch

9 Cf. the discussion of Chamberlain’s contribution to “Die Fackel’’ in: Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic satirist. Culture and catastrophe in Habsburg Vienna. New Haven: Yale Univ. Press 1986. p. 239. Corrected by: Gilbert J. Carr: ‘Jerusalem’. Nochmals zu Chamberlain und Kraus. In: Kraus-Hefte 60 (1991), pp. 1-4.

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Mimesis, modernism and Karl Kraus’s 'Jewish question

den Verteidigern Gottes und den Rächern an einem verirrten Volk angehaftet haben. (S 4, 329) Here Kraus invokes for himself the legacy of a pure Judaism, a Judaism that pre-dates the debacle of the dance around the golden calf. This is an nr-Jewish tradition, whose task it is to clean up the polluted Jewish mainstream, to protect and avenge God. Kraus suggests that his independently financed, muck-raking journal Die Fackel might be seen as the implacable voice of prophetic probity, which defends the sacred word - he viewed language as mysterious, divine force - against the bad writing of the venal ‘Jewish’ press. The essay “Er ist doch e Jud” (1913) might well be the clearest expression of Kraus’s opacity on the ‘Jewish question’. With what sounds like ethnic pride he as¬ serts: “[...] die Juden Else Lasker-Schüler und Peter Altenberg [stehen] Gott und der Sprache näher [...], als alles was das deutsche Schrifttum in den letzten fünfzig Jahren hervorgebracht hat” (S 4, 331). However, this message reverses the peremptory claim: “[...] daß mir nichts von allen den Eigenschaften der Juden anhaftet, die wir nach dem heutigen Stand der jüdischen Dinge einverständlich feststellen wollen” (S 4, 329). Kraus also claims that his hatred of Jews - compared to which that of most antiSemites is “ein Kinderspiel” (S 4, 330) - is honourable, as it strives “zu einem Ur¬ sprung und nie zu einem Ziel” (S 4, 329). Invoking that most precious quality in finde-siecle Vienna, this German Jew claims authenticity through his vitriolic writing.

The disparate currents in Kraus’s essay become suggestively confluent in its final section, where Kraus writes: “Bin ich ein Vielschreiber, dem jeder Buchstabe zum Wundmal wird - wer wird behaupten können, daß ich ein Journalist bin? Es müßte denn eine jüdische Eigenschaft sein, keine zu haben.” (S 4, 333) The image of a letter as a “Wundmal” picks up on an extensive metaphorical pattern in Kraus’s writings. He associates writing with corporeality to convey just how visceral is the link between style and identity, and this is what Walter Benjamin plays off when he remarks that there is “ein Stück geschundenes Fleisch” hanging from every comma and the driest facts in Die Fackel.10 As Kraus knew, the intensity of his relation to language, the “beängstigende Körperlichkeit” of his writing, as Franz Kafka put it,* 11 was often per¬ ceived to be a Jewish characteristic. Yet “Wundmal" primarily denotes Christ’s wounds. Thus Kraus presents himself here as a Jewish Sprachmystiker with a cabba¬ listic belief in the sacredness of letters, who is at the same time a Christ-figure. “Es müßte denn eine jüdische Eigenschaft sein, keine zu haben”, is, moreover, a paradox¬ ical disclaimer. For, as I hope to show, in early twentieth-century Austria and Ger¬ many, having no Jewish characteristics could be regarded as a defining Jewish char¬ acteristic. 10 Walter Benjamin: Karl Kraus. In: W.B.: Illuminationen. Ed. by Siegfried Unseld. Frankfurt/M: Suhrkamp 1977, p. 364. 11 Franz Kafka: Briefe 1902-104. Ed. by Max Brod. Frankfurt/M: Fischer 1966. p. 336.

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Although critics have tended to overlook the contradictions in Kraus’s writings on German Jews and German-Jewish culture, several recent analyses of his position do take note of its antinomies without attempting to impose on it any kind of artificial closure. Edward Timms, Leo Lensing and Robert Wistrich have argued that Kraus somehow was able to be both anti-Semitic and anti-anti-Semitic, and that he effec¬ tively identified with, and distanced himself from, Jewish traditions.12 So why not just leave it at that? Why not accept the balanced conclusion: Kraus was a strange hybrid, a Selbsthasser and occasional philo-Semite, who responded pas¬ sionately, ironically, irascibly, progressively and, above all, idiosyncratically to the convoluted discussions of German-Jewish identity that were going on around him? The problem, as I see it, is this: How then would we account for the strong sense among Kraus’s contemporaries, including some very incisive commentators (such as Benjamin, Kafka, Gershom Scholem and also Viertel), that his writing negotiated Ger¬ man-Jewish identity in a profound way? Accounting for these readings of Kraus means rethinking the precise link between modernist formal innovation and early twentieth-century crises of German-Jewish identity. This entails shifting our focus away from Kraus’s tangled utterances about German Jews, to the innovative formal features of his writing, to how his journalistic style connected with a very particular discursive context. Whereas ‘mimetic’ journalistic writing was closely associated with German-Jewish identity, form, or, more specifically, modernist formal innovation, held out a kind of redemptive promise for the cultural identity formation. For those four commentators, a particularly conductive aspect of the Judenfrage rubs against the modernist Formfrage in Kraus’s style, giving it a charged significance, a redemptive meaning for the problem of German-Jewish identity. I remain aware that it is a con¬ tested reading of modernism to emphasize its hope for cultural and spiritual renewal through formal innovation. Yet there are more varieties of modernism than that disaf¬ fection and productive despair which, for the philosopher Robert Pippin, Nietzsche diagnoses in the soulless late nineteenth-century bourgeois society.13 Many German Expressionists hoped that a development of elemental new forms, in which spirit and soul become manifest, could bring about spiritual-cultural renewal. In the more pro¬ found cases, form is not an easy answer to the problem of modernism. Georg Lukacs’ Die Theorie des Romans, which was written amidst the destruction of World War One,

is full of dialectical tension between melancholia and the hope that a new epic form

12 Cf. Timms: Karl Kraus (Footnote 9); Leo Lensing: Kail Kraus writes “tie’s a Jew after all”. In: Sander Gilman, Jack Zipes (Eds.): The Yale Handbook of Jewish culture and writing in Germany 1096-1996. New Haven: Yale Univ. Press 1997; Robert Wistrich: The Jews of Vienna in the age of Franz Joseph. London, New York: Oxford Univ. Press 1990. See also Siguard Paul Scheichl: The contexts and nuances of anti-Jewish language. Were all the ‘anti-Semites’ anti-Semites? In: Ivar Oxaal et al. (Eds.): Jews, antisemitism, and culture in Vienna. London: Routledge 1987. 13 Cf. Robert Pippin: Modernism as a philosophical problem. On the dissatisfactions of European high culture. Oxford: Blackwell 1999.

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will emerge. Kafka’s novels are famously gloomy. But a look through his diaries and letters tells us that the act of writing, of giving form, was shot through with redemptive possibility for him.14 But why was Jewish mimesis singled out for rehabilitation? Although mimesis can mean simply the normative representation of reality, as it does with Aristotle and Erich Auerbach, it signifies nefarious cultural plagiarism for many contemporary theorists of anti-Semitism, disparagingly marking Jews as different, where they had assimilated successfully or ‘infiltrated’ German culture.15 The stereotype asserts that - in contrast to the Volk der Dichter und Denker - diasporic Jews, as a people without organic connection to the language they speak! are constitutionally superficial, incapable of creating original art, and only excel at mimicry and mirroring. The stereotype of Jew¬ ish aptitude for mimesis was a way of unmasking Jewish similarity as difference, Jew¬ ish intelligence being reproductive rather than productive: Heine, the journalist posing as a poet, accused by Wolfgang Menzel of verbal onanism and by Adolf Bartels of micturating onto the German language. The anti-Semitic critique of this perversely uncreative, bad journalism,16 as the limit and most salient marker of German-Jewish intellectual identity, picked up on medieval stereotypes about the caustic, disputatious, effete intellectual culture of Jews. On the one hand, the Jewish mimesis stereotype after 1848, as the press (some Jewish-owned) expanded and began to play a more visible role in the process of national identity formation, facilitated a kind of collective denial: inauthentic journalism will not have a profound effect on the German imagina¬ tion. This is Heinrich Treitschke’s famous contention in his famous essay “Unsere Aussichten”.17 On the other hand, Wagner used the stereotype, amid the tensions of a newly integrative post-1848 Germany, to deny Jews all claims to German identity. He paradoxically focuses on their aesthetic unproductivity, their sub-human, animal-like ability to sound “täuschend ähnlich”18 or to reproduce exalted German and German music with such deceptive similarity, as being the very marker of difference.19 Ger14 Stanley Comgold makes this point forcefully in the introduction to his: Franz Kafka. The necessity of form. Ithaca: Cornell Univ. Press 1988. 15 For a comprehensive survey of theories of mimesis, cf. Mfeyer] H. Abrams: The mirror and the lamp. Romantic theory and the critical tradition. New York: Oxford 1953. 16 For the sake of accuracy, it is important to note that anti-Semitic critics did not pillory all journalism as debauched, Jewish bad writing. Neither Menzel nor Bartels feels obliged to reflect on his status as a critical journalist, and Wilmont Haacke, author of the capacious and often anti-Semitic ‘Hand¬ buch des Feuilletons”, explicitly distinguishes between Jewish and Germanic feuilletonism in his: Ein Beispiel. Das Wiener jüdische Feuilleton. In: Walther Heide (Ed.): Handbuch der Zeitungswis¬ senschaft. Vol. 2. Leipzig: Hiesemann 1942, pp. 2051-72. 17 Heinrich von Treitschke: Unsere Aussichten. In: Walter Boehlich (Ed.): Der Berliner Antisemitis¬ musstreit. Frankfurt/M: Insel 1988, pp. 5-12. 18 Richard Wagner: Das Judentum in der Musik. In: R.W.: Gesammelte Schriften. Vol. 13. Ed. by Julius Kapp. Leipzig: Becker 1908, p. 17. 19 Here I take issue with Marc Weiner: Richard Wagner and the anti-Semitic imagination. Lincoln: Univ. of Nebraska Press 1995. If, as Weiner argues, Jews were so self-evidently different, why does Wagner take such pains to show that apparent similarities are actually signs of deep differences?

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man Jews, accordingly, are never farther away from Germanness than where they ap¬ pear to be so close. But whereas the idea that German Jews had developed a unique proclivity for imitation is the organizing principle behind Wagner’s and others’ stereotypes (“nachplappem”, elsewhere ''nachsprechen”, ‘‘nachkünsteln”),20 it can also have utopian connotations. Consider Robert Musil’s and Hugo von Hofmannsthal’s modernist val¬ orization of a mimetic, rather than a subsumptive, relation to objects of inquiry. It certainly seems unfair of prominent critics to continue to use the term ‘Jewish mime¬ sis’ to denote a pejorative figure in nineteenth- and early twentieth-century German culture without any reference to its alternative connotations.21 I use the term Jewish mimesis to stress that the stereotype of mimicry could be rehabilitated, as in the read¬ ings of Kraus by Benjamin, Kafka, Scholem and Viertel. For them, there is something profoundly Jewish about the intensity, the ethical and aesthetic authenticity, of Kraus’s mimetic practices, which makes his modernist journalism both an implicit challenge to and a dialectical inversion of the stereotype that Jews were capable only of superfi¬ cial mimetic writing. If Kraus’s style could thereby destabilize anti-Semitic discourse by altering the significance of a stereotype so crucial to it, as authentic Jewish mimesis it becomes a meaningful ideal in the middle of a difficult crisis of cultural identity. Kraus himself was one of the main purveyors of a desperate modernist hopeful¬ ness. For all his apocalyptic ranting, he insistently instructs readers to see stylistic improvement as a kind of spiritual and ethical achievement of the highest order. His annihilating, yet ecstatically creative response to World War One, the epic modernist drama Die letzten Tage der Menschheit, is at once a dark threnode and an attempt at aesthetic rebirth. In addition, he published influential writings on form by like-minded critics, for example, Adolf Loos and Leo Popper, to whom Lukäcs addressed his own essay on the essay form. And we also should note that each of the critics who viewed Kraus’s style as doing something profound with German-Jewish identity developed these interpretations within the context of what some historians call “the renaissance of Jewish culture in Weimar Germany”.22 Labouring under newly virulent anti-Semitic pressures, and at the same time bu¬ oyed by new contact to Eastern Jewry, or what many of them regarded as authentic

20 Wagner: Das Judentum in der Musik (Footnote 18). p. 13. 21 Cf. Mark Anderson: ‘Jewish’ mimesis? Imitation and assimilation in Thomas Mann’s “Wälsungenblut” and Ludwig Jacobinski’s “Weither, Der Jude”. In: German Life and Letters 49 (1996), pp. 193-204. Although Gilman: Jewish self-hatred (Footnote 5) does not use the term ‘Jewish mi¬ mesis’, his influential position on the stereotype of a special Jewish language is similar. Both antiSemites and Jews believed that the German of German Jews was tainted, and/or rendered creatively impotent, or essentially mimetic, by their Yiddish past, even where they appeared to speak perfectly. Cf. also Jeffrey Grossman: The discourse on Yiddish in Germany from the Enlightenment to the Second Empire. Rochester: Camden House 2000. Michael Brenner: The renaissance of Jewish culture in Weimar Germany. New Haven: Yale Univ. Press 1996.

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Jewish cultural forms, Weimar-era German-Jewish modernists engaged with the Formfrage with increased energy, and thus with its redemptive effect on German-Jew¬

ish identity. Witness Martin Buber’s and Franz Rosenzweig’s new translation of the Hebrew Bible into German and, above all, Rosenzweig’s formal boundary-pushing, literary-theological epic Der Stern der Erlösung (1921) and his short essay of the early 1920s, "Der jüdische Mensch", which exhorted German Jews to create a true ‘form’ for themselves." ’ Finally, and most telling of all, perhaps, is the fact that Adorno, the single most enduring modernist champion of form, is also the theorist who ascribed ethical value to Jewish mimesis most explicitly, particularly embodied by Kraus. The idea of Jewish mimesis plays 'a critical role in Adorno’s and Horkheimer’s rather abstract reckoning with the historical problem of eliminationist anti-Semitism. For them, Jewish mimesis is a cultural virtue, a historically Jewish practice of ethical mimetic representation.-4 Ultimately an inheritance of the Jewish Bilden>erbot and its main concomitant, a refusal of sacrificial substitution, Jewish mimesis exemplifies a sensitivity to the difference between an object and the substituted sign, as a Jewish cultural practice it preserves difference by resisting the logic of ritual (and then con¬ ceptual) substitution, which, Adorno and Horkheimer maintain, has dominated the Western world since the Greeks. At the nadir of this conceptual logic, in the fascist culture of total subsumption, a difference that promotes difference is dangerously sub¬ versive. And Adorno and Horkheimer suggest that Jewish mimesis is threatening to anti-Semites not because it functions as an effective agent of assimilation and con¬ ceals difference, but, rather, because it remains foreign to conceptual assimilation and sustains difference. Have Adorno and Horkheimer identified a historically Jewish mode of represen¬ tation that made German Jews, the main repositories of otherness in Germany, so much more nefarious to anti-Semites obsessed with creating uniformity and monopo¬ lizing authenticity? Since they do not adduce evidence, one may suspect them of spec¬ ulation. However, their searching remarks contain an implicit historical-psychological explanation of the striking ubiquity and ambivalence of Jewish mimesis, both in antiSemitic discourse, and in the search of German Jews in the nineteenth- and early twen¬ tieth century for redemptive identity. Unlike many other anti-Semitic stereotypes, Jewish mimesis could be seen as a function of an authentic, if also embattled, tradi¬ tional Jewish virtue: ethical mimesis. Consider Jakob Fromer’s remarks on the ele¬ mental qualities of Jewish mimesis as a mimesis of the primordial mimesis of death,

23 Franz Rosenzweig: Der jüdische Mensch. In: F. R.: Zweistromland. Kleinere Schriften zu Glauben und Denken. Ed. by Reinhold Mayer, Annamarie Mayer. Dordrecht: Nijhoff 1984, p. 561. 24 Cf. Theodor Adorno, Max Horkheimer: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frank¬ furt/M: Suhrkamp 1988, pp. 189f. My reading is indebted to Anson Rabinbach: In the shadow of catastrophe. German intellectuals between Apocalypse and Enlightenment. Berkeley: Univ. of Cali¬ fornia Press 1997, in particular the point that Adorno and Horkheimer try to fashion their own writing as a kind of Jewish mimesis, writing “philosophical fragments” about a fragmented, post-war world.

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“Sichtotstellen”, which some animals perform to save themselves from predators. Ludwig Wittgenstein, who at times disparaged ‘Jewish intelligence’, including his own, as ‘merely reproductive’, also thought that Jews had become extraordinarily adept at mimesis as a result of their enduring need to protect themselves.-6 The liberal Rabbi Adolph Jellinek, perhaps the most important Jewish leader in Vienna during the 1870s and 1880s, maintains that Jews had a special, ethical sensitivity toward the things they represented in their writing. He celebrates the Jews’ mimetic sensitivity as a function of the long-standing “Weiblichkeit” of Jewish men. Jewish “literarische Weiblichkeit”, he seems to imply, protects Jews from falling into the reifying ‘male’ abstraction that preponderates in Western philosophy.27 Certainly Fromer’s and Jellinek’s writings resonate with Adorno’s and Horkheimer’s conception of Jewish mimesis, including the example of Sichtotstellen, or mimesis of inanimate nature that occurs in nature - if also to make a somewhat differ¬ ent point.28 As these examples from German-Jewish contemporaries suggest, there was a long-standing tendency to valorize ethical, mimetic ‘Jewish’ representation. Making an ideal out of a vicious stereotype was not a truculent, arbitrary reversal. It would not entail imposing ideals shaped by German cultural concerns on the Jewish tradition, or just the kind of wilful ahistoricism that Benjamin and Scholem criticized so fiercely in Martin Buber’s ‘Germanic’ vitalism. Rather, rehabilitating the Jewish mimesis stereotype, as Benjamin, Kafka, Scholem and Viertel do, was about recover¬ ing an ideal that could be supported by tradition. What made an ethically engaged modernist mimesis such as Kraus’s, which perpetuates difference through creative cit¬ ation, attractive, was that it somehow evoked «/--traditions of Jewish writing. Yet Adorno’s and Horkheimer’s remarks on anti-Semitism are not quite as radi¬ cally revisionist as they sometimes sound. They do not contend that Jewish mimesis was a sort of sacred fire that a few vigilant custodians of tradition managed to keep alive. Nor do they contend that all German Jews were ethically superior adepts at Jewish mimesis. They write: Die undisziplinierte Mimik aber ist das Brandzeichen der alten Herrschaft, in die lebende Substanz der Beherrschten eingeprägt und kraft eines unbewußten Nach¬ ahmungsprozesses durch jede frühe Kindheit hindurch auf Generationen vererbt, vom Trödeljuden auf den Bankier. Solche Mimik fordert die Wut heraus, weil sie angesichts der neuen Produktionsverhältnisse die alte Angst zur Schau trägt, die man, um in ihnen zu überleben, selbst vergessen mußte.29

25 Jakob Fromer: Das Wesen des Judentums. Berlin: Hupeden & Merzyn 1905, p. 149. 26 Cf. Ray Monk: Ludwig Wittgenstein. The duty of genius. London, New York: Penguin 1990, pp. 313-7. Adolf Jellinek: Der jüdische Stamm. Vienna: Herzfeld & Bauer 1869, pp. 89-104. 2IS Adorno/Horkheimer: Dialektik der Aufklärung (Footnote 24), p. 189. 29 Ibid., p. 191.

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Not all German Jews actively engage in "echte Mimesis”, which Adorno and Horkheimer elsewhere describe as the heroic "Widerspiel” of an anti-Semitism that lost die Fähigkeit zur Differenz”. Unlike so many thinkers who have tried to vindicate German-Jewish identity, they do not romanticize any particular Jewish types as repos¬ itories of cultural authenticity (neither the critic nor the Ostjude). Their authentic Jew¬ ish mimesis is largely a distant ideal. Most German Jews, from the unheroic “Trödelju¬ den to the even less heroic “Bankier”, inherit traces of this mimesis, through both a kind of mental branding and a subconscious process of imitation. In these traces of “undisziplinierte Mimik”, ethical representation seems to be overshadowed by archaic fear. This fear enrages anti-Semites because it is an old, human response, a form of repression, a means of surviving new, inhumane conditions. Jewish difference, by per¬ sisting, disrupts the fascist drive toward “totale Gleichmacherei”, to use Adorno’s and Horkheimer’s phrase. Adorno and Horkheimer state their reflections on Jewish mime¬ sis boldly, to be sure; but also dialectically. Their reading is compelling because it offers, if only in aphoristic form, a plausible narrative of the diverse and pitched sig¬ nificance of the stereotype beyond the position that Jewish mimesis is simply an art¬ fully crafted anti-Semitic tool for marking Jews as different.30 Even Wagner is an example of the complexity of the Jewish mimesis stereotype, which enabled Kraus’s mimesis to take on such significance for the ‘Jewish question’. Rather than simply portraying Jews as ungrounded assimilationists, which is what he claims he is doing, he has Jews speak an elemental, animal mimesis (‘parroting’), analogous to the archaic Sichtotstellen. (This, of course, is not to imply that a double¬ valence obtains in every anti-Semitic appropriation of the Jewish mimesis stereotype.) We find a similar tension in Wilhelm Many31 who asserts that unlike all the other 30 Until recently, most non-anti-Semitic, post-war discussions of German-Jewish differences have been equally abstract. Consider Hannah Arendt’s or Marcel Reich-Ranicki’s attempt to foreground the special German-Jewish contribution to German intellectual culture. Such claims prompt reflec¬ tion and open up new ways to interpret certain German-Jewish cultural phenomena, but they rarely, if ever, make convincing explanatory arguments about actual historical Jewish intellec¬ tual differences. Both these interpretations and writings by philosophers like Lyotard, Derrida and Paul Mendes-Flohr uncritically repeat searching, ‘primary’ statements about the essence of Jewish¬ ness by pre-World War Two German-Jews, such as Benjamin and Kafka, and especially Franz Rosenzweig. More rigorous studies of tendential differences in German-Jewish mores and practices of representation, by analogy with post-colonial models of ethnic identity formation, include: Dan¬ iel Boyarin: Unheroic conduct. The rise of heterosexuality and the construction of the Jewish man. Berkeley: Univ. of California Press 1997; Scott Spector: Prague territories. National conflict and cultural innovation in Franz Kafka’s fin de siede. Berkeley: Univ. of California Press 2000. For social histories of German-Jewish culture as source material for tendential Jewish differences see David Sorkin: The transformation of German Jewry. 1780-1840. New York: Oxford Univ. Press 1987; Marion A. Kaplan: The making of the Jewish middle class. Women, family, and identity in Imperial Germany. New York: Oxford Univ. Press 1992. Alive to the problems of psychologizing and essentializing, these scholars avoid the pitfalls of connecting anti-Semitic pressure and the in¬ novativeness of German-Jewish thinkers and artists. 31 Wilhelm Marr: Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum. Vom nicht konfessionellen Standpunkt aus betrachtet. Bern: Costanoble 1879.

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conquerors in world history, Jews have neither assimilated the culture they vanquished to their own culture nor assimilated themselves to it. In the German anti-Semitic im¬ agination, Jewish mimesis somehow both facilitates assimilation and maintains differ¬ ence. Accordingly, Werner Sombart argues both for and against the stereotype in his anti-Semitic analysis of capitalism, Die Juden und das Wirtschaftsleben (1913): [...] daß auch die jüdischen Talente so oft nichts Nationaljüdisches an sich haben, sondern auf den Ton ihrer Umgebung abgestimmt sind: das hat man seltsamer¬ weise als Beleg dafür anzuführen versucht, daß es keine spezifische jüdische Ei¬ genart gäbe, während es doch eben gerade diese Eigenart auf das schlagendste beweist: diese Eigenart, soweit sie in einer übernormalen Anpassungsfähigkeit zum Ausdruck kommt.32 Here the Jewish mimesis stereotype marks what is unmarked by turning the absence of a mark into a perspicuous marker, thereby characterizing complete integration as decisive proof of the impossibility of integration. For if Jewish integration is made possible by a specifically Jewish mimetic capacity, then integration reinforces Jewish difference. As Sombart puts it elsewhere: ‘Der Journalist muß lebhaft beweglich, rasch, enthusiastisch, zersetzend, auflö¬ send, kombinierend, zusammenfassend sein, muß in medias res eintreten, den Kern einer Tagesfrage, den Mittelpunkt einer Debatte vor Augen haben, muß in scharfen und markierten Umrissen seinen Gegenstand behandeln, epigramma¬ tisch, antithetisch, sententiös, in kurzen, schlagenden Sätzen ihn darstellen, ihm durch ein gewisses Pathos Leben, durch Esprit Farbe, durch Schärfe Würze verleihen’; alles Judenart. In this passage, Sombart is quoting Adolf Jellinek on Jewish identity, but he subverts Jellinek’s invocation of mimesis as a force propelling Jews toward the “Kern der Tagesfrage" by appending the conclusion: “alles Judenarf’. The very characteristics that push Jews into the centre of society preclude them from becoming that centre. For these integrative qualities are, in the end, signs of otherness, “alles Judenart”. Sombarf s invective against Jellinek tells us why Jewish mimesis was brought to bear as a relentless stereotype of journalism and critical essayism. In cultural journal¬ ism, Jews appeal- as arbiters of German culture, or at the centre of debate, as Jellinek puts it. Hence the need for anti-Semites to establish the essential difference of Jewish feuilletonists, as being able only to imitate and wittily discuss German culture, without transforming it creatively. Sombart, who here underlines Jewish mimesis where it con-

32 Werner Sombart: Die Juden und das Wirtschaftsleben. Munich, Leipzig: Duncker & Humblot 1913, p. 325. 33 Ibid., p. 328.

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ceals Jewish difference, tries to erase it where it stands out, as when he dismisses Fromer’s primordial Jewish mimesis.34 If the logic behind the anti-Semitic stereotype were simply to expose difference, this double-valence would make no sense. But the aporias of anti-Semitic ideologues can be revealing — and Sombart's tergiversations testify to the complexity of the stereotype. Around the time that Sombart's book appeared, Moritz Goldstein asserted in the conservative magazine Der Kunstwarf. "Warum gibt es soviel jüdische Journalisten? Journalisten sind Spiegel, die die Bilder des Tages auffangen und zurückwerfen.’’35 Here Goldstein vacillates between self-deprecation and self-aggrandizement, as he does when he calls Jews the "Verwalter” of German culture, and yet denies they are real artists. Even though his ostensible goal is to debunk the benighted dream of as¬ similation and suggest a radical alternative, he seems to have internalized the deroga¬ tory Jewish mimesis stereotype, bemoaning the lack of a language of their own as a cultural deficiency: they have been flattened into human mirrors. On the other hand, their mirroring skills are profoundly redeeming, and allow them to make an indispen¬ sable, authentic contribution to German culture. This may even be more Jewish than the rugged Zionist project of creating a Jewish culture in the desert. Hence, perhaps, Goldstein’s ultimate unwillingness to renounce his "Verwalter” position and to en¬ dorse the Zionist project, hence his warning that emigration would entail a great loss for both Germans and Jews. In the controversy which Goldstein’s article opened up, Ernst Lissauer, an ardent assimilationist who did not believe that there was such a thing as Jewish mimesis, accused Goldstein of spreading both anti-Semitic and Zionist propaganda. Of course, the very idea of basic Jewish differences did not sit well with the most zealously as¬ similationist German Jews. But moderate assimilationists frequently subscribed to the stereotype. Significant in Kraus’s context is the way the stereotype managed to estab¬ lish itself well outside the pale of enthusiastic adherents to anti-Semitic ideology. Con¬ sider the case of Theodor Gomperz, a prominent and well-respected professor of Clas¬ sical philology at the University of Vienna. He grew up in an assimilated family, but he seemed proud of his heritage, adverting to the fact that the first Jewish graduate of a German Hochschule was a Gomperz, and not shy to support ostensibly Jewish causes. (He helped Sigmund Freud get a position at the university.) Against this back¬ ground, his remarks on Jewish intellectual identity in a posthumously published and tellingly entitled essay, “Über die Grenzen der jüdischen intellektuellen Begabung” (1904), may come as a surprise. Their tone is judicious enough. But the upshot of his argument is, on one level, very much in line with Wagner: as real art lies beyond the creative powers of Jews, they should concentrate on what they do well, journalism and criticism. Their proficiency at “die reproducierenden Künste”, as he puts it, is em-

34 Ibid., p.325. 35 Moritz Goldstein: Der deutsch-jüdische Parnaß. In: Der Kunstwart 25/11 (1912), p. 288.

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blematic of deep-seated Jewish mimetic tendencies. Gomperz writes: “Fulda und Blu¬ menthal sind überaus geistvolle Verfasser von Bühnenwerken, aber man thut ihnen nicht ganz Unrecht, wenn man sie hochbegabte dramatische Feuilletonisten nennt. ”36 These German Jews appear to be condemned to practice journalism, yet the tone of the text is hardly one of doleful, self-hating resignation. Indeed, for Gomperz, Jewish mimesis is never a function of foolishness, as, at times, it is for Wagner: Während den Juden in hohem Maaße kritischer Verstand eignet, Schärfe des Urtheils, auch blendender Witz und Esprit, so scheint ihnen der Gegenpol dieser Be¬ gabungen zu fehlen: das Unbewußte, Dämmerige, Traumhafte, Ahnungsvolle. Fast möchte man sagen, für gewisse Arten von Hervorbringungen ist es in den jüdischen Köpfen zu hell.37 Mimetic Jewish intelligence turns out to be redoubtable, and its limitations are caused by a great strength, brilliance, and not by spiritual bankruptcy. Of course, as in Wag¬ ner’s hierarchy, unconscious creation stands at the top. Weighed down by their over¬ developed critical apparatus, Jews, tragically, are not able to ascend so high. Still, Gomperz both subscribes to the anti-Semitic stereotype of Jewish mimesis and wants to suggest that the potential for rehabilitation is there, even if he does not undertake to do this work himself. For he concludes with a sanguine expression of hope, that since genius knows no limits, it might well decide to transcend the limits of Jewish intelli¬ gence, conferring itself upon German Jews. Gomperz says nothing about a reconfig¬ uring of Jewish intelligence, and so the result, presumably, would be a Jewish genius for mimesis. Among many appropriations of the Jewish mimesis stereotype, I will mention only one final example. Henry Wickham Steed, the highly regarded Times correspondent in late Habsburg Vienna, was generally critical of Austrian biases, often slashingly so. Yet Steed seems to have accepted the stereotype of Jewish mimesis: There is yet another reason for Jewish literary inferiority. The mother tongue of most Jewish journalists in Austria is or was Yiddish. The influence of jargon is clearly in their work. When they strive to escape it they are apt to fall into artifici¬ ality. The contorted, high-falutin style of Maximilian Harden, editor-proprietor of the Berlin Zukunft is a case in point.38 Real art, for Steed as for others, is beyond the ken of Jews. However, after remarking on the aptitude of Jews for journalism and. suggestively enough, on their skill at pro-

36 Theodor Gomperz: Über die Grenzen der jüdischen intellektuellen Begabung. In: Robert Kann (Ed.): Theodor Gomperz. Ein Gelehrtenleben im Bürgertum der Franz-Josefs-Zeit. Auswahl seiner Briefe und Aufzeichnungen 1869-1912. Vienna: Verlag der österreichischen Akademie der Wissen¬ schaften 1974, p. 386. My emphasis. 37 Ibid., p. 387. 38 Henry Wickham Steed: The Hapsburg Monarchy. London: Constable 1913, p. 158.

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ducing “copy ’, he goes on to admire Kraus’s German. Among other capable Jewish writers, it was Kraus who came compellingly to mind. Why? Because unlike, say, Schnitzler or Hofmannsthal, Kraus worked in the very discourse in which Jewish lit¬ erary inferiority was supposed to manifest itself, journalism, making his stylistic ac¬ complishments all the more conspicuous. Perhaps Steed is also taking up the other side of the stereotype: the sense that German Jews were somehow capable of a special ethical mode of mimetic represen¬ tation. If, after all, it is the ‘purity’ of Kraus’s mimetic journalism that Steed lauds, then mimesis both pushes Jews into the most debauched writing and propels them upward, to its apotheosis. Of course, by claiming the status of art for his own journal¬ ism while denigrating artistic feuilletonism in general as an inimical Mischgattung, Kraus himself insistently drew attention to the exceptional, boundary-pushing character of his writing, and encouraged critics to see him as the redeemer of a fallen genre. Steed’s emphasis on the contrast between Harden and Kraus is an elaboration on Kraus’s own comparisons and mock translations of Harden’s unrecognizably dis¬ tended style, which must be turned (back) into German if it is to be comprehensible (F 251/2, 1908, 15-18). The corollary to Kraus’s attempt to distance himself from Harden’s assimilationist turgidities is his openness to un-assimilated language: Yiddish. Kraus was certainly no Nathan Birnbaum. But he did acknowledge the expressive force in certain manifesta¬ tions of Yiddish culture. For example, in “Die letzten Schauspieler” (1911), an essay about a Yiddish theatre group, Kraus enthusiastically praises the lead actor’s miming of an ape. (The essay possibly influenced Kafka’s attitude toward Yiddish theatre and also “Ein Bericht für eine Akademie”, his sketch about an ape who learns to imitate human behaviour.). Kraus deems this performance to be true art and vastly superior to anything performed at Vienna’s prestigious Burgtheater. Drawing out the implications of his point, Kraus writes: “Es kommt in der Kunst darauf an, wer jüdelt.” (S 4, 155) Jewish miming is not the sign of artistic limitations, but, depending on the artist, can be sublime, even where an ape aping humans is aped. About his own mimetic practices Kraus intones: “[...] mein Stil wimmelt nicht nur von Austriazismen, sondern sogar von Judaismen, [...] mein Stil kreischt von allen Geräuschen der Welt, er kann für Wien und für den Kosmos geschrieben sein, aber nicht für Berlin und Königsberg” (S 3, 196). Here journalistic mimesis is presented as just what it was not supposed to be, a kind of epic, or in Kraus’s words, ‘cosmic’ art. Now we do not have to agree with Kraus’s typically immodest assessment of his writing to understand why readers re¬ garded its style as so very innovative. While not turn-of-the-century Vienna’s only maverick journalist,39 as literary essayist he built up his ethos of uncompromising 39 See my unpublished dissertation: P. R.: The soul of form. Karl Kraus, essayism and Jewish identity in fin-de-siecle Vienna, for an analysis of the formal differences between Kraus’s innovative feuil¬ letonism and the contemporary feuilletonism that counted as innovative. On the connection between Jewish identity and feuilletonism in Vienna see Hildegard Kernmayer: Judentum im Wiener Feuil-

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independence, of ‘purity’, having founded his own journal and run it more or less by himself. Casting aside dignified syntactical balance and graceful Leichtigkeit and searching for salvation in a bacchanal of hypotaxis, he disrupted feuilletonistic con¬ vention in obvious ways. Indeed, the “serpentine sentences”,40 through which Kraus expressed his coiling wrath, differ dramatically from the flowing prose of Vienna’s best known feuilletonists, Daniel Spitzer, Felix Salten. Theodor Herzl and Hermann Bahr. Whereas the style of these writers never lost its eloquent balance, Kraus had his expand or contract to assimilate it to the shape of his subject. The classic example of this technique is the first sentence of “In dieser großen Zeit” (1914). Kraus inflates the sentence, pumping clause after clause into it, to create a formal mimesis of the horribly swollen time of war, “die große Zeit”, which, Kraus argues, is about to burst catastrophically (S 5, 9). Here he maintains a kind of sympa¬ thy for his subject, assimilating his writing to the war atmosphere, even as he ruth¬ lessly condemns it. This is the kind of essay writing in which Adorno would later divine a certain Jewishness by claiming that it wears the “gelber Fleck” (‘yellow star’).41 More important, perhaps, is the radicality of Kraus’s quoting. According to Harry Zohn, that radical innovator Bertolt Brecht used Kraus’s montage techniques as a model.42 A number of Kraus’s journalist essays consist almost entirely of quotations. And in the essay “Das Ehrenkreuz” (1909), for example, Kraus directly reproduces brothel-speak, court-room reporting, and legal discourse, weaving these quotations together so intricately and furiously into a verbal montage. The suggestion is that these apparently disparate phenomena of brothel, culture, the mass press and the legislation of ethics (Sittlichkeitsgesetze) have a common source in Vienna’s swirling corruption (S 2, 49-51). In any event, the issue of sheer creativity in citing is so crucial here that Benjamin laid the greatest stress on “mimisches Genie” in his reading of Kraus, whereby, of course, he ascribes “Genie” to Kraus’s mimesis: Aber auch im Verhältnis zu den Gegenständen seiner Polemik spielt das Mimische eine entscheidende Rolle. Er macht den Partner nach, um in den feinsten Fugen seiner Haltung das Brecheisen des Hasses anzusetzen. Dieser Silbenstecher, der zwischen die Silben sticht, holt Larven [...] zu Klumpen heraus. Die Larven der leton (1848-1903). Exemplarische Untersuchungen zum literarischen und politischen Diskurs der Moderne. Tübigen: Niemeyer 1998; Alfred Polgar: Das Wiener Feuilleton. [1906]. In A. P.: Speusitz. Vienna: Locker 1984. pp. 31-5. Polgar’s innovative feuilleton writing prompted critics like Arnold Zweig to read it, too, as ur-Jewish. 40 George Steiner: Karl Kraus. Fear and loathing in Vienna. In: Sunday Times (12.8.1984), p. 41.1 list the Catholic journalist Bahr with these Jewish feuilletonists because, despite his völkisch back¬ ground, his journalistic practice was, and is, often mistakenly characterized as Jewish. 41 Theodor W. Adorno: Der Essay als Form. In: T. W. A.: Noten zur Literatur (Footnote 7), p. 10. 4: Harry Zohn: Karl Kraus and the critics. (Literary criticism in perspective) Columbia SC: Camden House 1997, p. 76. Cf. Burkhard Müller: Karl Kraus. Mimesis und Kritik des Mediums. Stuttgart: M & P 1995.

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Käuflichkeit und der Geschwätzigkeit, der Niedertracht und der Bonhomie, der Kinderei und der Habsucht, der Verfressenheit und der Hinterlist. In der Tat, die Bloßstellung des Unechten - schwieriger als die des Schlechten - kommt hier behavioristisch zustande. Die Zitate der “Fackel” sind mehr als Belegstellen: Re¬ quisiten von mimischen Entlarvungen durch den Zitierenden.43 In Kraus’s style of criticism, as in Jellinek’s or Adorno’s and Horkheimer’s idealized ‘Jewish’ criticism, a mimetic relation to objects of inquiry ‘plays a decisive role’. This is imitative, abjectly mimetic activity, the recourse of uprooted Jewish journalists who lack the grounding necessary to be primordially creative themselves. Kraus’s hyper¬ mimesis, his obsessive micro-c i t i n g, exposes corruption in the spaces between syl¬ lables and takes his readers through anti-Semitic stereotypes about fraudulent assimi¬ lationist mimesis and out the other side, to the idea of authentic mimesis. The ci¬ tations in Die Fackel are more than mere “Belegstellen”. “Requisiten von mimischen Entlarvungen” suggest an archaic, primordial character, and Kraus’s journalism stands in opposition to ‘the inauthentic’. In addition, Benjamin speaks explicitly of the ‘archaic’ character of Kraus’s art of expression, and of the cannibalistic quality of his mimicry, which leaves the mimic’s lips dripping blood.44 Prompted by Kraus’s writing, Benjamin discovers elemental, positive, ethical ideals, that other meaning of the Jewish mimesis stereotype discussed above, in discourses and ways of thinking that frequently functioned as emblems of Jewish inadequacy. There is more at stake in “Karl Kraus” than the ‘Jewish question’. A number of Benjamin’s main concerns came together in Kraus’s writing, for example, the relation of baroque verbosity and tragic silence, the relation of Sexus and Geist, the relation of the absolutely non-related, to use Derridean terms. Benjamin’s remarks on Kraus’s use of citation and how it negotiates German-Jewish identity are so charged for similarly broad reasons. While he finds citation basic to the process of cultural identity forma¬ tion in general, he does link Kraus’s citational mimesis and identity in strikingly blood-and-guts terms, as particularly Jewish, though never saying that this relation is exclusively Jewish. And so he leaves us with powerful images of the role of cita¬ tion in constituting the self as it exists in and through language. Anticipating contem¬ porary developments in identity theory, Benjamin implies that Kraus’s style makes manifest a process that occurs pervasively.45 A mode of identity formation that ac¬ knowledges, indeed radically foregrounds, its own citational character, as Kraus’s 43 Benjamin: Karl Kraus (Footnote 10), p. 365 (my emphasis). Benjamin (p. 364) also emphasizes Kraus’s skill at another kind of mimetic activity, “Selbstbespiegelung”, claiming that its effect is to bring out idiosyncrasy, which he calls “das höchste kritische Organ”. 44 Ibid., p.375. 45 On the affinities of Benjamin’s essay on Kraus with Judith Butler’s theory of cultural identity as citational see my essay: Germans and Jews beyond journalism. Essayism and Jewish identity in the writings of Karl Kraus. In: German Quarterly 72/3 (1999), pp. 232-51.

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does, would be, according to this line of thinking, about as authentic as you could hope for, especially when it draws on a deep tradition (that of ethical Jewish mimesis). Hence Benjamin’s provocatively literal application of terms such as ‘authentic’ and ‘primordial’, vitalist terms of which he was generally critical, to Kraus’s mimesis. Benjamin’s own uncompleted attempt at a modernist epic was to consist exclusively of quotations. The key point of Benjamin’s analysis of Kraus’s mimetic authenticity lies in “der echt jüdische Salto mortale”: Kraus’s writing is authentic not only because its force belies an anti-Semitic stereotype about mimetic representation, but, rather, because it turns this authentically Jewish salto mortale into the worshipping of divine justice in language. Benjamin writes: “Das Bild der göttlichen Gerechtigkeit als Sprache - ja in der deutschen selber - zu verehren, das ist der echt jüdische Salto mortale, mit dem er den Bann des Dämons zu sprengen sucht.”46 Journalism may be the best setting for this act. For it is against the backdrop of dry facts that the elemental, often dangerous, and even brutal negotiation of identity through style - the ‘death-defying’, ‘authenti¬ cally Jewish’ leap into language - becomes most apparent: So kommt sein Stil zustande und mit ihm der typische Fackelleser, dem noch im Nebensatz, in der Partikel, ja im Komma stumme Fetzen und Fasern von Nerven zucken, am abgelegensten und trockensten Faktum noch ein Stück des geschun¬ denen Fleisches hängt.47 Kraus’s style tears an existing identity apart, presumably leaving bloody pieces of it strewn all around. In trying, as Benjamin puts it, to shatter the “Bann des Dämons”, Kraus at least achieves a certain authenticity. Franz Kafka’s well-known response, in a letter to Max Brod, to Kraus’s play Lite¬ ratur oder Man wird doch da sehn (1921), also suggests that Kraus’s writing repre¬

sents an extraordinarily painful process of identity formation.48 Literatur, which sati¬ rizes the hypertrophic Expressionism of the German-Jewish writer Franz Werfel, is, for Kafka, a masterpiece of “Mauscheln”, this “selbstquälerische Anmaßung eines fremden Besitzes”. Mauscheln, the style in which, and with which. Kraus works - and not his actual jokes - is deemed to be the substance of Kraus's devastatingly effective "Witz”. As Kafka uses it, the term Mauscheln does not simply refer, as it most often did, to a Yiddish inflected (or infected) German. Rather, it denotes the linguistic form to which the pressures of assimilation inexorably drive German Jews, in whose world scarcely anyone can avoid it. Kafka does not offer a very precise definition. As the outcome of a tortured, presumptuous acquisition of foreign property (“fremder Be¬ sitz”), which, he implies, cannot be appropriated authentically. Mauscheln is more

46 Benjamin: Karl Kraus (Footnote 10), p. 367. 47 Ibid., p.364. 48 Kafka: Briefe (Footnote 11). p. 336

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hyper-correct assimilationist Bildungssprache than ghetto slang. There can be Mauscheln, “auch wenn nicht der einzigste Sprachfehler nachgewiesen werden kön¬

nte“. But this is not the Mauscheln that Kafka attributes to Kraus when he satirizes the parvenu Mauscheln produced by what Kafka biliously refers to as “überlebendige Ju¬ denhände” (such as WerfeTs). Kraus’s Mauscheln is a m i m e s i s of Mauscheln, it is Jewish writing, a Mauscheln that counteracts what is clearly, for Kafka, bad, inauthen¬ tic assimilationist writing. Laying bare Mauscheln through parody, Kraus’s own Mauscheln promotes mi¬ metic authenticity, confronting German Jews with a difficult truth about their identity. Kafka in fact speaks of “die Wahrheit” fn Kraus’s writing hand and, in expressing the elemental connection between a style that is “beängstigend körperlich” and Kraus’s identity, even anticipates Benjamin’s image of flesh hanging from the commas in Die Fackel. The suggestion is that Kraus’s style performs, and thus literally embodies,

German-Jewish cultural identity. Benjamin's friend Gershom Scholem, the great scholar of the cabbala, was simi¬ larly emphatic in his remarks on the link between German-Jewish identity and Kraus’s style. Musing, long after the fact, on conversations he had had with Benjamin about Kraus, Scholem writes: Ich hatte mir schon lange Gedanken über die Herkunft des Stils von Kraus aus der hebräischen Prosa und Dichtung des mittelalterlichen Judentums gemacht, der Sprache der großen Halachisten und des ‘Musivstils’, der Reimprosa, in dem Sprachbrocken der heiligen Texte kaleidoskopartig durcheinanderwirbeln und publizistisch, polemisch, deskriptiv und auch erotisch profaniert werden.49 Scholem sees traces of medieval Jewish traditions in Kraus’s “kaleidoskopartig” mi¬ metic techniques: his bringing together of diverse “Geräusche der Welt”, to use Kraus’s own formulation, and the “publizistisch” and “polemisch” character of his writing - precisely those aspects of his style that were deprecated in the anti-Semitic discourse - are held up by Scholem as belonging to authentic Jewish traditions. Yet this is no simple reversal. On the one hand, like Kafka, Scholem actually sub¬ scribes to the negative stereotype of Jewish mimesis: German Jews did have a special penchant, if not so much for pompous Mauscheln, then for vacuous journalism, the result - in his opinion - of their cultural decline. On the other hand, for Scholem, journalism is structurally similar to venerable Jewish linguistic traditions, such as the Musivstil - a kind of traditional Talmudic stylization characterized by radical dialec¬

tics and self-reflexive citation. For this reason, it is Kraus’s “publizistisch” or journal¬ istic writing that achieves Scholem’s goal of revivifying this Musivstil tradition and its linguistic practices, thereby redeeming contemporary Jewish culture from a malaise of

49 Gershom Scholem: Walter Benjamin. Die Geschichte einer Freundschaft. Frankfurt/M: Suhrkamp 1976, p. 136.

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legalistic orthodoxy, soulless assimilationism and Zionist excess. Here, too, Kraus’s innovative journalistic style becomes an answer to the ‘Jewish question’. Berthold Viertel’s commentary on Kraus’s style resembles Scholem's in basic ways. He interprets Kraus’s mimetic writing as recovering real ‘Jewish’ strengths, which had been obscured by the anti-Semitic branding of them as ‘Jewish’ weakness. An early contributor to Die Fackel and one of Kraus’s close friends, Viertel certainly had ample extra-textual motivation for calling Kraus “ein Erzjude”. His passionate panegyric to Kraus was published in 1921, a moment during which the charge of Jew¬ ish self-hatred was being levelled against Kraus with renewed fury. (These attacks were the result of Kraus’s World War One polemics, which often blamed ‘Jewish’ capitalists and journalists for the destruction of the world. ) Viertel’s book has, at times, the tone of an apology bom of personal loyalty rather than exegetical conviction. But he did not support Kraus blindly. Their relationship seems to have been based on mu¬ tual respect. Energetically committed to the cause of social justice, he saw in Kraus its potent champion. Moreover, Viertel actively campaigned to improve the situation of poor Ostjuden exploited by Austrian industry and was a vigorous participant in discus¬ sions of German-Jewish culture and its discontents. Given such a position, maintained consistently for many years, it is unlikely that he would have disingenuously endorsed Kraus’s relation to Judaism simply to help him out against critics whom even Kraus did not take seriously. Again, their stylistic differences notwithstanding, Viertel’s claims about the sig¬ nificance of Kraus’s style are as far-reaching as Scholem’s. Viertel writes: Seine Übertriebenheit erweckt die übertriebensten Vorstellungen vom Jüdischen wieder; die Juden hatten längst nicht mehr die innere Macht, sich so zu über¬ treiben. Er macht die berüchtigten Qualitäten literaturfähig: die Unduldsamkeit, die Rachsucht; die Halsstarrigkeit, die immer tiefer fressende Entzweiung, die bloßlegend durch Form und Gehalt reißt. [...] Kein Zweifel: Karl Kraus ist ein Erzjude.50 Kraus’s stylistic force makes intellectual qualities “literaturfähig”, aesthetically au¬ thentic, once again. These qualities, which had come to be associated with the Jews’ inability to produce real art, have to do with caustic, dialectical intelligence and polemicism (“Rachsucht”), and if such ‘Jewish’ tendencies are evoked in a wilfully ex¬ aggerated manner, their significance shifts radically. Through Kraus’s exaggeration, the most exaggerated ideas about ‘Jewish’ intellectual characteristics become true. German Jews now have the ‘inner power’ to engage in such potent exaggeration, their infamous critical capacities animating them into art. Mimetic exaggeration seems, for Viertel, to be an arch-Jewish activity, since it is Kraus’s ability to perform a series of stereotypes that earns him the title of “Erzjude”. 50 Viertel: Karl Kraus (Footnote 6), pp. 56f.

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Furthermore, the phrase “längst nicht mehr die Macht hatten, sich so zu übertreiben”, implies that critical exaggeration is a kind of elemental component of Jewish identity that was somehow lost. Kraus’s style mimics the stereotype of Jewish mimesis, exag¬ gerating all the qualities that were bound up with it, bringing back to life what Viertel regards, with real passion, as a deeper, traditional Jewish mimesis: a forceful mode of critical expression. Here, then, Jewish mimesis is recovered as a positive ideal, one that is deeply problematic insofar as it perpetuates certain key anti-Semitic stereo¬ types. But the larger significance of Benjamin’s, Kafka’s, Scholem’s and Viertel’s re¬ sponses to Kraus has not been at issue in this paper. At least they demonstrate the profound significance of Kraus’s style for the crisis of German-Jewish identity in the era of German modernism.

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‘True believers’ The religious vision of a Jewish renegade

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Karl Kraus was a renegade in the specific sense of someone who repudiates his reli¬ gion: in October 1899 he formally left the Jewish community, and on 11th April 1911 he took the more drastic step of becoming a Catholic. Kraus made no explicit reference to his baptism in Die Fackel, although he suggested in October 1913 that becoming a renegade (“Renegatentum”) may be a form of 'secret altruism' (F 386, 1913, 4; S 4, 329). His motives in becoming a Catholic cannot be precisely reconstructed, but it was evidently not simple opportunism. An opportunist motivated by the desire for accept¬ ance by the dominant Catholic culture would hardly have persisted, as Kraus did, in attacking the Church and satirizing the values of Christianity. Kraus made his name in the decade before the First World War through outspoken attacks on Christian civili¬ zation, especially its sexual morality, and these attacks continued virtually undiminished after his baptism. After the outbreak of war in 1914 he extended the focus of his satire, denouncing the jingoism of the churches almost as fiercely as he did that of the newspaper press. During the 1920s his attacks on the combined power of Jewish press and Christian politicians became increasingly strident, but it was not until March 1923 that he formally left the Catholic Church. The pretext was provided by Max Rein¬ hardt’s staging of Hofmannsthal’s play Das Salzburger große Welttheater in a church in Salzburg, which Kraus saw as sacrilege. For more perceptive readers it was clear that Kraus’s fundamental motives were political and ethical. He could not forgive the failure of the Christian churches to oppose the nationalistic and militaristic policies of the First World War. From 1923 onwards Kraus was thus a double renegade: he had repudiated both Church and Synagogue. The aim of this paper is to consider why readers of a religious disposition should nevertheless have strongly identified with his work. Despite his hostility towards organized Christianity, his satirical vision appealed to a whole alpha¬ bet of Christian authors: Carl Dallago, Ferdinand Ebner, Ludwig Ficker, Theodor Haecker, Ludwig Hänsel, Edwin Hartl, Karl Borromäus Heinrich. Aurel Kolnai, Ernst Krenek, Leopold Liegler, Viktor Matejka, Georg Moenius, Sigismund von Radecki, Richard von Schaukal, Emil Schönauer. Karl Thieme, Leopold Ungar, Ignaz Zangerle and August Zechmeister. In the case of the late Monsignor Leopold Ungar it seems that the decision to convert to Christianity and become a Catholic priest was partly

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inspired by his encounter with Kraus. Moreover, it was a Catholic publishing house, the Kösel Verlag in Munich, which republished Kraus’s work after the Second World War under the editorship of another convert, Heinrich Fischer. Fischer’s collaborator on that edition was another devout Catholic, Gertrud Jahn. The most recent landmark in the history of Kraus reception is the monumental new Wörterbuch der Fackel, mas¬ terminded by a scholar who originally made his reputation as a commentator of Cath¬ olic sermons.1 It is not this Christian dimension which has attracted most attention in Kraus crit¬ icism, but the fascination which his work held for Jewish writers and thinkers of the early twentieth century: Adorno, Benjamin, Bloch and Canetti through Horkheimer, Kafka, Werner Kraft and Else Lasker-Schiiler to Scholem, Torberg, Viertel and Witt¬ genstein. Even here, however, it is the secular aspects of the subject which have dom¬ inated discussion. The question of Kraus’s underlying affiliation with Judaism has been largely obscured by allegations of ‘Jewish self-hatred’, a slogan that tends to obscure the complexities of identity formation among assimilated Jews. Kraus’s cri¬ tique of what he saw as destructive ‘Jewish’ influences in the process of modernization has been attributed to “the personal prejudices of an anti-Semitic Jew”.2 The Jewish question clearly occupies a prominent place in his writings, but we are told that “there is hardly a trace of any discussion of Jewish religion or ethics”.3 It would be more accurate to say that absence of serious reference to Jewish religion or ethics is a feature of the academic literature about Kraus, not of his own writings.4 5 The significance of the religious impetus underlying Kraus’s work has received surprisingly little attention. There is no study of Kraus as a religious thinker, and the most recent survey of Kraus criticism (by Harry Zohn) has virtually nothing to report on the subject. Zohn claims that Kraus was “neither a philosophical nor a religious thinker”, and he mentions only in passing that Christian authors from the Brenner circle “appreciated Kraus’s eschatological orientation”.3 Zohn makes only the briefest reference to the pioneering study of the Christian reception of Kraus’s work, Gerald Stieg’s book Der Brenner und die Fackel, published in 1976.6 Stieg provides a com¬ prehensive account of the efforts of members of the Brenner circle to reconcile their

1 Werner Welzig (Ed.): Wörterbuch der Redensarten zu der von Karl Kraus 1899 bis 1936 heraus¬ gegebenen Zeitschrift “Die Fackel”. Vienna: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissen¬ schaften 1999. 2 John Theobald: The paper ghetto. Karl Kraus and anti-Semitism. Frankfurt/M. etc.: Lang 1996, p. 196. 3 Wilma Abeies Iggers: Karl Kraus. A Viennese critic of the twentieth century. The Hague: Nijhoff 1967, pp. 171, 181. 4 The exception is the useful study by Alexander Lang: “Ursprung ist das Ziel”. Karl Kraus und sein “Zion des Wortes”. Frankfurt/M. etc.: Lang 1998. 5 Harry Zohn: Karl Kraus and the critics. Columbia DC: Camden House 1997, p. 27. 6 Gerald Stieg: Der Brenner und die Fackel. Ein Beittag zur Wirkungsgeschichte von Karl Kraus. Salzburg: Otto Müller 1976.

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intense admiration for Kraus with a growing loyalty to the Catholic Church, and I shall build on his study during this paper. I am conscious that in my own book, Karl Kraus -Apocalyptic Satirist, I may have understated the religious dimension. In a section on

satirical archetypes I noted the importance of myths derived from Judaic scripture, but I went on to suggest that “the concept of God [...] becomes a generalized ontological reference”.7 In this paper I shall try to be more precise by focusing on specific biblical motifs. There is no study of Kraus’s use of biblical references comparable to Antonio Ribeiro’s work on his allusions to Shakespeare.8 But such references permeate the text of Die Fackel from the very first. One of the earliest numbers provides a clue to his approach to the Bible. Reacting against the dogmatism with which Hebrew classes were taught in Austrian Gymnasien in the 1890s, he endorsed the suggestion made by one of his correspondents: “Die tiefe Poesie des alten und neuen Testaments kann und muss dem Schüler in der Muttersprache gezeigt werden.” (‘The profound poetry of the Old and the New Testament can and must be shown to schoolchildren in their mother tongue’, F 13, 1899, 29). The passage quoted argues for an opening of the minds of children to a wider universe of discourse which embraces the whole range of Old Testament and New Testament scriptures, poetically mediated through translations into the mother tongue. The scriptures are assigned a universal meaning, accessible to the whole of mankind through translations. Kraus clearly accepts the view of his cor¬ respondent that the study of Hebrew is a specialized discipline which should be left to philologists and theologians. Thus he distances himself both from Judaism (which privileges the Hebrew text of the Thora) and from Christianity (which insists on the superiority of the Greek New Testament). But he nevertheless repeatedly draws on the Bible to express his critique of modernity and his sense of the sanctity of the Creation. And it is from the Old Testament that he derives some of the fundamental concepts which shape his imaginative vision, for example: the act of creation; the indwelling presence of God; the people who have gone astray; and the condition of forsakenness.

‘Forward striding’ and ‘forsakenness’

A central theme of Kraus’s satire is the loss of religious faith. This is reflected in the most celebrated of his religious aphorisms; “Die wahren Gläubigen sind es, welche das Göttliche vermissen.” (The true believers are those who are aware of the absence of the divine’, S 4, 254). The period in which he lived was marked by a profound crisis 7 Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic satirist. Culture and catastrophe in Flabsburg Vienna. New Haven, London: Yale Univ. Press 1986, pp. 56, 242. 8 Antonio Ribeiro: Karl Kraus und Shakespeare. Die Macht des Epigonen. In: Joseph P. Strelka (Ed.): Karl Kraus. Diener der Sprache - Meister des Ethos. (Edition Orpheus 1) Tübingen: Francke 1990. pp. 237-65.

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of belief, brought about by the unrelenting pressures of secular modernism. Kraus’s codeword for this process of modernization and the ideology by which it is driven is Fortschritt - 'progress’. The religious impulse in his work is closely related to this

critique of ‘progress' or (to put the matter in more existential terms) his refusal to construe human life as a process of 'forward striding’. His celebrated epigram on the 'Two runners' (“Zwei Läufer", S 9, 12) succinctly expresses the idea that running through time and achieving external goals involves the loss of original being (Ur¬ sprung).

In the first fifteen years of Die Fackel the satire on 'progress’ is all-pervasive. Only exceptionally does Kraus allude to Fortschritt in a more positive spirit, for ex¬ ample in his essay of December 1910 commending the new architecture of Adolf Loos as “eine[] Angelegenheit des Fortschritts” (F 313/14, 1910, 5). Far more characteristic is Kraus’s response to the sinking of the Titanic in 1912. This takes the form of a collage of quotations contrasting the boastful claims of modern technology, commu¬ nications, commerce and consumerism with the fate of the hapless victims of the dis¬ aster: the hundreds of passengers. It is the flagship of the ‘fleet of progress’ - “ihrer Fortschrittsflotte” - which has come to grief. The conclusions which Kraus draws have distinct religious undertones. He denounces the optimists of this brave new world for having ‘sacrificed God to the machine’ (“Gott an die Maschine verraten”, S 4, 49). Within his conception of godforsakenness Kraus assigns a special place to lews the people who have gone astray. It is not pious lews that he attacks, but those who have abandoned their faith for a shallow materialism. This was the period when he was particularly hostile to what he saw as destructive ‘Jewish’ influences in public life: journalism, advertising, consumerism, sociology, psychoanalysis, financial specula¬ tion and war profiteering. The anti-Jewish focus is most explicit in his critique of the damaging influence of the press, for which he held editors like Moriz Benedikt prima¬ rily responsible. In a detailed statement of his position in October 1913, Kraus looked back to a period when the ‘condition of Jewry had not yet made itself independent of God’ (“[...] jenem Stand der Judenheit, wo sie sich noch nicht von Gott selbständig gemacht hatte”, S 4, 328). He went on to declare: [...] daß ich mit der Entwicklung des Judentums bis zum Exodus noch mitgehe, aber den Tanz um das goldene Kalb nicht mehr mitmache und von da an nur jener Eigenschaften mich teilhaftig weiß, die auch den Verteidigern Gottes und Rächern an einem verirrten Volk angehaftet haben. (S 4, 329) It is not the traditional Jew in a kaftan that provokes his wrath, but the modem metro¬ politan Jew in a dinner jacket - the streetwise city Jew who never goes to the syna¬ gogue. In preference to the work of a secular Jewish author like Arthur Schnitzler, Kraus implies that he would rather read the Book of Job (S 4, 331). At this point it is not difficult to see why Kraus earned the admiration of Christian readers, especially those in the conservative camp associated with the newspaper Die

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Reichspost. His view of godless Jews as advocates of ‘progress’ and ‘modernity’ is

very close to the position of Catholic reactionaries. This was the most conservative phase of his career when he expressed a certain sympathy with pillars of the establish¬ ment - aristocrats, officers and prelates (S 4, 330). He seems to have hoped that the Catholic Church could act as a bastion against secular modernism. In one of his most outspoken public statements, which also dates from the period just before the First World War, he appealed to Christianity as a defence against the shallow scientism of the modem world: ‘Be Christians in self-defence’ (“Seid Christen aus Notwehr!”, S 4, 355). The outbreak of the First World War in August 1914 confirmed Kraus in his diag¬ nosis of the self-destmctive potential of ‘progress’. The address which he delivered in November 1914, “In dieser großen Zeit”, is permeated with religious allusions. But now his indictment is not directed against godless Jews, but against a whole civiliza¬ tion that has lost its way. In autumn 1914 the cathedral at Rheims was bombarded by German artillery: Wann hebt die größere Zeit des Krieges an - der Kathedralen gegen Menschen! Ich weiß genau, daß es zuzeiten notwendig ist, Absatzgebiete in Schlachtfelder zu verwandeln, damit aus diesen wieder Absatzgebiete werden. Aber eines trüben Tages sieht man heller und fragt, ob es denn richtig ist, den Weg, der von Gott wegführt, so zielbewußt mit keinem Schritte zu verfehlen. (S 5, 12) From this point onwards the blatant nationalism of the Christian churches is repeat¬ edly attacked. The series of critical aphorisms which Kraus published in October 1915 included the following dictum: ‘What can be decided through a World War? Only that Christianity was too weak to prevent it from happening.’ (“Was kann durch einen Weltkrieg entschieden werden? Nicht mehr, als daß das Christentum zu schwach war, ihn zu verhindern”, S 8, 373). If anything, he intensified his indictment of Christianity in the post-war world - a ‘hell on earth’ (“Hölle [...] auf Erden”, as he puts it in a poem of March 1921, “Silvesterruf an die Welt”), which is specifically identified as a ‘world of murderers after the birth of Christ’ (“Mörderwelt post Chris¬ tum natum”, S 9, 430). To highlight his attack on the failures of Christianity Kraus returns to the vocabu¬ lary of the Old Testament. It is not simply that the Churches have become unchristian; mankind as a whole is living in a ‘godforsaken age of torment’ - “gottverlassene Qualzeit” (“Gebet", S 9, 121). In December 1922 he used a more original formulation to describe the war as ‘god-lost’ (“gottverlorensten Krieg”), and attacked the alliance between ‘free-thinking Jews' (“auskennerischen Juden”) and ‘godforsaken Christ¬ ians’ (“gottverlassenen Christen”, F 608-12, 1922, 6f.). Terms like “gottverlassen” and “gottverloren” certainly have Christian associations, but they ultimately derive from Old Testament sources. “My God, my God. why has Thou forsaken me?” ("Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?”) are the words atttributed to Jesus

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on the cross in Matthew 27: 46 (Luther’s translation). But the concept of being for¬ saken by God is of Old Testament origin: the words spoken by Jesus echo to the open¬ ing lines of Psalm 22. The increasing radicalism of Kraus’s critique of the betrayal of Christianity by the Churches inevitably lost him the sympathy of Die Reichspost, which during the early 1920s became one of his principal antagonists. But the founding of the magazine Der Brenner had created a forum for a far more sophisticated debate about the relationship

between religious faith and modern society. For the authors of Der Brenner there were two path-breaking prophets of the modern age: Kraus and Kierkegaard, the founder of Christian existentialism. Gerald Stieg has identified some of the contradictions in this complex process of reception. To put the question in its simplest terms: the principal authors of Der Brenner, Ludwig Ficker, Theodor Flaecker and Ferdinand Ebner, ac¬ cepted Kraus’s vision that the ‘forward striding’ of the modern world had resulted in a state of ‘godforsakenness’. But in their writings, from the 1920s onwards, there is a third stage in this process: redemption through Christian faith. They thus had difficul¬ ties with the fiercely anti-Christian tone of Kraus’s writings in the aftermath of the First World War. To admire him on ‘ethical’ grounds was not enough. They had to attune themselves to the religious undertones of his outspokenly aggressive mode of writing. Stieg suggests that they resolved this dilemma by attaching particular impor¬ tance to Kraus’s lyric poetry. I shall take this argument a stage further by focusing on specific motifs in his poetry and their sources in the Old Testament: the indwelling of the divine in consecrated places; and the concept of ‘creation’ (Schöpfung) which is at the heart of his religious and poetic vision.

Sacred Texts and Chosen Places

Godforsakenness is presented by Kraus as a two-way process: as mankind has ‘pro¬ gressed’, so God has ‘withdrawn’. The ‘forward striding’ which he associates with free-thinking Jews has broken the covenant which formed the basis of the Old Testa¬ ment. Worse still, the crimes of the war have so completely compromised Christendom that God is felt to have abandoned the world which he created. The wicked (the “Nör¬ gler” declares in Die letzten Tage der Menschheit) are able to mock the judge beyond the stars because his throne is so far away that his arm can no longer reach them (S 10, 644L). This lament for a God who has withdrawn from the Creation places the satirist in a difficult position. If God is construed as an absence, how is the divine ideal to be transposed into an active imaginative force within the overall strategy of Die Fackell The answer lies with Kraus’s conception of sacred texts and chosen places. Members of religious faiths attach special value to consecrated buildings, but for Kraus such places become significant only when they are re-consecrated through privileged emo-

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tional experience. He attached no special value to the Karlskirche, the grandiose ba¬ roque church in Vienna where he was baptised in 1911 with his friend Adolf Loos as his godfather. But it was a very different story in June 1915 when he visited the Cath¬ olic monastery of Einsiedeln in Switzerland. This time he was in the company of his lover, Sidonie Nädhemy. He was so deeply moved by a biblical inscription on the wall of a chapel at Einsiedeln that when he returned to Vienna he looked it up in the New Testament, checking both the German translations he had to hand, by the Protestant Martin Luther and by the Catholic Leander van Ess. He was pretty sure that the pas¬ sage occurred in chapter 10 of Saint Paul’s Epistle to the Corinthians, and indeed this is the source that he gives for the inscription when he quotes it on 14th July in a letter to Sidonie (BSN 1, 168). “Ich habe diesen Ort hier erwählet, damit mein Herz allzeit daselbst bleiben solle.” (T have chosen this place that my heart shall remain there perpetually’). However, he must have been quoting from memory. The passage he was looking for actually occurs in the Old Testament, in 2 Chronicles 7: 16, and relates to the Temple of Solomon, which the Lord commends in the following words (in Luther’s translation): “So hab ich nun dies Haus erwählet und geheiliget, daß mein Name daselbst sein soll ewiglich, und meine Augen und mein Herz soll da sein allewege.” This is a suggestive example of misquotation: Kraus has confused the deeds of Solomon with the epistles of Saint Paul. The notion of an indwelling divine presence in a particular place is a Judaic concept closely associated with the Hebrew word shekhinah. It first occurs in the passage in Exodus 25: 8 where the Lord (antici¬ pating the building of the Temple) says: “Let them make me a sanctuary that I may dwell among them.”9 Thus Kraus, even during his most intensely Christian phase, was still haunted by motifs from the Old Testament. He certainly admired Saint Paul's Epistle to the Cor¬ inthians and in July 1915 he even mentioned to Sidonie the possibility of using verses from Saint Paul as mottoes for his collection of essays Untergang der Welt durch schwarze Magie (BSN 1, 176-8). But he diverges from Christian thinking in that he

does not consistently regard the New Testament as an advance over the Old. Quite the contrary, the New Testament book which he quotes most frequently is the book most saturated by Old Testament elements, the Apocalypse. His view of religion is conserv¬ ative rather than evolutionary: origins are more significant than advances, and retribu¬ tion looms larger than redemption. This attachment to the Old Testament was one of the primary factors which shaped the reactions of the Brenner circle during the 1920s and 1930s. Devout Christians like Ficker and Haecker regarded the prophetic books of the Old Testament as a preliminary stage towards the full revelation of the puipose of God through the life of Jesus, as expressed in the gospels and epistles. Drawing on a passage from Kierkegaard's Fear and Trembling, Ficker presents Kraus as the Jew¬ ish Dämon, the spirit of negation which may serve to bring about a reawakening of 9 Cf. Louis Jacobs: The Jewish Religion. A Companion. Oxford: Oxford Univ. Press 1995, p. 459.

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true Christianity.10 Ficker’s formulations are stylistically memorable, but theologi¬ cally rather conventional. He implicitly endorses the evolutionary paradigm which proclaims that the Christian gospel of love is destined to supersede the Jewish concept of law. Haecker takes a similar position in his celebrated “Dialog über die Satire”, which I have discussed elsewhere.* 11 Stieg sums the position up succinctly when he observes that for Ficker and his circle 'Kraus the Jew represents the Old Testament’ (“Kraus, der Jude, repräsentiert das Alte Testament”), while Der Brenner proclaims the Christian message of the New. The most rigorous member of the Brenner circle, Ferdinand Ebner, concluded that Kraus was incapable of attaining ‘a really under¬ standing relationship towards Christianity’ (“ein wirklich verstehendes Verhältnis zum Christentum”).1- Ebner's philosophy of religion certainly contains elements of language mysticism that are reminiscent of Kraus. But as a thinker preoccupied with the fallen state of man, he insisted that the original ‘language of Creation’ (“Wort der Schöpfung”) had to be fulfilled through the Christian ‘language of redemption’ (“Wort 1 T

der Erlösung”). There is a further displacement in Kraus’s misquotation of the passage about cho¬ sen places. Where according to Chronicles the Lord’s words are: “So hab ich nun dies Haus erwählet [...]”, Kraus cites the passage as: “Ich habe diesen Ort hier erwählet, damit mein Herz allzeit daselbst bleiben solle”. He adapts holy scripture to his own conception of the sanctity of place. That sense of sanctity was not confined to the chapel at Einsiedeln, but embraced the Swiss landscape in which the chapel was lo¬ cated, as we can see from Kraus’s poetry. He abstracts the idea of a house chosen by the heart from the scriptural framework, where it applies to a consecrated building, and extends it to other places. Most significantly, he transposes it to the house and garden of the Nädhemy family at Janowitz: “Ich habe diesen Ort hier erwählet [...]” are the words which he inscribed in the Janowitz visitors book, as Sidonie recalled after his death in a letter to Ludwig von Ficker.14 For an orthodox Jew or a Christian fundamen¬ talist, this misappropriation of God’s words about the Temple might seem an act of sacrilege; but it reflects Kraus’s immanent religiosity - the recovery of the divine through the experience of privileged moments and landscapes sanctified by the heart. The boldest statement which Kraus makes about the recovery of religious faith occurs in the poem “Aus jungen Tagen”, published in April 1916 (F 418-22, 59): Nun bin ich ganz im Licht, das milde überglänzt mein armes Haupt. 10 Ludwig von Ficker: Denkzettel und Danksagungen. Munich: Kösel 1967, pp. 45-52. 11 Edward Timms: The Christian satirist: A contradiction in terms? In: Forum for Modem Language Studies (Spring 1995), pp. 101-16. 12 Stieg: Der Brenner und die Fackel (Footnote 6), pp. 65, 217. 13 Werner L. Hohmann, Ferdinand Ebner: Bedenker und Ebner des Wortes in der Situation der ‘gei¬ stigen Wende’. Essen: Blaue Eule 1995, p. 173. 14 Ludwig von Ficker: Briefwechsel 1926-1939. Innsbruck: Haymon 1991, p. 303.

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Ich habe lange nicht an Gott geglaubt. Nun weiß ich um sein letztes Angesicht. (S 9, 61) He seems to have experienced the love relationship with Sidonie as a kind of mystical union which enabled him to recover his religious faith by redeeming him from the condition of ‘forsakenness’. For both Kraus and Sidonie, an exceptionally intense ex¬ perience of bereavement had shaken their faith in divine benevolence. Kraus’s reli¬ giously inspired love poetry suggests that they responded to each other as if to a mys¬ tical reincarnation of the beloved person whom they mourned. For Sidonie, he is to be the emissary, if not the replacement, for her dead brother Johannes (“Sendung”, S 9, 69). For Kraus, she has removed the shadow of death which has obscured his faith since the death of his first beloved, Annie Kalmar. The divine light of religious faith is mediated by the mysterious radiance of sexuality - “von des Geschlechtes rät¬ selhaftem Schein” (S 9, 61). This is the point of greatest difficulty for the Christian reception of Kraus’s work. Ebner and other members of the Brenner circle felt alienated by the absence from his writings of love in the Christian sense of agape: spiritual love uniting the soul with Christ. They even denied that he was capable of the kind of ‘I/Thou’ relationship with another human being which might give access to spiritual transcendence.15 What they failed to acknowledge was that for Kraus it is the force of eros inherent in the most intense ‘I/Thou’ relationships which gives access to a sense of the divine. In a series of poems he celebrates the in-dwelling presence revealed through the union of male and female. In this attitude towards sex he is far closer to Judaic sources than to Pauline Christianity. Sexual love, according to an influential Kabbalistic tradition, “becomes the mirror of divine process on high”, making it possible to recover an ele¬ ment of God’s presence (shekhinah) which has been exiled from the unredeemed world.1 b This is not to imply that Kraus was a student of the Kabbala. But his religious imagination was shaped by myths of the Creation which are centred on the encounter between Adam and Eve. It is significant that Kraus’s aphorism about ‘true believers’ being aware of ‘the absence of the divine’ relates to the Creation myth from the Book of Genesis, as interpreted by Strindberg (S 4, 254). In Strindberg’s view the Creation (“die Schöpfung”) should have been exclusively male. His quest for faith was frus¬ trated (Kraus argues) because he failed to accept the polarity of ‘day and night, man and woman’ (S 4, 254).

15 Stieg: Der Brenner und die Fackel (Footnote 6), pp. 232-4. 16 Jacobs: The Jewish Religion (Footnote 9), pp. 459f. (article on ‘Shekhinah’).

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‘True believers'

The Creation of Day and Night

The first two chapters of Genesis offer two different accounts of the Creation, both of which feature significantly in Die Fackel. In Genesis 2: 6 we read that “the Lord God formed man of the dust of the ground and breathed into his nostrils the breath of life”. Kraus was fascinated by this idea of the breath of God, which forms an unobtrusive subtextual motif in a number of his writings. Such oblique allusions to the myths of Creation may prove just as significant as the grandiose invocations of Ursprung (‘pri¬ mal origin’), a problematic concept which resists interpretation. In this paper I shall focus on another concept which may be even more fundamental: the concept of Schöp¬ fung. A close study of Kraus’s writings, especially his metaphysical poetry, reveals

that he uses this concept at crucial junctures, exploiting a multiplicity of meanings. The poem “Vallorbe”, which recalls a visit to the beautiful valley of that name near Geneva in May 1917, provides a specific example. The name itself is celebrated in the first strophe as an ‘ecstatic word’ (“Wonnewort”) suggestive of the origin of the world (“Ursprung der Orbe, der Welt”). In the second of the three strophes the harmony of Creation is invoked more explicitly: Du Sonntag der Natur, hier seitab war die Ruh. Ursprung der Zeit! So hat, da alles war geglückt, der Schöpfer diesen Kuß der Schöpfung aufgedrückt, hier saß der Gott am Weg zum guten Lac de Joux. (S 9, 209) There are clear allusions to the first chapter of Genesis: the sabbath as day of rest, God as creator, and Schöpfung in the double sense of the process of creation and the product of that process: the awe-inspiring magnificence of the natural world. But the most striking image is that of the creative kiss. This motif derives from that passage in the second chapter of Genesis, where God is said to “breathe the breath of life” into “the dust of the ground”. This image has the effect of personalizing the creative process. At another level the kiss is the poem itself, this kiss composed of words which the creative poet has imprinted on the natural world. By transforming the creative breath of God into a kiss, Kraus also endows the poem with strong erotic associations. The “Schöpfung” which receives a kiss is an allusion to one created being in particular, the beloved whose invisible presence suf¬ fuses the poem. Kraus’s letters to Sidonie, together with Sidonie’s own commentary, leave us in no doubt that the mystical sense of union with nature at Vallorbe which is recaptured in this poem was an experience of emotional bliss which they had shared with a particular intensity. If Vallorbe was experienced (by both lovers) as ‘God’s Creation’ (“Gottes Schöpfung”), it is because each of them perceived the other as ‘God’s creature’ (“Gottes [...] Geschöpf’, BSN 1, 439L). These are the phrases used by Sidonie in a letter to Kraus, and she later summed her feelings up in her diary in the words: “[...] the crown of all was sweet Vallorbe [...]” (BSN 2, 275L).

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Schöpfung is the erotically inspired poetic activity which reconfigures the har¬

mony of the created world and celebrates the lovers’ return to paradise. The poet, in this view, becomes a second creator who reflects through his own activity the myster¬ ies recorded in Genesis. This idea should not be confused with the cult of the creative genius in German Romanticism.17 It is not a question of Promethean posturing, but of reverent self-immersion in language. There are numerous passages in which Kraus insists on the correlation between divine Creation and verbal creation. “Wortschöp¬ fung” is the concept he uses to describe poems which have this creationist quality (F 557-60, 30), notably Goethe’s contemplation, in “Über allen Gipfeln”, of a tranquil landscape at dusk, disturbed by ‘scarcely a breath’ - “kaum einen Hauch”. For Ferdi¬ nand Ebner, this blurring of the distinction between secular poetry and holy scripture was mere aestheticism.18 But for Kraus it is through the medium of language that we may apprehend the numinous, whether as readers of the Old Testament, or of Goethe or of Lasker-Schiiler. What Ebner failed to acknowledge was Goethe’s ability to en¬ dow a word like “Hauch” with a sacral quality, comparable to the Hebrew mach of Genesis 2:1 - the ‘breath’ of the Creation. Kraus sensed that the German language was being deprived of its spiritual breath. It is that that inspires his polemic against the reformers who were determined to elim¬ inate from modern German orthography the Hauchlaut - the h-sound pronounced with an audible release of breath. The modernizers had announced that in the interests of economy words like Thau (‘dew’) and Thränen (‘tears’) were to be spelt as Tau and Tränen. Denouncing this as a palpable act of barbarism, Kraus responded in 1915 with

an “Elegie auf den Tod eines Lautes” (‘Elegy on the Death of a Sound'), in which the link with Genesis is explicitly made: Ein Tropf ist nur aus Lem, ihm feit der Hauch von Gottes Segen [...] (S 9, 43) By removing the h from the word Lehm (clay), Kraus takes the policy of the reformers to its logical extreme. The biblical word is deprived of its sonorously elongated vowel and reduced to an abrupt monosyllable (comparable to the effect of removing the y from English clay). The loss of the aspirate signals the destruction of that “living soul” into which God “breathed [...] the breath of life” (Genesis 2: 7). In a another tribute to the power of poetic language to take us ‘back to the first day / of Creation' (“Hin zum ersten / Tag der Schöpfung”) Kraus gives thanks in a single line to “Gott und Goethe” (“Die Flamme der Epimeleia”; S 9, 220L). Intensity of poetic vision means that even a minor poet like Liliencron may be treated as canonical

17 Compare the discussion of ‘Schöpfung’ in: Jochen Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750-1945. 2 vols. Darmstadt: Wissenschaftli¬ che Buchgesellschaft 1985. 18 Stieg: Der Brenner und die Fackel (Footnote 6), pp. 227f.

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and read together with the prophetic books of Isaiah, Jeremiah and the Book of Reve¬ lation (F 404, 20). Before we dismiss this as sacrilege, we should note the variety of ways in which Kraus interprets the Creation myths of Genesis. It is not simply Crea¬ tion that interests him (“In the beginning God created the heaven and the earth”), but creation through language: “Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sähe, daß das Licht gut war.” (“And God said. Let there be light: and there was light. And God saw the light, that it was good”. Genesis 1: 3-4). According to Genesis the original act of Creation was a speech act: “The world was created by ten sayings”, according to The Ethics of the Fathers.19 Or, as a more modern critic, Northrop Frye, has put it: in Genesis the forms of life are “s p o k e n into existence”.20 The nature of that speaking is analysed by Kraus in “Es”, his most suggestive essay on the relationship between language and the Creation: Denn in “Es werde Licht” ist das “es” so wahr ein Subjekt, als im Anfang das Wort war. Das stärkste Subjekt, das es im Bereich der Schöpfung gegeben hat, jenes, das Licht wurde, jenes, das Tag wird, jenes, das Abend werden will. (Alles hängt davon ab; alles kann Relativsatz werden.) Es: das Chaos, die Sphäre, das All, das Größte, Gefühlteste, welches schon da ist vor jenem, das daraus erst entsteht. [...] “Und Gott sähe, daß es gut war.” (F 572/6, 1921, 49; cf. S 7, 73f.) Orthodox theologians, Jewish and Christian, take Genesis to imply a process of “cre¬ ation out of nothing”.21 Kraus’s imagination seizes on the particular form that Genesis 1: 3 takes in Luther’s German translation: not “Let there be light” but “Es werde Licht” (Tt shall be light’). This grammatically and epistemologically mysterious es is one of the factors which leads Kraus to attribute a particular profundity to German. Es is the prime mover of ‘divine Creation’ (“die Gottesschöpfung”), as he puts it in a later disquisition on the same subject (F 876-84, 1932, 151). The rhythmical linguistic structure: “Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht”, signals the creation both of the natural universe and of the sequential consciousness through which the universe may be apprehended. The poet’s aim is to restore a sense of reverence for the Creation through a recovery of this primal sensibility. Inevitably, this concept of creation also has negative implications for the satirist. In March 1912, barely a year after his baptism, Kraus coined the new word “gegen¬ schöpferisch” (‘counter-creative’) to define his attitude to the fragments of contempo¬ rary reality: Dieses gegenschöpferische “Und sähe, daß es nicht gut war” - einmal werden auch jene dahinter kommen, die inbegriffen sind! Ich erfinde, was es gibt. [...]

19 Quoted in Jacobs: The Jewish Religion (Footnote 9), p. 105. 20 Northrop Frye: The great code. The Bible and literature. London: Routledge & Kegan Paul 1982, p. 106. 21 Ibid., p. 104.

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Wenn ich das sage, bilde ich mir bei Gott nicht ein, Gott zu sein, sondern kenne meine miserable Rolle, die stürzende Welt von unten aufzufangen. (F 343/4, 1912, 6f.) The principle of counter-creation not only shapes his prose satire, but also infuses his poetry of meditation. Where poems like “Vallorbe” are radiant in sunshine, there are other texts in which Kraus reflects upon the hostile forces which haunt his imagination during the night. These poems relate not merely to the fact that he habitually worked at night, but also that his satirical writings portray a benighted world. This gives a paradoxical quality to his rewriting of the biblical concept of the Creation of night and day. Night may be a time of prayer and vigil, but it is also haunted by demons. Some of his most complex poems of the night express disturbing doubts about a mode of creativity which leaves him wrestling with misshapen beings. It is with one such ex¬ ample, “Vergeltung” (‘Retribution’), that I shall conclude. The form is conventional a sonnet, but the mood of the poem is sombre, reflecting the haunted consciousness of the poet on the threshold of sleep. The climax comes in the final six lines: Ein Mißgestaltes hat mir mißgeklungen, daß ich mich nachtwärts dieser Schöpfung schäme eh meine müden Sinne ausgerungen. Und wie ich in das Schreckbild mich bequeme, hat ein Geräusch mich in den Schlaf gesungen, damit an Aug und Ohr es Rache nehme. (S 9, 507) Again, the double meaning of the word “Schöpfung” is clear: the poet may lament that in God’s Creation there are such misshapen beings; but he also feels ashamed of “die¬ ser Schöpfung” in the sense of ‘this mode of creativity in which I am engaged’. In terms of the Christian reception of his work, it was precisely this demonic dimension of Kraus’s creativity that was perceived as most problematic. Even with its darker side, Kraus’s concept of redemptive literary creation strongly appealed to Ludwig von Ficker, the least dogmatic of his Christian admirers. In a trib¬ ute to mark Kraus’s sixtieth birthday, Ficker acknowledged the satirist’s right to rep¬ resent the voice of God ‘in the image of his own linguistic creation’ (“im Gleichnis der eigenen Sprachschöpfung”). In a fine passage Ficker went on to suggest that some¬ thing of the primal vision may be preserved even in texts which represent hell on earth: So findet also Karl Kraus doch immer wieder im Bild der eigenen Schöpfung, auch wo sie in vergeistigter Wirklichkeitstreue - ein wahres Denkzeichen - die Hölle auf Erden spiegelt, das verlorene Paradies auf Erden, das er im Grunde sucht. 22

Ficker: Denkzettel (Footnote 10), p. 126.

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'True believers’

But this is perhaps as far as any Christian thinker could legitimately go in acknowl¬ edging the religious dimension of Kraus’s work. By contrast, Ficker’s final attempt to claim Kraus for Christianity seems overstated, and it is understandable that he con¬ fined it to his private correspondence. After Kraus’s death in June 1936 there was a remarkable exchange of letters between Ficker and the person most intimate with Kraus’s spiritual self, Sidonie Nädhemy. Sidonie was so convinced of Kraus’s Chris¬ tian faith that she tried - in vain - to arrange for him to be buried under the sign of the cross. Ficker’s response to her letters is even more extreme: Es ist meine tiefste Überzeugung, daß man der Erscheinung von Karl Kraus in ihrer letzten Bedeutung nicht gerecht werden

kann,

ohne

daß

man

an

die

Wiederkunft

Christi

glaubt.23 Kraus (he goes on to suggest) may be seen as the fearless torch-bearer of the night, the Lucifer whose mission will be fulfilled through the radiance of Jesus Christ. For Sido¬ nie, this must have been a consoling thought. But by contrast with the more rigorous responses of other members of the Brenner circle, this final attempt to make Kraus the bearer of a Christian message seems unconvincing.

23 Ficker: Briefwechsel 1926-1939 (Footnote 14), pp. 298-300.

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Nachwelt als diskursives Verfahren in der Fackel

Antonio Ribeiro

Ein Satiriker wie Karl Kraus habe keine Nachwelt - so vor Jahren die polemische These Gotthart Wunbergs. Gestützt war diese These auf die unbestreitbare Konstatie¬ rung, daß die Kraus’sche Satire ein Publikum voraussetze, „das die Zeitungen dessel¬ ben Tages und die Klassiker der vorausgegangenen Jahrhunderte gelesen hatte“.1 2 Da diese Voraussetzungen heute nicht mehr vorhanden wären, würde sich die Notwendig¬ keit des Kommentars und der Erläuterung zwangsläufig ergeben. Gerade dies aber vernichte die satirische Wirkung, indem die damit zusammenhängende Verzögerung der Lektüre den „satirischen Augenblick“ unumgänglich verpassen läßt. So würde den Texten von Karl Kraus eine eigentümliche „Hermetik ex post“ anhaften, ja in den Augen Wunbergs bilden sie geradezu ein „Paradigma tatsächlicher Uneinholbarkeit der Historizität literarischer Texte“.3 In ihrer Radikalität scheint mir die These Wunbergs schlicht unhaltbar. Ihre zen¬ trale rezeptionstheoretische und rezeptionspraktische Aporie ist offensichtlich. Sie be¬ steht darin, daß für diesen Kritiker die zeitliche Entfernung die Literarizität der Kraus’schen Satire erst konstituiert, indem diese aus ihrem unmittelbaren pragma¬ tisch-kommunikativen Kontext herausgehoben wird - als hermetische aber entzieht sich diese Literarizität dann der adäquaten Rezeption der Nachwelt, da die Unmög¬ lichkeit einer spontanen Dekodierung den „satirischen Effekt“ verhindert. Ich könnte vielleicht aus meinen eigenen .Abenteuern der Arbeit* als nicht-mut¬ tersprachlicher Fackel-Leser und Kraus-Forscher ein paar Gegenbeweise anführen. In der Tat verkürzt Wunbergs Fixierung der Kraus’schen Satire in einer eigenen Historizität auf eigentümliche Weise den Begriff der Rezeption und sie verkennt insbesondere entscheidende Aspekte der Dynamik intertextueller Lektüre. Diese erfordert immer ein reflexives Moment, das einen Begriff wie den vom „satirischen Augenblick“ notwendig relativiert. Eigentlich finden Kraus' Warnungen gegen ein flaches Verständnis seiner satirischen Glossen - sie würden einen Kommentar brau¬ chen, um nicht zu leicht verständlich zu sein (F336/7, 1911, 41) -, wie auch seine strikte Unterscheidung zwischen Stoff und Sprache, eine genaue Entsprechung in

1 Gotthart Wunberg: Ohne Nachwelt. Karl Kraus, der Satiriker. In: Literatur und Kritik 22/211-2 (1987), S. 24-34. Hier S. 25. 2 Ebd., S. 31 f. 3 Ebd., S. 25.

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Nachwelt als diskursives Verfahren in der „Fackel

der modernen Intertextualitätstheorie im Gefolge von Bachtins Dialogizitätsbegriff. Jener zweiten Lektüre, die Kraus bekanntlich von seinen Lesern auch immer gefor¬ dert hat (z.B. F 241, 1908, 28; F 251/2, 1908, 45) entspricht etwa bei Michael Riflaterre, einem der führenden Theoretiker auf diesem Gebiet, der Begriff einer refle¬ xiven, nichtlinearen Lektüre, die sich vollkommen bewußt ist, daß im literarischen Kunstwerk die Worte ihren Sinn vom Bezug auf Vorstellungskomplexe bekommen, die restlos versprachlicht sind, und eben nicht vom Bezug auf Dinge oder Begriffe, die auf ein vorverbales Universum - „Stoff1 im Wortgebrauch von Kraus - zurück¬ führen.4 5 Jene ,,blitzhafte[] Erhellung einer seelischen Landschaft“, die Kraus an Nestroy -und auch an Shakespeare - rühmt (F 349/50, 1912, 10), will sicher nicht besagen, daß das Moment der Plötzlichkeit den Begriff der Satire in sich schon erschöpfen würde. Zugegeben - kaum ein heutiger, auch deutschsprachiger Leser, wird, wie Kafka 1921 in einem Brief an Max Brod, behaupten können, er empfinde den Wahr¬ heitsgehalt der „magischen Operette“ Literatur oder Man wird doch da sehn als „so deutlich und beängstigend körperlich“.''’ Diese geradezu physische Unmittelbarkeit, die mit einer unwiederbringlichen sprachlichen Atmosphäre - namentlich der des jüdischen Jargons - zusammenhängt, ist einem heutigen Leser zweifellos nur sehr bedingt zugänglich und sicher kaum vermittelbar. Sonst aber - ob für Mitwelt oder Nachwelt - erzwingt die Kraus’sche Satire als fiktionaler, stark intertextuell deter¬ minierter Diskurs die Konstruktion einer Lektüre, die gar nicht augenblicklich1 ist, sondern die immer schon eine ,zweite1 Lektüre im obigen Sinne bedeutet. Nun ist jene Fiktionalität nicht erst das Konstrukt einer Nachwelt, die der unmittelbaren referentiellen Voraussetzungen nicht mehr mächtig ist. Sie ist ein Strukturmerkmal und somit für den ästhetischen Anspruch konstitutiv, der den Diskurs der Fackel prägt. Mein Vorhaben hier ist nicht zu untersuchen, ob und wie die Kraus’sche Satire eine Nachwelt hat, und auch nicht, was die Nachwelt alles mit Kraus angefangen hat. Ich habe bloß die bescheidene Absicht, in der gebotenen Kürze der Frage nachzuge¬ hen, inwieweit ein Begriff von Nachwelt für die Fackel-Satire selbst eine strategische Bedeutung besitzt. Gerade für dieses Problem scheinen mir die anfangs angeschnitte¬ nen Fragen relevant. Sollte Wunbergs Befund stichhaltig sein, dann wäre eine wesent¬ liche Prämisse der Autorität der satirischen Instanz verneint - nämlich die konstitutio¬ nelle Überlegenheit einer Mitwelt gegenüber, für welche der Sinn der Satire unzu¬ gänglich bleiben muß. In der Tat gründet sich jene Autorität auf die Annahme, daß erst die Nachwelt in der Lage sein werde, ein adäquates Verständnis aufzubringen - nicht nur weil sie (vielleicht) anders veranlagt sein wird, sondern auch weil für sie wegen

4 Diesem Sachverhalt entspricht in Riffaterres Terminologie das Begriffspaar ,sens/signifiance‘; Mi¬ chael Riffaterre: L’intertexte inconnu. In: Litterature 41 (1981), S. 4-7. Hier S. 5f. 5 Franz Kafka: Briefe 1902-1924. Hg. von Max Brod. Frankfurt/M.: Fischer 1975, S. 336.

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Antonio Ribeiro

des zeitlichen Abstandes die Satire „entstofflicht“ erscheint, d.h. in ihrer ästhetischfiktionalen Überdeterminierung evident geworden ist.6 Das zentrale Postulat der Gültigkeit von Satire über ihren unmittelbaren Anlaß hinaus ist natürlich mit dem Anspruch auf Wirkung auf die Mitwelt nicht leicht ver¬ einbar. Gerade die Spannung zwischen diesen beiden Polen bildet ein Problem, das sich durch die ganze Geschichte der Fackel zieht. „Dass der Kampfruf, der Missver¬ gnügte und Bedrängte aus allen Lagern sammeln will, nicht wirkungslos verhalle“ (F 1, 1899, 3), diesen Wunsch hatte der junge Herausgeber einer Kampfschrift in deren Gründungsprogramm gesetzt. Daß in kurzer Zeit der Künstler - und der Narr — sich zum Kämpfer gesellen würde, ist bekannt. Die damit einhergehende Zwiespältigkeit hinsichtlich seines Publikums kann durch zwei bekannte Stellen aus den Briefen an Sidonie Nädherny illustriert werden. Einmal, im Juli 1915, heißt es mit Bezug auf die Arbeit an der Sammlung Untergang der Welt durch Schwarze Magie: „Es ist zum Schaudern schön, zu sehen, wie wahr alles erst jetzt ist und wie bestimmt, wirkungslos zu bleiben“ (BSN 1, 168). Im November 1916 ist die Phantasie des Satirikers wie¬ derum grenzenlos: „Die Erziehung macht doch Fortschritte. Könnte ich vor Europa sprechen, wäre der Krieg in einer Minute beendet“ (BSN 1, 391). In ihrer extremen Form zeigte sich die Suche nach unmittelbarer Wirkung in der Verwandlung des Publikums der Vorlesungen in eine bloße Funktion des Diskurses eigentlich das Gegenteil jenes Lesers, der zweimal lesen kann. Rückblickend hat Ca¬ netti, kritisch und selbstkritisch, den nicht leicht wegzuräumenden Vorwurf nicht ge¬ scheut, die Wirkung der Vorlesungen sei die Bildung einer „Hetzmasse aus Intellektu¬ ellen“ gewesen.7 Hier liegt ein zentraler Widerspruch: das Publikum, das sich dem Vorleser unterwirft, kann dessen Bedingungen als Autor nicht erfüllen. Daraus ent¬ steht der gerechte und selbstgerechte Zorn des neuen Timons gegen die falschen Freunde - weil diese nämlich ihn zu leicht verstehen und somit nicht in der Lage sind, dem absoluten Anspruch seines satirischen Diskurses zu folgen. Die bei Kraus überall anzutreffende Spannung zwischen dem gleichzeitigen An¬ spruch auf praktische Wirksamkeit und ästhetische Reflexion möchte ich kurz mit der Schober-Polemik illustrieren und damit auf mein unmittelbares Thema zurückkom¬ men.8 Da ist zunächst das blutige Gemetzel unter den Justizpalast-Demonstranten. Dann das berühmte Plakat mit der Aufforderung an den Polizeipräsidenten, abzutre¬ ten. Der Ablauf ist bekannt: der praktische Erfolg, der im Falle Bekessys noch ge6 Das ist der Sinn - ein Beispiel unter vielen - von dem bekannten Aphorismus: ..Meine Leser glau¬ ben, daß ich für den Tag schreibe, weil ich aus dem Tag schreibe. So muß ich warten, bis meine Sachen veraltet sind. Dann werden sie möglicherweise Aktualität erlangen“ (F 256, 1908, 15). 7 Elias Canetti: Karl Kraus, Schule des Widerstands. In: E. C.: Das Gewissen der Worte. Essays. Frankfurt/M.: Fischer 1982, S. 42-53. Hier S. 44f. 8 Zur Schober-Polemik siehe v. a. Barbara Lersch: 1927: Kraus1 Streit gegen Schober. Ein Beitrag zur Metaphorik der Macht und zur Politik des ästhetischen Bewußtseins. In: Gilbert Krebs, Gerald Stieg (Hg.): Karl Kraus et son temps. Karl Kraus und seine Zeit. Asnieres: Publications de Flnstitut Allemand (Universite de la Sorbonne Nouvelle) 1989, S. 139-153.

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glückt war, blieb aus; am Ende zeigte sich Schober unantastbar. Nun, es wäre in der Tat albern zu glauben. Kraus hätte an eine unmittelbare Wirkung gedacht und etwa gewähnt, die Forderung seines Plakates werde sich wörtlich erfüllen. Er wird später schreiben, er habe damit bloß „Eindruck auf das Gewissen einer moralischen Insel¬ welt“ machen wollen („Der Hort der Republik“, F 766-70, 1927, 71). Trotzdem: am Ende steht die Enttäuschung über die „wachsende Unwirksamkeit des Geistigen im Gegenwärtigen“ („Das Ereignis des Schweigens“, F 777, 1928, 1). In der ersten Bi¬ lanz, „Mein Abenteuer mit Schober“, ist zu lesen:9 Welche Groteske von Vorspiegelung falscher Tatsachen, wenn Gespenster sich um Mitternacht fürchten, weil ein Mensch umgeht, und ihn keiner gesehen haben will [...]. Muß ich just, wann und wo sie wirken, zur Welt gekommen sein! Warum nicht fünfzig Jahre später? Warum nicht gleich auf die Nachwelt? (F 771-6, 1927, 14) Und dann: Sprachlehre? Ja, zu untersuchen, ob das Komma in einer plakatierten Aufforderung, abzutreten, nicht das beste Komma war, das je ersonnen wurde, und besser als der Erfolg, daß einer dem graphischen Wink gehorche. Kinder haben daran interpungieren gelernt und Kindeskinder werden erzählen, welch eine Welt es war, die vorbei an solchem Epos von fünf Worten - solchem Opfer eines Sprachlehrers, sich auf die Straße zu begeben - zu ihrem Tagwerk schritt der lügevollen Dummheit, der Dumm¬ dummheit, immer der Dummacherei der noch Dümmeren fähig. (F 771-6, 1927, 15) Besser als der Erfolg? Es handelt sich hier unverkennbar auch um eine Rückzugsstra¬ tegie. Im Rahmen dieser Strategie kommt der Chiffre .Nachwelt1 eine eindeutige Funktion zu: die Kindeskinder, denen das Schober-Plakat zum Sprachunterricht die¬ nen wird, stellen das ungleichzeitige Bild einer befreiten Menschheit dar, das den sa¬ tirischen Diskurs legitimiert und die Autorität - und somit die Identität - der satiri¬ schen Instanz trotz ihrer praktischen Ohnmacht sicherstellt. Dieser positiv besetzte Gebrauch des Nachwelt-Motivs als Legitimierung der überzeitlichen Gültigkeit der satirischen Aussage über ihren unmittelbaren Anlaß hin¬ aus bildet aber nicht die einzige Verwendungsart jenes Motivs in der Fackel. Ich habe mich der lohnenden Mühe unterzogen, der Chiffre .Nachwelt1 bei Kraus systematisch nachzugehen.10 Es hat sich herausgestellt, daß das Vorkommen des Lexems .Nach¬ welt1 in der Fackel nicht überaus häufig ist. Im ganzen, wenn man die Texte von an-

9 Es ist vielleicht nicht überflüssig, darauf hinzuweisen - ein Beispiel unter vielen von der intertextuellen Dichte des Kraus’schen Diskurses -, in wie hohem Maße das Verständnis des Anfangssatzes der zitierten Stelle davon abhängt, daß die darin enthaltene umgewandelte „Hamlet“-Anspielung vom Leser erkannt und in die Interpretation mit einbezogen wird. 10 Der „Fackel“-Wörterbuch-Arbeitsgruppe in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften möchte ich an dieser Stelle meinen besten Dank für die freundliche Mitteilung der Ergebnisse einer diesbezüglichen Computer-Recherche aussprechen.

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deren Autoren nicht mitzählt, kommt das Wort knapp über zweihundert Mal vor. Wenn man von jenen Stellen absieht, wo ein eher neutraler Gebrauch festzustellen ist, so fällt auf, daß die Chiffre ,Nachwelt‘ hauptsächlich in zwei entgegengesetzte Richtungen weist, die ich im folgenden charakterisieren und illustrieren möchte.11 Lassen Sie mich eine wichtige Stelle aus „Apokalypse“ zitieren, einem Text vom Oktober 1908: „Die Journalisten sind so bescheiden, die Keime geistiger Saat für alle Zeit totzutreten. Ich bin größenwahnsinnig: ich weiß, daß meine Zeit nicht kommen wird“ (F 261/2, 1908, 8). Nicht umsonst kommt dem Motiv der Presse hier eine zentrale Bedeutung zu. In einem der nächsten Hefte kann man analog den folgenden Aphorismus lesen: „Der Journalismus dient nur scheinbar dem Tage. In Wahrheit zerstört er die geistige Empfänglichkeit der Nachwelt“ (F 264/5, 1908, 29). Eine extreme Steigerung erfährt dieses Motiv in der Folge des Nestroy-Essays: „Fünfzig Jahre nach mir wird nicht mehr geschrieben, sondern geschossen werden“ (F 351-3. 1912, 42). In der .KriegsfackeT schließlich kehrt das Motiv mit Bezug auf die Neue Freie Presse in sehr dra¬ stischer Ausprägung wieder: Wißt ihr, was sich da begibt? Vorn der Text ist nur unsere eigene Schmach. Aber hinten bereiten wir schon die Nachwelt vor. Für zwölf Heller ist jeder ein Zeuge der Vorstellung, wie Kinder aussehen werden, an deren Wiege Davidovics und Benedikt gestanden sind. (F 445-53, 1917, 156) Die Nachwelt ist in diesem Sinne einfach das zu Ende Führen des jetzigen Zustandes; dementsprechend kann sie sich der Satiriker nicht anders vorstellen als die Zeit, „wenn mein Wort längst im Lärm der Rotationsmaschinen verhallt sein wird“ (F 253, 1908, 7; vgl. F 333, 1911, 3). Die Verwendung des Nachwelt-Motivs in den angeführten und in vielen anderen Beispielen ist völlig kongruent mit der immanenten Logik der apo¬ kalyptischen Satire. Sie wird von dem Begriff jener Katastrophe geleitet, die, in Ben¬ jamins Worten, „nicht das jeweils Bevorstehende, sondern das jeweils Gegebene“ ist,12 von dem Begriff jener letzten Tage der Menschheit, die jeden Tag stattfinden, die nicht einen geschichtlichen Einschnitt, sondern einen dauerhaften Zustand bedeuten. In diesem Sinne erlaubt die ,Stabilität1 des Weltunterganges13 keine positive Entwick¬ lung und dementsprechend keinen positiven Begriff von ,Nachwelt‘. Diese Stasis - „Zukunft ist, was sich automatisch anschließt“, liest man in „Nestroy und die Nachwelt“ (F 349/50, 1912, 1) - wird insbesondere an der Frage der Rezeption erhärtet. Einer der stärksten Gründe der Anklage gegen die Mitwelt ist, daß sie die Vergangenheit gefangen hält, indem sie ihr den Stempel ihrer eigenen Mittel-

11 Die Untersuchung hat sich natürlich nicht auf jene Fälle beschränkt, wo das wörtliche Vorkommen des Lexems festzustellen ist, sondern sie hat versucht, dem Sachverhalt auch sonst gerecht zu wer¬ den. 12 Walter Benjamin: Zentralpark, ln: W.B.: Gesammelte Schriften. Bd. 2. Hg. v. Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhausen Frankfurt/M.: Suhrkamp 1980, S. 655-90. Hier S. 683. 13 Vgl. A 461: „Der Zustand, in dem wir leben, ist der wahre Weltuntergang: der stabile.“ (S 8, 452).

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mäßigkeit aufdrückt: „Es ist fatal, daß die Nachwelt Ibsens zugleich die Mitwelt des Fräuleins Bardach ist“ (F 223/4, 1907, 7). Dieser Gedankengang kommt in der Fackel immer wieder vor. Mit Bezug auf Oscar Wilde wird etwa die „gute Gesellschaft Mitteleuropas“ angeprangert, „die heute in ihrer Eigenschaft als .Nachwelt' das Andenken eines von ihrer Gesinnung Gemordeten ästhetisch besudelt“ (F 246/7, 1908, 1). Damit verwandt ist das Motiv der „Schrecken der Unsterblichkeit“ (F 291, 1909, 23-28), zu dem auch der Kom¬ plex der Polemik gegen die Literarhistoriker als „Spediteure der Unsterblichkeit“ (F 339/40, 1911, 55) gehört. Die Mitwelt ist jene Zeit, welche, wie es am Anfang von „Nestroy und die Nachwelt“ heißt, „die Fähigkeit verloren hat, Nachwelt zu sein“ (F 349/50, 1912, 1). Dieser zentrale Essay von 1912 bildet auch in dieser Hinsicht einen Höhepunkt: Er, Johann Nestroy, kann es sich nicht gefallen lassen, daß alles blieb, wie es ihm mißfallen hat. Die Nachwelt wiederholt seinen Text und kennt ihn nicht; sie lacht nicht mit ihm, sondern gegen ihn, sie widerlegt und bestätigt die Satire durch die Unvergänglichkeit dessen, was Stoff ist. (F 349/50, 1912, 3)14 Diese Stelle steht im offenen Widerspruch zu einer wenig früheren Aussage über Heine, der „ein so kleiner Satiriker [war], daß die Dummheit seiner Zeit auf die Nachwelt gekommen ist“ (F 329/30, 1911, 31). Im Nestroy-Essay wird umgekehrt davon ausgegangen, daß die satirische Autorität von der grundsätzlichen Unwirk¬ samkeit der Satire nicht im geringsten angetastet wird: diese hat ein Bild der Menschheit ein für allemal festgehalten, das keiner Entwicklung fähig ist und sich damit nur wiederholen kann. In diesem Essay, wo Satire bekanntlich als „Rück¬ wärtskonzentrierung“ definiert wird (F 349/50, 1912, 23), entspricht das Bild einer Mitwelt, die unfähig ist, Nachwelt zu sein, der Vorstellung, die Kraus von seiner eigenen Nachwelt hat. Auch diese, so darf man schlußfolgern, wird ihn nicht ken¬ nen, wird dazu verurteilt sein, seinen Text zu wiederholen, und somit die satirische Anklage vollauf rechtfertigen.11' Andererseits aber zeigt sich die Macht des Satirikers gerade in jener .Erfindung' seiner Figuren, die Kraus die wiederholte Behauptung erlaubt, die „Romanfiguren“ seiner Glossenwelt (F 676-8, 1925, 5 lf.) würden bloß in dieser Eigenschaft, d.h. als fiktive Gestalten auf die Nachwelt gelangen. Der Beweis für die Nichtigkeit der Mit¬ welt muß also eine Nachwelt voraussetzen, die fähig ist, eine solche zu sein, d.h., die in der Lage ist, nicht nur der ästhetischen Dimension des satirischen Codes gerecht zu

14 Vgl. auch: „Nestroys Blicke werden noch in die Dummheit der fernsten Generationen dringen, und es gehört eigentlich Mut dazu, daß ein Historiker schon nach fünfzig Jahren wagt, ihm unter die Augen zu treten [...]“ (F 343/4, 1912, 30). 15 Noch im Dezember 1932 kehrt das Muster einer Rezeptionskritik, die von der Figur der Rettung gegenüber einer gleichgültigen Nachwelt beherrscht wird, mit Bezug auf Frank Wedekind wieder: „Wehe einer Nachwelt, die ihn nicht einmal verkennt, sondern nicht kennt!“ (F 885-7, 1932, 15).

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werden, sondern auch den ethischen Wertehorizont zu teilen, der die Grundlage der Autorität der satirischen Instanz bildet. Wenn man der Chiffre ,Nachwelt' in der Fackel systematisch nachgeht, so fällt in der Tat auf, daß diese andere, positiv besetzte Bedeutung mit den Jahren zunehmend explizit wird. Sie drückt im Grunde einen Erwartungshorizont aus, der ein bescheide¬ nes Prinzip Hoffnung gerade noch erlaubt, wie vielleicht am prägnantesten in der Übernahme der Rolle Horatios im Vorwort zu den Letzten Tagen der Menschheit. „Dennoch muß ein so restloses Schuldbekenntnis, dieser Menschheit anzugehören, irgendwo willkommen und irgendeinmal von Nutzen sein“ (S 10, 1 Of.).16 Das Postulat einer Nachwelt als eines positiven Horizonts erweist sich geradezu als Bedingung des satirischen Diskurses. Es hat mit jener trivialen Berufung auf das Urteil der Nachwelt nichts zu tun, die in der Fackel oft genug ironisiert wird. Ohne den Glauben an die „sittliche Fernwirkung des künstlerischen Schaffens“ wäre es undenk¬ bar zu denken, wie Kraus 1919 in dem Aufsatz „Brot und Lüge“ schreiben wird (F 519/20, 1919, 15).17 Dieser Glaube aber ist keine rein subjektive Angelegenheit und auch keine einfache Zukunftsprojektion, er ist ein produktives Moment, das auf der Ebene des Diskurses als immanentes Verfahren sich namentlich im Nachwelt-Motiv niederschlägt. Beispiele kann ich hier natürlich nicht im Detail ausbreiten und werde mich mit einem einzigen Zitat begnügen, einer bekannten Stelle aus „Innsbruck und Anderes“: Ich erstatte mit ihr nur meine Pflicht an eine andere Zeit, die weniger zwiespältig mir gesinnt sein wird und die mich zurückgesandt hat, das geistige Inventar auf¬ zunehmen, das sie kennen muß, um seine Erbschaft zu verschmähen, und damit vom Kladderadatsch dieser ruchlosen Banalität doch ein Protokoll vorhanden sei! Denn die einzig wertvolle Urkunde ihrer Geistigkeit ist die Beweisschrift, die sie vor die Nachwelt zitiert. (F 531-43, 1920, 23) Überflüssig, auf den Doppelsinn dieses ,Zitierens‘ aufmerksam zu machen: als Zita¬ tion, als Vorladung vor Gericht, einerseits und als Text-Zitat andererseits. Gerade die¬ ser Doppelsinn führt mich zum kurzen abschließenden Teil meiner Überlegungen. Die in dieser Fackel-Stelle postulierte Ungleichzeitigkeit verdeutlicht die konstitutive Di¬ stanz des satirischen Blicks, verweist aber auch auf ein utopisches Moment, auf die Utopie eines Zustandes, wo das dichterische Wort seine volle Geltung behaupten würde. Mit anderen Worten: hier wird das Nachwelt-Motiv entschieden in die Nähe des Ursprungs gerückt. Wie sehr der Ursprung-Gedanke mit einem .epigonalen' Verhältnis zur Tradition verbunden ist, ist bekannt und braucht an dieser Stelle wohl nicht auseinandergesetzt

Vgl. Benjamin: Zentralpark (Anm. 12), S. 683: ..Die Rettung hält sich an den kleinen Sprung in der kontinuierlichen Katastrophe.“ 17 Vgl. schon vorher u.a. F 443/4. 1916, 15.

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zu werden. Natürlich muß man den Epigonen-Begriff auch richtig verstehen.Ix Mit Bezug auf die Zusatzstrophen, die er in seinen Nestroy-Vorlesungen vorträgt, schreibt Kraus einmal, er vollziehe damit bloß eine seines Vorgängers würdige Aufgabe und setzt hinzu: „Deren Vorstellung und Erfüllung steht dem an, dem sie zusteht.“ (F 595600, 1922, 77).19 Der Anspruch auf absolute Autorität wird somit nicht einfach abstrakt behauptet, sondern wird von der Kraus’schen Praxis des Zitats immer wieder bestätigt. In dieser Praxis kann die Verschränkung des Nachwelt-Motivs mit dem Ursprung-Gedanken an vielen Beispielen beobachtet werden. Ich_begnüge mich mit einem einzigen Hinweis. Da ist der berühmte und oft mißverstandene Satz „Shakespeare hat alles vorausge¬ wußt“. Das Mißverständnis rührt hauptsächlich daher, daß man die einfache Tatsache außer Acht läßt, daß der Sinn eines Zitats darin besteht, „den Sinn eines Wortes durch den Sinn der Wiederholung dieses Wortes zu ersetzen“.20 D. h„ das ,Vorauswissen‘ Shakespeares ist keine gleichsam magische Eigenschaft, sondern braucht die Bestäti¬ gung durch die Wiederholung im neuen diskursiven Rahmen, es wird im Grunde erst durch das Zitat produziert. So beweist der Zitierende, der Epigone, nicht seine Schwä¬ che, sondern seine Stärke und so werden die Werte des .Ursprungs ‘ mit dem Begriff der Nachwelt in einer glücklichen Verbindung gebracht. Die Arbeit des Satirikers an der literarischen Tradition, die im Medium des Zitats den Beweis seines destruktiv-produktiven Charakters antritt, liefert in der Tat das Mo¬ dell für die ,richtige1 Nachwelt - jene, die dazu fähig sein wird, die Vergangenheit zu erlösen. Was dies bedeutet, das hat uns Benjamin vorgeführt: dem Sturm namens Fort¬ schritt standzuhalten und somit die Aufgabe erfüllen können, die Toten zu wecken und das Zerschlagene zusammenzufügen. Denn - das hat wieder Benjamin in der sechsten seiner Thesen „Über den Begriff der Geschichte“ geschrieben, die ohne den KrausBezug stellenweise nicht zu verstehen sind - eines ist sicher: „[...] auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein“.

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18 Dazu siehe Antonio Ribeiro: Karl Kraus und Shakespeare. Die Macht des Epigonen. In: Joseph Strelka (Hg.): Karl Kraus. Diener der Sprache - Meister des Ethos. (Edition Orpheus 1) Tübingen: Francke 1990. S. 237-65. 19 Ähnlich schreibt Kraus hinsichlich seiner „Macbeth“-Bearbeitung: „Sollte jedoch von Lessing und Diderot nicht so sehr gemeint sein, daß man dem Shakespeare keinen Vers entreißen d a r f, als [...] daß man es nicht k a n n , so wäre zu sagen, daß man nichts leichter kann (vorausgesetzt, daß man es kann) [...]“ (F 908, 1935,7). 20 Antoine Compagnon: La seconde main ou le travail de la citation. Paris: Seuil 1979, S. 86. 21 Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte. In: W.B.: Gesammelte Schriften. Bd. 2. (Anm. 12), S. 693-704. HierS. 695.

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Reaktionen der Zeitgenossen (Responses of contemporaries)

The reception of Karl Kraus by Schönberg and his School Julian Johnson

The idea of a Schönberg School is more than one of those convenient labels of cultural history. It is certainly a historical construction, but one that was first made by members of that group itself. A sense of collective identity and a self-consciousness of their own historical importance were key attributes of its members. Indeed, as so often with art¬ istic schools, the two went together here - as if the radical newness of their aesthetic required the mutual self-validation of a tight-knit circle. This paper explores the ways in which the work of Karl Kraus defined for the Schönberg School a cultural position which became an important ingredient in their own cohesion as a group. But more than that, it considers how Kraus’s ideas about language were taken up by members of the School as they came to terms with their own developments in musical language. In particular, I want to suggest that the fundamentally ethical claims of Schönberg’s aes¬ thetic, which remain with us today as part of the legitimation of musical modernism, derive much of their force and specific form from the work of Kraus. The label ‘Schönberg School’ refers to the circle of composers and performers formed in Vienna around the central figure of Arnold Schönberg during the three dec¬ ades before his emigration to the United States in 1933. It is often used to refer mainly to Schönberg himself and his two most famous pupils Anton Webern and Alban Berg - a musical ‘triumvirate’ (to borrow Andrew Barker’s term)1 reminiscent of that of Kraus, Loos and Altenberg. There were many factors which bound these three com¬ posers together beyond their common musical language: Schönberg’s devotion as a teacher, the loyalty which he demanded and always received from his pupils, their shared musical sensibilities as well as their shared trials in extending the boundaries of new music - all of these contributed to their sense of group identity. In the visual arts and in literature the self-identification of Die Jungen was both earlier and more overt than in the case of music. It was not until 1904 that one can begin to talk of any group or school as such. It was in this year that Webern and Berg began composition lessons with Schönberg but it was also the year in which Schön¬ berg and Zemlinsky succeeded in founding the Vereinigung schaffender Tonkünstler whose promotion of concerts in the 1904-1905 season was perhaps the closest musical equivalent to the early exhibitions of the Viennese Secession. Gustav Mahler was its

1 Andrew Barker: Battles of the mind: Berg and the cultural politics of ‘Vienna 1900’. In: Anthony Pople (Ed.): The Cambridge companion to Berg. Cambridge: Cambridge Univ. Press 1997, p. 25.

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President, which not only gave it vital official weight but also sent a clear signal of its modernist aspirations. While the Vereinigung fizzled out after only one season it man¬ aged in that time to achieve something of the effect of a manifesto. Despite the in¬ volvement of Mahler and Zemlinsky, it was increasingly the younger Schönberg that was seen as the centre of a new movement, and this some two decades before his discovery of the ‘Method of Composition with Twelve-tones’ with which the idea of a Schönberg School has forever since been associated. From the beginning, however, the coherence and cohesion of the group derived from a sense of shared perspectives and experiences. While specifically musical issues were inevitably central, these were always seen as part of a wider cultural position, such that to take an aesthetic position in music implied taking certain cultural and philosophical positions. In this, Die Fackel was to play a central role. Kraus’s journal acted for the Schönberg School as a kind of cultural beacon, a focal centre of cultural opinion and ideas, a statement of a position with which the group could identify and make their own. It does not seem to have mattered to them that Kraus himself had little appreciation of their music. At least Adolf Loos used to attend their concerts, a fact which Viennese critics made fun of on account of his partial deafness. Kraus, for all his attacks on Lehar as the embodiment of Viennese superficiality, nevertheless preferred Offenbach to the new music of the Schönberg School. Some of its members like Berg, Jalowetz, Kolisch, Steuermann and Krenek were enthusiastic supporters of the Offenbach recit¬ als, if not actively involved in them, but others - like Webern - were frustrated by some of Kraus’s musical opinions. As late as 1933, while honouring Kraus for his insight into language, Webern could not suppress his annoyance with regard to music. It was unthinkable, he suggested, that people of such refined cultural judgement could be as wrong about visual art as they seemed to be about music: I needn’t say what Karl Kraus has meant to me, how much I revere him - but here he is constantly making mistakes. Take his well-known aphorism about ‘music that washes against the shores of thinking’. This shows clearly that he is quite incapable of imagining that music can have an idea, a thought, hidden in it.2 But Kraus, for all his lack of interest in their music, clearly sensed a common cause with the Schönberg School. His support for them was based more on an appreciation of their ideals and he sided with them on several occasions, angered by the willingness

2 Anton Webern: The path to the New Music. Ed. by Willi Reich. London, Vienna: Universal Edition 1975, p. 14. Webern’s annoyance here is more understandable when one considers that he probably read Kraus’s remark not in F 229,12f„ where its original target was Richard Strauss, but reproduced in “Sprüche und Widersprüche” (S 8, 96): “Musik bespült die Gedankenküste. Nur wer kein Fest¬ land hat, wohnt in der Musik. Die leichteste Melodie weckt Gedanken wie die leichteste Frau. Wer sie nicht hat, sucht sie in der Musik und im Weibe. Die neue Musik ist ein Frauenzimmer, das seine natürlichen Mängel durch eine vollständige Beherrschung des Sanskrit ausgleicht.”

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of the Viennese press and public to condemn out of hand the genuinely new. It was in this spirit that Die Fackel had included Robert Hirschfeld’s essay on ‘Torture in Aus¬ tria' (F 131, 1903. 1-4), which attacked the Viennese musical establishment for its cruel treatment of Hugo Wolf and Anton Bruckner.3 4 Kraus himself published two de¬ fences of the Schönberg School in Die Fackel. One of these he wrote himself, follow¬ ing the Skandalkonzert of 31st March 1913, which included performances of works by Berg and Webern and which provoked an uproar every bit as violent as the more fa¬ mous riot occasioned by the premiere of Stravinsky’s Le sacre a few weeks later in Paris. Kraus did not discuss the music itself (he was in Berlin at the time of the concert anyway), but rather the cultural degradation of a society which was no longer prepared to listen first and judge afterwards, rather than interrupt the performance. On an earlier occasion, in February 1909, he had published an open letter from Schönberg to the Viennese music critic Ludwig Karpath (F 272/3, 1909, 34f.). What seems to have bothered Kraus more than the musical specifics of the case was that Schönberg’s defence had been completely suppressed. Karpath had recently demon¬ strated during a concert of Schönberg’s music and subsequently justified his action in a review. Kraus reprinted the review followed by Schönberg’s reply in the form of an open letter, the substance of which was to challenge Karpath to join him in a public examination of their knowledge of music theory, the examination to be conducted by Vienna’s leading professors of music. Kraus’s comment at the end of this exchange is worth quoting: Dieser Offene Brief wurde von der Presse, an die er geschickt wurde, einstimmig verschwiegen. Aber der Kandidat hat die Prüfungsfrist noch nicht versäumt. Er sollte sich doch die Gelegenheit nicht entgehen lassen, das alte Mißtrauen zu zerstören und durch einen Durchfall endlich den Befähigungsnachweis für sein •



musikkritisches Amt zu erbringen. (F 272/3, 35)

A

While members of the Schönberg School were pleased to be publicly identified with Kraus it was their constant self-identification with him and what he stood for that was of greater importance to the cohesion of the group. The correspondence between Schönberg, Berg and Webern (as with their wider circle) is punctuated by enthusiastic apostrophes about the latest edition of Die Fackel and urgent requests for a copy to be forwarded when absence from Vienna made it hard to obtain. A letter from Webern to Schönberg of 23rd June 1910 is typical in its aim to confirm common cultural ground in this way:

3 The author of this retrospectively titled essay, which appeared anonymously, was Hirschfeld. See Karl Kraus - Otto Stoessl. Briefwechsel 1902-1925. Ed. by Gilbert J. Carr. Vienna: Deuticke 1996. pp. 38. 183f. 4 The following year Kraus demonstrated his respect for Schönberg by reproducing in the 300th issue of “Die Fackel” (F 300, 1910, 9), opposite a prose poem by Altenberg, a manuscript page of one of Schönberg’s settings of Stefan George (from “Das Buch der Hängenden Gärten”, Op. 15).

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Tell me, can one at all denote thinking and feeling as things entirely separable? I cannot imagine a sublime intellect without the ardour of emotion. This is certainly the case with Weininger- and with Strindberg, Plato, Kant, Kraus. It simply flows directly out of these human beings. I presently keep thinking of the following men: you, Kokoschka, Mahler, Kraus and Weininger.'' A shared cultural position was defined most obviously through an agreement on other key figures of the time. In this, the judgements of the Schönberg School were already very similar to those of Kraus and his circle. The poets which provided them with texts for their early songs, often before they came into contact with Die Fackel, overlap significantly with those championed early on by Kraus: Hauptmann, Avenarius, Liliencron, Dehmel. And the writers that dominate the literary horizons of the Schönberg School in the years running up to the First World War were also those that feature prominently in Die Fackel - Strindberg, Altenberg, Weininger, Wedekind, Oscar Wilde, Balzac, Hölderlin, Trakl and, of course, Goethe. Of equal importance was agreement about what should be condemned. While less overt than Kraus’s satirical attacks on other writers, members of the Schönberg School were no less passionate in dismissing what they saw as musical kitsch and stylistic historicism. Kraus’s pledge, in the first issue of Die Fackel, ‘to drain a swamp of cli¬ ches’ (F 1, 1899, 2), was implicitly matched by the Schönberg School. A critical work here - for both camps - was Der Rosenkavalier, first performed in Vienna in 1911. The music of Richard Strauss, hand-in-hand with Hofmannsthal’s drama, for all their su¬ perficial brilliance, were judged to have capitulated to an empty historicism. By the time Webern heard a performance of Strauss’s Alpensinfonie in 1915 the composer who had once been a hero of the avant-garde was now dismissed in a single word: kitsch,5 6 Of course, the label ‘Schönberg School’, in highlighting common ground, ob¬ scures significant differences. For all their shared admiration for Kraus and a common alignment with the position represented by Die Fackel, Schönberg and his pupils nev¬ ertheless responded in quite different ways and to different aspects of Kraus’s work as Susanne Rode and others have documented.7 Berg, more genuinely part of the

5 Quoted in: Hans Moldenhauer: Anton von Webern. A chronicle of his life and work. New York: Alfred A. Knopf 1979, p. 113. 6 When Schönberg criticized the music of Strauss it was not for being ‘outmoded’ but for its ‘poor logic . See Arnold Schönberg: The musical idea and the logic, technique, and art of its presentation. Ed. by Patricia Carpenter, Severine Neff. New York: Columbia Univ. Press 1995, p. 125. 7 See for example Barker: Battles of the mind (Footnote 1); Martin Esslin: Berg's Vienna. In: Douglas Jarman (Ed.): The Berg companion. Basingstoke: Macmillan 1989; Friedrich Pfäfflin: Karl Kraus und Arnold Schönberg. Fragmente einer Beziehung. In: Heinz L. Arnold (Ed.): Karl Kraus. (Text + Kritik Special issue) Munich: Edition text + kritik 1975, pp. 127M4; Susanne Rode: Alban Berg und Karl Kraus. (Europäische Hochschulschriften 36/36) Frankfurt/M. etc.: Lang 1988; Susanne Rode: Anton Webern und Karl Kraus. Aspekte einer ungewöhnlichen Kraus-Rezeption. In: Öster¬ reichische Musik-Zeitschrift 46/6 (1991), pp. 313-24.

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Kraus circle than Schönberg or Webern, was most influenced by Kraus’s social ideas as evidenced by his choice and musical treatment of Biichner’s Woyzeck and Wede¬ kind's Lulu plays for his two operas. Webern, by contrast, was less enthusiastic about the overtly political issues and more taken with Kraus’s poems, at least five of which he attempted to set as songs. Schönberg himself seems to have maintained a position of mutual but distinctly distant respect towards Kraus. While both exerted a powerful gravitational force on the satellite figures that surrounded them, they were also planet¬ like in maintaining a certain solitary distance from one another. As Ernst Krenek re¬ marked in 1934, in a short article to mark their sixtieth birthday year, their lives and work exhibited some obvious parallels. They were both bom in the same year (1874), of Jewish parents and in parts of the Empire where German was not the majority lan¬ guage. Both converted to Christianity as young adults but both later abnegated their conversion: Kraus left the Catholic Church in 1922 and Schönberg returned formally to the Jewish faith in 1933. Both displayed a mixture of radicalism and conservatism in their thinking, a mixture which forced both of them, despite the circle of people around them, to tread essentially solitary paths. But there are intriguing suggestions that Kraus’s influence on the Schönberg School went beyond one of broad cultural outlook and extended to their own work both their writings on music and even their music itself. Kraus’s literary style undoubt¬ edly served as an example of the kind of intellectual elegance and economy that mem¬ bers of the Schönberg School sought in their own work and it is not surprising to find, as Werner Kraft pointed out in 1956, that Schönberg’s essays show a clear relation to Kraus’s style. Ironically, nowhere is this more obvious than in Schönberg’s early dia¬ tribes at the music press (1909-12) - ironic, in that Kraus refused to publish them in Die Fackelt

A number of commentators have gone further, finding parallels between grammat¬ ical and rhetorical devices in Kraus’s writing and musical devices in works of the Schönberg School. Alexander Goehr, for example, described Kraus’s literary style in terms that might apply equally to their musical techniques: The variations and developments, inversions and negations of words determine the flow of the ideas. The repeated keywords and their opposites give rise to a logical development of thought and lead inexorably to the final statement. The tone is matter-of-fact, the expression extreme and razor sharp.8 9 Webern, in his lectures of 1932 and 1933, compared his own use of row forms to devices like alliteration, assonance and rhetorical inversion in Shakespeare and Kraus.

8 For example “Eine Rechtsfrage” (1909). See Arnold Schönberg: Style and idea. Ed. by Leonard Stein. London: Faber 1975, p. 185. 9 Alexander Goehr: Schoenberg and Karl Kraus. The idea behind the music. In: Music Analysis 4/1— 2 (1985), pp. 59-71. Cit. p. 68.

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There are striking parallels too in the importance of the aphorism to Kraus and Altenberg as also to Schönberg and Webern. The latter, more than any other composer, is particularly associated with aphoristic music - not only through the brevity of many of his movements but also in his transparent use of the formal elegance of the aphor¬ ism, producing paradox through a simple statement and its apparent reversal. Schön¬ berg too wrote a number of aphoristic works, most famously the Six Little Pieces for Piano, Op. 19, written (as were Webern's most aphoristic works) during the years be¬

tween about 1911 and 1914 when Kraus’s influence on them seems to have been strongest. One of the most intriguing of these parallels is the shared use of stylistic juxtapo¬ sition as a compositional technique. According to Sigurd Scheichl, Kraus used “the juxtaposition of debased dialect with elevated diction”.10 The effect of this is directly comparable with the ironic use of style juxtaposition in Mahler’s music, which was of course revered by the Schönberg School. The critical use of ironic juxtaposition remained a feature of Berg’s music throughout his life - most obviously in his two operas. It was never a feature of Webern’s music but it was, briefly, a feature of Schönberg’s, once again during the period when Kraus’s influence was most direct, in works like the Second String Quartet (1908) with its Mahlerian distortion of “Ach, du Liebe Augustin” or the grotesque disfigurement of cabaret songs in Pierrot Lunaire (1912).

That linguistic practice might overlap with musical practice in such specific ways would not have seemed at all tenuous to members of the Schönberg School - indeed, it was a relationship which they were keen to develop and came to be the most signif¬ icant aspect of their reception of his work. In his lectures of 1932 and 1933 Webern suggested an obvious similarity between Kraus’s understanding of language and Schönberg’s ideas on music. Adorno, a close member of the Schönberg circle since studying with Berg in Vienna between 1925 and 1928, had made the same connection in his seminal essay “Zur gesellschaftlichen Lage der Musik” (1932). It was a parallel that Emst Kfenek made several times, firstly in his article of 1934 to mark the sixtieth birthday year of Kraus and Schönberg, and then again in an obituary article for Kraus in 1936 and at a memorial speech in the same year. Krenek's articles are of interest both because they refract the ideas of Schönberg and his pupils themselves and because they constitute a substantial public acknow¬ ledgement of the relationship between the work of Schönberg and Kraus during their lifetime. It was thus Kfenek who first pointed out that the apparently conservative Kraus and radical Schönberg met on common ground - that both derived a radical

10 Sigurd Paul Scheichl: Der Stilbruch als Stilmittel bei Karl Kraus, ln: S. P. S., Edward Timms (Eds.): Karl Kraus in neuer Sicht. Karl Kraus in a new perspective. Londoner Kraus-Symposium. (Special issue of Kraus-Hefte) Munich: Edition text + Kritik 1986, pp. 128—42. Cit. summary, p. 142.

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The reception of Karl Kraus by Schönberg and his School

critique by adherence to what they regarded as fundamental laws.11 And it was Krenek who underlined the Schönberg School’s belief that while one was pursued in the moral field and the other in the musical, this was a difference only of medium not of sub¬ stance. Schönberg, Krenek insisted, achieved a moral or ethical end in his music be¬ cause of his refusal to compromise the demands of music’s inner logic, producing works that opposed a kind of intellectual or spiritual laziness. This uncompromising aesthetic work, he claimed, converged with the consequences of Kraus’s parallel pur¬ suit of an ethical direction.1" In his later article Krenek was more explicit: Karl Kraus was for us the originator of a concrete universal artistic teaching which was suited as no other to light our particular musical path and to fill our products with spirit [...]. The analogy between the Krausian thinking about language and musical thinking is found principally here - that he precisely separated the pure material content of linguistic works from their ideational content [...]. But the surprising thing about his theory of language is that it anticipates a musical theory, which actually was a necessary pre-requisite of it - so that music, which has no extra-musical content, might never have been understood differently.13 This, it should be noted, goes rather further than Schönberg was prepared to at this time - though one should not forget the remarkable dedication he wrote to Kraus in 1912, inscribed in a copy of his own Harmonielehre. “Ich habe von Ihnen vielleicht mehr gelernt”, he wrote, “als man lernen darf, wenn man noch selbständig bleiben will ...” (T have perhaps learned more from you than one is permitted to learn if one wishes to remain independent’), a debt that he was happy to acknowledge publicly when he reproduced his words for a “Rundfrage über Karl Kraus” published in Der Brenner of 1913. Significantly he added, on this occasion: “Damit ist gewiß nicht der

Umfang, wohl aber das Niveau der Schätzung festgestellt, die ich für ihn habe.” (“By this is meant not so much the scope as the level of regard that I hold for him.”)14 But Schönberg’s writings on music reflect parallel concerns with Kraus, even when, as is often the case, he is discussing specific technical aspects of composition. The Harmo¬ nielehre itself, like Schönberg’s other pedagogical texts in which he tried to formulate

the fundamentals of musical composition, may be understood in the same context of a general crisis in language which frames Kraus’s own work. It was a problem that was to preoccupy him throughout his career, finding a particular focus between about 1934

11 This is evident as early as 1923 in his essay “Neue Musik”, in which he argues that the principles of comprehensibility are those of human logic and therefore do not change with the means of pres¬ entation. His search for the laws of twelve-note music is in order “to find the form in which the laws of the earlier art can be applied to the new”; Schönberg: Style and idea (Footnote 8), p. 137. 12 Ernst Krenek: Karl Kraus und Arnold Schönberg. In: 23. 15-16 (1934), pp. 1^4. 13 Ernst Krenek: Erinnerung an Karl Kraus. In: 23. 28-30 (1936), pp. 3f. 14 Quoted in Goehr" Schoenberg and Karl Kraus (Footnote 9), p. 64. German original in: Rundfrage über Karl Kraus. In: Der Brenner 3/18 (15.6.1913), p. 843.

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and 1936, during his first years in America, when he worked on the extensive but still fragmentary text of what is now posthumously published as Der musikalische Gedanke und die Logik, Technik, und Kunst seiner Darstellung.

But it is in his non-technical essays and lectures that the parallel is far more obvi¬ ous, because here Schönberg is concerned not so much with defending any particular system of composition as with a particular idea of what music is and should be. It is in his insistence on music’s participation in intellectual and ethical realms that Schönberg’s writings on music connect most obviously with Kraus. While the impor¬ tance of this parallel is clear as early as essays like “Das Verhältnis zum Text" of 1912, it is one that became most explicit in the early 1930s, when Kraus’s own retreat into Sprachlehre seems to have coincided with similarly abstract concerns of the Schön¬

berg School.16 Kraus’s famous remark, in the face of fascism in 1934, that "man hat mutig zu sein und Sprachlehre zu treiben” (F 890-905, 1934, 168; ‘one must be daring and pursue language theory’), had an obvious resonance for the Schönberg School. As Webern wrote to Hildegard Jone in September 1933: “Such things only become more important to me in proportion as things get more fearsome in our own time.”

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Earlier that year, at the opening of his second lecture series, Webern had insisted that Kraus’s claim, that linguistic questions were fundamentally ethical ones, applied equally to music. He quoted several times from Kraus’s essay, entitled simply “Die Sprache”, published only three months earlier, in December 1932 (F 885-7, 1932, 14). It reads, in part, like a manifesto - a call to realize the potential of language as the vehicle of the highest human potential. Culture stands or falls, Kraus argued, accord¬ ing to the degree by which it engages in the constant activity which a living language demands, as opposed to the repetition of dead language - language as slogan, as cliche, language in which the vital element of thought has dried up. Alongside Kraus (and indeed Goethe), Webern refers to a recent lecture of Schön¬ berg’s in order to make the same point. This was a version of “Neue und veraltete Musik oder Stil und Gedanke”, which Schönberg had given in Vienna only a few

15 Schönberg: The musical idea and the logic (Footnote 6). 16 A number of commentators have remarked on Kraus’s apparent retreat, in the last years of his life, from the external world of cultural politics to the more abstract concerns of his ‘Sprachlehre’. Frank Field commented: “It was a world beyond polemic and satire in which the satirist retreated further and further into a private domain of the spirit. As Robert Scheu had feared, in his study of Kraus’s work published as early as 1909, the more desperate the situation of Austria became, the more fanatically would Kraus cling to his idealism of language, so that Kraus, the enemy of abstraction, would himself become the victim of abstraction.” See Frank Field: The last days of mankind. Lon¬ don etc.: Macmillan 1967, p. 234. 17 See Anton Webern: Letters to Hildegard Jone and Josef Humplik. Ed. by Josef Polnauer. Bryn Mawr: Theodore Presser 1969, p. 22. Friedrich Deutsch, one of Webern’s pupils, recalled Webern's teaching methods and his insistence on the logical development of answers to earlier points in a piece. He recalled that Webern "quoted the statement of Karl Kraus that the fate of humanity often depended on the correctly placed comma. Webern considered the transference of this idea - from literature to music - to be crucial”. See Moldenhauer: Anton von Webern (Footnote 5), pp. 513f.

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The reception of Karl Kraus by Schönberg and his School

weeks earlier.18 In its own way, Schönberg’s lecture makes a demand for music that parallels Kraus's demand for language - that its specific form is not arbitrary but shaped by the thought of which it is an expression. It was, in part, a polemical piece aimed at distinguishing his own music from what he saw as the superficial modernity of the Neue Sachlichkeit but it sets out the key premise of his theory - that music should be governed by a global musical idea and thus be more than an incoherent juxtaposition of unrelated parts. It is his own music that has become veraltet - out¬ moded - because of its insistence on the logical unfolding of a single musical idea as opposed to the pot-pourri principle of the Neue Musik of the early 1930s. Schönberg’s famous opposition of style and idea finds one of its clearest state¬ ments here. This ‘new music’, he argued, failed to recognize that style was a symptom, simply part of the m e a n s of representing an idea. To fetishize the means of style and technique (of surface over structure) produced empty and nonsensical works which no longer bore any logical relationship to the idea whose expression had originally shaped those means. The parallel with Kraus on language - as indeed with Adolf Loos on ornament - is striking. And it is a theme in Schönberg’s writing on music that goes back to the years immediately preceding the First World War, when he was perhaps most strongly influenced by Kraus and Loos.19 Kraus and Schönberg converge in their insistence that linguistic material is shaped by the expression of an idea, and that the artist’s responsibility is to ensure the unfold¬ ing of that idea with the maximum degree of coherence ( Zusammenhang) and compre¬ hensibility (Faßlichkeit). Kraus made a distinction between the use of language as Gestaltung and its use as Mitteilung, one that maps roughly onto what were for him

the polar opposites of literary art and journalism. Schönberg’s insistence on the de¬ mands of musical logic at the expense of the immediacy demanded by entertainment derive from the same position. Music is not merely another kind of amusement, but a musical poet’s, a musical thinker’s representation of ideas; these musical ideas must correspond to the laws of human logic; they are a part of what man can appreciate, reason and express and that must correspond to the laws of human logic. It is here that one finds the complex equation that binds together the singular demands of musical modernism, its hostility towards mass culture and its high ethical claim to a position of social responsibility. Kraus's attacks on examples of language used with-

18 According to the manuscript, it was completed on 10th February 1933, only 10 days before Webern cites it in his own key text about the musical idea. See Schönberg: Style and idea (Footnote 8), p. 113. 19 See for example, Schönberg’s essay “Problem des Kunstunterrichts” (1911), in which he discusses the moral quality of the unadorned idea, free from ornament. Schönberg: Style and idea (Footnote 8), p. 365. 20 Schönberg: Style and idea (Footnote 8), p. 220.

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out thought were all the more trenchant for being linked to social injustice and hypoc¬ risy. He was convinced, in Martin Esslin’s words, that “language being the basis of all thought, degeneracy of language would lead to the degeneracy of mankind’s ability to think clearly and logically”21 and he was quite serious when he said that National Socialism was the product of the press.22 The Schönberg School, in transposing Kraus’s ideas on language into a musical arena, sought to preserve the high ethical tone of his critique while at the same time insisting on the abstract, non-referential character of their music. This remains a difficult claim to defend - and even harder to demonstrate - al¬ though it is central to the extensive critique of music and culture in the work of Theo¬ dor Adorno. It is primarily by means of this critique that the aesthetic claims of musi¬ cal modernism continue to be pressed, much to the perplexity of a current fin de siede generation which sees no connection between ethics and aesthetics, between politics and music. It is clear that the writings of the Schönberg School - including Adorno are better understood when placed in the context of Kraus’s work, to which they are indebted. It may well also be so, that their music too is better understood, as one begins to unravel the underground connection between ethical positions and the detailed mu¬ sical choices that constitute the activity of the composer.

21 Esslin: Berg’s Vienna (Footnote 7), p. 4. J. P. Stern disagrees with Kraus’s conviction that “the attitudes from which cliches arise - banality, triteness, thoughtlessness - are not aesthetic but moral failings”, arguing instead that aesthetics and morality are separate spheres. See J. P. Stern: Karl Kraus. Language and experience. In: Scheichl/ Timms: Karl Kraus in neuer Sicht (Footnote 10), pp. 21-31. Cit. p. 26.

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Karl Kraus und die Entwicklung der ANALYTISCHEN PHILOSOPHIE IM 20. JAHRHUNDERT

Allan Janik

Oberflächlich betrachtet ist alles, was Karl Kraus zum Thema Sprache sagte, von den Äußerungen analytischer Philosophen im 20. Jahrhundert weit entfernt. Daher wird es als faszinierender Zufall und als Beweis für eine Wiener Sprachkrise des fin de siecle dargestellt, daß seine Sprachkritik und die sprachkritischen Angriffe des Wiener Krei¬ ses auf alle Formen der Metaphysik mehr oder weniger gleichzeitig im Wien des er¬ sten Drittels des 20. Jahrhunderts angesiedelt sind. Soweit Kraus überhaupt eine Theo¬ rie der Sprache vertritt, steht diese nahezu in direktem Gegensatz zur empiristischen Sprachauffassung des Wiener Kreises und zu dem, was man heute für gewöhnlich als analytische Philosophie bezeichnet. Als Sprachtheoretiker ist Kraus im Grunde ge¬ nommen ein Romantiker im Sinne z.B. von Jean Paul.1 Während der Wiener Kreis die Sprache für ein mangelhaftes Werkzeug im Hinblick auf wissenschaftliche Erkennt¬ nisse hält, die erst durch eine strenge, logische Kritik ihre philosophische Funktion erfüllen kann, ist die Sprache für Kraus der mystische Ursprung von Authentizität. Nichts könnte vom Traum des Wiener Kreises, von einer aller idealen Ambiguitäten entledigten Sprache, weiter entfernt sein als die Kraus’sche Auffassung einer Sprachmystik, die man in seinen Schriften zur Sprache findet. Trotzdem war es Kraus möglich, die Entwicklung der analytischen Philosophie wesentlich, wenn auch indirekt, zu beeinflussen. Seine Sprachpraxis, die Fähigkeit, den aufgeblasenen, hinterhältigen Feind .beim Wort' zu nehmen und dadurch zu ent¬ larven, ist in gewisser Weise mit dem Kampf der logischen Empiristen gegen den Obskurantismus der Metaphysiker zu vergleichen. Auch Ludwig Wittgenstein ver¬ folgte sein ganzes Leben lang ein ähnliches Ziel wie Kraus. Er wollte den gequälten Geist des Philosophen endgültig beruhigen. Über Wittgenstein, der viele Gemein¬ samkeiten mit den Positivisten hatte und gleichzeitig ganz anders philosophierte, be¬ stimmte Kraus indirekt den Lauf der analytischen Philosophie. Wie Kraus sein Leben lang gegen die herkömmliche Publizistik publizierte, richtete sich Wittgensteins Phi¬ losophieren zunehmend gegen die herkömmliche Philosophie. Parallelen zu Kraus sind deutlich vorhanden. Will man die Bedeutung von Kraus für die analytische Phi¬ losophie bestimmen, muß man sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Form der Einfluß von Kraus auf Wittgenstein annahm. Daß Karl Kraus Wittgensteins phi¬ losophisches „Klärungswerk“, wie dieser es nannte, beeinflußte, steht außer Frage: 1 Harry Zohn: Karl Kraus. New York: Twayne 1971, S. 59.

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„So haben mich Boltzmann, Hertz, Schopenhauer, Frege, Russell, Kraus, Loos, Weininger, Spengler, Sraffa beeinflußt“, schrieb er 1931.* 2 Wie Kraus ihn beein¬ flußte, ist völlig unklar. Wir wissen von Brian McGuinness’ autoritativer Biographie des jungen Wittgenstein, was ihn bei Kraus interessieren mußte: „Was Ludwig an Kraus mochte, liegt auf der Hand: Es ist wieder die Einheit von Stil und Mensch. Die Satire, die Bloßstellung moralisch niederträchtiger Einstellungen und der Hohn wur¬ den durch eine Art des Sprachgebrauchs und der Sprachkritik vermittelt, die eher ethi¬ scher als literarischer Natur war. Ludwig hatte sein Leben lang die gleiche Gewohn¬ heit wie Kraus, das ganze sittliche Wesen einer Person aus einem einzigen unbedach¬ ten Satz abzulesen.“3 Außerdem ist die Tatsache, daß Wittgenstein Mitte der zwanziger Jahre sein Inter¬ esse an Kraus verlor, als er die Schriften von Kraus nicht mehr lustig fand, ein Hinweis darauf, was Wittgenstein an Kraus anzog.4 5 Aber diese Auskunft bezieht sich wie¬ derum im Grunde genommen auf Wittgenstein als Menschen und nicht auf seine Phi¬ losophie. Wie gesagt, es liefert uns Hinweise hinsichtlich der Bedeutung von Kraus für Wittgensteins „Klärungswerk“. Letzteres ist das Wesentliche. Also muß unsere Geschichte heute eine ganz andere sein als die, die ich gemeinsam mit Stephen Toulmin vor einem Vierteljahrhundert erzählte? Sie bezieht sich hauptsächlich auf die spä¬ tere Philosophie Wittgensteins - in der Tat, manches, was wir damals mit Kraus asso¬ ziierten, z.B. was die „Grenzen der Sprache“ betrifft, kann man mittlerweile besser als von Otto Weininger stammend betrachten, obwohl sich die zwei Strömungen einander gewiß nicht ausschließen.6 Daher bestimmt sowohl der subtile, indirekte Cha¬ rakter des Kraus’schen Einflusses auf Wittgenstein als auch der Mangel an Urkunden¬ beweisen den mutmaßlichen Charakter unserer Untersuchung. Georg Henrik von Wrights Meinung nach7 ist die Reihenfolge chronologisch. Wenn das stimmt, kommt Kraus nach Russell aber vor Loos. Damit haben wir einen Hinweis darauf, welche Schriften Kraus’ ihn wohl beeinflußt haben könnten. Wir wis¬ sen, daß Wittgenstein Russell zum ersten Mal 1911 in Cambridge begegnete, Loos aber erst im Juli 1914. Aufgrund des intensiven Charakters der Auseinandersetzung mit Russell 1911 und 1912 scheint es wahrscheinlich, daß Wittgensteins tiefe geistige Begegnung mit Kraus 1913 in Norwegen und nicht in Wien stattfand. Von dieser be¬ sonders wichtigen Zeit schrieb er 18 Jahre später: „Als ich übrigens in Norwegen war.

Ludwig Wittgenstein: Vermischte Bemerkungen. Hg. von G. H. von Wright et al. Frankfurt/M.: Suhrkamp 21994. S. 41. 3 Brian McGuinness: Wittgensteins frühe Jahre. Übers, von Joachim Schulte. Frankfurt/M.: Suhr¬ kamp, S. 74. 4 Mitteilung von Rudolf Koder. 5 Allan Janik, Stephen Toulmin: Wittgenstein’s Vienna. New York: Simon & Schuster 1973. 11 Allan Janik: Wittgenstein's .Religious point of view' or Philosophy between science and religion. In: A. J.: Wittgenstein's Vienna revisited. New Brunswick: Transaction 2001, S. 171-84. Georg Henrik von Wright: Wittgenstein in relation to his times. In: Brian McGuinness (Hg.): Witt¬ genstein and his times. Chicago: Univ. of Chicago Press 1982, S. 116.

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Karl Kraus und die Entwicklung der analytischen Philosophie

im Jahre 1913-14, hatte ich eigene Gedanken, so scheint es mir jetzt wenigstens. Ich meine, es kommt mir so vor, als hätte ich damals in mir neue Denkbewegungen gebo¬ ren (aber vielleicht irre ich mich). Während ich jetzt nur mehr alte anzuwenden scheine."8 Allerdings gibt es keinen Beweis dafür, daß er damals unter dem Einfluß von Kraus stand. Was weiß man denn über Wittgensteins Interesse an Kraus und seine KrausKenntnisse? Im Grunde sehr wenig. Man weiß, daß Wittgenstein Die Fackel von sei¬ ner Kindheit weg las.9 In Norwegen und später während des Krieges ließ er sie sich immer zukommen.10 Bezüglich dieser äußerst konstruktiven Zeit in Norwegen weiß man nur, was in seiner Korrespondenz mit Gottlob Frege und seiner Cambridger Be¬ kanntschaft steht. Hier findet man keinen Hinweis auf Kraus. Immerhin weiß man, was von Kraus in derZeit erschienen ist. 1912 erschien - außer dem zweiten Band von Aphorismen Pro domo et mundo - die zweite Auflage des 1910 erschienenen Bandes Die chinesische Mauer, mit nachgedruckten Aufsätzen aus der Fackel. Es ist wahr¬

scheinlich nicht ganz zufällig, daß Wittgenstein das Beispiel der chinesischen Sprache verwendete, wenn er ein Beispiel für etwas bringen wollte, das uns so fremd vor¬ kommt, daß es uns unbegreiflich und daher kaum menschlich zu sein scheint: „Wenn wir einen Chinesen hören, so sind wir geneigt, sein Sprechen für ein unartikuliertes Gurgeln zu halten. Einer, der chinesisch versteht, wird darin die S p r a c h e erkennen. So kann ich oft nicht den Menschen im

Menschen erkennen.“* 11 Ill Das könnte

selbstverständlich zufällig sein, aber es ist trotzdem interessant, daß die Bemerkung von August 1914 stammt. Wie auch immer, es ist sicher, daß Kraus neben Weininger gewiß ein wichtiges Gesprächsthema war, als Wittgenstein 1916 in Olmütz im Ge¬ spräch mit Paul Engelmann und dem Kreis um ihn seine Gedanken zum „Mystischen“ und den „Grenzen der Sprache“ entwickelte.12 Edward Timms macht uns aufmerksam auf eine Reihe von Veränderungen im Werk von Kraus während der Zeit zwischen 1911, als er begann. Die Fackel allein zu verfassen, und 1913, als er sich in Sidonie Nädhemy verliebte. Während dieser ent¬ scheidenden Zeit, die für unsere Diskussion von Bedeutung ist, wurde Polemik durch Satire als Schwerpunkt seines Schreibens abgelöst, als der liberale Gesellschaftskriti¬ ker vom Dichter überschattet wurde. Die Ironie wurde durch die theatralische Rede, die Kasuistik durch den Monolog ersetzt. Darüber hinaus, als seine Satire ihre Gegen¬ stände zunehmend mit Hyperbeln angriff, nahm sein literarisches Ich übertriebene,

8 Wittgenstein: Vermischte Bemerkungen (Anm. 2), S. 42f. 9 McGuinness: Wittgensteins frühe Jahre (Anm. 3), S. 74. 10 Paul Engelmann: Letters from Wittgenstein. With a memoir. Übers, von L. Furtmüller. Oxford: Blackwell 1967, S. 123. 11 Wittgenstein: Vermischte Bemerkungen (Anm. 2), S. 21. Vgl. L. W: Zettel. Hg. von G. E. M. Anscombe. G. H. von Wright. Oxford: Blackwell 1967, S. 40, § 219: „Chinesische Gebärden verstehen wir so wenig wie chinesische Sätze.“ 12 Engelmann: Letters from Wittgenstein (Anm. 10). S. 125.

Ill

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monumentale Proportionen an. Kurzum nahm Kraus die Rolle eines alttestamentari¬ schen Propheten an, der den Untergang der verdorbenen abendländischen Zivilisation ankündigte. „Die provozierende Spannung des satirischen Monologs entsteht gerade daraus, daß aus scheinbar unbedeutenden Dingen und banalen Symptomen apokalyp¬ tische Schlußfolgerungen gezogen werden“, schreibt Timms an einer Stelle, die Brian McGuinness’ Einschätzung von dem, was Wittgenstein an Kraus gefallen hat, direkt widerspiegelt.13 Kann es der Fall sein, daß der apokalyptische Ton des Tractatus logico-philosophicus die Widerspiegelung dieses Tons ist? Vielleicht. Klar ist, daß der

Ton einer Schrift in den Augen Wittgensteins, wie die Fälle Trakl, Ibsen und Tagore beweisen, eine direkte Widerspiegelung des moralischen und ästhetischen Werts vom Verfasser war.14 Jedoch betonte Kraus zu dieser Zeit-z.B. in „Grimassen über Kultur und Bühne“ (S 2, 141-56) oder „Lob der verkehrten Lebensweise“ (S 2, 167-70) - wie die Gesell¬ schaft um ihn nichts als eine verkehrte Welt war. Was Gerechtigkeit beanspruche, sei ungerecht, Sittlichkeit sei unsittlich, Ehrlichkeit Heuchelei, usw. Daher entstand seine Aufgabe, die Ordnung der Dinge wieder einzurenken. Die Kraus’sche Technik für die sittliche ,Analyse1 von perversen Sprechakten bestand darin, daß er seinen Gegner ,beim Wort1 nahm, d.h. im wortwörtlichen Zitat und/ oder in der Gegenüberstellung von - sagen wir - des „Kantianers“ Hurrahpatriotismus mit den Sorgen Kants um den ewigen Frieden (S 6, 92L), oder moralisch ,erbauenden1 Leitartikeln aus angesehenen liberalen Zeitungen und dubiosen Kleinanzeigen aus den hinteren Seiten derselben Zeitungen (vgl. „Die weiße Kultur oder Warum in die Ferne schweifen“, S 2, 211-4). Eine Parallele zu Wittgensteins ethischer Aufgabe im Tractatus, die Welt anhand der Einsicht in die Grenzen der Sprache richtig zu sehen, ist hier trotz aller sonstigen Un¬ terschiede zwischen Kraus und Wittgenstein vorstellbar. Außerdem scheint der über¬ sichtliche Kontrast, den diese Projektionstechnik bietet, irgendwie mit der Art der Ver¬ gleiche, die uns helfen, die philosophischen Probleme in seinen späteren Schriften „aufzulösen“,15 verwandt zu sein. Wie auch immer, in dieser Zeit kam der bedeutende Begriff ,Ursprung1 im Werk von Kraus zum Vorschein. ,Ursprung1 bezieht sich auf „eine Welt idyllischer Naturhaftigkeit und reiner Geistigkeit“.16 Da dieser Begriff Wittgensteins Philosophieren

13 Edward Timms: Karl Kraus: Satiriker der Apokalypse. Leben und Werk 1874-1918. Übers, von Max Looser, Michael Strand. Wien: Deuticke 1995, S. 289. 14 Wittgenstein an Engelmann 23.10.21. In: Engelmann: Letters from Ludwig Wittgenstein (Anm. 10), S. 45-7; Wittgenstein an Ficker, 28.11.14. In: Ludwig von Ficker: Briefwechsel 1914-1925. Hg. von Ignaz Zangerle, Walter Methlagl, Franz Seyr, Anton Unterkircher. (Brenner Studien 8) Innsbruck: Haymon 1988. S. 53. 15 Ludwig Wittgenstein: [Eintragung vom] 26.11.14. In: L. W.: Geheime Tagebücher. Hg. von Wil¬ helm Baum. Wien: Turia & Kant 1991. S. 43. Vgl. Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersu¬ chungen. Philosophical Investigations. Hg. von G. E. M. Anscombe. Oxford: Blackwell 31967, S. 51.1, 133. 16 Sigurd Paul Scheichl: Politik und Ursprung. In: Wort und Wahrheit 27 (1972), S. 45.

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fremd ist, ist es nicht uninteressant, daß ein Hinweis auf das Gedicht in seinem Kom¬ mentar auf sich selbst in den Vermischten Bemerkungen herauszuhören ist: „Im Ren¬ nen der Philosophie gewinnt, wer am langsamsten laufen kann. Oder: der, der das Ziel zuletzt erreicht.“17 In dieser Entwicklung nimmt der Aphorismus eine immer wichtigere Bedeutung ein. 1908 fing Kraus an, Artikel aus der Fackel in Büchern wie Sittlichkeit und Krimi¬ nalität und Die chinesische Mauer nachzudrucken. Diese Werke wurden der Öffent¬

lichkeit mit einigem Abstand vom polemischen Zusammenhang vorgestellt. Dadurch nahmen sie eine leicht veränderte Bedeutung an. Indem er von 1909 weg Aphorismen aus diesen Schriften exzerpierte, konzentrierte Kraus seine Gedanken und dekontextualisierte sie weiter. Darüber hinaus ist sein literarisches Ich dadurch noch monumen¬ taler geworden, als seine Kulturkritik zunehmend den Anspruch auf Wert als Dichtung erhob und letztendlich als eine Art orakelhafte Weisheit, die wie Lichtenberg und im Gegensatz zu LaRochefoucauld tief im Wortspiel wurzelt. Wittgensteins Meinung nach verlangt die Sokratische Selbstbewußtheit, daß man aus einem traumähnlichen Zustand erweckt werden müsse: „Zum Staunen muß der Mensch - und vielleicht Völker - aufwachen. Die Wissenschaft ist ein Mittel, um ihn wieder einzuschläfern.“18 Hier könnte man eine Parallele zum Wunsche Kr aus’ sehen, uns von dem Übel der Doppelmoral zu befreien und zur ethischen Verantwortung zu erwecken. Sein aphoristisches Wortspiel entfaltet neue Aspekte der Bedeutung von Wörtern. Es ist sicherlich nicht zufällig, daß Wittgenstein die Tiefe der Philosophie mit der eines grammatischen Witzes vergleicht: „Fragen wir uns: Warum empfinden wir einen grammatischen Witz als tief ? (Und das ist ja die philosophische Tiefe.).“19 Komischerweise spielen grammatische Witze überhaupt keine Rolle in seinem Philo¬ sophieren. An dieser Stelle nimmt der Stil eine philosophische Bedeutung an. Aphorismen, die Wortspiele beinhalten, können zur ironischen Umkehrung der Bedeutung führen. Sie können ein Wort - und dadurch einen Begriff - aus dem gängigen Zusammenhang reißen und uns etwas Wichtiges zeigen, was Bedeutung betrifft, nämlich, daß unsere gängigen Rede- und Denkweisen einen Aspekt der Bedeutung eines Worts auf Kosten von anderen betonen und dadurch die anderen verbergen. Kraus war ein Weltmeister dieses Genres. Wir sollten uns an einige von seinen bekannteren Sätzen hier erinnern. „Je größer der Stiefel, desto größer der Absatz“ (S 8, 155), spielt auf alle Bedeutungen von den Wörtern Stiefel (= Schuhwerk, Unsinn) und Absatz (= Teil eines Schuhs, Ab¬ schnitt eines Texts, Verkauf) an. Also beziehen sich hier „Stiefel“ und „Absatz“ gleichzeitig auf Handel, Journalismus und Unfug. Dadurch wird gezeigt, wie sie ein¬ ander beinhalten. Für Kraus ist das Wesentliche, daß der Witz eine sittlich-dubiose

17 Wittgenstein: Vermischte Bemerkungen (Anm. 2), S. 76. 18 Ebd.,S. 28. 19 Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (Anm. 15), S. 47. I, 111.

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Beziehung zwischen den drei Elementen zeigt. Für Wittgenstein zeigt uns die Form des Witzes etwas über die Bedeutung an sich. Wie gesagt, Wortspiel spielt überhaupt keine Rolle in Wittgensteins Philosophieren. Fassen wir eine ganz andere Art des Wortspiels aus der Sammlung Sprüche und Widersprüche ins Auge: „Man lebt nicht einmal einmal“ (S 8, 178). Die verneinende

Kraft des zweiten „einmal“ dürfte nicht übersehen werden. In den Aphorismen von Kraus spielt die Doppelnegation eine äußerst bemerkenswerte Rolle: „Nicht grüßen genügt nicht. Man grüßt auch Leute nicht, die man nicht kennt“ (S 8, 193), und: „Man weiß nicht nur im Ausland nicht, was hier geschieht: Man weiß es auch hier nicht“ (F 331/2, 1911, 57). Der auffallende Charakter solcher Doppelnegationen blieb von ei¬ nem Logiker, der die Doppelnegation für die allgemeine Form des Satzes hielt, gewiß nicht unbemerkt. Für den frühen Wittgenstein war- die simultane Negation die Grund¬ lage für die Konstruktion von Wahrheitstabellen, die wiederum sonnenklar zeigen können, welche Sätze Tautologien sind und welche nicht. Dadurch wurde die Notwen¬ digkeit von Axiomen in der Logik eliminiert. Darüber hinaus war er der Meinung, daß er gleichzeitig den überflüssigen Charakter der logischen Theorie überhaupt gezeigt hatte. Die logische Kraft seines Begriffs vom ,Zeigen4 im Tractatus hängt engstens mit der Idee zusammen, daß die Anwendung der Logik in Zusammenhang mit einem kla¬ ren Bezeichnungssystem alle Probleme, wofür Gottlob Frege und Bertrand Russell die ,logische Theorie* eingeführt haben, lösen mußte. Deswegen war es Wittgenstein un¬ begreiflich, daß man sein noch nicht benanntes Buch „Philosophical Logic“ nennen wollte: „There is no such thing as philosophical logic“, schrieb er 1922.20 Hier im Kem des Tractatus könnte es auch der Fall sein, daß wir den Einfluß von Kraus spü¬ ren. Wie auch immer, eine Faszination durch Wortspiele ist sicherlich nichts Neues in der Philosophie. Wir dürfen nicht vergessen, z.B. wie die Pythagoräer der Antike dem Wortspiel eine mystische Bedeutung zugeschrieben haben.21 Für sie war die Tatsache, daß das Wort für Köiper soma fast identisch mit dem Wort für Grab sema ist, ein Beweis dafür, daß der Körper eigentlich ein Grab ist. Die stärkste Auswirkung dieser Idee findet man in der Platonischen Seelenlehre, die die Tradition der abendländischen Philosophie zutiefst beeinflußt hat. In der positivistischen Tradition hingegen gilt die¬ ser Zug als ein Paradebeispiel dafür, wie Philosophen sich von den äußeren Sprachformen verführen ließen. Immerhin gibt es etwas dabei, das wirklich staunenswert ist. Hier hat man etwas Verwirrendes und Rätselhaftes, etwas, das dem Verstand als Genuß und Herausforderung gegenüber steht.22 Das ist es, was wichtig daran ist.

20 Wittgenstein an Ogden 23.4.1922. In: L. W.: Letters to C. K. Ogden with commentaries on the English translation of the Tractatus logico-philosophicus. Hg. von G. H. von Wright et al. Oxford: Blackwell; London, Boston: Routledge & Kegan Paul 1973, S. 20. 21 Joseph Owens: A history of Ancient Western philosophy. New York: Appleton Century Crofts 1959, S. 38. ~2 Johan Huizinga: Homo ludens. Boston: Beacon 1955, S. 115-7.

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Wie wir gesehen haben, ist die Philosophie im Sinn Wittgensteins eine des Erwekkens“ und zwar zum Reichtum, zur Vielfalt und zur Komplexität des Alltäglichen und zur konstitutiven Rolle, die die Sprache in der Gestaltung der menschlichen Erfahrung spielt. Als solche ist Wittgensteins philosophische Sendung mit der von Martin Hei¬ degger in Sein und Zeit zu vergleichen. Für beide sind stilistische Eigenartigkeiten engstens mit philosophischer Taktik verbunden. Beide wollen die Welt richtig be¬ schreiben. Der Unterschied zwischen Wittgenstein und Heidegger besteht darin, daß sie die Natur dieser Beschreibung anders verstehen.24 Für den Phänomenologen Hei¬ degger ist die Aufgabe, zumindest in Vergleich zu Wittgenstein, eine relativ unbedenk¬ liche Angelegenheit: Er mußte unsere Aufmerksamkeit von der Theorie auf die Praxis richten, um dadurch eine neue philosophische Perspektive zur herkömmlichen philo¬ sophischen Art zu beschreiben, was es heißt, etwas zu wissen. Wittgenstein hat das gleiche Problem, aber er insistiert, daß es nicht lediglich Ignoranz oder eine deforma¬ tion professionelle ist, die uns verhindert, die Welt richtig zu sehen, sondern ,tiefe

Beunruhigungen1, auf die wir abgerichtet werden, wenn wir die Sprache erlernen. Sie machen die Welt, ,wie ich sie gefunden habe1, so ungemein schwer zu beschreiben. Es sollte uns nicht überraschen, wenn er sagt: „Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.“25 Die Quelle der cha¬ rakteristischen Tiefe von philosophischen Problemen ist die Tendenz, die oberflächli¬ che Grammatik der Sprache mit ihrer .tiefen Grammatik1 zu verwechseln. (Hier darf man Wittgenstein mit Chomsky nicht verwechseln: Für Wittgenstein besteht die ,Tiefe1 aus der Verwebung der Worte in die Handlungen des Menschen und nicht aus eingeborenen mentalen Strukturen. Wittgenstein lehnt das Letztere überhaupt ab.) Die Verwirrung besteht darin, daß man die Sprache ausschließlich mit Worten (Zeichen, Symbolen usw.) identifiziert, anstatt mit einer Verwebung der Worte in Praktiken (,Sprachspiele‘), die eigentlich den Wörtern Bedeutung verleihen. Diese Perspektive hat viel mit der Kraus’schen Sprachpraxis, wenig mit seinen Äußerungen zur Sprache, zu tun. Jedoch genau an der Stelle, wo Kraus sich auf den .Ursprung1 bezieht, will Wittgenstein die Sprache entmythologisieren, soweit er von uns verlangt, daß wir die Praxis, den Brauch, genau anschauen. In diesem Zusammenhang zitiert er Goethe gern: „Im Anfang war die Tat.“26 Wittgensteins Meinung nach ist die philosophische Analyse eine Art Gestik, die eine Beschreibung der Praxis aus der Sprache evoziert. Die Tatsache, daß unsere konventionelle Perspektive auf die Dinge uns durch die Ab-

23 Wittgenstein: Vermischte Bemerkungen (Anm. 2), S. 28. 24 Vgl. Allan Janik: On edification and cultural conversation. A critique of Rorty. In: Style, politics and the future of philosophy. (Boston Studies in Philosophy of Science 114) Dordrecht: Kluwer 1989, S. 80-92. 25 Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (Anm. 15), S. 47.1, 109. 26 Wittgenstein: Über Gewißheit. On certainty. Hg. von G. E. M. Anscombe, G. H. von Wright. Ox¬ ford: Blackwell 1969, S. 51. § 402.

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richtung, die das Erlernen der Sprache benötigt, zweiter Natur geworden ist, bestimmt den äußerst schweren Charakter der Neuorientierung unserer Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund betont Wittgenstein emphatisch, daß die Philosophen sich im Kampf gegen die Sprache befinden.27 Zu dieser Stelle findet man einen Auszug in den Philosophischen Untersuchungen, der stark an Kraus erinnert. Kraus schreibt: „Wenn

ich nicht weiter komme, bin ich an die Sprachwand gestoßen. Dann ziehe ich mich mit blutigem Kopf zurück. Und möchte weiter“ (S 8, 326). Wittgenstein schreibt: „Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgend eines schlichten Unsinns und Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen.“28 Hier gibt es deut¬ lich eine Spur von Kraus an einem entscheidenden Punkt in Wittgensteins eigener Diskussion seines „Klärungswerkes“. Die Möglichkeit, daß die Sprache uns so verführt, daß wir ignorieren, was vor uns steht, bestimmt Wittgensteins philosophische Strategie. Im Grunde genommen mußte Wittgenstein die Philosophen zur Sprachpraxis zurückführen. Er mußte ihre Aufmerk¬ samkeit weg von den äußeren Sprachformen richten. Kein Wunder, daß diese Strategie für die Neuorientierung der Aufmerksamkeit der herkömmlichen Philosophen zum Alltag, samt seiner Schreibweise, manchen äußerst eigenartig Vorkommen muß. Ein Moment in diesem Vorgang ist ein Moment der Überraschung. Trotz der Behauptung Wittgensteins, daß bei ihm Beschreibung alle Erklärung ersetzen muß, findet man praktisch nichts, das der normalen Beschreibung von Gegenständen, sei sie phänome¬ nologisch oder positivistisch, entspricht. Statt dessen findet man Gesten in Form von Gedankenexperimenten, Fragen, Aphorismen, und andere eigenartige Reflexionen. Wenn man sich daran erinnern will, muß man nur an folgende Tatsache denken: In den Philosophischen Untersuchungen stellt Wittgenstein 784 Fragen. Davon werden bloß

110 beantwortet und von denen 70 absichtlich falsch.29 Die Fragen überraschen uns, sie bringen uns aus dem Gleichgewicht. Auch sie sind Gesten, die unsere Aufmerk¬ samkeit weg von unserer gängigen Betrachtungsweise richten sollten. Darüber hinaus wird es häufig übersehen, wie eine seltsame Art von Humor eine bestimmte Rolle in dieser Strategie spielt. Wittgenstein schreibt: „Daß der und der Satz keinen Sinn hat, ist in der Philosophie von Bedeutung; aber auch, daß er komisch klingt.' 30 Die Textsammlung namens Zettel, in der diese Bemerkung vorkommt, hat eine Anzahl von solchen Sätzen: Denke, jemand sagt: „Der Mensch hofft.“ Wie hätte man dies allgemeine naturge¬ schichtliche Phänomen zu beschreiben? - Man könnte ein Kind beobachten und warten, bis es eines Tages Hoffnung äußert; und man könnte dann sagen: „Heut

27 Wittgenstein: Vermischte Bemerkungen (Anm. 2), S. 37. “s Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (Anm. 15), S. 48.1, 119. 29 K. T. Fann: Wittgenstein’s conception of philosophy. Univ. of California Press 1969, S. 109. 30 Wittgenstein: Zettel (Anm. 11), S. 60. § 328.

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Karl Kraus und die Entwicklung der analytischen Philosophie

hat es zum ersten Mal gehofft.“ Aber das klingt doch seltsam! Obwohl es ganz natürlich wäre zu sagen „Heute hat es zum ersten Mal gesagt: ,ich hoffe“1.31 Oder: „Er hat also den wahren Schmerz; und der Besitz dieses ist es, was er beim Andern bezweifelt. - Aber wie macht er das nur? - Es ist, als sagte man mir: .Hier hast du einen Sessel. Siehst du ihn genau? - Gut - nun übertrage ihn ins Französische!1“32 Oder: „Wenn einer uns nun sagte, er esse unwillkürlich, - welche Evidenz würde mich dies glauben machen?“33 Weitere Beispiele aus anderen Werken sind: „Warum kann ein Hund nicht Schmerzen heucheln? Ist er zu ehrlich?“34 Und: „,Eine Rose hat keine Zähne.1 - Das [...] ist doch offenbar wahr!Sicherer sogar, als daß eine Gans keine hat. - Und doch ist es nicht so klar. Denn wo sollte eine Rose Zähne haben?“35 Solche Fragen sind weniger zu beantworten als vom Leser durchdacht zu werden. Daß diese Fragen dem Leser beinahe absurd Vorkommen, ist absichtlich: Wir reden von „Rotglut und Weißglut“, warum nicht „Braunglut und Grauglut“?36 Warum reden wir von „Braun“ anstatt „Rötlichgrün11?37 Wie das Dienstmädchen, das Thaies auslachte, als er während einer Sonnenfinsternis in eine Quelle hineingefallen ist, glaubt Wittgen¬ stein, daß normale Menschen herkömmliche analytische Philosophen für verrückt hal¬ ten werden: Ich sitze mit einem Philosophen im Garten; er sagt zu wiederholten Malen: „Ich weiß, daß das ein Baum ist“, wobei er auf einen Baum in unsrer Nähe zeigt. Ein Dritter kommt daher und hört das, und ich sage ihm: „Dieser Mensch ist nicht verrückt: Wir philosophieren nur.“38 Wittgensteins eigene Gedanken müssen daher noch verrückter als die der Philosophen sein, wenn er ihre Probleme auflösen will. Um diese Auflösung zu schaffen, mußte er fiktive Naturgeschichten schaffen, die unsere eigentliche Naturgeschichte beleuchten. Also müssen seine Fragen bezüglich dessen, was anders sein müßte, wenn wir von Grünrot anstatt Braun reden würden, einigermaßen komisch klingen. Deswegen insi¬ stiert er, daß die echte Philosophie eigentlich nur „gedichtet“ werden kann39 oder daß es ein philosophisches Buch geben könnte, daß nur aus Witzen bestünde.40 Das sollte

31 Ebd., S. 83. § 469. 32 Ebd., S. 96. § 547. 33 Ebd., S. 101. § 578. 34 Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (Anm. 15), S. 90.1, 250. 35 Ebd., S. 221. II, xi. 36 Ludwig Wittgenstein: Über die Farben. Remarks on colour. Hg. von G. E. M. Anscombe. Oxford: Blackwell 1977. S. 7. § 34. 37 Ebd., S. 3f. § 11. 38 Wittgenstein: Über Gewißheit (Anm. 26), S. 61. § 467. Vgl. Allan Janik: Wittgenstein on madness and mistakes, metaphysics and method. In: A. J.: Wittgenstein’s Vienna revisited (Anm. 6), S. 213— 24. 39 Wittgenstein: Vermischte Bemerkungen (Anm. 2), S. 58. 40 Norman Malcolm: Ludwig Wittgenstein. A memoir. London: Oxford Univ. Press 1958, S. 29.

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uns nicht überraschen, wenn es sein philosophisches Ziel ist, „von einem nicht offen¬ kundigen Unsinn zu einem offenkundigen" überzugehen.41 In der Tat, wenn ich den scheinbar sinnvollen Satz: „Ich weiß, daß das ein Baum ist , verneine, dann komme ich auf den völlig sinnlosen Satz: „Ich weiß nicht, daß das ein Baum ist.“ Dieser Zug ist so alt wie die Philosophie selbst, aber die analytischen Philosophen seiner Zeit haben ihn vergessen. Ist es seltsam, vorzuschlagen, daß Wittgensteins Witz und Scharfblick von Kraus beeinflußt wurde? In der Tat ist es Kraus allein unter den zehn Figuren, die Wittgenstein beeinflu߬ ten1, der als Vorgänger zu dieser Art des Denkens und Schreibens in Betracht zu ziehen wäre. Außerdem war Wittgenstein gewiß eins mit Kraus in bezug auf die Idee, daß die Sprache „die Mutter, nicht die Magd des Gedankens“ (S 8, 235) ist. Die Konstituie¬ rung des menschlichen Wissens durch die Sprache ist eine tiefe Überzeugung des Sa¬ tirikers und des Philosophen. Diese Überzeugung gestaltete den Stil von beiden, ob¬ wohl die beiden in vieler Hinsicht unterschiedlich sind. Für Kraus ist das zu einer absoluten, in der Sprache verwurzelten Moral geworden: „Daß einer ein Mörder ist, muß nichts gegen seinen Stil beweisen. Aber der Stil kann beweisen, daß er ein Mör¬ der ist“ (S 2, 55). Also nahm er seinen Widersacher buchstäblich .beim Wort1, um alles, was fragwürdig in seiner Botschaft ist, zu entlarven. Diese Art des Konzentrierens auf genaue Zitate war für Kraus die einzige geeignete Methode, eine verkehrte Welt wieder auf ihre Füße zu setzen. Sie spielte gewiß eine Rolle in Wittgensteins Versuch im Tractatus, den herkömmlichen Philosophen die immanenten Grenzen der Sprache zu zeigen. Später wurde Sensibilität bezüglich des Stils in Auseinanderset¬ zung mit den scheinbar vernünftigen, tatsächlich verrückten Behauptungen der Philo¬ sophen zum zentralen Element in seinem Philosophieren. Außerdem könnte die glei¬ che Sensibilität in bezug auf Stil eine Strategie anregen, um Philosophen zu den ein¬ fachen und bekannten Dingen zurückzubringen, die die „eigentlichen Grundlagen“ des Wissens bilden.42 Seine Aufgabe war nichts als das, was wir nicht sehen, und zwar ausgerechnet, weil es dauernd vor unseren Augen steht, in den Brennpunkt zu bringen. Wenn das Problem durch Mißbrauch einer Technik entsteht, muß es anhand einer Technik bewältigt werden. Eine solche Technik für das Zeigen des impliziten sittli¬ chen Charakters eines Textes hat Kraus entwickelt. Ist es also absurd, vorzuschlagen, daß die frühe Kraus-Lektüre Wittgenstein mit einer analogen Technik für die Bewäl¬ tigung der tiefen Beunruhigungen, die uns zum Mißverständnis der echten Natur der Sprache verführen, ausrüstete? Ich bezweifle es. Parallel zu Kraus in bezug auf die Sprache (S 8, 293) mußte Wittgenstein in seinem „Klärungswerke“ die Dime der all¬ täglichen .unreinen Vernunft1 wieder in eine Jungfrau verwandeln. Wie Kraus, aller¬ dings in einem anderen Sinn, mußte Wittgenstein uns belehren, wie wir die Bedeutung von dem, was verschwiegen wird, hören sollen (S 2, 280; S 8, 165).

41 Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (Anra. 15), S. 133.1, 464. 42 Ebd.,S. 50.1, 129.

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KarI Kraus und die Entwicklung der analytischen Philosophie

Soweit es Wittgenstein gelungen ist, die angelsächsiche Philosophie und die Phi¬ losophie des 20. Jahrhunderts generell entscheidend zu ändern, hängt diese Leistung in seinen Augen mit dem Erbe von Karl Kraus zusammen. Es ist bis heute umstritten, inwiefern Wittgensteins Projekt, die herkömmlichen philosophischen Probleme „auf¬ zulösen“, gelungen ist. An dieser Stelle muß zwischen zwei grundverschiedenen Ten¬ denzen bei Kraus und Wittgenstein unterschieden werden. Alles andere wäre beiden gegenüber unfair. Trotz aller Polemik verfolgte Kraus einen Weg von der Kritik am Mißbrauch der Sprache über die Satire hin zum dichterischen Ursprung. Er kämpfte für die Sprache. Wittgenstein hingegen - vor allem in seiner späteren Philosophie kämpfte gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Sprache. Sein Ziel ist es, alles, wie es ist, zu lassen. Dieses Ziel erinnert eher an Heideggers Phänomenologie als an die analytische Philosophie. Wittgenstein war der Meinung, daß Kraus ihm ge¬ holfen hat, zu seiner Ansicht zu gelangen. Insofern er Recht hat, hat Kraus die Ent¬ wicklung der analytischen Philosophie beeinflußt.

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Unterwegs zum Ungedachten Karl Kraus’ Aphorismen und die Denkbilder Benjamins und Blochs Christian Jäger

„Kunst ist das, was Welt wird, nicht was Welt ist.“ (S 8, 283)

Das „Unterwegs“ des Titels setzt schon am Anfang eine Entwicklungslinie, behauptet eine Kontinuität zwischen Kraus’ Aphorismen und den Denkbildern, ohne daß über¬ haupt gesagt wäre, was mit diesem und jenem gemeint ist. Das hat seinen guten Grund in der Forschungslage, die sich bei den jüngsten Publikationen, was den Aphorismus anbelangt, immerhin darin einig weiß, daß der Begriff höchst unterschiedliche sprach¬ liche Formen bezeichnet und bisher jede eingebrachte Definition aus dem historischen Bestand von Aphorismen einen Gutteil ausschließt, weil nicht unter die Definition fallend.1 Denkbilder hingegen sind zumeist als Sonderfall aphoristischer Produktion betrachtet worden und, abgesehen vom maßgeblichen Versuch Schlaffers in den frü¬ hen siebziger Jahren,2 ist die Reihe der Versuche, das Denkbild als eigene Prosaform zu definieren, an einer Hand abzuzählen.3

1 So resümierend Friedemann Spicker: Aphorismen über Aphorismen. Fragen über Fragen. Zur Gat¬ tungsreflexion der Aphoristiker. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 2 (1994), S. 161-98. Zuvor: Giulia Cantarutti: Zehn Jahre Aphorismus-Forschung. In: Lichtenberg-Jahrbuch (1990), S. 197— 224. Dagegen aber Stephan Fedler: Der Aphorismus. Begriffsspiel zwischen Philosophie und Poe¬ sie. Stuttgart: M + P 1992; Harald Fricke: Aphorismus. (Sammlung Metzler 208) Stuttgart: Metzler 1984. 2 Heinz Schlaffer: Denkbilder. Eine kleine Prosaform zwischen Dichtung und Gesellschaftstheorie. In: Wolfgang Kuttenkeuler (Hg.): Poesie und Politik. Zur Situation der Literatur in Deutschland. (Sprache und Literatur 73) Bonn, Stuttgart: Kohlhammer 1973, S. 137-54; dass, in: Theo Elm, Hans Helmut Hiebei (Hgg.): Die Parabel. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1986, S. 174—94. 3 Werner Brettschneider: Denkbilder - Eine Gattung moderner Kurzprosa. Hannover 1982; Frank D. Wagner: Das Denkbild. Eine Prosaform bei Walter Benjamin. Oldenburg: Zentrum f. Pädagogische Praxis 1990; Christian Jäger: Wachträume unter dem Strich. Zum Verhältnis von Feuilleton und Denkbild. In: Kai Kauffmann, Erhard Schütz (Hgg.): Die lange Geschichte der kurzen Form. Bei¬ träge zur Feuilletonforschung. Berlin: Weidler 1999, S. 229M-2. Darüber hinaus findet sich natür¬ lich eine Reihe von Untersuchungen zum Stil Blochs und Benjamins in den einschlägigen Schriften, sowie zu unter Denkbildverdacht stehenden Texten Kracauers, Horkheimers oder Günther Anders’. Des weiteren eine Vielzahl theoretisch unreflektierter Inanspruchnahmen des Begriffs, der so in Zeitungen und Zeitschriften verwendet wird, aber auch in literaturwissenschaftlicher Forschung, wo bspw. Lichtenberg zum Verfasser nicht allein von Aphorismen, sondern auch von Denkbildem gemacht wird (vgl. Gerd Sautermeister: Georg Christoph Lichtenberg. München: Beck 1993, S. 47). Was die Reflexion philosophischer Kurzprosa anbelangt, in deren Kontext Denkbilder zwei¬ fellos rechnen, so sei verwiesen auf: Helmut Arntzen: Philosophie als Literatur. Kurze Prosa von

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Unterwegs zum Ungedachten

Trotzdem nun vorab nicht genau zu sagen ist, wovon die Rede ist, wirkt das Un¬ terfangen doch irgendwie plausibel und naheliegend. Eine Reihe augenfälliger, rein äußerlicher Gemeinsamkeiten banaler Art rechtfertigt es: Sowohl Aphorismen als auch Denkbilder bieten Kurzprosa, kleine Texteinheiten, die sich fast nie direkt auf¬ einander beziehen,* * * 4 sondern eigentlich auch separat, für sich, stehen können. Zwar rechnen sie als Prosa zur Belletristik, doch sind sie zugleich philosophisch. Medien¬ geschichtlich eint sie, daß sie zuerst in kleinen Gruppen in Zeitschriften oder Zeitun¬ gen veröffentlicht wurden, späterhin in anderer Anordnung zu Büchern gefügt wer¬ den. obgleich sie so wenig für Bücher gemacht scheinen. Beide führen eine ein wenig zweifelhafte Existenz abseits der lyrischen Höhen, der dramatischen Weihen und der epischen Weite. Diesem Zweifel trägt Karl Kraus offensichtlich Rechnung, wenn er den Erstveröffentlichungen seiner Aphorismen Bezeichnungen voranstellt wie „Ab¬ fälle“, „Kehraus“ oder „Aus dem Papierkorb“, darin die Texte offenbar abwertend, wozu auch Überschriften wie „Illusionen“ oder „Vorurteile“ beitragen. Weniger pejo¬ rativ klingen die Titel, die das Subjektive der Aphorismen akzentuieren, so „Erfahrun¬ gen", „Persönliches“ oder das dreimal verwendete „Tagebuch“. Schlicht und sachlich dann das gleichfalls dreimal genutzte „Aphorismen“ oder die späteren Buchtitel Sprü¬ che und Widersprüche, Pro domo et mundo sowie Nachts. Der Schwerpunkt seiner

aphoristischen Produktion liegt in den Jahren zwischen 1906 und 1919; einer Zeit, in der sich vermehrt in Zeitungen und Zeitschriften Aphorismen finden von prominenten Autoren wie Peter Altenberg, Arthur Schnitzler oder Max Brod und von einer Schar weniger bekannter wie Peter Hille, Adolf Essigmann oder Kurt Hiller ganz abgesehen. Diese Hausse von Aphorismen nach der Jahrhundertwende hängt zumindest mit zwei der in Mode gekommenen Philosophen zusammen. Zum einen und ersten mit Nietz¬ sche und durch diesen vermittelt mit Schopenhauer, dessen Parerga und Paralipomena als Aphorismensammlung betrachtet werden können. Literarisch erscheinen zu

Beginn dieses Jahrhunderts erstmals in kritischer Ausgabe und mit bisher nicht dage¬ wesener Vollständigkeit die Aphorismen Lichtenbergs in der Edition von Albert Leitzmann,5 neben den als Ahnherrn deutschsprachiger Aphorismenproduktion, was den Einfluß anbelangt, sicherlich noch Goethes posthum edierte Maximen und Reflexionen zu stellen sind.6

Lichtenberg bis Bloch. In: ders.: Zur Sprache kommen. Studien zur Literatur- und Sprachreflexion, zur deutschen Literatur und zum öffentlichen Sprachgebrauch. Münster: Aschendorff 1983, S. 314— 27; Heinz Krüger: Über den Aphorismus als philosophische Form [1957], München: Ediüon text + kritik 1988; David Frisby: Fragmente der Moderne. Georg Simmel - Siegfried Kracauer Walter Benjamin. Rheda-Wiedenbrück: Daedalus 1989. [Zuerst engl. 1985]. 4 Vgl. dagegen aber explizit: S 8, 18. 5 Georg Christoph Lichtenbergs Aphorismen. Nach den Handschriften hg. v. Albert Leitzmann. (Deutsche Literaturdenkmale d. 18. u. 19. Jahrhunderts) Berlin: Behr 1902. 6 Zumindest die Bekanntschaft mit Lichtenberg und Schopenhauer wird auch in den Aphorismen selbst angegeben: „Lichtenberg gräbt tiefer als irgendeiner, aber er kommt nicht wieder hinauf. Er

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Um nun zumindest die Krausschen Aphorismen in ihrer Eigenart bestimmen zu können, werden einige der selbstreflexiven ausgewählt, mit deren Hilfe der Versuch

unternommen wird,* * * * 7 eine Art Autopoetik zu konstruieren, darin im übrigen auch Kraus folgend, der als letzten Aphorismus des Bandes Nachts setzte: „Geduld, ihr Forscher! Die Aufklärung des Geheimnisses wird durch dieses selbst erfolgen.“ (S 8, 452) So scheint es legitim, Kraus’ Aphorismen nach dem darin artikulierten Selbstver¬ ständnis zu befragen, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen: Ein Aphorismus braucht nicht wahr zu sein, aber er soll die Wahrheit überflügeln. Er muß mit einem Satz über sie hinauskommen. (S 8, 117) Aphorismen sind demnach etwas, was scheinbar mit Wahrheit zu tun hat, jedoch vor allem insofern, als es darum geht, sie zu überbieten.8 9 Das heißt, ein Aphorismus kann dermaßen pointiert sein, daß das, was er sagt, nicht der Wahrheit entspricht, gleichzei¬ tig in der Zuspitzung aber die Wahrheit, um die es geht, erst ausreichend deutlich macht. Verdeutlichung sogar in lediglich einem Satz - selbst wenn Kraus für diese Definition zwei benutzte. Polemisch pointiert und extrem verkürzt, reduziert: das wä¬ ren dementsprechend Eigenarten von Aphorismen. Auf dieser Grundlage wären aller¬ dings schon etliche der Krausschen Aphorismen keine solchen mehr, umfassen sie doch zwei, drei oder sogar vier Seiten (etwa S 8, 407-11). Die Kürze ist also - zumin¬ dest was die Maximalforderung nur eines Satzes anbelangt - nicht entscheidendes Kriterium des Aphorismus. Zumal Kraus mit diesem Aphorismus ja auch die Wahrheit über denselben überboten hat, das Postulat bloß eines Satzes selbst als Zuspitzung zu lesen ist. Wiederum in zwei Sätzen präsentiert sich eine andere Definition: Einen Aphorismus kann man in keine Schreibmaschine diktieren. Es würde zu lange dauern. (S 8, 116) Um den Aphorismus zu verstehen, muß man ihn verlängern. Überlegungen anstellen, wie er Sinn macht. Offenbar ist nicht gemeint, daß der Aphorismus so lang ist, daß man ihn nicht diktieren könnte. Gemeint ist vielmehr, daß es lange zu seiner Produk¬ tion braucht.' Wenn das Produkt Aphorismus aber gemeinhin kurz und knapp ist, dann redet unter der Erde. Nur wer selbst tief gräbt, hört ihn.“ (S 8, 127) Ferner: „Es verletzt in nichts den Respekt vor Schopenhauer, wenn man die Wahrheiten seiner kleinen Schriften manchmal als Ge¬ räusch empfindet. Er klagt über das Türenzuschlagen, und wie deutlich wirkt seine Klage! Man hört förmlich, wie sie zugeschlagen werden - die offenen Türen.“ (S 8, 127) 7 Abweichend von Gerwin Marahrens: Über die sprachliche Struktur und Genesis der Aphorismen von Karl Kraus. In: Joseph Strelka (Hg.): Karl Kraus. Diener der Sprache - Meister des Ethos. (Edition Orpheus 1) Tübingen: Francke 1990, S. 49-86. Ditferenzierend hinsichtlich des Wahrheitsbezuges folgender Aphorismus, der es möglicherweise gestattet, eine Wertigkeit der Aphorismen zu bestimmen, je nach dem ob sie an die Wahrheit nicht heranreichen oder sie überschreiten: „Der Aphorismus deckt sich nie mit der Wahrheit; er ist ent¬ weder eine halbe Wahrheit oder anderthalb.“ (S 8, 161) 9 Ähnliches formulieren A 349: „Der längste Atem gehört zum Aphorismus.“ (S 8, 238) und (ebd.) A 934: „Einer, der Aphorismen schreiben kann, sollte sich nicht in Aufsätzen zersplittern.“

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ist die Dauer und der Arbeitsaufwand augenscheinlich dadurch begründet, daß es ein Prozeß der Reduktion und Konzentration, von Verknappung und Verdichtung ist. Der Mehrwert solcher Arbeit wird in einer Formulierung kenntlich, die nicht allein dem Aphorismus gilt, aber immerhin selbst einen darstellt: Zwischen den Zeilen kann höchstens ein Sinn verborgen sein. Zwischen den Wor¬ ten ist Platz für mehr: für den Gedanken. (S 8, 325) Der Sinn enthält offenbar weniger als der Gedanke, ist diffuser, weniger präzise — was Kraus schon mit dem differenten Artikelgebrauch nahelegt - und erfordert doch eine größere Textmenge zu seiner Erstellung. Hingegen wird der Gedanke semantisch eng umgrenzt und darin schließt er nicht das weite und damit unpräzise Feld des Sinns ein, sondern setzt gegen den Bedeutungsbereich eine Bedeutungsspitze oder einen Bedeu¬ tungspfeil - wie erinnerlich überschrieb Nietzsche in der Götzen-Dämmerung eine explizit aphoristische Textgruppe „Sprüche und Pfeile“. Der Gedanke in seiner Klar¬ heit und Einzigkeit ist widerständig und eigenständig, steht gegen den Sinn dort, wo er Meinung, Gemein-Sinn wird. Von Lichtenberg an über Seume, Jochmann, Börne, Heine und viele weitere waren Aphorismen immer auch ein Medium der Kritik,10 dienten dem Hinterfragen und Vor¬ führen konventioneller Redeweisen, von Phrasen und Sprichwörtern, jenem Haus¬ schatz stillgelegter Geister, die sich damit begnügen und beruhigen. Kraus strebt auf eine Beunruhigung hin, auf ein Denken, das unvorhersehbar ist, dynamisch gegen liebgewordene Scheingewißheiten auftritt: Der Gedankenlose denkt, man habe nur dann einen Gedanken, wenn man ihn hat und in Worte kleidet. Er versteht nicht, daß in Wahrheit nur der ihn hat, der das Wort hat, in das der Gedanke hineinwächst. (S 8, 235) Denken kann man offensichtlich nicht planen, es widerfährt einem mehr, ereignet sich aus der Sprache heraus in Sprache.* 11 Nicht das Denken bezwingt die Form, gibt sie sich, viel eher ist es die Sprachform, die den Gedanken evoziert, ihn in Anlehnung an einen anderen Aphorismus Kraus’ gebiert.12 Die Rationalitätsvorstellung, die die¬ sem Denken des Denkens zugrundeliegt, unterscheidet sich gravierend von der kon¬ ventionellen Vorstellung der Vernunft, die in der Sprache ein nur zu dürftiges Hilfs¬ mittel besitze, so daß sie sich, um zu höchsten Formen vorzudringen, am besten

10 Natürlich stehen dagegen auch Autoren, die Aphorismen mehr dazu nutzen, Lebensweisheiten zu formulieren wie Ernst von Feuchtersieben oder Marie von Ebner-Eschenbach oder eben Goethe, sowie die weniger gesellschafts- als kulturkritischen Aphorismen aus dem Romantikerumfeld: so Schlegel und Novalis, Franz von Baader, Joseph Görres und Johann Wilhelm Ritter. 11 Darin nicht unähnlich der postmodernen Position von Gilles Deleuze, der Denken als Sinnproduk¬ tion vergleichbar bestimmt. Vgl. dazu Christian Jäger: Sinn machen. Die Ordnung des Sinns bei Deleuze. In: Der Blaue Reiter. Journal für Philosophie 8 (1998), S. 13-17. 12 Vgl. A 710: „Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Gedankens.“ (S 8, 235)

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Kunstsprachen wie in der Logik schaffe. Mit solchen Absetzbewegungen verläßt die Theorie oder die Philosophie dann aber eben nicht nur die Alltagssprache, sondern auch die Wirklichkeit, die sich in ihr darstellt, die den Menschen kaum anders zugäng¬ lich. im Sinne von verständlich, begreiflich, ist als in ihrer sprachlichen Vermittlung. Sich wie Kraus auf diese Sprache einzulassen, aus ihr den Gedanken hervortreiben zu lassen, bedeutet dann auch, sich mit der sozialen Realität als einer sprachlich vorbe¬ deuteten auseinanderzusetzen. Und dies, wie schon gesagt, in einer kritischen, die Vor¬ bedeutungen hinterfragenden Weise. Andererseits bedeutet dies Vertrauen auf die Sprache, der man die Führung, die Produktion des Gedankens überläßt, auch, sich auf das in der Sprache zweifellos vorhandene Irrationale einzulassen, das eben von man¬ chen Philosophen, die eigentlich Wissenschaftler sein und eine entsprechend reine Vernunft wollen, ausgeschaltet werden soll. Allein die Setzungen und Bildungen sprachlicher Strukturen unterliegen einer gewissen Kontingenz, wie auch das Spre¬ chen - die Psychoanalyse zeigte es - ständig von Unbewußtem, also Nichtrationalem kontaminiert wird, so daß der aus der Sprache gelöste, durch sie erzeugte Gedanke immer auch vom Chaos, vom Irrationalen affiziert wird. Dieses Tatbestandes war sich Kraus sehr wohl bewußt, schreibt er doch: Das Unverständliche in der Wortkunst - in den anderen Künsten verstehe ich auch das Verständliche nicht - darf nicht den äußeren Sinn berühren. Der muß klarer sein, als was Hinz und Kunz einander zu sagen haben. Das Geheimnisvolle sei hinter der Klarheit. Kunst ist etwas, was so klar ist, daß es niemand versteht. Daß über allen Gipfeln Ruh’ ist, begreift jeder Deutsche und hat gleichwohl noch kei¬ ner erfaßt. (S 8, 434) Hinter der Klarheit des äußeren Sinnes liegt ein Geheimnis, etwas, was sich dem blo¬ ßen Begreifen entzieht und erfaßt werden will. Erfassen heißt offensichtlich mehr, als bloß den Wortsinn zu erschließen, bedeutet, daß Verstehen mehr ist als die semanti¬ sche Entschlüsselung eines Wortgefüges. Das Mehr, dem man nachspüren muß, liegt im Terminus Erfassen, und dem haftet eine nicht-reflexive, eine affektive Qualität an. In der Wortkunst wie im von ihr Produzierten wirken Leidenschaften, Passionen, die dem Gedanken eine Intensität geben, sie einschreiben, und genau diese ist nur zu er¬ fassen und nicht zu begreifen. Des Denkens Intensität ist das Ungedachte des Den¬ kens, sein Geheimnis, auf dessen Klärung Kraus drängt, oder, wie man ihm gemäßer sagen müßte, auf das es selbst drängt. Solche Art des Umgangs mit dem Irrationalen, den Affekten und Emotionen wird oft Gegenaufklärung gescholten, doch ist der Ver¬ such, das Affektive zu bannen, die Leidenschaften zu verdrängen, um eine vermeint¬ lich reine Vernunft zu erlangen, augenscheinlich unvernünftiger. Selbst wenn man nicht die psychoanalytische Denkfigur von der Wiederkehr des Verdrängten beschwö¬ ren möchte, so ist die Flucht vor dem Unverständlichen doch kein Beitrag zu dessen Aufklärung oder Rationalisierung. Nur in der Annäherung, im Zugehen auf das Irra¬ tionale und seine stets neu zu unternehmende Erfassung, läßt sich ein rationaler Um-

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gang mit demselben schaffen. Und dies müßte ein Hauptanliegen aufklärerischen Denkens sein, da es sich selbst doch aus leidenschaftlichen Quellen speist, eben pas¬ sioniert für Vernunft eintritt. Genau den dunklen Grund, den emotionalen Antrieb der Produktion von Gedanken benennt auch Kraus: Man glaubt gar nicht, was für eine Holzhackerarbeit diese geistige Tätigkeit ist. Das Wortspalten, eh' man euch Feuer macht! - Sich selbst? Wie hirnverbrannt! Man hat Feuer, es brennt schon, und dann erst, dadurch erst, immer weiter das Wortspalten! (S 8, 433f.) Mit diesem Aphorismus sei zumindest die Programmatik der Krausschen Aphorismen annähernd Umrissen, ergibt sich als begriffliche Skizze eine aphoristische Produktion, die durch Reduktion und Verdichtung gekennzeichnet ist, sich aus der Sprache heraus auf die Entwicklung von Gedanken kapriziert, die sich kritisch, pointiert und pole¬ misch zum common sense verhalten, und als Mehrwert auf die Erfassung ungedachter Intensitäten des Denkens drängt. Wie verhält sich nun diese Blaupause Krausscher Aphorismen zu den Denkbildem Benjamins und Blochs? Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wird für die Denkbil¬ der genauso verfahren wie bei den Aphorismen, wird also zunächst die Autopoetik derselben rekonstruiert. Die erste Station in Benjamins Einbahnstraße, die er Asja-Lacis-Straße taufte, lautet „Tankstelle“, und auch hier wird sie zuerst angesteuert, kann man sich doch dort mit allem für eine längere Fahrt Nötigen versehen: Die Konstruktion des Lebens liegt im Augenblick weit mehr in der Gewalt von Fakten als von Überzeugungen. Und zwar von solchen Fakten, wie sie zur Grund¬ lage von Überzeugungen fast nie noch und nirgend geworden sind. Unter diesen Umständen kann wahre literarische Aktivität nicht beanspruchen, in literarischem Rahmen sich abzuspielen - vielmehr ist das der übliche Ausdruck ihrer Unfrucht¬ barkeit. Die bedeutende literarische Wirksamkeit kann nur in strengem Wechsel von Tun und Schreiben zustande kommen; sie muß die unscheinbaren Formen, die ihrem Einfluß in tätigen Gemeinschaften besser entsprechen als die anspruchs¬ volle universale Geste des Buches, in Flugblättern, Broschüren, Zeitschriftartikeln und Plakaten ausbilden. Nur diese prompte Sprache zeigt sich dem Augenblick wirkend gewachsen. Meinungen sind für den Riesenapparat des gesellschaftlichen Lebens, was Öl für Maschinen; man stellt sich nicht vor eine Turbine und über¬ gießt sie mit Maschinenöl. Man spritzt ein wenig davon in verborgene Nieten und Fugen, die man kennen muß.13

13 Walter Benjamin: Gesammelte Schriften. Bd. IV. 1. Hg. von Tillman Rexroth. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1991, S. 83-148. Hier S. 85.

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Dies Denkbild bietet in konzentrierter Form eine Vielzahl von Reflexionen, die gemäß der Krausschen Forderung an Aphorismen ebenso reduziert wie verdichtet formuliert werden und sich keineswegs selbstverständlich ausnehmen, sondern augenscheinlich gegen Konventionen verstoßen. Schon die Eingangswendung vom Leben als Kon¬ struktion scheint bedenkenswert, bilden die zwanziger Jahre doch einen der Höhe¬ punkte populär gewordener Lebensphilosophie, in der Leben als unmittelbarer Pro¬ zeß, der von zivilisatorischen Errungenschaften behindert wird, eine permanente Größe im öffentlichen Diskurs bildet.14 Benjamin perspektiviert Leben dagegen als etwas artifizielles, als genau eine zivilisatorisch geprägte Form, die zudem von bisher noch nicht dagewesenen Fakten bestimmt wird. Darin liegt ein historischer Materia¬ lismus, der das Sein von den technisch-materialen Gegebenheiten oder, wie man frü¬ her sagte, vom Entwicklungsstand der Produktivkräfte abhängig sieht. Moniert wird, daß dieser Entwicklungsstand nicht die Grundlage von Überzeugungen bildet. Ein Mißstand, den Benjamin offensiv angeht, insofern er seinem Denkbild schräg den Be¬ griff „Tankstelle“ voranstellt, etwas, was genau zu den bisher nicht reflektierten Fak¬ ten rechnet. Zu den veränderten technisch-sozialen Verhältnissen muß sich Literatur verhalten, und diese Änderung ist zunächst eine gleichfalls materiale: Nicht mehr in Büchern, sondern auf Plakaten und Flugblättern, in Broschüren und Zeitschriften soll Literatur sich äußern, und zumindest in letztgenannten publizierte auch Benjamin Texte der Einbahnstraße. Ziel dieser Orientierung ist eine wirkende Literatur, Texte, die nicht unfruchtbar, sondern gezielt wirken, insofern sie keine universale Geste wie das Buch vollziehen, sondern die als Maschine gedachte Gesellschaft in Gang setzen, indem sie ihr an genau bestimmten Orten Meinungen injizieren. Das heißt wiederum, daß, wer diesen Ort bestimmen will, die Gesellschaft analysiert und verstanden haben muß. Eine intervenierende Literatur also mit einer prompten Sprache, einer zumindest schnell wirkenden Sprache, die postuliert wird, und es scheint, als rette sich in dieser Sprachkonzeption etwas von dem Vertrauen, das Kraus der Sprache entgegenbrachte und zugleich die kritische Intention, die mit der Spracharbeit verbunden ist. Anderer¬ seits wird die Differenz augenfällig: Will Benjamin doch augenscheinlich nicht Ge¬ danken gewinnen, sondern eine der veränderten Wirklichkeit entsprechende und diese auch noch verändernde Überzeugung. Auch teilt er nicht die Verachtung der Meinung, die Kr aus dem Gedanken gegenüberstellte, sondern zielt auf einen strategischen Ein¬ satz derselben. Ordnet sich Kraus der Sprache unter, so Benjamin der tätigen Gemein¬ schaft und einem theoretischen Rahmen, der zur Analyse von Gesellschaft befähigt. Aber in der Einbahnstraße selbst findet sich bekanntlich eine explizite Bezug¬ nahme auf Kraus, nämlich unter der Quervorschrift - diese Begriffseinführung sei gestattet, denn das, was den Denkbildern voransteht, ist nicht Überschrift oder Titel.

14 Vgl. Martin Lindner: Leben in der Krise. Zeitromane der neuen Sachlichkeit und die intellektuelle Mentalität der klassischen Moderne. Mit einem exemplarischen Analyse des Romanwerks v. Arnolt Bronnen, Ernst Glaeser, Ernst von Salomon u. Emst Erich Noth. Stuttgart, Weimar: Metzler 1994.

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sondern ein quer zu dem Vorgestellten stehender Begriff, der sich in einer dialekti¬ schen Erkenntnisbeziehung zum Folgenden befindet - unter der Quervorschrift „Krie¬ gerdenkmal" also äußert sich Benjamin zu Kraus. Sieht ihn als martialisch-magischen Wächter vor der Gruft der deutschen Sprache, die Benjamin selbst verloren gibt, von der er jedoch ganz richtig sagt, daß Kraus von ihr unfehlbare Mandate erhalte. Als Monitum aber führt er an: Jedweder Laut ist unvergleichlich echt, aber sie alle lassen ratlos wie Geisterrede. Blind wie die Manen ruft die Sprache ihn zur Rache auf, borniert wie Geister, die nur die Blutstimme kennen, denen gleich ist, was sie im Reich der Lebenden an¬ stiften. 1? Schon die Quervorschrift signalisiert, da ist eine Epoche zu Ende gegangen, ein Denk¬ mal beschließt sie, und sie ist fremd in einer neuen Zeit, um die sich der steinerne Krieger nicht bekümmert. Die Wirklichkeit interessiert den Geehrten nicht, und ihr wiederum muß er als Wiedergänger, Revenant oder Zombie erscheinen, als einer, der aus dem Reich der Toten in die Gegenwart ausgreift, als wütender Streiter für das längst Verschiedene, Abgelebte. Benjamins nachwirkende Verehrung ist merkbar in dem Lob, das er Kraus als letztem und größtem seiner Art zollt, nur haben sich die Verhältnisse geändert. Genau seit dem Krieg geht es nicht mehr um die Sprache, son¬ dern um die unberaten Lebenden, denen das Denken, Sprechen, Schreiben zu gelten habe. Folgerichtig steht am Ende der Einbahnstraße ein Wegweiser: „Zum Planeta¬ rium“. Und es geht im weiteren um nichts weniger als die Menschheit und ihre seiner¬ zeitigen Möglichkeiten: In den Vemichtungsnächten des letzten Krieges erschütterte den Gliederbau der Menschheit ein Gefühl, das dem der Epileptiker gleichsah. Und die Revolten, die ihm folgten, waren der erste Versuch, den neuen Leib in ihre Gewalt zu bringen. Die Macht des Proletariats ist der Gradmesser seiner Gesundung. Ergreift ihn des¬ sen Disziplin nicht bis ins Mark, so wird kein pazifistisches Raisonnement ihn retten. Den Taumel der Vernichtung überwindet Lebendiges nur im Rausche der Zeugung.16 Die tätige Gemeinschaft, der sich die Denkbilder verschreiben, darf man folgern, ist also nichts anderes als die Gemeinschaft der Werktätigen, das Proletariat. Bei allem, was heutzutage als überkommene Klassenkampfrabulistik möglicherweise unange¬ nehm in den Ohren klingt, befremdet doch der letzte Satz, der nicht so recht zu einer scheinbar orthodoxen Position passen will, stellt er doch einen universellen, zudem sexuell getönten Aufruf dar, zu schaffen, kreativ zu sein, und das geradezu rauschhaft. Benjamin rührt damit an Affekte und Leidenschaften, an Passionen, die gleichwohl

15 Benjamin: Gesammelte Schriften. Bd. IV.l (Anm. 13), S. 121. 16 Ebd., S. 148.

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politisch wirken, insofern sie sich gegen den Taumel der Vernichtung richten - und der, das wird im Vorhergehenden deutlich genug, ist in nichts anderem als dem Kapi¬ talismus zu sehen. 1930, während der Weltwirtschaftskrise, veröffentlichte Ernst Bloch erstmals seine Anthologie von Denkbildem, die zum Gutteil vorab in Zeitungen publiziert wa¬ ren, unter dem Titel Spuren. Programmatisch und selbstreflexiv wirkt vor allem der „Das Merke“ überschriebene Text: Immer mehr kommt unter uns daneben auf. Man achte grade auf kleine Dinge, gehe ihnen nach. Was leicht und seltsam ist, führt oft am weitesten. [...] Ein Eindruck, der über das Gehörte nicht zur Ruhe kommen läßt. Ein Eindruck in der Oberfläche des Lebens, so daß diese reißt, möglicherweise. Kurz, es ist gut, auch fabelnd zu denken. Denn so vieles eben wird nicht mit sich fertig, wenn es vorfällt, auch wo es schön berichtet wird. Sondern ganz seltsam geht mehr darin um, der Fall hat es in sich, dieses zeigt oder schlägt er an. Ge¬ schichten dieser Art werden nicht nur erzählt, sondern man zählt auch, was es darin geschlagen hat oder horcht auf: was ging da. Aus Begebenheiten kommt da ein Merke, das sonst nicht so wäre; oder ein Merke, das schon ist, nimmt kleine Vorfälle als Spuren und Beispiele. Sie deuten auf ein Weniger oder Mehr, das er¬ zählend zu bedenken, denkend wieder zu erzählen wäre; das in den Geschichten nicht stimmt, weil es mit uns und allem nicht stimmt. Manches läßt sich nur in solchen Geschichten fassen, nicht im breiteren höheren Stil, oder dann nicht so. [...] Es sind kleine Züge und andre aus dem Leben, die man nicht vergessen hat; am Abfall ist heute viel. [...] Es ist ein Spurenlesen kreuz und quer, in Abschnit¬ ten, die nur den Rahmen aufteilen. Denn schließlich ist alles, was einem begegnet und auffällt, dasselbe.17 Gegenüber Kraus verschiebt Bloch den Fokus seiner Aufmerksamkeit von der Spra¬ che als Vorgesetzter, weisungsbefugter und dunkler Instanz zur Erzählung, zur Spra¬ che als Narration, wobei es allerdings auch ihm um Irritationen, um etwas Ungedach¬ tes geht, um etwas, was sich nebenbei mitteilt, im Abfall zu finden ist; dort unbegriffen des Entdeckers harrt. Zwanglos kann einem dabei Benjamins Selbstbild als Lumpen¬ sammler einfallen wie auch die ersten, schon angeführten Titel Krausscher Aphoris¬ mengruppen. Zugleich ist es eine detektivische Arbeit, ein Spurenlesen, das ein Ge¬ heimnis aufdecken will, um den Punkt kreist, daß es „mit uns und allem nicht stimmt“, wovon wir aber lediglich eine Ahnung haben, die sich eben in Geschichten als Stö¬ rung, als Unstimmigkeit mitteilt. Diesen Störungen des Persönlichen und Gesell¬ schaftlichen nachzuforschen, es in seiner wechselseitigen Verwiesenheit zu denken, es im Erzählen denkbar zu machen, ihm das „Merke“ abzugewinnen, ist das hauptsäch17 Emst Bloch: Gesamtausgabe Bd. 1. Spuren. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1969, S. 17.

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liehe Anliegen der Spuren. Und wie Benjamin postuliert auch Bloch eine andere Spra¬ che, die zum Vordringen in das Vorbegriffliche, Unverständliche vonnöten sei, und was er ex negativo - nicht der „breitere höhere Stil“ - bestimmt, formulierte Benjamin positiv als „prompte“ Sprache. Gleichfalls geht es Bloch um die Orientierung auf eine Zukunft, um eine von dieser her bestimmte Wirkung der Texte. Schon im „Zuvor“ benannten Motto der Spuren kündigt sich diese Teleologie an: „Wie nun? Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst.“18 Gegenwart wird befragt, ein Mißstand beobachtet, der die Gewißheit einer Zu¬ kunft beglaubigt, kausal mit ihr verknüpft ist. Durch die diffuse Offenheit und Unspe¬ zifik der Formulierung wird all das genau in jenem thematisierten Bereich der Ahnung plaziert. Ähnlich kryptisch mutet der letzte Satz des „Merke“ an, in dem es hieß: „Denn schließlich ist alles, was einem begegnet und auffällt, dasselbe“. An diese dunkle Nivellierung aller Differenzen knüpft das letzte Denkbild unter der Quervor¬ schrift „Die Perle“ an: [...] wie es keinen rechten Weg gibt ohne Ziel, so auch kein Ziel ohne die Kraft eines Wegs zu ihm hin, ja eines im Ziel selber aufbewahrten. Sehe man drum jetzt und hier sich um, mit tätig gesetzter Zeit im tätig umgebauten Raum; die Spuren des sogenannten Letzten, ja auch nur wirtlich [!] Gewordenen sind selber erst Ab¬ drücke eines Gehens, das noch ins Neue gegangen werden muß. Erst sehr weit hinaus ist alles, was einem begegnet und auffällt, das Selbe.19 Und der Unterschied ist hier nicht zu hören, nur zu sehen. Ein entscheidendes Spiel in und mit der Schrift. Besagt der erstzitierte Passus, das alles sich gleich werde, in einer universellen Identität aufgehe, so stellt die zweite Wendung ein Futur II, eine vollen¬ dete Zukunft in Aussicht, worin alles zu sich selbst gekommen sein wird. Was nichts anderes heißt, als daß dessen Möglichkeiten realisiert worden sind. Die vorige univer¬ selle Identität, die schon durch das Motto im Kontext von Besitzverhältnissen steht, ist die vom Tauschwert dominierte Daseinsform der kapitalistischen Warengesell¬ schaft, in der alles durch das allgemeine Warenäquivalent meß- und vergleichbar und somit Ware wird. Auch Bloch orientiert sich somit wie Benjamin auf die Überwindung des Status quo, verfolgt aber eine andere Taktik. Sucht der Einbahnstraßenbauer vor¬ geblich Meinungen zu lancieren und eine wirkende Sprache zu schaffen, so der Spu¬ renleser, in der Gegenwart die Momente ihrer Überwindung aufzuspüren und sie zum Begriff zu bringen, das heißt, sie einem begrifflichen Denken nahezubringen. In dieser Programmatik der Systemüberwindung, in der historischen Fortschritts¬ linie, die anvisiert wird und skizziert werden soll, liegt die entscheidende Differenz zu Kraus’ Aphorismen. Dessen Orientierung geht auf Rettung, auf Bewahrung vor einem Verfall, der den Denkbildautoren unaufhaltsam und zudem wünschenswert scheint.

18 Ebd., S. 1. 19 Ebd., S. 220.

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Denkbilder entstehen erst in den frühen Zwanziger Jahren; erste in die Sammlungen aufgenommene Texte reichen noch in die Inflationszeit zurück, wohingegen Kraus das Schreiben von Aphorismen 1919 einstellt. Darin reflektieren sich die sozialgeschicht¬ lichen Umbrüche jener politisch wie ökonomisch so bewegten Zeit, die etwas Neues schuf, für das eine Sprache noch zu finden war, die neue Erfahrungen erzeugte, die keinen Begriff hatten.20 Gleichwohl wirkte Altes fort, hemmte die Modernisierung in ihrer kulturellen und politischen Formierung, wogegen die Denkbilder Einspruch er¬ heben. Die Widerständigkeit gegen die gegenwärtige Kultur eint die Bannerträger des Neuen mit dem Fackelschwinger, wie auch das von Kraus vorgeführte und reflektierte Vertrauen in die Sprache und das aus ihr resultierende Denken eine unabdingbare Prä¬ misse der Denkbilder ist. Dies Vertrauen artikuliert sich im Unverständlichen, im Vor¬ begrifflichen, auf das die Denkbilder hin angelegt werden. Sind Kraus’ Aphorismen neben ihrer kritischen Funktion dazu bestimmt, die Abgründe ihrer sozialen Gegen¬ wart auszuleuchten, ihrer Intensität nachzuspüren, zielen Denkbilder auf die Produk¬ tion neuer Begriffe, eines neuen Denkens, das die unbestimmt anwesende Zukunft zur Sprache kommen läßt. Die divergenten Programmatiken setzen sich auch formal um, bestimmen entscheidend die Form im Kontext dessen, was man philosophische Kurz¬ prosa nennen kann. Kraus’ Aphorismen in ihrer dominant kritischen Funktion gegenüber der Gegen¬ wart, sind präzise, insofern sie das Gegenwärtige zeichnen und einklagen, was dank der Sprache auch gegenwärtig ist, aber verdrängt und nicht wahrgenommen wird. Das Monierte konturiert sich in Absetzung vom Faktischen und ist so jeweils einzugren¬ zen, verbleibt aber auch in den Grenzen des gegenwärtig Denkbaren. Denkbilder drin¬ gen zwar auch auf Kritik und auf etwas, was in die Gegenwart reicht, doch ist dies nicht zu konturieren, es braucht einen größeren, weiteren Raum. Das heißt nicht, daß ein Denkbild länger oder umfangreicher sein müßte, darin gleichen sich Aphorismen und Denkbilder stark. Es bedeutet eine andere Sprache, erfordert geradezu eine unprä¬ zise Ausdrucksweise, die einen Denkraum eröffnet, der nicht exakt zu füllen, lediglich zu umkreisen, und insofern zu begrenzen ist. Verweise werden als Grenzpunkte ge¬ setzt, innerhalb dessen etwas noch Ungedachtes, noch zu Denkendes, weil noch Kom¬ mendes zu denken ist. Und diese Denkräume präzisieren sich im Zusammenhang was sie von Aphorismen unterscheidet. Sowohl Einbahnstraße als auch Spuren sind reflektiert gefügte Konstruktionen, die den Denkbildem in ihrem Bezug zueinander eine größere Klarheit verleihen, als sie separat veröffentlicht in Zeitungen und Zeit¬ schriften besitzen. Eine Klarheit, die aber nur relativ ist und sein kann gegenüber der Präzision der Krausschen Aphorismen. Letztgenannte führen auf den Gedanken, den der Autor, von der Sprache geführt, vordachte. Denkbilder führen in einen transperso-

20 Vgl. dazu auch Walter Benjamin: Der Erzähler. Betrachtungen zum Werk Nikolai Lesskows. In: ders.: Gesammelte Schriften (Anm. 13) Bd. H.2. Hg. von Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhäuser. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1974, S. 438-65.

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nalen Denkraum, in dem es um die Dynamik, die Bewegung des Denkens, um seine Zukünftigkeit geht. So läßt sich in Abwandlung des einleitenden Aphorismus für die Denkbilder formulieren: .Denkbild ist das, was Denken wird, nicht was Denken ist.1 Dies werdende Denken ist allerdings keineswegs fakultativ, beliebig, sondern ist politisch orientiert, speist sich aus dem Wunsch nach einer anderen Gesellschaft, ver¬ schreibt sich einer sozialistischen Zukunft und einer Zukunft des Marxismus. In dem Maße, in dem dessen Zukunft abwesend wurde, wurden auch keine Denkbilder mehr geschrieben. Als letztes Zeugnis und damit selbst als Kriegerdenkmal können Ador¬ nos Minima Moralia von 1951 gelten. Doch so wie Aphorismen immer wieder Kon¬ junkturen erleben, werden auch, solange die Geschichte noch nicht an ihr Ende ge¬ kommen ist, die Denkbilder eine Renaissance erfahren, wenn sich Spuren eines Ge¬ hens, das noch gegangen werden muß, ausmachen lassen. Schließlich sind Einbahn¬ straßen keine Sackgassen, sondern führen auf eine Kreuzung, wo sich mindestens eine Alternative eröffnet. Und die Alternativen, die die Denkbilder ins Ungewisse entwer¬ fen, sind noch nicht ausgedacht.

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The significance of Albert Bloch’s Nachlass FOR THE UNDERSTANDING OF Karl Kraus’s Work and biography Elke Lorenz The American painter and writer Albert Bloch (1882—1961) studied the work of Kail Kraus for nearly fifty years of his life.1 2 In a letter to Sidonie Nädhemy from March 1948, Bloch declared that the writings of the Viennese publisher of Die Fackel con¬ stituted the most important influence of his life: “[...] das entscheidende, bestim¬ mende, ausschlaggebende geistige Erlebnis meines Daseins

Bloch also wrote that

Kraus “helped him to clarify his own outlook and to give it the confirmation and corroboration that can come only from revered, unquestioningly trusted authority”.3 Although Kraus knew nothing of painting, Bloch claimed that he had learned more from him about that art than “from the great painters themselves”.4 This paper will show how Bloch’s dedication to Karl Kraus transformed his own life and work and how his legacy of correspondence contributes to our understanding of Kraus’s life and work. Bloch’s own extensive early journalistic activity reached its peak between 1905 and 1908 in his hometown St. Louis, Missouri, after his discovery by William Marion

1 I am indebted to Anna Bloch, Albert Bloch’s widow, for discussing Bloch’s bequest on many occa¬ sions with me. Besides Michael Lazarus's afterword in BSN 1, 691-5, the following publications cover aspects of Bloch’s literary bequest and his contributions to the Kraus research: Erika Webhofer [Wimmer]: Zur Rezeption von Karl Kraus. Der Briefwechsel aus dem Nachlaß Albert Bloch -Michael Lazarus - Sidonie Nädhemy. ln: Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv 3 (1984), pp. 3553; Frank Baron: Albert Blochs Bedeutung für die Germanistik. In: Eckehard Czucka (Ed.): "Die in dem alten Haus der Sprache wohnen.” Beiträge zum Sprachdenken in der Literaturgeschichte. Helmut Amtzen zum 60. Geburtstag. Münster: Aschendorff 1992, pp. 423-9; Werner Mohr: Albert Bloch as caricaturist, social critic, and authorized translator of Karl Kraus in America. (Phil. Diss.) Univ. of Kansas 1995; Frank Baron, Helmut Amtzen, David Cateforis (Eds.): Albert Bloch. Artistic and literary perspectives. Munich: Prestel 1997; Elke Lorenz Champion: Der Briefwechsel zwischen Sidonie Nädherny und Albert Bloch (September 1947-September 1950). Mit einer Ein¬ führung in die Widmungsgedichte von Karl Kraus an Sidonie Nädherny. (Phil. Diss.) Univ. of Kan¬ sas 1998. 2 Letter from Albert Bloch (AB) to Sidonie Nädherny (SN), 7th March 1948. Quotations from the Nädherny-Bloch correspondence are from the transcripts in: Lorenz Champion: Der Briefwechsel (Footnote 1). 3 Albert Bloch: Ventures in verse I. [Unpublished poetry typescript. Concluding remarks.] N. p. n. d. Max Kade Center for German-American Studies, Lawrence/KS. 4 Albert Bloch: Ishmael’s Breviary. [Unpublished collection of essays, prose, and aphorisms], p. 13. Max Kade Center.

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The significance of Albert Bloch’s 'Nachlaß’

Reedy, the publisher of the magazine The Mirror.5 The Mirror treated literature, social and political issues, and local events. Bloch, as a caricaturist, became one of the Mir¬ ror' s most important contributors and wrote numerous articles and reviews for the

magazine. Reedy, who was also a patron of young poets, influenced Bloch’s views on this genre as well. Thus, for Bloch, art, social criticism, and literature were already closely intertwined during his co-operation with Reedy and established the basis for Bloch’s receptiveness of Kraus’s writings. Bloch, who with the help of Reedy relocated to Munich in the beginning of 1909 to study art, became aware of Die Fackel through acquaintances in Munich. In a letter to Sidonie Nädhemy, he recounted that Else Lasker-Schiiler had tried in vain in 1912 or 1913, at a time when he was merely aware of Die Fackel, to introduce him to Kraus personally in a Munich cafe.6 It was, however, only a few months before the outbreak of the First World War that Bloch read his first volume of the periodical out of bore¬ dom while waiting for a friend, and it was at this time that he became a life-long follower of the writings of Kraus.7 8 The “Epistle to Weidlingau”, Bloch’s most detailed lyrical homage to Kraus, describes the deep impact Kraus’s work had on him: For I had found myself in you. This was that long-known voice, ... recognised here at last, was what within me through those dim years past straining to grasp it, I had heard. I had been walking between light and dark sleepwalking in the shadows, till one spark from your red torch, upon my pathway thrown, showed me myself and all that was my own ...x While in Munich, Bloch became the only American member of the group of artists who exhibited together as Der Blaue Reiter. In 1911 no lesser artist than Wassily Kan¬ dinsky had visited his studio in Munich to see his paintings. This visit brought Bloch into contact with several artists who helped to shape modern art, such as Kandinsky, Franz Marc, Gabriele Miinter, Paul Klee, and Heinrich Campendonk. In the first ex¬ hibition of the Blaue Reiter at the end of 1911. Bloch was represented with six paint¬ ings. Like the other members of the group, he received support from the publisher of

5 See Mohr: Albert Bloch as caricaturist (Footnote 1), pp. 14-31; also Max Putzel: The man in the Mirror. William Marion Reedy and his magazine. Cambridge/Mass.: Harvard Univ. Press 1963, esp. pp. 143f. 6 AB to SN 1st February 1948 (Footnote 2). 7 It was F 393/4 (7.3.1914). See Webhofer: Zur Rezeption von Karl Kraus (Footnote 1). In the early 1970s, the original letters of Bloch’s correspondence with the Kraus circle were transferred by Michael Lazarus, with the approval of Anna Bloch, to the Brenner Archives in Innsbruck. 8 The complete “Epistle to Weidlingau” is included in AB’s letter to SN of 24.2.1948.

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the Expressionist periodical Der Sturm, Herwarth Walden, who exhibited Bloch's pic¬ tures many times between 1913 and 1917 in the Sturm gallery in Berlin. Selections of Bloch’s correspondence with Walden. Franz and Maria Marc, Kandinsky, Lyonel Feininger, and Klee received attention in 1997 in connection with a major Bloch retro¬ spective in the Nelson Atkins Museum in Kansas City, the Fenbachhaus in Munich, and the Delaware Art Museum, Wilmington, Delaware.4 While in Munich, Bloch still liked to draw caricatures, several of them depicting German writers whom he observed in Munich cafes, such as Fasker-Schiiler, Heinrich Mann, Frank Wedekind and even Karl Kraus.10 At the outbreak of the First World War Bloch’s circle of painters and authors dissolved because they were drafted, voluntarily joined the army, or returned to their homelands. Although he was an American citizen, Bloch remained in Ger¬ many and participated in the initial enthusiasm for the war, but the extremes of nation¬ alism and patriotism displayed by the Germans offended him. His political views dur¬ ing the war can be traced through correspondence with Franz Marc, to whom he re¬ commended Die Fackel and whose article on a Europe he envisioned. “Das geheime Europa”, Bloch rendered into English.11 After the Flnited States entered the war in 1917, Bloch’s situation, which had been shadowed by financial hardships from the beginning, became more and more unbearable. At the end of the war he began to prepare his return to America. Shortly before his permanent return in the spring of 1921, he was able to attend three readings by Kraus in Vienna, but again avoided meeting him personally. He wrote to Nädherny, that he had not felt ready to meet Kraus, "für so eine Gunst war ich noch nicht reif’.12 His unceasing preoccupation with Kraus upon his return to the United States was intensified by his sense of alienation in his home country. Dike Kraus, Bloch rejected the emphasis on technology, commerc¬ ialization, power of the press and the misuse of phrases to manipulate public opinion, phenomena that had developed even further in the progressive United States than in Europe. In pre-war Munich, Bloch had been closely associated with one of the most influential groups of modern artists. In the small city of Fawrence, Kansas, where he

Excellent accounts of Bloch s artistic contributions during his Munich years are given by: Richard Green: Albert Bloch. An overview of his artistic career. In: Baron et al.: Albert Bloch. Artistic and literary perspectives (Footnote 1), pp. 13-22, and: Frank Baron: Albert Bloch, The Blue Rider, and the European Idea . In: Ibid., pp. 23-9. Also the catalogue of the 1997 retrospective exhibition: Henry Adams. Margaret C. Conrads, Annegret Hoberg (Eds.): Albert Bloch. The American Blue Rider. Munich: Prestel 1997; and Annegret Hoberg. Henry Adams (Eds.): Albert Bloch. Ein ameri¬ kanischer Blauer Reiter. Munich: Prestel 1997. This includes selections of Bloch’s correspondence with members of the Blue Rider group and some of its associates. See Maria Schuchter: Albert Bloch. (Phil. Diss.) Univ. of Innsbruck 1992. 10 This t0P>c is treated in: Werner Mohr: Albert Bloch. Caricaturist and critic. In: Baron et ah: Albert Bloch. Artistic and literary perspectives (Footnote 1), pp. 33-9. Letter from Franz Marc to AB of 29.12.1914, to acknowledge the receipt of an article from "Die Fackel’ See Adams et al: Albert Bloch. The American Blue Rider (Footnote 9), pp. 167f. Frank Baron: Albert Bloch. The Blue Rider (Footnote 9) treats this topic. 12 AB to SN, 1 February 1948.

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The significance of Albert Bloch's ‘Nachlaß’

settled with his wife and two sons in 1923 after teaching at the Chicago Academy of Fine Arts for a year, he lived away from the major art centres in voluntary seclusion as a professor of drawing and painting and head of his department at the University of Kansas. Franz Marc, who during the Munich years influenced Bloch greatly, had died in battle in 1916. His friend Reedy died in 1920. The intense preoccupation, almost identification, with Kraus and his work helped Bloch to fill the void created by a lack of immediate intellectual stimulation and by Marc’s and Reedy’s deaths. It also be¬ came a means to maintain a connection to the European culture to which he felt closer than to his own. In 1926 Bloch held a public reading from Kraus’s poetry collection Worte in Versen, which probably was the first such reading of Kraus’s work in the United

States. Among the poems were fifteen that Kraus had dedicated to Sidonie Nädherny, including “Verwandlung”, “Vor einem Springbrunnen”, “Fahrt ins Fextal”, “Land¬ schaft”, and “Vallorbe.” Bloch informed Kraus about the event in a letter which the latter published almost unabridged in Die Fackel.13 In 1927, in his hometown St. Louis, he recited recently completed translations of Kraus’s poetry.14 After a corre¬ spondence with Die Fackel and consultations about these translations with the German writer Theodor Haecker, himself a well-known translator, Bloch in 1930 published a selection of them under the title Karl Kraus: Poems.15 Haecker, in a letter to Kraus, attested to the high quality of Bloch’s work and recommended authorizing the publi¬ cation of these translations.16 His ‘reconstructions’, as Bloch liked to call his render¬ ings into English, included selections from Kraus’s anti-war drama Die letzten Tage der Menschheit and lyrical poems, among them more than twenty Sidonie poems.17

Kraus advertised the poetry collection on the cover page of Die Fackel for several months. Many poems did not lend themselves to a verbatim translation into English, instead Bloch attempted to retain the mood and thought of Kraus’s poetry. Bloch him-

13 The German Club of the German Department at the University of Kansas organized the public reading upon the suggestion of Visiting Professor Fritz Kellermann. See Mohr: Albert Bloch as caricaturist, social critic (Footnote 1), pp. 213-18. Of Bloch’s twenty-five letters to “Die Fackel”, written between 1920 and 1935, Kraus published twelve. For details see John Richardson: Albert Bloch. An annotated bibliography. In: Yearbook of German-American Studies 31 (1996), pp. 167— 204. Reprinted in: Baron et al.: Albert Bloch. Artistic and literary perspectives (Footnote 1), pp. 163-72. 14 See Mohr: Albert Bloch as caricaturist, social critic (Footnote 1), p. 237. 15 Albert Bloch: Karl Kraus: Poems. Boston: Four Seas 1930. Many of Bloch’s translations are in¬ cluded in: Albert Bloch: German poetry in war and peace. A dual language anthology. Poems by Karl Kraus and Georg Trakl with translations, paintings, and drawings by Albert Bloch. Ed. by Frank Baron. Lawrence /KS: Max Kade Center for German-American Studies 1995. 16 Letter from Theodor Haecker to Karl Kraus of 7.7.1928. (Copy) Max Kade Center. 17 At the time of his translations Bloch of course was not aware that many of these poems were dedi¬ cated to Sidonie Nädherny. He was attracted to these poems because they enabled him to come closer to the person Karl Kraus.

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Elke Lorenz

self felt that he had succeeded especially well18 with such poems as “Der Reim” (“Rime”) and “Wiedersehn mit Schmetterlingen” (“Return of the butterflies”).19 In the late nineteen-twenties and early ’thirties, Bloch wrote a considerable amount of poetry himself, a selection of which, together with new Kraus renderings, was published in 1947 as Ventures in verse, a title he chose as a tribute to Kraus and his Worte in Versen,2() The opening poem, “To Karl Kraus. On his birthday”, already written in 1928, had appeared previously in Stimmen über Karl Kraus. Zum 60. Ge¬ burtstag.21 A lengthy correspondence with Karl Jaray and Wemer Kraft about render¬

ing this poem into German prose preceded the publication which after all appeared in the English version.22 Ventures in verse included two more poems dedicated to Kraus written after his death in 1936, “Before his deathmask” and “On the verge”. The lengthy “Epistle to Weidlingau” Bloch also wrote after Kraus’s death, shortly after Austria’s annexation to Nazi Germany in the spring of 1938. The volume is concluded with another poem of dedication, “Ventures in verse”, which provides its title.23 “Dankwort”, written on the occasion of Kraus’s sixtieth birthday - and the only poem Bloch wrote in German - was recited during the official birthday programme in Vi¬ enna. Bloch shared the unpublished “Dankwort” and the “Epistle to Weidlingau” with Sidonie Nädhemy.24 Bloch felt a close affinity between poetry and painting, which he expressed in his poem “The Painter and the picture”, in a similar way in which Kraus expressed his views on poetry in his poem “Der Reim”.25 In an aphorism Bloch combined the spheres of poetry and painting as follows: “A picture that is not a poem is not a picture and a poem that is not a picture is not a poem.”26 Thus it comes to no surprise that Kraus’s poetry had a great impact on Bloch’s painting and that Bloch not only trans¬ lated but used some poems as ‘models’ for his pictures. For example, “Sleigh ride”, “Vallorbe”, “Mine eyes have seen" and “Metamorphosis” are based on the Sidonie poems “Fahrt ins Fextal”, “Vallorbe”, and “Verwandlung”.27 The translation of “Ver-

IS AB to Verlag Die Fackel. 23.7.1928. (Copy) Max Kade Center. 19 Translations of “Der Reim” and “Wiedersehn mit Schmetterlingen” in: Karl Kraus: Poems (Foot¬ note 15), pp. 119-21 and pp. 43f. respectively. The latter reprinted in: Helmut Amtzen: Albert Bloch und Karl Kraus. In: Baron et al.: Albert Bloch. Artistic and literary perspectives (Footnote 1), pp. 129-34, cit. p. 131. 20 Albert Bloch: Ventures in verse. New York: Ungar 1947, 21 Stimmen über Karl Kraus. Zum 60. Geburtstag. Wien: Länyi 1934, p. 9. 22 Copies of the correspondence in Max Kade Center. 23 Bloch: Ventures in verse (Footnote 20), p. 98. 24 Both in: Lorenz Champion: Der Briefwechsel (Footnote 1), pp. 293-320, and 337. 25 Bloch: The painter and the picture. In: Ibid., pp. 18-20. 2