Kant und das Problem der Gesetzmässigkeit der Natur [Reprint 2010 ed.] 311012193X, 9783110121933

In der 1970 gegründeten Reihe erscheinen Arbeiten, die philosophiehistorische Studien mit einem systematischen Ansatz od

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Kant und das Problem der Gesetzmässigkeit der Natur [Reprint 2010 ed.]
 311012193X, 9783110121933

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
1.

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Kant und das Problem

der Gesetzmäßigkeit der Natur von Bernhard Thole

Walter de Gruyter - Berlin ' New York 1991

;

QUellen und Studien

zur Philosophie

' '

Herausgegeben von Günther Patzig, Erhard Scheibe, Wolfgang Wieland

Band 27

Walter de Gruyter ' Berlin ' New York

1991

-

Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfiillt.

CIP-Titelaqfnabme der Deut.rtbm Bibliothek Thöle, Bernhard: Kant und das Problem der Gesetzmässigkeir der Natur] Bemt Thöle. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1991

(Quellen und Studien zur Philosophie ; Bd. 27) Zugl.z Berlin, Freie Univ., Diss., 1987 ISBN 3-11-012193-X NE: GT

© Copyright 1991 by Walter de Gruyrer & Co., D-1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustinämung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilrnungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany ' Druck: Werner Hildebrand, D-1000 Berlin 65 Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, D—1000 Berlin 61

Meinen Eltern

Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist die - wie ich hoffe - hin und wieder verbesserte Fassung meiner Dissertation, mit der ich 1987 an der Freien Universität Berlin promoviert habe. Die seitdem erschienene Literatur habe ich nur da und dort, wo es sich in den Gang der Arbeit einfiigen ließ, berücksichtigen können. Gutachter der Arbeit waren Lorenz Krüger und Ernst Tugendhat. Ihnen möchte ich nicht nur fiir Anregung und Kritik danken, sondern vor allem auch dafür, daß sie die ihnen aufgedrängte Weihnachtslektüre 1986 so verständnis-

voll übernömmen haben.

-

.

Bedanken möchte ich mich auch für die tatkräftige, vielfältige Unterstützung, die mir Freunde in den verschiedenen (vermeintlichen und wirklichen) Endphasen haben zukommen lassen: bei Jan Hermelink, Regina Heumann,

Shirin Homann, Ulrike Hoyer, Harald Kühl, Marcus Otto. Gottfried Seebaß. vor allem aber bei Stefan Gosepath, Martina Herrmann und Beate Rössler. Den Herausgebem der "Quellen und Studien zur Philosophie" danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe; Herrn Prof. Wenzel fiir sein verständnisvolles Entgegenkommen. Zu danken ist auch der Studienstiftung des deutschen Volkes, die die

Arbeit an der Dissertation durch ein Promotionsstipendium unterstützt hat. Mein ganz besonderer Dank aber gilt Lorenz Krüger für seine aufgeschlossene und geduldige Förderung über eine lange, schöne Zeit. Berlin, im Dezember 1990

Bernhard Thöle

Inhalt Vorwort

Einleitung 1. Kapitel: Die Frage nach der Gesetzmäßigkeit der Natur .................... Kants ‘Hauptzweck’ und die Begründung der Gesetzes1. these Kants Zielsetzung in der KrV ................................................ 1.1. Zum Beweisanspruch der transzendentalen Deduktion .......... 1.2. Kant und der Skeptiker 1.2.1. ...................... Das synthetische Verfahren der KrV 1.2.2. 1.2.3. Die Funktion der Einheit der Appemeption .......................... Folgerungen _ 1.2.4. .......................... Übersicht über Kants Argumentation 2. Die „uanszendentale Deduktion ' 2.1. Die Argumentation in der A-Deduktion 2.1.1. 2.1.1.]. Aufsteigende Deduktionen 2.1.1.2. Absteigende Deduktionenü Die B-Deduktion 2.1.2. Die Analogien der Erfahrung 2.2. Das Prinzip der Analogien der Erfahrung .............................. 2.2.1. Der Beweis der zweiten Analogie der Erfahrung .................. 2.2.2. 2. Kapitel: 1. 1.1. 1.1.1. 1.1.2. 1.1.3. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.3.

Die Problematik von Kants Begründung der Gesetzesthese .. Schwierigkeiten mit der Standardinterpretation .................... Das Problem der subjektiven Vorstellungen .......................... Die vielfältige Bedeutung von "objektiv” .............................. Zusammenfassung und Folgerungen .................................... Ein Lösungsvorschlag zum Problem der subjektiven ...................... 85 Vorstellungen Das Problem der Wahrnehmungsurteile ............................... 90 Varianten von Kants Unterscheidung zwischen Wahmehmungs- und Erfahrungsurteilen ............................................ 91 Das Problem der nicht-objektivierbaren Vorstellungen ........ 95 Das Problem des Verhältnisses von Kategorie und Urteilsfunktion 100

Inhalt

Das Anschlußproblem Das Beweisstmkturproblem in B .......................................... Reaktionen auf die Problemlage ............................................ Folgerungen und Vorblick

113 115 119 ' 124

. Kapitel: Kants Begründung des Kausalprinzips .................................. Das analytische Argument Die Unbestimmtheitsthese 1.1. Varianten der Unbestimmtheitsthese .................................... 1.1.1. 1.1.1.]. Das Objekt-Prozeß-Problem 1.1.1.2. Das Wahmehmungsisomorphieproblem .......................... 1.1.1.3. Das Sein-Scheih-Problem Vergleich mit Kants Unbestimmtheitsthese .......................... 1.1.2. Das Objekt-Prozeß-Argument .............................................. 1.2. Die Unbestimmtheitsthese 1.2.1. Der zweite Beweisschritt '- 1.2.2. 1.2.2.1. Die Bestimmtheit der Wahrnehmungsfolge .......................... 1.2.3. Der dritte Beweisschritt: ein uon-sequitur? ............................ V 1.2.4. Weitere Einwände gegen das O-P-Argument ........................ 1.2.5. Die phänomenalistische Objektkonzeption ................... 1.2.6. Das epistemologische Argument ....... ................

1.2.7. 1.3. 1.3.1. 1.3.2. 1.3.3. 2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.2. 2.3.

128 130 131 133 135 136 138 139 140 140 150 154 160 162 165 169 Das empiristische Modell 176 Andere Rekonstruktionen 181 Das Wahmehmungsisomorphiea'rgument .............................. 182 Das Sein-Schein—Argument „ 188 Ein letzter Versuch 188 Kants Argument 189 Kants analytisches Argument 191 Der Begriff des Erfahrungsobjekts ............... 191 Das erste analytische Argument ............................................ 196 Der Übergang zum synthetischen Argument ........................ 201 Das synthetische Argument 205

. Kapitel: Seibstbewußtsein, Objektivität und Gesetzmäßigkeit in der transzendentalen Deduktion Kants Argumentation in der A-Deduktion ...................... Die subjektive Deduktion 1.1. Die These von der Notwendigkeit der Synthesis .................... 1.1.1. Die Synthesis der Reproduktion ............................................ 1.1.2. Die Synthesis der Rekognition 1.1.3. 1.1.3.1. Die Notwendigkeit einer Synthesis nach Begrifl'en ................ 1.1.3.2. Die Einführung des Objektbegriffs ........................................

212 214 214 216 218 220 222 228

Lilli?

1.4. 1.5.

XI

Inhalt

1.1.3.3. 1.2. 1.3. 2. 2.1. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.4. 2.2.5. 2.2.6. 3. 4. 5. 5.1. 5.2. 6.

Der uanszendentalphilosophische Objektbegriff .................. Selbstbewußtsein und Gesetzmäßigkeit ................................ Henrichs Rekonstruktion Der erste Teil der B-Deduktion ............................................ Die Suche nach dem Grund der Einheit ( 5 15) .................... Das Argument in den 95 16-20 ............................................ Die Einheit des Selbstbewußtseins ........................................ Selbstbewußtsein und Synthesis ............................................ Einheit der Apperzeption und objektive Einheit .................... Objektive Einheit und Urteilseinheit .................................... Urteil und Kategorie Zusammenfassung und Folgerungen .................................... Das Beweisstrukturproblem .. Gründe für die Neubwbeitung der transzendentalen Deduktion Der zweite Teil der B-Deduktion .......................................... Die Frage nach den Anwendungsbedingungen der Kategorien Kants Argument in 5 26 ...................................................... Skizze einer Rekonstruktion

232 235 243 249 249 251 252 255 260 263 264 269 271

273 280 282 285 293

Schluß

299

Notiz zur Zitierweise

3 10

Literaturverzeichnis Personenregister

Sachregister

..... 311 .. 320

322

Einleitung In der vorliegenden Untersuchung geht es um die Frage, wie sich Kant die

Begründung der Geltung allgemeiner Naturgesetze gedacht hat. Das ist keine besonders originelle Fragestellung, und daher wird es nicht unnötig sein, sich darüber zu erklären, wieso der nicht unbeträchtlichen Menge bereits vorliegen— der Traktate zu diesem Thema ein weiterer hinzugefügt werden soll. Über das Verhältnis zu dem, was man den Forschungsstand nennt, findet sich Näheres im den beiden ersten Kapitel. Ich will hier aus einer anderen Perspektive einige der wichtigeren Gesichtspunkte nennen. Dabei soll auch angesprochen werden, in welchen Hinsichten sich auf den folgenden Seiten Neues oder Vergessenes _ finden läßt. In der transzendentalen Deduktion teilt Kant seinem Leser mit, daß sich aus der ursprünglichen Einheit des Selbstbewußtseins "vieles folgem" lasse. Die Folgerungen, die Kant aus diesem "höchsten Punkt [...] alles Verstandesgebrauchs" zu ziehen scheint, sind in der Tat beachtlich: "die Einheit des Bewußtseins [ist] dasjenige, was allein die Beziehung der Vorstel— lungen auf einen Gegenstand [ .] ausmacht" (B 137). "Eben diese transzendentale Einheit der Apparzeption macht [...] aus allen mögli— chen Erscheinungen [...] einen Zusammenhang [...] nach Gesetzen" (A 108).

Und: “Die Möglichkeit [...], ja sogar die Notwendigkeit dieser Kategorien beruht auf der Beziehung, welche die gesamte Sirmliehkeit, rmd mit ihr auch alle möglichen Erscheinungen, auf die ursprüngliche Appemeption haben. in welcher alles notwendig den Bedingungen der durchgängigen Einheit des Selbstbewußtseins gemäß sein [...] muß" (A 111f.).

Aus dem "Grundsatz der synthetischen Einheit der Apperzeption", wonach "alles Mannigfaltige der Anschauung unter Bedingungen der ursprünglich— synthetischen Einheit der Apperzeption“ stehen muß (B 136), zieht Kant also allem Anschein nach drei bemerkenswerte Folgerungen, die im Dickicht der transzendentalen Deduktion einen eigentümlichen Zusammenhang eingehen: Die Bedingungen, ohne die ein einheitliches Selbstbewußtsein nicht möglich ist, sollen zugleich garantieren, daß sich unsere Vorstellungen als Vorstellungen einer objektiven Wirklichkeit interpretieren lassen. Ich will diese Behaup—

2

Einleillmg

tung Kants Objektivitälsthese nennen. Im engen Zusammenhang mit dieser These steht Kants zweite Folgerung: Alle tms gegebenen Vorstellungen sollen

aufgrund ihrer Beziehung zur Einheit der Apperzeption unter allgemeinen und notwendigen Gesetzen stehen. Ich nenne sie Kants Gesetzesthese. Die dritte - ' und aus Kants eigener Perspektive wohl wichtigste - Folgerung betrifft die objektive Gültigkeit der reinen Verstandesbegriffe: ”Alle sinnlichen An— schauungen stehen unter den Kategorien, als Bedingungen, unter denen allein das Mannigfaltige derselben in ein Bewußtsein zusammenkommen kann" (B 143). Diese Behauptung Kants will ich als Kategorienrhese bezeichnen. Die zitierten Bemerkungen Kants bilden nur einen Teil der Belege, die die weitverbreitete Ansicht zu stützen scheinen, daß Kant die erwähnten drei The-

sen als direkte Folgerungen’aus der notwendigen Einheit des Bewußtseins gewinnen wollte. Deshalb kann es kaum verwundern, daß diese Ansicht zur Standardinterpretation von Kants Argumentation in der transzendentalen Deduktion avancierte. So schreibt etwa Heruich in einer einflußreichen Untersuchung zur transzendentalen Deduktion: "Kants Theorie der Erkenntnis begründet bekaruttlich die These. daß wir Objekte der Erfahrung nur erkennen können, wenn wir Begriffe gebrauchen und Gnmdsätze für allen Erfahrtmgsgebrauch voranssetzen, die selber nicht aus der Fa-falmrng abgeleitet werden können. Diese Theorie behauptet weiterhin. daß sich die Notwendigkeit, die solchen Begriffen irmewohnt. aus der Verfassung desjenigen Selbstbewußtseiits begründen läßt. das Kant die 'transzmdentale Einheit der Appemeption'‚ nermt." (Heruich (1976) S. 16)

Damit drückt Henrich nur aus, was seit der Kritik an der neukantianischen Kantinterpretation fast zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist. Es liegt daher nahe, sich bei dem Versuch. Kants Begründung der Gesetzesth'e'se nachzugehen, in erster Linie an der transzendentalen Deduktion zu orientieren und ' sich dabei vor allem an seine Selbstbewußtseinsthetnie zu halten.

Eben dies führt aber sogleich in eine Reihe von Schwierigkeiten. Eine dieser Schwierigkeiten ergibt sich daraus, daß Kant seine Argumentation auf einem extrem hohen Abstraktionsniveau ansiedelt. Bekanntlich verführt er ja in der transzendentalen Deduktion nicht so, daß er der Reihe nach für jede ein-

zelne seiner zwölf Kategorien den Nachweis zu erbringen versucht, daß sie auf die uns gegebenen Vorstellungen anwendbar ist. Zu der Frage, in welcher Hinsicht die Anwendbarkeit der einzelnen Kategorien objektiv gültige Erfahrungs— erkenntnis ermöglicht und inwiefern jede einzelne von ihnen für die Möglichkeit von Selbstbewußtsein unentbehrlich ist. erfährt man in der transzendentalen Deduktion so gut wie nichts. Kant meinte für die " d i s lt u r s i v e [...] D e u t l i c h k e i t , d u r c h B e g r i f f e , [ . . . ] hinreichendgesorgt“zuhaben und daher der "nicht so strengen, aber doch billigen Forderung" nach intuitiver

Einleitung

3

Deutlichkeit durch Beispiele nicht Genüge leisten zu müssen, da die “eigentlichen Kenner der Wissenschaft diese Erleichterung nicht so nötig haben. ob sie zwar jederzeit angenehm ist" (A XVIIf.). Nach den ersten Reaktionen auf die Veröffentlichung der KrV konnte aber auch Kant die Dunkelheit, die vor allem das Verständnis der transzendentalen Deduktion behinderte. nicht in Abrede stellen (Vgl. B XXXVIII sowie AA IV S. 476 Anm.) Aber auch die zweite Bearbeitung, in der Kant jenen Mangel beseitigen wollte, hat die Kenner der Wissenschaft bis heute nicht in die Lage versetzt, auf eine so naheliegende Frage wie die folgende etwas Erhellendes zu antworten: . Wieso und in welcher Hinsicht ist z.B. die Anwendung der Kausalitätskategorie eine Bedingung der Möglichkeit von Selbstbewußtsein? Auf Fragen wie diese kann man der transzendentalen Deduktion nicht sehr viel mehr entnehmen, als daß Vorstellungen nur dann zur Einheit des Selbstbewußtseins gebracht werden können, wenn sie in Urteilen verbunden werden; und daß die Verbindbarkeit von Vorstellungen in einem Urteil auf irgendeine Weise garantiert, daß diese Vorstellungen unter die (der in dem Urteil verwendeten Urteilsfunktion) entsprechende Kategorie subsurnierbar sind. Aber zu der Frage, wieso wir z. B. ohne hypothetische Urteile zu fällen‚kein Selbstbewußtsein haben können, und wieso (und wie) die Anwendung der (hypothetischen) Urteilsfunktionen die Anwendbarkeit der ihnen entsprechenden Kategorien (also in unserem Fall der Kausalitätskategorie) garantiert. findet sich nicht nur in Kants Deduktion keine befriedigende Antwort; auch die Literatur schweigt sich zu solchen Fragen beharrlich aus.

Da Kant selber die Erwartung weckt, daß zu ähnlichen Fragen die auf die Deduktion folgenden Passagen “das mehrere lehren“ werden (B 167), liegt es nahe zu versuchen, das Konkretisienmgsbedürfnis, das die transzendentale De— duktion erweckt, unter Rückgriff auf das Gmndsatzkapitel zu befriedigen; also den Versuch zu unternehmen, das, was Kant in der transzendentalen Deduktion fiir alle Kategorien en bloc zeigen will, im Spezialfall einer einzelnen Kategorie nachzuvollziehen und auf diese Weise einige der erwähnten Fragen wenigstens ein Stück weit zu beantworten. Es bietet sich an, zu diesem Zweck die Kausalitätskategorie auszuwählen. Denn Kant selber weist darauf hin, daß die Relationskategorien die "vornehmste[n]“ unter den Zwölfen (R 5854), und daß die Grundsätze, die ihnen zuzuordnen sind, “die eigentlichen Naturgesetze" sind (Pr. AA. IV S. 307). Unter den drei Analogien der Bfahrung ist es sicher— lich die zweite, die zu Recht die größte Aufmerksamkeit gefunden hat. So naheliegend ein solcher Versuch auch sein mag; - in der recht üppigen Literatur zu Kants uanszendentaler Analytik findet sich zu diesem Thema nur wenig Brauchbarcs. Dies ist allerdings nicht so verwunderlich, wie es bedau-

4

Einleitung

erlich ist. Denn die Erwartung, im Grundsatzkapitel bereits eine solche Konkretisierung des in der Deduktion in abstracto dmchgefilhrten Arguments vorzufinden, wird enttäuscht. Zwar versieht Kant dort alle drei Analogien mit “ih-

ren genugtuenden Beweisen" (B XIX), und auch im Grundsatzkapitel treffen ' wir gelegentlich auf Kants Versicherung,daß "[ulnsere Analogien [. .] eigentlich die Natureinheit' rm Zusammenhange aller Erscheinungen unter gewis3en Exponenten dar[stellen], welche nichts anderes ausdrücken, als das Verhältnis der Zeit [...] zur Einheit der Apperzeption" (A 216/B 263). Aber in den Bewei— sen selbst spielt die Einheit des Selbstbewußtseins keine Rolle. In den der Begründung des Kausalprinzips gewidmeten Passagen der 2. Analogie wird sie

nicht einmal erwähnt. Ähnlich Enttäuschendes ist bezüglich der Frage nach \ dem Verhältnis von Urteilsftmktionen und Kategorien zu vermerken. Bei näherer Betrachtung stellt man nicht nur fest, daß sich dem Grundsatz— kapitel wenig zur Klärung der genannten Fragen entnehmen läßt; - man stößt auch auf eine ganze Reihe neuer Probleme. Denn nicht nur gibt Kant im Gmndsatzkapitel wenig Hilfesten bei dem Versuch, den Gedankengang der, Deduktion zu konkretisieren; im Gegenteil: Das Beweisverfahren der Analogien der Erfahrung scheint"rm Widerspruch zu zentralen Behauptungen zu stehen, die Kant m der Deduktion aufstellt. Während nämlich' m der transzendentalén

Deduktion die Behauptung, daß "alle Synthesis, wodurch selbst Wahrnehmung möglich wird, unter den Kategorien“ stehe (B 161), eine wichtige Rolle für den Beweis der objektiven Gültigkeit der Kategorien spielt, will Kant in den Analogien die Geltung der Relationskategorien von Gegenständen der Erfahrung gerade dadurch begründen, daß sie zu den Wahrnehmungen hinzukommen müs— sen, wenn aus Wahmehmungen Erfahrung werden soll: "Eine Analogie der Erfahrung wird also nur eine Regel sein. nach welcher aus Wahmehmtmgen Einheit der Erfahrung (nicht wie Wahrnehmung selbst. als empiri—

sche Anschauung überhaupt) entspringen so " (A l80/B 222).

.

In der folgenden Untersuchung soll es dartun gehen, mit Blick auf Kants Begründung der Gesetzestliese, dieses und einige andere damit zusammenlßingende Probleme einer Lösung näher zu bringen und damit den Weg für den künftigen Versuch freizuräumen, Kants Deduktionsargument in Anwendurlg auf den Spezialfall der Kausalitätskategorie zu konkretisieren. Das vielleicht wichtigste Ergebnis dieser Untersuchung ist darin zu sehen, daß die eingangs erwähnte Annahme über die Rolle, die Kants Selbstbewußtseinstheorie im Rahmen des Deduktionsarguments spielt, erheblich modifiziert werden muß. Denn spätestens zur Zeit der Abfassung der B-Deduktion hat Kant den Versuch, die Geltung allgemeiner Naturgesetze als direkte Folgerung aus der Einheit der Appenzeption zu begründen, aufgegeben. Zwar spielt auch

Einleitrmg

5

in der zweiten Auflage die Selbstbewußtseinstheorie eine wichtige Rolle: sowohl für die Begründung der Kategorienthese wie fiir die Begründung der Objektivitätsthese. Zur Begründung der Gesetzesthese wird sie aber in der zweiten Auflage nicht mehr in Anspruch genommen. Im ersten Kapitel soll zunächst untersucht werden, wie sich Kants Programm einer Begründung der Gesetzesthese aus seiner Zielsetzung in der KW im Ganzen ergibt (I.). Im Anschluß daran gebe ich eine etwas detaillierte

Übersicht über die für unsere Fragestellung relevanten Textpartien (Z.). Auf dieser Gmndlage wird es dann im zweiten Kapitel darum gehen, die mannigfachen Probleme, die Kants Begrilndung der Gesetzesthese aufwirft, darzustellen. Im den beiden folgenden Kapiteln sollen dann im Blick auf die sich daraus ergebenden Fragen Kants Begründung des Kausalprinzips (drittes Kapitel) und die transzendentale Deduktion (viertes Kapitel) untersucht werden. Im Schluß sollen die Ergebnisse mit Blick auf die im zweiten Kapitel darge-

stellte Problemlage zusammengestellt werden.



Im Laufe der Zeit hat sich der ursprüngliche Optimismus. auf der Gmndla— ge von Kants Überlegungen ein auch unter sachlichen Gesichtspunkten brauch—

bares Argument zu entwickeln, etwas gedämpft. Sollten sich die Aussichten, mit Kant auch in systematischer Absicht weiterzukommen, als trübe er'weisen,

so bleibt vielleicht der nicht bloß 'negative Nutzen', einige der Hindernisse, die einem künftigen Verständnis von Kants '111eorie entgegenstehen, weggeräumt zu haben. Und dem Versuch, die Hindernisse aufzuheben, "den p o s i t i v e n

Nutzen abzuspiechen, wäre eben so viel, als sagen, daß Polizei kleinen positiven Nutzen schaffe, weil ihr Hauptgeschäft doch nur ist, der Gewaltttltigkeit, welche Bürger von Bürgern zu besorgen haben, einen Riegel vorzuschieben, damit ein jeder seine Angelegenheit ruhig und sicher treiben könne“ (B XXV).

1. Kapitel Die Frage nach der Gesetzmäßigkeit der Natur In den ‘Prolegomena' bezeichnet Kant die Frage: "Wie ist Natur selbst

möglich?" als den “höchste[n] Punkt [...], den transcendentale Philosophie nur immer berühren mag und zu welchem sie auch, als ihrer Grenze und Vollendung, geführt werden muß". Diese Frage enthält aber - so fiihrt Kant fort — "eigentlich zweiFragen. E r s t l i c h : WieistNaturin m a t e r i e l l e r Bedeutung. nämlich der Anschauung nach, als der Inbegriff der Erscheinungen [...und] Z w e i t e n s : Wie istNatui’in f o r m e l l e r Bedeutungalsderln— ’ begriff der Regeln, unter denen alle Erscheinungen stehen müssen, [...] möglich. "(Pr. 536AAIVS. 318) In der folgenden Untersuchung geht es um Kants Antwort auf die zweite Teilfrage. In bezug auf diese Frage vertritt Kant drei Thesen. “An erster Stelle

ist hier die These zu nennen, wonach die Gegenstände unserer Erfahmhg eine 'notwendige Gesetzmäßigkeit' aufweisen. Wir wollen dies die Gesetzesthese nennen. Zweitens behauptet Kant, daß die allgemeinen Naturgesetze (wie z.B.

das Kausalprinzip) a priori erkennbar und beweisbar sind. Wir wollen dies die Aprioritätsthese nennen. Schließlich meint Kant drittens, daß diese a priori er-

kennbare Gesetzmäßigkeit der Erfatrrungswielt darauf zurückzuführen ist, daß die "oberste Gesetzgebung der Natur in uns selbst, d.i. in unserem Verstande liegen müsse". In Kants prägnanter Frxmulierung: "[D]er V e r s t a n d s c h ö p f t s e i n e G e s e t z e der

Natur.

sondern

schreibt sie

(a priori) n i c h t a u s

d i e s e r v o r " (Pr. & 36 AA N

S. 31%).

Wir wollen dies die Gesetzgebungsthese nennen. Diese drei Thesen stehen natürlich nicht beziehungslos nebeneinander. Denn für Kant ist es offensichtlich, daß eine Erkenntnis von allgemeinen Naturgesetzen, wenn sie denn überhaupt möglich sein soll, nur a priori möglich sein kann. Dies ergibt sich für ihn daraus. daß jede solche Gesetzesaussage Notwendigkeit "bei sich führt" (vgl. A 112f.). Solche notwendigen Wahrheiten können aber nur a priori erkannt werden. Denn “Erfahrung lehrt uns zwar, daß etwas so oder so beschaffen sei, aber nicht, daß es nicht anders sein könne. Findet sich also [...] ein Satz, der zugleich mit seiner N o t w e n d i g k e i t

Die Frage nach derGeaetzmifligkeit duNltnr

7

gedacht wird, so ist er ein Urteil a priori" (B 3). Wenn wir also die Geltung all-

gemeiner Naturgesetze erkennen können, so muß es sich um eine Erkenntnis a

priori landea Aber nicht nur zwischen den beiden ersten Thesen besteht für Kant ein enger Zusammenhang. Nach seiner Auffassung impliziert die Apriori— tätsthese auch die Gesetzgebungsthese. Denn sollte die Gesetzgebungsthese nicht gelten, so "wüßte ich nicht. wo wir die synthetischen Sätze eina solchen allgemeinen Na— tureinheit hemehrnen sollten, weil man sie auf solchen Fall von den Gegenständen der Natur selbst enflehnen müßte. Da diese: aber nur empirisch geschehen könnte: so würde daraus keine andere, als bloß mfltllige Einheit gezogen werden können, die aber bei weitem an dar notwendigen Zusammenhang nicht reicht. den man meint. wenn man Natur nennt" (A 114).

Kant meint also, daß aus der Erkennbarkeit allgemeiner Naturgesetze nicht nur ihre Apriorität folgt, sondern auch. daß wir selbst "die Ordnung und Regelmäßigkeit" in die Natur hineinbringen und "sie auch nicht darin finden kön— nen, hätten wir sie nicht [...] ursprünglich hineingelegt" (A 125). Nun war es bereits Kant nicht entgangen, daß diese These "wohl sehr widersinnig und befremdlich" lautet (A 114). In dieser Einschätzung hat Kant mehr Anhänger ge— funden, als ihm lieb gewesen sein dürfte. Auf weit weniger Zustimmung konnte er dagegen mit seiner Behauptung rechnen, daß, "[s]o übertrieben, so widersinnig es [...] auch lautet, zu sagen: der Verstand ist selbst der Quell der Gesetze

der Natur, [...] so richtig, und dem Gegenstande [...] angemessen ist gleichwohl eine solche Behauptung" (A 127). Angesichts der Zumutungen. die mit Kants Gesetzgebungsthese verbunden sind, ist es daher kein Wunder, daß-gerade die-

jenigen, die Kants Begründung der Gesetzesthese zu verteidigen suchten. sich bemüht haben, möglichst ohne diese befremdliche Behauptung auszukommen. Ich werde mich im Folgenden dieser Tendenz anschließen und bei der Untersuchung von Kants Argumenten zugunsten der Gesetzesthese soweit wie möglich die mit der Gesetzgebungsthese verbundenen Probleme ausblenden.

Denn im Zentrum der folgenden Überlegirngen soll die Begründung der Gesetzesthese stehen. Daß Kant der Begründung dieser These eine wichtige Rolle im Rahmen seines Gesamtprogramm zuschreibt, kann kaum bestritten werden.

In zwei zentralen Textpartien der KrV wird sie zum Gegens ausführlicher Erörterung: In der transzendentalen Dedukrian der Kategorien thematisiert

1 Daß wirErkenntnisaprr'arr'vm allgcrneiueuNmrrgesetzm habm‚folgtuntadenoheu erwähnten Voraussetztmgerrnntt'trlieh nur. wenn wir von dieser! German Erkumtnir haben. Wenn wirlediglich wissm.daßdieNaturumer(irgmdwebhm)6esetzar steh, ohne damit. auch selten m wissen, welches diese Gesetze sind, so folgt daran! allein natürlich nicht, daß wir diese Gesetze : priori erkmnm kämen. Es folgt nur, daß, wenn wir sie überhaup erkmnm können, diese Erkenntnis . [Jimi sein muß.

Die Frage nach der Gesetuniißigkeit de Natur

8

Kant die Gesetzmäßigkeit der Erfahrungswelt im allgemeinen, während er im 2. Hauptstück der 'Analyn'k der Grundsätze' die einzelnen allgemeinen Naturge— setze auf einer etwas konkreteren Ebene behandelt.

In der Kanfliteratur hat sich die Auseinandersetzung mit Kants Begründung ' der Gesetzesthese vor allem an der transzendentalen Deduktion orientiert. Das ist wenig erstaunlich, da Kant hier einen sehr viel prinzipielleren Ansatzpunkt

wählt als im Gmrrdsatzlrapitel.2 Es wäre aber voreilig, ohne weitere Prüfung von der Annahme auszugehen, daß es Kant in der transzendentalen Deduktion in erster Linie um die Begrün-

dung der Gesetzesthese geht.3 Die Gesetzesthese ist näm1icb‘keirresWegs' das alleinige, und aus Kants Perspektive nicht einmal das wichtigste Thema der Kategoriendeduktion. Zwei weitere Thesen spielen eine mindestens ebenso wichtige Rolle: 1. die Objektivitätsthese, wonach eine objektive Erfahrungser-

kenntnis möglich ist, und 2. die Kategorienrhese, dazufolge die reinen Verstandesbegriffe objektive Gültigkeit besitzen, da sie sich auf Gegenstände der Erfahrung beziehen.

Unter diesen drei Thesen ist fiir Kant zweifellos die Kategonenthese die wichtigste. Bevor man sich daher an die Diskussion der Gesetzesthese macht.

ist es angebracht, sich ein klarems Bild von der Funktion, die die Begründung dieser These sowohl im Ralunen von Kants Programm insgesamt als ‚auch im Zusammenhang der transzendentalen Deduktion im speziellen übernimmt. zu verschaffen. Dies gilt umso mehr, als weder Klarheit noch Einigkeit in der Literatur

herrscht, wie das Verhältnis von Kategorien- Objekfiv- und Gesetzesthese genau zu bestimmen ist.4 Zwar spricht eine große Anzahl von Textstellen dafür, daß Kant selbst zwischen den drei Thesen eine ganz enges Verhältnis wechselseitiger Irnplikation unterstellt; andererseits gibt es aber- wie wir selten werden- gewichtige sachliche, wie irnmanente Gesichtspunkte, die es problematisch erscheinen lassen, einen so engen Zusammenhang anzrmehmen.

2 So will ich das 1 Hauptatiiclt der 'Analytik der Gnrndsitze' im Folgenden der Kürze wegen nennen.

3 Unter den neueren Arbeitet ist M. Hossmfelders Untersuchung ein besonders deutliches Beispiel einer Interpretation der tr:nsnendurtalen Deduktion, in der diese in erster linie unter dem

Gesichtspmkt einer Begründung der Gesetzesthese behandelt wird (vgl. Hossenfelder (1978)). So hat 1.8. H. G. Hoppe neuerdings die Anridu vertraen. daß die eigentlich agiebigm Aspi-

te von Kants Überlegrmgen gende verdeckt werden, wenn man sich in enta‘ Linie an dem "wissenschai‘tstheoretischen" Programm einer Begn'indrmg ven Gamuusugen oriattiere. Hoppe ist allerdings der Meinung. daß hier eine Unklarheit bei Kant. selber mgrnndeliegt‚ da dieser zwischen der Frage nach der Bezugnahme auf Gegenstände ”im Sinne einer bloß vermeinenden [ . .] Sich-Bedehens überhaupt auf awns Gegermiadliehes" und dem "Programm, gegen Hume die Erfahrung als die objektive Erkenntnis von ndtwmdiga Sechmuntmmhin— gen zu rehabilitierm" (Hoppe (1983) 8.5) nicht klar gang mtenebeide.

mwmémnwmwtv„i‘m

4

Karus'liauptzweck'

9

Aber nicht nur bei den Interpreten finden wir unterschiedliche Einschätzungen der Funktion, die die Gesetzeethese in Kants Programm übernehmen soll. Auch Kants Texte legen die Vermutung nahe, daß zumindest in der Gewich-

tung, die den einzelnen Thesen im Gesamtzusammenhang zukommt. in den beiden Bearbeitungen der transzendentalen Dednktion nicht unwesentliche

Verschiebungen eingetreten sind.

'

All dies macht es ratsam, zunächst einmal den Kontext von Kants Begründung der Gesetzesthese genauer zu bestimmen. Dazu soll in einem ersten Schritt untersucht werden. wie sich die Aufgabe einer Begründung der Gesetzesthese aus Kants Zielsetzung in der KW ergibt. Dabei soll gezeigt werden, daß sich einige, immer wieder als selbstverständlich unterstellte Annahmen über Kants Intentionen keineswegs von selbst verstehen.

1. Kants Hauptmeck' und die Begründung der Gesetzesthese 1.1. Kants Zielsetzung in der KW Der "Hauptzweck" der KW besteht in einer kritischen Untersuchung der Möglichkeit metaphysischer Erkenntnis. Alles andere dient nur als Mittel zu diesem Zweck. So charakterisiert Kant die 'Kritik der reinen Vernunft' etwa in der Vorrede zur ersten Auflage als eine "Kritik [ . .] des Verntmftvermögens tlberhnupt,’rn Ansehung aller Erkermtitisse. zu deren sie. u n a b h ä n g i g v o n a l l e r E r f a h r u n g , streben mag, mithin die

Entscheidrmg der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphysik flbaltaupt und

die Bestimmung sowohl der Quellen. als des Umfanges und der Grenzat derselben

euer aber aus Prinzipien" (A xm.

Das Ziel der KW besteht darin. über “Möglichkeit oder Unmöglichkeit“ der Metaphysik zu entscheiden; und zu diesem Zweck soll eine vollständige Theo— rie der Erkenntnis a priori. in der deren Quellen und Grenzen bestimmt werden.

erforderlich sein. _ ' Nun liegt es nahe. die Rolle, die die Begründung der These von der Gesetzmäßigkeit der Natur in der KrV spielt, in folgender Weise zu beschreiben: Kant unterscheidet zwischen zwei Hanptklassen metaphysischer Sätze. Auf der einen Seite stehen solche synthetischen Urteile a priori. die sich (wie z.B. das Kausalprinzip) auf Gegenstände möglicher Erfahrung beziehen. Sie gehören zur Metaphysik der Erfahrung' oder zur Metaphysik der Natur'. Auf der anderen Seite haben wir es mit Aussagen zu tun, die (wie die Sätze über die Unsterblichkeit der Seele, die Größe der Welt und die Existenz Gottes) den Be— reich der Erfahrrmg überschreiten. Solche Aussagen gehören zur 'transzenden-

10

Die Frage nach derGeretnnifligkeitderNemr

ten' Metaphysik. Kante Programm einer kritischen Untersuchung der Möglichkeit metaphysischer Erkenntnis ließe sich dieser Einteilung folgend in zwei Hauptfiagen aufspalten: Die erste Frage richtet sich auf die Möglichkeit einer _ Metaphysik der Erfahrung. die zweite auf die Möglichkeit der transzendenten

Metaphysik. Und es ist nur ein kleiner und ebenfalls naheliegender Schritt zu der weitergehenden These, daß Kant im ersten Teil der KrV (transzendentale Ästhetik und Analytik) seine Metaphysik der Erfahrung entwickelt, um dann im zweiten Teil (uanszendentale Dialektik) die "Anmaßungen" der transzendenten Metaphysik zurückzuweisen. Dies ist eine griffige und daher wohl auch sehr beliebte Charakterisierung von Zielsetzung, Autbau und Ergebnis der KW. Sie gibt aber ein viel zu oberflächliches Bild der wirklichen Sachlage. Um dies zu sehen, ist zunächst daran zu erinnern. daß Kant den Ausdruck 'Metaphysik' in verschiedenen Bedeutun— gen verwendet. Für unsere Zwecke ist es wichtig, einen engen und einen weiten Begriff von Metaphysik zu unterscheiden: Im weiten Sinn ist alle “Vernunfterkenntnis aus bloßen Begriffen" metaphysische Erkenntnis (vgl. z. B. AA N S. 469). Im engen Sinn ist nur die transzendente (also die Erfahrung übersteigende) Erkenntnis a priori Metaphysik. Nun ist es aber eben diese Metaphysik im engeren Sinn. um deren Möglichkeit es Kant in der KW vor allem geht: ”gerade in diesen letzteren Erkenntnissen, welche über die Sinnenwelt hinausgehen. wo Erfahrung gar keinen Leitfadar. noch Berichtigung geben kann. liegen die Nachforschungen unserer Vernunft. die wir. der Wichtigkeit nach. für weit vorzüglicher, und ihre Endabsicht für viel erhabener haltet. als alles, was der Verstand im Felde der Erscheintmgen lernen kann [...]. Diese-unvermeidlichen Aufgaben der reinen Vernunft selbst sind G o t t . F r e i h e i t und U n s t e r b l i c h k e i t . Die Wissenschaft aber. deren Endabsicht mit aller ihrer Zttrllsttmgen eigentlich nur auf die Auflösung derselben gerichtet ist, heißt Metephys " (B 6f. vgl. AA XX S. 262).

Daß sein Hauptinteresse sich auf die Untersuchung der Möglichkeit der transzendenten Metaphysik richtet, und daß alles andere nur Mittel zur Erreichung dieses Zweckes ist, macht Kant an einer Stelle der 'Prolegomena' besonders deutlich: "Reine Mathematik und reine Naturwissenschaft hättet z u m B e h u f i h r e r e i g e n e n S i c h e r h e i t und Gewißheit keiner dergleichen Deduktion bedtuft, als wir bisher von beiden zustande gebracht haben; denn die erstere stützt sich auf ihre eigene Evidenz; die zweite aber, obgleich aus reinen Quellen des Verstandes

entsprungen, dennoch auf Erfahrung und deren durchgängige Bestätigung; welcher letzteren Zeugnis sie darum nicht gänzlich ausschlagen und entbeluen kam. weil sie mit aller ihrer Gewißheit dennoch. als Philosophie.

es da Mathematik niemals

gleichtun kann. Beide Wissertrchafien hatten also gedachte Untersuchung nicht fiir sich, sondern fiir eine andere Wissmrchafi, nämlich Metqthysik, mig" (Pr. } 40

AA IV 5. 327).5

5

Vgl. auch AA xvm s. 279r.; AA xxs. mr. u. s 318.

Kantr‘lhuptzweek'

11

Daß Kant im abschließenden Satz die trartszendente Metaphysik meint, geht daraus hervor. daß er sie ja ausdrücklich der reinen Naturwissenschaft ("als Philosophie“!) gegeniiberstellt. letztere aber enthält eben jene Metaphysik der Erfahrung' und damit auch Kants Begründung der Gesetzestlwse. Wenn man verstehen will, welche Rolle die Begründung der Gesetzesthese im Rahmen der KrV spielt, muß man also dem Hinweis, den Kant an der zitierten Stelle gibt, folgen. Man muß sich also fragen, wieso Kant meinte. daß um der transzendenten Metaphysik willen eine unfassende Untersuchung der Möglichkeit erfahrungsunabhängiger Erkenntnis erforderlich ist: eine "Kritik [...] des Vemunftvermögens überhaupt, in Ansehung aller Erkenntnisse. zu denen sie. u n a b h ä n g i g v o n a l l e r E r f a h r u n g , streben mag" (A XII). Wieso glaubte Kant sich nicht auf eine Untersuchung der Möglichkeit der Sätze der transzendenten Metaphysik beschränken zu können? Wieso muß darüber hinaus nicht nur die reine Nanrrerkennuris, sondern sogar die Möglichkeit mathematischer Edtenntnis‚ die ja nach Kants Auffassung von grundsätzlich

anderer Art ist als die metaphysische Erkenntnis,6 erörtert werden?

4

Es liegt nahe zu vermuten, daß Kant in der KW vor allem deshalb in Gmndziigen eine Metaphysik der Erfahrung entwickelt, Weil er zunächst die ' Elemente', aus denen die transzendente Metaphysik ihre Behauptungen zusammensetzt, ausfindig machen mußte, bevor er sie einer Kritik unterziehen konnte

(vgl. z. B. A 64/B 89; A 707/13 735). Diese Elemente sind die reinen Verstandesbegriffe oder Kategorien. Sie mußten zunächst vollständig 'aufgezählt' und dann auf ihre objektive Gültigkeit hin untersucht werden. Die erste Aufgabe

stellt sich Kant in der metaphysischen Deduktion, die zweite ist Gegenstand der uanszendentalen Deduktion. Dies ist sicherlich zutreffend. Aber es reicht nicht aus. um die oben gestellte Frage vollständig zu beantworten. Denn es bleibt immer noch offen, weshalb Kant meinte, auch die Möglichkeit mathematischer Erkenntnis untersuchen zu müssen. Aber nicht nur das. Wäre es Kant in der transzendentalen Analytik le-

diglich darum gegangen, “den Bauzeug [zu] überschlagen". um zu sehen, ob er zulange. den "bis an den Himmel reichen[den]“ Turm der transzendenten Metaphysik zu errichten (A 707/B 735), so hätte er sich in der transrendentalen Deduktion mit dem Nachweis begnügen können, daß die reinen Verstandesbegriffe über die Grenzen möglicher Erfahnrng himus keine Erkennmis liefern können. Dies ist das negative Ergebnis der transzendentalen Deduktion, die "Grenzbestimmung des reinen Verstandes" (AA N S. 474 Anm.; vgl. AA VIII 6

I?e;%s)elbadm.wmnmdmwdtflqhyrübegäfirmundh(vgl.zlkl

12

Die Frage nach der Geeetnnißigkcit da Natur

S. 184). Weshalb belastet Kant dariiber hinaus seine Untersuchung mit der positiven Zielsetzung: dem Nachweis, daß in Bezug auf mögliche Erfahrung ein legitimer Erkennmisgebrauch von Kategorien möglich ist? Und wieso müssen jene synthetischen Grundsätze a priori, die für Gegenstände möglicher Erfah-

rung gelten, bewiesen werden? Für die Entscheidung über Möglichkeit der transzendenten Metaphysik scheint dies ganz überflüssig zu sein. Kurioserweise scheint Kant selbst eben diese Ansicht in der langen Anmerkung zur Vorrede zu den MAdN zum Ausdruck zu bringen: "wenn bewiesen werden kann. d a ß die Kategorien [...] gar keinen anderen Gebrauch. als blos in Beziehung auf Gegenstände der Erfahrung haben körmen [...], so ist die Beantwortung der Frage. w i e sie solche möglich machen. zwar wichtig genug.umdieseDeductionwomöglichmvollenden. aberinBeziehung aufden Hauptzweck des Systans. nämlich die Grembestimmung der reinen Vernunft. keineswegs n o t h w e n d i g . sondern bloß v e r d i e n s t l i c h " (AA IV S. 474 Anm.).

Das klingt so, als wolle Kant alles. was nicht direkt der "Grenzbestimmung der reinen Vernunft“ dient, bloß zu einem “verdienstlichen” Nebenprodukt er— klären. Bedeutet das, daß wir in der Begründung der Gesetzesthese lediglich eine im Prinzip entbehrliche Zugabe' zum eigentlichen Beweisziel der KrV zu „ sehen haben? Zwei Jahre später kommt Kant auf die soeben zitierte Äußerung zurück. Ihm war entgegengehalten worden, daß seine Bemerkung in den MAdN im Widerspruch zur KrV stehe, wo er "doch geflissentlich behaupte" (AA VIII S. 184). daß die "Seite" der transzendentalen Deduktion. die sich "auf die Gegenstände des reinen Verstandes [bezieht] und [...] die objektive Gültigkeit seiner Begriffe a priori darum und begreiflich machen [soll.] eben darum [...] auch wesentlich zu meinem Zwecke gehörig" sei (A XVI). Dieser "vorgebliche Wi— derspruch“ aber — so Kant - beruhe auf einem "Mißverstande“. denn "man sieht leicht. daß sie [so. die Kategorien] dort [so. in den MAdN] nur zu einer

n e g a t i v e n Absicht. nämlich um zu beweisen. es könne vamittelst ihrer a l l e i n (ohne sinnliche Anschauung) gar k e i n E r k e n n t n i ß da Dinge zu Stande kommen. in Betrachtung gezogen wurden [...]. Weil wir ab: von ihnen doch einenGebrauchmachar. darin siezur E r k e n n t n i ß derObjecte (der Erfahrung) wirklich gehören, so mußte mm auch die Möglichkeit einer objectivat Gültigkeit solcher Begrifi'e a priori in Beziehmg aufs Empirische besondats bewiesen werden [...]; unddas war die p o s i t i v e Absicht, inAnselumg dermdie D e d u c t i o n allerdings unentbehrlich nothwendig ist." (AA VIH S. 184)

Es ist nicht so recht klar, Ob dies nun eine Klarstellung oder eine als Klarstellung getarnte Selbstkorreknn von - wie Paulsen vermutet - "vorübergehen-

den Verdunkelungen des Bewußtseins von der Absicht des eigenen Werks“ ist (Paulsen (oJ .) S. 249). Denn der "vorgebliche Widerspruch" betraf ja nicht die Frage. ob die transzendentale Deduktion für jene positive Absicht “unentbehr—

Kants Hauptzweck'

13

lich notwendig ist", sondern die Frage, ob die Verfolgung jener positiven Absicht selbst "in Beziehung auf den Hauptzweck des [in der Kritik aufgestellten] Systems” notwendig ist oder nicht. In Bezug auf diese Frage hatte Kant in den MAdN ausdrücklich bestritten, daß " o h n e e i n e g a n z k l a r e u n d g e n u g t h u e n d e D e d u c t i o n d e r K a t e g o r i e n das System der Kritik der reinen Vernunft in seinem Fundamente wanke" (AA IV 8. 474 Anm.). Die Frage, wie sich denn die positive und negative Absicht der Deduktion zueinander verhalten, wird durch die soeben zitierten Bemerkungen Kants also eher verdunkelt als aufgeklärt. Denn wir haben ja oben (S. 10f.) gesehen. daß Kant die Untersuchung der Möglichkeit der reinen Naturwissenschaft um der rranszendenten Metaphysik willen nötig findet. da “dieser Teil du Metaphysik [...] überdcm gerade derjenige [ist], welcher den wesentlichen Zweck derselben. wozu alles andere nur Mittel ist. ausmacht"; und daß allein "diese Wissenschaft einer solchen Deduktion u m i h r e r s e l b s t w i l l e n “ bedarf (Pr. & 40 AA IV S. 327). Angesichts der oben zitierten Bemerkungen scheint es nun aber eher so zu sein, daß die Untersuchung der Möglichkeit der reinen Naturwissenschaft für die kritische Untersuchtmg der Möglichkeit der transzendenten Metaphysik allenfalls verdienstlich ist; untimgänglich notwen-

dig ist sie nur, wenn neben der negativen Absicht, in der die Kritik der transzendenten Metaphysik unternommen wird, noch die davon ganz unabhängige "positive Absicht" verfolgt wird, die Möglichkeit einer Metaphysik der Erfah— rung zu erklären. Aber wozu das, wenn die reine Nauuwissenschaft - nach

Kants ausdrücklicher Meinung" - um ihrer selbst willen einer solchen Deduktion gar nicht bedarf? ‘ Die schwankenden Äußerungen zum "Hauptzweck" der KW lassen sich nur erklären, wenn man sich die dialektische Situation. in der Kant das Programm einer Kritik der transzendenten Metaphysik sieht. in ihrer ganzen Komplexität vergegenwärtigt. Denn dann zeigt sich, daß das Verfolgen der positiven Absicht durchaus eine wichtige Funktion fiir die Kritik der transzendenten Meta— physik erfiillt. Im Blick auf diese Situation läßt sich zudem verständlich ma— chen. wieso sich Kant in der KrV nicht auf die Kritik der transzendenten Meta— physik beschränkt. sondern auch die Möglichkeit der reinen Naturerkenntnis. ja sogar der Mathematik zum Gegenstand der Untersuchung macht. Kants Hauptinteresse war darauf gerichtet, einen “dauerhaften Frieden“ auf jenem "Kampfplatz endloser Streitigkeiten“, der Metaphysik heißt, zu stiften (vgl. A VIII). Dazu genügt es aber nicht, den Nachweis zu fiihren, daß die Erkenntnisansprttche der transzendenten Metaphysik zu Unrecht bestehen. Es

7

Vgl. die oben s 10 zitierte Passage aus dat 'Prolegunena'.

14

Die Frage nach der Gesetnnißigkeit der Natur

muß auch der Grund der Unmöglichkeit solcher Erkenntnis verständlich gemacht werden. Und zu einer Verständigung über die Gründe der Unmöglichkeit der transzendenten Metaphysik gehört nach Kants Auffassung die Einsicht in die Gründe, wieso anderen Wissenschaften, die ebenso wie die transzendentei

Metaphysik synthetische Urteile a priori enthalten, das gelingen kann, was der Metaphysik versagt bleibt. So gibt uns z.B. die "Mathematik [...] ein glänzendes Beispiel. wie weit wir es. unabhängig von der Erfahrung. in der Erkermtnis a priori bringen körmen. Nun beschäftigt sie sich zwar mit Gegenständen und Erkenntnissen bloß so weit, als sich solche in der Anschauung darstellen lassen. Aber dieser Umstand wird leicht übersehén. weil gedachte Anschaa selbst a priori gegeben werden kann. mithin von einem bloßen reinen Begriff kaum unterschieden wird. Durch einen solchen Beweis von der Macht der Vernunft eingenommen, sieht der Trieb zur Erweiterung keine Grenzen. Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt. deren Widerstand sie fühlt. könnte

die Vorstelltmg fassen, daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde" (B 8f.; vgl. auch A 712f./B 740f.).

Um verständlich zu machen, wieso der Umstand, daß auch die Mathematik synthetische Urteile a priori enthält, die Metaphysik noch nicht in deren “gute Gesellschaft" bringt, worin sie sich "wider die Gefahr einer schnöden Mißhandlung gesichert [fühlen kann, da] [...] die Streiche, welche [...ihr] zugedacht waren‚[...] die erstere auch treffen müssen" (Pr. & 2 AA IV S. 273), muß auch die Möglichkeit mathematischer Urteile erklärt werden. Denn diese Erklärung soll verständlich machen, wieso sich der dogmatische Metaphysiker zu Unrecht auf den Erfolg der Mathematik beruft. Dasselbe gilt fiir die reine Natunvissensclnrft. Ja. hier besteht in noch höherem Maße die Gefahr, zu illegitimer Erweiterung der Erkenntnisansprilche verführt zu werden. Denn die Begriffe. die in die synthetischen Sätze der reinen Naturwissenschaft eingehen, entspringen " u n a b h ä n g i g v o n S i n n l i c h k e i t bloß im Verstande" (B 144). Im Gegensatz zu den die synthetischen Urteile der Mathematik ermöglichenden reinen Anschauungsforrnen sind die reinen Verstandesbegriffe "von dieser Einschränkung [sc. auf unsere Shure] frei" (B 148): "Nicht allein, daß unsere Begriffe der Substanz, da Kraft, der Handlung, der Reali-

tät usw. ganz von der Erfahrung unabhängig sind, irngleichen gar keine Erscheinung der Sinne enthalten, also in der Tat auf Dinge an sich selbst (Naumann) zu gehen scheinen; sondern, was diese Vermutung noch bestärkt, sie enthalten eine Notwen-

digkeit der Bestimmung in sich, der die Erfahrung niemals gleichkmnmt.[...l Daher scheinen Verstandesbegrifi'e vielmehr Bedeutung und Inhalt zu haben als daß der bloße Erfahrungsgebrauch ihre ganze Bestimmung erschöpfie. und so baut sich der Verstand unvermerkt an das Haus der Erfahrrmg noch ein viel weitläufigeres Nebengebäude an, welches er mit lauter Gedankenwesen anfilllt. ohne es einmal zu mer—

ken. daß er sich mit seinen sonst richtigen Begriffen über die Grenzen ihrs Gebrauchs va°stiegen ha " (Pr. 5 33 AAIV S. 315f.).

Kant: ‘rr.uptzwecw

15

Wenn sich aus der Erklänrng, wieso diese reinen Verstar'rdesbegriffe an den Gegenständen der Erfahnurg ein legitirnes Anwendungsfeld haben, ergibt, daß sie nicht in derselben Weise auch zu uanszendenter Erkenntnis dienen können, besteht Hoffnung, daß sie das “Verfilngliche [...] in Ansehung der Anlockung zu einem transzendcnten Gebrauch [...], der über alle mögliche Erfahnmg hin-

ausgeht“, verlieren (Pr. 5 33 AA N S. 315). ' Dies ist der Hauptgrund, weshalb Kant seine kritische Untersuchung der Metaphysik so tunfassend ansetzt. Die Möglichkeit synthetischer Urteile a priori muß in ihrem ganzen Unfang erklärt werden, um verständlich zu machen, wieso aus der Möglichkeit solcher Urteile im Bereich von Mathematik und reiner Naturwissenschaft nicht auch schon auf die Möglichkeit der transzendenten Metaphysik geschlossen werden kann. Die Untersuchung der Mög— lichkeit von Mathematik und reiner Naturwissenschaft erfolgt also nicht um ih— rer selbst willen oder irn Kontext einer Theorie oder Metaphysik der Erfaluung, sondern sie dient der Grenzbestimmung der Vernunft. Aus dem soeben Ausgefiihrten lassen sich auch Ar4bau und Zielsetzung der transzendentalen Analytik (mit der wir es im folgenden hauptsächlich zu tun haben werden) verständlich machen. Kant charakterisiert die nansaendentale Logik als die Wissenschaft der reinen Verstandes— und Vemunfterkenntnis,

"welche den Ursprung, den Umfang und die objektive Gültigkeit solcher Erkenntnisse" bestimmen soll (A 5718 81). Zu diesem Zweck ist zunächst eine "Zergliedenmg unseres gesamten Erkenntnisses a priori in die Elemente der reinen Verstandeserkenntnis" erforderlich (A 64/13 89). Dabei kommt es vor

allem darauf an, daß diese Elemente der Verstandeserkenntnis vollständig aufgesucht werden; - und zwar so, daß damit zugleich deutlich wird, daß sie "reine und nicht empirische Begriffe seien" (A 64/13 89). Dies ist die Aufgabe der meraphysischen Deduktr'on der reinen Verstandesbegriffe. in der der Ursprung a priori der Kategorien "durch ihre völlige Zusammentreffung mit den allgemeinen logischen Funktionen des Denkens dargetan“ wird (B 159). Den nächsten wichtigen Schill bildet bekanntlich die transzendentale Deduktion, die das Wichtigste (A XVI) und “Schwerste [ist], das jemals zum Behuf der Metaphysik unternommen werden konnte, [...] weil jene Deduktion zuerst die Möglichkeit einer Metaphysik ausmachen soll" (Pr. AA IV S. 260). In der transzendentalen Deduktion eines Begriffs geht es darum, den "Rechtsgrund" anzugeben "dadurch die Befugnis seines Gebrauchs deutlich" wird (A 8518 117). Wir können nun verstehen, wieso Kant die transzendentale

Deduktion als "die Erkärung der Art, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstände beziehen können", definiert (A 851B 117). Aus der Erklärung der Art, wie Begrifi'e a priori sich auf Gegenstände beziehen können, soll sich nämlich

?

Die Fugenohtkr6eeetmißigka'tdaNahrr

16

ergeben, in welchem Umfang von ihnen ein legitirner Gebrauch gemacht wer-

denkann. "Mit den r e i n e n V e r s t a n d e s b e g r i f f e n [fängt] die unumgängliche Bedürfnis an. [..] die transzendentale Deduktion zu suchen. weil. dasie von Gegenständen nicht durch PrädikatederAnschmtmgut‘tdder8irmlichkeit,

sonderndesrei-

nm Denkens a priori redet,8 sie sich auf Gegmstände ohne alle Bedingungen der Sinnlichkeit allgemein beziehen"(A 88/B 120).

Daher bedarf ein reiner Verstandesbegriff "samt den Grundsätzen seiner Anwendung [. .], wenn er a p r i o r i gültig sein soll,[.. .] eine Rechtfertigung und Deduktion seiner Möglichkeit, weil man sonst nicht weiß. wieweit er gültig/ sei. und ob er nur in der Erfahrung oder auch außer ihr gebraucht werden könne“ (Pr. AA IV S. 371). " Hier spricht Kant auch schon den auf die hammendentale Deduktion folgenden Teil der transzendentalen Analytik an. Im Grundsatzkapitel sollen'die Grundsätze der Anwendung der reinen Verstandesbegriffe auf Gegenstände der Erfahrung untersucht werden. Auch diese Untersuct erfolgt'rm Blick auf

die Grenzbestimmnng.9 Wir haben nun geklärt, wieso die Frage nach der Möglichkeit der transzendenten Metaphysik Kant zu einer umfassenden Untersuchung der Möglichkeit erfahrungsunabhängiger Erkenntnis führt. Wenn manden Verstand "nur : e i n — s c h r ä n k t , ohne ihn zu b e g r e n z e n , " undihn nicht "in Ansehung sei—

nes gesamten Vermögens auf die Probierwaage der Kritik“ bringt, um "zwi— schen den gegründeten Ansprüchen des Verstandes und den dialektischen Anmaßungen der Vernunft" zu unterscheiden, “so fühlt die Vernunft. deren ganz eigentihnlicher Schwung hiahei nicht un mindesten gestört. sondern ru1r gehindert werden. den Raum zu ihrer Ausbreitu'ng nicht verschlossen, und kann von ihren Verwalten. urterachtet sie hier oder da gezwackt _ _ wird, niemals gänzlich eingebracht werden" (A 767i 795f. ).

Was folgt aus all dem nun für die uns interessierende Frage nach der Begründung der Gesetzesthese? Wir haben gesehen, daß sie nicht als Teil einer Theorie der Erfahrung' in Kants Projekt eingeht. Ihre Funktion muß sich viel— mehr aus ihrem möglichen Beitrag zu Kants 'Hauptzweck' ergeben. Betrachten wir dazu zunächst die transzendentale Deduktion. Aus dem bisher Ausgefiihr-

ten miissen wir schließen, daß die Gesetzesthese jedenfalls nicht im Zentrum 8 Ich übernehme die Korrektur vcn m m Im Text am "redet“. DieruärdbellitigtdurchdmNaehdruchmitdemhntenfdiebesoudere'Beweiun[...l.deredwirmsbddiuammzmdmuldergambedünthabarfmddermßedamng 'flsdrüfifürjedamderurVemwh,imellehneflemdmgleidrsynthuischaüna

priorimbeweisen," hinweis! (A216/B 253:vg1.m1118288fi.101v1e1'n526M1178-308f0.

Kants Hauptzweck'

«11/7: ‘

der transzendentalen Deduktion steht. Deren Aufgabe ist die Untersuchung der Grenzen des legitimen Gebrauchs, den wir von den reinen Verstandesbegrifl'en machen können. Diese Aufgabe ergibt sich aus der zentralen Rolle, die die transzendentale Deduktion für Kants 'Hauptzweck' spielt. Denn “jene Deduktion [soll] zuerst die Möglichkeit einer Metaphysik ausmachen" (Pr. AA IV S. 260), indem sie eine Erklärung der Art, wie sich die reinen Verstandesbe'grif— fe auf Gegenstände beziehen können, liefert, die verständlich macht, wieso ein transzendenter Erkenntnisgebrauch von Kategorien nicht möglich ist. So erklärt sich auch die Notwendigkeit, die in der Anmerkung zu den MAdN angespro— chenen Frage, "w i e nun Erfahrung vermittelst jener Kategorien [...] möglich sei" (AA IV S. 475 Anm.) zu beantworten, aus der dialektischen Situation, in der sich die Vernunft befindet. Nur in dieser Perspektive ist zu verstehen, wieso Kant die uanszendentale Deduktion als ”Erklämng der Art, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstände beziehen können" (A 85/8 117) definieren kann und ihr zugleich die Aufgabe zuweist, über die Möglichkeit der (transzendenten) Metaphysik zu entscheiden. Gleichwohl wird immer wieder wie selbstverständlich unterstellt. daß es Kant in der transzendentalen Deduktion primär darum geht, einen Beitrag zur Metaphysik der Erfahrung' zu leisten, indem er gegen den Skeptiker die Geltung der Kategorien-, Objektivitäts- und Gesetzesthese zu beweisen" sucht. Zwar wird von einigen Kommentatoren angemee daß sich die Aufgabe der transzendentalen Deduktion nicht in einem solchen Beweis erschöp So können wir z.B. bei Strawson lesen: . "though the Transcendental Deduction is indeed an argument. it is not only an argument. It is also an explanation. & description. 11 story” (Strawson (1966) S. 86).

Die Annahme, daß es sich bei der transzendentalen Deduktion in erster Linie um ein Argument oder einen Beweis handelt, mag darauf zurückzuführen sein, daß der Ausdruck 'Deduktion' gewöhnlich zur Bezeichnung einer logischen Ableitung verwendet wird. Spätestens seit Henrichs Untersuchungen zur Herkunft von Kants Deduktionsbegriff aus der juristischen Literatur des 18. Jahrhunderts sollte aber klar sein, daß mit dem Hinweis auf diesen Ausdruck allein eine solche Annahme nicht begründet werden kann. In der juristischen Literatur wird der Deduktionsbegrit'f nach Henrich gerade nicht zur Bezeich— nung einer deduktiven Schlußfolgemng verwendet. Er bezeichnet vielmehr eine die quaestio juris betreffenden "Geschichtserzählung". 'Deduktionsschriften' dienten dazu, durch die Darstellung der Geschichte des Erwerbs eines snittigen

Rechtstitels dessen Legitimität zu begründen.1° Es wäre daher wohl angemes10 VgL Hariehs Diskusnonsbunerkungen'in Tuschling (1984) S. 843. sowie Henridt (1989).

DieaenachderGeaetzanißigkeitderNamr

18

sener, die in Strawsons oben zitierter Bemerkung vorgenommene Gewichtung umzukehren: Die transzendentale Deduktion ist vor allem eine “story“ und eine

Erklärung.11

Aber sie ist natürlich nicht nur eine Erklärung. Die transzendenmle Deduk- ' tion soll die objektive Gültigkeit der reinen Verstandesbegriffe nicht nur ”begreiflich machen", sondern auch "danun" (A XVI)!2 Sie ist also nicht nur eine

Erklärung, sondern auch ein Beweis.13 Bevor wir uns fragen, wie sich diese über das Erklänrngsprogramm der uanszendentalen Deduktion hinausgehende Beweisprogramm aus Kants 'Hauptzweck' ergibt, müssen wir zunächst klären, was in diesem Beweis eigentlich bewiesen werden soll. An den soeben angesprochenen Stellen hat Kant offenbar die Kategorienthese als Beweisziel vor Augen. Daher ist es durchaus verständlich, wenn der transzendentalen Deduktion die Aufgabe zugewiesen wird, einen Geltungsbe-

weis der Kategorien zu liefern." Wir haben bisher noch nicht erklären können, wieso Kant in der transzendentalen Deduktion neben seinem Erklärungsprogramm dieses positive Beweisziel verfolgt. Bevor wir diese Frage wieder aufgreifen, ist es nützlich, zunächst zu klären, in welcher Beziehung der Beweis der Kategorienthese zur Begründung der Gesetzesthese steht. Es muß aber mgegeben werden, daß Kant den Deduktionabegrifi keineswegs immer in diesem spezifischen Sinn verwendet, in dem er eine Erklärung im Gegensatz zu einem Beweir bezra'drnet. In diesem Sinne verwendet Kant den Begriff z. B. wenn «behauptet, daß von nem synthetischen Satz a priori "wo nicht ein Beweis, doeh wenigatura e'me Deduktim der Rechtmä— ßigkeit seiner Behau;unng unnachläßlich hinzugefügt werden [muß]" (A 23318 286). Andererseits nennt Kant - und zwarmit explizitern Bemg auf der Sprachgebrauch der "Reehtslehrer" — die Deduktion einen “Beweis [...], der die Befugnis. oder auch den Redrtsanaprueh darum soll" (A 84/3 116). 12 Diese Bemerkung Kanu bezieht sich nur auf die "objektive Seite“ der transmdentalen Deduktion. von der Kant allerdings sagt, daß sie es sei, um die es ihm "vornehmlidr zu tun in" (A XVIf.; vgl. A 96f.). Damit stützt sie mbarbei Hurrieha Behauptrmg. daß das Erklärung:;programm, dar Kant in der transzendentalm Deduktion verfolgt. nicht mit der “snbjektivar Dedukticn" identifiziert werden darf. (Vgl Henrich (1973) S. 97f.) 13 Vgl. auch die bereits n'tierte Passage aus der Schrift 'Überden Gebrauch teleologiseher Prinzipien in der Philosophie‘ in der Kant bdraupet, daß'in der transmdmtalen Dednktim "die Möglichkeit einer objeaivar Gültigkeit solcher Begriffe a priori in Beziehung aufs Ernpirisdre besonders bewiesen werden" mußte (AA VIH S. 184). 14 Es ist nach dem oben Ausgeffihrtert aber unangemesssen, die Gewichtung umzukehren und wie Henrieh'm einer friiheren Arba't- arrmnehrnm. daß sich fiir Kurt das Erklirungspmgrarnm nur deshalb stellt, weil der Geltungsbeweis auf eine solche Erklirung angewiesen ist (vgl. Henrich (1973) S. 98). Henrich hat allerdings seine frühere Annahme, daß “grundled fiir eine Deduktion [..] allemal der Beweis der Gültigkeit der Kategorien" bleibt (eburda). aufgrund seiner Untersuehungen zu den historischer: Wurzeln des Deduktimsbegrifia ausdrücklich korrigiert. (Vgl. dazu die Diskussiorubanerkungm in Tusctg (1984) S. 855. und Hurrich (1989)



s. 39 u. Anm. 4.)

Kante 'Haqrtzweck'

19

Es wurde bereits erwähnt, daß Kant die Gesetzesthese in einen engen Zusarmnenhang mit der Kategorienthese stellt: Wären die ”Erscheinungen so beschaffen [...], daß der Verstand sie den Bedingungen seiner Einheit gar nicht gemäß fände, und alles so in Verwirrung läge, daß z.B. in der Reihenfolge der Erscheinungen sich nichts darböte, was eine Regel der Synthesis an die Hand gäbe, und also dem Begriffe der Ursache und Wirkung entspräche", so Wäre "dieser Begriff [...] ganz leer. nichtig und ohne Bedeutung" — hätte also keine objektive Gültigkeit (A 90/B 123). Kurz: Ohne Geltung von Gesetzen kann eine Kategorie keine objektive Gültigkeit besitzen; Wenn wir also davon aus— gehen können, daß Kant die Kategorienthese beweisen will, dann scheint er auch die Gesetzesthese begründen zu müssen, denn "Kategorien sind Begriffe, welche den Erscheinungen [...] Gesetze a priori vorschreiben” (B 163). Entsprechendes scheint auch fiir die Objektivitätsthese zu gelten: Denn die Anwendung der Kategorien auf gegebene Vorstellungen soll diesen Vorstel— lungen erst “Beziehung auf einen Gegenstand, d.i. objektive Realität verschaffen" (A 109). So argumentiert z. B. W. Hinsch: , “Sie [so. die transzerrdentale Deduktion] dient dem Nachweis der mriversalen Gel—

tung der Kategorien für alle möglichen Wahmehrnmgsinhalte. Aufgrund der Erfahrung ermöglichenden Funktion dieser Begriffe ist sie damit zugleich ein Beweis dafiir, daß alle Wahrnehmungen zur Einheit e i n e r Erfahrung gebracht werden kön— nen''(Hinsch (1986) S. 20).

Aufgrund des engen Zusammenhangs, der fiir Kant zwischen der Katego» rienthese auf der einen und der Objektivitäts- und Gesetzesthese auf der anderen Seite besteht, ist es verständlich, weshalb auch eine Begründung dieser bei— den Thesen immer wieder zu den Aufgaben der uansrendentalen Deduktion ge—

rechnet wird.15 Gleichwohl ist eine solche Überlegung nicht zwingend. Denn daraus, daß verschiedene Aussagen in engen logischen Abhängigkeitsbeziehungen stehen, folgt nicht, daß eine dieser Aussagen nicht begründet werden kann, ohne daß zugleich die anderen begründet werden. Es ist ja denkbar, daß die eine Aussage gerade dadurch begründet werden soll, daß sie mittels einer der anderen, die ihrerseits als Prämisse fungiert, hergeleitet wird. Damit sind wir auf ein mit unserer Ausgangsfrage nach Kants Zielsetzung eng zusammenhängendes Problem gestoßen: Wie weitreichend ist Kants Beweisanspruch in der transzendentalen Deduktion? Setzt Kant bei seinem Ver-

15 Vgl. z.B. die folgende (Irankterisierung, die Heruich von der Aufgabe der transd Deduktion gibt: "Die transzmdentale Dedukticn der Kategorim ist das Kernstück der Kritik der-reiner VernunftInihmsiudihrebeidarwichtigstenßeweiaevereinigt: dervonder-Mög1id'rkeit einer systematischer Erfahrungaerkurnmis und der war der Unmöglichkeit einer Erkenntnis jenseits der Grenzen da Erfahrung' (Henridr (1973). S. 90).

20

Die Frage nach der Gesetmißigkeit derNsmr

such, die Geltung der Kategorienthese zu begründen, die Objektivitätsthese, ja vielleicht sogar die Gesetzesthese, voraus? Auch hinsichtlich dieser Frage bieten Kants Äußerungen ein eher verwir-_ rendes Bild. So stellt er in der A-Dedulrtion explizit fest: "es ist schon eine hinreichende Dednktion derselben [sc. da Kategorien].und

Rechtfertigung ihrer objektiven Gültigkeit, wenn wir beweisen können: daß vermit— reis ihrer allein ein Gegenstand gedacht werden kann“ (A 96f.; vgl. A 93f.IB 125f.).

Auf diese Weise kann die Kategorienthese natürlich nur bewiesen werden.

wenn die Geltung der Objektivitätsthese vorausgesetzt wird.16 Andererseits spricht Kants davon, daß- eben weil die Kategdrien nur in Beziehung auf mögliche Erfahrung gültigsind- ihre Geltung von Gegenständen der Erfahrung

"nur durch eine Deduktion der Möglichkeit der letzteren [se der Erfahrung] bewiesen werden" könne (A 184f./B 228). Ich will nun zunächst der damit aufgeworfenen Frage nach der Reichweite von Kants Beweisanspruch m der transzendentalen Deduktion nachgehen. weil in der Diskussion dieser Frage immer wieder Gm'chtspunkte'ms Spiel gebracht werden sind, die auch für unsere Ausgangsfiage nach Kante Bewe1sabsrchten relevant sind.

12. Zum Beweisanspruch der transzendentalen Deduklion ' Ich beginne mit einer genaueren Clmrakterisienutg der in Frage kommen— den Alternativen hinsichtlich der Reichweite von Kants Beweisanspruch. Neben der bereits zitierten Passage (A 96f.), in der Kant den Nachweis. daß die Kategorien notwendige Bedingungen objektiver Erfahrungserkenntnis sind. als "hinreichende Deduktion" der Kategorien bezeichnet. sprechen auch die Erörterungen zum Beweisprinzip der transzendentalen Deduktidn, die Kant im 5 14 anstellt, für einen eher schwacher Beweisanspruch. Dort schreibt Kant: ,

"folglich wird die objektive Gültigkeit der Kategorien, als Begriffe a priori. darauf ?:lgläß/g, 313 durch sie allein Erfahnmg (der Form des Dakars nach) möglich sei"

16 TrotzdergängigenKr-itik ander sog. ‘naumuanire1m'reaanafirudiauriahtdasxmin

Gnyer (1981) S. 1703.) Guyer beäeht sich daba' auf die Nsd1ls&eflertion R5643 sowie die t(ixn Gegenstandsbegriff betreffende: Pssssgar uns der Rekogrritionssnslyse der A-Deduhion

104ff.).

.

w

der tmnszendentalen Dedulrtim in diesem Sinne verfahre. lid! neuerdings wieder vertreten. Vgl. z.B. Amerika (1978). P. Gnyer hat in seinem Versudr einer Klassifizierung von Kante un— terschiedlichen Beweistahilren in der transundentslen Dedulrticn auf eine Strategie hingewiesen. wonach Kant sogar die Gesetzesthese als unbewiesare Prämisse in Anspruch ninttiiL (Vgl.

%

Kanu 'Heuptzweek'

. 21

Wenn sich die Begründung der Kategorienthese darin erschöpft. daß sie als Bedingungen möglicher Objekterfahrung ausgewiesen wird, darin ist damit lediglich gezeigt, daß die Kategorien nur dann keine beten Begriffe sind. wenn objektive Erfalmrngserkenntnis möglich ist. Entsprechend gilt dann auch für die Gesetzesthese, daß sie nur unter der Voraussetzung einer objektiven Erfahrungserkenntnis gilt. Die entscheidende Frage ist also, ob Kant die Objektivitätsthese im Rahmen der transzendentalen Deduktion selber noch begründet oder sich damit begniigt. die Kategorien- und Gesetzesthese lediglich unter ihrer Voraussetzung herzuleiten. Aus allem, was wir bisher zur Zielsetzung der KW ausgeführt haben, folgt nicht, daß Kant sich rnit dem schwächeren Beweisprogramm nicht hätte zufiiedengeben können; und die soeben zitierten Stellen sprechen eher dafiir, daß er das schwächere Beweispmgramm für 'ausreichend hielt. Fiir die folgende Untersuct von Kants Begründung der Gesetzesthese ist es natürlich wichtig, sich darüber Klarheit zu verschaffen. ob Kant lediglich zeigen wollte, daß aus der Gelnmg der Objektivitätsthese die Gesetzesthese folgt. oder ob er darüber himus auch die Objektivitätsthese noch begründen wollte. Diese Frage ist in der literatur umstritten. Zwar ist man sich heute weitgehend einig in der Ablehnung der (angeblich) neukantianischen Auffassung, wo— nach Kant lediglich beabsichtigt, die Geltung der Kategorien und Grundsätze als Bedingungen einer wissenschafllichen Natrnerkenntnis herzuleiten. Träfe diese Auffassung zu, so würde Kants Begründung der Gesetzesthese sich als

ziemlich uninteressant erweisen. Die Geltung der Gesetzesthese würde dann nämlich auf triviale Weise aus der Voraussetzung, daß eine wissenschaftliche

Natruerkenntnis möglich ist, folgen. Dem Natur, als Gegenstand wissenschaft' licher Erkenntnis, ist "das Dasein der Dinge, sofern es nach allgemeinen Geset— zen bestimmt ist" (Pr. & 14 AA IV S. 294). Die Gelumg der Gesetzesthese folgt dann unter Voraussetzung dieser Definition analytisch aus der Prämisse, daß

wissenschaftliche Naturerkennlnis möglich ist. Es ist aber kaum anzunehmen, daß Kant dieses Argument im Auge hatte. als er die transzendentale Deduktion als “das Schwerste, das jemals zum Behuf der Metaphysik unternommen wer-

den konnte", bezeichnet hat (Pr. Vorrede AA IV S. 260).17 Diese extreme Ansicht zu Kants Beweisabsichten wird daher heute auch kaum mehr ernsthaft vertreten. Das bedeutet aber nicht. daß damit auch Einigkeit dan'iber besteht, daß Kant die Gesetzes- und Kategorienthese zu begründen versucht, ohne die Objektivitätsthese bereits vorauszusetzen. Denn man muß 17 Natürlich ist die Haleimng der speziellen Gesetze (also z.B. & Ksuselprirm'ps) selbst unter dieserVorsussetmrrg keineebasotriviale5sdre. Dsäerpeziellmüesetresthesen sberdme-

hin entim Grundsatzkspitel erörtert werden. kämen wir von ihm im Augenl'iiti sbseltm.

22

Die Frage nach der Gesetunißigkeit der Natur

die Objektivitätsthese nicht in dem starken Sinn interpretieren. daß aus der Objektivität unserer Erkenntnis bereits analytisch die Geltung der Gesetzesthese folgt. Wenn man die Objektivitätsthese so versteht, daß mit ihr die Er-_ kennbarkeit einer Welt von (von unseren subjektiven Vorstellungen verschiedenen) Objekten behauptet werden soll. so folgt weder die Gesetzes- noch die Kategorienthese auf triviale Weise: Denn daraus. daß es von meinen Vorstellungen verschiedene Objekte gibt. folgt nicht unmittelbar, daß diese Objekte unter allgemeinen und notwendigen Gesetzen stehen müssen. Die Annahme, daß Kant die Objektivitätsthese (in diesem schwächeren Sinn) als Prämisse der transzendentalen Deduktion in Anspruch nimmt und nicht selber noch begrün-

det. hat daher auch ihre Verteidiger gefrmden.13 Die Mehrheit der Interpreten ist jedoch der Ansicht, daß Kant auch die Ob— jektivitätsthese in der transzendentalen Deduktion noch zu begründen ver-

sucht.19 So schreibt etwa Bennett: "what Kant [. .] repeatedly offers to prove in the transcendental deductidri'is that all experience must be of a realm of“items which are 'objective‘ in the sense that they can be distinguished from oneself and from one's inner states" (Bennett (1966) S. 131).

Und nach Strawson besteht das Hauptziel der uanszendentalen Dedulttion “ in der Begründung der These: "that for a series of diverse experiences to belong to a single eonscibusness it is necessary that they should be so connected as to constitute a temporally extended experience of a unified objective world" (Strawson (1966) S. 97).

Gegen die Verteidiger des schwachen Beweisanspruchs bestehen deren Kritiker darauf, daß Kant sowohl die Objektivitätsthese wie die Kategorienund Gesetzesthese aus einer noch grundlegenderen Prämisse herleitet: der These von der Einheit des Selbstbewußtseins.

Wir haben es also mit zwei grundsätzlich verschiedenen Auffassungen vom

Beweisanspruch der transzendentalen Deduktion zu tun. die ich im Anschluß an eine analoge Unterscheidung, die Kant in den 'Prolegomena' trifft, als regressive oder schwache (RL) und progressive oder starke (PL) Lesart der trans-

zendentalen Deduktion bezeichnen will:20 “* Vgl. z. B. Amerika (1978). Das gilt - um nur einige Namen zu nennen - fiir Allison (1983), Baum (1986). Bennett (1966) , Carl (198911). Cramer (1985b). Dryer (1981). Ebbinghaus (1924). Herrlich (1976). Hinsch

(1986). Hossenfelder (1978). Strewson (1966) und Wolff (1963). Es versteht sich von selbst, daß nicht alle genannten Autoren der Meinung sind. daß Kanu Beweis der Objelttivitätsthese verte1drgbar rat.

20 Ich folge damit einer ging'geu Praxis rn der Kentliteratur. Vgl. Amerika (im). Beck (1978). Wolff (1963). Kann Unterscheidung zwischen der "analytischen". oder" regressiven" Beweis—

-Kants'l-Iauptzweck'

(RL)

Kategorien- und Gesetzesthese werden als Bedingungen der Möglichkeit objektiver Erfahrungserkenntnis hergeleitet.

(PL)

. 23

'

Kategorien-, Gesetzes- und Objektivitätstlrese werden als Bedingungen der Möglichkeit eines einheitlichen (Selbst-)Bewußtseins hergeleitet.

Ich will im folgenden ein Argument für die Geltung der Kategorien- und Gesetzesthese, in dem die Objektivitätsthese vorausgesetzt wird, eine schwache, und ein Argument. in das die 0bjektivitätstheeé nicht als unbewiesene Prämisse eingeht, eine starke Deduktion nennen. Wir haben gesehen, daß Kants oben zitierte Bemerkungen zum Beweisziel der uanszendentalen Deduktion eher (RL) zu stützen scheinen. Andererseits konnten wir feststellen, daß die meisten Interpreten sich fiir (PL) entschieden haben. Sie stützen sich dabei vor

allem auf die folgenden Überlegungen: (l) Kant verfolge in der KrV nicht nur die Absicht, die dogmatische Metaphysik zu destruieren; ebenso wichtig sei für ihn die Kritik des Skepti-

zismus. Der Skeptiker kann aber nur mit einem Verfahren gemäß (PL) widerlegt werden. Folglich müsse Kant“rn der transzendentalen Deduktion (PL) verfolgen. (2) Kant kontraritiert in den 'Prolegomena' ausdrücklich deren "regressi— ves" oder "analytisches" Verfahren nrit dem "progressiven" oder "synthetischen" der KrV, das ”noch nichts als gegeben zum Grunde legt außer die Vernunft selbst und also, ohne sich auf irgendein Faktum zu stürzen, die Erkenntnis aus ihren ursprünglichen Keimen zu entwickeln sucht" (Pr. & 4 AA IV S. 274). methode einerseits und dem "synthetischen“ oder “progressivm' Verfahrur andererseits det*t

sich nicht vollständig mit dem hier bezeichneter Umasdried (Vgl. Pr. M IV S. 263 u. 275ff.). NachKantirtderüntersehied zwisdrurdenbu'darMetbodmimweaentlichmdarinnraeha. daß bei der regreesiven Methode von synthetischen Urteilen a priori ausgegangen wird, und nach den Bedingungen. unter denen sie möglich sind, gefragt wird; wihrend bei Verfolgung des progressiven Verfahrens auch gefragt wird. ob dergleidren Sitte möglidt sind. Bekanntlidr behaupe Kant. in den 'Prolegurrena', daß er in der KW nach der synthetischur oder progressiven Methode verfahre. während das Verfahren der 'Prolegornena' analytisch sei (AA IV S. 214). Daraus kann man aber nicht ableiten. daß die heart (RL)'rn diem Sinne regresriv ist, da die Geltung der Objdrtivititsthese nicht auch selten die Geltung aynlhetileher Urteile : priori unmittelbar irnplin'ert. Die Sache wird msätflich dadurch verdttnkelt. daß Kant sich'111 den 'Prolegornena' nicht durchgängig an seine eigene Giara.kterisiernng der Bewdsmethode hält. Im eammmhang der Behandlung der 2. Hauptfrage der 'Proleganena' (Wie ist reine Naturwissenschaft möglidt?) geht Kantumnlich- enden als bei der erster Hauptfrage nach der Möglidrkeit mathematischer Sitze- nicht von bestimmter aymhetiadren Undlen a priori an!. andern ion movg=:i;egflrtfln:lyüsefi) deeOb'1ektivititeanspuchavon Erfahrungauneilen.Kant v erfährt

24

DieaenadlderGuetanifigkei!derflamr

(3)

Auch wenn Kant - wie in den oben zitierten Passagen — das Beweisziel

der transzendentalen Deduktion weniger anspruchsvoll anzusetzen scheint, als dies nach (PL) der Fall sein müßte. geht er doch de facto. von der Selbstbewußtseinseinheit aus. . Ich will diese Punkte der Reihe nach kommentieren.

1.2.1. Kant und der Skeptiker

Es ist 'naheliegend, der Darstellung, die wir oben von Kants Zielsetzung in der KrV gegeben haben, den Vorwurf zu machen, daß sie sich allzu einseitig an Kants Kritik der dogmatischen Metaphysik orientiert und dabei eine andere. fiir Kant ebenso wichtige kritische Intention unberücksichtigt läßt. Nicht nur gegen den "Dogmatismus. der uns nichts lehrt“, sondern auch gegen den "Skeptizis-

mus, der uns gar überall nichts verspricht” (Pt. 5 4 AA IV S. 274), richtet sich Kants Erkenntniskritik. Gewiß zielt die 'Kritik der reinen Vermmft' auf die Destruktion der transzendenten Metaphysik; aber soll sie nicht gleichzeitig die Grundlegung "einer zukünftigen Metaphysik, die als Wissenschalt wird auftreten können". sein? Will Kant nicht gegen jenen “härteste[nl Skeptizismus selbst in Ansehung der ganzen Namrwissenschaft“ (KpV AA V S. 51) "die Möglich—

keit einer Erkenntnis a priori ganz wohl erklären, und, was noch mehr ist, die Gesetze, welche a priori der Natur, als dem Inbegriffe der Gegenstände der Erfaiuung, zum Grunde liegen. mit ihren ' genugtuenden Beweisen versehen“ (B XIX)? Es wäre sicherlich unangemessen, wollte man die antiskeptische Intention und die damit verbundene Absicht Kants, das Fundament für eine wissenschaftliche Metaphysik zu legen, ignorieren. Aber es kommt alles «kauf an, genauer zu verstehen, worin Kants antiskeptische Halnmg besteht. Erst dann

sind verläßliche Folgerungen zu Kants Beweisanspruch und Zielsetzung möglich.

,

. fg, Seitdem die Kritik an der dogmatischen Metaphysik zur Selbstveßtändlichkeit geworden ist, hat Kants theoretische Philosophie vor allem als kritische Instanz gegen den Skeptizismus Interesse geftmden. Diese Tendenz. Kants wich-

tigsten Beitrag zur Erkenntnistheorie in der Entwicklung antiskeptischer Argumente zu sehen, ist besonders in der analytischen Kantraeption ausgeprägt, aber keineswegs auf sie beschränkt. Auf diesem Hintergrund ist es nicht ver-

wunderlich, daß dabei immer wieder mit großer Selbstverständlichkeit angenommen" wird, daß Kants Kritik sich primär gegen den epistemologischen Skeptizismtrs richtet.

Kam: 'Hnuptzweek'

25

Als epistemologüchen Skeptiker will ich einen Skeptiker. bezeichnen, der die Legitimität unserer Erfahrungserkenntnis bzw. deren Möglichkeit in Zwei-

fel zieht oder bestreitet.21 Der sogenannte 'Außenweltskeptiker' ist der vielleicht prorninenteste Vertreter dieser Spezies. Humes These von der bloß subjektiven Gültigkeit des

Kausalprinzips und die damit verbundene Kritik an der Geltung des Induktitmsprinzips kennzeichnet einen weiteren Typus. Nun liegt es durchaus nahe, Kants antiskeptische Haltung auf den epistemologischen Skeptizismus zu beziehen. Denn schließlich wollte Kant in der Widerlegung des Idealismus' dem “Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft. das Dasein der Dinge außer uns [...] bloß auf G l a u b e n annelunen zu müssen, und, wenn es jemand einflillt es zu bezweifeln, ilun keinen genugtuenden Beweis entgegenstellen zu können", ein Ende bereiten (B XXXIX Anm.). Und war es nicht Kants Absicht. mit seinem Beweis des Kausalprinzips "den Humeschen Zweifel aus dem Grunde zu heben" (Pr. 5 27 AA N S. 310)? Was liegt näher als die Vermutung, daß Kant auch in der trans-

zendentalen Deduktion versucht, die Klippen des Skeptizismus, dem sich Hume gänzlich ergab, zu umschiffen (vgl. B 128)? ' Wenn die Annahme zutrifft, daß Kant in der transzendentalen Deduktion gegen den epistemolngischen Skeptiker zu Felde zieht. dann fiihrt nichts an der Konsequenz vorbei, daß in der transzendentalen Deduktion das progressive Verfahren einschlagen werden muß. Denn wer den radikalen epistemologischen Skeptiker widerlegen will, kann nicht mit der Geltung der Objektivitätsthese die Möglichkeit objektiv-gültiger Erfahrungserkenntnis voraussetzen. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, wenn z.B. R. P. Wolif gegen Vertreter von (RL) einwendet: “This claim [se. that insofar as I am eonscious of objects. the categoris must apply to them]. even if sustained successfully. is open to the seeptieal objeetions. & la Hume. that we are not really conscious of objects. und so have no knowledge whatsoever" (Wolff (1981) S. 30f.).

Daher ist nach Wolffs Meinung allein das progressive Verfahren zur Kritik von Humes Skeptizismus geeignet: "! hold that Kant. in the depths of the 'Deduction of the Pure Concepts of the Under— standing'. undertook actually to establish the hypothetical proposition: Ifl am merely subjeetively conscious, then thae is an objective world-order of which I can have knowledge a priori. Since not ever Hume is prq>ared to deny that he is een”

Nicht jeder Skepüker. der die Geltung var Wissensenspriiehen bezweifelt. indsmit such schau ein epistemologircher Skeptiker. Audi der metaphysüche Skqm'ker, der wir gleich kennenler-

nen werden. bestreitet die Legitimitit von W‘tssarssnsprdehen.

26

Die Frage nach dcesetnnißigkeit derNatnr

scious. however much he may be prepared to susperd judgment concaning what. if anything. h e 'rs conscious o f it follows that Kant will, ifhe canmakehis argument. have answered Hume." (Wolff (1981). S. 28)

Wenn Kant in der transzendentalen Deduktion den epistemologischen Skeptiker widerlegen wollte, dann verspricht allerdings nur die progressive Methode Aussicht auf Erfolg. Wir müssen also untersuchen, ob Kant'in der transeendentalen Dedulttion wirklich den epistemologischen Skeptiker widerlegen will.22 Aus der Feststellung, daß Kant an anderer Stelle (in der 'Widerlegung des Idealismus“) den Außenweltskeptiker widerlegen wollte, folgt ja noch nicht. daß es ihm auch in der transzendentalen Deduktion um die Verteidigung der objektiven Gültigkeit der“Erfahrungserkenntnis gegen den epistemologischen Skeptiker ging. Die Selbstverständlichkeit, mit der dies trotzdem immer wieder unterstellt wird, steht in bemerkenswertem Kontrast zu den diirftigen Hinweisen. die zur Begründung dieser Unterstellung dienen sollen. Wenn man eine solche Begründung überhaupt für erforderlich hält, begntigt man sich üblicherweise mit dem pauschalen Hinweis auf Kants Absicht. den Humeschen Skepti-

zismus zu widerlegen.7-3 Die'in der Literatur bekanntlich umstrittene Frage. ob Hume überhaupt als Skeptiker anzusehen ist, können wir hier offenlassen.2“ Denn relevant ist im gegenwärtigen Zusammenhang allein die Frage, ob Kant in Hume einen radikalen epistemologischen Skeptiker gesehen hat. Nun kann man nicht ernsthaft bezweifeln, daß Hume ftir Kant ein Skeptiker — ja der ”geistreichste unter allen Skeptikem" — (A 764/B 792) geWes_en ist. Aber es sind durchaus Zweifel an der Annahme angebracht, daß Hume fiir Kant als ein epistemolagischer Skeptiker wichtig war. Denn zum einen kann als nahezu sicher gelten, daß Kant 1-1umes Tieatise'

vor dem Erscheinen der KW nicht gelesen hat.25 Hume hat aber gerade die den

22 Selbetwaursichdas zeigensdlte. istdariritnanlrlichniehtbewr'esen.deßKantirrdcrbeduk

timnaeh (Pl.)veri‘ihrt. Aberdanntrifedochaufliastt selberebaidu m‚was erdensclrati-

schen Cornmur-sense—Philosophen vorwarl': daß“ sie immer das als mgestandur annehmen, was er [re. Hume] eben bezwu'felte, dagegen aber mit Heftigkeit und nidtrenteils mit. gn£er Unbescheidenhu't derjenige bewiesen, war ihm r1iunalr zu bezweifeln'in den Sinn gekommen war" (Pr. Vor-rede AA IV S. 758).

23 Typis_ch 1. B.. I. Bennett (1966) 5. um

24 In einer klassische Kritik an der 'skeptirchen' Interpretation Humes hat N. Kap-Smith der Naturalismus Humes herausgestt (Kemp-Smith (1941)). Die 'üeptische' Interpraation

verteidigt R. Fogelin (1984). Zu dieser Frage vgl. auch D. N. Norton (1982).

25 Kant hat mit großer Wshrscheinlichkeit keine englischen Texte lesen können (Vgl. dem Erdmann (1888) S. 63f. und Holzhey (1970) S. 45.) Eine dern:che Übersetzung var Humes Treedse‘ erschiennbererst 1790. (ZuKantslienntnisvonl-lurnes8ehriftenunddmdurritverbunden Problemen vgl. die übersichtliche Darstellung bei Holrhey (1970) S. 144fi. sowie Beck

Karus 'Hauptzweck'

27

Außenweltskeptizismns betreffenden Überlegungen aus dein "I'reatise'26 nicht in den ersten 'Enquiry' übernommen.” Es ist daher eher unwahrscheinlich, daß Humes skeptische Betrachtungen über unseren Glauben an eine fiir sich bestehende Außenwelt für Kant bedeutsam werden konnten. Wichtiger ist aber zweitens, daß Kant in den Zusammenhängen, in denen er

Humes Skeptizismus thematisiert, nicht in erster Linie den epistemologisrihen Skeptiker, sondern den metaphysischen Skeptiker vor Augen hat. Was unter einem metaphysischen Skeptiker zu verstehen ist, und wieso Hume für Kant zum Paradigma eines solchen metaphysischen Skeptiker‘s avancierte, lehrt ein Blick in die Königsbergische Zeitung. Dort erschienen am 5. Julius 1771 die “Nachtgedanken eines Zweiflers". Es handelt sich um eine Übersetzung des letzten Abschnitts des ersten Buches von

Humes 'Treatise':28 "Das ‚menschliche Gemilth forscht nichß so neugierig als die Ursachen jeder Er— scheinung nach. Ohne mit der Erkemtniß der unmittelbaren Ursachen zufrieden zu seyn. hören wir mit unserm Nachdenken nicht eher auf, bis wir zum ursprünglich letzten Grunde gekommen sind. Wir möchten nicht gerne eher stehen bleiben, als bis wir mit der Kraft selbst in der Ursache. die eine Würkung erzeugt. und mit der thätigen Eigenschaft bekannt geworden. worauf das Band zwischen beiden eigentlich beruht. Dieses ist das Ziel von allem unserm Studiren und Nachdenken; und in was für Verlegenheit müssen wir gerathen, wenn wir lernen, daß diese Verbindung. dies Band oder diese Wirksamkeit schlechterdings in 11115 selbst liegt. und nichts als eine Bestimmung der Seele ist, welche wir uns durch die Gewohnheit erwerben [...]? Eine solche Entdeckung benirnmt uns nicht nur alle Hoffnung einer jemals zu errei— chenden Zufriedenheit, sondern hebt selbst unsere Wünsche damach auf; weil es of-

fenbar. daß wenn wir den letzten wirkenden Grund als etwas. so in dem äußerlichen Gegenstand seinen Sitz hat. zu entdecken verlangen, wir uns entweder selbst wiedersprechen, oder ohne Sinn reden. [...] [D]er Verstand, wenn er allein und nach sei-

nen allgemeinsten Gmndgesetzen handelt, [richtet] sich selbst zu Gninde [...]. Von dieser gänzlichen Zweifelsucht werden wir blos ver-mittelst der sonderbaren mid dem Schein nach tmbetrlichtlichen Eigenschaft der Einbildung befreyt. nach welcher wir Mühe haben, uns in entfernte Aussichten der Dinge einzulaßen [.. ]. Sollen wir es aber zu einer Grundregel machen. daß keine feinem und künstliche Überlegung

(1978) S. 101-129; Kuehn (1984) u. (1987) Carl (198910). Allerdings hat Kant mit großer Wahrscheinlichkeit in der 70er Jahren Teile aus Borna Treatise über die ausführlichen Zitate in der 1772 erschiuienen deutschen Übersetmng von Beatrice 'Essay on the Nature and Immutability of Tnith' kennmgelernt. Vgl. dazu R. P. Wolff (1960). Zwei weitere Quellen sind: 1. Hamanns 1771 erschienene Übersea der Schlußabschnitts von Humes Treatisc‘; 2. die Darstellung. die Tetens‘in seinen 'Versuchen' von Humes Position gibt. 26 "Of scepticism with regard to the sensor"; Treatise. Book I Part IV. Section II. 27 Die 1755;rschienene deutsche Übersea dieser Schrift hat Kant besessen. Vgl. Wanda (1922) S 0 28 Die Übersetzung stammt von Hamann. Ich n'tiere nach Hamann: Werken Bd. IV. S. 364-67. (Die am 12. Juli erschimene Fortsetmng ist auf dar S. 368- 70 abgedruckt.) Zum folgenden vgl. die ausgezeichnete Arbeit von Kuehn (1984).

28

Die Fugend.der6mtmißigtnüdetthm angenommen. werden soll? Denn würde alle W‘rssarschat't und Philosophie aufhören [...] Es bleibt uns keine andere Wahl übrig zwischen einfalschen Venuufi und gar keiner. [...] Der angestrengte Anblick dieser mannigfalligen Widersprüche tutti Unvollkommenheiten in der marschlichen Vernunft hat mich so benemmen und mein Gehirn erhitzt. daß ich geneigt bin. allen Glmrben. alle Beweise und alle Grade der Wahrscheinlichlteit aufzugeben. Wo oder was bin ich? Von welchen Ursacher leite ich mein Daseyn. und wohin geht meine künftige Bestimmung? Wessen Gunst soll ich suchen md vor wessen Zorn mich fürchtet? Was fiir Wesen umgeben mich? Auf welche hab ich Einfluß und welche auf mich? Alle dise Fragen stllr7ert mich in die größte Verwirrung, und meine Einbildtmgskraft vusetzt mich in den kläglichen Zustand, unmebelt mich mit da dicksten Finsterniß und entn'eht mir den Gebrauch ' “ ' ’ aller Glieder und Fähigkeiten" (Hamann IV (1952) S. 365ff.)

Hier spricht der metaphysische Skeptiker, der Kant den do

tischen

Schlummer unterbrach, indem er, ausgehend "von einem einzigen. aber wichtigen Begriffe der Metaritysik. nämlich dem der V e r k n t t p f u n g d e r U r s s c h e u n d W i r k u n g [...] die Vernunft. dieda vorgibt. ihn in ihrem Schoße erzeugt zu haben. auf[fordertl‚ ihm Rede und Antwort zu geben, mit welchem Rechte sie sich denkt: daß etwas so beschaffen sein könne, daß, wenn es gesetzt ist, dadurch auch etwas Anderes notwendig gesetzt werden müsse [...]. Er bewies unwidersprechlich. daß es der Verntmft gänzlich unmöglich sei. a p r i o r i und aus Begriffen eine solche Verbindung zu denken [...]. Hieraus schloß er, daß die Vemunfl sich mit diesem Begrifl’e ganz und gar betrige, daß sie ihnfälschlichfllr ihreigenl(indhalte. daerdochnichts mderesalseinBasta'rdder Einbildungskraft sei. die durch Erfahrung beechwängert, gewisse Vorstellungen unter das Gesetz der Assoziation gebracht hat und eine daraus artspririgende subjektive Notwendigkeit, d.i. Gewohnheit. fiir eine objektive aus Einsicht tmterschiebt. Hieraus schloß er. die Vernunfi habe gar kein Vermögen. solche Verb-üpfimgen, auch selbst nur im allgemeiner, zu denken; weil ihre Begriffe alsd bloße Erdichtungen sein würden, und alle ihre vergeblich & p r i o r i bestehenden Erkenntnisse wären nichts als falsch gesternpelte gemeine Erfahnmgar. welches ebensoviel sagt als: es gebe überall keine Metaphysik und Ente auch keine geben" (Pr. Vorrede AA S. 257f.).

Es ist nicht so sehr Humes skeptische Analyse des Kausalbegriffs selbst (wie immer wieder unterstellt wird). sondern es sind die Schlußfolgerungen, die Hume aus dieser Analyse für die (Un-)Möglichlteit der Metaphysik zieht,

die seinen Zweifel für Kant interessant werden lassen:” 29 Daß es nicht Humes skeptisch—cmpiristische Analyse des Kausalveriailmiases als soläe gewesen ist, die Kant aus seinem dognatischen Schlummer aufsdueckte. wird und: durch zwei wei— tere Indizien bestätigt: ]. Tonelli hat gezeigt. daß =npiristisclre Analysat des Kausalverhiltnisses im releva Zeitraum durchaus verbreitet waren. In dieser Hinsidrt in Hanne keine singulire Endreinung (vgl. Tonelli (1966)); 2. Mit ner anpiristischur Kausalititsauffassung hatte Kant selber bereits gelieüugelt. bevor er durch Hause aus seinem dogmstischen Sdrlumrner erweckt wurde. Wieso sollte Kant Bunte gerade hinsidrtlielt einer Auffassung. die er(a)selberdmnalvenretenhsueund die(b)ohnehin weitverlxeitawar‚ sogrnßeßedeumng beimessen, daß er meinte, daß ar jener traten Wissenschaft (ganeint ist die Kritik der reinen

Vemunft) “von allem bisher Gegebencn nichts genutzt werdm kannte als allein der Wink. den H u m e s Zweifelgebarkonnterr“(hVorredeMlV&2flfl

'

Kants 'Hsurptzwedt'

29

"Es wu nicht die Frage. ob der Begriff der Ursache richtig. br'auchbar turd in Ansehung der ganzen Naturerkermtnis unentbehrlich sei. denn dieses harte H u m e niemals in Zweifel gezogen; sondern ob er durch die Vemunfi a priori gedacht werde und auf solche Weise eine von aller Erfahrung unabhängige innae Wahrheit und daher auch wohl weiter ausgedehnte Brauchbarkeit habe. die nicht blqß auf Gegenstände da- Erfahrung eingeschränkt sei: hiertlba erwartete H u m e Eröffnung" (Pr. Vorrede AA IV S. 158f.). -

Ob Kant damit eine angemessene Darstellung von Humes "Frage" gibt, braucht uns nicht zu interessieren. Entscheidend ist. daßfür Kant Humes Kritik der transzendenten Metaphysik wichtiger ist als sein Skeptizismus in bezug auf die Namrerkenntnis. Um besser zu verstehen, wieSo dies so ist. müssen wir einen Blick auf Kants philosophische Entwicklung werfen. In der 1770 erschienenen Inauguraldissertation ist Kant bezüglich der Möglichkeit einer transzendenten Metaphysik bekanntlich noch recht optimistisch: Durch den reinen Verstand können wir die Dinge erkennen, wie sie (an sich)

sind?0 Wohl unter dem Einfluß der Lektüre Von Leibniz' Nouveaux Essais' (1765 erschienen), die Kant wohl bald nach ihrem Erscheinen gelesen. hat,31 verwirft er die empiristisch mientiencn Spekulationen, die er noch in den Träumen eines Geistersehers' (1766) angestellt hatte. Von 'nun an ist er über?

zeugt. daß es reine Verstandesbegriffe gibt, die ihren Ursprung in Verstandeshandlungen haben.32 Aber schon wenig später bemerkt er:, daß er es sich in der Dissertation zu leicht gemacht hat. Am 21. 2. 1772 schreibt er an seinen ehemaligen Schüler Marcus Herz: . "Ich hatte mich in der dissertation damit begntlgt die Natur der imellemal versteh hingen bloß negativ ausmdrIlken: daß sie namlich nicht modificationen der Seele

30 Vgl. Demundiä4f.MflS.392f. “

Vgl. Cassirer (1921) S. 104;Va.ihinger (1892)Bd.11.8. 903.hdaedemdm?rdcgo— mcna' hebt Kant die Bedeurmrgda'Versudre' von Lodeundlaeilmizfilrdss8dricksal der

%Ileäphyaik besondedmrshervor %nede AAIVS. 757). Vgl. audtR5637. wo I.eihmz' das e "east zuges

"eben wird,

haben (AA XVIII 8.273).

&rprnnn"us

der Verstandcsbegnfl'ewidcrle t z u

bzgl.

8

32 Man vergleiche etwa Kants Banerkungirn5 8derDissert-tim: “(hmiraqueinMetaphysi c-s nmnpefimNrpfindpiaanpifiuzmncepusinipnobviinmquaamdismtinsaaibus.sed inipsanatura intellectus puri‚nontanquam cmwpus connati.sedelegihusmm tiinsiris (amdurdo adeius actiones occssione experientiae) abatracti, adeoque a c q u i s i t i . Huius generis sunt possibilitas. cxsistentis‚ necessitas. substsntia. causa etc. arm suis Oppositis nut

eorrelstis" (DemundiäßMll3. 395) mit Leihriz' Bancrkung: "On rn'opposerncetaxiome

recueparmylesl’hiloscphes. q u e r i e n n ' e s t d a n s l ' a m e q u i n e v i e n n e d e s sen:.Maisr'lfarnerccptal'arnemäneetsesafi’ectiurcs. N i h i l e s t i n i n t e l l e c t u , q u o d n o n f u e r i t i n s e n s u . e x d p e z n i s i i p s e i n t e l l e c t u s . 0 r l ' s r n e ren— ferrne l'esue‚lasubstance‚lirn.lemüne.laesuse‚lapaceptiomla raismnement.etqnantité d'autresnotiurs‚quelessensnesauroiurtdonnerf(leihuiz(lflß)ßdVS.100f.undkurzzn— vor: "L'experimceestnewssaire. jel'avmc‚afinque l'amesdtdderminéeitdlespatsées‚et afinqu'elleprennegan'hauxidéesquisontnnous" (eherda).Vgl.sudtäßßder'hdcuado-

logie'und56der'l'rincipesdelanauueetdelagrice'.

{

Die Frage nach der Gesetnnißigkeit der Natur

30

durch den Gegenstand wären. Wie aber denn sonst eine Vorstellung die sich auf einen Gegenstand bezieht ohne von ihm auf einige Weise afficiert zu seyn möglich überging ich mit Stillschweigen. Ich hatte gesagt: die sinnliche Vorstellungen stellen die Dinge vor, wie sie erscheinen. die intellectuale wie sie sind. Wodurch aber werden uns denn diese Dinge gegeben, wenn sie es nicht durch die Art werden, womit sie uns afficieren und wenn solche intellectuale Vorstellungen auf unsrer innern 'I'hätigkeit beruhen. woher komt die Übereinstimmung, die sie mit Gegenständen haben sollen. die doch dadurch nicht etwa hervorgebracht werden und die axiornata der reinen Vernunft über diese Gegenstände. woher stimmen sie mit diesen überein.

ohne daß diese Übereinstimmung von der Erfahrung hat dürfen Hfllfe entlehncn"? (AA X S. 130f.)

Dies ist die erste rudimentäre Formulierung der Problems der Kategoriendeduktion. Nachdem Kant von Leibniz überzeugt wurde, daß die "intellektualen Vorstellungen auf unserer inneren Tätigkeit beruhen", ging er in der Dissertation noch davon aus, daß mit ihnen ein 'realer Verstandesgebrauch' zur Erkenntnis der Dinge an sich möglich ist (vgl. z.B. & 5 der Dissertation); jetzt sieht er, daß eine solche Erkenntnis problematisch ist. Denn wenn die Verbin-

dung, die wir etwa im Begriff des Kausalverhältnisses denken "schlechterdings in uns liegt", dann widersprechen wir uns, ”wenn wir den letzten wirkenden Grund als etwas, so in dem äußerlichen Gegenstand seinen Sitz hat, zu entdecken verlangen" (Hamann IV (1952) S. 366f.).

Zwar findet sich Kant mit dem "Gnmdsatze des H u m e . den Gebrauch der Vernunft nicht über das Feld aller möglicher Erfahrung dogmatisch hinaus

Wie es dazu kam. ist trotz eingehender mtvdeklungsgeschichtliclter Forschungen immer noch nicht befriedigend geklärt. Klar ist, daß hier das Antirtornienproblern eine wichtige Rolle ge-

spielt hst. Umstritten ist, wie diese Rolle näher zu charakterisieren ist (vgl. dazu unter den neueren Arbeiten Schmucker (1974), Scheffel (1979). Kuchn (1984), Carl (19893) S. 1463 und Schmitz (1989) S. 60ff.) Ich kann auf diese Frage hier nicht nüer eingehen Insbesondere muß die - umstrittene - Frage hier offenbleiben, ob auch fiir die Entstehung des Antinomienpro-

blems Hume verantwortlich nr machm ist.

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zu treiben" (Pr. AA IV 360) bald ab.33 Trotzdem ist er "weit entfemt, ihm [sc. Hume] in Ansehung seiner Folgerungen Gehör zu geben" (Pr. Vorrede AA IV S. 260). Denn obwohl Hume "mit Recht [behauptet,] daß wir die Möglichkeit der Kausalität, d.i. der Beziehung des Daseins eines Dinges auf das Dasein von irgendetwas anderem, was durch jenes notwendig gesetzt werde, durch Vernunft auf keine Weise einsehen", so ist es für Kant doch ausgeschlossen, “diese Begriffe als bloß aus der Erfahrung endehnt und die Notwendigkeit, die in ihnen vorgestellt wird, als angedichtet und fiir bloßen Schein zu halten, den uns eine lange Gewohnheit vorspiegelt" (Pr. & 27 AA IV S. 310f.). An der Leibniz. schen Lektion über den apriorischen Ursprung der Verstandesbegriffe hält Kant fest, obwohl er erkennt, daß Hume mit seiner Kritik an der transzendenten Me-

Km 'Huptzweek'

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taphysik insofern recht hat, als ein legitimer Erkenntnisgebrauch von solchen Begriffen, der über die Erfahrung hinausgeht, unmöglich ist. Aber Humes radikale skeptische Konsequenz, daß uns keine Wahl bleibt, als zwischen einer falschen und gar keiner Vernunft; daß die Vernunft sich mit ihren Begriffen ganz und gar heutige und es folglich überall keine Metaphysik gebe und auch nicht geben könne, kann Kant nicht akzeptieren. Obwohl Kant also (mit Hume) einen die Erfahrung überschreitenden Erkenntnisgebrauch der Kategorien ausschließt. kann er doch Humes empiristisehe Begründung der Einschränkung des Verstandecgebrauchs nicht übernehmen. An dem Urspnmg a priori der Kategorien hält Kant aber nicht nur um seiner selbst willen fest; er erkennt, daß mit der Apriorität der reinen Verstandesbegrifl'e seine rationalistische Moralphilosophie (die ja im Kern bereits in der Dissertation von 1770 vorliegt) steht und fällt: "Hätte ich mit H u rn e dem Begrifi'e der Kansslitßt die objektive Realitßt'rm theo-

retischen34 Gebrauche nicht allein'rn Ansehung der Sachen an sich selbst (des Über

sinnlichen). sondern auch"in Ansehung der Gegenstände der Sinne genommen. so

wäre er aller Bedeutung verlustig und als ein tlworetisch unntöglt'clter Begriff fiir

gänzlich unbrauchbar erklärt werden, und da von nichts sich auch kein Gebrauch machen läßt. dapralar‘sche Gebrauch eines t h e o r e t i s c h - n i c h t i g e n Begrifi's ganz ungereirnt gewesen" (KpV AA V S 56).

Erneut ist damit wiederum die Frage der uanszendenten Metaphysik (hier allerdings bezogen auf den praktischen Vemunftgebrauch) angesprochen. Des— sen Sicherung macht es erforderlich, "den reinen Verstandesbegriffen ihren Ursprung a priori und den allgemeinen Naturgesetzen ihre Gültigkeit als Gesetzen

des Verstandes" zu retten (Pr. 5 30 AA IV 3. 313). Denn wenn man - wie Hume - den Begriff der Ursache "im Grunde als falsch und bloßen Gedanken— betrug" verwirft (KpV AA V S. 12), so ist sein Schluß “aus dem Unverrnögen unserer Vernunft [...] von diesem Gnrndsatze [sc. der Kausalitilt] einen über alle Erfahrung hinausgehenden Gebrauch zu machen, [...auf] die Nichtigkeit aller Anmaßungen der Vernunft überhaupt über das Empirische hinauszuge— hen", unausweichlich (A 760/B 788). Gegen den Humeschen Skeptizismus muß daher in der transzendentalen "Deduktion e r s t l i c h bewies[en werden], daß sie [sc. die Kategorien] nicht entpiri_schen Ursprungs sind. sondern a priori im reinen Verstmde ihrer Sitz und Quelle haben; z w e i t e n s auch.daß. dasie auf G e g e n s t ä n d e ü b e r h a u p t unabhängig von ihrer Anschauung bezogen werden. sie zwar nur in Anwendung auf

e m p i r i s c h e Gegenstände t h e o r e t i s c h e E r k e n n t n i s zustande bringen. aber doch auch, auf einen durch reine praldische Vemunft gegebenen Gegen—



Im Text der 1. Auflage steht "pnktisdrur" anzielle vu: "theoretr'sdrat". Ich folge der durdr

den Kontext der Stelle erzwungare--Korrektur Sdri'ndörffers, die auch die Akadqnieausgabe ü b e m hat.

32

Die Frage nach derGesctunißigkeit de‘Natnr

stand angewandt. zum b e s t i m m t e n ”

D e n k e n des U b e r s i n n l i -

c h e n dienen"(l(pVAAV$. 141).

\?) 27

Eben dieser praktische Gebrauch der Kategorie wäre aber unmöglich. “wenn nach H u m e dieser Begriff [...] etwas. das überall zu denken unmög_ ' lich ist, enthielte" (KpV AA V S. 54). Mit (vielleicht auch durch) Hume ist Kant von der Illegitimität der transzendenten Vemunfterkenntnis überzeugt Humes Skepsis macht Kant deutlich, daß eine Erklärung der Möglichkeit der Gegenstandsbeziehung reiner Verstandesbegriffe erforderlich ist. Humes radikale empiristische Erklärung der Unmöglichkeit des transzendenten Vernunftgebrauchs kann Kant aber vor allem deshalb nicht übernehmen, weil mit ihr der praktische Vemunftebraueh unmöglich gemacht wird. Damit sollte deutlich geworden sein, daß und inwiefern Hume ftir Kant vor allem als metaphysischer Skeptiker zum Gegenstand der Kritik werden mußte. Durch Humes Angriff auf die Metaphysik wird Kant erst die Wichtigkeit. aber auch die besondere Schwierigkeit, einer transzendentalen Deduktion deutlich.

Aber könnte Hume nicht umbhängig davon auch als epistemologr‘scher Skeptiker eine für Kant wichtige Rolle gespielt haben? Es soll nun gezeigt werden, daß dies aber unwahrscheinlich ist. Kant ist natürlich nicht entgangen, daß Humes Skepsis sich nicht allein auf die nanszendente Metaphysik erstreckte. Zwar ist der "Skeptizismus [...] mantänglich aus der Metaphysik und ihrer polizeilosen Dialektik erntspnmgen. [...] J Nach und nach aber, da man inne ward, daß es doch ebendieselben Gnrndsätze a p r i o r i sind, deren man sich bei der Erfahrung bedient, die unverrnerkt und. wie es schien, mit ebendemselben Recht noch weiter führtm, als Erfahrung reicht, so fing man an, selbst in Erfahrungsgrundsätze einen Zwenfel zu setzen." Aber Kant fährt fort: "Hiermit hat es nun wohl keine Not. denn der gesunde Verstand wird hierin wohl jederzeit seine Rechte behaupten; allein es entsprang doch eine besondere Ver_nmrrurng in der Wissenschaft, die nicht bestimmen kann. wrewert_ und warum nur bis dahm und nicht weiter der Vernunft zu trauen sei; dieser Vawrrrung aber kann nur durch

förmliche und aus Grundsätzen genogene Grenzbestirnmrmg unsaes Vernunftgebrauchs abgeholfen und allem Rückfall auf künftige Zeit vorgebeugt werden (Pr.

& 57 AA IV S. 351).

—*

9 Besonders deutlich äußert sich Kant in der Preisschrift über die Fortschritte

der Metaphysik zur Skepsis in bezug auf die Erfahrungserkenntnis:

„"Die Ausdehnung da- Zweifellehre. sogar auf die Prinzipien der Erkenntniß_des Sirmliehen, und auf die Erfahrung selbst, kann man nicht fiiglrch ftir eine ansthche

35 Vermutlich in "man unbestinuntut Denken“ m lesen; vgl. xpv AA v 56.

Kanu 'liauprzweek'

33

Meynung halten. die in irgend einen Zeitalter da Philosophie“ statt gefunden habe"

(Fomchfine; aaxxs. 263). . Diese Äußerungen bestätigen, was wir anfangs bereits bemerkt haben: Die

/ /

Deduktion der Verstandesbegriffe erfolgt nicht in der Absicht, die ‘Sicherheit und Gewißheit' der Naturerkenntnis und Mathematik gegen den allgemeinen Skeptizismus zu retten. Indem Hume den " E m p i r i s m u s als die einzige Quelle der Prinzipien ehrgeführt“ hatte, war zwar “zugleich der härteste S k e p t i z i s m u s selbst in Ansehung der ganzen Naturwissenschaft", ja “selbst in Ansehung der Mathematik" eingeführt (KpV AA V S. 51f.). Aber die " e m p i r i s c h e Ableitung [der Verstandesbegfiffe] [...] läßt sich mit der Wirklichkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse a priori, die wir haben, nämlich der r e i n e n M a t h e m a t i k und a l l g e m e i n e n N a t u r w i s s e n s c h a f t . nicht vereinigen, und wird also dmch das Faktum widerlegt“ (B 127f.; vgl. auch B 20). Wenn Kant also Humes Zweifel aus dem Grunde heben will, so geschieht dies nicht, um Mathematik und reine Namrwissenschaft zu sichern, sondern im Blick auf die skeptischen Konsequenzen, die Humes Empirismus für den praktischen Vemunftgebrauch hat.

sik erfordert nicht nur die Beschränkung des theoretischen Gebrauchs der Vernunft; die transiendentale Deduktion muß auch verhüten, “jeden Gebrauch derselben, selbst den in praktischer Absicht, bloß auf Gegenstände und Bestimmungsgriinde der Sinne ein[zu]schränke[nl" (KpV AA V S. 141). Deshalb ver-

folgt Kant neben seiner negativen auch seine positive Absicht:

'

"Weil wir aber von ihnen [sc. den Kategorien] doch einen Gebrauch machen. darin sie zur E r k e n n t n i ß der Objecte (der Erfahrung) wirklich gehören. so mußte nun auch die Möglichkeit eins objectiven Gültigkeit solcher Begriffe a priori in Beziehung aufs Empirische besonders bewiesen werden, damit sie nicht gar ohne Be— deutung. oder auch nicht empirisch e n t s p r r m g e n zu sein gemheilt würden; unddas war die p o s i t i v e

Absicht, in Ansehtmg derendie D e d u c t i o n

lerdings unentbehrlich notwendig ist" (AA VIII 8. 184).

al-

Der Beweis der objektiven Gültigkeit der Kategorien ist also erforderlich. um den reinen Verstandesbegniffen ihren Ursprung a priori zu sichern, ohne

den der praktische Vernunftgebrauch nicht möglich wäre:

"ich habe die objektive Realität dieser Begriffe [sc. da Kategorien] nur in Anselumg der G e g e n s t ä n d e m ö g l i c h e r E r f a h r u n g deduzieren können. Aber ebendieses. daß ich sie auch nur in diesem Falle gerettet habe. daß ich gewiesen

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'

So ist auch besser zu verstehen. wieso sich Kant in der transzendentalen Deduktion nicht mit der Einschränkung des Erkennmisgebrauchs der Kategorien auf den Bereich möglicher Erfahrung zufrieden geben konnte. Die Entscheidung über Möglichkeit oder Unmöglichkeit der transzendenten Metaphy-

fäÄ‘

Die Frage nad: der Gesetnnißigkeit da Natur

habe, es lassen sich dachrrch doch Objekte d e n k e n . obgleich_nicht : priori be-

stimmen: dieses ist es, was ihnen einen Platz im reiner Verstande gibt. von dem sie auf Objekte überhaupt (sinnliche oder nicht sinnliche) bezogen werdet" (KpV AA V . S. 54).

Um den "Grundsatz des Hume, den Gebrauch der Vernunft nicht über das Feld aller möglichen Erfahrung dogmatisch hinaus zu treiben“ (Pr. & 58 AA IV

S. 360) zu beweisen, reicht strenggenommen bereits die Exposition der_Kategorien aus?5 Da der transrrendente Vemunftgebrauch sich aber ebendemelben Grundsätze a priori, die auch der Erfahrungserkenntnis zugrundeliegen. zu bedienen scheint, so entspinnt sich erneut jene Dialektik von Skeptizismus und Dogmatismus, die Kant endgültig beenden wollte: Der Skeptiker erklärt die vermeintlich a priori gegebenen Begriffe und Grundsätze "für trüglich und falsches Blendwerk" (KpV AA V S. 53) — woraus nicht allein der Skeptizisruus in bezug auf die Erfahrungserkenntnis und Mathematik. sondern auch die Unmöglichkeit einer rationalistischen Ethik folgt; ebendies aber gibt der zwar hier

und da gezwackten Vernunft des Dogmatikers ihren ganz eigenn'irnlichen Schwung zurück und so widerfährt dem Skeptizismus "daß er selbst bezweifelt wird, indem seine Einwürfe nur auf Faktis, welche zufällig sind, nicht aber auf Prinzipien beruhen, die eine notwendige Entsagung auf das Recht dogmatischer

‚' ‚ ' Behauptungen bewirken könnten" (A 767f./B 795f.). transder ch Beweisanspru und Was folgt nun daraus für Programm zendentalen Deduktion? Zunächst einmal bestätigt sich durch die Art, wie Kant sein Verhältnis zu Hume beschreibt. daß sich sein Hauptinteresse in der KW auf die Möglichkeit der transzendenten Metaphysik richtet. Allerdings müssen 3 wir die anfangs gegebene Darstellung insofern erweitem. als es Kant dabei

“3' nicht allein um die Destrulcrion der Erkennmisanspriiche der transzendenten Metaphysik geht; es geht ebenso darum - gegen den metaphysischen Skeptiker —‚ “den reinen Verstandesbegriffen ihren Ursprung a priori" zu retten (Pr. & 30

AA IV 8. 313), so daß sie "auch von Noumenen gebraucht werden“ können, allerdings ohne diese "im mindesten bestimmen und dadurch eine Erkenntnis bewirken zu können" (KpV AA V S. 54). 36 Vgl. AA VIII S. 184. Dieser Exposition zufolge sind die Kategorien “auf Objekte überhaupt

angewandte logische Funktionat" (daends). Setzt man dies voraus, so folgt unter: de Voraussetzung, daß uns Objekte nur durdr unsere Sinne gegebar werden können. cite Ernsehr'a'nknng

des Erkenntnisgebrauchs der Kategorien auf Gegmrtinde möglicher Erfahrung. Kant hat also recht. wenn er in den MAdN behauptet, daß "fiir denjmigeu, dermeine Sitz: var der Smnheb-

keit aller unsaer Anschauung und der Zulinglichku't der Tafel der Kategorien, als von der logischen Functionm in Unheilen überhaupt endehnter Bestimmungen unseres Bewußtserna, un. terrchreibt, [...] die Kategort [...] gar keinen anderen Gebrauch. als blos in Behebung auf Gegenstände der Erfahrung haben können" (AA IV S. 474 Ann.). Aber der metafltysrsehe Skeptiker bestreitet gerade die an zweiter Stelle genannte Voraussetzung. wenn er die Kategonen zu

'Erdicburngen' der Einbildungskraft erklärt.

Kent: 'Harqatzweri'

35

Die transzendente Metaphysik ist also fiir Kant aus zwei _gegensätzlichen Perspektiven für die Aufgabenstellung der transzendentalen Deduktion von Be-

deutung: lnsofern, als ihre Erkenntnisansprüche destruiert werden sollen, ergibt sich die Frage nach der Art, wie sich reine Verstandesbegriffe auf Gegenstände beziehen können. In dieser Erklärung muß verständlich gemacht werden, “wieweit und warum nur bis dahin und nicht weiter der Vernunft zu trauen sei"'(Pr. AA N S. 351). Da andererseits der praktische Vemrmftgebrauch gegen den metaphysischen Skeptiker gerettet werden soll, war in der transzendentalen Deduktion erstens zu beweisen, daß die Kategorien "nicht empirischen Ursprungs sind, sondern a priori im reinen Vustande ihren Sitz und Quelle haben; z w e i t e n s auch, daß. da sie auf G e g e n s t ä n d e l i b e r -

h a u p t unabhängig von ihrer Anschauung bezogen waden, sie zwar nur in An-

wendung auf empirische Gegenstände t h e o r e t i s c h e E r k e n n t n i s zustande bringen. aber doch auch. auf einen durch reineraktische Vernunft ‘gJegebener-r Gegenstand angewandt, zum b e s t i m m t e n 3 D e n k e n des bers i n n l i c h e n dienen"(l(pVAAV8.l4l).

Die nanszendentale Deduktion kann sich daher nicht auf eine Erklärung der Art, wie sich reine Verstandesbegritfe auf Gegenstände beziehen können, beschränken: die objektive Gültigkeit der reinen Verstandesbegriffe muß auch bewiesen werden. Denn wenn ihnen "die objektive Realität im theoretischen Ge-

brauche nicht allein in Ansehung der Sachen an sich selbst (des Übersinnlichen), sondern auch in'Ansehung der Gegenstände der Sinne genommen [wür-

de], so wäre[n sie] [...] aller Bedeutung verlustig" und auch "der praktische Ge-

brauch [...] ganz ungereimt" (KpV AA V S. 56).



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Wir haben nun gesehen, wieso Kant in der transzendentalen Deduktion sowohl eine Erklärung als auch einen Geltungsbeweis (nämlich einen Beweis der Kategorienthese) geben muß, und wie sich dies aus dem Programm der Untersuchung der Möglichkeit der ttanszendenten Metaphysik ergibt. Was folgt aber für unsere Frage nach der Reichweite von Kants Beweisanspruch in bezug auf

den Geltungsbeweis? Ich fürchte, es folgt, daß wir die Frage offen lassen müssen. Jedenfalls stellt die Benrfung auf Kants antiskeptische Intention keinen hinreichenden Grund für die starke Lesart (PL) dar, da Kant (a) den epistemologischen Skeptizismus nicht besonders ernst genommen hat und (b) der Geltungsbeweis bloß eine mittelbare Funktion zur Absicherung gegen den metaphysischen Skeptiker erfiillt. Es ist keineswegs selbstverständlich, daß für diese Aufgabe ein Verfahren nach dem starken Beweisprogramm (PL) erforderlich ist.

37 Vgl. oben Anm. 35.

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Die Fragenadtder6eaetmißigkeitdaNatnr

36

1.2.2. Das synthetische Verfahren der KW ' Wir haben nun gesehen, daß Kants Absicht, den Humeschen Zweifel aus

dem Grunde zu heben, nicht dazu zwingt, ihm den starken Beweisanspmch

Argemäß (PL) zuzuschreiben. Wie steht es mit dem zweiten oben genannten transder rn Kant daß e, Annahm die gument zugunsten von (PL)? Widerspricht Vorzendentalen Deduktion die Objektivitätsthese als nicht weiter begründete der nach KW der in aussetzung in Anspruch nimmt, nicht der Bekundung, daß synthetischen Beweisart zu verfahren sei, die "nichts als gegeben zum Grunde legt außer die Vernunft selbst und also, ohne sich auf irgendein Faktum zu stüt(Pr. zen, die Erkenntnis aus ihren ursprünglichen Keimen zu entwickeln sucht" _ 1 — 5 4 A A I V S . 274)? n Auch dieses Argument ist nicht zwingend. Denn der Unterschied zwrsche ernfach dem synthetischen und dem analytischen Verfahren ist nmächst einmal ein Unterschied in der Richtung der Untersuchung: Beim analytischen Verfahren geht man von synthetischen Erkenntnissen als gegeben aus und stergt zu den subjektiven "Quellen [...], die man noch nicht kennt“ (ebenda S. 275) auf. Den Ausgangspunkt bilden beim analytischen Verfahren gewisse synthetrsche - ' Urteile a priori; von ihnen ausgehend sollen die zugrundeliegenden Erkenrh nisverrnögen, die die "Prinzipien ihrer Möglichkeit“ (Prä_ 5 AA IV S. 276)

sind, ermittelt werden. Bei dem in der KrV verfolgten synthetischen Verfahren

urtbilden dagegen die Erkenntnisvennögen den Ausgangspunkt, und es rst_zu

terstibhen, ob und ggf. in welchem Umfang und auf welche Weise sre syn-

thetische Erkenntnis a priori ermöglichen. Die Unterscheidung zwischen syn— thetischer und analytischer Methode betrifft daher in erster Linie die Frage

nach der Erklärung der Möglichkeit synthetische: Urteile a priori. Daß‚berm

synthetischen Verfahren kein Faktnm zugrundegelegt wird. heißt zunächst

einmal nur, daß die Erklärung von den subjektiven Erkenntnisvermögen und

nicht von dem, was sie hervorhrihgen (ihren factis), ausgeht. Daraus folgt aber obnichts darüber, von welchen Prämissen in dem Beweis. daß die Kategorien den rn Kant bemerkt Zwar wird. jektive Gültigkeit haben, Gebrauch gemacht

'Prolegomena':



' "Wirdllrfenaberdie M ö g l i c h k e i t solcher[synthetischet] Sätze[aprimi]lrier

# ni ht zitast suchen, d.i. fragen. ob sie möglich seien [...] und da die Methode. die

' ' wir jetzt befolgen. analytisch sein soll, so werden wir davon anfangen. daß derglerIV chen synthetische. aber reine Vermmfterkamtnis wirkhch ser (Pt. 5 5 AA

S. 276).

Daraus kann man wohl schließen, daß bei Befolgung des synthetischen Ver-

feinerts allerdings die Frage aufzuwerfen ist. ob solche Sätze möglich sind. Und .

Kanu 'Hmprzweek'

. 37

diese Frage ist kaum anders beantworten, als indem man 7eigt,daß sie möglich sind? Bedeutet das aber nicht, daß sich die beiden Verfahrensuieisen (analytische und synthetische Methode) nicht nur in der Beweisn‘chtung, sondern auch im Beweisanspruch unterscheiden? Es ist aber zu beachten, daß Kant die Differenz im Beweisanspruch nicht dadurch bezeichnet. daß in den 'Prolegomena' die Wirklichkeit synthetischer Urteile a priori vorausgesetzt werde, während sie in der KW erst bewiesen werden soll. Aus der zitierten Stelle ist lediglich zu entnehmen, daß in der KrV (im Gegensatz zu den 'Prolegomena') zu zeigen ist, daßsynthetische Urteile a priori

möglich sind.33 Der Nachweis, daß synthetische Urteile a priori möglich sind, ist nun in der Tat nur gemäß dem synthetischen Verfahren möglich. indem diese Möglichkeit aus einer Untersuchung unserer Erkennmisleistrmgen abgeleitet wird. Im Rahmen des analytischen Verfahrens wird auf die Erkennmisverrnögen als Ursachen "zu einer gegebenen Wirktmg" (A XVID, nämlich der als gegeben vorausgesetzten synthetischen Urteile a priori, geschlossen: Weil es synthetische Urteile a priori von dieser oder jener Art gibt, muß es auch Erkenntnisvermögen dieser oder jener Art geben (z.B. reine Anschauungsformen). Dem— gegenüber hat aber das synthetische Verfahren der KrV nichts "einer.Hypothese Ähnliches an sich“ (A XVII); hier geht Kant vielmehr von den Erkenntnisverrnögen aus und erschließt deren Existenz nicht erst aus den Synthetischen Erkenntnissen, die sie hervorbringen. Aus der Zergliederung' des Erkenntnisvennögens soll erklärt werden, wie synthetische Urteile a priori möglich sind, ohne daß diese bereits als gegeben vorausgesetzt werden. Aber selbst dann, wenn Kant in der KW die Geltung synthetischer Urteile a priori beweisen will, ohne sich dabei auf gegebene ‘Fakten' zu stützen, so muß dies nicht bedeuten, daß er zu diesem Zweck nicht auf die Objektivitätsthese als Prämisse zurückgreifen kann; ausgeschlossen ist nur, daß er sich in einem solchen Beweis der Geltung synthetischer Urteile a priori bedient. Kants Bemerkungen zum Verhältnis von analytischer und synthetischer Verfahrensweise betreffen daher in erster Linie das Erklärungsprogramm der transzendentalen Deduktion. Ihnen ist also nicht unmittelbar etwa darüber zu entnehmen. welche Prämissen in den Geltungsbeweis eingehen. Somit erweist

38 Vgl. auchdieobenbemhszifiene$mfleamrkr8chflfiüberdiemleologisdmfinäpienz “Weilwirabervonihnen[sedenKnegorien]doeheinen6ebraudrmaehaudarinflemlirk e n n t n i ß der0bjeae (derErfahmng) wirklich gehörur‚aomußtennn auehdießlögliell-

keiteinerobjeetiven Gültigkdtsoleher Begriffe apriori in Bea'ehung auf! Empiriadtebesondersbewieaen werden" (AAVIIIS. 184).

DieanaehderGeeaanißigkätdeNcmr

38

sich auch das zweite Argument zugunsten des starken Beweisanspruchs als untauglich. Wir können damit zum dritten und letzten Argument übergehen.

1.2.3. Die Funktion der Einheit der Apperzeption Wir haben bereits gesehen, daß der Umstand, daß Kant in der transzendentalen Deduktion von der Einheit des Selbstbewußtseins ausgeht, fiir die Frage,

wie stark ihr Beweisanspruch ist, allein wenig besagt.” Denn selbst wenn wrr unterstehen - was nach dem oben Amgeflthrten keineswegs selbstverständlich ist -, daß die Apperzeptionseinheit nicht nur den Ausgangspunkt für die Erklärung der Möglichkeit der objektiven Gültigkeit der Kategorien, sondem_auch für den Geltungsbeweis liefert. so folgt daraus natürlich noch nicht, daß sre dte einzige Prämisse dieses Beweises ist. Wenn Kant aber zusätzlich zur These von

der Einheit des Selbstbewußtseins auch die Objektivitätsthese als Prämisse rn Anspruch nimmt, kann von einer starken Deduktion natürlich nicht mehr die

7

Rede sein.

Ob Kant die Kategorienthese aus der Selbstbewußtseinstheorie allein, (the Rückgriff auf die Objektivitätsthese, begründehwollte, wird sich nur auf der Grundlage einer genaueren Analyse von Kants Argumentation entscheiden lassen. Dasselbe gilt fiir die Frage, ob Kant die Objektivitäts- und Gesetzesthese

ebenfalls aus der Einheit der Apperzeption herleiten wollte.

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" ' 12.4. Folgenmgen Kant verfolgt in der m nicht die Absicht, ‚eine Theorie oder Metaphysik der Erfahrung zu entwickeln. Die 'Kritik' ist vielmehr ein "Traktat von der Methode" (B XXII), in dem es um die Entscheidung über die Möglichkeit oder

Unmöglichkeit der Metaphysik geht. Wir haben gesehen, daß und wie sich aus dieser Zielsetzung die Aufgabe ergibt. in der transzendentalen Deduktion dre objektive Gültigkeit der Kategorien zu beweisen und zuerklären. Damit steht fest, daß Kant in der KrV beabsichtigt, die Kategorienthese zu beweisen. Wu

konnten aber die Frage, wie stark der mit dieser Absicht verbundene Beweisenspruch ist, noch nicht entscheiden. Die gängigen Argumente für die Zuschrerbung eines starken Beweisanspruchs haben sich aber als nicht zwingend erwre—

39 Bskdhiiitth'utm,dnßlhnt-wiewirhniehstbsellrittsehawerdet-keineswegrinallay "Deduktiencn' von der Einheit der Selbstbewußueinr ausgeht.

Übersidu über Kant: Argumeunien

39

sen. So muß zunächst offenbleiben, ob Kant die Objektivitätsthese überhaupt begründen will. ‘ Etwas anders steht es mit der Gesetzesthese. Kant beabsichtigt zweifellos im Grundsatzkapitel, die den Kategorien entsprechenden Grundsätze zu bewei— sen. Dort ist aber der Beweisgrund die Möglichkeit der Erfahrung. Im Rahmen

desGrundsatzkapitelswirdalso die Objektivitätsthese vorausgesetzt.

'

Weniger eindeutig ist wiederum die Lage in der transzendentalen Deduktion. Auf der einen Seite ist festzustellen, daß die Gesetzmäßigkeit der Natur in der A-Deduktion ein wichtige Rolle spielt. Kants'Ausfiihrungen im 5 13 erwecken zudem den Eindruck, als setze ein Beweis der objektiven Realität der Kategorien den Beweis der Gesetzesthese voraus (A 89f./B 122f.). Aber wir ha-

ben gesehen, daß die dabei zugrundeliegende Überlegung der Sache nach nicht

zwingend ist. Es kommt hinzu, daß Kant auch in der 1. Auflage ein schwächeres Beweisprogramm vertritt. So behauptet er z.B. in A 96f., daß es "schon eine hinreichende Deduktion" der Kategorien sei, "wenn wir beweisen können: daß vermittels ihrer allein ein Gegenstand gedacht werden kann." Berücksichtigt man weiterhin, daß in der zweiten Auflage der Zusammenhang _ zwischen Kategorienthese und Gesetzesthese aufgrund des veränderten Beweisverfahrens ftir die Begründung der Kategorienthese in den Hintergrund

tritt,“° so ergibt sich zumindest die Möglichkeit, daß sich Kant in der B-Ded tion nicht mehr genötigt sah, die Gesetzesthese eigens zu beweisen.“ 2. Übersicht über[(aus Argumentation

Wir müssen uns nun ein etwas genaueres Bild von Kants Argumenten fiir die Gesetzesthese verschaffen. Dazu wenden wir uns jetzt einer ersten — vorläufigen - Betrachtung von transzendentaler Deduktion und Grundsatzkapitel zu. Da Kant (mit Recht) in den 'Analogien der Erfahrung' die "eigentlichen Naturgesetze" (Pr. 5 25 AA IV S. 307) gesehen hat, beschränke ich mich beider Behandlung des Grundsatzkapitels auf diese, wobei der 2. Analogie besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden soll.

40 Das hängt damit mamma, daß Kant in der aba-mm die Kategorien über die Uncilstheo-

lie in den Beweisgung einbringt, wihrmd er in der A-Deduktion die Kategorien mit den der Erfahrung _mgrundeliegurdenRegeln a priori identifin'ert.

41 Dem widersprichtauch nicht,daßK antim5 26mkiindigt, 'dieMöglidtkeil.dttrch K a t e g o r i e n die Gegenstände [...,] den Gesetzen ihrer Verbindung nach. : pritxi m erkmncn. also der Natur gleichsam das Gesetz vormedtreibar". erklirm zu wollen (B 159). Denn hier gehtes Kantniehtum cnenBewcüder6esetnnißigkdtdcer-. sondern um eine Auflö— sungdesRitsds, "wicesmbegreä’errsei.daßdiehlanrrridrnadtilmen [redet Kategorien] richten müsse“ (B 163).

40

Die Frage nach der Gamißigkeit. defNatnr

Eine Übersicht über Kants Argumente in der transzendentalen Deduktion und den Analogien der Erfahrung zu geben, ist nicht ganz leicht. Vor allem die transzendentale Deduktion der Kategorien ist Gegenstand der unterschiedlichsten Interpretationen geworden. Dennoch legen Kants Texte wenigstens in den Grundzügen eine bestimmte Interpretation nahe, die daher in der Literatur auch weite Verbreimng gefrmden hat. Ich will sie deshalb als die Standardinterpretation bezeichnen. Es handelt sich dabei um eine Deutung, wonach Kant eine starke Deduktion geben will, in der die These von der Einheit des Selbstbewußtseins die entscheidende Beweislast übernimmt. Neben einer Reihe von Passagen aus der Version der ersten Auflage scheint vor allem auch die Art, wie Kant im ersten Teil der B-Deduktion vergeht. fiir eine solche Deutung zu sprechen. Ich werde mich aber im Folgenden nicht auf eine Skizze der Standardinterpretation beschränken, um auch alternative Argumentationsstrategien, deren sich Kant bedient, wenigstens im Umriß deutlich werden zu lassen. Welche In-* terpretation sich letztlich als die angemessenste erweist, wird in den beiden ab-

schließenden Kapiteln zu prüfen sein. Zunächst soll uns die Übersicht über Kants Argumentation in der transmndentalen Armlytik vor allem in die Lage versetzen. im nächsten Kapitel die Hauptschwierigkeiten, die sich fiir die Rekonstruktion von Kants Begründung der Gesetzesthese ergeben, möglichst klar herauszuarbeiten. Ich beginne mit einer Skizze der transzendentalen Deduktion (2.1.); es folgt eine Darstellung des Beweises, den Kant vom Prinzip der Analo-

gien gibt (2.2.1.); den Abschluß bildet eine Übersicht über den Beweis der zweiten Analogie der Erfahnmg (2.22).

2.1. Die tt'anszendentale Deduktion

Bekanntlich hat Kant die wesentlichen Teile der uanszendentalen De— duktion fiir die zweite Auflage ganz neu verfaßt, um "den Schwierigkeiten und der Dunkelheit so viel [als] möglich abzuhelfen" (B XXXVII). Dieser Versuch muß — wie die nunmehr über zweihundertjährige Rezeptionsgeschichte der KrV zeigt - wohl als gescheitert angesehen werden. Die Argumentation in der zweiten Auflage ist zwar in mancher Hinsicht klarer strukturiert als die umwegige und immer wieder neu ansetzende Gedankenfolge der ersten Fassung; aber in vielen Einzelheiten ist die Darstellung in der B-Deduktion so komprimiert, daß sie ohne Rückgriff auf Passagen aus der ersten Auflage kaum nachvollziehbar ist. Ich will daher den Argumentationsgang beider Versionen in den Grundzügen darstellen.

Überridtt über Kant: Argumanation

41

2.1.1. Die Argumentation in der A-Deduktion Von der A-Deduktion zu reden und damit ein einziges klar identifizierbares Argument zu meinen. ist eine riskante Sache. Es ist kaum ein Zufall. daß gerade dieser Text zum bevorzugten Gegenstand der sog. 'patch-work-theory' geworden ist, die von Adickes und Vaihinger (in verschiedener Form) entwickelt und von Kemp-Smith (in Vaihingers Version) übemommen werden ist. Dieser 'I'heorie' zufolge hat Kant den Text der A-Deduktion aus - verschiedenen Stadien seiner Gedankenentwicklung entstammenden '— Notizen zu einem inkohärenten Ganzen zusammengeflickt. Nur so seien die mannigfachw angeblichen Inkonsistenzen, Umwegigkeiten und Wiederholungen, die den Text der ADeduktion charakterisieren, zu erklären. Ob dies nun zutrifft oder nicht, - klar ist jedenfalls, daß Kant in A mindestens drei verschiedene Anläufe zu einer transzendentalen Deduktion unternimmt. Ich will diese drei Versionen des .

Deduktionsargumentes einer geläufigen Praxis folgend42 respektive als die subjektive Deduktion (A 98—114), die Deduktion von oben (A 116-119) und die

Deduktion von unten (A 119ff.) bezeichnen.43 Stark vereinfacht können wir die Unterschiede zwischen diesen verschie4 denen 'Deduktionen' folgendermaßen kennzeichnen: Während Kant in der Deduktion von oben (sowie im zweiten Teil der subjektiven Deduktion) die Gesetzes— und Kategorienthese aus der "notwendigen Einheit der Appemeption" herzuleiten versucht, geht er im ersten Teil der subjektiven Deduktion, wie auch in der Deduktion von unten, von dem sinnlich gegebenen Mannigfaltigen

aus. Ich werde diejenigen Deduktionen, die von der Apperzepttionseinheit ausgehen, im folgenden als absteigende, und solche, die von einer Mannigfaltigkeit gegebenen Vorstellungen ausgehen, als aufsteigende Deduktionen be-

zeichnen. In Deduktionen des aufsteigenden Typs versucht Kant zu zeigen, daß die gegebene Vorstellungsmannigfaltigkeit nur dann als ein Ganzes verschiede— ner Vorstellungen vorgestellt werden kann, wenn sie durch die Einbüdungs-

42 Vgl. die Oma; bei de Vleerchauwer: (1934-7) na 11 5. man. Allerdingr ist danufhinzu-

waren. daß die Frage. welchen Textpartien Kanu Ummcbeidung zwirdtm einer "subjektiven“ und euer "objektiven" Deduktiur (A XVIf. vgl. A 96f.) mmordnat ist. um—

rtnttanist. SohnW. Carljiingrtdie Ansid1tvertreten. daß diesubjcktt've Deduhionmitl(antr

Programm éneraurkurDeduktionausderfiinheitdaAmerwdmmidurfifizieruuei. wihrend die objektive nur ne schwadte, die Möglichkeit der Erfahrung vorauuaaade Deduk—

tion liefen: (Car! (l989a) S. 1586. n. (198%) S. 29ff.). Er rdtlie& daraus. daß die subjektive Deduktionnichtimzweitm. sondern erstirn drittm Abeclnittdatranrflartalarbeduhim

(alroerstabA ll5)mfindeniat(€arl(l9ß9b)8.39). “

Diuaehu'ntmirschmaufgnmdvon

Kanu Bunerlrung übedieReihmfdgevonsubjektiveru-rdobjehivaberhrktionin nig überzeugend.

A97 we-

Unterdiesenweistdießeduhimvonohurdiegrr‘ißte Ähnlichka'tmrB-Deduhion auf.

42

Die FugenaehderGuetanißigkeitdaN-mr

kraft nach einer Regel verbunden wird. Da dies nach Kant nur möglich ist, wenn "die Erscheinungen selbst wirklich einer solchen Regel unterwrrfen" sind (A 100), folgt die Geltung der Gesetzesthsse. Dieses Ergebnis wird bereits er-

reicht bevor noch die Einheit der Apperzeption thematisiert wird. Den Nerv des Beweises bildet hier also nicht die Einheit der Apperzeption, sondern die Idee eines Ganzen. Die Geltung der Gesetzesthese soll sich also im einen Fall daraus ergeben, daß ohne sie die Einheit der Apperzeption unmöglich ist (absteigende Deduktionen); im anderen Fall daraus, daß anders kein Ganzes verschiedener Vorstellungen (aufsteigende Deduktionen) zustandekommen kann. Ich beginne mit

einem Überblick über die Argumente des aufsteigenden Typs.

2.1.1.1. Aufsteigende Deduktionen

Im ersten Schritt dieser "Deduktionen" soll der Nachweis geführt werden, daß ein Mannigfaltiges von Vorstellungen niemals als ein solches (als ein Ganzes verschiedener Vorstellungen) vorgestellt werden kann, wenn es nicht synthetisiert wird: "Weil [. .] jede Erscheinung ein Mannigfaltiges arthillt. mithin verschiedene Wahrnehmungen'rm Gemüte an sich zerstreut und einzeln mgetmffen werden, so ist eine Verbindung derselben nötig. welche sie in dem Sinne selbst nicht hab=t körmen"

(A 120; vgl. A 97; A 99; B 129f.).



Diese Verbindung wird auf eine "dreifache Synthesis" zurückgeführt. "die notwendigerweise in allem Erkenntnis vorkommt“ (A 97): Das gegebene Mannigfaltige muß "aufgenommen“ (Synthesis der Apprehension), “reproduziert“ (Synthesis der Reproduktion) und in einem Bewußtsein zusammengefaßt (Synthesis der Rekognition) werden. Nur so kann ein einheitliches Bewußtsein der gegebenen Vorstellungen zustande kommen. Im nächsten Schritt wird dann zum ersten Mal die Gesetzesthese erreicht: die Synthesis der Reproduktion soll eine regelgeleirete Synthesis sein. Eine solche reproduktive Synthesis nach Regeln ist aber nur dann (durchgängig) möglich, wenn die gegebenen Vorstellungen selber "wirklich [...] solchen Regel[n] unterworfen" sind (A 100; vgl. A 121f.). Die Synthesis der Reproduktion muß daher einen ”objektiven Grund haben, so daß es möglich [ist...], daß Erscheinungen von der Einbüdungskraft anders apprehendiert [werden...], als unter der Bedingung einer möglichen synthetischen Einheit" (A 121). Diesen objektiven "Grund der Möglichkeit der Assoziation des Mannigfaltigen" (A 113) nennt Kant die "Affinität” der Erscheinungen. Diese besteht darin, daß alle Er-

Umna:wmmm

43

scheinungen “allgemeinen Regeln einer durchgängigefl Verknüpfung in der Reproduktion unterworfen sind“ (A 122). Auf der Grundlage der so hergeleiteten Gesetzesthese kommt Kant abschließend zur Kategorienthese. Denn die Kategorien sollen eben diejenigen Begriffe sein, durch die die Einheit von solchen Vorstellungen, die unter den fiir die Reproduktion erforderlichen Gesetzen stehen, gedacht wird (Vgl. A 119, A 125; A 111). Wir können die wichtigsten Etappen des Argwnents in folgender Weise zusammenfassen:

(ADD)

Die Elemente einer gegebenen Vorstelluhgsmannigfaltigkeit müssen - in einem einheitlichen Bewußtsein vorgestellt werden können. (Prämisse)

(AB,)

Die gegebene Vorstellungsmannigfaltigkeit ist “an sich zerstreut" und ”getrennt".

(AD7)

Wenn aus den gegebenen Vorstellungen ein Ganzes werden soll, so müssen die Vorstellungen l. durchlaufen und ins Bewußtsein aufge— nommen werden; 2. nach einer Regel reproduziert und schließlich 3. durch einen Begriff als Elemente eines Ganzen gedacht (d.h. zu einer Einheit zusammengefaßt) werden.

(AD‚)

Wenn die gegebenen Vorstellungen nicht selber unter Gesetzen ste— hen, ist eine Reproduktion nach Regeln nicht möglich.

(AD4)

Die Begriffe von solchen gesetzmäßigen Verknüpfungen gegebener Vorstellungen sind die Kategorien.

aus (ABO - AD;) ergibt sich:

(AD5)

Alle gegebenen Vorstellungen stehen unter Gesetzen (Gesetzeese).

und mit (AD4):

(ADS)

Alle gegebenen Vorstellungen stehen unter Kategorien (Kategorienthese).

Dies ist in groben Zügen das Argument im ersten Teil der subjektiven Deduktion. Es ist in ähnlicher Form auch in der Deduktion von unten enthalten.44 “

Inbddusmgmfindmdehzwifleaduhgrütdmgder&se%tlrseänuüsmdür duKateguimhesemduasätsEhsdrüb.hhflrhrntjekfivabeduhimhnrddtuüdr um die m die R&ognitionaamlyse anschließende Gegmmndr- und

44

Dieaenldt&rGeeetanfigkdtdaNntur

In der subjektiven Deduktion hat Kant seine Argmnentation allerdings dadurch verdunkelt, daß er 1. zusätzlich zu zeigen versucht, daß die dreifache Synthesis “außer dem empirischen Gebrauche, noch einen transz., der lediglich auf die Form geht, und a priori möglich ist", hat (A 94), und 2. ein weitaes Ar- ' gument fiir die Geltung der Gesetzesthese in seinen Überlegungsgang eingeschoben hat. Ich will diese beiden Eigentümlichkeiten der subjektiven Deduktion kurz kommentieren: Zu I.: Der Nachweis. daß die dreifache Synthesis auch a priori ausgeübt

werden kann, erfolgt mittels der folgenden Überlegung: (AD7)

Die Behauptungen (ADI) - (AD;) gelten nicht nur für das empirisch gegebene Mannigfaltige, sondern auch für das reine Mannigfaltige von Raum und Zeit.

(AD3)

Eine Synthesis, durch die das reine Mannigfaltige in eine einheitliche Vorstellung gebracht wird, muß selber eine reine, nicht-

empirische Synthesis sein. Daraus will Kant folgem:

(AD9) Die Begriffe, durch die diese-'l'reinelsl'ynthesis zur Einheit gebracht wird, müssen Begriffe apriori sein (n A 78f./B war;). Dies ist eine Überlegung, die der in (AD„) vorgenommenen Identifikation der Einheitsbegriffe mit den Kategorien insofem eine gewisse Plausibilität verleiht, als damit (immer vorausgesetzt, das Argument taugt etwas) gezeigt ' wird, daß es sich bei diesen Begriffen um Begriffe a priori handelt. Anders als in der B-Deduktion hat Kant nämlich in A wenig (genauer: gar keine) Mühe

darauf verwandt, diese Identifikation näher zu begründen.45 Nachdem 'er glaubte, gezeigt zu haben, daß irgendwelche Einheitsbegriffe ftir das Zustandekommen einheitlicher Vorstellungen erforderlich sind, sah er offenbar kein Problem in der Identifikation dieser Begriffe mit den in der metaphysischen Deduktion aus den Urteilsfunktionen gewonnenen Kategorien. Erst in der 2. Auflage trägt er dem Umstand Rechnung, daß diese Identifikation nicht selbst— verständlich ist. . w m inderDeduhion vermuten eine Erörterung des Verhältnissen var reinerliinlildtmgv knftund VenundzuäsehmdieAbldmngduGuetzes—undflntegaiadhewtdßfieeerürd aber— soweitich erkumenkmn -nidltelf0flkflidl,fllllllllüt6€ßdäflh߀lllld (AD4) die Kategoriemhere her-mleitur. 45 Möglicherweise sollen auch diein Anm. 44 erwihntm Einsehüreu.a. dieaun2ieldienen. Rxplin't wird das damit verbmdare Problun der Begründung von (An.) allerdings in der A-Deduktiat nirgends angesprochen Erdmam ((1878e) S. XXXV u. XXXVIII) und Paten (09%) m s . 499)habathiefinmredrteinagnvierurdmgelduA-Derhrktimgereherz

UberriditübeetrArgumalflicn

45

Zur Begründung der Gesetzesthese ist das Argument ‘(AD7)-(AD9) aber kaum geeignet. Es reicht nicht einmal hin, um Kants Kategu‘ien in ihrer Gesamtheit die objektive Gültigkeit zu sichern. Im günstigsten Fall ließe sich so

die Geltung der mathematischen Kategorien begründen.46 Zu 2.: In dem in der subjektiven Deduktion enthaltenen zweiten Argument für die Gesetzesthesc (A 103ff.) spielt die Objektivitätsthese eine wichtige, aber nicht ganz leicht durchschaubare Rolle. Die Schwierigkeit besteht darin, daß nicht klar ist, ob Kant die Objektivitätsthese einfach als zusätzliche Prämisse in sein Argument einbringt, oder ob sie als Folgerung aus zuvor Ausge-

führtem anzusehen ist. Kant knüpft an die ersten Schritte (ADg-(AD‚) des oben dargestellten Arguments an. Um das Folgende besser zu verstehen, ist ein etwas genauerer Blick auf die Begründung des 3. - die Rekognition betreffenden - Punktes in (AD;) nützlich:

(ADIO) “Ohne das Bewußtsein, daß das, was wir denken, eben dasselbe sei, was wir einen Augenblick zuvor dachten, wurde alle Synthesis der Reproduktion vergeblich sein. Denn es wäre eine neue Vorstellung im jetzigen Zustande, die zu dem Aktus, wodurch sie nach und nach . hat erzeugt werden sollen, gar nicht gehörte, und das Marmigftiltige

derselben würde immer kein Ganzes ausmachen“ (A 103). Ein ein— heitliches Bewußtsein einer Mannigfaltigkeit von Elementen ist daher nur möglich, wenn die ins Bewußtsein aufgenommen und repro— duzienen einzelnen Vorstellungen als Elemente einer einheitlichen

Verbindungshandlung gedacht werden.47 (ADu)

Das “Bewußtsein [...], was das Mannigfaltige, nach und nach Angeschaute, und dann auch Reproduzierte, in eine Vorstellung vereinigt", muß ein Begrifi"sein (A 103).

Nachdem Kant zu dem Ergebnis gelangt ist, daß das Bewußtsein eines Ganzen verschiedener Vorstellungen wesentlich begriffliches Bewußtsein ist, gibt

er seiner Überlegung eine recht plötzliche Wendung, indem er lapidar erklärt: 46 Dies muß letztlich auch Kants M.llng gewesen sein, warn erdar dynamischen Grundsim (und damit natürlich auch den dynunisdrm Kategoriar) “der Charakter einer Notwendigkeit : priori [...] nur unter der Bedingung der empirischen Denken in der Erfahrung" werkam (A 16018 199). Fiir das Zustanddrommur der Einheit der reinen Amdrsnungeu sind daher allenfalls die mathematischen Kategorim erforderlich. 47 Er reichtnlsonichtnus,dnßdiemllmgarnndi einer-Regelverhrndm werdm;eeirtdnr-

überhinaur erfordeflieh,dnß sich - wie Kmnnnnderer8tellefarnuliert — "das Gemütin der Erkenntnis des Mannigfalrigen [...] der Identitit der Funktion bewußt werdur [...ka wodurdiesdasselbesynthetisdrineinerlr‘rkmmnisverbindet' (A lOß)(lnt'l‘extrtdrtrtntt'er“ irrtümlich “sie“. Ich übernehme die Korrektur von Wille).

Die Frage nach derGesemnißigkcil r l a

46

"Und hier ist es denn notwendig, sich darüba verständlich zu machen, was man

denn unter dem Ausdruck eines Gegenstandes der Vorstellung meine" (A 104).

Obwohl nicht recht klar ist, wieso Kant diese Erü'terung ausgerechnet an dieser Stelle für so dringend erforderlich hält. laßt sich doch immerhin sagen, . daß er die folgende Behauptung aufstellt:

(ADI?)

Wenn verschiedene Vorstellungen Vorstellungen desselben Gegenstandes sind, so bilden sie eine notwendige Einheit (A 104ff.).

Da Kant diese notwendige Einheit im Folgenden als eine gesetzmäßige

Einheit der Vorstellungen interpretiert,“ kann er auf die Gesetzmäßigkeit der gegenstandsbezogenen Vorstellungen schließen:

(AD13) Alle diejenigen Vorstellungen, die sich auf Gegenstände der Erfahrung beziehen, stehen unter Gesetzen (schwache Gesetzesthese). Nun hatte sich in (AD„) gezeigt, daß das Bewußtsein der Einheit eines Mannigfaltigen nur durch Begriffe möglich ist. Angewandt auf den jetzt zur Debatte stehenden Fall verschiedener Vorstellungen desselben Gegenstandes ergibt sich, daß die Einheit solcher Vorstellungen nur durch Begriffe von Gegenständen vorgestellt werden kann. Wenn wir die Einheit, die verschiedene Vorstellungen dann haben, wenn sie

Vorstellungen desselben Gegenstandes sind, im folgenden als Objekteinheit und die erforderlichen Begriffe als Gegenstandsbegrifi'e bezeichnen, dann gilt:

(AD14) Die Objekteinheit ist eine notwendige, gesetzmäßige Einheit.

(AD15) Die Objekteinheit kann nur durch einen Gegenstandsbegriff gedacht werden.

(AD„Q

Gegenstandsbegriffe sind Begriffe von einer notwendigen, gesetzmäßigen Einheit des Mannigfaltigen.

Unter Ausnutzung von (AD4) kann Kant dann schließen:

(AD17) Alle diejenigen Vorstellungen, die sich auf Gegenstände der Erfahrung beziehen, stehen unter Kategorien (schwache Kategofienthese).

Verglichen mit (AD5) und (AD6) sind (AD,3) und (AD17) natürlich viel schwächer, da hier die Geltung von Kategorien- und Gesetzesthese auf gegenstandsbezogene Vorstellungen eingeschränkt ist. Nur wenn es solche Vorstellungen überhaupt gibt, d.h. nur dann, wenn die Objektivitätsthese gilt, kann

48 VgL A 108 in Verbindung mit A mit..

Übersidlt über Kant: Argummtntron'

47

auch das Vorliegen kategorial bestimmbarer und unter Gsetzen stehender Vor—

stellungen behauptet werden. Wir haben es hier also bisher nur mit einer schwachen Deduktion zu tun. Andererseits spricht einiges fiir die Vermutung, daß Kant aus diesem Argument mehr herausholen will. Denn er tendiert dazu, alle Begriffe als Gegenstandsbegriffe aufzufassen (vgl. A 105f. u. A 108). Mit dieser recht gewagten

These wäre Kant in der lage, seine Überlegungen zur Objekteinheit an die vor— angegangene Argumentation anzubinden und dadurch zu verstärken. Denn

Kant kann dann an (ADI1) anknüpfend mit (ADm) Alle Begriffe sind Gegenstandsbegriffe. nicht nur auf eine Objektivitätsthese schließen:

(AD19) Alle unsere Vorstellungen können durch Gegenstandsbegriffe auf Gegenstände bezogen werden;

mit (AD19) ist es dann auch möglich, die Einschränkung von (AD„) und

(AD17) auf gegenstandsbezogene Vorstellungen aufzuheben, und damit auf (ADS) und (ADg) zu schließen.

Wir haben damit drei mögliche Begründungsgänge lrennengelemt.49 Sie sollen abschließend noch einmal grob skizziert werden. Der erste Argumentationsgang geht von der Prämisse aus, daß die uns gegebenen Vorstellungen in einem einheitlichen Bewußtsein vorgestt werden können. Ich will sie die Prämisse von der Möglichkeit einheitlicher Vorstellungen nennen. Das Argument nimmt dann folgenden Verlauf:

Einheitliche Vorstellung eines Mannigfaltigen —e Synthesis nach Regeln —> Gesetzmäßigkeit der Vorstellungen (Gesetzesthese) —) Kategorienthese

Die zweite Überlegung beginnt ebenfalls mit der Prämisse von der Möglichkeit einheitlicher Vorstellungen:

Einheitliche Vorstellung eines Marmigfaltigen —-> begriffliche Einheit —> Objekteinheit _) notwendige, gesetzmäßige Einheit —-> Gesetzesthese —-> Kategorienthese __ Die dritte Begründung schließlich besteht aus dem zweiten Teil der zweiten Überlegung:

Objekteinheit —-> notwendige, gesetzmäßige Einheit —> (schwache) Gesetzesthese —) (schwache) Kategorienthese 49 Ich übergehc hier die wenig aussiehtsreidi mdleinende Argummutim (AD‚)—(AD,).

Die Fraged wemat;mu«m«

48

Während die ersten beiden Argumente lediglich die Prämisse von der Möglichkeit einheitlicher Vorstellungen in Anspruch nehmen, muß sich die dritte Begründung auf die Möglichkeit objektiver Erfahrungserkenntnis stützen. F; handelt sich hier also nur um eine schwache Deduktion.

2. 1.1.2. Absteigende Deduktionen

Soviel zu den aufsteigenden Deduktionen. Wie bereits erwähnt, läßt es Kant damit nicht genug sein: Im zweiten Teil der subjektiven Deduktion sowie in der Deduktion von oben und„der "Summarischen Vorstellung“, mit der Kant die A-

Deduktion beschließt. präsentiert er auch noch einige Varianten der absteigen-

den Deduktion, in denen die Einheit der ApperzePtion den Ausgangspunkt bildet. Diese Prämisse formuliert Kant in A 116 in folgender Weise: "Wir sind uns a priori der durchgängigen Identität unserer selbst in Anselnmg aller Vorstellungen. die zu unserem Erkenntnis jemals gehören können. bewußt" (A 116; vgl. A 113; A 129).





_

In knapper Form faßt er sein Argument im zweiten Teil der subjektiven Deduktion zusammen: Die "umszendentale Einheit der Appetzeption macht aber aus allen möglichen F:scheinungen. die immer in einer Erfahrung beisarnrnen sein können. einen Zusammenhang aller dieser Vorstellungen nach Gesetzen. Denn diese Einheit des Bewußtseins wäre unmöglich, wenn nicht das Gemüt in der Erkenntnis des Mannigfaltigat sich

der Identität der Funktion bewußt werden‘ltörmte, wodurch eé° dasselbe synthetisch in einer Erkenntnis verbindet. Also ist das mspllngliche und notwendige Be—

wußtsein der Identität seiner selbst zugleich ein Bewußtsein einer ebenso notwendigen Einheit der Synthesis aller Erseheintmgen nach Begrifien. d.i. nach Regeln. die sie nicht allein notwendig reproduzibel machen. senden dadurch auch ihrer Anschauung einen Gegenstand bestimmen" (A 108).

Wir haben hier also die folgenden Hauptschritte:

(ADf) Wir sind rms a priori der durchgängigen Identität unserer selbst in bezug auf alle unsere Vorstellungen bewußt. (Prämisse)

(AD;')

Dieses Bewußtsein ist nur möglich, wenn wir uns unserer Verbindungshandlungen. durch die wir die uns gegebenen Vorstellungen „‚ ' synthetisieren, bewußt werden können.

(AW) Dieses Bewußtsein von unseren Verbindmgshandlungen besteht in dem Bewußtsein der Synthesis der gegebenen Vorstellungen nach

Begriffen, d.h. nach Regeln. 50 vg. Anm. 47.

'

Überridtt über Kanu Argumernrtiou

49

(ADI) Aufgrund der Notwendigkeit der durchgängigeh Identität unserer selbsst miissen diese Regeln Regeln von notwendigen‘Verbindtmgen

sein. 1 Also gilt:

(AD5‘) Alle unsere Vorstellungen bilden eine notwendige Einheit nach‘Regeln. (Gesetzesthese) Und mit:

(ADg') Die "Einheit [...], die in einem Mannigfaltigen [...] angenoffen werden muB, sofern es in Beziehung auf einen Gegenstand steht [...], ist nichts anderes, als die notwendige Einheit des Bewußtseins" nach

Regeln (A 109) folgt:

(Abi) Alle meine Vorstellungen stehen in einer Beziehung auf einen Gegenstand. (Objektivitätsthese) ' und mit (AD4) ergibt sich aus (AD5'):

(AD;‘) Alle meine'Vorstellungen stehen unter Kategorien. (Kategorienthese) ' Ich verzichte an dieser Stelle darauf. die verschiedenen Varianten, die sich von diesem Argument in der A-Deduktion finden lassen. im einzelnen aufzufiihren, sondern gehe gleich zu Kants Argument in der B-Deduktion über.

2.1.2. Die B—Deduktion Die Version der zweiten Auflage hat im Vergleich zur A-Deduktion deutlich an struktureller Durchsichtigkeit gewonnen. Der entscheidende Fortschritt gegenüber allen Versionen einer transzendentalen Deduktion in der ersten Auflage besteht aber darin, daß Kant unter Rückgriff auf die “genau bestimmte Definition eines U r t h e i l s überhaupt" (AA N S. 475 Anm.) nun jenen be—

reits erwähnten, die Einführung des Kategorienbegriffs betreffenden, Mangel zu beheben sucht. In der zweiten Auflage wird der für die Begründung der Ka—

51 Diese'l'hesew . . irdinderzitie _ narl’usege nicht ' eltphzrt " erwähnt. Sreergibtste ' ' ltabaaus der ä m ä x ä w Satz auf die "ebenso notwendige Einha't der Synthesis [...] nach Be-

ar“

mmerdrn'gseuehmöslifih.dlßxnmdieN

Thesen (AD„) und (Ania) stünden will.

M

'hilderR

einmfdie

eg

Die Frage nadr der Gecetmrißigkeit der Natur

50

tegorienthese ‚fundamentale Zusanunenhang zur metaphysischen Deduktion (auf dem Weg über die im 5 19 herangezogene Urteilstheorie) explizit her-

gestellt, während in A der Übergang von der Gesetzesthese zur Kategorienthe_se nur ganz unzureichend begründet. wurde.

Das bedeutet allerdings nicht. daß der Text der B-Deduktion nur Anlaß zur Freude bietet. Er wirft vielmehr ein Strukturproblem eigener Art auf, das in der Literatur ebenso ausgiebig wie ergebnislos diskutiert wird. Der Text der B—De-

duktion läßt sich nämlich in drei Teile zerlegen.52 Im ersten Teil (55 15-21) versucht Kant, ausgehend von der "Einheit der Apperzeption" (5 16), zu zeigen, daß "[a]lle sinnlichen Anschauungen [...] unter den Kategorien" stehen (B 143).

Damit scheint aber zumindest das positive Beweisziel der transzendentalen Deduktion (der Nachweis der objektiven Gültigkeit der Kategorien von den Gegenständen der Erfahrung) erreicht zu sein. Umso mehr muß es verwundem, daß Kant in 5 21 feststellt, daß hiermit lediglich “der Anfang einer D e d u k t i o n der reinen Verstandesbegriffe gemacht" sei (B 144) und erst dadurch daß, indem in "der Folge (& 26) [...] ihre [sc. der Kategorien] Gültigkeit a

priori in Ansehung aller Gegenstände unserer Sinne erklärt wird, die Absicht der Deduktion allererst völlig erreicht" werde (B 14412).

Nun haben wir gesehen, daß für Kant die transzendentale Deduktiort ohnehin in erster Linie eine Erklärung der objektiven Gültigkeit der Kategorien ge ben soll. Man könnte daher die zitierte Bemerkung Kants so interpretieren, daß der 2. Teil der B-Deduktion (5 26) eben diese Erklämngsleistung erbringen soll.

.

Das kann aber nur die halbe Wahrheit sein. In 5 26 scheint Kant nämlich gar nicht in erster Linie an der Erklärungsaufgabe interessiert zu sein; statt dessen entwickelt er ein neues Argument für die Kategorienthese - ohne seinem Leser deutlich zu machen, wie sich dieses neue Argument zu den Überlegungen des 1. Teils verhält, die - allem Anschein nach - doch bereits demselben Zweck dienen sollten. Dieser Umstand hat in der Literatur für einige Verwirrung gesorgt und wird uns später noch beschäftigen. Hier wollen wir uns mit der Feststellung begntigen, daß Kant die B-Deduktion offenbar in zwei Hauptschritte gegliedert hat (5% 15-21 einerseits und 5 26 andererseits), die beide auf irgendeine Weise mit dem Beweis der Geltung der Kategorienthese zu tun haben.

Das besondere Interesse der Interpreten hat der erste Teil gefunden, da hier allem Anschein nach ein klar gegliederter Beweis der objektiven Gültigkeit der 52 WirwerdenimFolgurdenéää 15-21 alsdenersrenrnrddenä2balrdcumilen'l'eilder3Deduktion bemichner. Die dazwischen liegender !} 22-25nameieh dalrvirclrenlcil.

0berridrtilberltantrArgumnsn'on

51

Kategorien vorgetragen wird. Eine Interpretation, die sich ‘rmdiesem Textteil orientiert wird daher als der beste Kandidat für die Standardinterpretation gelten können. Ich werde mich daher im wesentlichen auf ihn konzentrieren. Der eigentliche Beweis beginnt in 5 16 und endet in 5 20. Den Auftakt bildet - wie bereits erwähnt - das " I c h d e n k e ", das "alle meine Vorstellungen [muß] begleiten k 0 n n e n [...] und in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist" (B 131f.). Die Einheit. die alle meine Vorstellungen dadurch haben, daß sie allesamt diese "notwendige Beziehung auf das: Ich denke" haben, nennt Kant die analytische Einheit der Apperzeption.53 Der erste wichtige Beweisschritt besteht in dem Nachweis, daß "die a n a l y t i s c h e Einheit der Apperzeption [...] nur unter der Voraussetzung irgendeiner s y n t h e t i s c h e n möglich" ist (B 133). Diese synthetische Einheit besteht darin, "daß ich eine

[Vorstellung] zuderanderen h i n z u s e t z e und mirderSynthesisderselben bewußt bin" (B 133). Im nächsten wichtigen Schritt (55 17/18) identifiziert Kant die synthetische Einheit als objektive Einheit: ”Die t r a n s z e n d e n t a l e E i n h e i t der Apperzeption ist diejenige. durch welche alles in einer Anschauung gegebene Mannigfaltige in einen Begriff vom Objekt vereinigt wird. Sie heißt darum o b j e k t i v " (B 139). Der dritte Hauptschritt (‚$. 19) gibt die "Erklärung” des Urteils, wonach dieses “nichts anderes sei, als die Art, gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen" (B 141). Unter Ausnutzrmg des in der metaphysischen Deduktion erörterten Zusammenhangs zwischen Urteilsfunktionen und Kategorien, wonach letztere "nichts anderes [sind], als eben diese Funktionen zu urteilen. sofern das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung in Ansehung ihrer bestimmt ist" (B 143), schließt Kant (5 20), daß “[allle sinnlichen Anschauungen [...] unter den Kategorien [stehen], als Bedingungen. unter denen allein das Mannigfaltige derselben in ein Bewußtsein zusarnmenkommen kann“ (B 143).

Wir wollen die wichtigsten Etappen dieses Arguments der Übersichtlichkeit halber in verkürzter Form zusammenstellen: (EDI)

Alle meine Vorstellungen bilden notwendig eine analytische Einheit der Apperzeption.

53 Vgl. B l33. leider hat Kant es in der KrV unterlassen, geruuer m sagen. was ermir dem Terminus "analytische EinlaitdaApperzeption" meint.ldr gehehierdavon aus. daßdamitdie Eigenra aller meiner Vorstellnngm, notwmdigerweise ven dunrelhat “ich denke"-Bc— wußuein begleitet werde: ar können, gemeint ist. Im gegmwirtigm Znnrnmmlnng hingt nichudavonab, obdiergurau dieBedarnmgist,dielümirnAugehatte.lneeadungder 3erminuasanrbeilüntvgl. mdrR3(ßO (AAXVIS. 622); Muaplryaikgovinr (AAXXIX

DiagenaehderGuetzanißiglreitdaNamr

52

(BD;)

Die analytische Einheit impliziert (die Möglichkeit) eine(r) synthetische(n) Einheit.

(BD3)

Die synthetische Einheit Ist eine objektive Einheit.

(BD4)

Eine objektive Einheit der Vorstellungen kommt nur durch ihre Ver-

,

bindung in einem Urteil zustande.

(BD5)

Sind Vorstellungen in einem Urteil verbunden, so sind sie kategorial

bestimmbar.54 Also: (BD6)

Alle meine Vorstellungen sind objektivierbar (können zu einer objektiven Einheit gebracht werden). (Objektivitätsthese)

(BD7)

Alle meine Vorstellungen sind kategorial bestimmbar. (Kategorienthese)

In dieser Skizze fehlt — ebenso wie übrigens im Text der 55 15-21 - ein expliziter Hinweis auf die Gesetzesthese. Das ist angesichts der oben ausführlich erörterten Zielsetzung, die Kant in der transzendentalen Deduktion verfolgt, nicht verwunderlich, da es ihm primär um die Begründung der Kategorienthese geht. Daß die Gesetzesthese in der A—Deduktion eine weitaus wichtigere Rolle

spielte, ist leicht zu erklären. Denn dort wird die Gesetzesthese ftir die Begrün— dung der Kategorienthese in Anspruch genommen. Demgegenüber macht die Begründung der Kategorienthese, die Kant im ersten Teil der B-Deduktion vorlegt, keinen Gebrauch von der Begründung der Gesetzesthese. Das bedeutet allerdings nicht, daß Kant in der B-Deduktion gar nicht mehr auf die Gesetzesthese zu sprechen kommt, oder sie gar irnitcknimmt. Im Gegenteil: In 5 26 beschreibt Kant die Aufgabe des zweiten Teils, mit dem die transzendentale Deduktion "vollendet werden" soll. in folgender

Weise: "Jetzt soll die Möglichkeit, durch !( a t e g o r i e n die Gegenstände, die mir immer unseren

S i n n e n v o r k o m m e n m ö g e n , [...] denGesetunihrerVerbin-

dung nach, a priori zu erkennen. also da- Natur gleichem das Gesetz vomrschreiben [...]. erklärt werden. Denn ohne diese ihre Tauglichkeit würde nicht erhellen. wie alles. was unseren Sinnen nur vorkommen mag, unter der Gesetzen stehen miis-

se, die a priori aus dem Verstande allein entspringen" (B 159f.).

Mit dem Hinweis auf diese Stelle will ich nun nicht vorschlagen, das oben erwähnte Stmkturproblem der B-Deduktion dadurch zu lösen, daß dem ersten 54 Kantacheintirn5Msoguäeaürkem1huemwmetar‚wmadraichkategorialeßeatimmv heit und nicht lediglich kategoriale Bestimmbarkeit derirn Urteil verhmdenen Vorstellungen ergibt.

Übersicht über Kanu Axgrnneuuaion

53

Teil die Aufgabe zugewiesen wird, die Kategorientheee zu begründen, während im zweiten Teil die Gesetzesthese herzuleiten wäre. Dazu reicht diese Passage allein sicher nicht hin. Aus ihr läßt sich aber - ebenso wie aus der folgenden Stelle - entnehmen, daß Kant an dem engen Zusammenhang zwischen Katego— rienthese und Gesetzesthese auch in der zweiten Auflage festhält: "Kategorien sind Begriffe, welche den Erscheinungen. mithin der Natur, als dem In. begriffe aller Erscheinungen [...]. Gesetze a priori vorschrei

" (B 163).

Wir müssen also auch in der B-Deduktion damit rechnen, daß Kant mit dem Beweis der Kategorienthese (zumindest implizit) auch einen Beweis der Gesetzesthese geben will. Weit weniger klar ist, wie er sich diese Begründung im einzelnen vorgestellt hat. Diese Unklarheiten hängen eng mit dem bereits er— wähnten, das Verhältnis der beiden Teile der B-Deduktion betreffenden Problem zusammen. Diese Frage kann an dieser Stelle noch nicht erörtert werden. Für unsere gegenwärtige Zielsetzung reicht die Feststellung aus, daß Kant — gemäß der Standardinterpretation - auch in der zweiten Auflage das Vorliegen eines engen Zusammenhanges zwischen Gesetzes- und Kategorienthese behaupten will: Aus der Geltung der Kategorien von gegebenen Vorstellungen soll folgen, daß diese unter (kategorialen) Gesetzen stehen: "alle Erscheinungen der Natur [müssen], ihrer Verbindung nach, unter den Katego— rien stehen, von welcher die Natur [...]. als dem ursprünglichen Grunde ihrer not. wendigen Gesetzmäßigkeit [...], abhängt" (B 165).

Wir können daher das Argument abschließen:

(BD8)

Ohne Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen keine kategoriale Be—

stimmbarkeit55 55 Ich habe in (an.) die Gesetznißigkeit an -er notwendiger: Bedingung der kategorialen Bertirnmbarkeit erklärt. Eine Ra'he der Formulierungut, die Kant selber in diesem Zusammen— hang baum, lassm sich audi so verstehen. daß die Genann'ißigkeit der Erscheinungen nicht eine notwendige Vorbedingrmg für die Anwendbarkeit der Kategorim ist, sondern daß die Ge— semnäßigkeit der Erscheinungen durch Anwmdung der Kategorien ent produziert wird. Die Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen wire dann eine notwendige Folge der kategorialur Bestimmthet'l - nicht. eine notwmdige Voraussetmng kategorialer Benirnmbarkeil. Die Wahl zwischen diesen beider Möglichkeitm, wird letztlidr von der Fataeheidtmg der Frage abhängen. ob sich Kanu Gesetzesthese unabhängig von der narken Verrim der Geretzgebungnhese. wo— nadr wir (bzw. unser Verstand) die Gesetnn'a'ßigkeit der Natur kervorbringea. begründen läßt oder nicht. Dann wenn die Gesetanißigkeit da Erseh®ungm nicht bereita eine Vorausseb ung der Anwendbarkeit der Kategorien ist, sondern ent durch Anwendung der Kategorien hervorgebracht wird, fiihrt. nicht: an der rtarkm Lean der Geretzgebungnhese vorbei. Ich gehe hier von der (HD,) entsprechenden Lean aus, um Kanu Argtanent nidit berät: an dieser Stellemitalldur Problemenmbelasten, diemitderAnerkennung der starken Version derGe— setzgebungsthese verbunden sind. Die im nidmm Abrehnin zu erörtemdm Probleme entatehm in analoger Weise, wenn man sich fir die andere Opium muehm'det. Er birgt also im gegawärtigen Zusammenhang nicht: Emdreiderdes war der getrofl'enm Wahl ab.

54

Die Frage nedt der Gesetmißigkeit der Natur

Daraus ergibt sich dann mit (BD-,):

(BD9)

Alle meine Vorstellungen bilden einen gesetzmäßigen Zusammenhang. (Gesetzestltese)

Damit haben wir die fiir unsere Zwecke wichtigsten Elemente beisammen. In B ergeben sie folgendes Bild: Selbstbewußtseinseinheit -) synthetische Einheit = objektive Einheit = Urteilseinheit —«> kategoriale Einheit -—> Gesetzmäßigkeit.

Bevor wir die transzendentale Deduktion vorläufig verlassen und uns den Analogien der Erfahrung zuwenden, will ich noch einmal auf das für die Stan-

dardinterpretation der transmndentalen Deduktion entscheidende Charakteristikum hinweisen. Wichtig ist, daß sowohl die Kategorienthese wie die Gesetzesth’ese hier als direkte Implikationen der Einheit des Selbstbewußtseins angesehen werden. Das hat zur Folge, daß von Vorstellungen, die diesen Bedingungen nicht genügen (die also entweder nicht kategorial bestimmbar sind oder sich nicht in einen gesetzmäßigen Zusammenhang mit dem Rest meiner Vorstellungen fügen), kein Selbstbewußtsein möglich ist. Dies ist die Kernthese der Standardinterpretation der transzendentalen Deduktion, aus der sich auch ihre besondere Attraktivität fiir eine Widerlegung des epistemologischen Skeptikers erklärt.

2.2. Die Analogien der Erfahrung

In der uanszendentalen Deduktion bleibt der Zusammenhang zwischen Kategorien- und Gesetzesthese noch ganz allgemein. Um Kants Begründung der den einzelnen Kategorien zugeordneten Gesetzesaussagen vorzustellen, wenden wir uns nun dem Gnmdsatzkapitel zu. Wie bereits angekündigt. beschränke ich mich dabei auf die Analogien der Erfahrung. « Bevor Kant sich direkt an die Beweise der drei Analogien der Erfahrtmg macht. stellt er zunächst das "Prinzip derselben“ auf und versieht es (jedenfalls in der zweiten Auflage) mit einem "Beweis" (B 218f.). Ich will mich zunächst an diesem Beweis orientieren (2.2.1.) und dann beschreiben, wie Kant das dort skizzierte allgemeine Beweisverfahren im Fall der 2. Analogie anwendet (2.2.2).

ÜbersidttilbeetsArgmn=llion

55

2.2.1. DasPrinzip derAnalogien derErfahning

In der Version der zweiten Auflage lautet das Prinzip: "Erfahrung i s t nur durch d i e Vorstellung e i n e r n o t w e n d i g e n Verknüpfung der Wahrnehmungen möglich"(B2lß).

Daß damit implizit die Geltung der Gesetzesthese als Bedingung möglicher Erfahrung behauptet werden soll, wird deutlich, wenn man die in dieser Hinsicht klarere Fonnulierung der ersten Auflage betrachtet. Danach lautet der “allgemeine Grundsatz"derAnalogien derErfahrung:

"Alle Erscheimmgen stehen. ihrem Dasein nach, a priori unter Regeln der Bestimmung ihres Verhältnisses untereinander in einer Zeit” (A 176f.).

Nicht nur im Blick auf die Gesetzesthese ist die Formulierung in A expliziter. In ihr bringt Kant zusätzlich einen für die Beweise der Analogien ent— scheidenden Punkt klar zum Ausdruck: Die Analogien sind Regeln, durch die das objektive Zeitverhältnis der Erscheinungen bestimmt wird: "alle empirischen Zeitbestirnmungen [müssen] unter Regeln der allgemeiner Zeitbe— stimmung stehen [.. .], und die Analogien da Erfahrung [. .] müssen dagleichat Re— geln sein" (A 177l 220; vgl. A 215/B 262).

Die Geltung sowohl der Relationskategorien wie der Analogien von Ge— genständen der Erfahrung beruht also darauf, daß ohne sie die Bestimmung des "Daseins des Mannigfaltigen" der Erscheinungen, “wie es objektiv in der Zeit ist" (B 219), nicht möglich wäre. Der Beweis des Prinzips geht aus von einer Begriffsbestimmung der Erfah rung: "Erfahrung ist ein empirisches Erkenntnis. d.i. ein Erkenntnis, des durch Wahrnehmungen ein Objekt bestimmt" (B 218).

Damit ist zugleich der Beweisgmnd fiir die Analogien näher bestimmt.56 Zunächst zieht Kant eine dreifache Folgerung: "Sie [so. die Erfahrung] ist also [a] eine Synthesis der Wahmehmungen. die [b]

selbst nicht in der Wahrnehmung anhalten ist, sondern [c] die synthetische Einheit des Mannigfaltigen derselben'in einem Bewußtsein enthält" (B 218).

(a) und (c) rekapitulieren nur, was wir aus der transzendentalen Deduktion bereits über den Zusammenhang von Objekteinheit und synthetischer Einheit erfahren haben. Man könnte geneigt sein, (b) ebenfalls lediglich als Wieder— holung einer These aus der hanszendentalen Deduktion anzusehen: Denn be-

56 Vgl. A 21713 264; A 783518 aus.; B 289; Pr. ; 25.

56

Die Fragenadi derGesetunißigkeit derNatur

kanntlich vertritt Kant bereits in 5 15 die These, daß "unter allen Vorstellungen die V e r b i n d u n g die einzige ist, die nicht durch Objekte gegeben, sondern nur vom Subjekte selbst verrichtet werden kann" (B 130). Und in 5 16 heißt es ‘ ebenfalls: "Verbindung liegt aber nicht in den Gegenständen und kann von ihnen nicht etwa durch Wahrnehmung enflehnt mid in den Vasnmd dadurch allererst aufgatommen werden" (B 134).

Trotzdem wäre es verfehlt anzunehmen, daß Kant diese These aus der transzendentalen Deduktion als nicht weiter zu begründende Voraussetzung seines Arguments in den Analogien einfach übernimmt. Sie wird vielmehr - wie wir gleich am Beispiel der 2. Analogie sehen werden - in den Analogie-Beweisen eigens begründet. Und das ist gut so, denn die "Begründung". die Kant fiir diese These in 5 15 gibt, ist kaum mehr als eine trockene Versicherung. Im Rahmen von Kants Argument bildet die Begründung der Behauptung (b), wonach das Wahrnehmungsbewußtsein als solches noch kein Bewußtsein einer objektiven synthetischen Einheit ist. den ersten von zwei Hauptschritten. Allerdings begründet Kant diese These nicht in der allgemeinen Form, sondern in einer auf das Problem der objektiven Zeitbestinnnung bezogenen Variante: Das Wahrnehmungsbewußtsein als solches ist noch kein Bewußtsein des objektiven Zeitverhältnisses der gegebenen Erscheinungen, denn das Mannigfal— tige der Wahrnehmungen kommt nur "zufälligerweise zueinander" und wird in der bloßen Wahrnehmung nur vorgestellt, wie es “in der Zeit zusammengestellt wird". nicht aber "wie es objektiv in der Zeit ist“ (B 219). Besonders prägnant drüt Kant diesen Sachverhalt im Beweis der 2. Analogie aus: "es bleibt durch die bloße Wahrrtelnntmg das o b j e k t i v e [Zeit-] V e r h til t n i s der einander folgenden Erscheimmgat unbestimmt" (B 233f.).

Ich will diese These im folgenden als Unbestt'mmtheitsthese bezeichnen. Ihrer Begründung dient der erste Beweisschritt. Der zweite Beweisschritt besteht in dem Versuch zu zeige , daß eine solche "Bestimmung der Existenz der Objekte in der Zeit [...] nur durch a priori ver-

knüpfende Begriffe geschehen“ kann (B 219). Diese "a priori verknüpfenden Begriffe" sind natürlich die Kategorien. Der zweite Beweisschritt besteht also in der Begründung der Kategorienthese. Im Rahmen des Beweises des "Prinzips" der Analogien kommt Kant nicht mehr explizit auf die Gesetzesthese zu sprechen. Aber aus den Beweisen der einzelnen Analogien geht klar hervor, daß er sowohl die Geltung der Kategorienthese, wie auch die der Gesetzesthese als eine notwendige Bedingung der Möglichkeitansieht, die zrmächst unbestimmten Wahmehmungsfolgen objek5

Überridit über Kanu Argumentmon‘

57

tiv zu bestimmen. Der Zusammenhang zwischen Kategorien- und Gesetzesthese ist für Kant so selbstverstiindlich, daß er etwa in der (für die zweite Auflage neu verfaßten) Beweisskizze zur 2. Analogie unmittelbar aus der Behauptung, daß die gegebenen Erscheinungen durch den "Begnfi’ des V e r h a l t n i s s e s d e r U r s a c h e u n d W i r k u n g " bestimmt werden miissen,

schließt, daß "wir die Folge der Erscheinungen, mithin alle Veränderung dem Gesetze der Kausalität unterwerfen" müssen (B 234).

Daß Kant die beiden Thesen nicht gesondert betrachtet. dürfte wohl im we- . sendichen darauf zurückzuführen sein, daß er der Ansicht war, daß die Gesetzesthese auf triviale Weise aus der Kategorienthese folgt. Denn wenn die Kategorien Begriffe sind, die "eine Notwendigkeit der synthetischen Einheit bei sich" führen (B 234), so scheint in der Tat aus der Geltung dieser Begriffe zu folgen, daß die Gegenstände, von denen sie gehen, in einer notwendigen Verknüpfung stehen. Und was soll das anderes heißen, als daß sie unter Gesetzen stehen? Wir können also davon ausgehen, daß Kant glaubte, mit der Begründung der Kategorienthese auch schon die Geltung der Gesetzesthese bewiesen zu haben. Trotzdem ist es fiir unsere Zwecke sinnvoll, die beiden Thesen auseinan— derzuhalten. Dies ist vor alleru deshalb zweckmäßig, weil der Gebrauch, den

Kant vom Begriff der Notwendigkeit macht, reichlich schillernd ist; Es ist nämlich alles andere als klar, daß Kant mit dem Hinweis, daß die Kategorien Begriffe sind, die Notwendigkeit 'bei sich führen', immer auch meint‚daß sie Begriffe von notwendigen Beziehungen sind. An einigen Stellen scheint er ei— nem Begriff allein aufgrund seiner Apriorität Notwendigkeit zuzuschreiben; an anderen Stellen nennt er einen Begriff “notwendig", wenn er notwendigerweise auf Gegenstände zunifft. Und häufig scheint er von einer zur anderen Bedeutung iiberzugehen, ohne darin ein besonderes Problem zu sehen. Wir werden später noch mehrfach Gelegenheit haben, solche Begriffsverschiebungen zu beobachten. Hier können wir uns mit der Feststellung begniigen, daß der Schluß von der Geltung eines Begriffs, der Notwendigkeit 'bei sich fiihrt, auf die Geltung der Gesetzesthese alles andere als trivial ist, wenn mit der Prämisse entweder lediglich gemeint ist, daß Begriffe a priori objektiv gültig sind, oder daß bestimmte Begriffe notwendigerweise objektiv gültig sind. Es wird daher besser sein. die Frage nach der Begründung der Kategorienthese von der Frage nach der Begründtmg der Gesetzesthese vorsichtshalber zu unterscheiden. Sollte sich später herausstellen, daß eine der Thesen eine mehr oder weniger triviale Folgerung aus der anderen ist - tun so besser. Die Hauptschritte von Kants Beweisverfahren in den 'Analogien der Erfahrung' können wir nun in folgender Weise zusammenfassen:

Die Fugemch derGesetnnißiglteit derNatnr

58

(ABI)

Objektive Erfalmmgserkennmis ist möglich. (Prämisse: Objektivitätsthese)

(AE?)

Objektive Erfalmmgserkermmis ist nur möglich, wenn das objektive, Zeitverhähnt's der gegebenen Erscheinungen bestimmt wird. (Folgerung aus der Zeitlichkeit unserer Erfahrung) '

(AE3)

Aufgrund bloßer Wahmehmung kann das objektive Zeitverhältnis nicht bestimmt werden. (Erster Hauptschritt: Begründung der Unbestinmztheitsthese)

(AE4)

Die objektive Zeitbestimmung der Erscheinungen ist nur möglich durch Anwendung der Kategorien. (Zweiter l-lauptschritt: Begründung der Kategorienthese)

bzw. alternativ zu, oder als Folgerung aus (AB 4):

(AE5)

Die objektive Zeitbestimmung der Erscheinungen ist nur dann mög— lich, wenn die Erscheinungen unter (kategorialen) Gesetzen stehen. (Alternative zum zweiten Hauptschritt: Begründung der Gesetzesthese)

Daraus folgt dann: (AE6)

Diejenigen Vorstellungen. die in objektive Erfahrungserkennmis eingehen, sind kategorial bestimmba. (schwache Kategorienthese)

(AE7)

Diejenigen Vorstellungen, die in objektive Erfahmngserkenntnis eingehen, stehen unter kategorialen Gesetzen. (schwache Gesetzesthese)

Die Folgerungen (AE6) und (AB,) sind offensichtlich schwächer als die entsprechenden Folgerungen (BD7) und (BD9). da hier die Geltung von Kategorien- und Gesetzesthese auf eine Teilklasse unserer Vorstellungen (nämlich diejenigen, die in objektive Erfahrungserkenntnis eingehen,) eingeschränkt ist. Dem entspricht. daß das Argument selber insofern schwächer ist, als es von

einer relativ starken Prämisse (nämlich der Objektivitätsthese (AE 957) ausgeht. Es handelt sich also hier um ein Argument des schwachen Typs. Allerdings ist ebenso klar, daß die Einschränkung in den Folgerungen (AEG) und (AB,) sich sofort aufheben läßt, wenn wir die uneingeschränkte Objektivitätsthese (BDg)

57 Im Gegensatz zur starken Objektivititnhese (so,) folgt lul (AB,) nicht, daß alle Vorstellu-

gen auf Objekte bezogen warb: kümm‚ Indem nur, daß die: fiir einige unserer Vorstelltn. gen gilt.

0b=;iduamtt.m Argumanuron'

59

aus der uanszendentalen Deduktion anstelle von (AE1) einsetzen können. Ob dies möglich ist, ist allerdings zweifelhaft. Denn zum einen scheint die uneingeschränkte Objektivitätsthese aus der transzendentalen Deduktion nicht gut mit der Unbestimmtheitsthese, die für das Beweisverfahren der Analogien es—

sentiell ist, zusammenznpassen;53 zum anderen suggeriert Kant in den Bewei— sen der Analogien (im Zusammenhang der Begründung der Kategorien—‘und Gesetzesthese), daß die kategorialen Gesetze als Kriterien dienen, um zwischen solchen Vorstellungen, die objektivierbar sind, und solchen, für die dies nicht gilt, zu unterscheiden.59 Sollte sich dieser Anschein bestätigen, dann kann schwerlich die uneingeschränkte Objektivitätsthese aufrechterhalten werden. Denn wenn alle Vorstellungen objektivierbar sind, wozu brauchen wir dann Kriterien, um zwischen nicht-objektivierbaren und objektivierbaren Vorstellungen zu unterscheiden? Aus der Betrachtung von Kante 'Beweis' des Prinzips der Analogien ergibt sich somit zweierlei: ]. Kant setzt in diesem Beweis die Möglichkeit objektiver Erfahrungserkenntnis voraus, so daß dieser Beweis - für sich betrachtet - nur zur Begründung einer schwachen Gesetzes- und Kategorienthese tauglich ist; 2. es ist nicht selbstverständlich, daß diese Einschränkung durch Rückgriff auf die Ergebnisse der transzendentalen Deduktion aufgehoben werden kann. Diese Ergebnisse werden sich bei der nun abschließend darzustellenden Be— gründung des Kausalprinzips, die Kant“in der zweiten Analogie der Erfahrung gibt, bestätigen.

2.2.2. Der Beweis der zweiten Analogie der Erfahrung

Auch hier beschränke ich mich auf eine Skizze, um die Hauptpunkte deutlich hervortreten zu lassen. Denn auch für den Text der 2.Analogie gilt, was wir bereits fiir die A-Deduktion festgestellt haben: Kant konfrontiert uns mit einer ganzen Reihe von Beweisansätzen, die nicht alle dieselbe Struktur aufweisen. Ich werde mich hier vornehmlich an dem ausführlichsten Beweis (A 191/13 236 - A 19413 239) orientieren, aber auch auf den "Beweis“, den Kant in der zweiten Auflage dem ursprünglichen Text vorangestellt hat (B 232-34), sowie die (letzerem sehr ähnliche) Zusammenfassung. die er A 201i 246f. gibt, Bezug nehmen.

In der 2. Analogie geht es um die Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, wenn empirische Erkenntnis objektiver Veränderungen möglich sein 58 Vgl. dazu die Diskussiui 111 da: folgenden Knp'teln.

59 Vgl. 7.8. A 193/823

60

Die Frage nach derGeretnnißigkeitdaNamr

soll. Kants Beweisziel besteht darin zu zeigen, daß die Geltung des Kaus‘alprinzips zu diesen Bedingungen gehört. Es handelt sich also um eine spezielle Form des allgemeinen Problems der objektiven Zeitbestimmung: eben um_die Frage, ob eine Folge von Wahrnehmungen verschiedener Zustände als Wahr-’ nehmung einer Veränden eines Objekts aufgefaßt werden kann. Der erste Schritt besteht in der Begründtmg einer auf den vorliegenden Fall bezogenen Variante der Unbestimmtheitsthese: Aus dem bloßen Umstand, daß wir nacheinander qualitativ verschiedene Zustände wahrnehmen, können wir nicht folgern, daß es sich um die Wahrnehmung der Veränderrmg eines Objekts von dem einen zum anderen Zustand handelt. Wenn sich aber von dem Zeitverhältnis der Wahrneiunrrngen nicht auf das objektive Zeitvahältnis der wahrgenommenen (objektiven) Zustände schließen läßt, dann bleibt "durch die bloße Wahmehmungdas o b j e k t i v e V e r h ä l t n i s dereinanderfolgendenErscheinungen unbestimmt“ (B 234). Aus der Geltung der Unbestimmtheitsthese ergibt sich fiir Kant nun die Frage, aufgrund welcher Bedingungen "ich von der Erscheinung selbst, und nicht bloß von meiner Apprehension, berechtigt sein [kann] zu sagen: daß in jener eine Folge anzutreffen sei" (A l93/B 238). Offenbar ist Kant (an dieser Stelle) der Auffassung, daß es sich hier um ein epistemologisches Problem handelt (vgl. auch A 195/B 240). Die Frage ist nicht: Welche psychologischen Faktoren sind dafür verantwortlich, daß in einigen Fällen eine gegebenen Folge von Wahrnehmungen als Wahrnehmung einer objektiven Folge interpretiert wird. Und es ist auch nicht die 'ontologische' Frage, worin eine objektive Ver— änderung besteht. Es handelt sich vielmehr um die Frage nach dem Gnurd der Berechtigung, eine Folge von Wahrnehmungen als Wahrnehmung einer objektiven Folge zu interpretieren. Es geht also um die Gründe, die uns berechtigen, zwischen bloß subjektiven Wahmehmungsfolgen und solchen, die eine objektive Veränderung vorstellen, zu unterscheiden. Es ist daher naheliegend, den nächsten Schritt von Kants Argument als den . Versuch anzusehen, ein Kriterium vorzuschlagen, nach dem wir die entsprechende Unterscheidung treffen. Dieses Kriterium soll in der “Bestimmtheit” oder "Unumkehrbarkeit" der Wahmelunungsfolge bestehen, wonach “ich die Apprehension nicht anders anstellen könne, als gerade in dieser Folge"

(A 193/13 2338),60 denn: "[n]ur dadurch [so. daß ich armelune. daß die Apgehension des Mannigfaltigen nach einer Regel folgt] kann ich von der Erscheinung selbst, und nicht bloß von meiner “’ Diese verbreitete Auffassung von Kant: Argument findet sich besonders klar bei Strawron — (1966) S. 134

61

Übersiduübeets Argumurtaliou

Apprehension, berechtigt sein zu sagen: daß in jmer eine Folge anzutreflar sei" ’ (A 193/B 238).

Und daraus schließt Kant, daß die objektive Bestimmung des Zeitverhflmisses gegebener Erscheinungen nur möglich ist, wenn "im vorhergehenden Zustande etwas vorausgesetzt wird, worauf [...da folgende Zustand] jedazeit, d.i. nach einer Regel. folgt: woraus sich dem ergibt, daß ich erstlich nicht die Reihe unrkeluen, und das, was geschieht, demjenigen voransetzen karm, worauf es folgt: zweitens daß, wenn der Zustand. der vorhergeht, gesetzt wird, diese bestimmte Begebenheit mausbleiblich und notwendig folge" (A 198/B 243f.).

Damit ist Kants Ziel erreicht: Das Vorliegen einer objektiven Veränderung kann nur erkannt werden, wenn vorausgesetzt wird, daß “alle Veränderungen [...] nach dem Gesetze der Verknüpfung der Ursache und Wirkung“ geschehen

(B 232). Wir können also Kants Argument folgendermaßen zusammenfassen: (ZA‚)

Empirische Erkenntnis objektiver Veränderungen ist möglich. (Prämisse)

.

(ZA‚)

Auf der Gnmdlage einer gegebenen Folge von Wahrnehmungen al— lein sind wir noch nicht berechtigt. auf das Vorliegen einer objektiven Veränderung zu schließen. (Unbestimmtheitsthese)

(ZA‚)

Das einzige Kriterium, das uns berechtigt, eine Wahrnehmungsfolge als Wahrnehmung einer objektiven Veränderung zu interpretieren. besteht in der Unumkehrbarkeit der wahrgenommenen Zustände. (Kriterium)

(ZA4)

Die Anwendbarkeit des in (ZA3) erwähnten Kriteriums setzt voraus, daß objektive Veränderungen unter dem Kausalprinzip stehen.

Dies ist — wie gesagt — nur eine von einer Reihe verschiedener I..esarten von Kants Argument. Nicht alle Interpreten sehen in der Unumkehrbarkeit unserer Wahmehmungsfolgen ein Kriterium. Aber die meisten Interpreten gehen doch davon aus, daß Kants Argument zwei Implikationen hat, die sich auch aus dem oben skizzierten Argument ergeben: (ZA5)

Es gibt ein bloß subjektives Wahmehmungsbewußtsein.

(ZA6)

Vorstellungen, die objektive Veränderungen repräsentieren, unterscheiden sich dadurch von anderen Vorstellungen, daß sie unter Kausalgesetzen stehen.

(ZA5) ergibt sich aus (ZA;). Denn wenn es gar kein subjektives Wahmehmungsbewußtsein gäbe, entstünde das epistemologische Problem, wie festzu—

Die?ngenadrder6aetmißigkeirdaNnnrr

62

stellen ist. ob es sich bei einer gegebenen Wahrnehmungsfolge um die Wahrnehmung einer objektiven Verändertutgen handelt, erst gar nicht. (ZA6) folgt aus (ZA3) und (ZA4) (und der tmproblematisch erscheinenden Zusatzannahme,

daß aus der kausalm Abhängigkeit auch die Unumkehrbarkeit folgt). Ich gehe im folgenden davon aus, daß es für die Standardinterpretation der 2. Analogie charakteristisch ist, daß (ZA5) und (ZAÖ entweder direkt in den Beweis des Kausalprinzips eingehen oder sich aus den im Beweis in Anspruch genommenen Behauptungen ergeben.

Damit können wir unsere Übersicht über Kants Argumente abschließen. Es sollen nun die wichtigsten Probleme dargestellt werden, die mit ihnen verbunden sind.

2. Kapitel Die Problematik von Kants Begründung der Gesetzesthese Die Darstellung, die wir soeben von den wichtigsten unsere Hauptflage betreffenden Argumenten der transzendentalen Analytik gegeben haben, beschränkt sich auf die zentralen Bewei3schritte. Es fehlt noch viel, um aus diesem Argumentationsgerüst ein einigermaßen plausibles Argument zu machen;

sie reicht aber bereits aus, um einige zentrale Schwierigkeiten zu benennen, die behoben werden müssen. wenn überhaupt Aussicht bestehen soll, aus den gegebenen Materialien ein überzeugendes Argument zu entwickeln. Ich beginne mit

einer Darstellung von fünf Problemen, die sich fiir Kants Beweisprogramm stellen (l.). Danach werden einige Reaktionen auf die damit gegebenen Pro- . blerr'tlage vorgestellt (Z.).

1. Schwierigkeiten mit der Srandardinterpretation

Ich beginnernit dem Problem der subjektiven Vorstellungen (LL). Dieses Problem ergibt sich daraus, daß Kant bei seinem Versuch, in der transzendentalen Deduktion die Objektivität unserer Vorstellungen zu begründen. über sein Ziel hinauszuschießen scheint, da aus seiner Argumentation zu folgen scheint, daß subjektives Bewußtsein unmöglich ist. Daran anschließend (1.2.) soll das Problem der Wahrnehmungsurteile vorgestellt werden. das sich daraus ergibt,

daß Kant in den 'Prolegomena' mit den Wahmehmungsurteilen eine Klasse von Urteilen einführt, die es nach der Urteilstheorie, die er in der transzendentalen Deduktion (5 19) voraussetzt, gar nicht geben diirfte. Das Problem des Verhältnisses von Urteilsfonnen und Kategorien (1.3.) beruht darauf. daß Kant für sein Argument in der transzendentalen Deduktion (in B) von einem sehr viel enge— ren Zusammenhang zwischen Kategorien und Uneilsfrurktionen Gebrauch macht, als sowohl der Sache nach, wie auch nach Kants eigener Erklärung des

Kategorienbegriffs vertretbar ist. An vierter Stelle folgt das Anschlußproblem (1.4.). Unter dieser Bezeichnung werden einige der Spannungen zur Sprache kommen. die zwischen Kants Argumentation in der transzendentalen Deduk— tion einerseits und dem Grundsatzkapitel andererseits bestehen. Den Abschluß

w x \ \ w

Die?roblanatikvonKanlsßegrt’irtdungder6esetzesthese

64

unserer Problernfolge bildet das bereits erwähnte Beweisstrnkrurproblem der BDeduktion (1.5.).

1.1. Das Problem der subjektiven Vorstellungen "Hatte denn der Philosoph von Königsberg keine Träume?" lautet der Titel

eines 1975 erschienen Aufsatzes von L. W. Beck.l Dies ist keine Frage, sondern ein Einwand, den C. 1. Lewis gegen Kants Kategorienlehre vorgebracht

hat.2 Lewis glaubte, daß Kants Kategoriendeduktion die absurde Konsequenz hat, daß Traumbewußtsein unmöglich ist. Der Verdacht, Kant schließe mit seiner nanszendentalen Deduktion die

Möglichkeit von (bewußten) Träumen aus, beruht auf einer einfachen Überlegung. Nach "dem Grundsatze von der Einheit der Apperzeption [...] müssen durchaus alle Erscheinungen so ins Gemüt kommen, oder apprehendiert werden, daß sie zur Einheit der Apperzebtion zusanunenstimmen, welches, ohne synthetische Einheit in ihrer Verknüpfrmg, die mithin auch objektiv notwendig ist, unmöglich sein würde" (A 122). Wenn aber nichts "apprehendiert", d.h. ins Bewußtsein aufgenommen werden kann, ohne d a t zu einer synthetischen Einheit verknüpft zu werden, diese aber ihrerseits (nach (BD9)3 eine objektive Einheit ist, dann sind alle Vorstellungen, sofern ich mir ihrer bewußt bin, ob-

jektiv.‘ Aber bedeutet das nicht, daß ein Bewußtsein von Vorstellungen, die — wie z.B. Träume - keine objelnive Gültigkeit haben, unmöglich ist? Das Problem, das Lewis anspricht, ergibt sich also aus der uneingeschränk— ten Objektivitätsthese: (SI)

Alle Vorstellungen sind, sofern sie ins (Selbst)Bewußtsein

aufge-

nommen werden, objektive Vorstellungen. Daraus folgt bereits:

- A N N ' - '

(S;)

Es gibt kein (Selbst)Bewußtsein von subjektiven Vorstellungen.

Beck (1978) S. 38—60. Lewis (1929) S. 220ff. Vgl. oben S. 52. Statt. von Vorstellungen zu sagen, sie sein objektiv. spridit Kant in da hier einschlägigen Texten meist davon, daß diese Vontellungm m einer objektiven Enhdt verhandelt sind. Das kann man natürlich nur in bezug auf mitten Vorstellungen sagen. Ich ziehe daher an diser Stelle eine Formulierung vor, die auch auf einzelne Vorstellmgat ben'ehharin. Wenn man die beiden Formulierungar'rn einen direkten Zusammenhang bringu_1 will, kann mit sogar. daß eine Vorstellung genau dann objektiv ist, wenn es mindestars eine weiße Vorstellung g'bt, müdersieineinerobjektivat£inheilsteht

mmmxbmwtumwttmm

Schwierigkeiten mit. der smidinieipmaim _

Unter der Zusatzannahme:

(Sg)

65

Träume und Einbüdungen sind subjektive Vorstellungen.

folgt: (S,)

Es gibt kein (Selbst)Bewußtsein von Träumen und E'mbildungen.

Dasselbe Problem läßt sich auch von einer anderen Seite beleuchten. Nach Kants Auffassung besteht die Rolle der Kategorien darin, gegebene Vorstellun— gen auf ein Objekt zu beziehen (A 80/3 106; A 111; vgl. auch Pr. & 18f.). Wenn aber "alles, was unseren Sinnen nur vorkommen mag" (B 160), unter Kategorien steht, wie ist dann ein bloß subjektives BeWußtsein, wie wir es z.B. im Traum erfahren, möglich? Diese Version des Problems können wir folgender— maßen skizzieren: (SS)

Alle uns gegebenen Vorstellungen stehen unter Kategorien.

(Sg)

Vorstellungen, die unter Kategorien stehen, sind objektive Vorstellungen;

woraus nicht nur (S,) folgt, sondern sogar:

(S,)

__

Es gibt keine subjektiven Vorstellungen.

Man kann versuchen, dieser unangenehmen Konsequenz mit dem Hinweis

darauf zu entrinnen, daß in diesen Überlegungen eine stärkere Prämisse in Anspruch genommen wird, als Kant wirklich vertritt: In 5 16 der B—Deduktion sagt Kant ja nicht, daß es gar kein Bewußtsein geben kann, das nicht auch schon synthetische und damit objektive Einheit aufweist; Kant behauptet dort nur, daß es möglich sein muß, alle Vorstellungen zur Einheit des Selbstbewußtseins zu bringen. Diese Einheit des Selbstbewußtseins soll zwar eine objektive Einheit sein; aber daraus folgt nicht, daß es gar keine Vorstellungen geben kann, die nicht auch schon an“ Einheit der Apperzeption gebracht sind. Es folgt nur, daß jede Vorstellung zu einer objektiven Einheit gebracht werden kann. Damit ist subjektives Bewußtsein aber nicht ausgeschlossen: unsere Vorstellungen müssen nur objektivierbar, nicht aber auch immer schon objektiv sein. Man kann noch einen Schritt weiter gehen. Denn zur Begründung seiner These, daß alle unsere Vorstellungen notwendigerweise zur Einheit der Appet— zeption gebracht werden können. beruft sich Kant darauf, daß sie uns andern— falls "gar nichts angingen" (A 119) oder “wenigstens für mich nichts" wären

(B 132). Was aber fiir mich nichts ist. muß deshalb nicht auch nicht existieren5 5

Vgl. A 111 wo Kern von unserer 'Erkenntnis' (im wäteien Sinti) behauptet, daß sie eine die Beziehung auf die trunszendennle Einheit da Amrzeptia't “zwar gedankailose Anschauung, aber niemals Erkenntnis [irn argerm Sinne]. alsoflir uns soviel als ga- rnichts sein“ würde.

Vlunatikvantaßegrürflungder&utaerthele

126 c.

Sie scheitert unter exegetischen Gesichtspunkten, da sich Kant selber in der 2. Analogie auf Voraussetzungen aus der transzendentalen De»

duktion stützt. d. Kants Rückgriff auf die transzendentale Deduktion, ist zwar der Sache . nach wenig überzeugend; er liefert aber einen Leitfaden zur Klärung

des Zusammenhangs zwischen der transzendentalen Deduktion und den Analogien. Ausgehend von dem zuletzt genannten Ergebnis soll in dem folgenden vierten Kapitel untersucht werden. ob sich eine Alternative zur Standardinterpretation der transzendentalen Deduktion entwickeln läßt. Auch zur Beantwortung

dieser Frage ist es sinnvoll, indirekt zu verfahren. Ich beginne mit einer Diskussion derjenigen Argumente, die Kant in der A-Deduktion zugunsten der Geset-

zesthese entwickelt, da dort der Zusammenhang zwischen Apperzeptionseinheit und Gesetzmäßigkeit besonders deutlich herausgestellt wird. Es soll dabei gezeigt werden, daß diese Argumente zur Begründ der Gesetzesthese untauglich sind. Anhand einer kritischen Diskussion von Henrichs Rekonstruktionsvorschlag wird sich bestätigen, daß die Strategie der Deduktivisten der Sache nach wenig aussiehtsreich ist. Es soll dann gezeigt werden, daB Kant in der B-Deduktion ein von der Staudardinterpretation in wesentlichen Punkten abweichendes Argument entwickelt hat, das zudem den Erwartungen entspricht, die durch unsere Untersuchung der 2. Analogie geweckt wurden. Es sind vor allem die folgenden Punkte, hinsichtlich deren dieses Argument von der Standardinterpretation abweicht:

l.

Die Gesetzesthese soll nicht mehr direkt aus der Einheit des Selbstbe— wußtseins abgeleitet werden.

2.

Die Selbstbewußtseinsanalyse hat vielmehr die Funktion. unsere Fähigkeit, Vorstellungen auf Objekte zu beziehen, zu erklären.

3.

Das Resultat des ersten Beweisschrittee der B-Deduktion ist daher darin zu sehen. daß wir die Fähigkeit haben. uns zu (allen) unsere Vorstellungen Objekte zu denken.

4. Im Zwischenteil da B-Deduktion (55 24f.) entwickelt Kant dann in groben Zügen eine Theorie über die Bedingungen. unter denen solchen Objektgedanken ein Gegenstand in der Anschauung korrespondiert. Es geht dabei also um die Frage nach den Wahrheitsbedingungen der ent— sprechenden Urteile. 5. Erst im zweiten Teil der B-Deduktion (5 26) kommt Kant zur Begründung der Geeetzesthese. In dieser Begründung spielt die Einheit von _

Folgenngrar und Vorlirek'

127

Raum und Zeit eine entscheidende Rolle. Es wird sich zeigen, daß Kant damit über die die Grenzen. die einer Deduktion aus der Einheit der Apperzeption gesetzt sind, hinausgeIangen will; und es wird sich auch zeigen. daß er mit dieser Prämisse in der Lage ist. diese Grenze — wenn auch an anderer Stelle als er glaubte und ohne so weit zu kom—

men wie er hoffte - wirklich zu überschreiten.

'

3. Kapitel

Kants Begründung des Kausalprinzips In der Absicht herauszufinden, ob rmd ggf. welche Voraussetzungen aus der transzendentalen Deduktion in die Begründung der speziellen Gesetzesthesen

im Gmndsatzkapitel eingehen. wenden wir uns nun Kants Vasuch zu, die Geltung des Kausalprinzips als Bedingung der Möglichkeit objektiver Erfahrtmgs— erkenntnis zu begründen. Dabei wird vor allem zu rmtersuchen sein, ob die Ar— gumente, die Kant im Grundsatzkapitel in diesem Zusammenhang aufbietet, fü sich allein ausreichen, um eine überzeugende Begründung des Kausalprinzips

zustande zu bringen.

_

Im Text der 2. Analogie haben fleißige Philologen bis zu sechs verschiedene 'Beweise' für die Geltung des Kausalprinzips aufgecplirt; und die Versuche, die verschiedenen Beweisansätze kritisch zu sichten, haben uns zusätzlich eine Reihe unterschiedlicher Lesarten der einzelnen Beweise beschert. Nachdem Kant seinen Leser im Grundsatzkapitel mit all diesen Beweisen konfrontiert hat, stellt er einige hundert Seiten später lapidar fest: "Die 2 w e i t e Eigentümlichkeit transzendentala Beweise istdiese: daß zujedern transzenderrtalen Same nur ein e i n z i g e r Beweis gefunden werdet könne" (A

787/B 815). Und nachdem er als Beispiel für einen solchen transzendentalen Satz explizit den "Gnutdsatz: alles, was geschieht, hat eine Ursache“ erwähnt. fährt Kant fort: "Daher, wenn man schon den Dogmstiker mit zehn Beweisat auftreten sieht. da kann man sicher glauben daß er gar keinen habe. Dam. blue a- emen. der (wre es rn Sachen der reinen Vernunft sein muß) apodiktisch bewiese. wozu bedürfte er der übrigen? Seine Absicht ist nur, wie die von jurem Parlarnerrtsadvokaten: das eure

Argumentistfllrdiesen‚das andereflkjmaunßnflich‚umachdre8chwflcheserner Richter zunutze zu machen. die, ohne sich tief einzulessen, und. um von dem Ge-

schäft bald loszukomrnen, das Erstebeste, was ilmen eben auffllllt. ergreifenund der— nach entscheiden" (A 789/13 817).

Vorschnelle Kritiker mögen daraus bereits die Folgerung ziehen, daß es sich in der zweiten Analogie um eine Reihe von Advokatenbeweisen handelt. Aber in Wirklichkeit ist die Lage nicht so unübersichtlich. wie es auf den ersten —

Kanu Begründung des Klunlpnnn''ps

. 129

Blick erscheinen mag. Mindestens fünf der von Kant offéierten Beweise fol— gen irn großen und ganzen derselben Beweisidee - lediglich der (in der Reihe ihres Auftretens im Text) fünfte Beweis scheint von anderer Art zu sein.1 Ich

will diesen fünften Beweis als den synthetischen und die übrigen als Varianten des analytischen Beweises bezeichnen. Ich werde mit einer Diskussion des analytischen Beweises beginnen: 1. weil er eindeutig den Text der 2. Analogie dominiert; 2. weil Kant selber mit der Darstellung des analytischen Beweises be— ginnt; 3. weil es zum Verständnis des synthetischen Beweises nützlich ist, we— nigstens in Grundzügen Klarheit über das analytist:he Argument gewonnen zu haben; 4. weil sich die meisten Interpreten auf die Diskussion des analytischen

Arguments beschränken und schließlich 5. weil es besonders gut zur Strategie der Analogiker paßt. Ich will allerdings nicht direkt mit der Textinterpretation einsetzen, sondern mich zunächst von einigen Rekonstmktionsvmschlägen zu diesem Argumenttyps leiten lassen. Das geschieht deshalb, weil sich diese Rekonstruktionsvorschläge im Vergleich zu Kants Argumenten durch größere Klarheit auszeichnen. Es können daher anhand dieser Vorschläge bereits einige wichtige sachli-

che Klärungen vorgenommen werden, ohne daß wir uns dabei bereits mit Interpretationsproblemen belasten müssen. Zudem werden auf diesem Wege auch

schon die Hauptprobleme, die die Rekonstruktion von Kants Argument auf— wirft‚ sichtbar, und schließlich gewinnen wir auf diese Weise bereits ein Bild von möglichen Interpretationsvarianten, was für die später folgende Diskussion von Kants Text nur nützlich sein kann. ‚ Der erste Teil dieses Kapitels (l.) ist daher ausschließlich der Diskussion

der wichtigsten Rekonstruktionsvorschläge des analytischen Arguments gewidmet. Es wird dabei vor allem darum gehen, Grenzen und Voraussetzungen dieses Arguments aufzuzeigen. Im zweiten Teil (2.) soll dann Kants Argumenta—

tion untersucht werden. Es wird sich hier das Ergebnis der Untersuchungen des ersten Teils bestätigen: daß das analytische Argument ohne Rückgriff auf recht anspruchsvolle Voraussetzungen nicht überzeugen kann. Damit ist eine empfindliche Schwäche der Strategie der Analogiker aufgedeckt. Die Diskussion des synthetischen Arguments soll dann zeigen, in welcher Weise Kant selber die Grenzen des analytischen Arguments zu überschreiten versucht. In diesem Argument knüpft er an Überlegrmgen aus der transzendentalen Deduktion an — allerdings in anderer Weise, als dies von der Standardinteqaretation unterstellt wurde. So kann uns das synthetische Argument zum Leitfaden für unsere im vierten Kapitel anstehende Diskussion der transzendentalen Deduktion dienen.

1 Vgl. unter Abschnitt (1)

130

Kant: Begründung du Kauulprinn'pl ] . Das analytische Argument "

Kants Ziel in den Analogien der Erfahrung besteht, wie bereits oben ausge . fiihrt, darin, die Bedingungen der Möglichkeit einer objektiven Zeitbestimmung der Erscheinungen ausfindig zu machen (vgl. z.B. A 145/B 184f.). Mit anderen Worten: es geht um die Frage, wie wir auf der Basis gegebener Vorstellungen (und deren Zeitverlrälmissen) die objektiven Zeitrelationen der vor? gestellten Gegenstände erkennen können. In der zweiten Analogie geht es daber speziell um die Frage nach der objektiven “Zeifolge” (B 232), dh um dte Frage, ob und wie wir auf der Basis gegebener Wahrnehmungen die objektive Aufeinanderfolge der wahrgenommenen Zustände erkennen können. Kant wrll

zeigen, daß ohne die Voraussetzung des Kausalprinzips eine objektive Bestim_ mung der Zeitordnung der Gegenstände der Erfahnmg nicht möglich ist. Der analytische Beweis besteht aus zwei Hauptschritten: im ersten Schutt soll die Unbestirnmtheitsthese begründet werden, wonach "durch die bloße Wahmehmungdas o b j e k t i v e V e r h ä l t n i s dereinanderfolgendenl:irscheinungen“ (B 234) unbestimmt bleibt. Im zweiten Schritt soll dann gezergt werden, daß diese Bestimmung nur möglich ist, wenn "das Verhälmis zwischen den beiden Zuständen so gedacht [...wird], daß dadurch als notwendig be» stimmt wird, welcher derselben vorher, welcher nachher und nicht umgekehrt

müsse gesetzt werden". Der Begriff aber, durch den die beiden Zustände alsin dieser notwendigen Beziehung zueinander stehend gedacht werden, "rat hrer der Begriff des V e r h ä l t n i s s e s d e r U r s a c h e u n d W i r k u n g ” (B 234). Damit ist Kant bereits bei der Kategorientheee angelangt, aus der er unmittelbar folgen, daß "nur dadurch, daß wir die Folge der Erschernungen, mithin alle Veränderung dem Gesetze der Kausalität unterwerfen, selbst Erfahrung d.i. empirisches Erkenntnis von denselben möglich" ist (B 234). Damit

hat er sein Ziel, die Geltung des Kausalprinzips als Bedingung der Möghchkert der Erfahrung zu erweisen, erreicht.

Wenn wir die in diese Überlegung eingehenden allgemeinen Voraussetzungen explizit machen, können wir das Argument wie folgt zusammenfassen: (0) Objektive Erfahrungserkennmis auf der Basis der uns gegebenen Erscheinungen ist möglich. (Objektivitätsthese) (Z) zur objektiven Erfüuungserkennmis gehört die Erkennmis der objektiven Zeitordnung der Erscheinungen. (Zeitordnungsthese)

(U) “[D]urch die bloße Wahrnehmung [bleibt] das o b j e k t i v e V e r ; h ä l t n i s der einander folgenden Erscheinungen unbeeummt (B 234). (Unbestünmtheitslhese)

Duamlytueh'eArgummt

_ 131

(K) Es kann nur bestimmt werden, wenn die Erscheinungen unter die Kausalitätskategorie subsumiert werden. (Kategorienthese) '

(G) Dies ist nur möglich, wenn die Erscheinungen unter einem Kausalge setz stehen. (Gesetzesthese)

Es ist klar, daß dieses Argument nur eine schwache Begründrmg derGesetzesthese liefert, da die beiden ersten Voraussetzungen im Rahmen des Beweises nicht selber begründet werden. Es entspricht daher der Strategie der „ Analogiker. Welche Erfolgsaussichten es hat. hängt entscheidend davon ab, wie stark der in die Voraussetzungen eingehende Begriff objektiver Erkennmis ist. Diese Frage können wir allerdings erst klären, wenn wir uns ein genaueres Bild von Kants Begründung der Thesen (U), (K) und (G) verschafft haben.

1.1. Die Unbestimmtheitsthese

Die soeben gegebene Darstellung von Kants analytischem Beweis ist nur_ eine Skizze, die auf unterschiedliche Weise ausgearbeitet'werden kann. Die verschiedenen Versionen dieses Argumenttyps, die sich in der Literatur finden,

lassen sich gut anhand der verschiedenen Lesarten der Unbestimmthei'tsthese klassifizieren. Bevor ich mit einem Überblick über die verschiedenen Varianten

der Unbestimmtheitsthese beginne, ist die Einfiihrung einiger Abkürzungen nützlich.

Zm' Erläuterung ein Beispiel: Um 7 Uhr wird ein mit kaltem Wasser ge— füllter Topf auf den Herd gestellt. Nach drei Minuten beginnen wir, das Wasser __zu beobachten, das nach weiteren zwei Minuten (in denen wir es nicht aus den Augen gelassen haben) zu kochen beginnt, was wir wiederum eine Minute lang betrachten. Wir lassen es noch weitere vier Minuten tmbeobaehtet weiter kochen. Wir können in dieser kleinen Geschichte zwei qualitativ verschiedene Wahrnehmungen a und b unterscheiden: Die Wahrnehmung a, in der sich uns das Wasser in nicht-kochendem Zustand präsentiert, erstreckt sich von 7.037.05. Die Wahrnehmung b, in der wir das Wasser rn kochendem Zustand wahrnehmen, erstreckt sich von 7.05-7.06. Der der Wahrnehmung a entsprechende objektive Zustand des Wassers A erstreckt sich dagegen von 7 .00-7.05; während der b entsprechende Zustand B von 7..05—7 10 andauert. ‘ Ich werde“nur Folgenden Vorstellungen (Wahrnehmungen) mit kleinen lateinischen Buchstaben vom Anfang des Alphabets bezeichnen; die diesen Vor-

stellungen korrespondierenden objektiven Zustände dagegen mit den entspre-

132

Kanu Begründung der mama.

chenden großen Buchstaben (Variablenbuchstaben stammen entsprechend vom Ende des Alphabets). (ab) bedeutet, daß die Wahrnehmung a der Wahmehmung b vorangeht; (AB) bedeutet, daß der a kmespondierende objektive Zustand A dem b korrespondierenden Zustand B vorausgeht. (agzb) bedeutet, daß ‘ die Wahrnehmungen a und b gleichzeitig auftreten; entsprechend bedeutet (An), daß die diesen Wahrnehmungen lmrrespondierenden objektiven Zustände gleichzeitig existieren. r ist eine Funktion, die Vorstellungen die ihnen korrespondierenden objektiven Zustände zuordnet. Ebenso ordnet r den oben eingeführten Relationen (xy) und (xgzy) der Vorstellungen die Zeitrelationen der diesen Vorstellungen korrespondierenden objektiven Zustände zu.2 (Falls der Vorstellung a kein objektiver Zustand korrespondiert. ist das Bild von a unter r die leere Menge, also r(a) = O). R ist die Umkehrfunktion von r, es gilt also r(a) = A genau dann wenn R(A) = a (entsprechend r(ab) = (AB) genau

dann, wenn R(AB) = (ab).3 Die Funktion T ordnet Vorstellungen und objektiven Zuständen die Zeitintervalle zu, zu denen sie existieren (im Beispiel oben gilt also z.B. T(a) = [7.03, 7.05] und T(A) = [7.00, 7.05]). Die Funktion Z ordnet Paaren von Vorstellungen und Paaren von objektiven Zuständen ihre Zeitrelationen zu; im Beispiel gilt also Z(a‚b) = (ab) und Z(A‚B) = (AB). Die Funk-

tion T" ordnet jeder Vorstellung das kürzeste Zeitintervall der Existenzdauer des ihr korrespondierenden objektiven Zustands zu, das fiir die Existenz der

Wahrnehmung notwendig ist. Nehmen wir an, daß im oben beschriebenen Beispiel die auf der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit und dem Wahrneh— mungsmechanismus beruhende Zeitverzögerung zwischen dem Auftreten eines Ereignisses tmd seiner Wahrnehmung konstant dt beträgt; dann gilt T(B) = [7.05,7.10] und T(b) = [7.05 + dt. 7.06 + dt]. An der WahrneMung b hätte sich aber nichts geändert, wenn der Zustand B bereits früher aufgehört hätte. Fiir die Walunehmung b war es lediglich notwendig. daß das Wasser von 7.05-7.06

kochte. Es gilt daher: T'(b) = [7.05, 7.06]. Ich will den Teilzustand des von a repräsentierten Zustandes A, der zu T"(a) existiert, mit A‘ bezeichnen. Ich nenne A' den zu a gehörenden Minimalzustand. In unserem Beispiel ist B” der von 7.05 bis 7.06 dauernde Teilzustand des Kochens des Wassers. Die Funktion 0 ordnet einer Vorstellung a dasjenige Objekt zu, dessen Zustand in a wahrgenommen wird. O(a) = O(b) bedeutet also, daß a und b Vor— 2

r(ab)= (AB) bedattetalso. daßdie Wahmdtmnngrfolge (ab) die Wahrnehmung änerobjétiven Folge (AB) in, wihrurd r(ab) = (An) bedauet. daß die Wahmelanungrfolge (ab) mei MMguifimübrthkAmdßrqrirmfinlümdüßdrpidefiräeün-

3

IchdbergehehieräeKnmpfihfim‚daßkniehtwobldefidmündauujedanobjekfivm Zustand mehrere im repriirattierutade Wahrnehmungm gebut kann und nidtljeder objektive Zustand wahrgutanrnen wird. Im folgatden wird daraus aberk-e Unklarheit attrtdtut.

beatimmtlteitstbeseweitertmten.

Dat analynrelre' a m

133

stellungen desselben Objekts sind. Entspechend bedeutet O(A) = O(B)‚ daß A und B Zustände desselben Objekts sind.‘ 'C', 'Cf, ' ',... sind zur Bezeichnung von Ursache-Ereignissen reserviert; entspechend werden die Vorstellungen

von solchen Ereignissen mit 'c', 'c‚', 'cj,... bezeichnet. 'x = Y‘ bedeutet, daß X Y verursacht.

In der zweiten Analogie behauptet Kant, daß bei einer Wahmehmungsfölge (ab), die eine Folge objektiver Zustände (AB) repräsentiert (wenn also (ab) = R(AB) gilt), “die Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen [...] bestinmtt" ist

(A 19218 237). Ich will dies durch det(ab) ausdrücken, d.h. det(ab) bedeutet: die Ordnung der Wahrnelunungsfolge (ab) ist bestirtunt. Was damit genau gemeint ist, wird gleich zu untersuchen sein.

Mit kaus(AB) ist gemeint: 'Der Übergang von A nach B ist verttrsaCht'. Schließlich sollen mit [a], [ß] etc. die Klassen aller a bzw. b etc. qualitativ ähnlichen Wahrnehmungen bezeichnen: also z.B. [tx] = {a. a', a“,...}. Entsprechend soll [aß] die Klasse aller derjenigen Wahmehmungsfolgen bezeichnen, die je ein Element aus [ct] und [ß] enthalten: also [aß] = [(ab),(b'a')‚....l. (Man

beachte, daß es fiir das Enthaltensein in [aß] nicht auf die Reihenfolge ankommt, d.h. es gilt [aß] = [ßa].)

'

1.1.1. Varianten der Unbestimmtheitstltese Kant leitet seine Überlegungen zur Begründung der Unbestimrntheitstltese mit dem Hinweis darauf ein, daß jede Wahrnehmung einer objektiven Folge (eines Ereignisses) die Aufeinanderfolge zweier Wahmehmungen enthält: "Ich nehme wahr, daß Erscheinunt aufeinander folgen, d.i. daß ein Zustand der

Dinge zu einer Zeit ist. dessen Gegenteil im vorigen Zustande war. Ich verknile

also eigattlich zwei Wahrnehmungen in der Zeit." (B 233). "Jede Apprehension eina Begebenheits ist also eine Wahrnehmung. welche auf eine andere folgt" (A 192] B 237). Fall: es zu eine Vorstellung kein Objekt gibt. gilt wieder0(a) = O. Ich werde im folgender nurWahmehmungmbemdua,ürdmarnidrtmehrdadn0bjektvorgertefltvärt andernfalls wäre 0 natürlich nicht. wohltbfiniert. Fiir Kant sind die Begriffe “objektive Folge", "Begebratltdt", "Gerdteltm". “Wednel”. (objektive) "Verinduung" und (objektive) 'Sukzerrion" komferuuiell. aber rridtt (alle) bedmnmgrgleich, da Entstehat und Vergeben und: als Wedtrel. nidrt aber als Veränderungen: aufgdaßt werden Verindemng definaantalrein 'rukmriverSeinmdl’iidrtreinderliertimmungender$ubrtanz [...]‚diedabeharrt" (8232). Danaehderl. Analogie'daa Entrtelrmoder Vergehen der Substanz selbst nidrt stattfindeltl' (B 23), in "[a] l l e r Weduel (Snkzerrion) der Encheirrurtgen [...] nur Verhütung" (B 233). Id: wert midi im folg=tüt an Kann Terminologie haha.

Kanu Begründungdeslüuulprinn'pl

134

Weit weniger selbstverständlich als diese Behauptung‘ ist eine zweite, die Kant zur Begründung der Unbestimrntheitsthese in Anspruch nimmt:

(Suk)

"Die Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinungen ist je- _ derzeit sukzessiv. Die Vorstellungen der Teile folgen aufeinander"

-

(A 189/13 234).

Daraus ergibt sich fiir Kant bereits eine erste Version der Unbestimrntheitsthese: "Ob sie sich auch im Gegenstande folgen. ist ein zweiter Ptmkt der Reflexion. der in dern ersteren nicht enthalten ist” (A 18913 234).

Wenn die "Apprehension des Marmigfaltigen der Erscheinungen" jederzeit sukzessiv ist, so unterscheidet sich die Apprehension einer objektiven Veränderung nicht durch ilue Sukzessivität von irgendwelchen anderen Apprehensionen eines Mannigfaltigen (A 19% 237; A 193/238 u. (l.). Aus der Sukzessivität der Apprehension kann folglich nicht auf eine objektive Abfolge der

wahrgenommenen Zustände geschlossen werden. Vermutlich stützt sich Kant zur Begründung der Sukzessifitätsthese (Suk), wonach die Apprehension des Mannigfaltigen jederzeit sukzessiv sein soll, auf ‚ eine Bemerkung aus der A-Deduktion: "[llede Anschauung enthält ein Marmigfaltiges in sich. welches doch nicht als ein der solches vorgestellt werden wiirde. wenn das Gemüt nicht die bit, in der Folge

Eindrücke aufeinander unterschiede: denn a l s

in einem A ugenblrck

e n t h a l t e n , kann jede Vorstellung nianals etwas aderes. als absolute Einheit sein" (A 99).

*

Daraus folgen Kant. daß ein Mannigfaltiges "als ein 'solches" nur vorge-

stellt werden kann. wenn "dieses Marmigfaltige zuerst auf gewisse Weise diirchgegangen, aufgenommen, und Verbunden" wird (A 7713 102). "welche

Handlung ich die S y n t h e s i s d e r A p p r e h e n s i o n nenne” (A 99), die daher "jederzeit sukzessiv" ist (vgl. A 182/13 225 sowie A 189/B 234). Aber die dieser Begründung zugrundeliegende Behauptung, daß " a l s i n e i n e m A u g e n b l i c k enthalten‚[...]jedeVorstellungniemalsetwas anderes, als absolute Einheit sein” kann. ist der Sache nach genauso unplausibel wie die Sukzessivitätsthese selbst: Warum soll es nicht möglich sein,

z.B. gleichzeitig Verschiedenes wahrzunehmen?

In der starken Form hat (Salt) daher selbst bei Kants Verteidigern wenig

Anklang gefunden. Das liegt wohl nicht nur daran, daß diese These so unplau6

Ganz selbstverstiudlirh ist natürlich mich diese Bdrnupurng nicht. Wenn ich z.B. kontinuierlidr einen Sonnenuntergang betrachte. in nidtt recht klar. wieviele Wahrndmnmga ich habe.

obwohl ich sicherlich eine Veriuderung beobachte.

135

Dusnalyusehe‘ Argurnu'tt

sibel ist. sondern auch daran. daß man sie fiir unnötig stark hält. So schreibt '

Beck:

"Kant assurues that the manifold of representations is always sueeessive. This is fieldae ifrnyeyesor certainlywrong.Whenlopenmyeyeeldonctscanthevisual my attention worked like the electron ejecttr in : television tube, aiming first at one point and then at an adjacent point. But as a consequenee of his smsational atomisrn. Kant assurnes thatrny apprehmsion does work in this way” (Beck (1978) S. 144).

Aber Beck glaubt nicht, daß Kants Argument durch diesen Irrtum beeinträch. tigtwird: "Itisthe d i f f e r e n c e i n t e m p o r a l orders‚nndmttheputatively n e c e s s a r y s u c c e s s i v i t y o f r e p r e s e n t a t i o n s . which genaues the problem of the Analogies" (Beck (1978) S. 144f. Vgl. v. Cleve (1973) S. 75).

Die Annalune. daß für Kants Zwecke eine schwächere These ausreicht. ist weit verbreitet. Wir werden zu prüfen haben. ob dies wirklich der Fall ist. Die von Beck und anderen in Anspruch genommene These lautet: Es ist möglich, daß das Zeitverhältnis der Wahrnehmungen a und b nicht

mit dem Zeitverhältnis der objektiven Zustände A und B _iibereinstimmt. Der für uns wichtige Sonderfall ist;

(U“)

Aus (ab) folgt nicht (AB).

Wir können nun einige der verscldedenen Rekonstruktionen von Kants analytischem Beweis entsprechend den Begründungen, die sie fiir (U‘) geben. klassifizieren. Es scheint mir sinnvoll. folgende Varianten zu mrterscheiden:

1.1.1.1. Das Objekt-ProzeB-Problem

Teil I: Ein Schiff treibt den Strom hinab. Zum Zeitpunkt tl befindet es sich vor der Brücke, zum Zeitpunkt tz ist es hinter der Brücke angelangt. Teil II: Der Immobilienmakler, der soeben das dahiutreibende Schiff betrachtet hat, wendet sich seiner eigentlichen Aufgabe zu: er inspiziert die zum Verkauf angebotene Villa am Hang des Stromes. Zum hitpunkt tg betrachtet er die Vorderfront, durchquert den Garten und begutachtet zu t4 die Rückseite des Hauses. Folgendes scheint eine auf das Wesentliche reduzierte Beschreibung der soeben erzählten Kurzgeschichte zu sein: Zu tl hat I (der Immobilienmakler) eine Wahrnehmung a (des Schiffes vor der Brücke); zu tz eine Wahrnehmung b (des Schiffes hinter der Brücke); zu t;, eine Wahrnehmung d (von der Vorderseite des Hauses) und schließlich zu i.; eine Wahrnehmung e (der Rückseite der

136

KannBegilndtmgdeslhuulprinn'ps

Villa). 1 ist kein Philosoph und. obwohl auch er den sparsamen Pretokollstil liebt, wird er die Geschichte anders erzählen: Zuerst - so notiert er in seinem

Tagebuch — habe er ein Schifl' unter der Brücke hindurchtreiben sehen und danach die Villa von vorn und hinten inspiziert.

Beide Beschreibungen sind zutreffend, aber die zweite geht über die erste hinaus. Nach unserer ersten Beschreibung haben wir es in Teil I und Teil II unserer Geschichte mit jeweils zwei aufeinanderfolgenen Wahrnehmungen zu tun. Nach der zweiten Beschreibung handelt es sich dagegen im ersten Teil um eine Wahrnehmung eines Ereignisses (einer Begebenheit'), im zweiten Teil dagegen um eine Wahrnehmung gleichzeitig existierender 'Zustände'. Unser Im— mobilienmakler hat die Wahrnehmungsfolge (ab) als Wahrnehmung von (AB), die Wahmehmungsfolge (de) dagegen als Wahrnehmung von (Dn) interpretiert. Wie kommt er dazu und mit welchem Recht tut er das? Dies ist das

Objekt-Prozqß—Problem" (kurz: O-P-Problem): Wieso interpretieren wir einige unserer Wahrnehmungsfolgen als Wahrnehmungen objektive: Veränderungen. andere dagegen als Wahmelunungen koexistierender Zustände? Die diesem Problem entsprechende Unbestimmtheitsthese lautet:

(U{)

Aus (ab) folgt nicht (AB), weil es möglich ist, daß (ab) = R(An)

Diese in der Literatur beliebteste Lesen von (U') wird offenba auch von Kant favorisiert. Das O-P-Problem kann zwei Formen annehmen, je nachdem,

ob man nach den Gründen und kognitiven Mechanismen fragt. die de facto dafür verantwortlich sind, daß wir einige Wahmehmungsfolgen als Wahrnehmungen objeku'ver Veränderungen interpretieren, andere aber nicht; oder nach den Gründen, die rechtfertigen, das Auftreten von Wahmehmungsfolgen in unterschiedlicher Weise zu interpretieren. Wir wollen die erste als die psychologische, die zweite als die epistenwlogische Version bezeichnen.

1.1.1.2. Das Wahmehmungsisomorphieproblern Eine andere in der Literatur ebenfalls recht beliebte Variante der Unbestimmtheitsthese geht davon aus, daß die Wahrnehmung eines Ereignisses nicht immer (streng genommen nie) zur gleichen Zeit wie das Ereignis selber auftritt, da die von dem Ereignis ausgehenden 'Signale' eine gewisse Zeit benötigen, um eine Wahrnehmung hervorzmufen. Die verschiedenen 'Signale’ (z.B. Licht und Scimll) breiten sich aber auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit aus. Das " In Anlehnung an Bernau Benidmnng (Bench (1966)S. 219)

Das analyuache' Argument

137

führt zu den bekannten Phänomenen, daß man ein früheres Ereignis später hö— ren kann, als man ein späteres Ereignis gesehen hat oder (gegeben, die Ereignisse finden in hinreichend unterschiedlicher Entfernung vom Beobachter statt) auch ein später eintretendes Ereignis früher sehen kann, als eines, das zwar frü-

her, aber in viel weiterer Entfernung stattgefunden hat. In solchen Situationen kann es also durchaus vorkommen. daß eine objektive Folge (AB) durch eine Wahmehmungsfolge (ba) repräsentiert wird. Die Möglichkeit solcher 'abweichender’ Wahrnehmungen wirft die Frage auf, auf welcher Grundlage wir, ausgehend von gegebenen Wahmehmungsfol- ‘ gen, zu unseren Urteilen über die Abfolge der wahrgenommenen Zustände

kommen.8 In Walunehmungssituationen, in denen aufgrund der unterschiedlichen

Übertragungsdauer9 nicht nur die Zeitdrfl'aenz zwischen den Wahrnehmungen, sondern sogar die Zeitreiarian‘° der Wahmehmungen von der Zeitrelation der wahrgenommenen Minimalzustände abweicht. ist die Bedingung der Wahrneh—

mungsrlromorphie (WI) verietzt. Wahrnelunungsisomorphie liegt genau dann vor, wenn die Zeitrelation der Wahrnehmungen der Zeitrelation der ihnen kor—

respondierenden Minünalzustände entspricht, d. b. wenn gilt:

'

i) falls (ab). dann auch (A'B')

(WI) ii) falls (agzb) dann auch (A'n') Als zweite Version von (U‘) können wir festhalten:

(Uf)

Aus (ab) folgt nicht (AB), da es möglich ist, daß (ab) dieBedingung (WI) verletzt. '

(Es sei darauf hingewiesen, daß im Fall der sukzessiven Wahrnelunung ko-

existierender Zustände die Bedingung (WI) gewöhnlich nicht verletzt ist. obwohl in solchen Fällen natürlich nicht gilt:

falls (ab), dann (AB). Wenn wir z. B. die Vorderseite des Hauses (A) von t, - tz tmd die Rückseite

(B) von t; — t4 betrachten (wobei t, < tz < t3 < t4), und annehmen, daß die Über8

Audi hier ki'nnui wir zwischm einer plychdogirchn und im erinanolog'aehm Version dieser Frage unterscheiden. Die Übertragungrdnua‘ einen Ereignisse ist die Differmz zwisdren dan 2eitpinkt da Auftretaremer Ereignisrerund seinerfrüherunöglidnhrndimung.$ieirtmtilrlidr mdtl abhingig von der Entfernung zwischen den wahrgutornmam Geg=utantl ind den wahrnehqenSubjekt.wie_vmderhtder gmedim.derAnda$ignaleundwdrl 0 und: von der Verarbermngsgesdrwindigka't des Wahrnehmmgsapparata.

9

Also die Beziehungm der 'früher als'; 'spita als' und 'gädmeitig mit!.



www.-„mw

138

tragungsdauerdes Wahmehmungssignals wiederum konstant dt befigi. so gilt offensichtlich:

T(A')=[t‚ -dt‚tz—dt]

und

T(B')= [r‚- dt.t.‚--dt]

woraus‚danach Voraussetztutgt‚< tggilt.natitrlichfolgt‚daßauehtz+dtt of an objective event depads upon our irnplicit use of the nation of a necessary order of the relevant perceptions. [...] Lack or parsersion of order-brär'fi'erence on the part of our pmeptions is, he s m to say. our criten'on — whether we reflectively realize the fact or not - ofob— jectr've suecesrion or coen'stence" (Strawson (1966) S. l33f.).

Wie bereits angekündigt. werden wir im Folgenden dasjenige. was Strawson hier als "lack of order-indifference" einer Wahmehmungsfolge (ab) be“

Kmvawmdethiermrßemiehnmgdiemupredrmda6rofirudunhnldthaheäeaufgm:rdderohmeingdühaenlegungendurdrklänguchfieburßmhnaham

Kann Begrilmhrngdellhuulprina'pu

152

zeichnet, durch det(ab) ausdrücken. Kant verwendet eine ganze Reihe verschie-

dener Formulierungen, um auszudrücken. daß det(ab) gilt: So sagt er, die Wahmehmungsfolge sei "bestimmt“ (A 19218 237); daß wir “die Reihe [nicht] umkehren“ können (A 198/13 243) und “[ge]nötigt [sind], diese Ordnung der '

Wahrnehmungen vielmehr als eine andere zu beobachten". (A 196/B 242) und daß unsere Apprehension an sie “gebunden" ist (A 19218 237). Am liebsten charakterisiert Kant diesen Umstand dadurch, daß er sagt. die Ordnung der Wahrnehmungen sei ”notwendig". Dies ist aber auch - wie sich gleich zeigen wird - die gefährlichste Kennzeichnung. Bevor wir uns einer genaueren Klarung, was mit det(ab) gemeint ist, zuwenden, müssen wir noch einen Augen-

blick bei Suawsons erstem Ergebnis verweilen. Wir können es folgendermaßen

zusammenfassen:

'

(R1)

Wenn (ab) = R(AB), dann det(ab)

(Rz)

Wenn (ab) = R(Agzß), dann —.det(ab)

(R3)

det(ab) ist unser Kriterium um zu entscheiden, ob (ab) = R(AB) oder ’ (ab) = R(An).

Strawson behauptet am Anfang der zitierten Passage, daß Kant (R!) und (R?) vertritt, und das geht ja auch aus Kants Text eindeutig hervor. Bei der Zuschreibung von (R3) ist Strawson etwas vorsichtiger. Diese Vorsicht ist gerechtfertigt, da aus (RI) und (Rz) nicht (R3) folgt. Denn erstens verlangen wir von einem Kriterium, daß es eine hinreichende Bedingung für das ist, wofür es ein Kriterium ist.” In (RI) (bzw. (R») fungiert det(ab) (bzw. —.det(ab)) aber

nur als notwendige Bedingung.26 Wichtiger ist aber zweitens, daß wir von einem Kriterium nicht nur verlangen, daß es sich um eine hinreichende Bedin-

gung handelt. sondern auch, daß es sich um eine Bedingung handelt, deren Vorliegen wir feststellen können, ohne bereits dasjenige, wofür es ein Kriterium ist, zuvor feststellen zu müssen. Der Begriff des Kriteriums ist kein bloß

logischer, sondern ein epistemischer Begriff.” 25 Mmhnnduvielleid-rtebedrwiehenundnurverlanger. mmn:rutnmmmm gewöhnlich hinreichend istfilrdu Vorliegen dena. wofür er ein Kriterium ist. Ich gehe aber ‚ im folgenden von dem stärkeren Begriff nur. 26 Natürlich würde aus (R‘) und (R,) mummargenunmen folgen, daß det(ab) auch due hinreichende Bedingung fiir (ab) = R(AB) (bzw. -det(ab) hinru'chmd fiir (ab) = R (An)) wire, wenn für (ab) entweder (dr) = R(AB) oder (ab) = R(An) gilt. Aber das ist leide angesidits der Möglichku't, daß die Wehrnehmnngrieunorphiebedingung verletzt ist, oder daß : und b nur

Einbildungen sind. nicht der Fell. 27 Gewöhnlich verlangen wir nützlich, daß wir das Voriiegar einer kriteriellen Eigenschaft nidnwiedemmnmminelrehreeweüerurfitmürmrfatsmßenkönmldrwaésddre Kriterien unmittelbare Kriterien llama.

Das analytische Argunnt

153

Es wurde bereits darauf hingewiesen. daß einige Autoren bestreiten, daß

Kant(R;;) vertretenhat”Essprechenabaeinekeihevonßtellendaftlndaß Kantwennauchnicbtgenau (R,) - (R3)sodoch

(R.;)

det(ab) ist das einzige Kriterium für (ab) = R(AB)

vertritt: “[Dlie s u b j e k t i v e F o l g e der Apprehension [...] allein beweist nichts von der Verbrilpfung des Marmigt'altigen am Objekt. weil sie ganz beliebig ist. [Die ob3ektrve Folge...] also wird in der Ordnung des Mannigfaltigm da Erscheinung be— stehen, nach welcher die Apprehension des einen (was geschieht) auf die des ande— rat (das vorhugeht) n a c h e i n e r R e g e l folgt.Nurdadurchhnnichvonder Erscheinung selbst, und nicht bloß von meiner Apprehersion. berechtigt sein zu sa— gen: daß in jener eine Folge anzutreffen sei" (A 193/B 238).

(R.,) ist in einer Hinsicht schwächer, in einer anderen stärker als (R,) - (R3). Denn zum einen wird in (R4) nicht behauptet. daß —det(ab) ein Kriterium für

(ab) = R(Agzß) ist; andererseits wird behauptet. daß det(ab) das einzige Krite-

rium für (ab) = R(AB) ist. Wir werden gleich sehen. daß die Forderung, daß es sich bei det(ab) um das einzige Kriterium für (ab) = R(AB) handeln soll, für die ‚

epistemologische Variante von Kauts Argument eine entscheidende Rolle spielt. Ich will nun die Thesen (RI-R3) etwas genauer formulieren und dann un-

tersuchen, inwieweit sie sich verteidigen läßt. Zur Präzisierung schlage ich

zunächst vor:

(R5) Wenn (ab).danneilt i) (ab)=R(AB)-+det(ab) '

ii) det(ab)->(ab)=k(Aß) iii) det(ab) ist unabhängig von (ab) = R(AB) feststellbar

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Kant (nach Strawson) im nächsten Schritt seines Arguments zeigen will, daß sich aus det(ab) ergibt, daß die Veränderung (AB) unter einem Kausalgesetz steht. Handelt es sich bei det(ab) aber lediglich um eine hinreichende Bedingung für das Vorliegen einer objekti— ven Veränderung, so folgt aus dem Argument nicht. daß alle Veränderungen unter Kausalgesetzen stehen. Haben wir es dagegen mit einer notwendigen Bedingung zu um, so folgt das gewünschte Resultat in seiner vollen Allgemeinheit. Es könnte also der Eindruck entstehen, daß die Bedingungen (ii) und (ii) in (R5) fiir Kants Zwecke überflüssig sind. Das ist aber nur dann der Fall, wenn im nächsten Schritt des Arguments gezeigt wird, daß aus dem Erftllltsein von 28 &;n.mam szssmma 9wseo.

154

Kanußegrtlndrngdeslüusalprinn'pr

det(ab) direkt auf kans(AB) geschlossen werden kann. Nach Strawsons Ansicht verfährtKantin eben üeserWeise. Wenn man das Argumentaorekonstrmert, kann man nicht nur auf die Bedingungen (ii) und (iii) verzichten, sondern auch auf die Unbestimmtheitsthese; denn solange klar ist, daß aus (ab) = R(AB) ' det(ab) folgt und daraus wiederum kaus(AB)‚ so ist (i) alles. was Kant wirklich braucht. Ich will dieses Argument das dzdukn've Argument nennen. Dies ist aber keineswegs die einzig mögliche Lesart von Kants O-P-Argument. Man kann den dritten Schritt von Kants Argument nämlich wiederum als

eine epistemologische Überlegung verstehen. Es hätte etwa die folgende Grundstruktur:

(F.,) Unbestimmtheitsthese (F4) Um zu erkennen, daß ftir eine gegebene Wahrnehmungsfolge (ab) gilt: (ab) = R(AB), muß man zunächst feststellen, daß det(ab)

(E,)Man kann nicht feststellen. daß det(ab) der Fall ist. wenn nicht . kaus(AB) gilt. Ich will ein Argument dieser Art als epistemologisclres Argument bezeichnen. Im Rahmen eines solchen episternologischen Argumentes spielt die Bestimmtheit der Wahmehmungsfolge eine andere Rolle als im deduktiven Argument. Dort muß untersteht werden, daß det(ab) eine notwendige Bedingung für (ab) = R(AB) ist. Beim episternologischen Argument muß dagegen angenom—

men werden, daß det(ab) das einzige Kriteritun ist.29 Wir müssen daher bei der nun anstehenden Diskussion der Bestimmtheitsbedingung det alle Teilbedingungen von (R5) sowie (R4) berücksichtigen.

1.2.2.1. Die Bestimmtheit der Wahrnehmungsfoige

Bevor wir genauer untersuchen können, ob (RS) haltbar ist. müssen wir erst einmal herausfinden. was mit det(ab) gemeint ist. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß Kant eine ganze Reihe verschiedener Formulierungen für det(ab) gibt. Nach einer dieser Umschreibungen besagt det(ab). daß die Wahrneh-

mungsfolge notwendig ist (vgl. B 234; A 193/B 238; A 19718 242f.). Das ist eine ziemlich unglückliche Beschreibung, die leicht zu Mißverständnissen führt. Denn wenn det(ab) bedeutet. daß (ab) notwendig ist, dann liegt es nahe. aus det(ab) zu folgen. daß (ba) unmöglich ist. Aber wenn aus (ab) = R(AB) 29 Du bedeutet.daßdet(ab) Teil jederfinxetehndenßedtngungfi:W((nb)=ktaßnimwou W(p) bedarta: Wien:. daßp.

Du analyusdre' Argumr=rt

155

det(ab) folgen soll. dann hätte dies zur Folge. daß es keine (wahmehmbaren) reversiblen Prozesse in der Natur gibt. Aber es ist kaum anzunehmen. daß Kant z.B. daraus, daß wir eine Wahrnehmung eines den Strom herabfahrenden Schiffes haben können, folgem wollte, daß wir nie eine Wahmelunung eines den Strom in umgekehrter Richtung befahrenden Schiffes haben können. Da Schiffe aber nun einmal in verschiedenen Richtrmgen fahren können, und es auch keinen Grund gibt. daß wir nicht beides wahrnehmen können. so muß es auch möglich sein, im einen Fall (ab) und im anderen Fall (ba) wahrzunehmen. Da aber aus (ab) = R(AB) det(ab) und aus (ba) = R(BA) det(ba) folgen soll, kann det(ab) nicht schlicht als N((ab))'-“0 (oder auch nur als N(falls a und b auftreten, dann (ab») aufgefaßt werden. Es hilft auch nichts, wenn man det(ab) so interpretiert, daß diejenigen Wahrnehmungen, die de facto in der Reihenfolge (ab) aufgetreten sind, not— wendig in dieser Reihenfolge aufgetreten mußten. Denn wenn man davon ausgeht, daß der Zeitpunkt des Auftretens einer Wahrnehmung zu ihren Identitätsbedingungen gehört, dann ist es analytisch unmöglich ist, daß dieselbe Waltrnehmung zu einem anderen Zeitpunkt hätte auftreten können (vgl. Bennett (1966) S. 221); dann würde aber N(ab) für jede Wahrnehmungsfolge (ab) gel- ' ten - unabhängig davon, ob es sich um die Wahrnehmung einer Veränderung handelt oder nicht. Aber auch, wenn man Rennens Annahme nicht teilt. ist leicht zu sehen, daß die vorgeschlagene Lesart von det(ab) ftir Kants Zwecke

untauglich ist. Denn die Geltung des Kausalprinzips soll ja doch zumindest

eine Regularität unter unseren Vorstellungen irnplizieren. Aber daraus, daß ein einzelnes Paar von Vorstelltmgen notwendigerweise in einer bestirirmten Reihenfolge auftritt, folgt fiir andere Vorstellungen natürlich noch gar nichts. Wenn man det(ab) so interpretieren will, daß eine Regularität rmserer Vorstellungen herausspringen soll, so muß aus det(ab) etwas über mehrere Vorstellungen folgen. Andererseits haben wir gesehen, daß es nicht möglich ist, det(ab) so zu verstehen, daß alle a und h ähnlichen Vorstellungen a’ und b' notwendigerweise in der Reihenfolge (a'b') auftreten: denn das machte es uns möglich, rückwärts fahrende Schiffe wahrzunehmen.

Strawson versucht. diese Schwierigkeit durch die Einführung einer einschränkenden Bedingung aufzulösen. Danach bedeutet det(ab), daß es unmöglich ist, daß qualitativ ähnliche Wahrnehmungen a“ und b' in umgekehrter Reihenfolge (also in der Reihenfolge (b'a')) auftreten können. solange die gegebe— nen objektiven Verhälarisse gleich bleiben:

3° N(p)bedeutet'eeirtnntwardig‚dsßp'.

156

Kante Begründung des Kaunlprinzips

"This requirement, that the given condition be not upset, preserves [...] the doctrine [so. daß det(ab) Kriterium fiir (ab) = R(AB) ist] from the simple-minded objection that we might have perceived the objective state of affairs B (the ship downstrearn) before the objective state of afl'airs A (the ship upstrearn) if the ship had been sai— ling, with engines reversed, in the opposite direction to that in which it sailed in ‘ fact" (Strawson (1966) S. 135).

Aber so einfach. wie Strawson die Sache darstellt, ist sie nicht. Denn die Zusatzbedingung. wonach die objektiven Verhältnisse konstant gehalten werden sollen, ist zrmächst einmal viel zu vage. Denn wie Strawson selber bemerkt (und Schopenhauer ebenfalls bereits gesehen hat), muß sich diese Zusatzbedingung auf die wahrgenommenen objektiven Verhältnisse beziehen. Denn wenn alle objektiven Verhältnisse konstant gehalten werden (also auch die Handlungen des wahmehmenden Subjekts), dann gilt det(ab) auch für den Fall der Wahrnehmung verschiedener Teile eines Hauses. Daher schränkt Strawson seine Bedingung auch darauf ein, daß lediglich das, was wahrgenommen wird, konstant gehalten werden muß (während z.B. die Handlungen des wahmeh-

menden Subjekts variieren können).31 Wir hätten dann als ersten Präzisierungsvorschlag für det(ab):

(der,)

det(ab) ist genau dann der Fall, wenn es unmöglich ist, zu a und b ähnliche Wahrnehmungen a' und b' in der Reihenfolge (b'a') zu ha-'

ben, gegeben. das Zeitverhälmis der a und b entsprechenden Zu— Stände A und B entspricht dem Zeitverhältnis der a' und b' entsprechenden Zustände A' und B'. Mit diesem Explikationsvorschlag für det(ab) wird ein Problem gelöst, um ein anderes hervorzubn'ngen. Wenn wir nämlich in die Definition von det(ab) die Bedingung aufnehmen, daß die a und b korrespondierenden objektiven Zu— stände ihr Zeitverhältnis nicht ändern, dann wird det(ab) unbrauchbar als Kriterium zur Entscheidung, ob (ab) = R(AB). Denn wenn det1(ab) als Kriterium für (ab) = R(AB) dienen soll, müßten wir alle Wahmehmungsfolgen, die sich aus (a und b ähnlichen) Wahrnehmungen a' und b' zusammensetzen, daraufltin

untersuchen, ob (a'b‘), falls die entsprechenden objektiven Zustände im glei— chen Zeitverhältnis stehen wie die a und b korrespondierenden objektiven Zustände. Aber wie wollen wir das feststellen, wenn wir weder wissen, welches das Zeitverhältnis der objektiven Zustände in der ursprünglichen Situation war, noch. um welches objektive Zeitverhältnis es sich in der Testsituation handelt? Um herauszufinden, ob eine gegebene Wahmehmungsfolge (ab) (AB) repräsentiert, müßten wir zunächst feststellen, daß andere Vorstellungsfolgen (a’b') “

Auchdas reichtnichtvrirklich aus. Was z.B. sollkurstantgehaltenwerden,wennidtmidrirtr Spiegel betrachte. wihrend id! mit dem Kopf warile?

DaunlytireheArgumrt

_ 157

(A'B') repräsentieren. Die Anwendung des Kriteriums mim also in einen un—

endlichen Regrteß.32



Aber det, ist nicht die einzige Lesen von det. Wie zum Beispiel steht es mit der folgenden kontrq'aktischen lem?

(det;)

det(ab) ist genau dann der Fall. wenn es unmöglich ist, daß anstelle der faktisch aufgetretenen Wahrnehmungsfolge (ab) genausogut zu a und b ähnliche Wahrnehmungen a' und b' in der Reihenfolge (b'a') hätten aufgetreten können.

Diese Charakterisierung ist ziemlich vage. Denn man könnte auch für den Fall der Wahrnehmung des Hauses bestreiten, daß ähnliche Wahrnehmungen genausogut in umgekehrter Reihenfolge hätten auftreten können. Wenn wir nämlich fordern, die Handlungen des wahrnehmenden Subjekts konstant zu halten, ist es auch im Fall der sukzessiven Wahrnehmung koexistierender Teile unmöglich, daß ähnliche Wahrnehmungen in umgekehrter Reihenfolge auftreten. Das bringt uns zum dritten Präzisierungsvorschlag von det: (den) det(ab) gilt genau dann, wenn anstelle da faktisch aufgetretenen ‚ Wahmehmungsfolge (ab) keine Wahmehmungsfolge (b'a') mit zu a und b qualitativ ähnlichen Wahrnehmungen hätte aufgetreten können, selbst wenn sich das wahrnehmende Subjekt anders verhalten hätte. als in der ursprünglichen Wahrnehmungssituation. Der Vorzug von da:, gegenüber detl springt sogleich ins Auge. Demi da das wahrnelunende Subjekt gewöhnlich in der Lage ist, Veränderungen seines eigenen Verhaltens unmittelbar festzustellen, ergibt sich hier kein Regreßproblem. Aber es gibt andere Probleme. Eines davon haben wir wiederum Schopenhauer zu verdanken: "Die Bewegung seines Leibes nach seinem Willen ist fiir [den Beobaclurz] [...], sofern er steh rein akamard vahält. bloß eine empirisch wahrgenommene 'I'hatsache. Dre Ordnung der Succession der Veränderung könnte so gut im zweiten. wie im a— sten Fall, umgekehrt werden, sobald nur der Betrachta eben so wohl die Kraft bitte, das Schrff strohmmfwärts ar ziehn, wie die. sein Auge in einer der ersten entgegen. gesetzten Richtung zu bewegen“ (Schopenhauer (1970) S. 109).

Rennen gibt eine im Prinzip ähnliche, wenn auch ein wenig realistischere Beschreibung desselben Einwandes: “Kant might reply that in the smey [so. of the parts of the house] I could have re.-arranged my Visual states, that their order would have been different W had behaved 32 Die; ist _allerdings nureine Schwiaigkeit. die siehfilrdie epirtenologr'sche Variantecrg ibt, da mrbemtrgesehmhatra‚daßufürdievm&nwrmlmßnuflmdedukfiveVümtedeak— guments mehr. erfordedrchirt.daßdet(eb)ahKriteritan fungiert.

158

nam. Begründung des Klulelprinn'pr

drfi'erently; whereas when I saw the ship leave the herbour no action of mine could have altere'd theorderinwhichrnyvisual statesoecurred.'lhisnnaydo forthesailing ship, but for some objective processes it is wrong. Here is a counterararnple. (a) I saw rn long—boot being rowed out of the harbour, which. if Kant's analysis is right.

ernailsnotjuettlmrnyvisualem

d i d occnninacertainorderbutthat(h)l

c o u l d n o t h a v e hadtherninanyotheronier. But sincethecoxswainofthe beat was underorders from me, I c o u l d h a v e seatred'formyselfthespectaele of the boot being back—paddled. stem forenost, into tlne han-hour. So. (a) is true and (b) false. and Kant's analysis of (a) is therefore wrong" (Bennett (1966) S. 222).

Generell gilt, daß alle Wahrnehmungen von Veränderungen auf die ich durch meine Handlungen (direkt oder indirekt) Einfluß nehmen kann, Gegenbeispiele zu (den) sind. Wir können daher in einem gegebenen Fall nicht sicher sein, ob die Veränderung in der Reihenfolge der Wahrnehmungen auf eine blo—

ße Verhaltensändernnng zurückzuführen ist oder darauf, daß diese Verlmltensändenmg die wahrgenommencn Zustände selber verändert hat. Im Vergleich zu

den mit det‚ und det‚ verbundenen Schwiaigkeiten ist dies aber weniger gravierend. » Es sei noch auf eine weitere Schwierigkeit hingewiesen, die sich fiir diejenigen Rekonstruktionen ergibt. die det(ab) als Kriterium für (ab) = R(AB) in

Anspruch nehmen wollen. In allen drei vorgeschlagenen Deutungen von det(ab) wurde verlangt, daß es (unter bestimmten Bedingungen) unmöglich ist, (b'a') waluzunehmen. Soll nun aber det(ab) als Kriterium dienen, so muß es möglich sein, empirisch festzustellen, daß det(ab) in einer gegebenen Situation der Fall ist. Aber eine Behaun über eine Unmöglichkeit ist nicht allein

durch Wahrnehmung verifizierbar. Wie kann dann det(ab) ein empirisches Kriterium fiir (AB) sein? Nun will Kant zwar zeigen, daß wir die Geltung von Prinzipien & priori voraussetzen müssen, wenn Erfahrung möglich sein soll. Aber die besonderen Kausalgesetze sollen nach Kant gerade nicht a priori er— kennbar sein - und ganz sicherlich soll das auch fiir Sätze über tmsere Vorstellungen gelten (also auch fiir det(ab)). (Wie man aus dieser scheinbaren Schwäche eine Stärke machen kann, werden wir erst bei einer genaueren Betrachtung der epistemologischen Variante des O-P-Arguments sehen.) Wenn wir von dem erwähnten Problemen. die mit den verschiedenen Explikationen von det(ab) verbunden sind, einmal absehen - können wir dann die

Kant von Strawson unterstellte Behauptung, daß det(ab) unser (einziges) Krite rium fiir das Vorliegen einer objektiven Veränderung ist, akzeptieren? Strawson ist der Meinung, daß dazu solche Fälle, in denen die Wahrneh-

mungsisornorphiebedingnnng verletzt ist, auszuschalten sind, da andernfalls det(ab) nicht als hinreichende und notwendige Bedingung fiir (ab) = R(AB) gelten kann.

Das analytische Argument

159

Denn l. ist die Bedingung nicht hinreichend, wenn wir'Fälle wie den folgenden zulassen: Befinden wir uns hinreichend weit von einer vorbeifahrenden Lokomotive entfernt, dann sehen wir den Rauch aus der Sigrnlpfeife strörnen, bevor wir das Signal hören. Obwohl die beiden Ereignisse gleichzeitig stattfinden, ist die Reihenfolge der Wahrnehmungen aufgrund der unterschiedlichen Ausbreitnmgsgesclnwindigkeiten von Licht und Schall notwendig festgelegt.

Also ist die Bedingung det(ab) nicht hinreichend. Sie ist aber 2. auch nicht notwendig. Wenn wir zwei aufeinander folgende

Ereignisse A und B wahrnehmen, wobei A zu tl und B zu tz stattfindet (mit t;
(AB) kennen und 2.

wissen, daß C (und nicht z.B. C') im gegebenen Fall vorlag. Wir müssen also allem Anschein nach nicht nur die entsprechenden empirischen Kausalgeeetze kennen, wenn wir in einem gegebenen Fall in der lage sein sollen, zu erken-

nen, daß (ab) = R(AB); wir müssen zusätzlich auch feststellen, daß das entspre— chende Ursacheereignis eingetreten ist.

Km. Begrüntiungderliaulalptinipl

164

Es erscheint aber ganz nnplausibel, daß wir vom Vorliegen einer bestimm— ten Veränderung nur wissen können, wenn wir bereits dessen Umche und das entsprechende empirische Kausalgesetz kennen. Ich will dies das Wissenspro- , blem nennen. Aber damit nicht genug. Müssen wir nicht auch wissen, daß das Ursacheerß eignis eingetreten ist. bevor die in Frage stehende Veränderung (wenn es denn eine ist) eingetreten ist, wenn wir das oben beschriebene Verfahren zur Lösrmg des O-P-Problerns befolgen? Schon hier liegt also allem Anschein nach ein Zir— kelproblern vor. Aber Schopenhauer weist mit Recht darauf hin. daß noch ein weiterer Zirkularitätsverdacht am Platze ist: Denn wie anders sollen wir die empirischen Kausalgesetze erkennen, als auf der Grundlage regulärer Sulmessio-

nen der Ursache-Wirkuttgs-Ereignisse? Kant selber behauptet ja explizit an der von Schopenhauer angesprochenen Stelle: "Demnach ist die Zeitfolge allerdings das einzige empirische Kriterium der Wirkung. in Beziehung auf die Kausalität der Ursache, die vorhageht" (A 203/3249).

Wie können die empirischen Kausalgesetze Kriterien fiir die Entscheidung über die objeäve Zeitfolge der Erscheinungen sein, wenn wir diese Gesetze nur auf der Grundlage einer Regulatit objektiver Zeitfolgen erkennen können?

Neben dem Wissensproblem ergibt sich also auch ein Zrkelproblem. (Wis)

Wenn Kants epistemologisches Argument stimmt, dann können wir nicht feststellen, daß (ab) = R(AB), wenn wir nicht unabhängig davon wissen, welches das (AB) entsprechende Kausalgesetz (C = (AR)) ist, i) ii) daß das entsprechende Ursacheeteignis in der gegebenen Si‘ tuation eingetreten ist und

(iii) daß das Ursacheereignis vor (oder gleichzeitig mit”) dem

Übergang von A zu B eingetreten ist. “All das ist aber unplausibel, und (iii) scheint das ganze Verfahren zirkulär zu machen. (Zir)

Wenn Kants epistemologisches Argument stimmt, dann müssen wir

empirische Kausalgesetze kennen (wegen (Wis)(ii)). wenn wir erkennen wollen, ob eine objektive Veränderung vorliegt; andererseits müssen wir vom Vorliegen objektiver Veränderungen wissen, um

35 Diese Einschränkung ist erforderiidi. da Kant expliu't die creme: von um» und Wirkungsereignir mlißtDaswiderrpriclanichtderobenn'u'erturkmerknng.wonadrdre Zeitfolge das empirische Kriterirm filrdu Verhilmis von Ursache und Wirkung ist. (Vgl. dam

A 2025.18 2475.)

Du analytische Argumem

165

empirische Kausalgesetze erkennen zu können. Also fiihrt Kante "Beweis“ in einen Zirkel.



Wir müssen nun sehen, ob Kaa Argument gegen diese Einwände verteidigt werden kann. Beginnen wir dazu mit den Rekonstruktionen. die sich an der ersten Strategie gegen Strawsons Kritik orientieren.

1.2.5. Die phänomenalistische Objektkoneeption

Strawson hatte behauptet, daß Kants Schluß von det(ab) auf kaus(Aß) unter anderem deshalb ein plumper Fehlschluß sei, weil Kant ohne weiteres von C =» (ab) zu C = (AB) übergehe; also von der kaum bestreitbaren Annahme. daß unsere Wahmehmimgen kausal verursacht sind. zu der weit weniger selbstverständlichen (und mithin jedenfalls völlig anderen) Behauptung. daß alle wahrgenommenen Veränderungen kaum! verursacht sind. Gegen Strawson be-

haupten die Vertreter der nun zu untersuchenden Strategie. daß der Übergang

von C = (ab) zu C = (AB) für Kant deshalb gerechtfertigt sei, weil die Ge»

genstände der Erfahrung für Kant bloße Erscheinungen und nicht mabhängig von unseren Wahrnehmungen existierende Dinge an sich sind.37 So schreibt etwa Paton:

'

"Whenever we perceive an objective suocession in which event B follows event A. nur perception b must follow our perception a. But since, on Critical principlea, the events AandB areonly appearances to us. mdareinthiscase i d e n t i c a l with theperceptior‘tsaandb. thismeans thatwhereourexperiatceis ofobjeetivestte-

eessi0n‚ eva-rt B must follow event A" (Paten (1936) n s. 264).38

Das liest sich geradezu wie eine direkte Replik auf Strawsons Einwand (obwohl es 30 Jahre vor Strawsons Buch geschrieben wurde). Aber Strawson hatte sicherlich recht, sie erst gar nicht mit einer ausführlichen Widerlegung zu beehren. Denn daß Patons Verteidigung völlig untauglich ist, hatte (bevtr sie

von Paton vorgeschlagen wurde) bereits Prichard gezeigt:

'

”the assertion that the object of represattations consists in the rqtresurtations themselves related in a certain necessary way [...] is open to two fatal objeetions. In the first place. a complex of repesentations is just not an object in the proper sense, i. e. a reality apprehended. It essentially falls on the subject side of the distinction bet— ween an apprehension and the reality aggrehended. The e o m p l e x i t y of a complex of representations in no way divests it of the character which it has as &

37 So 1. a.: Beck (1978) s. 151; v. (Jeve (1903) s. 84; Pory (1984) s 36 und Allison (1983) s.

233). 38 Ich habe und: hier die Bezeichnungen für Wahrnehmungen bzw. Erämine den ober getrofienen Festlegungen angepaßt.

166

Kante Begündung des Kanulprinn'ps

complex of r e p r e s e n t s t i o n s .

In the second place, on this view thesane

terms have to enter at once into two incompatible relations. Repreaentations have to

be related successively as our representations or apprehensions - es in fact they are related - and, at the same time, successively or otherwise. as the case may be, as parts of the object apprehended, viz. areality innature" (Prichard (1909) S. 281). '

Wenn Paten auf Prichards ersten Einwand mit der Feststellung reagiert, daß Kant eben nicht nur ein uanmdentaler Idealist, sondern auch ein empirischer Realist sei, und daher meint, eine Vorstellung, als "a content apprehended [...] can sure be both an event in my mental history and an event in the objective world" (Paten (1936) [[ S. 266f.), so ist das entweder Unsinn oder eine unglückliche Formulierung dafiir, daß wir zwischen einer Vmstellung qua menta— lem Ereignis und ihrem Vorstellungsgehalt unterscheiden müssen. Aber dann kann man eben nicht- wie Paten dasja tut - daraus, daß die Vorstellungen qua

mentale Ereignisse in einer notwendigen Ordnung stehen, schließen. daß dies

auch für das in ihnen Vorgestellte gilt - auch dann nicht, wenn man Kant darin zustimmt, daß das. was vorgestellt wird, selber in einem gewissen Sinn subjekt— abhängig (eben Erscheinung) ist. Auf Prichards zweiten - und viel gewichtigeren - Punkt geht Paten erst gar nicht ein. Und es ist auch nicht zu sehen, was’er hätte erwidem können: Denn wenn a mit A und b mit B identisch ist, dann muß

auch das Zeitverhältnis zwischen a und b mit dem zwischen A und B überein'- „ stimmen, und es ist ja gerade dieser Umstand, den Paton in seinem ‘Argument'

benutzt; wenn er vorsichtigerweise hinzufügt, daß dies nur "in this case” (näm-

lich der Wahrnehmung objektiver Veränderungen) gelten soll, so rettet ihn das zwar formal vor Priclnrds Vorwurf (da nur im Fall der Wahrnehmung koexistierender Zustände die Wahmehmungsfolge nicht mit der objektiven Zeitrela-

tion übereinstimmen muß”); aber man fragt sich natürlich, wieso "in other cases" die kritischen Prinzipien, auf die Paten soviel Wert legt, plötzlich nicht mehr gelten sollen.40 Und wenn generell gelten soll, daß die Vorstellungen mit

den vorgestellten Objekten identisch sind, dann haben wir es nicht nur Prichards Inkonsistcnz zu tun; damit würde sich auch Kants Unbestimmtheitsthese

als offenktmdig falsch erweisen (selbst in der schwachen Form (U‘)).41

39 Immer vorausgesetzt, (WI) in erfüllt und es handelt sich nicht um Simertiuschungen etc.. 40 Man könnte allerdings, solange man ridt auf den Rahmen des mrprünglidten O-P—Problems besd'ninkt. Prichards zweitem Einwand dadurch entgehen, daß man zwischm den minimaler— i‘orderlichen "zeitlichen" Teilen der Zustände und dar Gesamtmetinden unterscheidet. In diesem Fall gilt ja auch (wie wir S. 137f. gesehen haben) für die Wehmehmungm koairticrutder Zustände. daß die Folge der Wahrnehmungen mit da minimal erforderlichsn zeitlichen Teilen der wahrgemmrnenen Zustinde übereinstimmt: d. h. es gilt (ab) (-) (A B ). abe nidtt generell: (ab) H (AB). Aber auch der hilft nan'iriich garnichts, da wir ja nur det(ab) auf N(AB) und nicht bloß auf N(A B ) schließen wollen.

‘“ Km hatte 3. in A 189I.IB 2345. die Unbeatimmthritathete gerade auf der Grundlageu‘ner vn. terscheiduag zwischen Vorstellungen einerseits und der Erscheinungen andererseits -ge_ führt.

167

Du analytische Argument

Patons simple Strategie ist somit der Sache nach untra'uchbar, und es ist auch zweifelhaft, daß Kant die ihm von Paten zugeschriebenen kritischen Prinzipien' vertreten hat. Zwar ist nicht zu bestreiten, daß Kant seinen transzendentalen Idealismus minmter in ziemlich extremer Form beschreibt. so daß er

gefährlich nahe an Patons Charakterisierung herankommt: I d e a l i s r n aller Er— "Ich verstehe aber unter dem t r a n s z e n d e n t a l e n scheinungen den lehrbegrifif, nach welchem wir sie insgesamt als bloße Vorstelltmgen. und mehr als Dinge an sich selbst, ansehen" (A 369); "an sich selbst sind die Erscheirutngen. als bloße tstelltmgen. nur in der Wahr— nehmung wirklich, die in der Tat nichts andreas ist, als die Wirklichkeit einer ern—

pirischen Vorstellung. d.i. Erscheimmg" (A 49313 521).

Abu Kant hat sich, nachdem sein uanszendentaler Idealismus in der berüchtigten Garve-Feder—Rezension mit dem Berkeleyschen identifiziert werden ist, vorsichtiger ausgedrückt;42 und Kant räumt in Zusammenhängen, wo er sich vorsichtiger äußert, auch explizit ein, daß die Vorstellungen (als mentale Ereignisse) von den Erscheinungen (als empirischen Objekten) verursacht

werden.43 (Es wäre ja auch seltsam, wenn er hätte bestreiten Wollen, daß z. B.

das den Strom hinabtreibcnde Schiff eine Ursache unserer Wahrnehmungen ' von ihm ist.) Das Vorliegen dieser Kansalbeziehung ist && zunächst einmal alles, was Strawson bei seiner Kritik voraussetzt. Wenn Kants transzendéntaler Idealismus mit dieser Annahme kompatibel ist. dann kann man Strawson nicht (wie es z. B. Allison tut“) vorwerfen, er mache damit die Erfahrungsgegen-

stände zu Dingen an sich.45 Das bedeutet aber auch, daß man sich nicht einfach (wie Beck und v. Cleve) mit dem pauschalen Hinweis auf Kants nahszendcntalen Idealismus begm'igen kann, um Strawsons Kritik den Boden zu entziehen. Es ist zwar richtig, daß unter Vmaussetzung einer ideelistischen Position Schlußfolgerungen von Sätzen über Vorstellungen auf Sätze über Gegenstände möglich sind. Damit ist aber bestenfalls gezeigt. daß Strawson irrt, wenn er meint, bewiesen zu haben, daß Kant unrecht hat. Aber daraus folgt natürlich

nicht, daß Kant recht hat, wenn er von det(ab) auf kaus(AB)) schließt. Wenn man diesen Schluß im Rekurs auf Kants transeendentalen Idealismus verteidi— gen will, muß man Kants Argument wenigstens in Grundzügen auf phänomenalistischer Basis rekonstruieren. Das ist in den seltensten Fällen auch nur ver-

42 Ichlrannaufdiel'fnge,obundin welchen Umfangerihmgelungenist,richvm Berkeleyabzugrenzm, hit! nicht über angehen. Vgl. dazu die Arbeiten vm Turbayne (1955); Mattey

“ gä83ä “Zum 0973cWalker (1985); Harper (1984b). e

women

‘“ Allism (1983) s. m. 45

ungdermtspredreudel ebeiAdick

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)

Und wenn aidrhereuutella sollte, daß der tranrzmduttele Idealismus mit diese Amahne

mduverunbarutdamwireerwohlbuser.ihnmdnidndieseAnnebmeaufmgeba

168

m a m a m w

sucht werden. Ich zitiere die Zmammenfassmg der Überlegungen, die Brand zu diesem Thema angestellt hat: "On this interpretation we can now sum up the argument as follows. (a)The noticns ‘ of physical thing and physical event must be analysed entire in terms of actual and possible sense-data and their intereonnexion within expaierwe. 'Iherefore the nation of the causation of one physical event by mother must also be analysed entire in theseterrns. (b)To say thatasequence (xy) ofsense—datainapason's experienceis aperceptionbyhimofaneventinaphysicalthingis to say(i) thatthesetwosensedamdifferhrmmhtyhrtmesohuaconnectedasßeoumtasamearmesßlfimof dresamephysicalthingT; and(ii)thattheinunediatesequenceofyuponxinhis experimeeon thatoccassionwas i n e v i t s b l e . (c)To say thatthesequenee was i n e v i t a b l e involves sayingflrateiflwrxitselforsomeothersense-datmnofhis sirnultaneous withx c a u s a l l y n e c e s s i t a t e d the immediately subsequent occurrence of y in his expaienee. (d) On the phatomenalistic analysis of physical event and physical causation this in turn is equivalent to the following statement. 'I'hephysical stateY, ofwhichy is an appearance. is causallynecessitatedby animmediately previous physical state, of which eitha x itself. or some othe- sensedatum of his simultaneous with it, is an appearance. (e) 'I'herefore. whenenr a sequence (xy) of sense-data in a person's experience can be cotmted as apercepu'on by him of an objective transition from one state of & perceived thing to anotha, the later of these physical states is causally necessitated either by the earlier of them or by some other percepüble physical state simultsneous with the earlier of them" (Brand ‚ (1978) S. 168f.).

Was von dieser Rekonstruktion zu halten ist, wird vor allein von derPlausibilität der phänomenalistischen Analysen, von denen hier Gebrauch gemacht

wird. abhängen. Das sieht auch Broad selber so: "I think that the argument is logically coherent when interpeted in this way. The question whether it provs its oonclusion depends on whether we can accept Kant’s phenornenalistic analysis" (Brand (1978) S. 169).

Selbst wenn man von den bekannten Einwänden gegen philnomenalistische Reduktionen im allgemeinen absicht, wird man die in dieser Rekonstruktion vorausgesetzten Analysen kaum akzeptieren können. Das gilt vor allem fur die Schritte (c) und (d). Denn aus ihnen folgt, daß die phänomenalistische Analyse von (AB) identisch ist mit der phänornenalistischen Analyse von kaus(AB).

Kants vermeintlich synthetischer Grundsatz a priori erwiese sich damit als eine analytische Folgerung aus der Definition von kausaler Abhängigkeit und objektiver Folge. Ich gehe davon aus. daß dies allein bereits ausreicht, um diese

Strategie für aussiehtslos zu erklären. Damit steht aber auch fest, daß das deduktive Argument (vgl. oben S. 154) als gescheitert angesehen werden muß. Strawson hatte im Zuge seiner Diskussion von det(ab) unterstellt. daß wir die in den Wahrnehmungen vorgestellten Gegenstände als Ursachen der Wahrnehmung ansehen müssen. Dies impliziert, daß die wahrgenommenen Gegen- _

Daraualytiache Atgtmtatt

169

stände numerisch verschieden von den Wahrnehmungen sind, ja daß letztere existentiell von den Gegenständen abhängig sind, während das Umgekehrte natürlich nicht gilt. Wenn das der Fall ist, dann ist nicht zu sehen, wie man unmittelbar von Aussagen über Wahrnehmungen auf Aussagen über wahrgenommene Gegenstände schließen kann. Allemal ist nicht zu sehen, wie unter diesen

Voraussetzungen der Kant von Strawson zugeschriebene Schluß von det(ab) auf kaus(AB) gültig sein soll. Der globale Hinweis auf Kants transzendentalen Idealismus reicht nicht aus, um diese Schwierigkeit zu lösen. Wenn man sie dadurch umgehen will, daß man eine phänomenalistische Wahmehmungstheorie unterstellt, derzufolge die wahrgenommenen Objekte Konstrukte aus Wahrnehmungen sind, dann muß man unangemessen starke phänomenalistische Analysen von Aussagen über empirische Objekte voraussetzen, um Kants Argument schlüssig zu machen - und in diesem Fall würde sich das Kausalprinzip als ana— lytische Trivialität entpuppen. Wenn Kants Begründung der Gelnmg des Kansalprinzips iiberhaupt mit Aussicht auf Erfolg verteidigt werden kann. dann nur, wenn sie in der. Form eines epistemologischen Arguments rekonstruiert wird. Es ist nun zu untersu-

chen, ob diese zweite Strategie bessere Erfolgsuussichten besitzt.

4

1.2.6. Das epistemologische Argument

Die Grundidee des epistemologischen Arguments besteht darin, daß wir

nicht feststellen können. daß det(ab) gilt, wenn wir nicht unterstellten. daß alle objektiven Veränderungen unter Kaumlgesetzen stehen. Diese Idee taugt nau'irlich nur dann etwas zum Beweis des Kausalprinzips als Bedingung möglicher Erfahrung, wenn zuvor gezeigt worden ist. daß wir nur auf dem Weg über die Feststellung von det(ab) erkennen können, ob es sich bei einer gegebenen Wahmehmungsfolge um die Wahrnehmung einer objektiven Folge handelt. Es muß also auch gezeigt werden, daß wir nur dann, wenn wir zuvor feststellen, daß det(ab) der Fall ist, auf das Vorliegen einer objektiven Veränderung schlie-

ßen können.“5 Das Argument hat dann die folgenden Hauptschritte: (E,) Unbestimmtheitsthese

(Fa) Um festzustellen. daß eine gegebene Wahrnehmungsfolge (ab) eine Wahrnehmung von (AB) ist, muß zuvor festgestellt werden, daß det(ab) gilt. 46Digbttflekritirdtelhrfldlttngdi„

s. 201-204.Ähn1ichiataueh m

findetaieh

.

_

w(Pony (19u»_m “"-‘ “‘N‘ (1925)

170

Kanu Begründung der Kanalprina'pr

(E,) Man kann nicht feststellen, daß für eine gegebene Wahruehmu_ngsfolge (a) det(ab) gilt, wenn man nicht voraussetzt, daß das Kansalpnnzrp gilt (und daß folglich ein Kausalgesetz der Form C = (AB) gilt). Eine offenkundige Schwäche dieses Arguments besteht darin, daß Kant

auch nicht die Spur eines Argument für (E,) gibt.47 Wir haben ja oben bereits gesehen, daß es ohnehin nicht ganz leicht ist, eine einigermaßen präzise Bet stimmung von det(ab) zu geben, so daß Kants Behauptung, es handle sich ber det(ab) um eine notwendige und hinreichende Bedingung für (ab) = R(AB). plausibel wird. Aber selbst wenn sich diese Schwierigkeiten beheben lassen, so folgt daraus natürlich noch nicht (Ey). Denn es ist evident, daß mcht fitr1ede

hinreichende und notwendige Bedingung B von p gilt, daß man B feststellen muß, um p feststellen zu können.43 ' Aber der entscheidende Schritt ist zweifellos der dritte. Was läßt sich zur Begründung von (E3) anfttlnen? Auch hier gibt Kant leider nur ganz spärliche und dunkle Hinweise. Seine Überlegung scheint ungefähr die folgende zu sem (vgl. A 193f./B 238f.):49 Um herauszufinden, daß (ab) = R(AB), muß zunächst festgestellt werden, daß det(ab) gilt. Die Bestimmtheit der Wahrnehmungsfolge ist aber selber nicht durch bloße Wahrnehmung feststellbm, da sie eine Aussage über eine Unmöglichkeit ist und nicht bloß ein empirischer Faktum konstatiert. Wenn wir also die gegebene Wahmehmmrgsfolge (ab) als Wahrnehmung einer objektiven Verändertmg interpretieren wollen, so müssen wrr annehmen, daß es eine Regel gibt, die uns sagt, unter welchen Bedingungen wrr

davon ausgehen können, daß für eine solche Folge det(ab) gilt, da wir det(ab) nicht unmittelbar an der Wahrnehmung ablesen können. Es muß sich also an etwas, das selber empirisch feststellbar ist, (mittelbar) erkeruren lassen, daß

det(ab). Dh. ich muß eine Regel der Form Wenn C, dann det(ab)“ kennen, wobei das Vorliegen von C empirisch verifizierbar sein muß. C kann aber nur dann empirisch verifiziert werden, wenn es sich dabei um eine Erschernung

handelt. Die Regel besagt dann also. daß, wenn eine bestimmte Erschernung C vorliegt, die Wahrnehmungsfolge (ab) bestimmt ist. C kann dann als die Ursa— che von (AB) interpretiert werden.

47 m versucht lediglich zu zeigen. «nn det(ab) due notwendige Bedingung m: die wma.' roh" ' ur Verindenmg ist.

48 2:32:31: wär-33h gdten, daß nun dann auch p zuvor futnellen‚_ muß,}rm B feststellen_ zu können (da, wenn B eine notwendige und hinreidtencb Bedrn mgfirptlt.natlirirchuuclrp eine hinreichende und notwardlge Bedingung fiir !! ist), Und ' khntc urn (eine rn enter Zirkel zu gerne:) nie etwas fatalelim.

49 Ich grüne später (mm 2.11.) auf diese meiner man: nich widrtigrtur Veniat der

analytischen Beweis näher ein.

Das analytueh'eArgum=rt

171

Diese Skizze des epistemologischen Argumentes reicht bereits aus, die Probleme sichtbar zu machen, die es aufwirft. Der erste Schritt des'Arg uments ist sicherlich unproblematisch. Denn die Behauptung, daß wir eine Regel der Form Wenn C, dann det(ab)‘ kennen müssen, besagt bei Lichte betrachtet nichts anderes, als daß wir über ein Kriterium zur Feststellung von det(ab) (und

damit von (ab) = R(AB)) verfügen müssen. Denn daß es eine Regel geben

muß.

die uns in die Lage versetzt herauszufinden, ob det(ab) vuliegt, heißt eben nichts anderes, als daß wir an irgendetwas (einer empirisch feststel lbaren Bedingung) erkennen können, ob det(ab) vorliegt. "Die Beding ung C ist also zunächst einmal nichts anderes als das, woran wir erkennen können , ob det(ab) vorliegt. Der entscheidende Schritt des Arguments ist also erst der nächste, in dem behauptet wird. daß C selber eine Erscheinung sein muß, da C empirisch feststellbar sein muß. Und eben an dieser Stelle klafft in Kants Argrnn ent die

entscheidende Lücke. Es ist zwar richtig, daß das Erfiilltsein der Beding

ung C

empirisch verifizierbar sein muß. Aber es ist alles andere als selbstv erständlich, daß C nicht eine sehr komplexe Bedingung sein kann, die eine Reihe verschie-

dener empirisch tiberprüfbare: Sachverhalte enthält. Damit ist klar, daß aus 7

dem Argument nicht folgt, daß es sich bei C um eine eindeutig bestim mte, eiltzelne Erscheinung handeln muß.

Aber selbst wenn wir Kant diesen Schritt zugestehen, so folgt zunächst

nicht mehr, als daß wir, um zu erkennen, daß (ab) = R(AB) gilt, voraussetzen müssen, daß es eine Erscheinung C gibt und daß eine Regel der Form C —-) det(ab) gilt. Aber folgt daraus, daß wir annehmen können, daß C Ursache von (AB ) ist? Es drängt sich die Vermutung auf, daß dieser letzte Schritt des Argurnenm erneut eine Form des von Strawson kritisierten Fehlschlusses ist. Denn die Re-

gel, die wir zur Erkenntnis von (ab) = R(AB) voraussetun müssen, sagt ledig»

lich etwas über msere Wahrnehmungen aus; die Folgenmg, die Kant daraus ziehen will, ist aber eine Aussage über die wahrgenommenen Gegenstände. Und in dem Vorwurf, beides zu verwechseln, bestand ja Straws ons Kritik an der oben diskutierten Version von Kants Argument. Ich will der Frage, ob Kants epistemologisches Argument einen analogen Felflschluß enthält, auf einem Umweg über die Lösung eines andere n Problems angehen. Dabei soll versucht werden, einige wichtige Aspekte des Arguments genauer zu klären. Es wurde bereits erwähnt, daß sich fiir das epistem ologische Argument das Zirkel- und das Wissensproblem stellen. Denn um erkennen zu können, daß (ab) = R(AB), müssen wir sowohl die entsprechend e Regel C —> det(ab) kennen, als auch wissen, ob im gegebenen Fall C vorlieg t. Wenn Kant

recht hat, daß wir diese Regel als Kausalgesetz interpretieren müsse

n, bedeutet

172

KmuBegn’rndungderltauralprinzipe

das nicht, daß wir vom Vorliegen einer objektiven Veränderung nicht wissen können, wenn nicht die beiden folgenden Bedingungen erfilllt sind: 1. wir kennen das Kausalgecetz, unter dem die gegebene Veränderung steht und wir wissen 2., daß das entsprechende Ursacheereignis in der gegebene Wahmeh- ' mungssituation vorliegt? Das aber scheint absurd. da wir vom Vorliegen objektiver Veränderungen auch wissen können, ohne bereits ihre Ursachen und die entsprechenden Kausalgesetze zu kennen. Der Hinweis auf diese Konsequenz reicht allerdings nicht aus, um das Argument zu verwerfen. Denn daraus folgt lediglich, daß wir uns de facto nicht immer des von Kant vorgeschlagenen Kriteriums bedienen. So gehen wir normalerweise einfach davon aus, daß die meisten Objekte gewissen Konstanzbedingungen unterliegen. Wir unterstehen z.B. einfach, daß sich Häuser nicht beliebig und regellos verformen. Implizite Anmhmen solcher Art schränken natürlich die Unbestimmtheitsthese, von der Kants Argument ausgeht. stark ein. Aber es ist eben die Frage, was uns zu dieser Unterstellung berechtigt. (Wenn wir durch die Wolken fliegen, bemerken wir, daß es sich dabei um eine nichttriviale Voraussetzung handelt; denn hier haben wir offenbar größere Schwierigkeiten, wenn wir entscheiden wollen, ob sich die Wolken verformen oder

nur perspektivisch verzerrt erscheinen.) Wer also gegen Kant anfiihrt, daß wir in 'normalen' Wahrnehmungssituationen nicht auf Kausalwissen rekurrieren, wenn wir Urteile über objektive Veränderungen fällen, könnte mit demselben Recht Descartes entgegenhalten, daß wir gewöhnlich auch keine Gottesbeweise bemühen, um zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Gravierender als das Wissensproblem ist das Zirkelproblem: Wie soll es möglich sein, empirische Kausalgesetze zu erkennen, bevor wir in der Lage sind, festzustellen, daß objektive Veränderungen vorliegen? Auch auf diese Frage finden wir bei Kant keine befriedigende Antwort. Aber vielleicht läßt sich Kants Argument gegen den Zirkelvorwurf in folgender Weise verteidigen: Wenn wir davon ausgehen können, daß jede objektive Veränderung unter einem Kausalgesetz steht, dann können wir Regularitäten unter unseren Wahrnehnungen als Indizien für das Vorliegen solcher kausaler Abhängigkeiten interpretieren: Wenn wir also feststellen, daß auf eine Wahrnehmung c immer (oder signifikant häufig) (ab) und nie (oder sehr selten) (ba)

folgt, können wir diese Walunehmungsregularität als Beleg fiir das Vorliegen einer kausalen Abhängigkeit C=>(AB) auffassen. Dies ist aber nur möglich, wenn wir das allgemeine Kausalprinzip voraussetzen: nur weil wir armehmen, daß alle Veränderungen Kausalgesetzen unterliegen, können wir eine Regulatität als Indiz für eine kausale Abhängigkeit interpretieren.

Dasnrlyurdre' Argunx=n

‘ 173

Dieses Verfahren zur Feststellung empirischer Kausalgeéetze ist“. soweit ich erkennen kann, zirkelfrtei,50 da wir die empirischen Kausalgesetze auf der Basis von Wahrnehmungsregularitäten der beschriebenen Art aufstellen können - wobei wir allerdings das allgemeine Kaumlprinzip unterstehen müssen. Gegen das besclniebene Verfahren könnte man nun allerdings einwenden,

daß es zwar zutrifft, daß wir unter Voraussetzung des allgemeinen Kausalprinzips gute Gründe haben, auf der Grundlage von “Inuner wenn C, dann (AR)" die Kausalhypothese C=>(AB) aufzustellen; aber die Basis für die Aufstellung

empirischer Kausalhypothesen gemäß dem oben skizzierten Verfahren ist nicht eine Regularität der objektiven Zustände (das wurde uns ja eben in das Zirkelproblem führen), sondern lediglich eine Regularität unter unseren Wahrnehmungen. Um auf dieser Basis Kausalhypothecen zu rechtfertigen, müssen wir annehmen, daß Walrmehmungsregularitäten Evidea ftir objektive Regulatitäten sind. Und diese Annahme ist mit zwei Schwierigkeiten verbunden: 1. stellen die Fälle, in denen die Wahmeiunungsisomorphiebedingung verletzt ist, ein Problem dar. Denn die Möglichkeit solcher Fälle zeigt, daß nicht

immer dann, wenn (ab) vorliegt, auch (AB) vorliegen muß.51 Das muß uns aber nicht besonders beunruhigen. da wir bereits oben festge- '

stellt haben, unter welchen Bedingungen solche Fälle von Wahrnehmungsisomorphieverletzung auftreten können: Entweder es handelt sich um Ereignisse in verschiedenen Objekten (was für Kants Problem irrelevant ist), oder es handelt sich um Wahrnehmungen unterschiedlicher Sinnesmodalität (und dieser

Fall ist deshalb nur von sekundärer Bedeutung. da wir bei gewöhnlichen Fällen objektiver Veränderung davon ausgehen können, daß es möglich ist, den Zu— standswechsel durch denselben Sinn wahrzunehmen). Nicht ganz so leicht läßt sich eine 2. Schwierigkeit ausräumen: Müssen wir nicht auch wissen, daß das Ursacheereignis vor der Veränderung eingetreten ist, und geraten wir so nicht erneut in einen Zirkel, wenn wir uns dabei allein auf die Regularität unserer Walrmehmrmgen stützen können? Nun ist es sicherlich richtig, daß das Ursacheereignis vor (oder mindestens

gleichzeitig) mit der Veränderung, die es bewirkt, auftreten muß.52 Aber das 50 Dubedwmrdbswmfindliehnichgüßaauehhfdfibdin:hdrdiesdrümekegüafitit mmmsermWahmehnungargibtmrnmgue6rüüfürdiehahne‚d-ßuddrumdie Wahrnehmung einer kaunlen eurnmmlrmgr Nadeln. Aber dmit miissen wir im ohnehin abfinrhn, da unsere anpirizehm Kauulhypotherar lemlieh nur auf Reguhrititm gegründet gern kämen. Kant räumt die Fallibilitit der besonderen enrpr'rirclra Kmnlanmhmen auch

urdtaurein. 51EskasaäehwgulddrtFillekoumuierm,indm€=üß)gih,dicmupredimda 2Walultehmungenaberinda "mit &: Beirp'dba' Dryer(l984)8..60 Polscflm) aufireta.V „ 21a.

174

Kann Begründung des Kauralprinzipc

bedeutet nicht, daß wir, um festzustellen. daß (ab)=R(AB) gilt, zuvor feststellen müssen, daß das Ursacheereignis vorher stattgefunden hat. Es reicht aus, wenn

wir feststellen, daß es überhaupt stattgefunden hat.53 Wenn wir unterstehen können, daß es für objektive Veränderungen unterschiedlicher Art auch wie ‘ schiedene Ursachen gibt, reicht es aus. die verschiedenen Fälle danach zu unterscheiden, welche Ursache vorlag. Wir brauchen also nicht zu wissen, ob die Ursache vorausgr'ng (obwohl wir das natürlich, wenn wir eine Bedingung als Ursache identifiziert haben, annehmen können). Damit ist das Problem allerdings noch nicht vollständig gelöst, da noch zu erklären ist, wie wir zirkelfrei feststellar können, welche Ursache für welche Veränderung verantwortlich ist. Wenn wir z.B. das Unbestimmtheitsproblem, das unser Mondbeispiel illustrieren sollte, lösen wollen, können wir zwar (unter der soeben erwähnten Voraussetzung) davon ausgehen, daß wir zwei verschie-

dene Arten von Regularitäten wahrnehmen können: einmal 'irnrrrer wenn cl dann (ab)' und einmal 'immer wenn cz dann (ab)'. Wenn wir in der gegebenen Situation (ab) wahrnehmen, so können wir dann, wenn wir (durch Wahmehmung von cl) feststellen, daß ein cl (nicht aber c,) entsprechendes Ereignis Cl vorlag, schließen, daß wir es mit einer Veränderung vom ersten Typ zu tun haben. Aber wir wissen nicht, welche Regularität welcher Veränderung entspricht. Wir wissen (im Beispielfall) nicht, ob CI die Ursache für die Drehung oder für die Verfalrbung von Menden ist. Und solange wir das nicht wissen, wissen wir auch nicht, ob sich der gegebene Mond dreht oder verßrbt. Wir können dieses Problem dann lösen, wenn sich die Kausalgesetze (auf natürliche Weise) generalisieren lassen. Nehmen wir 2.3. an, wir haben einen dritten, würfelförmigen Mond. Nehmen wir weiter an, daß eine cl entsprechende Bedingung vorliegt. Je nachdem, ob Cl eine Ursache für die Drehung oder für die Verfärbung von Monden ist, werden wir Unterschiedlichec wahrnehmen. So können wir entscheiden, welcher Ursache welche Art von Verände-

rung entspricht.54 53 Natürlich muß er in einem relevanter Zeitverhältnia zurWirkung nehm (der Umstand, daß die Same vor 3 Millimen Jahren aufdiesen Stein schier. käme: wirnielrt dafiirverantwortlieh machen. daß der Stein jetz warm wird). 54 Es soll nicht behauptet werden, daß, solange wir der würfelförmigen Mond allein betrachtar. keine Unbeatinrrntheit aufgnurd der bloßen Wahrnehmung vorliegt. Du artsdreiderde Punkt istnur‚daßea sichumeineandere Unbestirnrnrlreithandelt‚d.h.diernöglielrenlntupretadurch da Wahrnehmungen sind andere: Wenn wir einen sich drehendu‘r wüd'eifömu'gen Marti sehm‚irtdurchdieWahrnehmungunberümmgoberridrverfnmtoderoberaidrdrelu. Wennwireinen sich drehmden runden Mond rehen.irtunbeatimnrt,oberaiehdrdrtoda verfärbt. Wenn wir nun fenstellm, daß in beider Fällen dieselbe Bedingung Cl vorliegt, so

können wir (aufgrund der Garenliaierbarkeitabedingung) aehlienm, daß Cl eine Ursadre fir Drehung ist.

Daranalyrisehe Argurnmt

175

Nun zeigt sich auch, daß Strawsons Einwand. Kant verwechsle Aussagen über unsere Wahrnehmungen rnit Aussagen über die walrrgenorrinrenen Gegen— stände, das episternologische Argument nicht trifft - unter der Vmaussetzung jedenfalls, daß Wahrnehmungsregularitäten der Form ’immer dann wenn c, auch (ab)' als Bestätigungsbasis für empirische Kausalhypothesen angesehen

werden können. Da schwer zu sehen ist, wie wir anders empirische Kausalgesetze ausfindig machen können, gibt es keinen Gmnd, diese Voraussetzung in Zweifel zu ziehen. Wenn sich gezeigt Mitte, daß die Inanspruchnahme dieser Voraussetzung in das Zirkelproblem fiihrt, hätten Wir Kant den Rückgriff auf diese Voraussetzung verwehren müssen. Da das aber nicht der Fall ist, kann auch Kant davon ausgehen, wovon jeder ausgeht. Wir können jetzt das epistemologische Argument genauer darstellen:

1.

Um festzustellen, daß (ab)=R(AB), müssen wir feststellen, daß det(ab).

2.

det(ab) ist nicht durch direkte Wahrnehmung feststellbar, da es sich um eine Notwendigkeitsaussage handelt.

3.

Um det(ab) festzustellen, ist es erforderlich, über ein Kriterium der ‚

Form: 'wenn Bedingung C erfüllt ist. gilt det(ab)‘ zu verfügen. 4.

Die Bedingung C muß empirisch verifiziee sein.

5.

Wenn alle Verändertmgen unter Kausalgesetzen 'stehen (wenn es also zu jeder objektiven Veränderung (AB) eine Ursache U gibt mit

U=(AB)). dann können Wahmehmungsregularitäten der Form "immer wenn u, dann (ab)' (im folgenden kurz; reg(u,(ab))) als Bestätigungsinstaunen fiir Kausalgesetze U=>(AB) aufgefaßt werden.

6.

Wenn wir in einer gegebenen Wahmehmungssituation (ab) wahmehmen und auf der Grundlage von reg(u,(ab)) das empirische Karrsalgesetz (U=>(AB)) bestätigt haben, können wir (falls wir zu der Annahme,

daß U in der gegebenen Sinurtion verlag, berechtigt sind)55 auf (ab)=R(AB) schließen.

7.

Mit den in (5) und (6) geforderten Bedingungen verfügen wir über ein Kriterium der in (3) geforderten Form. Denn wir kennen ein Kausalgesetz der Form U=>(AB), woraus (das Erfiilltsein der Wahrnehmungsisomorphiebedingung unterstellt) folgt: N(U—)(ab)) und dies können wir als det(ab) interpretieren. Da wir U empirisch verifizieren können (indem wir z.B. u wahrnehmen) erfit dieses Kriterium Bedingung (4.).

55 Waswirarneinfadrrtur durehduAuftrerur änerWahmehmmguvaifizierur r m

176

Kann mm;mmmm‚ .

Wir haben gesehen, daß dieses Argument nicht in das Zirkelproblem fiihrt und daß wir uns mit dem Wissensproblem abfinden können, wenn gezeigt werden kann, daß die Kriterien, die wir gewöhnlich benutzen, um (ab)=R(AB) fest- . zustehen, streng genommen inadäquat oder unzureichend begründet sind. Die entscheidende Schwachstelle des oben skizzierten Arguments besteht aber darin. daß aus ihm lediglich folgt, daß die Kenntnis empirischer Kausalgesetze eine hinreichende Bedingung fiir das Vorliegen einer objektiven Veränderung ist. Wenn Kant aber auf die Geltung des allgemeinen Kausalprinzips schließen will. muß der Rekurs auf die empirischen Kausalgesetze die einzige Methode zur Erkennmis objektiver Veränderungen sein. Nun ist klar, daß wir häufig empirische Kausalgesetze zur Datierung von Ereignissen heranziehen. Und es ist sicherlich auch richtig, daß ms in vielen Fällen aus pragmatischen Gründen gar nichts anderes übrig bleibt. Aber die Frage ist, ob es aus prinzipiellen Gründen immer so sein muß. Kant meinte, dafiir ein Argument zu haben. Denn aus dem oben skizzierten epistemologischen Argument folgt ja nicht nur, daß die Kenntnis von Kausalgesetzen eine hinreichende Bedingung für die Erkenntnis des Vorliegens einer objektiven Veränderung ist: Dem Argument lassen sich auch einschränkende Bedingungen entnehmen. die jedes Kriterium für (ab) = R(AB) erfüllen muß. Es muß nämlich einen Satz der Form N(C—e(ab)) irnplizieren. Nun scheint Kant der Ansicht gewesen zu sein, daß wir daraus (zusammen mit der Forderung, daß C empirisch verifizierbar sein muß) bereits schließen können, daß es

sich bei dem Kriterium um ein etnpirisches Kausalgesetz der Form C=(AB) handeln muß. Daß dies aber keineswegs selbstverständlich ist, wird sich zeigen, wenn wir jetzt einen empiristischen Gegenvorschlag untersuchen. Ich orientiere

mich dabei an Überlegungen von am

1.2.7. Das empiristische Modell

Ich will zunächst die allgemeine Idee, die Broads Konzeption zugrunde liegt, vorstellen und erst in einem zweiten Schritt untersuchen. wie sich diese Idee auf den tms interessierenden Spezialfall der Erkenntnis objektiver Verän» derungen anwenden läßt. ‘ Nehmen wir an, daß wir über einen gewissen Zeitraum eine Reihe von materiellen Gegenständen betrachten. Während dieser Zeit verändern wir unsere Position relativ zu diesen Gegenständen, wobei die Bewegungen unseres Kürpers von bestimmten kinästhetischen Wahrnehmungen begleitet sind. Dabei

stellen wir fest, daß wir eine Sequenz von Vorstellungen haben, deren Gehalte.

Das analyusehe' Argumun

177

sich leicht verändern. Wir stellen weiterhin fest, daß sich diese Sequenz (häufig) umkehren läßt, wenn wir bestimmte Handlungen ausführen “(also z.B. denselben Weg rückwärts laufen, unseren Körper dabei ähnlich orientieren etc.):

"As wemoveaboutandcontinue, asweputit. tolookatthesame thing, we are aware of a series of sense very similar to each other in shape, size. colour. etc. There

are slight variations which can be noticed if we inspect carefully emugh. and these variations are as a rule revased if we retrace our steps. We need some explanation ofthis combinationofapredorninmtagreemmtwith slightarulregularvariations. 'l‘hemostplausible explanationisthatthesaiesdepends insome wayontwosets of conditions. One of these is relative permanent. and mounts for the predorninant agreenent; the other is variable and accounts for the minor variations. If we feel an object. such as a permy, and meanwhile look at it from various points of view, the series of predominantly similar but slightly variable visual sense is aceompanied by an invariable tactual sensum. The shape of the taemal sensum is very much but not exactly like those of most of the visual sense. It is exactly like that of the visual sensa which are sensed from a certain series of positions. As regards other qualities there is complete difference. The visual sense have colour and no temperature or hardness; the tactual scnsum has hardness and ooldness but no colour. These facts again fit in well with the notiert of two sets of conditions, one pmnanent the other variable. We have to explain the predominant agreanent as to shape between sight

and touch combined with the minor differences. It seems reasonable to assurne a ' common set of conditions for sight sense and touch sense, combined with a differatt set in the two cases. Lastly when we compare notes with other people who, as we say. are looking at the same object. we find that they too are aware of a series' of sensa predominantly similar to. but slightly different from, oma. It is therefore reasm— abletosupposethatthereisasetofconditionscornrnontotheirsensaandoms which accot for the predominant agreement of the two. In addition there are vari-

able conditions, one set of which has specially to do with me and another—specially todo witlnheotherman.'lhese awarmtfortheminordifferences.ltseerns tnrne therefore that we have good ground for supposing that there are physical objects, in the sense of conditions which are common to us and to others and are relative pemanent, and that these, in combination with other conditions which are vuiable as between different people at the same time and the same person at different times. in some way condition our sense" (Brand (1921) S. 395f.).

Soweit die Grundidee dieses Modells. Wir können drei Schritte unterscheiden: Im ersten Schritt wird innerhalb der gegebenen Wahmehmungsgehalte zwischen vergleichsweise ‘permanenten' und vergleichsweise 'variablen' Komponenten differenziert. Weiterhin stellen wir fest, daß die Variationen mit ande—

ren Veränderungen (2.8. mit dem Auftreten bestimmter kinästhetischer Wahriiehmungen) verbunden sind. die im beschriebenen Sinn reversibel sind, etc. Dies führt zu der Hypothese, daß zwischen zwei Mengen von Bedingungen zu unterscheiden ist: eine Menge objektiver Bedingungen und einer Menge subjek— tiver Bedingungen. Wesentlich ist, daß diese Bedingungen zunächst nur über

das, was sie bedingen, identifiziert werden. Die Menge der objektiven Bedingungen ist also definien als dasjenige, was für gewise Konstanzerscheinungen

Kann Begründung des Kauralprinn'pa

178

verantwortlich ist. Es gleicht hierin Kants umrszendentalem Objekt = X. in dem nichts anderes gedacht wird als ein bloßes Etwas. das der Grund gegebener Er-

scheinungen ist. Im zweiten Schritt wird diese Hypothese wertet verfernert und

gestützt, indem Informationen verschiedener Sinne zur wechselseitigen Korrek- ‘ tur herangezogen werden. Im dritten Schritt schließlich werden Wahrnehmungsberichte anderer zum selben Zweck benutzt. Erst wenn der dritte Schutt vollzogen ist. kann von den für die konstanten Komponenten verantwortlrchen Bedingungen im eigentlichen Sinn gesagt werden. daß es sich daher um objektive Bedingungen handelt, da sie (aufgrund der beiden letzten Schritte) ur zwerfacher Hinsicht 'entsubjektiviert' worden sind: I. sind sie unabhängig gemacht werden von der spezifischen Abhängigkeit von einzelnen Sinnen; 2. sind sre unabhängig gemacht worden von den einzelnen wahrnehmenden Personen. .

Diese drei Schritte bilden zusammengenommen den ersten Hauptteil ernes

explanatofischen Verfahrens:56 wir gehen von gewissen Regularitäten unserer

Wahrnehmungen aus, die wir dadurch erklären, daß wir zwei Arten von Berlin. gungen posurlieren. Indem wir auf dem angedeuteten Weg die eine Klasse von Bedingungen als unabhängig sowohl von den einzelnen Sinnen wre von einzelnen Beobachtem erkennen, können wir sie als die Klasse der objektiven Bedingungen bestimmen. Dies ist das Ergebnis des ersten Hauptteils. Damm wrssenwir aber noch nichts darüber, wie diese objektiven Bedingungen selber besclmf-

fen sind. Dies herauszufinden ist die Aufgabe des zweiten Hauptteils. Ich will

dies gleich an dem uns interessierenden Spezialfall der Erkenntnis des Vorhe. gens objektiver Veränderungen erläutern.

Kant will mit dem epistemologischen Argument zeigen, daß wir dre Geltung des Kausalprinzips voraussetzen müssen, wenn wir auf der Basis gegebe-

ner Wahrnehmung auf das Vorliegen einer bestimmten Verändenmg schheßen wollen. Wir müssen uns nun fragen, ob es im Rahmen des skizzierten explanatorischen Verfahrens möglich ist. eine Methode zur Feststellung des Vorliegens von det(ab) zu entwickeln, die nicht davon ausgehen muß, daß das Kausalprmzip gilt. Der einzige, der sich dazu etwas überlegt hat, ist wiederum Broad. Er

geht von der oben als det, bezeichneten Version von det aus: 56

'

er ex anatorirehe Verfahren unterrdreidet sid! von einem fimdammtalütirdtea odaq-

?äktiviräehen Verfahren dadurch, daß in ihm wmtlidr von der Mahode_ dea‘Sehlnne auf

die bene Erklärung‘ Gebrauch gemacht wird. wihrend bei einem konmuktrvratrrehrar Verfahkürren nur sdche Fntititen mgelarren werden. die artweder als gegeben angesehar weder neu oder sich auf der Basir gegebener Objekte (nach gewr_rrar Regeln) knuruureren hmm. Das aplmatorirehe Verfahrrar irt neuadingr z.B. von Maekre (1976) Kap. ?. (v.a._S. 62Ef.) mr Lösung des Objektivitiuproblaru vorgeaehlagar werden Zur Kritik an Mathe vgl. Ayer

(1977) und Strawron (1979). Sehr viel detaillierter rind die Umcmrelmugar von Broad (1923) Partll. Eine anregende Skizze einer (uidu ganz konsequenten) konnmhivirtirdrut Verfahren

gibt Ayer (1913) Part v.

Der analyurehe' Argt

179

"we must firstask: 'Under what circmnstanees shouldljudgethatleoulrl not have hadthesensationsamdbintheorder(ba)insteadoftheordek(ab)whatwal mighthavedonewithrnybodyatthetime?"lheanswerseemstobeasfollows:l shouldmakethisjudgmenturtdertwo conditions. (i) It maybethatlhave oftent smsationslikeaandsmsationslikeb,andthatmybodyhasbeen d i f f e r e n t l y adjustedoneachoecasion, mdyetthesensationshave a l w a y s happenedinthe order(ab)endneverintheorder(be).0r(ii)itmaybedtatloftarhavehadsensa-

tionslikeaandsensationslikeb.andthattheyhavesometimeshappenedintheorder(ab) und sometimes intheorder(ba).ßutmybodyhasbeenadjusted i n erta c t l y t h e s a m e w a y onoecasionswhenthesensationshavehappenedirrthe order(ab)mdonoecasionswhentheyhavehappenedintheorder(ba).(hinstmtce offlrefirsteaseisprovidedbyfiglüeningmdfltmtder.hütstmweofflteseeond kindwouldbeprovidedbywatching railway trains. some of whichpass meonthe up-line and some on the down-line" (Broad (1926) S. 202). Falls eine dieser beiden Bedingungen erfüllt ist. können wir schließen, daß

die Reihenfolge, in der die Wahrnehmungen auftreten, mit hoher Wahrscheinlichkeit kaum] unabhängig von den Handlungen des Wahmehmenden sind, woraus wiederum mit großer Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, daß

der Wahmehmende an der Reihenfolge der gegebenen Wahrnehmungen nichts hätte ändern können, auch wenn er sich anders verhalten hätte. Das heißt aber .

nichts anderes, als daß der; der Fall ist. Die Anwendung dieses Verfahrens setzt den oben beschriebenen ]. Hauptteil des explanatorischen Verfahrens voraus, da wir bereits wissen müssen, daß (z.B.) kinästhetische Wahrnehmungen Indizien für das Vorliegen von subjektiven Bedingungen sind. ' Nehmen wir einmal an. daß diese beiden von Broad vorgeschlagenen Be— dingungen adäquat sind. In welcher Beziehung stehen sie zu dem von Kant in-

tendierten Resultat? Broads Antwort lautet: "Now of course this argument does involve the nation of causation. But, so far as I can see, it involves it only negatively. The fundamental proposition assumed by the argument is the following: 'Lack of emoomitant variation between two faetors

throughout a s e r i e s o f i n s t a n c e s is a sign of eausal irrelevaneebetween thesetwo factorsin e a c h i n s t a n c e . ' l t d o s n o t involvetheassumptionthat thefaetor whichvaries whiletheotherkeepseonstant‚orkeepsconstantwhilethe othervariesis itself,cnusallydetennrned‘ atall"(Broad(l926)$.203).

Broads Verfahren ist zunächst nur auf Kants ursprüngliche Unbestimmtheitsthese zugeschnitten. Wir müssen nun noch sehen, ob es auch geeignet ist.

die modifizierte Version des Unbestimmtheitsproblems (U1") zu lösen. Wie entscheiden wir, wenn wir z.B. selber in einem fahrenden Zug sitzen, ob ein anderer Zug‚ an dem wir vorbeifahren, sich ebenfalls bewegt? Hier sind verschiedene Modifizierungen von Broads Verfahren denkbar. Die einfachste besteht darin, daß wir uns auf Wahmehmungsberichte von Personen, die beide Züge

180

KanuBegründurrgdecl‘ausalprinn'pe

vom Bahnsteig aus betrachten, berufen. Im Rahmen des explanatorischen Verfahrens ist dies zulässig, da wir aufgrund des ]. Teils dieses Verfahrens wissen können, daß die Wahrnehmungen von Beobachtem, die nicht in Zügen sitzen ' und sich selber nicht bewegen, nur von objektiven Faktoren abhängig sind. Will man also das dem explanatorischen Verfahren zugrundeliegende Prinzip akzeptieren, wonach wir gute Gründe für die Meinung, daß p, haben, wenn p die beste Erklärung fiir gegebene Sachverhalte ist, müssen wir das von Broad beschriebene Verfahren zur Feststellung von det(ab) als Alternative zu Kants Verfahren zulassen. Da Kant ebenfalls das Prinzip des Schlusses auf die beste Erklärung benut— zen muß‚57 reduziert sich die Frage. ob Broads oder Kants Verfahren der Vorzug gebührt, auf die Frage, welche der beiden Erklärungen besser ist. Mir ist nicht klar, ob man diese Frage eindeutig entscheiden kann. Für Broads Modell spricht, daß es mit schwächeren Annahmen auskommt; für Kants Verfahren, daß es einfacher ist. In jedem Fall müssen wir festhalten, daß Kants epistemo-

logisches Argument solange keinen schlüssigen Beweis des Kausalprinzips lie— fert, als nicht gezeigt ist, daß ein Verfahren wie das von Broad vorgeschlagene nicht akzeptabel ist. Soweit ich sehe, ist dies im Rahmen des analytischen Be. weises nicht möglich. Die Lage wäre allerdings dann für Kant günstiger, wenn er seinen starken Objektbegriff voraussetzen könnte, wonach nur das als Objekt gelten kann, was unter notwendigen Gesetzen steht. Ich werde auf die Frage, ob Kant diese Vor-

aussetzung tatsächlich macht,58 im zweiten Teil dieses Kapitels zurückkommen. Aber ob Kant diese Voraussetzung de facto macht oder nicht, spielt für die Frage, wie gut sein Argument ist, natürlich keine Rolle. Die entscheidende Frage ist. ob er berechtigt ist, diesen starken Objektbegriff in Anspruch zu nehmen. Nach unseren bisherigen Ergebnissen ist nicht zu sehen, daß sich Kants analytischem Argument eine überzeugende Begründung dieser Voraussetzung entnehmen läßt. Nun spricht einiges dafiir, daß Kant glaubte. sich dafür auf Argumente aus der transzendentalen Deduktion stützen zu können.59 Im Rahmen der Strategie der Analogiker ist aber ein solcher Rückgriff auf die transzendentale Deduktion nicht möglich. Denn diese Strategie bestand ja gerade darin, ein überzeugendes Argument gegen Humes skeptischen Angriff auf das Kausalprinzip zu entwickeln, ohne dazu auf anspruchsvolle Thesen aus der transzen57 So muß Kant dieser Prinn'p voraursetm. wart er begründen will, daß man reg(c‚(ab)) als IndizfürC :» (AB)inAnrpmchmhmurkasieAnmlnnev=(AB)wirddaheinlr die beste Erklärung für die Regulnritit derWahrnehrnurrgur reg(c‚(ab)) angesehen.

8 Wie !. B. Beck unterstellt (Beck (1978) s. 151f.). 59 Vgl. dazu unten Abrclrn. 2.1.1. und 4. Kap. Ahrdrn. 1.132. m 1.1.13.

Dumalyrrrehe' Argumurt

‘ 181

dentale Deduktion zurlk:kzugreifen. Zwar sollte es sich dabei nur um ein schwaches Beweisprogramm handeln, in dem die Möglichkeit objektiv gültiger Erfahrungserkenntnis vorausgesetzt wird. Wir haben im 1. Kapitel gesehen, daß auch unter dieser Voraussetzung ein Beweis des Kausalprinzips eine loh— nende Aufgabe wäre (ob dies um Hume selbst zufriedengestellt hätte oder

nicht). Aber auch ein milder Skeptiker, der an der Möglichkeit objektivet Erfahrungserkenntnis nicht zweifelt, dürfte sich kaum von einem Beweis' des Kausalprinzips besonders beeindrucken lassen, in dem bereits vorausgesetzt wird, daß nur das als Objekt gelten kann, was unter notwendigen Gesetzen steht. Bevor ich krnz auf die beiden anderen Versionen des analytischen Argumentes, die sich am Wahmehrnungsisomorphieproblem und am Sein-ScheinProblem orientieren, eingehe, will ich die wichtigsten Ergebnisse der bisherigen Diskussion zusammenfassen: Es hat sich gezeigt, daß sich Kants Unbestimmtheitsthese verteidigen läßt, wenn man sie - wie oben geschehen - modifiziert. Wir haben dann gesehen. daß sich mit da:; eine einigermaßen plausible Formulierung für Kants Bestimmtheitsbedingung angeben läßt. Wir haben dann zwischen zwei Versionen des analytischen Argumentes unterschieden: Die erste Version (das 'deduktive Argument). in dem aus det(ab) auf kaus(AB) ge—

schlossen werden sollte, erwies sich als unhaltbar. Auch die Versuche, die entscheidende Lücke in diesem Argument unter Rückgriff auf Kants transzendentalen Idealismus zu fiillen, müssen als gescheitert angesehen werden. Demgegenüber ließ sich die zweite Version (das 'epistemologische Argument) gegen eine Reihe von Einwänden verteidigen. Aber auch hier blieb insofern eine emp— findliche Lücke, als Kant keinerlei Begründung für die — im Rahmen des epistemologischen Arguments wesentliche - Annahme gibt, wonach das Unbestimmtheitsproblem allein mittels eines Verfahrens, in dem das allgemeine Kausalprinzip vorausgesetzt wird, gelöst werden kann. Im Gegenteil: wir haben gesehen, daß das soeben im Anschluß an Broad skizzierte Verfahren eine ernstzunehmende Alternative darstellt. die ohne die Unterstellung des allgemeinen Kausalprinzips auskornmt.

1.3. Andere Rekonstruktionen

Es ist nun zu zeigen, daß auch die beiden anderen Versionen des analyti— schen Arguments keine überzeugende Begründung der zweiten Analogie der Erfahrung liefern. Diese beiden Versionen orientieren sich an den beiden anderen Varianten da Unbestimmtheitsthese: eirunal an der These, daß durch die

Kanu Begründung des Knunlprinn'pe

182

bloße Wahrnehmung das objektive Verhältnis der einander folgenden Erscheinungen unbestimmt bleibt. weil wir dmch bloße Wahrnehmung nicht feststellen können, ob und wenn die Wahmehmungsisomorphiebedingung erfüllt ist; und zum anderen an der These, daß die bloße Wahrnehmung das objektive Ver— hältnis der Erscheinungen unbestimmt läßt, weil wir durch bloße Wahrnehmung nicht ausschließen können. ob wir Wahrnehmrmgstliuschungen unterliegen. Ich beginne mit dem Wahmehmungsisornorphieargument

1.3.1. Das Wahntehmungsisomorphieargmnent Ich orientiere mich“ bei der Diskussion dieses Arguments an der Rekonstruktion, die L. W. Beck vorgeschlagen hat. Becks Argument istalleniings eine Mischform von OP- und WI-Argument. Er faßt sein Argument in den fol-

genden 8 Schritten zusammen:60 (BEI)

"That the state A in the object precedes the state B in the object [...] is a sufficient condition, given perceptual isomorphism [(WI)], for the irreversibility of the sequence of perceptual regnesentations of the states A and B.“ Kurz: Wenn (WI) und (ab)=R(AB)‚ dann

irr(ab).61 (BE,)

"But knowledge of irr(ab) is not a sufficient condition for knowledge that (AB) occurs, and a fertiori not a sufficient condition for know-

ledge that irr(AB)62 occurs. For: (i) itcouldbe thecaseflmtAandßarecoexistentbutsuchastobe always perceived in the order (ab), which is interpreted as

irr(ab); or (ii) itcouldbethecasethatßprecedesA‚ifperceptualisomorphism fails." (3134)

“In «der to know, or to have good reason to believe. that (AB) ,

occurs. given knowledge of irr(ab), I must know or have good reason to believe that: 60 Ich passeindemfolgenden7itatliechhlotationdenobatgeüofl'mar

Festlegungmnn.

51 Irr(ab)sollnachBeekdementspreüen.wuwirobmmitdet(ab)beuiehndhnbemAberßeek scheint (wie (BBQ) zeigt) mit irr(eb) eine |chwldtere Behauptung nt verbinden. III die oben ' von uns diskutierten Vertion=t von det(ab). El ist daher sinnvoll. eine andere Bezeichnung wählen.

52 Beck sagt leider nieht. war er genau mit irr(AB) meint. Ich komme gleich auf die Frage. wu er darunter verstehen muß. wenn sein Argumutt lchlt‘lnig sein soll. zurück Im Augenblick

können wirunr müdervngen Übenetmngvon irr(AB) als “es istfeatgelegt.dnßdielurtinde A und B in der Ordnung (AB) auftretut" begnllgen.

Das mnlymehe' Argument

183

(r) A and B are opposite states ofa substance [...], in order to rule out [BE;i]; and

'

(ii) irr(AB), in order to rule out [BEji]."

(BE,)

“Knowledge of, or a sufficient reason to believe, [BE3i] is sufficient reason to know or justifiably believe that there is an event (a change of states of an object) but not suificient reason to know or believe that the event is (AB) and not (BA).“

(BBS)

(EEG)

"But I know, or have sufficient reason to believe, that (AB) occurs.“

“Theree I know. or have sufficient reason to believe, that irr(AB) occurs."

(BE,)

(BEg)

“irr(AB) is the schema of musation."

“Therefore to know, or have sufficient reason to believe, that (AB) occurs. I must know, or have sufficient reason to believe, that A is.

or contains, a causal condition of B" (Beck (1978) S. 14811). I. v. Cleve (1984) hat in einer eingehenden kritischen Untersuchung von Becks Argument bereits festgestellt, daß alle Prämissen außer (BE3ii) und (BE,) überflüssig sind. um (BE3) abzuleiten. Ich habe‘sie gleichwohl alle zitrert, da sie zur Klärung des entscheidenden Argumentschritts wichtig sind. Wir können den Hauptschritt des Arguments wie folgt zusammenfassen: (Bäii) Wir können nur dann ausschließen, daß eine gegebene Wahmeh— mungs_folge (ab) (aufgrund der Verletzung der Bedingung (WD) eine objektive Folge (BA) repräsentiert. wenn wir wissen (oder gute Gründe fiir die Meinung haben), daß irr(AB). (BE,) irr(AB) ist das Schema der Kausalitätskategorie.

Mit der Zusatzprämisse: (Sch)

Das Schema einer Kategorie ist seine Anwendungsbedingung (d.h. im Fall der Kausalitätslrategorie (unter der Voraussetzrmg, daß (BE-‚)

zunifi't): wenn irr(AB). dann gilt kaus(AB)53) folgt:

(BEg)

Um zu wissen (oder gute Gründe für die Meinung zu haben), daß (ab)=R(AB), muß ich wissen (oder gute Gründe haben), daß kaus(AB).

5 . . . 3 Ichenetuhmd1evm8eekmßfi‚) gegämeümüuidmg‚wmnchAzdberauweder 3Umehevmßisnodaaieathih,durehhm(ßhnrdmobm&162f.genarmtmGrün—

184

KmnBegriindnngdealtauulnrinaipr

Das Argument ist streng genommen nicht gültig, da lediglich folgt, daß wir, um wissen zu können (oder gute Gründe für die Meinung zu haben),daß (ab)=R(AB), wissen miissen (oder gute Gründe für die Meinung haben mits-

sen), daß irr(AB) und daß, wenn irr(AB) gilt, auch kaus(AB) gilt.64 Aber es ist klar, daß diese Abschwächung von Becks intendiertem Resultat unerheblich ist, da in jedem Fall folgt, daß es dann gute Gründe ftlr die Meinung gibt, daß kaus(AB) gilt (ob wir von ihnen nun defacto wissen oder nicht), wenn wir gute Gründe für die Meinung haben, daß (ab)=R(AB) der Fall ist. Sehr viel mehr kann man ohnehin von einem epistemologischen Argument nicht erwarten. Die für die Einschätzung des Arguments entscheidende Frage ist natürlich, ob wir die Prämisse (Bläii) akzeptieren können, und dazu müssen wir erst einmal herausfinden, was genau mit irr(AB) gemeint ist. Wenn das Argument akzeptabel sein soll, dann muß irr(AB) so interpretiert werden, daß unter dieser Interpretation die beiden Prämissen (BE3ii) und (BE7) wahr sind. V. Cleve hat Beck vorgehalten, daß er in den beiden Prämissen verschiedene Interpretationen von irr(AB) unterstellen muß, wenn die Prämissen selber plausibel sein sollen. Um auszuschließen, daß (ab)=R(BA) gilt, reicht es völlig aus, wenn wir wissen, daß immer dann, wenn A und B gemeinsam aufireten, sie in derReihenfolge (AB) auftreten. Aber das bedeutet nicht, daß immer, wenn A auftritt,

B folgt.“5 Nun haben wir oben bereits gesehen, daß wir selbst die schWächere Interpretation von irr(AB) nicht akzeptieren können, da unter ihrer Voraussetzung aus W(AB) W(irr(Aß)) folgen wiirde. Und dies wiirde bedeuten, daß wir nie vom Vorliegen reversibler Prozesse wissen können. Wir haben aber auch gesehen, daß sich diese Schwierigkeit leicht beseitigen läßt, indem wir eine einschränkende Bedingung hinzufügen. Dann können wir die beiden Interpretationen von irr(AB) in folgender Weise charakterisieren:

(im)

irrl(AB) ist genau dann der Fall, wenn in der gegebenen Wahrneh— mungssituation eine Bedingung C erfüllt ist, derart, daß immer dann, wenn eine zu C ähnliche Bedingung 0 erfüllt ist und (A und B ähnliche) Zustände A' und B' gemeinsam auftreten, (A'B') gilt.

(ie

irr2(AB) ist genau dann der Fall, wenn in der gegebenen Wahrnehmungesituationeineßedingrmg€erfiilltist,sodaßesimmerdanm wenn eine zu C ähnliche Bedingung C' erfüllt ist, A und B ähnliche

Zustände A' und B' gibt, für die (A'B') gilt.

64 Dura fol deshalbnieht(ß .weilimallgunernerrausW(p)und(p-eq)nia(q)folgn mamwmfi'a)maamgegaeinevmato ObjehPronß-Argumm65 am“ & m vorgebrneht. Vgl. am (1966) s. 221.

DumlytischeArgnmmt

_ 185

Es ist klar, daß irr‚(AB) schwächer ist, als irrz(AB), da irr‚(AB) zuläßt und irrz(AB) ausschließt, daß C' auftritt, ohne daß A' oder B‘ auftreten; es wird für irr‚(AB) lediglich verlangt, daß, wenn C gemeinsam mit A' und B' auftritt, (A‘B') gilt. Nun ist klar, daß W(irr‚(Aß)) völlig ausreicht, um auszuschließen, daß (ah)=R(BA) gilt. Aber es ist auch klar, daß wir mindestens in;(AB) in Prämisse (BE,) unterstehen miissen: Denn die Bedingung C soll ja nach (BE-,) als die Ursache für die Veränderung (AB) aufgefaßt werden (und nicht nur als ein Hindenmgsgrund für (BA)).

Beck könnte auf diesen Einwand replizieren, daß dies zwar furnal richtig ist, daß wir aber irrl(AB) run feststellen können, wenn wir auch irriAB) fest— stellen (können). Ob diese Replik anssichtsreich ist. können wir erst bein-teilen, wenn wir wissen, wie wir irr,(AB) iiberhaupt feststellen können. Sobald wir uns aber diese Frage stellen, migt sich gleich ein weiteres Problem, das wir ebenfalls bereits im Rahmen der Diskussion (der epistemologischen Variante) des O-P—Argument kennengelernt haben: das Zirkelproblem. Denn wenn wir

nicht annehmen wollen, daß wir irrl(AB) a prian‘ wissen,66 dann mnßes ein empirisches Verfahren geben. um irr‚(AB) feststellen zu können.67 Aber wie.

sollen wir empirisch feststellen, daß immer dann. wenn C, A und B gemeinsam auftreten, (AB) gilt, wenn wir dies bereits wissen müssen, um feststellen zu

können, ob (AB) vorliegt? Ich sehe nicht, wie man diese Frage mit einer anderen Antwort als einem klaren "gar nicht“.beantworten soll. Aber dann kann weder irrl(AB) noch irr2(AB) das Schema für kaus(AB) sein. Denn nach (SGH) soll ja das Schema eine empirisch erkennbare Anwendungsbedingung fiir die entsprechende Kategorie sein. Nun weist Beck selbst darauf hin, daß[(aus Formulierung des Schemas der Kausalitätskategorie zwar mit (BE-,) vereinbar ist, aber auch eine andere Lesart zuläßt. Bei Kant heißt es: "Das Schema der Ursache und da Kausalität einer Dinger; iiberhaupt ist das Reale. worauf. wenn es nach Belieben gesetzt wird. jeder-zeit etwas anderes folgt. Es besteht also in der Sukzession des Mamigfaltigen. insofern sie einer Regel untaworfa1 ist" (A 144/B 183).

Dies macht die von Beck favorisierte Lesen zwar ziemlich wahrscheinlich; erzwingt sie andererseits aber nicht. Wenig später bemerkt Kant jedoch: “das Schema [...] da Relation [emhält] ds Verhältnis der Wahrnehnrurrgen unrueinander [...] nach einer Regel der Zeithestirnmung" (A 14518 184).

“ Wuwederliantnochße&belnuptmwill. 67 Dabedernetnenlriiehnidtt,rhßwiranhwmdungdieaerVerfnhreu keinel’rina'piena päorimmMeflmdürfa.fisbeugnur‚üßwirnüdüdgbesmderaw daheivoraunemdiirfa.

.

186

Kantaßegrilnrlrmgdealiauulprinn'pl

Diese Formulierung legt nahe, daß das Schema keine Aussage über die Irreversibilität der objektiven Zustände. soMern über die Ineversibilität der Wahr-

nehmungen ist.58 Wir können dann (analog zu irrl(AB) und irrz(AB)) definreren: (irr3)

irr3(ab) ist genau dann der Fall, wenn in der gegebenen Wahrnehmungssituation eine Bedingung C erfüllt war, derart. daß immer dann‚wenneinezuCähnlicheBedingung0'erfillltistund(aundb ähnliche) Wahmehmungen a' und b' gemeinsam aufueten, (a'b') gilt.

(im)

im(ab) ist genau dann der Fall, wenn in der gegebenen Wahrneh— mungssituation eine Bedingung C erfilllt war, so daß immer dann,

wenn eine Cähnliche Bedingung erfüllt ist, (a'b') gilt.69 Wir haben gesehen, daß eine ähnliche Strategie im Rahmen des O-P-Argu— ments geeignet ist, das Zirkelproblem aufzulösen. Aber es ist kein Wunder, daß Beck sich dagegen sträubt irrl(AB) bzw. irrz(AB) durch irr;‚(ab) bzw. irr.‚(ab) zu ersetzen. Denn wenn wir entweder irr;;(ab) oder irr„(ab) in (BE3ü) einsetzen, folgt offensichtlich. daß eine Verletzung der Wahrnehmungsisomorphiebedingung in all den Fällen ausgeschlossen ist. in denen wir auf der Basis erner Wahrnehmungsfolge (ab) erkennen können, welche objektive Veränderung ihr

i:orrespondiert.70 Aber dann bricht das ganze Argument in sich zusammen, da es witzlos ist, eine Bedingung als Kriterium für die Enmcheidung, welche von zwei Möglichkeiten vorliegt, vorzuschlagen. aus der folgt, daß eine dieser beiden Möglichkeiten gar nicht vorliegen kann. Becks Rekonstruktionsvorschlag ist also mit dem folgenden Dilemma konfrontiert: Entweder er interpretiert irr(AB) im Sinne von irr;(AB) oder irrz(AB); dann ist es nicht als empirischen Kriterium brauchbar: oder er wählt 68 Ichkmnnidtterkmm.wieaoßeekmeingdaßdieindermufläfieflm?ungemeh offengelarrene Möglichkeit, daß im Schema dm Aussage über waere Wahrnehnungat und nicht über die ihnen korreapondierurdm objdrtiven Zustlnde gemadtt wird. durch Kata Bemerkung ausgeaehlouat rein roll, wonach “die Za'tfolge allerdingl das einige anp'riaehe Kriterium der Wirktmg.‘in Beziehung auf die Kausalitit der Urudre. die vorhergeln“ (A 2031 B 249), sei. Denn diese Bernerlmnglißtganz offen. obKanthiaüberdieleitfolgedaobjektiven Zmände oder über die Zeitfolge der Wahmehmun_gen redet. 69 Wenn irr,(ab) oder in.(ab) empirisch ü b e e sein roller, dan muß natürlich weiterhin gefordert werden, daß wir ‚durch tmelnnung auch das Vorliegen vrar C und den entspre— chatd=t C. C" ac. feststellm kfatnm. Das bringt ma natßriidt in ma'a'tärdl: Problnne. von denen ich hier absehe, da die genamten Sdtwierigkeitm ausreirflrar. um Becks Argument m _ _ untergrabat. 70 Erfolgt sogar. daß, wenn wiriu derhgelind featmstellm‚daßrnememgegebmat Fall (ab): R(AB) gilt, er atrrgeeehloam ut, daß bei Wahrndnnungut von (der objektiven Veränderung (AB)) ihnlidren Vernderungen (A'B') jemals eine Verletntng da Wahrnehmungaiao— morphiebedingung auftretratkann

/

Dumdynrehe' Arguna=n

_ 187

irr3(ab) oder irr.‚(ab), dann entflllt das Problem, zu dessen Lösung das Kriterium vorgeschlagen wurde. Die einzige Möglichkeit, diesem Dilemma zu entgehen, scheint mir die fol-

gende zu sein: Wenn wir die Geltung des allgemeinen Kausalprinzips unterstel-

len, können wir aus (ab) dann auf (ab)=R(AB) schließen, wenn die folgenden empirisch feststellbaren Bedingungen erfüllt sind: 1.

In der gegebenen Situation lag C vor (im günstigsten Fall stellen wir das dadurch fest, daß wir eine Wahrnehmung c hatten, bevor wir die Wahrnehmung b hatten).

2.

In den meisten Fällen, in denen wir feststellen konnten, daß ein C ähnliches C' verlag, traten (a und b ähnliche) Wahmehmungen a' und b' in

der Reihenfolge (a'b‘) auf. 3.

Es gab hinreichend viele Fälle der in (2.) beschrieben Art, um auf die-

ser Basis einen Induktionsschluß zu rechtfertigen.

4.

In all den Fällen, in denen das Vorliegen eines C ähnlichen C' festgestellt wurde, und (b'a') auftrat. war auch eine Bedingtmg D erfüllt, für

die gilt: 13 Das Vorliegen von D wurde nie festgestellt, wenn a' und b' rn der Reihenfolge (a'b') auftraten. ii) Immer wenn eine D ähnliche Bedingung D' vorlag, führte dies auch in Fällen, in denen von a und b qualitativ verschiedene Wahrnehmungen vorlegen, zu einer Umkehrung der 'normalen' Reihenfolge. (Die Bedingung D kann dann als die für das Auftreten von

Wahrnehmungsisomorphieverletzungen verantwortliche Bedingung interpretiert werden).

Es ist klar. daß wir dieses Verfahren nicht anwenden können, wenn wir nicht unterstehen, daß Regularitäten unter unseren Vorstellungen Indizien für kausale Abhängigkeiten sind. Aber das liefert das gewünschte Ergebnis nur dann, wenn gezeigt werden kann. daß das soeben beschriebene Verfahren die einzige Möglichkeit ist, das Wahmehmungsisomorphieproblem zu lösen. Es ist aber leicht zu sehen, daß dies keineswegs der Fall ist. Denn dazu genügt es festzustellen, daß'immer dann, wenn eine Bedingung D erfüllt“rst, sich die'normale' Reihenfolge der Wahrnehrnungsfolgen urnkehrt. Mit anderen Worten: Es ist völlig ausreichend, daß wir in der Lage sind, die fiir Wahmehmungsisomorphieverletzungen verantwortlichen kausalen Faktoren zu identifizieren. Und dazu muß lediglich vorausgesetzt werden, daß das Zustandekommen der Waltrnehmungen kausal durch die objektiven Verhältnisse bestimmt ist, nicht aber,

188

Kants Begrünthmg der Kansalpfin'pr

daß die wahrgenommenen objektiven Zustände selbst unter Kansalgesetzen stehen. Zudem hatten wir bereits gesehen, daß Verletzungen der Wahrnehmungeisomorphiebedingung ohnehin nur bei räumlich von einander entfernten. oder

durch verschiedene Sinne wahrgenommenen Ereignissen auftreten. Da es Kant ” um Zustandsänderungen desselben Objekts geht, sind Fälle des ersten Typs irrelevant; und Fälle des zweiten Typs können wir dann ausschalten, wenn wir von der Annahme ausgehen, daß es im Prinzip möglich ist. beide Zustände einer Zuständsänderung in derselben Sinnesmodalität wahrzunehmen. Das Wahmehmungsisomorphieargrunent taugt also nichts.

13.2. Das Sein-Schein-Argument Dasselbe gilt aus ganz analogen Gründen vom Sein—Schein-Argument. Denn auch hier reicht es aus, daß wir die fiir die 'Schein-Siurationen' verant— wortlichen Bedingungen feststellen können; und es ist nicht zu sehen. wieso wir dazu mehr unterstehen müssen, als daß unsere Vorstellungen (durch subjektive und objektive Faktoren) verursacht sind. Ich erspare mir, im Detail zu zeigen, daß die Gründe für das Scheitern des Sein-Schein-Arguments den obengegen das Wahmehmungsisomorphieargrunent vorgebrachten Einwänden ganz analog sind. Es kommt allerdings beim Sein-Schein-Argument noch hinzu, daß hier die Kenntnis der auf den gegebenen Einzelfall zutreffenden empirischen

Kansalgesetze allein noch nicht einmal ein hinreichendes Kriterium liefert:

Wenn ich träume, daß Wasser in der Wüste bei intensiver Sdnneneinstrahlung gefriert, kann ich aus der Kenntnis der empirischen Kausalgesetze schließen,

daß irgend etwas nicht stimmt. Aber ich kann auch träumen, daß das Wasser verdunstet; und da hilft mir die Kenntnis empirischer Kausalgesetze über Sonnenlicht und seine Auswirkungen auf Wasser natürlich gar nichts zur Entscheidung, ob ich träum(t)e oder nicht. Wenn wir ein hinreichendes Kriterium haben wollen, müssen wir nicht nur das fiir den Einzelfall relevante Kausalgesetz kennen, sondem mindestens so viele empirische Gesetze, wie erforderlich sind, um

Kants 2. Postulat des empirischen Denkens anwenden zu können.

1.3.3. Ein letzter Versuch

Man könnte auf den soeben gegen die beiden letzten Varianten des analytischen Arguments vorgebrachten Haupteinwand entgegnen, daß wir die Kausalgesetze, die ftir das Zustandekommen der Wahrnehmungen verantwortlich .

Kurt; Argunern

189

sind, nicht erkennen können, wenn wir nicht bereits andere Kausalgesetze kennen, die für objektive Zustandsverllnderungen verantwortlich sind. Es spricht einigesdafih,daßdiesdamzuuifft,wermwirdasfimdamentalisfischeho

gramm der Rechtfertigung unserer Erkenntnisansprttcbe vertreten."l Aus der Diskussion des Walunehmungsisomorphiearguments sollte aber deutlich ge-

worden sein, daß es sich bei dem zur Lösung des WI-Problems vorgeschlagenen Verfahren um ein explanatorisches Verfahren handelt. Wenn man das fundarnentalistische Programm aber ohnehin aufgibt, spricht nichts dagegen, die für Wahmehmungsisomorphieverletzungen verantrirortlichen Bedingungen auf der Basis von entsprechenden Regularitäten der Wahrnehn zu postulieren. Analoges gilt für das Sein-Schein-Argument. Und es bedlirt’te zumindest eines zusätzlichen Arguments, wenn man zeigen wollte, daß dies nur möglich ist, wenn auch die objektiven Zustandsveränderungen unter Kausalgesetzen stehen. Aber selbst wenn sich dies zeigen ließe, ist es doch höchst unwahrscheinlich. daß damit das generelle Kausalprinzip bewiesen ist. Denn wir müssen ja nicht

die Einzelheiten über den fiir das Zustandekommen von Wahrnehmungehverantwortlichen Kausalmechanismus wissen: Es reicht, wenn sich Bedingungen ausfindig machen lassen, die als Indizien für das Vorliegen von Wahrneh. ' mungsisomorphieverletzungen oder Sinnestäuschungen dienen können.

2. Kants Argument Es ist nun an der Zeit, Kants eigene Ausführungen genauer zubetrachten. Ich habe bereits am Anfang des Kapitels darauf hingewiesen, daß der Text eine ganze Reihe von Beweisansätzen enthält. legt man die zweite Auflage zugrun-

de,72 so können wir uns im folgenden im wesentlichen auf die ersten 16 Absätze der 2. Analogie beschränken. Die verbleibenden Passagen gehören nicht

mehr zum Beweis des Kausalprinzips; in ihnen erörtert Kant vor allem einige Nebenfragen. wie z.B.. ob Ursache und Wirkung gleichzeitig auftreten können oder wie sich der Kraftbegriff zur Kausalitätskategorie verhält. Ich schlage vor, den Text in 6 Teile zu gliedern. Mit der Ausnahme des IV.

Teils, in dem der Übergang vom analytischen zum synthetischen Beweis vorbe— reitet wird, geben alle diese Teile einen mehr oder weniger vollständigen ‘Beweis'. Der Text kann dann in folgender Weise zerlegt werden (ich füge zum Vergleich die Einteilungen, die sich bei Paton und Wolff finden, hinzu):

71 v;r mr Begründung dieser These Ayer (1973) v.n. Pm v. 72 Derder2. Anflagermterseheidersidrirnweserrdicbmvondunderl.Auflngeürrchdic beiden ersten, neu hinm gefigtm Abcitze.

190

ttmu Begrünrhrngdealhulllprinu'pl Paton

Wolff

I:

1-273

1-2

3

II:

3—6

3-6

4-6

111:

7—8

7-8(+9)

N:

9

10—12

V:

10- 15

13 - 15

VI:

16

16

.

.

742

13 - 15 16:1-2

I—III und VI sind Versionen des analytischen Arguments, wobei 1 und VI einander am meisten ähneln; III wiederholt (in Form eines indirekten Beweises) nur die Hauptpunkte der zuvor gegebenen (ausftihrlichsten) Präsentation des analytischen Beweises in II. In N setzt sich Kant mit einem empiristisch inspirierten Einwand auseinander und leitet damit zur Darstellung des synthetischen Arguments über. Wenn wir also zunächst von den fir die zweite Auflage hinzu gefiigten beiden ersten Absätzen absehen, haben wir es durchaus mit einem sinnvoll strukturierten Argurnentationsverlauf zu tun: Zunächst präsentiert Kant seinen analytischen Beweis (II), dessen Resultat er durch eine Widerlegung der gegenteiligen Annahme absichert (111). In IV macht er sich selbst einen naheliegenden Einwand, der zugleich die Überleitung zum synthetischen Beweis (V) bildet. Im abschliessenden VI. Teil stellt er dann noch einmal die "Momente", auf denen "der Beweisgmnd" der 2. Analogie beruht (A 201] B 246), zusammen. Wenn sich im Folgenden plausibel machen läßt, daß dies der Argumentationsverlauf von Kants Beweis ist, so ist damit auch gezeigt. daß der eingangs ertveckte Eindruck, es handle sich bei der zweiten Analogie um ein Konglomerat kaum zusammenhängender Einzelbeweise. allzu oberflächlich war. Abschließend sei noch angemerkt. daß Kant sowohl den analytischen (11) wie“ den synthetischen Beweis (V) mit einer allgemeinen Erörterung zum Objektivitätsproblem einleitet. Die Diskussion des analytischen Argumentes wird das Ergebnis unserer bisherigen Betrachtungen im wesentlichen bestätigen: für sich allein reicht es nicht aus, die Geltung des Kausalprinzips zu begründen. Es gibt aber Gründe für die Annahme, daß Kant selber der Auffassung war, daß das analytische Argument einer zusätzlichen Absicherung bedarf, da es von einem starken Objektbegriff Gebrauch macht. Zu eben diesem Zwecke bemüht Kant seinen synthetischen Beweis, der allerdings wesentlich von Voraussetzungen aus der transzendentalen Deduktion abhängt.

73 Diebhlen bezeidrnen die Amin-dumm Aufl. Auflage.

Kant; Armut!

191

2.1. Kants analytisches Argument Wir wollen nun "zu unserer Aufgabe fortgehen" (A 191/13 236). indem wir uns Kants atrsfiihrlichster Darsten des analytischen Beweises (II) zuwenden. Im ersten Absatz dieses Beweises (Abs. 3) gibt Kant die erste detailliertere Erörterung der Frage, was wir tmter einem Erfahnmgsobjekt zu verstehen ha— ben. Wir haben bereits gesehen. daß dies eine ftir den amlytischen Beweis wichtige Frage ist. Kant fiihrt diese Untersuchung mit dem Hinweis auf die Unbestimmtheitsthese ein: Da die "Apprehension des Mannigfaltigen der Erschei— nung [...] jedemeit sukzessiv" sei (A 189/13 234), stelle sich die Frage. ob die ”Teile", deren Vorstellungen aufeinander folgen, "sich auch im Gegenstande folgen“, was - wie Kant kurz darauf unter Hinweis auf die sukzessive Appre— hension der Teile eines Hauses erläutert - "freilich niemand zugeben wird". Wir

haben bereits gesehen, daß Kant zu diesem Zwecke nicht die starke Sultzessivitätsthese unterstehen muß: Es reicht. wenn wir in einem gegebenen Fall nicht sicher sein können, ob sukzessiv wahrgenommene "Teile” oder Zustände auch objektiv aufeinander folgen. Da wir es bei der Wahrnehmung einer objektiven

Folge aber immer mit einer Sukzession von Wahmehmun'gen zu tun haben, ‘ aber nicht umgekehrt jede Sukzession von Wahrnehmungen die Wahrnehmung einer objektiven Folge ist, entsteht in jedem Fall einer Sukzession von Wahrnehmungen die Frage, "was dem Mannigfaltigen an den Erscheinungen selbst für eine Verbindung in der Zeit zukomme" (A 19018 235). Um diese Frage entscheiden zu können, müssen wir natürlich wissen, was das ”Wort [Objekt] bei

Erscheinungen zu bedeuten habe“. Und der Klärung dieser Frage widmet sich Kant in dem vorliegenden Absatz.

2.1.1. Der Begriff des Bfahrungsobjekts Das erste Ergebnis dieser Klärung ist negativ: Der relevante Begriff eines Objekts kann nicht mit dem logischen Objektbegriff zusammenfallen. da in diesem Falle "alles. und sogar jede Vorstellung" als Objekt gelten müßte; es soll aber gerade um den Begriff eines von den Vorstellungen unterschiedenen Objektes gehen. auf das sich diese Vorstellungen beziehen (oder das sie - wie Kant sagt - "bezeichnen“ (A 190/B 235)). Der logische Objektbegrifl' scheidet damit aus. Aber bei den Erfahrungsobjekten kann es sich auch nicht um die Dinge an sich lnndeln; denn "wie Dinge an sich selbst (ohne Rücksicht auf Vorstellungen, dadurch sie tms affizieren,) sein mögen. ist gänzlich außer unserer Erkenntnissphäre" (A 190IB 235).

192

Konta8egrrlnrhmgdecKaunlprina'pr

Von diesen beiden negativen Resultaten geht Kant nun unmittelbar zur Präsentation seines positiven Vorschlags zur Beantwortung der Frage, was unter einem Erfahmngsobjekt zu verstehen sei, über. Worin dieser Vorschlag genau besteht. darüber gehen die Meinungen der Interpreten auseinander. Nicht ohne'

Grund: Denn zumindest auf den ersten Blick scheint Kant ganz verschiedene Konzeptionen miteinander verbinden zu wollen. Auf der einen Seite scheint er eine Art ontologischen Phänomenalismus vertreten zu wollen, wonach ein Erfahnmgsobjekt nichts als “ein Inbegriff“ von Wahrnehmungen ist (A 191]

B 236).74 Andere Äußerungen legen dagegen die Vermutung nahe, daß Kant hier eine repräsentationstheoretische Beziehung zwischen Wahrnehmungen und wahrgenommenen Objekten vertreten will, und lediglich eine phänornenalistische Analyse der Venfikationsbedingungen von Urteilen über Objekte geben will. Ich will dies kurz erläutern.

In den dem Begriff des Erfahrungsobjekts gewidmeten Passagen A 189f£/ B 23411“. fragt Kant nicht direkt, was unter dem Begriff eines Gegenstandes zu verstehen ist, sondern legt sich stattdessen die Frage vor: "was verstehe ich also unter der Frage: wie das Mantrigfaltige in der Erscheinung selbst [...] verbunden sein möge?" (A 191/B 236). Diese Frage beantwortet Kant rnit dem Hirt— weis darauf, daß, da “wir [...] es doch nur mit unseren Vorstellungen zu tun" haben, die "Erscheinung, im Gegenverhältnis mit den Vorstellungen der Appreherrsion, nur dadurch als das davon unterschieden Objekt derselben [...] vorgestellt werden [kann], wenn sie unter einer Regel steht, welche sie von jeder anderen Apprehension unterscheidet, und eine Art der Verbindung des Mannigfaltigen notwendig macht". Und daran schließt Kant seine Erklärung des Be. griffs des Erfahrungsobjekts an: "Dasjenige an der Erscheinung. was die Bedingung dieser notwendigen Regel der Apptehension enthält. ist das Objekt“ (A 190f./B 235f.). Diese Bemerkungen zeichnen sich nicht gerade durch besondere Klarheit

aus. Kant greift hier aber offenbar auf eine Überlegung aus der transzendentalen Deduktion zurück. Dort hatte er bei dem Versuch, “sich darüber verständlich zu machen, was man denn unter dem Ausdruck eines Gegenstandes der Vorstellungen meine"‚folgendes bemerkt: "Wir finden aber, daß unsa Gedanke von der Beziehung alle Erkerurtnis aufihren

Gegenstand etwas von Notwendigkeit bei sich filhre, da nämlich dieser als dasjenige angesehen wird, was dawider ist, daß rmsere Etkerurtnisse nicht aufs Geratewolrl‚

oder beliebig. sondern a priori auf gewisse Weise bestimmt seien. weil. indem sie sich auf einen Gegenstand beziehen sollen sie auch notwendigerweise in Beziehung

74 Einesddrephinmnmaürdadre?oridmaehreihzßBmadkammflglßrmdflflß S. 166; dam v. Cleve (1984) und Harper/Meerb0te (1980).

Kann Argunu‘rt

193

auf diesen tmtereinanda übereinstimmen. d.i. diejenige Einheit haha miissen, wel-

che den Begrifa einem Gegarstande ausmacht" (A 104f.).

'

Angewandt auf das in der zweiten Analogie zur Diskussion stehende Problem der objektiven Zeitbestimmung, bedeutet das: Wenn wir eine gegebene Wahmehmungsfolge als Wahrnehmung einer objektiven Veränderung auffas-

sen, so denken wir uns die Folge der Wahrnehmungen als durch eine davon verschiedene, objektive Folge bestimmt: Weil die Zustände objektiv aufeinander folgen, müssen wir diese Zustände auch in einer bestimmten Reihenfolge wahrnehmen. Es liegt also hier nahe, das Verhältnis von Wahrnehmungen und wahrgenommenem Objekt so aufzufassen, daß die Objekte nurnerisch verschieden von den Wahrnehmungen sind, ja daß sie sogar die Ursaa fiir rhs Auf-

treten der Wahrnehmungen sind.75 Wie anders sollen wir Kants Bemerkung, daß das Objekt dasjenige ist. was "dawider" ist, daß die Vastellungen nicht "aufs Gemiewohl" auftreten, verstehen, wenn nicht in dem Sinn, daß das Objekt für das Auftreten der Vorstellungen verantwortlich ist; und wie anders soll man das verstehen als so, daß es kausal fiir das Auftreten der Vorstellungen verantwortlich ist. Es liegt also die Vermutung nahe, daß Kant das Objekt unse— rer Vorstellungen als die Ursache der Vorstellungen aufiaßt. "Diesem transzen— ‘ dentalen Objekt können wir [dann] allen Umfang und-Zusammenhang unserer

möglichen Wahrnehmungen zuschreiben" (A 494/13 522f.). Zwar bet sich Kant, darauf hinzuweisen, daß wir dieses Objekt nicht dadurch erkennen können, daß wir unsere Wahrnehmungen mit ihm vagleichen: Die einzige Möglichkeit der objektiven Erkenntnis besteht darin, daß wir dieses Objekt indirekt über den notwendigen Zusammenhang der Wahrnehmungen erkennen können. Daher können wir uns ein von unseren Vorstellungen unterschiedenes Objekt

derselben nur dadurch vorstellen, daß wir uns die gegebenen Wahrnehmungen selber als notwendig verbunden vorstellen. Denn wir finden, daß "die B e z i e h u n g a u f e i n e n G e g e n s t a n d unseren Vorstellungen [...] eine neue Beschaffenheit gebe, [insofern, als sie] [...] nichts weiter tue, als die Ver-

bindung der Vorstellungen auf eine gewisse Art notwendig zu machen, und sie einer Regel zu unterwerfen" (A 197/13 242f.).

Es ist naheliegend, diese Überlegung Kanrs so zu verstehen, daß er von einem repräsentationstheoretischen Objektbegriff ausgeht: Das Objekt ist das, was kausal für das Auftreten gewisser Wahrnehmungen verantwortlich ist.

75 In derA-Deduhim sagt Kant nirgends explin't. daß du transaardurtale Objekt in die Ursache

derdlungmmztrseharirt. Aberesgibteinelleiheandererl’anagen.indrarmerdn transmdentale Objekt explizit als die Umdre der Eradteinungat bezeielmet (vgl. z.B.

A494ß522)fliufigrpriditervuridttiger"Gmrrdderlirsdleinmgut" (z.B. A380).

aberebautdumdeutliehrx- lediglidrvmdan

194

KanuBegrtlndtmgderlüusalprinzips

Aber das Objekt selber können wir nicht erkennen und durch Vergleich der Vorstellungen mit ihm unsere Urteile verifizieren. Da das Objekt kausal fiir einen notwendigen Zusammenhang unter unseren Vorstellungen verantwortlich ist, können wir Objekte indirekt erkennen, indem wir sie als die Ursachen für ‘ unsere Vorstellungen betrachten. Den notwendigen Zusammenhang unter unseren Vorstellungen können wir daran erkemren, daß sie unter einer Regel stehen. All das ist z.B. mit dem oben erörterten explanatorischen Verfahren vereinbar: Wenn wir aufgrund von Regularitäten unter unseren Wahrnehmungen Hypothesen über die objektiven Verhältnisse bilden kämen, so können wir auf der Basis solcher Hypothesen eine gegebene Wahrnehmungsfolge als durch diese objektiven Verhältnisse bestimmt denken. Die Wahmehmungsfolge (ab) wird dann als kausal bestimmt durch die objektive Folge (AB) angesehen. Aber wenn es auch sehr naheliegt, Kants erste Schritte in der Armlyse des Begriffs eines Objekts unserer Vorstellungen nach dem Modell einer kausalen Repräsentationstheorie zu verstehen, so ist doch auch klar, daß diese Themie mit anderen Bemerkungen Kants unerträglich ist. Für Kant ist es nämlich "klar, daß, da wir es nur mit dern Mannigfaltigar unserer Vorstellungen zu tun haben, und jenes X, was ihnen korrespondiert (der Gegenstand). weil er etwas von allen unseren Vorstellungen Umerechiedenes sein soll, ftir tms nichts ist, die Einheit,

welche der Gegenstand notwendig macht, nichts anderes sein könne, als die formale Einheit des Bewußtseins in der Synthesis des trtigfaltigen du Vorstellungen. Alsdann sagen wir: wir erkennen den Gegenstand. wenn wir in dern Mannigfaltigen der Anschauung synthetische Einheit bewirkt haha" (A 105).

Wenig später identifiziert Kant den. "transrendentale[nl Grund der Einheit des Bewußtseins, in der Synthesis des Mannigfaltigen aller unserer Anschauungen, mithin auch der Begriffe der Objekte überhaupt" mit der transzendentalen Einheit der Apperzeption (A 106f.). Und eben darin ist auch der Grund dafiir zu sehen, daß Kant in der Passage aus der 2. Analogie, von der wir ausgegangen sind, eine phänomenalistisch anmutende Bestimmung des Objektbegriffs gibt: Denn "sobald ich meine Begriffe von einem Gegenstande bis zur transzendentalen Bedeutung steigere" (A 190/B 235f.), stelle ich eben fest, daß das, was wir gewöhnlich für einen von unseren Vorstellungen numerisch verschiedenen Gegenstand halten, in Wirklichkeit "für uns nichts ist“ - oder zumindest fiir uns nichts anderes ist, als ein Inbegriff von Vorstellungen, in denen wir (nach Regeln) synthetische Einheit bewirkt haben. Damit glaubt Kant die Gesetzeskonzeption des Objekts begründet zu haben: Objekte sind nichts anderes als Wahr— nehmungsgehalte, die wir notwendigen Gesetzen unterwerfen. Es sollte aber aus dem bisher Ausgeftihrten klar sein, daß diese Gesetzes-

konzeption des Erfahrungsobjekts aus dem, was Kant im Rahmen der zweiten Analogie sagt, nicht begründet werden kann. Denn wir haben gesehen. daß auf _

Kanu A.rgunart

195

der Grundlage des explanatorischen Verfahrens auch dann eine Erkenntnis von Gegenständen möglich ist, wenn wir Kant zugestehen, daß wires 'immer nur mit unseren Vorstellungen zu um haben'. Kant selber geht ja auch zunächst von einer kausalcn Repräsentationstheorie des Objekts ausgeht. Zwar meint er of— fenbar, daß diese Theorie sich bei genauerer Betrachtung als unhaltbar erweist, wenn wir unsere Begriffe vom Objekt bis zur transzendentalen Bedeutung Steigern. Aber diese transzendentale Bedeutungssteigerung übersteigt die Grenzen dessen, was Kant einem gemäßigten Skeptiker abverlangen kann. Zudem legen die Erörtenmgen, die Kant der Begründung der Gesetzeskonzeption des Objekts in der A-Deduktion widmet, den Verdacht nahe, daß dazu wesentlich Gebrauch von der Selbstbewußtseinstheorie gemacht werden muß. Denn allem Anschein nach begründet er in den Passagen aus der A—Deduktion, aus denen wir oben zitiert haben. diese Gesetzeskonzeption in folgender Weise: Wir gehen von unserem 'gewöhnlichen' Begriff eines Objekts aus. Danach ist ein Objekt etwas von unseren Vorstellungen Verschiedenes. Nun stellen wir fest, daß wir uns dieses Objekt als das denken, was dafiir verantwortlich ist, daß unsere Vorstellungen nicht beliebig auftreten, sondern in einem bestimmten Zusarnmenhang. Wir haben oben gesehen, daß es naheliegt, dies so zu ver- ' stehen, daß die Objekte kausal fiir das Auftreten unserer Wahrnehmungen verantwortlich sind. Soweit der erste Schritt. Nun stellen wir aber weiter fest, daß wir diese für den notwendigen Zusammenhang unserer Vorstellungen verant— wortlichen Objekte selber nicht direkt wahmehmen können, da wir es immer nur mit unseren Vorstellungen zu tun haben. Und daraus schließt Kant, daß der

Begriff eines Solchen‚ von unseren Vorstellungen verschiedenen, Objekts strenggenommen "nichts mehr [ist]. als das Etwas, davon der Begnfl' [eines Objekts] eine [...] Notwendigkeit der Synthesis ausdrr'tckt“ (A 106). Der entscheidende nächste Schritt besteht nun in der Feststellung, daß "das ursprünghche und notwendige Bewußtsein der Identität seiner selbst zugleich ein Bewußtsein einer ebenso notwendigen Einheit der Synthesis aller Erscheinungen nach Be— griffen [ist], d.i. nach Regeln, die sie nicht allein notwendig reproduzibel machen, sondern dadurch auch ihrer Anschauung einen Gegenstand bestim— men, d.i. den Begriff von etwas, darin sie notwendig zusammenhängen" (A 108). Da wir den vermeintlich von unseren Vorstellungen verschiedenen Gegenstand nicht direkt erkennen, sondern bestenfalls postulieren können, uns aber andererseits "a priori der durchgängigen Identität unserer selbst in Ansehung aller [unserer] Vorstellungen [...] bewußt" sind (A 116), so können wir dieses Etwas, das für den notwendigen Zusammenhang unserer Vorstellungen verantwortlich ist und das wir zunächst fiir einen von uns verschiedenen Gegenstand gehalten haben, mit der Einheit der Apperzeption identifizieren. Denn

196

KantaBegtilnchmgdeslfauulprinzipo

diese macht "aus allen möglichen Erscheinungen [...] einen Zusammenlutng aller dieser Vorstellungen nach Gesetzen“ (A 108); und daraus folgen Kant dann, daß der “reine Begriff von diesem transaendentalen Gegenstande [...] nichts anderes, als diejenige Einheit betreffen [kann], die in einem Mannigfalti- ' gen der Erkenntnis angetroffen werden muß, sofern es in-Beziehung auf einen Gegenstand steht", und daß die Beziehung auf einen Gegenstand "nichts anderes [ist], als die notwendige Einheit des Bewußtseins" (A 109). Dies ist ein Beispiel fiir das, was Strawson ‘revisionäre Metaphysik' genannt hat: Kant geht von unserem 'gewöhnlichen' Objektbegriff aus: stellt fest, daß das einzige, was sich an ihm halten läßt, der Begriff eina‘ notwendigen Verbindung unserer Vorstellungen ist, und entwickelt dann eine Theorie darüber, wor-

auf diese notwendige Verbindung zurückzuführen ist. deren Ergebnis in einer radikalen Korrektur unserer gewöhnlichen Vorstellungen steht.

Ich komme auf diese Überlegungen aus der A-Deduktion im nächsten Kapitel noch genauer zurück. Aber wenn die soeben gegebene Skizze wenigstens in

den Gnrndzügen Kants Überlegung widerspiegelt. so ist klar. daß diese Begründung wesentlich von der Selbstbewußtseinsanalyse abhängig ist - und zwar in der stärkstmöglichen Form: Für das Argument ist nämlich offenkundig von ent— scheidender Bedeutung, daß Kants These, daß die "Einheit der Apperzeption [...] aus allen möglichen Erscheinungen, die immer in einer Erfahrung beisam— men sein können, einen Zusammenhang [...] nach Gesetzen" macht (A 108), verteidigbar ist. Die Strategie der Analogiker bestand aber gerade in dem Versuch, die Probleme, die diese Behauptung aufwarf, zu umgehen und ohne

Rückgriff auf den direkten Zusammenhang zwischen der Einheit des Selbstbewußtseins und der Geltung der Gesetzesthese auszukommen. Es hat sich aber gezeigt, daß, wenn die Gesetzeskonzeption des Objekts überhaupt begründ

sein soll, dies nur unter Rückgriff auf Überlegungen aus der transzendentalen Deduktion, die den Zusammenhang zwischen Selbstbewußtseinstheorie und Gesetzesthese betreffen. möglich ist. Denn die Argumente, die Kant im Rahmen des analytischen Arguments der 2. Analogie zur Begründung der Geset— zeskonzeption präsentiert, reichen nicht aus, um eine kaumle Repräsentationtheorie auszuschalten.

2.1.2. Das erste analytische Argument

Wir können damit zum eigentlichen Argument übergehen. Was die ersten Schritte angeht, können wir uns kurz fassen, da wir sie im wesentlichen bereits oben untersucht haben. Im 4. Absatz begründet Kant zunächst die Unbestimmt—.

Kanu Argtmatt

197

heitsthese durch Verweis auf die Beispiele der Wahrnelunurig des dahintreibenden Schiffs einerseits und der sukzessiven Wahrnehmung der Teile des Hauses andererseits. Weiterhin stellt er fest, daß det(ab) im asten. nicht aber im zweiten Fall gilt, und faßt das Ergebnis wie folgt zusammen: "Diese Regel aber_[wonach die Ordnung in da Folge da Wahrnehmungen in der

Apprehensron bestrmmt ist] ist bei der Wahmehmtmg von dem. was geschieht. je-

dmt anzutreffen, und sie macht die Ordnung da einanda folgenden Wahrnehmungen (rn der Apprehension dieser Erscheinung) n o t w e n d i g " (A 193/13 238).

Damit ist noch nichts über eine kausale Beziehung der wahrgenommenen

Zustände gesagt,76 denn Kant spricht hier nur von der Notwendigkeit der Ord—

nung der Wahrnehmungen (in der Apprehemion der Erscheinungen). In diesem Absatz wird also zunächst lediglich behauptet, daß det(ab) gilt. wenn

(ab)=R(AB) (und det(ab). falls (ab)=R(Azzß)). Nach Strawsons Meinung schließt Kant daraus unmittelbar und unzulässi— gerweise auf kaus(AB). Leider hat es Strawson versäumt. einen Beleg für diese Behauptung zu geben; - wohl deshalb, weil es einen solchen Beleg nicht gibt. Wie die nun folgenden Absätze (5 und 6) zeigen, ist Kant jedenfalls der Mei—

nung, daß noch einige Zwischenschritte nötig sind, um von: ‘ ‘ (1) Wenn (ab)=R(AB), dann det(ab)

(2) Wenn (ab)=R(AB), dann kaus(AB)

übergehen zu können. ' Das Argument, das Kant zur Begründung dieses Übergangs präsentiert, ist allerdings nicht ganz leicht zu verstehen. Einigermaßen klar ist, daß die folgenden Behauptungen dabei eine wichtige Rolle spielen: (3) Wenn wir berechtigt sein sollen, die subjektive Wahrnehmungsfolge (ab) als Wahrnehmung einer objektiven Veränderung zu interpretieren, so müssen wir die " s u b j e k t i v e F o l g e der Appehension von der o b j e !: t i v e n P o ! g e der Erscheinungen ableiten [...], weil jene sonst gänzlich unbestimmt ist" (A 19318 238).

(4) Die objektive Folge "wird [also] in der Ordnung des Mannigfaltigen der Erscheinung bestehen. nach welcher die Apprehension des einen (was geschieht) auf die des anderen (dasvorhergeht) n a c h e i n e r R e g e l folgt", (ebenda) '" omas dies häufig unterstellt wud.‘

'

Km. Begründungdesliaunlprinzips

198 und daher muß (5)

“[n]ach einer solchen Regel [ . .] rn dem, was überhaupt vor einer Bege-

benheit vorhergeht, die Bedingung zu einer Regel liegen, nach welcher _ jederzeit und notwendigerweise diese Begebenheit folgt" (A 1931

B238f). Erst nrit (S) ist Kant bei seinem Beweisziel angelangt, da erst hier behauptet

wird, daß vor einer Begebenheit (also einer objektiven Folge) etwas vorhergehen muß, worauf diese Begebenheit notwendigerweise folgt. Das Argument ist nun genauer zu betrachten. Beginnen wir gleich mit der These (3). Zumindest auf den ersten Blick ist sie ziemlich verwirrend: Denn wir waren ja von der Frage ausgegange , wie wir auf der Basis unserer Wahrnehmungen zu einer Erkenntnis der objektiven Verhältnisse kommen können. Und nun scheint uns Kant eine 'Lösrmg' dieses Problems anzubieten, die bereits voraussetzt, was wir erst herausfinden wollen: Wie anders sollen wir denn die subjektive Folge von der objektiven ableiten, wenn wir nicht bereits wissen. wie die Objektive Folge beschaffen ist? Und wozu ist dann eine solche Ableitung noch nötig? Kant beschränkt sich zur Begründung von (3) lediglich auf den Hinweis, daß wir die subjektive Folge nur dann als bestimmt erkennen können (was nichts anderes besagt, als daß wir nur dann feststellen können, daß det(ab) gilt), wenn wir die subjektive Folge (ab) von der objektiven Folge ableiten. Diese

Bemerkung ist natürlich ]. selber begründungsbedllrftig und reicht 2. klarerweise nicht hin, das soeben erwähnte Problem zu lösen. Obwohl Kant explizit keine weitergehende Begründung für (3) gibt, können wir dem Duka des Tex-

tes doch enmehmen, daß etwa die folgende Überlegung dahintersteckt. Kant hat in (1) festgestellt. daß im Fall von (ab)=R(AB) det(ab) gilt. womit er jeden— falls soviel meint, daß im Falle einer Wahrnehmung eines objektiven Ereignisses die Folge der Wahrnehmungen festgelegt ist. Wodurch die Wahrnehmungsfolge festgelegt ist, sagt Kant allerdings nicht. Aufgrund der Bemerkung, daß die objektive Folge "in der Ordnung des Mannigfaltigen bestehen [wird], nach welcher die Apprehension des einen [..] auf die des anderen [...] nach einer Regel folgt" (A 193/B 238), ist allerdings anzunehmen, was der Sache nach ja auch plausibel ist, daß Kant meint, daß die subjektive Folge eben durch die objektive Folge (kausal) festgelegt ist. Wenn wir dies so verstehen, dann läßt sich die erwähnte Schwierigkeit auf der Grundlage dessen, was wir oben (vgl. S. 175) zum epistemologischm Argument ausgeführt haben, auflösen. Wenn wir die Geltung des allgemeinen Kausalprinzips unterstehen und weiterhin annehmen, daß Wahmehmungsregu- _

Kuna Argtrmat

199

laritäten der Form reg(c,(ab)) Indizien für das Vorliegen besonderer Kausalgesetze der Form C=>(AB) sind, so können wir in einem gegebenen Fall aus dem Vorliegen von C‘ auf (A'B') schliessen und die gegebene Wahrnehmungsfolge (ab) als durch (A‘B‘) bestimmt betrachten.“ Damit ist natürlich (3) noch nicht bewiesen. Denn in (3) wird ja nicht nur behauptet, daß die Ableitung der subjektiven aus der objektiven Folge 'ein mögliches Verfahren zur Lösung des Unbestimmtheitsproblems ist: Es wird behauptet, daß es das einzige Verfahren ist. Nun haben wir aber bereits bei der Diskussion von Brands Alternatiworschlag gesehen, daß diese Behauptung wenn nicht falsch, so jedenfalls unzureichend begründet ist. Wir können daher von (3) bis auf weiteres höchstens (3') akzeptieren: (3') Ein Verfahren zur Bestimmung des objektiven Gehalts unserer Wahrnehmungsfolgen besteht in dem oben beschriebenen Ableitungsverfahren, wonach wir gegebene Wahrnehmungsfolgen auf der Basis von Kausalgesetzen objektiv interpretieren.

Wir müssen nun untersuchen, ob nrit dieser Abschwächung Kants Beweis ' haltbar bleibt. Die nächste der oben aufgelisteten Behauptungen Kants (4) ist doppeldeutig. Es kommen die beiden folgenden Lesarten rn Frage:

(4a) Die objektive Folge besteht rn derjenigen Ordnung der objektiven Zustände, die (kausal) dafür verantwortlich ist, daß die Wahrnehmungen

dieser Zustände nicht beliebig, sondern einer Regel entsprechend auftreten.

(4b) Die objektive Folge besteht in der Folge der Wahrnehmungen, sofern die Abfolge dieser Wahrnehmungen als unter einem notwendigen Gesetz stehend betrachtet wird. (4a) entspricht der repräsentationstheoretischen, (4b) der phänomenalistischen Objektkonzeption. (4a) können wir ohne weiteres akzeptieren, wenn da— mit. daß die Wahrnehmungen einer Regel entsprechend auftreten, lediglich ge meint ist, daß ihre Reihenfolge nicht beliebig, sondern durch die objektive Folge bestimmt ist. Wir haben im Rahmen der Diskussion der phänomenalistischen Objektkonzeption (vgl. oben Abschnitt 1.2.5.) gesehen, daß wir auch (4b) dann akzeptieren können, wenn wir iiberhaupt eine phänomenalistische Wahmehmungstheo77 Danmadhwwfindlichvonm.dnßduarupreehmdubemndemrdguemanpifimh gmbatifigtütdaßflmreg(e(ab))mlfinreidiardvielmfiflmüberprühwmdarüt

200

Kants Begründung der Kauralprina'pe

rie akzeptabel finden. Abu man muß sich dabei vor Patons Feldschluß bitten." Wenn man die folgende phänomenalistische Analyse des Begriffs einer objektiven Veränderung untersteht '(AB)' bedeutet '(ab) ist Fall einer notwendigen Regel',

so folgt daraus natürlich nicht:

'

(AB) ist Fall einer notwendigen Regel. Mit anderen Worten: Zrn’ Begründung der Gesetzcskonzeption des Erfahrungsobjekts reicht (4b) nicht aus. Kant scheint (4) eher im Sinne von (4b) als im Sinne von (4a) verstanden zu haben. Denn unmittelbar anschließend an (4) fährt er fort:

"Nur dadurch kann ich von der Erscheintmg selbst, und nicht bloß von meiner Ap-

prehension, berechtigt sein zu sagen: daß in jener eine Folge mueft'en sei. welches so viel bedeutet, als daß ich die Apprehension nicht anders anstellen käme, als gera— de in dieser Folge" (A 193/13 238).

Wie steht es nun mit Kants Folgerung (5)? Um dies entscheiden zu können, müssen wir herausfinden, was Kant genau meint, wenn er sagt. daß die “Apprehension des einen [...] auf die des anderen [...] n a c h e i n e r R e g e 1 folgt“.

Es kommen hier zwei mögliche Lesarten in Frage: Entweder denkt Kant bei der Regel an eine Synthesisregel (der Einbildungskraft), nach der das wahmehmende Subjekt die Wahrnehmungen ins Bewußtsein aufnimmt und reproduziert (vgl. z.B. B 233 und A 201/B 246); oder Kant denkt an eine Regel der Beurteilung. In der vorliegenden Passage scheint Kant eher an eine solche Beurteilungsregel zu denken, da er behauptet, daß ihr Erfülltsein uns “berechtigt [...] zu sagen: daß in [der Erscheinung selbst] eine Folge anzutreffen sei" (A 193] B 238). Wenn wir diese Beurteilungsregel im Sinn des oben beschriebenen Ableitungsverfahrens interpretieren, folgt in der Tat, was Kant folgern will: daß nämlich nach "einer solchen Regel [...] in dem, was überhaupt vor einer Bege-

benheit überhaupt vorhergeht, die Bedingung zu einer Regel liegen [muß], nach welcher jederzeit und notwendigerweise diese Begebenheit folgt" (A 193/ B 238f.). Denn in diesem Fall ist die Beurteilungsregel ein empirischen Kausalgesetz, und das Ursacheereignis fungiert dabei als die Bedingung seiner An— wendung auf den gegebenen Fall. Aber wir haben gesehen, daß sich das Unbe— stimmtheitsproblem auch auf der Gnmdlage von Broads Verfahren auflösen läßt, und deren Anwendung impliziert nicht die Geltung empirischer Kausalgesetze. Wenn wir (4b) im Sinn der Gesetzeskonzeption des Erfahnmgsobjekts interpretieren könnten, so wiirde daraus allein bereits das gewünschte Resultat

78 Vgl. oben Abschn. 11.5.

Kants Argument

201

folgen. Aber es hat sich gezeigt, daß Kant in seiner oben diskutierten Untersuchung zum Objektbegriff kein überzeugendes Argument für die Gesetzeskonzeption gibt. Wir müssen daher davon ausgehen, daß Kants analytisches Argu— ment in (II) nicht zu dem gewünschten Ergebnis fiihrt.

2.2. Der Übergang zum synthetischen Argument Im 7. Absatz wiederholt Kant lediglich die Hauptpunkte des zuvor ausführlicher dargestellten Arguments in indirekter Form, um dann im 8. Absatz das Ergebnis des analytischen Beweises zusammenzufassen. Da diese beiden Absätze der Sache nach nichts Neues enthalten, können wir sie hier übergehen. Im 9. Absatz geht Kant auf einen naheliegenden Einwand gegen seine Behauptung ein, daß allein unter der Voraussetzung, daß die Folge der Erscheinungen durch eine notwendige Regel bestimmt ist, "Erfahmng von etwas, was geschieht, möglich" sei (A 195/13 240): "Zwar scheint es. als widerspreche dieses allen Bemerkungen. die man jederzeit, über den Gang unseres Verstandesgebrauchs gemacht hat. nach welchen wir nur allererst durch die wahrgenommen und verglichenm übereinstimmenden Folgen vieler Begebenheiten auf vorhergehende Erscheinungen, eine Regel zu entdecken geleitet worden. da gemäß gewisse Begebenheiten auf gewisse Erscheinungen jederzeit folgen. und dadurch zuerst veranlaßt werden, uns den Begriff von Ursache

zu machen. Auf solcher Fuß würde dieser Begriff bloß empirisch sein. und die Re— gel. die & verschafft. daß alles, was geschieht, eine Ursache habe, wurde ebenso zu— fällig sein. als die Erfahrung selbst: seine Allgemeinheit und Notwendigkeit wären alsdann nur angedichtet, und hättar keine wahre allgemeine Gültigkeit, weil sie nicht & ptiori, sondern nur auf Induktion gegründet wären" (A 195f.lß 240f.).

Dies ist natürlich eine Anspielung auf Humes Kansalitätstheorie. Kants Interesse richtet sich dabei aber nicht - wie man zunächst erwarten würde - auf Humes Skepsis in bezug auf das Kausalprinzip, sondern auf dessen empiristische Erklärung des Begnfi's des Kausalverhältnisses: "seine Allgemeinheit und Notwendigkeit wären alsdann nur angedichtet, und hätten keine wahre allgemeine Gültigkeit". Wir haben bereits gesehen. daß Kant in Hume in erster Linie den metaphysischen Skeptiker gesehen hat. der (nach Kants Ansicht) nicht in Frage gestellt hat, “ob der Begriff der Ursache [...] brauchbar und in Ansehung der ganzen Naturerkenntnis mentbehrlich sei. denn dieses hatte Hume niemals in Zweifel gezogen; sondern ob er durch die Vernunft a p r i o r i gedacht werde und auf solche Weise eine von der Erfahrung unabhängige innere Wahr» heit“ habe (Pr. AA IV 8. 2585). Hier bestätigt sich die im ersten Kapitel geäußerte Vermutung, daß Kant auch den Beweis der Geltung des Kausalprinzips im Blick auf Humes Kritik an der Apriorität des Kausalitätsbegnfl's konzipiert:

202

Kann Begründung der “W!”

Wenn gezeigt werden kann, daß es “hiemit so [geht]. wie mit anderen Vorstel— lungen a priori, [...] die wir darum allein aus der Erfahrung als klare Begrifi'e herausziehen können. weil wir sie in die Erfahrung gelegt hatten, und diese_daher durch jene allererst zustande brachten“ (A 19613 241), dann ist diesem Be-' griff sein Ursprung a priori gerettet, und er kann auch über die Grenzen der Er-

fahmng zum " Denken d e s Ü b e r s i n n l i c h e n dienen“ (KpV AAV S. 141). Wenn gezeigt ist, daß "eine Rücksicht auf [...das Kausalprinzip], als Bedingung der synthetischen Einheit der Erscheinungen in der Zeit, [...] doch der Gmnd der Erfahrung selbst [war]. und [...] also a priori vor ihr vorher" ging (A 196/B 241), so ist damit auch Humes These, daß “der Begriff einer Ursache

selbst lügenhaft und beitriigerisch" (KpV AA V 51) ist, der Grund entzogen. Merkwürdigerweise begnügt sich Kant an dieser Stelle aber nicht mit einem Rückverweis auf das analytische Argument, sondern er fährt (10. Absatz) fort:

"Es kommt also darauf an. im Beispiele” zu zeigen, daß wir niemals selbst in der Erfahrungso die Folge [...] dem Objekt beilegen, [...] als wenn eine Regel zum Grun-

de liegt, die uns nötigt, diese Ordnung der Wahrnehmungen vielmehr als eine andere zu beobachten. ja daß diese Nötigung es eigartliclr sei. was die Vorstellung einer Sulzession im Objeld allererst möglich macht." (A 196f/B 241f.)

'

Damit kündigt Kant nun aber genau das an, was wir bisher vermißt haben: eine Begründung seiner Gesetzeskonzeption des Erfahnrngsobjekts am vorliegenden 'Beispiel' des Begriffs einer objektiven Veränderung. Man wiirde die zitierte Passage sicherlich überstrapazieren, wenn man in ihr einen Beleg “dafiir sehen wollte, daß Kant eine dem oben dargestellten Verfahren Broads entsprechende Alternative zu seinem eigenen Lösungsvtnschlag des Unbestimrntheitsproblems vor Augen hatte. Aber es ist doch recht naheliegend. dieser Stelle zu entnehmen, daß Kant gesehen hat, daß sein analytische: Beweis von einer Voraussetzung ausging, die ein skeptischer Empirist wie Hume kaum ohne weiteres akzeptieren würde. Es muß daher gezeigt werden, daß Erfahmngser-

kenntnis nicht allein auf i n d verallgemeinerten Regtflaritäten beruhen kann, sondern daß zur Erfahnrngserkenntnis die Notwendigkeit der Verbindung 79 Gemeint ist wohl der in der z. Analogie zur Diakunim stehende Spezialfall der allgem.These, daß “Erfahrung nur durch die Vorstellung der notwendigen Verknüpfimg der Wahrneh-

mungen möglich" ist (B 219). — 80 Was Kant rnit der Wendung "selbst in der Erfahrung" meint, istnicht redttklar. Idtuelane an. daß er hier die mittelbare, auf dir&ter Wahrnehmung beruhende Erfan im Gegensatz mt induktiven Schlußfolgenmgur über nieht-beobachtete Gegertrtinde im Auge hat. Haute hatte ]. im 'Enquiry' dieFunktiat der Kamalprinn'pa vorallandaringeaehar‚induktive8cblilaaeauf nieht—beobachtete'l‘atudterr mbegrt'lnden. millhieralsozeigen,daßwirdaal(auaalpnnn'p herein fiir die Erfahrungaerkernmia var Gegenständen direkta' Beobadrmng unterltellen mürsat.

KmuArgummt

203

hinzugehtirt, ja daß diese Notwendigkeit “es eigentlich sei, was die Vorstellung einer Sukzession im Objekt allererst möglich macht" (A 197/B 242).

Es ist daher kein Wunder. daß Kant im folgenden 11. Absatz auf die allge— meine Frage nach dem Begriff des Objekts der Erfahmng zurtlckkommt: "Wie kommen wir nun dazu. daß wir diesen Vorstellungen [die doch mit immer in. nere Bestimmungen tmseres Gemüt: in diesem oda jenen Zeitverhltltnisse sind] ein Objektsetzen‚odullbaihresubjektivekealität alsModifikationen. ihrtennoch. ich weiß nicht. was fiir eine, objektive beilegen?" (A 197/B 242)

Aber auch diesem Absatz ist der Sache nach wenig Neues zu entnehmen.

Kants positive Antwort auf diese Frage besteht wiederum lediglich in der Versicherung: "Wam wir mtersuchen, was dem die B e z i e h u n g

a u f e i n e n Gegen—

s t a n d unseren Vorstellungen für eine neue Beschaffenheit gebe, und welches die Dignitlit sei. die sie dadurch erhalten, so finden wir, daß sie nichts weiter tue. als die

Verbindung der Vorstellungen auf eine gewisse Art notwendig zu machen. und sie einer Regel ztr unterwerfen; daß umgekehrt nur dadurch, daß eine gewisse Ordnung in dern Zeitverhältnisse uns:-er Vorstellungen notwendig ist, ihnen objektive Bedeu— tung erteilt wird.“ (A 197IB 242f.)

Da Kant hier keine Begründung gibt, ist anzunehmen. daß es sich hier lediglich um eine Ankündigung handelt, mit der die 'im Beispiele' (der Erkenntnis einer objektiven Veränderung) nachzuweisende These noch einmal genauer dmgestellt wird. Im nächsten Absatz (12) wird die These dann erneut fiir den Anwendrmgs-

fall der Erkenntnis objektiver Veränderungen präsentiert Auch hier erfahren wir nichts wesentlich Neues. Kant präsentiert zunächst wieder einmal sein Unbectimmtheitsproblem (erster Satz). Dann (zweiter Satz) behauptet er, daß es

gelöst werden kann, wenn wir die Geltung des Kausalprinzips unterstehen So— viel können wir auf der Grundlage des bisher Gesagten akzeptieren, denn damit ist ja lediglich behauptet, daß die Geltung des Kausalprinzips (in Verbindung mit den zusätzlich erforderlichen Wahmehmungen) eine hinreichende Bedingung fiir die Erkennbarkeit objektiver Veränderungen ist. Erst mit den folgenden Sätzen macht Kant zumindest eine Andeutung auf den Beweisgrund, der im synthetischen Argument dann die entscheidende Rolle spielt: "Wenn ich also wahrnehme, daß etwas geschieht, so ist in dieser Vorstellung erstlich enthalten: daß etwas vorhugehe, weil eben in Beziehung auf dieses die Erscheinmrg ihr Zeitvahllltnis bekommt, nämlich. nach einer vorhergehenden Zeit, in da sie nicht war, nr existieren. Aber ihre bestimmte Zeitstelle in diesen Verhältnisse kann sie nur dadurch bekommen, daß im vorhergehenden Zustande etwas vorausgesetzt wird, worauf es jederuit‚ d.i. nach einer Regel. folgt. [...] Dadurch geschieht es: daß eine Ordnung tmter unseren Vorstelltmgen wird, in welcher das Gegenwärtige (so—

204

km. Begünd.mgdattmhpdnäpu

fan es geworden) auf irgendeinen vorhergehendar Zustand Anweistmg gibt. als ein.

obzwsr noch unbestimmte: Korrelaa dieser Ereignis. die gegebenen ist. welches sich aber auf diese. als seine Folge. bestimmend bezieht. und sie notwendig mit sich

in der Zeitreihe verknüpft" (A 198f./B 243f.). Auf den ersten Blick scheint auch rn diesem Absatz nicht mehr als eine .

Wiederholung des bereits zuvor mehrfach dargestellten analytischen Arguments vorzuliegen. Aber der Text weist mindestens eine Merkwürdigkeit auf: Kant sagt nämlich, daß in der Vustellung von einer objektiven Verändenmg 'erstlich' enthalten ist: "daß etwas vorhergehe. weil eben rn Beziehung auf dieses [Ereignis] die Erscheinung ihre ZeiWerhllltnis bekommt, nämlich. nach einer vorhergehendar Zeit.‘in du sie nicht war. zu existieren" (A 19818 243).

Zunächst könnte man dies (aufgrund der Ähnlichkeit zu einer entsprechenden Passage im oben diskutierten analytischen Argument (2. Satz von Absatz 4)) so verstehen, daß Kant hier nur sagen will, daß wir eine objektive Verände-

rung nicht wahrnehmen können, wenn wir nicht mindestens zwei qualitativ verschiedene. aufeinander folgende Wahrnehmungen haben. Es wäre dann (analog

zum Argument (II)) zu erwarten, daß Kant nun behauptet, daß wir das Objekt— Prozeß—Problem unter Rückgriff auf uns gegebene sukzessive Wahrnehmungen allein nicht lösen können. sondern zu diesem Zweck die Geltung des Kausalprinzips unterstehen müssen. Aber der folgende Satz läßt sich wenn überhaupt— nur gewaltsam rn diesem Sinn verstehen. Hier behauptet Kant. daß die Erscheinung deshalb einem

Kausalgesetz unterworfen sein müsse, weil sie nur dadurch "ihre bestimmte Zeitstelle in diesem Verhältnisse [...] bekommt“. Mit "diesem Verhältnis" kann

Kant aber nur das im vorigen Satz angesprochene "Zeitverhältnis [der gegebe-

nen Erscheinung], nämlich nach einer vorhergehenden Zeit, in der sie nicht war, zu existieren", meinen. Aber was soll das heißen? Wenn eine Erscheinung bereits zu einer anderen in. diesem Zeitverhältnis (nämlich nach ihr zu existie— ren) steht, - was soll es dann heißen, daß sie darüber hinaus “ihre bestimmte Zeitstelle in diesem Verhältnis" bekommen muß? Der letzte Satz des vorliegenden Absatzes gibt immerhin Anlaß zu einer Vermutung. Denn hier behauptet Kant, daß dadurch, daß ich voraussetze, daß die gegebene Erscheinung auf eine andere nach einer notwendigen Regel folgt, “eine Ordnung unter unseren Vorstellungen wird", in der der vorausgehende Zustand sich auf die gegebene Erscheinung “als seine Folge, bestimmend bezieht, und sie notwendig mit sich in der Zeitreihe verknüpft" (A 199/B 244). Kant scheint also anzunehmen, daß eine Erscheinung erst dann ihre bestimmte Zeitstelle in einem Folgeverhälmis hat. wenn sie notwendig mit einer anderen verknüpft ist. Nun ist es aber gerade die Behauptung, daß es zu der Vorstellung -

Km- Argunmt

205

einer objektiven Veränderung gehört, daß die Veränderung notwendig mit dern vorausgehenden Zustand verbunden sein muß, deren Begründung immer noch aussteht. Bereits im 6. Absatz hatte Kant angedeutet, wieso er meint, daß Erscheinungen nur dann eine bestimmte Zeitstelle zukommt. wenn sie in einer notwendigen Beziehung zueinander stehen: "von einer gegebenen Zeit ist [.. .] du Fortgang auf die bestimmte folgende notwar-

dig. Daher. weil es doch etwas ist. was folgt. so muß ich es notwendig auf etwas iiberhaupt beziehen, was vorhergeht. und worauf es nach einer Regel. d.i. notwendigerweise. folgt"(A 19415 29).

Hier begründet Kant die notwendige Bectimmtheit der Erscheinungen einer objektiven Veränderrmg dadurch, daß die Aufeinanderfolge der Zeitpunkte selber notwendig sei. Eben diese These ist der entscheidende neue Gesichtspunkt in dem nun zu diskutierenden synthetischen Argument.

2.3. Das synthetische Argtunent Nachdem uns Kant so lange hat warten lassen. geht es plötzlich ganz

schnell: Die Hauptpunkte des Arguments sind die folgenden: ' (1) es ist ein "notwendiges Gesetz unserer Sinnlichkeit [...], daß die vorige Zeit die folgende notwendig bestimmt". (2) Der Verstand macht "die Vorstellung eines Gegenstandes überhaupt [dadurch] möglich [...]. daß er die Zeitordnung auf die Erscheinungen [...] überträgt, indem er jeder derselben als Folge eine. in Ansehung der vorhergehenden Erscheinungen, a priori bestimmte Stelle in der Zeit mer-kennt, ohne welche sie nicht mit der Zeit selbst. die allen ihren Teile a priori ihre Stelle bestimmt, übereinkommen würde." (3) "Diese Bestirmnung der Stelle kann nun nicht von dem Verhältnis der Erscheinungen gegen die absolute Zeit endehnt werden, (denn die ist kein Gegenstand der Wahrnehmung.) sondern umgekehrt. die Erscheinungen miissen einander ihre Stellen in der Zeit selbst bestimmen, und dieselbe in der Zeitordnung notwendig machen“ (A 199f./B244f.). Mit (1) führt Kam seine neue, für das Argument entscheidende Prämisse ein; in (2) stellt er den Zusammenhang zwischen der Objektbeziehung unserer Vorstellungen und der Fordenmg. daß sie eine "a priori bestimmte Stelle in der Zeit haben müssen", her; und in (3) schließt er (unter Voraussetzung der Nicht-

206

Kann Bep'indnng des Kansslprirm'ps

Wahmehmbarkeit der Zeit), daß die Erscheinungen sich selbst ihre Stellen notwendig bestimmen und folglich unter Kausalgesetzen stehen müssen. Wir müssen nun das synthetische Argument genauer betrachten. Ich zitiere zunächst die wichtigsten Passagen: "Wennes nun ein notwendiges Gesetz unsere Sinnlichkeit, mithineine f o r m a l e B e d i n g u n g allerWahrnehmungenistdaßdievorigeleitdiefolgauienotwendig bestimmt (indem ich zur folgenden nicht andas gelangat kann, als durch die vorhergehende); so ist es auch ein mentbehrliches G e s e t z d e r e m p i r i s c h e n V o r s t e l l u n g der2eitreihe, daß die Erscheinungendervergangenen Zeit jedes Dasein in der folgender bestimmen, und daß diese. als Begebenheiten. nicht stattfinden. alssofern jene ihnenihrDaseininderleit bestimmen, di.naeheinaRegelfestsetzen.Denn n u r a n d e n E r s c h e i n u n g e n k ö n n e n w i r diese Kontinuität im Zusammenhange der Zeiten empirisch erkennen. Zu aller Erfahrung und deren Möglichkeit gehört Verstand, und das erste, was er da-

zu tut, ist [...] daß er die Vorstellung eines Gegenstandes überhaupt möglich macht. Dimes geschieht nun dadurch. daß « die Zeitordnung auf die Erscheinungen und deren Dasein überträgt, indem er jeder daselben als Folge eine. in Ansehung der vorhergehenden Erscheinungen, a priori bestimmte Stelle in der Zeit zuakmnt, ohne welche sie nicht mit der Zeit selbst, die allen ihren Teilen a priori ihre Stelle

bestimmt, übereinltommen würde. Diese Bestimmung der Stelle kann nun nicht von dem Verhältnis der Erscheinungen gegen die absolute Zeit entlehnt weder. (denn die ist kein Gegenstand der Wahrnehmung.) sondern umgekehrt. die Erseheintmgen müssen einander ihre Stellen in der Zeit selbst bestinunen. und dieselbe in der Zeit— ordnung notwendig machen. d.i. dasjenige, was da folgt. oder geschieht, muß nach einer allgemeinen Regel auf das, was im vorigen Zustande enthalten war, folgen, woraus eine Reihe der Erscheinungen wird, die vermittels des Verstandes eben die-

selbige Ordnung und stetigen Zusammenhang'in der Reihe mögliche Wahmebmrmgen hervorbringt, und notwendig macht, als sie in der Form der'umfrm Anschauung, (der Zeit) darin alle Wahrnehmungen ihre Stelle haben müssen,81 a priori enge treffen wird" (A 199f./B 2440.

Auch aus diesem Text gehen leider die Einzelheiten des Arguments nicht hinreichend klar hervor. Nach Ewing (1924) und Suchting (1967) hat es eine ganz simple Struktur: "In brief, the argument is to the efl'ect that, as [I.] the precedent parts of time detamine the subsequent parts, and [Z.] es phenomena must confonn to the conditions of time, [3 .] precedent must likewise determine subsequent phenornena as regards their place'in time, which [4 .] involves causality, understand as complete necessary determination" (Ewing (1924) S. 73f. ). 81 IchübemdumhierfirünsmsKmmhm.lmTensteht'müßtm".lurßegrünrhmgflrdien Korrekturseisq98f. verwiesen: "Unseretellungen[...]sindl...lmletfldodrda formshnßedingtmgderinnerm8hnes,ninfidrderütmßmmfeß.flsinfieberde insgesamt geordnet, verknr'trftrmdinVerbilmisse gebracht w e r d Diaes ineine sllgemeineAnmerktmg, dienenbeidunnestdm dumhsusmmndelegusmuß."Und daran wollen wiruns halten.

KmtsArgunent

_207

Wenn dies Kants Argument ist, dann ist leicht zu sehen, daß es sich um einen Fehlschluß handelt. Kant erläutert seine 1. These, wonat:h "die vorige Zeit die folgende notwendig bestimmt“, indem er darauf hinweist, daß “ich zur folgenden [Zeit] nicht anders gelangen kann, als durch die vorhergehende" (A 199/13 244). Wenn wir die metaphorische Wendung “von einer Zeit zur anderen zu gelangen" präzisiercn, besagt diese These nichts anderes als: '

(A) Es ist notwendig, daß die frühere Zeit der späteren vorhageht; oder: . (A') Es ist notwendig, daß ich die frühere Zeit vor der späteren erlebe.

Sehen wir zunächst einmal davon ab, daß dies erschreckend tautologisch klingt und mithin die Gefahr besteht, daß die behauptete Notwendigkeit als eine analytische Notwendigkeit zu verstehen ist; - so folgt aus (A) und: (B) A existiert zu einer früheren Zeit als B noch nicht einmal:

(C) Esistmtwendig.daßdieZeit,zuderAexistiem derZeit,zuderß existiert, vorausgeht; geschweige das, was Kant folgern will: (D) Es ist notwendig, daß A B vorausgeht.

Daß nicht einmal (C) folgt, ergibt sich daraus, daß "es ist notwendig, daß" ein intensionaler Operator ist. Und dies ist ganz unabhängig davon, ob die Notwendigkeit eine analytische Notwendigkeit ist oder nicht. Wenn wir mit Kant davon ausgehen, daß geometrische Sätze notwendige, aber nicht analytische Wahrheiten sind, so ändert das nichts daran, daß der folgende ganz analoge Schluß offensichtlich ungültig'ist: (a) Es ist notwendig, daß die Winkelsumme einer dreieckigen Fläche 180 Grad beträgt. (b) Die Grundfläche da kleinen Balkone am philosophischen Institut ist eine dreieckige Fläche. Also (c)

Es ist notwendig, daß die Winkelsumme der Grundfläche der kleinen

Balkone am philosophischen Institut 180 Grad beträgt.

Es nützt auch nichts. auf die 2. von Ewing erwähnte Prämisse, wonach die Erscheinungen, die in der Zeit auftreten, mit "der Zeit, die allen ihren Teilen a

priori ihre Stelle bestimmt, übereinkommen" müssen (A ZOO/B 245), zurückzugreifen. Denn diese Zusatzprämisse fiihrt nur dann zu einem gültigen Argrunent, wenn sie in folgender Weise zu verstehen ist:

zog

Kante Begründung der Kmulplinäpß Wenn für die Zeitabschnitte Z, undZ; gilt. daß1“l?) (wobei Keine

(E)

beliebige, möglicherweise intensionale Relationseigenscluft ist), und

_

A zu Z, und B zu Z; existieren, so gilt auch K(AB).

»

Aber es ist nicht zu sehen, wieso wir (E) akzeptieren sollten. Kants Behauptung, daß andernfalls die Erscheinungen mit der Zeit selbst nicht iibereinkommen würden, reicht zur Begründung von (E) sicherlich nicht hin. Betrachtet man Kants Text genauer, so stellt man fest, daß er das ihm von Ewing zugeschriebene Argument offenbar selber unzureichend fand. Denn

Kant fiigt zur Begründung des Übergangs von (A) und (B) zu (D) hinzu, daß wir " n u r a n d e n E r s c h e i n u n g e n

[...] d i e s e

Kontinuität

irn Z u s a m m e n h a n g e d e r Z e i t e n e m p i r i s c h e r k e n n e n k ö n n e n " (A 199IB 244). Es istniehtso rechtklar, wasrnan mitdieser Bee hauptung anfangen soll. Wolff ((1963) 8.272f) und Broad ((1926) S. 2085) haben sie so verstanden, daß Kant hier wiederum ein epistemologisches Argu-

ment präsentiert, das die folgende Struktur hat:

(A)

Es ist notwendig, daß die frühere Zeit der späteren vorhergeht.

(R') Wir wissen, daß (A) gilt. (C') Die Zeit selbst kann nicht wahrgenommen werden.

(D') Also können wir (A) nicht durch Wahrnehmung der Zeit erkennen. (E') Also können wir (A) nur 'an den Erscheinungen' erkennen (F') Dies ist nur möglich. wenn "die Erscheinungen der vergangenen Zeit jedes Dasein in der folgenden [notwendig] bestimmen“ (A 19918 244)

(G’) Also müssen die Erscheinungen unter Kausalgesetzen stehen. Aber auch dieses Argument weist eine Lücke auf. Es werden nämlich iiber-

haupt nur zwei Möglichkeiten, wie wir zu dem uns in (B‘) zugeschriebenen

Wissen gekommen sein mögen, in Betracht gezogen: durch Wahrnehmung der Zeit selbst oder indirekt durch Wahrnehmung der Erscheinungen in der Zert. sem Aber es fragt sich natürlich, wieso (A) nur durch Wahrnehmung erkennbar hankeit" Sirmlich unserer Gesetz diger soll. Da es sich bei (A) um ein “notwen

deln soll, ist es viel naheliegender zu vermuten, daß wir (A) a priori erkennen können. Aber dann ist (E’) falsch. Diese epistemologische Version des synthe-

tischen Arguments bringt uns also auch nicht weiter. Aber vielleicht können wir einem Hinweis Strawsons folgend zu einem besseren Verständnis von Kants Argument gelangen:

'The fundamental thought of the Analogins is that of the eonnexion between e.— objectivity of experience and unity of the spatio-temporal framework of experienc

Kantr Argument

. 209

To this is added the clear realizstion that there is no question of pure objeetive Space-Time itself being an object of paception to which we can directly reiste other objects of pereeption. And Rom these two thoughts together there follows the general eonclusion that the necessary unity of Space-Time must somehow be repre-

satted by a systan of oonnexions between our ordinary empirical pereeptions. [...] Kantseerns attirnes to drirtkthatceflainformal properties ofthe unified spwe-time frame must have direct eorrelates in the objects of perception dranselves or in the eonnexion between those objects" (Strawsorr (1966) S. 147).

Der gegenüber den eben erwähnten Versionen des Argumea neue Gesichtspunkt, auf den Strawson aufmerksam macht,. besteht in dem Zusammen-

hang zwischen Einheitsaspekten von Raum und Zeit einerseits und der Objekti-

vität unserer Erkenntnis andererseits.82 Wenn Kants Argtunent so zu verstehen ist, daß Erscheimmgen nur dann objektiv bestimmt werden können, wenn sie formale Einheitsaspekte von (Raum und) Zeit repräsentieren, würden sich gleich zwei Probleme auf einmal auflösen: Zum einen ließe sich dann eine Beziehung zum analytischen Argument herstellen, und zum anderen könnte verständlich gemacht weden, wieso Kant meint. daß die Erscheinungen die Einheitsaspekte emin'sclr repräsentieren miissen. Strawson begnügt sich an der zi-

tierten Stelle allerdings mit allzu knappen Hinweisen, und so müssen wir Selber zusehen, wie wir daraus ein deutlicher konturiertes Argument machen können.

Betrachten wir zu diesem Zweck die folgende Überlegung:

(S‚) Die objektive Zeit hat gewisse formale Einheitseigenschaften. (S;) Zu diesen Eigenschaften gehört, daß aufeinander folgende Zeitreile , notwendig aufeinander folgen. (S3) Wenn Erscheinungen als objektiv in der Zeit era’srr'arend vorgestt werden sollen, müssen sie geeignet sein, die formalen Einheitseigenschaften zu repräsentieren. (84) Die Erscheinungen können nur dann die in (S,) erwähnte Eigenschaft repräsentieren, wenn sie “einander ihre Stellen in der Zeit selbst [notwendig] bestimmen" (A ZOO/B 245), denn die Zeit selbst ist kein Gegenstand der Wahrnehmung. (SS) Also müssen diejenigen Erscheinungen, die als objektiv in der Zeit existierend erkannt werden können, unter Kausalgesetzen stehen. Auch dieses Argument wirft eine Reihe von Fragen auf. Abgesehen von dem bereits angesprochenen Problem, daß die in (S,) erwähnte Notwendigkeit in der Abfolge der Zeitteile sich als eine analytische Trivialität erweisen könn82 Kant sagt ja madrileklieh. daß der Verstand die Vorstellung einer Gegenstandes dadlmell möglich macht. “daß erdieZa'tordnurrg auf die Erscheinungen [...] überträgt“ (A l99/B 244f.).

210

Kann Begründung der Kaunlprinzips

te, erscheint vor allem die These (83) begründungsbedürftig. Und auch in bezug auf die Begründung dieser Behauptung läßt uns Kants Text im Stich, und ich

kann auch nicht sehen. wie sich (SQ, angewandt auf die in (37) erwähnte formale Eigenschaft der Zeit, plausibel machen ließe. Aber das bedeutet nicht, daß die (33) zugrundeliegende allgemeinere Idee nicht verteidigt werden kann. Ich will versuchen, die dieser These zugrundeliegende Idee wenigstens im Umriß etwas näher zu erläutern Da es mir nicht gelungen ist, diese Idee in bezug auf formale Eigenschaften der Zeit plausibel zu machen, wähle ich statt-

dessen eine Eigenschaft der Raumwahmehmung. Die Dreidimensionalität des Raumes ist eine formale (und nach Kant a priori erkennbare) Eigenschaft unserer Raumanschauung. Wenn wir etwas als im objektiven Raum existierend vor— stellen, so denken wit'es uns als ein hinsichtlich der drei Raumdimensionen eindeutig bestimmtes Objekt. Nun können wir aber Objekte immer nur aus einer bestimmten Perspektive wahrnehmen, was zur Folge hat, daß wir in einer

einzelnen Wahmehrnungssituatien ein solches Objekt nicht vollständig bestimmen können. Da es aber im dreidimensionalen Raum existieren soll, müssen wir annehmen, daß es auch hinsichtlich solcher Eigenschaften objektiv be-

stimmt ist, die wir an ihm nicht wahrnehmen können. Wenn wir nun zwei (äußere) Wahrnehmungen haben, die wir als Wahmehmrmgen von Gegenstänéden im Raum auffassen wollen, so müssen wir annehmen, daß die Teile dieser Gegenstände, die wir direkt wahrnehmen können, in einer eindeutig bestimmten räumlichen Beziehung zueinander stehen. Da wir aber den Raum selbst nicht wahrnelunen können, können wir dieses Verhältnis nicht mit Bezug auf die absolute Raumsteüe bestimmen. Eine solche Bestimmung ist nur möglich, wenn wir die in eindeutigen Beziehungen zueinander stehenden Raumteile

durch etwas im Raum repräsentieren. Mit anderen Worten: Wir brauchen ein empirischer Bezugssystem. Wir können aber nur dann unter Rückgriff auf das Bezugssystem Raumstellen objektiv lokalisieren, wenn wir z.B. wissen, wie eine Wahrnehmung des Bezugssystems aus einer anderen Perspektive als der gegebenen aussieht. Da wir aber niemals gleichzeitig zwei verschiedene Perspektiven einnehmen können. können wir dies nur dann aufgrund perspektivi— scher Ableitungen herausfinden, wenn wir entweder annehmen, daß sich die Objekte, die dieses Bezugssystem konstituieren, nicht objektiv verändern, oder daß wir aufgnrnd der Kenntnis von empirischen Kausalgesetzen im Prinzip in

der Lage sind, solche Änderungen zu erkennen.

'

Ich weiß nicht, ob diese Hinweise ausreichen, um die hinter (83) steckende Idee einer genaueren Untersuchung würdig zu finden. Wenn man Kants Argu— mentation in der transzendentalen Analytik rekonstruieren will, kommt man wohl nicht um sie herum.

Kart. Argranurt

. 211

Wenn das oben skizzierte Argument akzeptabel sein sollte, so“ wäre Kant damit den empiristischen Einwand los: Denn dann wäre gezeigt, ”daß nur solche

Erscheinungen als objektiv in der Zeit existierend vorgestt werden können, die geeignet sind, notwendige Aspekte von Raum und Zeit zu repräsentieren. Damit hätte Kant seine Gesetzeskonzeptien des Objekts direkt begründet. Nun

ist es gerade diese These, zu deren Begründung Kants Ausfühnmgen zum synthetischen Argument wenig überzeugend sind. Aber das muß uns noch nicht völlig entmutigen, da wir feststellen können, daß Kant auf eben dieses Problem

im zweiten Teil der B-Deduktien eingeht. Dort Soll nämlich gerade gezeigt werden, daß die Einheit von Raum und Zeit "keine‘andere sein" kann, als die objektive Einheit "in einem ursprünglichen Bewußtsein, den Kategorien ge-

mäß“ (B 161; vgl. B 1440. Und im Rahmen dieser Begründung geht Kant sogar noch einen wichtigen Schritt über das oben skizzierte Argument hinaus, indem er sogar zu zeigen versucht, daß es nicht nur eine notwendige Bedingung objektiver Erfahrungserkenntnis ist, daß die notwendige Einheit von Raum und Zeit durch die Objekte der Erfahrung repräsentiert werden kann; Kant scheint dort sogar anzunehmen, daß - auch ohne die Gelnmg der Objektivitätsthese

vorauszusetzen - gezeigt werden kann, daß die Einheitsaspekte von Raum und ' Zeit repräsentierbar sein müssen. Sollte ihm das gelingen, so hätten wir es nicht

nur mit einer starken Deduktien zu tun (also einem Argument, in dessen Rahmen die Objektivitätsthese selber noch begründet wird); Kant wiirde auf diese Weise auch das Problem der subjektiven Vorstellungen angehen. das die Startdardinterpretation der transzendentalen Deduktion in so große Schwierigkeiten

bringt Denn selbstverständlich müssen nicht alle unsere Vorstellungen geeignet sein. die Einheit von Raum tutti Zeit zu repräsentieren. Es muß nur (hin— reichend viele) solche Vorstellungen geben, so daß ein vollständiges raum-zeitliches Bezugssystem etabliert werden kann. Ob der soeben skizzierten Alterna-

tive mehr Aussicht auf Erfolg beschieden ist. werden wir allerdings‚erst beur— teilen können, wenn wir die entsprechenden Passagen aus der B—Deduktion genauer untersucht haben werden.

4. Kapitel Selbstbewußtsein, Objektivität und Gesetzmäßigkeit in der transzendentalen Deduktion Ohne Rückgriff auf Argumente aus der transzendentalerr Deduktion besteht selbst im Rahmen des—schwachen Beweisprograrnms, das die Analogiker favo« risierten, wenig Aussicht auf eine sachlich überzeugende Begründung der Gesetzesthese. Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß damit dem Programm

der Deduktivisten der Erfolg gesichert ist und eine haltbare Begründung der Gesetzesthese auf der Basis der Argumente, die Kant in der transzendentalen Deduktion entwickelt, durchgeführt werden kann. Ob dies möglich ist und wie _. eine solche Begründung ggf. aussieht, ist nun zu untersuchen.

' Im diesem Kapitel werden zwei Ziele verfolgt: Erstens soll gezeigt'werden, daß die Strategie der Deduktivisten der Sache nach untauglich ist. Zweitens wird ein Interpretationsvorschlag zur B-Deduktion entwickelt, der in entscheidenden Punkten von der Standatdinterpretation abweicht. Fiir die Standardinterpretation war charakteristisch, daß Kant drei seiner zentralen Thesen als Bedingungen der Möglichkeit von Selbstbewußtsein begründen will: Die Objekt!vitäts- Kategorien- und Gesetzesthese sollen sich als direkte Folgerungen aus

der "notwendigen Einheit der Apperzeption" begründen lassen. Es hat sich bereits gezeigt, daß dieses Beweisprogramm mit gravierenden sachlichen und irnmanenten Schwierigkeiten belastet ist. Dies allein reicht natürlich nicht aus, um zu zeigen, daß Kant nicht gleichwohl eine solche Strategie verfolgt hat. Vielmehr scheint zunächst einmal einiges dafiir zu sprechen. Ich nenne nur einige der Stellen, die die Richtigkeit der Standardinterpretation zu belegen scheinen: "Die Einheit der Apperzeption [...] ist der transzendentale Grund der notwendigen Geseürnilßigkeit aller Erscheinungen in einer Erfahrung" (A 127).

"Eben diese transzendéntale Einheit der Appeneption macht aber aus allen möglichen Erscheinungen [...] einen Zusammenhang aller dieser Vorstellungen nach Gesetzen. [...] Also ist das ursprüngliche und notwendige Bewußtsern der Identrtär serner selbst zugleich ein Bewußtsein einer ebenso notwendigen Emhen der Synthesrs aller Erscheinungen nach Begriffen. d.i. nach Regeln. die sie nicht allem notwendrg reproduzibel machen. sondern dadurch auch ihrer Anschauung euren Gegenstand be stimmen" (A 108; vgl. auch A 107).

-

Selbstbewußtsein. Objektivität und Gesemnr'ißigkeitin der u. Deduktion

213

"Die Möglichkeit aber. ja sogar die Notwendigkeit dieser Kategorien beruht auf der Beziehung, welche [...] alle möglichen Erscheimmgerr [...] auf die ursprüngliche Apperzeption haben" (A 111).

"Nun bemht Erfahrung auf der synthetischen Einheit der Erscheinungen. d.i. auf einer Synthesis nach Begriffen vom Gegenstande der Erscheinungen iiberhaupt, ohne welche sie [...] sich [...] nicht zur transzendentalen und notwendigen Einheit der Ap-

perzeption zusammen schicken würden" (A ISS/B 195f.).

Es sollte allerdings zu denken geben, daß all diese Passagen aus der ersten

Auflage stammen. Ähnlich klare Äußerungen finden sich nirgends in der B-

Deduktion. Trotz Kants Versicherung, daß die Neufassung der transzendentalen Deduktion lediglich in der "Darstellungsart" von der Version der ersten Auf— lage abweichen soll (B XXXIV), daß er “in den Sätzen selbst und ihren Be-

weisgründen [...] nichts zu ändern gefunden habe" (B XXXVII; vgl. B 10.10), lassen sich eine Reihe von Indizien finden, die dafür sprechen, daß Kant in der 2. Auflage der Apperzeptionstheorie eine geringere Beweislast autbürdet, als dies die Standardinterpretation unterstellt. Die Textlage ist aber ziemlich kompliziert und Indizienbeweise haben bekanntlich ihre Probleme. ' Ich werde daher folgendermaßen vorgehen: Zunächst sollen diejenigen Ar-gumente Kants, die die Standardinterpretation nahelegen, genauer untersucht werden. Ich beginne dabei mit einer Diskussion einiger Argumente aus.der ADeduktion, da diese besonders gut geeignet zu sein scheinen, die Standardinterpretation zu stützen.1 Es wird sich dabei zeigen, daß die Selbstbewußtseinstheorie nicht ausreicht, um die weitreichenden Folgerungen, die Kant ihr allem Anschein nach entnehmen will, zu begründen. Im Rahmendiéser Dis— kussion der A-Deduktion können wir auch auf Kants Erörterung des Zusam— menhangs zwischen der Gesetzeskonzeption des Objekts und der Selbstbewußt-

seinstheorie näher eingehen, den wir bereits oben (3. Kapitel 2.1.1.) ange-

sprochen haben. Im Anschluß an diese Diskussion soll Henrichs sich locker an der A-Deduktion orientierender Rekonstruktionsversuch kritisiert werden. Auch dieser wird sich als nicht haltbar erweisen. Im nächsten Abschnitt (2.) soll dann gezeigt werden, daß für die B-Deduktion dasselbe gilt: Auch sie enthält kein sachlich überzeugendes Argument zur Herleitung der Gesetzesthese aus der Einheit der Apperzeption. Allerdings wird sich dabei auch zeigen, daß die Standardinterpretation eine Reihe exegetischer Probleme aufwirft, die eine Altemativinterpretation der B-Deduktion nahele— gen, wonach zumindest die Gesetzesthese nicht mehr als Irnplikation der Ein— 1

Die Darstellung in der A-Deduktion ist auch in vendtiederren Hinsichten ausführlicher II.! die entsprechenden Partien in der 2. Auflage. Fiir die Einschätzung der sachlichen Tragweite der

Selbstbe\vußtseinstheorie kämen wir uns dahernidrt auf die B—Deduktiorr beschränken.

214

Selbstbewußtsein. Objektivität und Geset'nnäfigkeit in der tr. Deduktion

heit des Selbstbewußtseins begründet werden soll (3. Abschnitt). Die Annahme, daß Kant in der B-Deduktion darauf verzichtet hat. die Apperzeptions-

einheit als die einzige grundlegende Prämisse in Anspruch zu nehmen, soll anhand einer Diskussion der Gründe plausibel gemacht werden, die Kant dazu ge« führt haben, von seinem ursprünglichen Beweisprogramm Abstand zu nehmen und in der zweiten Auflage einen anderen Weg einzuschlagen (4. Abschnitt).

Abschließend soll dann anhand einer Interpretation des zweiten Teils der B-

Deduktion eine Alternative zur Standardiesart präsentiert und diskutiert werden (5. und 6. Abschnitt). Indem die Begründung der Gesetzesthese von der Selbstbewußtseinsanalyse entkoppelt wird, wird Kants Programm auch von den Problemen befreit, die im ersten Kapitel dargestellt wurden. '

1. Koma Argumentation in der A-Deduktion

Wir haben schon im ersten Kapitel gesehen, daß der Text der transzendentalen Deduktion in der ersten Auflage nicht besonders durchsichtig strukturiert ist. Ich will mich im folgenden auf die Diskussion der für unsere Fragestellrmg zentralen Argumente beschränken. Wie sich bereits gezeigt hat.2 geht Kant nicht in allen seinen 'Deduktionen' in A von der Einheit des Selbstbewußtseins aus. Dies gilt nur für die 'absteigenden' Deduktionen. Trotzdem ist es nicht unwichtig, auch einen Blick auf die 'aufsteigenden' Deduktionen zu werfen: Nicht nur. weil Kant dort am ausfiihr— lichsten auf den Objektbegriff eingeht. sondern vor allem deshalb. weil Kant im Zusammenhang dieser Erörtenmgen die Einheit der Apperzeption allererst einführt. Um deren Rolle auch in den absteigenden Deduktionen richtig verstehen zu können, ist eine ausführlichere Erörterung dieser Zusammenhänge erforderlich. Ich beginne daher mit einer Untersuchung der subjektiven Deduktion (A 98—114).

1.1. Die subjektive Deduktion "Wenn eine jede einzelne Vorstellung der anderen ganz fiemd, gleichsam isoliert. und von dieser gen-ermt wäre. so würde niemals so etwas. als Erkermuus„rst. ent-

springen, welche ein Ganzes verglichener und verkrttipfter Vorstellungen ist (A 97).

2

Vgl. 1. Kap. 2.1.1.

KautsArgumentationin derA-Deduktion

215

Damit ist der fiir die aufsteigenden Deduktionen entscheidende Ge—

sichtspunkt genannt: Es soll untersucht werden. unter welchen Bedingungen "ein Ganzes" verschiedener Vorstellungen möglich ist.3 Kant will nun zeigen, daß dies nur möglich ist aufgrund "einer dreifachen Synthesis. die notwendigerweise in allem Erkenntnis vorkommt: nämlich. der A p p r e h e n s i o n der Vorstellungen. als Modifikationen des Gemiits inder Anschauung. der R e p r o d u k t i o n derselbeninder Eirrbildung und ihrer R e k o g n i t i o n im Begriffe. Diese geben nun eine Leitung auf drei subjektive Erkenntnisquellen. welche selbst den Verstand und. durch diesen. alle Erfahrung. als ein empirisches Produkt des Verstandes möglich machen" (A 97f.).

Kant verfährt nun im folgenden so. daß er zu zeigen versucht, daß ein Gan-

zes verschiedener Vorstellungen ohne eine Synthesis der Apprehension nicht möglich ist; dazu aber eine Synthesis der Reproduktion und schließlich eine Synthesis der Rekognition vorauszusetzen ist. Und weiterhin soll gezeigt wer-

den, daß "alle diese Vermögen [...] außer dem empirischen Gebrauche, noch

einen transz.‚ der lediglich auf die Form geht, und a priori möglich ist", haben (A 94). ' Die aufsteigenden Deduktionen gehen von der Voraussetzung aus, daß das Gegebene als solches ein unzusammenhängendes Mannigfaltiges ist. das erst durch eine Synthesis zu einer einheitlichen Vorstellung gemacht werden kann: "Weil aber jede Erscheinung ein Marmigfaltiges enthält. mithin verschiedene Wahr—

nehmungen irn Gernilte an sich zerstreut und einzeln angetroffen werden. so ist eine

Verbindung derselben nötig. welche sie in dem Sinne selbst nicht haben können" (A 120).

Im Verlauf des Arguments soll gezeigt werden, (1) daß diese Synthesis nur nach Regeln möglich ist. (2) daß diese Regeln letztlich auf Regeln a priori zurückzuführen sind und (3) daß eine Synthesis nach solchen Regeln nur möglich ist, wenn das Mannigfaltige unter allgemeinen und notwendigen Gesetzen steht. (4) soll sich ergeben, daß durch eine solche kategoriale Synthesis die ge3

Explizit erwälmt Kant diesen Gesichtspunkt in den der Synthesis der Reproduktion und der Synthesis der Rekognirion gewidmeten Nummern 2 und 3. Fiir die Synthesis der Reproduktio n vgl. A 102: "Würde ich aber die vorlrergehmde[n Vorstellungen...l immer aus den Gedanken verlieren. und sie nicht reproduzierur. indem ich an den folgenden fortgehe. so würde niemals eine ganze Vorstellung [...] entspringen können.“ Für die Synthesis der Rekognition vgl. A 103: "Ohne das Bewußtsein. daß das. was wir denken, eben dasselbe sei. was wir dnen Augenblick zuvor dachtm. wiirde alle Reproduktion in der Reihe der Vorstellungen vergeblich sein. [...] und das Mannigfaltige derselben wiirde immer kein Ganzes ausmachen“. Im Ab— schnitt iiber die Synthesis der Apprehension wird derselbe Gesichtspunkt lediglich anders hereichnet. indem sich Kant hier des Ausdrucks der Einheit bedient. So etwa A 99: "Damit nun aus diesem Mannigfaltigen Einheit der Anschauung werde [...] so ist erstlich das Durchlaufen der Mamrigfaltigkeit und dann die Zusarrunennehmung desselben notwendig. welche Handlung ichdie S y n t h e s i s d e r A p p r e h e n s i o n nenne“.

Selbstbewußtsein,0bjelrlivitittmd6eeetnnifigkeitindatn Deduktion

216

gebenen Vorstellungen auf Objekte bezogen werden und (5) schließlich werden diese Regeln a priori mit den Kategorien identifiziert. Daraus folgt dann (a) die Gesetzesthese, wonach alle unsere Vorstellungen unter notwendigen Gesetzen stehen müssen; (b) die Objektivitätsthese, denn-' folge alle unsere Vorstellungen objektivierbar sein müssen; und (c) die_Katego— rienthese, wonach alle unsere Vorstellungen kategorial bestimmbar sein miissen.

1.1.1. Die These von der Notwendigkeit der Synthesis

Beginnen wir zunächst mit der Frage, wie plausibel die Prämisse über die Notwendigkeit einer Synthesis der gegebenen Vorstellungen ist, von der Kant ausgeht. Schon die Beantwortung dieser Frage wirft eine Reihe von Problemen auf, da nicht klar ist, was Kant genau mit der Behauptung sagen will, daß das gegebene Mannigfaltige als solches "im Gemüte an sich zerstreut" und "jede einzelne Vorstellung der anderen ganz fremd, gleichsam isoliert und von dieser getrennt" sei (A 97). Es lassen sich die folgenden Versionen der Ausg'angsthese »* : : ‚ ‚; " __ “_ unterscheiden:

(M1)

Das gegebene Mannigfaltige besteht aus Empfindungen, die nicht einmal in raum-zeitlichen Relationen gegeben sind.

(M,)

Das gegebene Mannigfaltige ist zwar in raum—zeitlichen Relationen gegeben; es bedarf aber einer Synthesis, wenn es als ein solches (raum-zeitlich geordnetes) Mannigfaltiges bewußt gemacht werden soll.

(M3)

Das gegebene Mannigfaltige ist zwar als in ram—zeitlichen Relationen stehend gegeben, es ist aber objektiv unterbestimmt. (So müssen z.B. die Relationen, in denen das Mannigfaltige gegeben ist, nicht den objektiven raumzeitlichen Relationen entsprechen.)

Falls Kant (MI) vertreten haben sollte, muß man wohl davon ausgehen, daß

es sich dabei um eine 1. extrem unplausible Behauptung handelt, fiir die Kant 2. auch nicht die Spur eines Arguments liefert, und die. 3. in Widerspruch zu seiner im Rahmen seiner Gesamttheorie ja nicht ganz unwichtigen These steht, wonach Raum und Zeit die Pannen des Gegebenen sind. Obwohl es einige Passagen gibt, in denen Kant (MI) zu vertreten scheint, ist es daher besser, zu sehen, wie weit man ohne diese These kommt. (M,) scheint mir dagegen verteidigbar zu sein. Man kann kein Bewußtsein eines Mannigfaltigen als eines solchen haben, wenn man nicht sowohl ein Be

KantsArgurnenutionin der A-Derluktion

217

wußtsein der einzelnen Elemente des Mannigfaltigen wie ein ‚Bewußtsein von ihren Beziehungen hat. Das ist einfach eine analytische Explikation dessen, was es heißt, ein Mannigfaltiges als solches wahrzunehmen. Nun können wir uns aber vorstellen, daß wir sukzessive ein Bewußtsein der verschiedenen Ele— mente eines Mannigfaltigen haben, ohne zu irgendeinem Zeitpunkt ein Bewußtsein von den Beziehungen dieser Elemente zueinander zu haben: Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ich "die vorhergehende [Vorstellung ...] immer aus den Gedanken verlieren [würde,.„] indem ich zu den folgenden fortgehe" (A 102). Auf solche Weise "würde niemals eine ganze Vorstellung [...] entspringen können" (A 102). Das bedeutet aber, daß, wenn eine ganze Vorstellung 'entspringen' soll, mehr vorliegen muß, als das bloße Auftreten gegebener Vorstellungen im Bewußtsein. Daraus folgt zwar noch nicht, daß es sich bei diesem zusätzlich erforderlichen Faktor um eine Synthesis handeln muß; aber angesichts der wohl unbezweifelbaren Tatsache, daß wir in der Wahrnehmung eines Mannigfaltigen durch das Gegebene nicht darauf festgelegt sind, welche der einzelnen Elemente des Gegebenen wir mit welchen anderen in Beziehung bringen, ist die Annahme, daß es sich bei dem zusätzlichen Faktor um eine Folge einer ‘Verbindungshandlung' handelt, doch recht plausibel. Um nicht mißverstanden zu werden, sei 1. darauf hingewiesen, daß damit nicht behauptet werden soll, daß wir ohne eine Synthesiskein Bewußtsein von komplexen Einheiten haben können. Was behauptet werden soll ist lediglich, daß wir ohne Synthesis kein Bewußtsein von Einheiten als solchen Komplexen haben können. Es mag durchaus so sein. daß wir ohne Synthesisleistungen un-

mittelbar z.B. ein Haus wahmehmen können, weil wir ein bestimmtes 'Gestaltmuster' wahrnehmen. 2. soll auch nicht behauptet werden, daß wir in der Art, wie wir das Mannigfaltige verbinden, durch dessen Eigenschaften nicht eingeschränkt sind. Wir können 2.3. keinen roten Fleck wahrnehmen, wenn uns nichts rotes gegeben ist, und wir können auch nicht einen roten Fleck links von einem grünen Fleck wahrnehmen, wenn er rechts von ihm gegeben ist. Aber wir sind gewöhnlich frei darin, welche Elemente eines (über einen längeren Zeitraum gleichzeitig) gegebenen Mannigfaltigen wir in welcher Reihenfolge wahrnehmen und miteinander in Beziehung setzen. In diesem Sinn können wir also Kants Behauptung akzeptieren, daß ohne eine Synthesis keine einheitliche Anschauung zustandekommt. Was nun (M3) betrifft, so ist klar, daß diese Lesart nur dann relevant ist, wenn wir nicht mehr nur von der Frage nach der Möglichkeit eines Ganzen ausgehen, sondern von der Frage nach der Möglichkeit objektiver Erkenntnis. Es ist daher für unsere Fragestellung am sinnvollsten, zunächst einmal zuzusehen, wie weit wir mit (M» kommen.

Selbstbewußtsein. Objektivität und Gesetmtißigkeit in der tr. Deduktion

2 18

Ein Mannigfaltiges kann also nur dann als ein solches vorgestt werden,

wenn wir von den einzelnen Elementen dieses Mannigfaltigen Bewußtsein haben. Wir können daher auch Kants Behauptung akzeptieren, daß wir das Mannigfaltige zunächst 'durchlaufen' müssen, wenn damit nichts anderes gemeint ‘ ist, als daß wir die einzelnen Elemente zunächstfür sich zum Bewußtsein brin' gen müssen. Wenn wir die These von der Synthesis der Apprehension in diesem Sinn verstehen, wirft sie keine Probleme auf. Problematischer dagegen ist das, was Kant über die Synthesis der Repro-

duktion sagt.

1.1.2. Die Synthesis der Reproduktion

Die Notwendigkeit einer 'reproduktiven' Synthesis begründet Kant mit dem Hinweis darauf, daß die Synthesis der Apprehension allein nicht ausreicht, wenn die Vorstellung eines Ganzen verschiedener Elemente zustandekommen

soll: "ich [muß] erstlich notwendig eine dieser mamrigfaltigen Vorstellungen nach der anderen in Gedanken fassen [...]. Würde ich aber die vorhergehende [...] rmrner aus den Gedanken verlieren. und sie nicht reproduzieren, indem ich zu den folgenden fortgehe, so würde niemals eine ganze Vorstellung [...] entspringen können" (A 102).

Obwohl Kant in dem der Rekognition gewidmeten Abschnitt behaupten wird, daß auch die Synthesis der Reproduktion noch keine hinreichende Bedingung für das Zustandekommen einer ganzen Vorstellung ist, so ist doch klar, daß sie allemal eine notwendige Bedingung sein soll. Sie soll sicherstellen, daß ich die früheren Vorstellungen nicht aus den Gedanken verliere, wenn ich zur

folgenden übergehe. Nun legt der Terminus 'Reproduktion' nahe, daß Kant glaubt, daß es dazu erforderlich ist, daß ich eine zu der früheren Vorstellung qualitativ ähnliche Vorstellung hervorbringe, wenn ich bei der folgenden angelangt bin. Es ist aber nicht nur nicht einzusehen. wieso eine Reproduktion in diesem Sinn erforderlich ist (da es völlig auszureichen scheint, daß ich die

frühere Vorstellung irgendwie 'in Gedanken behalte“); es ist auch nicht einzu4 Bei Locke hau: Kant nachlesen können daß beides zu unterscheiden ist: "‘lhe next Faculty of

the Mind [...] is that which I call R e t e n t i o n , or the keq)ing of those simple I d e a s .

which from Sensation or Reflection it hath received. This is done two wsys. first. by keqnng the I d e e , which is brought intoü, for some time aemallyinview, whichis called C o n t e m p l a t i o n . The other way ofRetentim is the Power to revive agern rn our Mrnds those I d e a s . which after imprinting have disappesred, or have been as it were lard ssrde out of Sight [...]. This is M e m o r y , which is as it were the Store-house of our I d e a s ." Daß_

Kante Argumentatim in der A-Deduktion

219

sehen, was sie zur Lösung des Problems beitragen soll. Gehen wir davon aus, daß ich eine Folge von Vorstellungen a. b, c,... habe, die ich nacheinander durchlaufen muß. In jedem Augenblick habe ich nur ein Bewußtsein der einzelnen Vorstellungen, also nie ein Bewußtsein des Ganzen. Also muß etwas Wei— teres zu der bloßen Folge der Vorstellungen hinzutreten. Es ist aber offenkundig, daß es zur Lösung dieses Problems nicht das geringste beiträgt, wenn'ich die vergangenen Vorstellungen (im wörtlichen Sinn) reproduziere. Das führt nur zu einer längeren Folge von Vorstellungen, z.B. a, b, a', c, a", b', c’.... In be zug auf diese Folge stellt sich aber genau dasselbe Problem: Auch hier kann es sein, daß ich, wenn ich z.B. bei a' angelangt bin, b ganz aus den Gedanken verloren habe, und es nützt gar nichts, daß wenig später eine ‘Reproduktion' von b (nämlich b') auftritt, wenn ich dann a' wieder aus dem Gedächtnis verloren habe. Versteht man also 'Reproduktion' im wörtlichen Sinn. dann handelt es sich bei der Synthesis der Reproduktion nicht nur nicht um eine hinreichende Bedingung; sie ist auch völlig überflüssig. . Gleichwohl haben wir bereits gesehen, daß zu dem bloßen Durchlaufen etwas hinzukommen muß, das garantiert, daß wir die früheren Vorstellungen nicht immer wieder vergessen, wenn eine neue auftritt. Wenn wir unter Repro-

duktion bloß verstehen, daß die frühere Vorstellung irgendwie präsent bleibt, können wir Kants These akzeptieren, daß Reproduktion für das Zustandekommen einheitlicher Vorstellungen erforderlich ist. Es ist auch nicht unplausibel anzunehmen, daß dies voraussetzt, daß es einen 'assoziativen' Zusammenhang zwischen diesen" Vorstellungen gibt, derart, daß eine der "Vorstellungen einen Übergang des Gemüts zu der anderen [...] hervorbfingt" (A 100). In diesem Sinne können wir dann auch von einer Synthesis der Reproduktion sprechen. Kant gibt sich aber nicht mit der Behauptung, daß eine Synthesis der Reproduktion angenommen werden muß, zufrieden. Er versucht bereits an dieser Stelle, seine Gesetzesthese zu begründen. Denn er meint, daß wir nur dann über

solche 'Assoziations-' oder 'Reproduktionsgesetze' verfügen können, wenn die Vorstellungen selber unter gewissen Regeln stehen: [ecke die Erinnerung in der zweiten Bedeutung von Reprodukn'm' konzipiert, ergibt sich aus der folgenden Bemerkung: "But our I d e a s being nothing, but acmsl Perceptions in the Mind, whichceasetobeanything.when thereis noperception ofthern, this l s y i n g u p of our I d e a s in the Repository of the Munory, signifies no more but this, that the Mind has 8 Power, in many cases, to revive Percepu'ons. which it has once had, with this additional Per— eeplionannexedtolhan‚thatithashadtlternbcfote.AndinthisSenseisit,thatour I d e a s

an: said to be in our Memories, when indeed, they are actually no where, but only there is an ability in the Mind, when it will, to revivethern again; and as it were paint them anew on it

self“ (Locke(1978)Book II. X. 55 l und 2 S. l49f.).

220

Selbstbewußtsein. Objektivitätund6esetmäßigkeitin der u. Deduktion

"Dieses Gesetz der Reproduktion setzt aber voraus: daß die Erscheinungen selbst wirklich einer solchen Regel unterworfen seien, und daß in dem Mannigfaltigen ih— rer Vorstellungen eine, gewissen Regeln gemäße, Begleitung, oder Folge stattfinde. denn ohne das würde unsere empirische Einbildungskraft niemals etwas ihrem Vermögen Gerntißes zu tun bekommen" (A 100).

Aber dieses Argument ist für Kants Zwecke viel zu schwach. Selbst wenn wir zugestehen, daß (a) ohne Assoziationsregeln keine einheitlichen Vorstel«

lungen zustandekommen können und (b), daß Assoziationsregeln nicht ausge— bildet werden können, wenn es keine Regularitäten in der Wahrnehmung gibt, so folgt doch bestenfalls, daß unsere Wahrnehmungen nicht völlig chaotisch sein dürfen. Es folgt weder. daß alle unsere Vorstellungen unter Gesetzen stehen, noch, daß es sich dabei um eine notwendige Gesetzmäßigkeit handelt. Für diese weitergehenden Thesen ist aber im Text der Nr. 2 (A 100-102) kein überzeugendes Argument zu finden.5 Wir können daher davon ausgehen, daß

Kant an dieser Stelle noch keine befriedigende Begründung der Gesetzesthese gelingt, zumal die Voraussetzung (b) nicht selbstverständlich ist.

Damit können wir uns nun der Synthesis der Rekogtiition anwenden. 1.1.3. Die Synthesis der Rekognition

Ich will vorab einen Überblick über die Suuktur des Arguments geben: Zunächst stellt Kant fest, daß die Synthesis der Apprehension und Reproduktion allein nicht ausreichen, um eine einheitliche Vorstellung hervorzubringen, wenn die jeweils neue Vorstellung nicht als zu den anderen geMrig vorgestt wird. Dies wiederum sei aber nur möglich, wenn ich ein Bewußtsein der Handlung habe, nach der ich‘die Vorstellungen verbinde. Ein solches Handlungsbewußtsein sei aber ein Begriff. Damit glaubt Kant gezeigt zu haben, daß eine 'Synthesis der Rekognition im Begriffe' für das Zustandekommen einer einheitlichen Vorstellung erforderlich ist. Dies ist der erste Hauptschritt des Arguments. Dieses Resultat reicht natürlich für Kants Zwecke noch nicht hin. Denn damit ist lediglich gezeigt, daß wir irgendwelche Begriffe anwenden müssen, wenn ein einheitliches Bewußtsein möglich sein soll. Kant will aber zeigen, 5

Kants Hinweis. daß "selbst unsere reinsten Anschauungen ; prior-i keine Erkenntnis verschaffen. außer. sofern sie eine solche Verbindung des Mannigfaltigen enthalten, die eine durchgär_rgige Synthesis der Reproduktion möglich macht" (101) ist dem ganz ungeeignet Denn die These (b) mag man für empirische Vorstellungen dnigennaßen plausibel finden; für die Synthesis mathematischer Begriffe (Kants Beispiel'rst hier das Ziehen einer Linie)'ist sie dagegen extrem unplausibel.

Kants ArgumentatiminderA-Deduhion

21

daß wir Begriffe a priori voraussetzen müssen. Diesem Naehweis dient der zweite Hauptstt. Kant greift dazu auf eine Analyse des Objektbegriffs zu-

rück. Er versucht hier zu zeigen, daß die Einheit der Vorstellungen im Begriff eines Objekts eine notwendige Einheit ist und daher nicht auf einer Synthesis allein nach empirischen Begriffen beruhen kann, sondern die Anwendung von

Begriffen a priori voraussetzt. Damit ist der zweite Hauptschritt abgeschlossen. Ich habe bereits im ersten Kapitel angemerkt, daß nicht recht klar ist, wie

die Analyse des Objektbegriffs in Kants Überlegungen eingeht. Bisher sind wir ja von der Frage nach der Möglichkeit einer einheitlichen Vorstellung eines Mannigfaltigen ausgegangen. Nun aber scheint Kant diese Frage durch die Frage nach der Möglichkeit einer Erkenntnis von Objekten zu ersetzen und damit eine stärkere Voraussetzung (nämlich die Objektivitätsthese) in Anspruch zu nehmen. Solange Kant nur nach den Bedingungen einer einheitlichen Anschauung fragt, haben wir es mit einer starken Deduktion zu tun. Wenn Kant nun aber die Objektivitätsthese als zusätzliche Voraussetzung in seinen Beweis auf— nimmt, gelten die als notwendige Bedingungen einer objektiven Einheit unserer Vorstellungen ermittelten Bedingungen natürlich nur für solche Vorstellungen. von denen feststeht, daß sie objektivierbar sind. Es würde sich also in diesem ' Fall lediglich um eine schwache Deduktion handeln - jedenfalls dann. wenn der in Anspruch genommene Objektbegn'ff stärker ist als der eines bloßen Komplexes gegebener Vorstellungen. Eben dies scheint aber der Fall zu sein, denn es soll sich bei dem Gegenstand unserer Vorstellungen gerade um etwas han-

deln, was diesen Vorstellungen 'korrespondiert' und "mithin auch davon unterschieden" ist (vgl. A 104).

Im dritten Hauptschritt des Arguments fiihrt Kant dann die Einheit der Apperzeption in den Beweisgang ein. Auch hier ist nicht recht klar, welche Rolle der Apperzeptionseinheit zugeschrieben werden soll. Zunächst sieht es so aus, als suche Kant lediglich nach einem Erklärungsgrund fiir die notwendige Einheit. deren Vorliegen er aus der Analyse des Objektbegriffs glaubt hergeleitet zu haben (vgl. die beiden ersten Sätze des 2. Absatzes von A 106). Andererseits kann man die Einführung der Apperzeptionseinheit auch so verstehen, daß mit ihr die zunächst als bloße Voraussetzung in Anspruch genommene Objektivi— tätsthese (indirekt) begründet wird. Kant stellt nämlich die Behauptung auf, daß die Einheit verschiedener Vorstellungen im Begriff eines Objekts "nichts anderes, als die notwendige Einheit des Bewußtseins" ist (A 109). In diesem Fall wäre die These von der Objektivierbarkeiit aller unserer Vorstellungen eine Folge von deren Zugehörigkeit zu einem (möglichen) Selbstbewußtsein. Damit hätten wir dann wiederum eine starke Deduktion. Wir müssen die einzelnen Schritte nun genauer betrachten.

222

Selbstbewußtsein. ObjektivititundGesetnnißigkeitin der «. Deduktion 1.1.3.1. Die Notwendigkeit einer Synthesis nach Begriffen

Zunächst zum ersten Schritt: Wieso meint Kant, daß das Durchlaufen und

Reproduzieren allein nicht ausreicht, um die Vorstellung eines Ganzen hervbr- ' zubringen? Kant versucht, dies am Beispiel des Zählens zu erläutern: "Vergesse ich im Zählen: daß die Einheiten. die mir jetzt vor Sinnen schweben, nach und nach zueinander von mir hinzugetan werden sind, so würde ich die Erzeugung der Menge, durch diese sukzessive Hinzutuung von Einem zu Einem, mithin auch nicht die Zahl erkennen; denn dieser Begriff besteht lediglich in dem Bewußtsein dieser Einheit der Synthesis" (A 103).

Dies sieht auf den ersten Blick so aus, als wiederhole Kant lediglich das, was er eine Seite zuvor zur Begründung der Notwendigkeit einer reproduktiven Synthesis angeführt hat. Das ist aber nicht der Fall. Im Rahmen der Begrün— dung der Notwendigkeit einer Synthesis der Reproduktion hatte Kant lediglich gefordert, daß ich die Einheiten nicht aus den Gedanken verlieren darf; nun wird darüber hinaus gefordert, daß ich von diesen 'reproduzierten' Vorstellungen denke, daß sie von mir zueinander hinzugefügt worden sind. Nach Kants Meinung kommt allein dadurch, daß die frühere Vorstellung im folgenden Vorstellungszustand mit präsent bleibt, noch keine einheitliche Vorstellung eines Mannigfaltigen zustande, weil es sich bei der Vorstellung des Ganzen einer Mannigfaltigkeit um eine Vorstellung handeln soll, in der dieses Ganze als aus den nacheinander durchlaufenen 'Teilen' zusammengesetzt vorgestellt wird. Ich will dies an Kants Beispiel des Zählens erläutern. Solange wir es mit nicht allzu großen diskreten Mengen zu tun haben, können wir die Anzahlbegn'ffe auf zweierlei Art auffassen: entweder als Namen fiir Konfigurationen oder als Bezeichnungen für Resultate von Zählhandlungen. Nehmen wir an, John lernt die Zahlbegriffe' (sagen wir von 0 - 10) als Namen für Konfigurationen. '4' ist dann ein Name für Konfigurationen, die so ähnlich aussehen wie: . . . .

oder;

0 0

Ludwig dagegen lernt die Zahlbegriffe nach Regeln. Für ihn bezeichnet '4' solche Mengen, die durch Hinzufilgung eines Elements zu Mengen, die durch '3' bezeichnet werden, entsteht etc.. Für John verhalten sich 3 und 4 so zueinander wie rot und grün. Es sind einfach verschiedene Namen für unterschiedliche Konfigurationen. Für Ludwig ist das natürlich anders. Für Ludwig ist eine solche Konfiguration von z.B. vier Objekten eine Menge, die sich aus einzel- _

Kants Argumentation in der A-Deduktion

223

nen Elementen zusammensetzt. Ludwig kann aus der Aussage 'Da sind vier Kühe auf der Weide‘ schließen, daß mehr als drei Kühe auf der Weide sind. Für Ludwig liegt also eine Menge vor, die sich aus Elementen zusarnmensetzt, weil er die Menge als das Produkt einer Synthesishandlung auffaßt. Wenn John dagegen erst eine Kuh, dann zwei usw. wahmirnmt, so handelt es sich jeweils um "eine neue Vorstellung im jetzigen Zustande, die zu dem Aktus‚ wodurch'sie nach und nach hat erzeugt werden sollen, gar nicht gehörte, und das Mannigfaltige derselben würde immer kein Ganzes ausmachen" (A 103).6

Kant würde also im vorliegenden Beispiel behaupten, daß John zwar eine Vorstellung von etwas hat, das faktisch etwas Komplexes ist, aber im Gegen— satz zu Ludwig kein Bewußtsein von diesem Komplex als aus verschiedenen Elementen Zusammengesetztem hat. Ludwig dagegen hat deshalb dieses Be— wußtsein, weil er - wenn er die vier Kühe zusammen auf der Weide sieht weiß, daß es sich bei dieser Vorstellung um ein Produkt einer Synthesis handelt: Er weiß, daß diese vier Kühe mit jenen, die er nacheinander durchgezählt hat, identisch sind. Was folgt nun aus alledem? Wenn Kant recht hat, ist eine Vorstellung eines Ganzen nur möglich, wenn wir die einzelnen Teile oder Aspekte dieses Ganzen ‘ 6

Kant leitet seine Überlegungm zur Synthesis der Rekoguirion mit dem Satz ein: "Ohne Be— wußtsein, daß das, was wir denken, eben dasselbe sei, was wir einen Augenblick zuvor dach-

ten, würde alle Reproduktim in der Reihe der Vorstelltmgen vergeblich sehr" (A 103). Man kann dies so verstehen, daß wir die reproduzierte Vorstellung mit der Vorstellung, von der sie eine Reproduktion ist, identifizierm sollen. Diese Lesart wird besonders von Kanu Bemerkung in A 115 nahegelegt, wo es heißt, daß die Appeneption die Erscheinungen “in dem e rn p i r i s c h e n B e w u ß t s e i n der Idmtität dieser reproduktivar Vorstellungen mit den Erscheinungen, dadurch sie gegeben waren", vorstellt. Aber diese Desert setzt die wörtliche Les—

art der Synthesis der Reproduktion voraus, und es ist (aus ganz analogen Gründen, die uns oben zur Ablelmrmg dieser I.esart der Synthesis der Reproduktion geführt haben) nicht a: se« hen. wieso eine Synthesis der Rekognirion in diesem Sinne erforderlich ist, wenn es um das Zustandekommen eines aus 'Teilen' zusammengesetnen Ganzen gdren soll. Es scheint mir da— her sinnvoller, die Synthesis der Rekognition in folgender Weise aufzufassar: Wir gehen von einer mr anderen Vorstellung über. Wenn wir bei der zweiten angelangt sind, halten wir die er. ste präsent, wenn wir zu der dritten kommen, halten wir die beiden ersten präsent. Wenn wir bei der letzten Vorstellung angekommen sind, haben wir alle diese Vorstellungen zusammen vor dem Bewußtsein. Aber all dies muß nicht zur Folge haben, daß wir ntm eine Vorstellung eines Ganzen, das sich aus Teilen zusammensetn, haben: Wir könntest einfach eine komplexe Vorstellung haben, die für uns in gar keiner Beziehung zu den zuvor einzeln betrachteten 'Teilen' steht. Erst wenn wir die einzelnen Teile als Teile eines Ganzen auffassen und das Ganze aLr zusammengesetzt aus den Teilen denken, haben wir die Vorstellung eines Ganzen als eines solchen. Das bedeutet aber. daß wir, wenn wir z.B. ein Haus als komplexes Ganzes wahrnehmen wollen, wir das Dach als Dach des Hauses, das Fundament. als Fundament des Hannes

etc. wahmehmen müssen, so daß wir die Vorstellung der Gesamtheit (wenn wir das 'Bild' des Hauses zusammengesetn haha) als Produkt einer Verbindung von Teilen eines und desselben 'Ganzen' auffassen können. Das. was als identisch gedacht wird, ist also nicht eine Vorstellung

und ihre Reproduktion. Wir denken uns vielmehr die Teile als Teile desselben Ganzen. Auf diese Weise ließe sich auch verständlich machen, wieso Kant dann zum Begriff des Objekts übergeht, als dem. was durch die Vorstellungen vorgest wird und was in ihnen identisch ist.

224

Selbstbewußtsein, Objektivität und Gesetzmißigkeit in der tr. Deduktion

nach einer Synthesisregel in Beziehung setzen, so daß wir die einzelnen Teile bereits als Aspekte des Ganzen auffassen. Dazu müssen wir annehmen, daß wir über Begriffe verfügen, denn um etwas als etwas aufiassen zu können, brau-

chen wir Begriffe. Wenn wir z.B. ein Haus als etwas Komplexes auffassen‘ wollen, so müssen wir die einzelnen Teile und Aspekte bereits als Teile bzw. Aspekte des Hauses auffassen. Wir müssen dann die Elemente des Mannigfaltigen als Teile oder Aspekte desselben Ganzen auffassen. Dies aber ist nach Kants Meinung nur möglich, wenn wir die Elemente des Mannigfaltigen nach einer Regel synthetisieren. Können wir daraus bereits auf die Gesetzesthese schließen? Wenn ein ein— heitliches Bewußtsein nicht zustandekommen kann, wenn es nicht nach einer Regel apprehendiert wird, muß es dann nicht unter Regeln stehen, um appre hendiert werden zu können? Um diese Frage entscheiden zu können, müssen wir klären, was es heißt, etwas nach einer Regel zu apprehendieren. Zunächst ist festzustellen, daß Kant den Begriff der Regel in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet, oder daß er zumindest zwei unterschiedliche Bedeutungen von ‘Rege1' in seinem Regelbegriff verbindet. Mitunter versteht Kant unter einer Regel so etwas wie eine Handlungsanweisung, eine Methode oder ein Schema, nach dem eine Handlung vollzogen wird. In diesem Sinne ist die Rede von Synthesisregeln zu verstehen, sowie Kants Behauptung, daß Begriffe zur Regel dienen (A 106). Auf der anderen Seite verwendet Kant den Be-

griff der Regel im Sinne von Regularität: Wenn er etwa behauptet, daß die Synthesis der Reproduktion nur möglich ist, wenn "die Erscheinungen selbst wirklich einer solchen Regel unterworfen seien" (A 100), so meint er damit,

daß "in dem Mannigfaltigen ihrer Vorstellungen eine, gewissen Regeln gemäße, Begleitung, oder Folge stattfinde" (A 100; vgl. auch A 113). Um unsere Frage, ob sich aus Kants These, daß ein einheitliches Bewußtsein nur zustandekommen kann, wenn wir das Mannigfaltige nach Regeln apprehendieren, folgt, daß "in dem Mannigfaltigen [...] eine, gewissen Regeln gemäße, Begleitung, oder Folge stattfinde", beantworten zu können, müssen wir nun etwas genauer den Zusammenhang zwischen regelgeleitetem Handeln (Verbinden) einerseits und der Regularität der Vorstellungen andererseits betrachten.

Die folgenden drei Eigenschaften von Regeln (im Sinne von Handlungsre» geln) sind hier wichtig: 1. ihr normativer Aspekt, 2. ihr einheitsstiftender Aspekt, und 3. ihr Leitungsaspekt. Wenn wir nach Regeln handeln, so können wir sagen, daß die Handlung richtig oder falsch ist. Die Regel dient dabei als Standard für die Richtigkeit oder Falschheit der Handlung. Dies ist ihr normativer Aspekt.

Kants Argumentation in der A-Deduhion

225

Sofern wir es mit komplexen Handlungen zu tun haben“ (also Handlungen, die aus Teilhandlungen bestehen), können wir sagen, daß den einzelnen Teilhandlungen durch die Regel eine Einheit gegeben wird. (In besonderen Fällen legt die Regel sogar dadurch, daß sie eine einzelne Handlung in Zusammenhang mit anderen Handlungen bringt, fest. was diese Handlung ist. Ein bestimmter Zug im Schachspiel z.B. erhält (u.a.) dadurch seine Bedeutung, daß in den Spielregeln die Konsequenzen dieses Zugs fiir den weiteren Spielverlauf festgelegt sind.) Dieser einheitsstiftende Aspekt ist der für Kant entscheidende Aspekt der Regeln. Der dritte Aspekt von regelgeleitetem Handeln besteht darin, daß wir nach Regeln handeln: Regeln dienen nicht nur zur Beurteilung bereits irgendwie vollzogener Handlungen, sondern leiten die Handlungen, indem sie z.B. bei komplexen Handlungen festlegen, in welcher Reihenfolge welche Teilhandlungen auszufiihren sind. Wenn wir dies auf das uns hier interessierende Problem der Verbindungshandlungen anwenden, ergibt sich folgendes: Wird ein gegebenes_ Mannigfaltiges nach einer Regel verbunden, so müssen wir ein BeWußtsein der Regel voraussetzen, da es sonst keinen Sinn macht, zu sagen, daß wir nach dieser ' Regel verbinden. Dieses Bewußtsein kann zwar, wie Kant ausdrücklich be—

merkt, "oft nur schwach sein, so daß wir es nur in der Wirkung, nicht aber in dem Aktus selbst, d.i. unmittelbar mit der Erzeugung der Vorstellung verknüpfen: aber unerachtet dieser Unterschiede muß doch immer ein Bewußtsein angeuoffen werden, wenn ihm gleich die hervorstechende Klarheit mangelt" (A 103f.). Ich verstehe diese Bemerkung so, daß wir zwischen explizitem und irnplizitem Regelbewußtsein unterscheiden können: Haben wir ein explizites Regelbewußtsein, so stellen wir uns die einzelnen Vorstellungen, die wir nach— einander durchlaufen, als Vorstellungen von Teilen oder Aspekten des 'Ganzen‘ vor, dessen Vorstellung wir durch die Synthesis erzeugen: wir stellen uns die Fassade als Fassade eines Hauses vor; das Dach als Dach des Hauses etc.. Das bedeutet (u.a.), daß wir, indem wir z.B. die Fassade wahrnehmen, weitere Wahrnehmungen (z.B. von der Rückseite, von den Innenräumen etc.) antizipieren. Im Fall des irnpliziten Regelbewußtseins bestehen diese Antizipationen lediglich darin, daß das Nichtauftreten gewisser Wahrnehmungen Enttäuschung

oder Überraschung auslöst. Wenn wir nach einer Regel verbinden, so bedeutet dies also mindestens, daß wir beim Auftreten gewisser Wahrnehmungen gewisse Erwartungen haben, daß wir unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte richten und andere ausblenden. Wir verbinden die Vorstellungen dann regelgemäß (also richtig), wenn wir beim Auftreten einer gegebenen Teilvorstellung die der Regel ent—

226

Selbstbewußtsein. Objektivität und Gesetzmfißigkeit in der tr. Deduktion

sprechenden Erwartungen haben, bei den dann folgenden Wahrnehmungen die richtigen Wahrnehmungen ausblenden, etc.. Die Einheit der Vorstellungen kommt dadurch zustande, daß wir nach dieser Regel die einzelnen Wahrnehmungen reproduzieren können und 2.3. das Fenster, das wir jetzt als Teil der ganzen Fassade sehen, als dasselbe erkennen, das wir zuvor, ohne die anderen Teile der Fassade zu beachten, betrachtet haben. Wie all dies funktioniert, wissen wir nicht, denn es geschieht nach einer

"verborgene[n] Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre Handgriffe wir der Natur schwerlich jemals abmten" (A 141/B 180f.). Aber daß es geschieht, erkennen wir daran. daß wir einheitliche Vorstellungen zustandebringen. Soviel kann wohl Zugestanden werden. Kant scheint aber für das Zustandekommen der Synthesis der Rekognition stärkere Voraussetzungen anzusetzen: "[a]... wir erkennen den Gegenstand. wenn wir in dem Marutigt'altigen der Anschauung synthetische Einheit bewirkt haben. [b] Diese aber ist möglich. wenn die Anschauung nicht durch eine solche Funktion der Synthesis nach einer Regel hat

hervorgebracht werden können. [c] welche die Reproduktion des Marutigfaltigen a priori notwendig und einen Begriff, in welchem dieses sich vereinigt, möglich

macht" (A 105). Wir können Kant [a] und [b] zugestehen, wenn damit bloß gesagt sein soll, daß wir eine Ganzes als ein solches nur dann erkennen können, wenn wir die Vorstellung dieses Ganzen nach einer Regel hervorgebracht haben. Aber wieso glaubt Kant behaupten zu können, daß diese Regel so beschaffen sein muß, daß die Reproduktion des Mannigfaltigen notwendig, ja sogar a priori notwendig ist? Man kann dieser Behauptung einen harmlosen Sinn geben: Daß die Reproduktion notwendig ist, würde dann nur besagen, daß sie durch die Regel festgelegt ist; daß sie a priori notwendig ist, könnte lediglich besagen, daß dies bereits vor dem Vollzug der Verbindungshandlung festgelegt ist, da wir ein (wenn auch vielleicht nur implizites) Bewußtsein der Regel haben müssen, bevor wir verbinden.

Es ist aber wichtig zu beachten, daß das. was durch die Regel vor dem Vollzug der Verbindung festgelegt ist, lediglich Erwartungen künftiger Wahrnehmungen sind. Und nach dem Vollzug der Verbindung ist festgelegt, in wel-

cher Weise die faktisch aufgetretenen Vorstellungen reproduziert werden. Dies ist natürlich nur dann der Fall, wenn die erwarteten Wahrnehmungen auch wirklich eingetreten sind. Ob sie eintreten, ist aber ganz kontingent. Wenn ich vor einer Fassade stehe und sie als Fassade eines Hauses 'apprehendiere’, so ist damit festgelegt, daß ich erwarte, (unter bestimmten Bedingungen) die Rück-

seite des Hauses zu sehen. Aber wenn das, was ich für die Fassade eines

Kants Argumentation in der A-Deduhion

227

Hauses halte, lediglich eine Kulisse ist, werden meine Erwai’tungenenttäu50ht, und daran ändert natürlich der Umstand, daß ich die ‘Fassade' als Fassade eines Hauses (also einer Regel gemäß) aufgefaßt habe, nicht das geringste. Daß Kant mehr folgem will. geht aus der Erläuterung hervor, die er wenig später am Beispiel des Begriffs eines Körpers gibt: "So dient der Begriff vom Körper nach der Einheit des Marmigfaltigen. welches durch ihn gedacht wird. unserer Erkenntnis äußerer Erscheinungen zur Regel. Eine Regel der Anschauungen kann er aber nur dadurch sein: daß er bei gegebenen Erscheinungen die notwendige Reproduktion des Mamtigfaltigen derselben. mithin die synthetische Einheit in ihrem Bewußtsein. vorstellt. So macht der Begriff des Körpers. bei der Wahrnehmung von etwas außer uns, die Vorstellung der Ausdehrlrärör)g. und mit ihr die der Undurchdringlichkeit, der Gestalt usw. notwendig" (A

Insbesondere der letzte Satz legt die Vermutung nahe, daß Kant hier be-

haupten will, daß, wenn ich etwas 'Äußeres' als Körper wahmehme, die Wahrnehmung der Undurchdringlichkeit notwendig wird7 (vgl. auch A 110 und A 112). Diese stärkere These folgt aber sicherlich aus dem bisher Erörterten nicht. Wir können Kant zugestehen, daß 1. jede Erkenntnis eines Ganzen eine Verbindung nach Begriffen voraussetzt; daß 2. diese Begriffe nur dann auf ein gegebenes Mannigfaltiges anwendbar sind, wenn sie als Regeln der Synthesis fungieren. Wenn ich ein Ganzes nur als Produkt einer Handlung auffassen- kann, derart, daß ich von Beginn an die Teile oder Aspekte dieses Ganzen als Teile oder Aspekte dieses Ganzen auffasse, so muß ich bei jeder solchen Teilvorstellung bereits den Übergang zu einer anderen Vorstellung antizipieren und die folgende als eine solche auffassen, zu der ich von der vorangegangenen nach einer Regel gelangt bin. Insofern können wir sagen, daß der Begriff "bei gege-

benen Erscheinungen die [...] Reproduktion des Mannigfaltigen derselben, mit— hin die synthetische Einheit in ihrem Bewußtsein, vorstellt" (A 106). Aber das bedeutet eben nur, daß ich, wenn ich gegebene Erscheinungen nach einer be— stimmten empirischen Regel synthetisiere, erwarte, daß bestimmte andere Vorstellungen auftreten, und daß ich sie (und nicht irgendwelche andere), wenn sie

aufgetreten sind, in der Erinnerung reproduziere. Es ist weder gezeigt werden, daß die Wahrnehmungen nach Regeln reproduzierbar sind, noch, daß wir not— wendigerweise bestimmte Begriffe verwenden miissen: Es ist lediglich gezeigt 7

Der Satz erzwingt diese Deutung nicht, da er mit der oben erwähnten schwächeren Lesen, wo— nach nur behauptet wird, daß meine Erwartungen durch den Begriff festgelegt sind, vereinbar ist. Aber die der zitierten Passage unmittelbar folgenden Äußerungen legen doch die stärkere lesen nahe. Denn Kant geht rmrnittelbar zu der Frage nach den "transmdartalen Grund" die— ser Notwendigkeit über. Diesen transzendartalen Gnutd identifiziert er dann mit der Einheit der Apperzeption. weil sie "aus allen möglidren Erscheinungen [...] einen Zusammenhang aller dieser Vorstellungen nach Gesetzen" macht (A 108). Ein solcher Grund ist aber wohl nur dann

erforderlich, wenn man die starke Lesen zugrunde legt.

228

Selbstbewußtsein‚0bjektivitit und Gesetnnißigkeitinder «. Deduktion

worden, daß ‚wir irgendwelche Begriffe verwenden müssen. Erfiillen sich die Erwartungen, die mit einem Begriff verbunden sind, nicht, so müssen wir eben

nach einem anderen Begriff synthetisieren. Wenn wir die Fassade eines Hauses sehen und erwarten, nach Eintritt in das Haus Treppen, Türen und Zimmer “zu ‘ sehen, aber feststellen müssen, daß es sich lediglich um die Fassade einer Rui— ne handelt, so müssen wir die dann gegebenen Vorstellungen eben unter dem Begriff einer Ruine synthetisieren. Wir können nun auf unsere Ausgangsfrage nach dem Verhältnis von regel-

geleitetem Verbinden einerseits und dem Vorliegen von Regularitäten andererseits zurückkommen. Aus Kants Überlegungen ergibt sich lediglich, daß wir immer dann, wenn wir nach demselben Begriff synthetisieren, dieselben Er— wartungen ausbilden, und daß wir, sofern die erwarteten Wahmehmungen_eingetreten sind, diese nach Regeln in der Erinnerung reproduzieren können. Über das Vorliegen von Regularitäten in der Wahrnea folgt gar nichts. Man könnte versuchen, Kants weitergehende These in folgender Weise zu verteidigen: Zwar können wir nicht antizipieren, daß die folgenden Wahmeh— mungen nach bestimmen empirischen Begriffen synthetisierbar sein müssen; aber sie müssen doch so beschaffen sein, daß sie nach irgendwelchen Begriffen synthetisierbar sind, und dies ist nur möglich, wenn sie unter Gesetzen stehen. Das mag nun zwar so sein — aus Kants Argumenten ergibt es sich aber nicht.

Denn wir haben gesehen, daß sich aus der These, daß unsere Vorstellungen nach Begriffen verbindbar sein müssen, nur ergibt, daß wir die Vorstellungen in der Erinnerung nach der entsprechenden Regel reproduzieren können. Eine (inhaltlich bestimmte) Gesetzmäßigkeit der Wahrnehmungen läßt sich so nicht begründen.

Damit sind aber die Resourcen der aufsteigenden Deduktion, die lediglich von der Möglichkeit einer einheitlichen Anschauung ausgeht, erschöpft. Wir haben jedoch bereits angekündigt, daß Kant im zweiten Hauptschritt der Rekognitionsanalyse unter Rückgriff auf eine Erörterung des Gegenstandsbegn'ffs zu zeigen versucht, daß wir nicht nur nach irgendwelchen Regeln, sondern nach Regeln a priori synthetisieren müssen. Wir müssen nun untersuchen, ob sich auf der Basis dieser Überlegungen stärkere Folgerungen ziehen lassen.

1.1.3.2[Die Einführung des Objektbegriffs Ich habe bereits im vorigen Abschnitt Textpassagen herangezogen, die erst auf Kants Erörterung des Gegenstandsbegriffs folgen. Dies geschah, um Kants Regelbegriff zu klären. Dabei hat sich gezeigt, daß aus der These über die Not- _

Kant: Argumentation inder A-Deduktion

229

wendigkeit, Vorstellungen nach Regeln zu verbinden, nicht auf die Regularität unserer Wahmehmungen geschlossen werden kann. Es könnte aber sein, daß Kant diese Folgerung erst auf der Grundlage der Analyse des Objektbegriffs ziehen wollte. Wir müssen nun untersuchen. ob dies möglich ist. Dazu ist zweierlei zu klären: l. wieso Kant überhaupt dazu kommt, nun den Begriff eines Gegenstandes in seine Überlegungen einzubringen, und 2., ob sich auf der Grundlage der Analyse des Objektbegriffs die Geltung von notwendigen Syn— thesisregeln herleiten läßt. Was die erste Frage angeht, so muß man wohl Erdmann zustimmen, daß "die Discussion der Beziehung der Vorstellungen auf ihren Gegenstand [...] formell ganz unmotiviert in den Gang des Beweises" eintritt (Erdmann (1878b) S. 25f.). Kant stellt nur lapidar fest: "Und hier ist es denn notwendig. sich darüber verständlich zu machen, was man denn unter dem Ausdruck eines Gegenstandes der Vorstellungen meine" (A 104).

Wieso dies hier notwendig ist, sagt Kant nicht. Man könnte vermuten, daß er es deshalb nicht sagt, weil er es fiir offensichtlich hielt. Dies wäre dann der Fall, wenn wir davon ausgehen könnten, daß Kant hier einen vergleichsweise schwachen Objektbegriff unterstellt, wonach jeder Komplex von Vorstellungsgehalten, in dem die einzelnen Elemente als Teile oder Aspekte dieses Komplexes vorgestellt werden, bereits als Gegenstand gelten kann. Wenn dies der Fall wäre, dann läge es in der Tat nahe (und wäre vielleicht sogar notwendig), nun eine genauere Analyse dieses Begriffs zu geben. Aber es ist nicht der Fall: Denn Kant weist sogleich auf zwei Eigenschaften von Gegenständen hin, die zeigen, daß es sich hier um einen viel anspruchsvolleren Be— griff handeln Gegenstände sollen von unseren Vorstellungen unterschieden sein (A 104) und sie sollen für unsere Vorstellungen (irgendwie) verantwortlich sein. Kant denkt hier also zumindest an wirklich existierende, von unseren

Vorstellungen numerisch und der Art nach verschiedene Objekte, und nicht lediglich an Komplexe von Vorstellungsgehalten.

Fiir die folgenden Überlegungen ist nun die zweite Eigenschaft grundle— gend: Der Gegenstand wird als “dasjenige angesehen [...], was dawider ist, daß unsere Erkenntnisse nicht aufs Geratewohl. oder beliebig, sondern a priori auf gewisse Weise bestimmt seien. weil, indem sie sich auf einen Gegenstand beziehen sollen, sie auch notwendigerweise in Beziehung auf diesen untereinander übereinstimrnen, d.r. diejenige Einheit haben müssen, welche den Begriff von einem Gegenstande ausmacht" (A 104f.).

Kant will nun zeigen, daß der Begriff des Gegenstandes "nichts mehr [ist], als das Etwas, davon der Begriff eine solche Notwendigkeit der Synthesis ausdrückt" (A 106), und daraus soll sich dann ergeben, "daß alle Erscheinungen,

230

Selbstbewußtsein. Objektivität und Gesetnnißigkeit in der tr. Deduktion

sofern uns dadurch Gegenstände gegeben werden sollen, unter Regeln a priori der synthetischen Einheit [..] stehen müssen“ (A 110).

Ob sich dies zeigen läßt, werden wir gleich untersuchen. In bezug auf unsere erste Frage können wir vermuten, daß Kant die Analyse des Objektbegriffs ' einführt, um aus der (angeblich) notwendigen Einheit objektbezogener Vorstellungen auf die Notwendigkeit von Begriffen a priori schließen zu können. Es ist aber festzuhalten, daß all das, was Kant unter Ausnutzung der Analyse des Objektbegn'ffs folgen, auch nur für Erscheinungen gilt, "sofern uns dadurch Gegenstände gegeben werden“ (A 110). Denn bisher ist noch nicht gezeigt werden, daß es überhaupt solche objektbezogenen Vorstellungen gibt. Selbst wenn Kant zeigen kann, daß wir Begriffe a priori anwenden müssen, wenn eine Erkenntnis von Gegenständen möglich sein soll, folgt also bestenfalls eine bedingte Gesetzesthese: Nur solche Vorstellungen stehen unter Regeln a priori, die Vorstellungen von Gegenständen sind. Wir haben es in diesem Fall also nur mit einer schwachen Deduktion zu tun. Wenden wir uns nun dem Argument selber zu. Wir können Kant zugestehen, daß wir nur dann eine Wahrnehmung als Wahrnehmung eines Gegenstandes auffassen. wenn wir annehmen, daß diese Wahmelunung nicht beliebig auftritt, sondern durch den Gegenstand bestimmt ist. Und wir können auch zu'-. gestehen, daß die Beziehungen zwischen verschiedenen objektbezogenen Vorstellungen von dem Gegenstand abhängig ist. Wenn ich einen Körper walunehme, so nehme ich dann, wenn ich ihn trage, wahr, daß er schwer ist. Der Zu-

sammenhang zwischen diesen beiden Wahrnehmungen ist nicht beliebig, son— dern durch den Gegenstand bestimmt. Insofern können wir sagen, daß der Zu— sammenhang verschiedener Wahrnehmungen eines Objekts 'notwendig' ist. Wir

hatten aber bereits mehrfach Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß der Begriff einer notwendigen Verbindung verschiedenes bedeuten kann. So können wir z.B. dann von einem notwendigen Zusammenhang verschiedener Vorstellungen sprechen, wenn wir zum Ausdruck bringen wollen, daß die Vorstellungen in einem gesetzmäßigen Zusammenhang stehen. Wir haben im dritten Kapitel gesehen, daß Kant dazu tendiert, die objektive Einheit verschiedener Vorstellungen iu diesem Sinne aufzufassen: Danach ist nur das Objekt, was unter all— gemeinen und notwendigen Gesetzen steht. Es sollte aber klar sein, daß dies nicht aus dem Sinn von 'notwendiger Einheit’ folgt, in welchem wir Kant gerade zugestanden haben, daß“ die objektive Einheit notwendig ist. Denn offenkundig folgt aus der Tatsache, daß es kein Zufall ist, daß gewisse Wahrnehmungen bei meiner Wahrnehmung eines schweren Körpers zusammen auftreten, nicht, daß es einen direkten gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen diesen Wahrnehmungen gibt: daß das Auftreten einer 'Schwerewahmehmung' beim Tragen

KantsArguumtatiouinderA-Deduktron'

231

dieses schweren Körpers kein Zufall ist, heißt nicht, daß ich irhmer dann, wenn ich einen Körper trage, ein Gefühl der Schwere habe. Eine notwendige Einheit der Vorstellungen in diesem Sinne liegt also nicht vor. In welchen Sinn dann? Die naheliegende Antwort ist: Der Gegenstand ist die Ursache dafür, daß bestimmte Wahrnehmungen auftreten. Die 'notwendige Einheit' dieser Vorstellun-

gen besteht dann in nichts anderem als ihrer kausalen Abhängigkeit von ihrein

Gegenstand. Was ergibt sich daraus für die Frage nach der Notwendigkeit von Begriffen a prio)ri, und was folgt bezüglich der Frage nach der“ Geltung allgemeiner Ge— setze. Wenn wir Kant zugeben, daß, "da wir es nur mit dem Mannigfaltigen unserer Vorstellungen zu tun haben, [...] jenes X, was ihnen korrespondiert (der Gegenstand), weil er etwas von allen unseren Vorstellungen Unterschiedenes sein soll, für uns nichts ist" (A 105), d.h. nicht selber direkt wahrgenommen werden kann, so müssen wir auch zugestehen, daß der Begriff von diesem Gegenstand nicht empirisch gewonnen werden kann. Es muß sich also um einen Begriff a priori handeln. Der Begrifi' von einem 'Gegenstande überhaupt ist also ein rei—

ner, nicht—empirischer Begriff.



Aber es ist nicht zu sehen, wieso daraus folgen soll, daß objektbezogene Vorstellungen unter Regeln a priori stehen. Der Begriff des Gegenstandes ist lediglich der Begriff von etwas, das für unsere Vorstellungen verantwortlich ist. Damit ist aber nichts darüber festgelegt, in welcher Weise Vorstellungen beschaffen sein miissen, wenn sie sich auf einen Gegenstand beziehen sollen. Aus der Apriorität des Begriffs eines Gegenstandes überhaupt kann also nicht unmittelbar auf eine Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen geschlossen werden. Man könnte aber versuchen, auf einem indirekten Weg zu solchen Folgerungen zu gelangen, indem man sich fragt, unter welchen Voraussetzunger;wir erkennen können, ob und welche Vorstellungen sich auf ein Objekt be— me en. Wären unsere Vorstellungen völlig chaotisch, so ist kaum anzunehmen, daß wir jemals zwischen objektbezogenen und bloß subjektiven Vorstellungen unterscheiden könnten. Auch das im dritten Kapitel diskutierte explanatorische Verfahren mußte gewisse Regularitäten unter unseren Vorstellungen voraussetzen, um überhaupt ein zu erklärendes Phänomen zu haben, zu dessen Erklärung dann die Existenz objektiver Bedingungen postuliert werden kann. Wenn wir davon ausgehen, daß diejenigen Vorstellungen, die Gegenstände repräsentieren, von diesen Gegenständen kausal abhängig sind. so folgt daraus, daß wir zumindest für einige Objekte annehmen miissen, daß sie gewissen Konstanzbedingungen unterliegen. Denn nur wenn sich die Objekte selber nicht

232

Selbstbcwußtsein‚0bjektivität und Gesetanäßigkeitindcr u. Deduktion

beliebig verändern, bewirken sie, daß unsere Vorstellungen von ihnen gewisse Regularitäten aufweisen. Wenn wir also auf der Basis unserer Vorstellungen Objekte erkennen wollen, müssen wir davon ausgehen, daß es Objekte gibt,die gewissen Konstanzbedingungen unterliegen. Aber dieses Ergebnis bleibt in zwei I-linsichten hinter Kants Ziel zurück: Zum einen läßt sich daraus nichts Spezifisches über die Art der Regularitäten ausmachen. Sicherlich folgt (wie wir gesehen haben) nichts auch nur annähernd so Starkes wie Kants allgemeines Kausalprinzip. Zum anderen müssen wir nicht annehmen, daß alle Objekte solchen Bedingungen unterliegen. Haben wir nämlich erst einmal (auf der Basis von Regularitäten) in einem beschränkten Bereich gut bestätigte Hypothesen über die Art der kausalen Abhängigkeit unserer Wahrnehmungen von den Gegenständen gebildet. so können wir nun auch solche Objekte erkennen, die nicht den Bedingungen unterliegen, auf deren Basis wir diese Hypothesen gebildet haben. Aus Kants Analyse des Objektbegriffs folgt also weder unmittelbar noch auf dem indirekten Wege einer epistemologischen Überlegung, daß die objek— tive Einheit unserer Vorstellungen in dem Sinne eine notwendige Einheit ist, wonach die Objekte selber unter notwendigen Gesetzen stehen. Nicht die Objekte selber müssen als unter notwendigen Gesetzen stehend gedacht werden, sondern ihre Vorstellungen müssen als von den Objekten kausal abhängig ge—

dacht werden. Daß ich etwas Rotes wahrnehme, wenn ich den Zinnober betrachte, ist eine (kausale) Folge des kontingenten Sachverhalts, daß der Zin-

nober rot ist. Das Auftreten dieser Rotwahmehmung ist nicht deshalb beliebig, weil es kontingent ist, daß der Zinnober rot ist. Notwendig ist also nicht das Urteil über den Gegenstand ('Der Zinnober ist rot'), sondern nur das Urteil über das Verhältnis der Wahrnehmung zu seinem Gegenstand ('Wenn ich den roten Zinnober wahmehme, so habe ich eine Rotwahmehmung'). Aus all dem folgt also nicht, daß die Begriffe von Gegenständen Begriffe von notwendigen Verbindungen sind. Aber eben das ist es, was Kant folgem will und auch folgem muß, wenn er die Geltung der Kategorien begründen will. Damit ist aber auch Kants Versuch gescheitert, die Geltung notwendiger Synthesisregeln zu begründen.

1.1.3.3. Der ttanszendentalphilosophische Objektbegriff Wir haben gesehen, daß aus der Analyse des Gegenstandsbegriffs nicht das folgt, was Kant folgem will. Wenn Kant zeigen will, daß alle unsere (objektivierbaren) Vorstellungen unter Kategorien stehen, so muß er zeigen, daß die

Kants Argumentation in der A-Dedulnion

233

Objekte selber unter Gesetzen stehen. und nicht nur, daß unsere Wahmehmungen von den Objekten kausal abhängig sind. Nun haben wir aber bereits im dritten Kapitel darauf hingewiesen, daß die Textlage etwas komplizierter ist, als wir sie oben dargestellt haben. Achtet man nämlich genauer auf Kants Ausführungen, so stellt man fest, daß es keineswegs klar ist, daß Kant sich die Analyse des Gegenstandsbegriffs, die er A 104 verträgt (und von der wir oben ausgegangen sind), auch wirklich zu eigen macht. Zwei Indizien sprechen viel— mehr dafiir, daß diese Analyse als vorläufig zu betrachten ist: (a) Kant führt die Analyse des Gegenstandsbegriffs mit den Worten ein, daß es notwendig sei, "sich darüber verständlich zu machen, was man denn unter dem Ausdnrck eines Gegenstandes der Vorstellungen meine" (A 104). Diese Formulierung legt die Vermutung nahe, daß es Kant hier um die Explikation unseres 'gewöhnlichen' Gegenstandsbegriffs geht, der nur den Ausgangsq für eine 'philosophische' Untersuchung bildet. (b) Diese Vermutung wird dadurch bestätigt, daß Kant einige Seiten später auf die Frage nach der Bedeutung des Gegenstandsbegriffs zurückkommt und nun behauptet, daß wir "[n1unmehro [...] unsere Begriffe von

einem G e g e n s t a n d e überhaupt richtiger bestimmen können" (A 108). Daß sich aus Kants 'vorläufiger' Analyse des Gegenstandsbegriffs nicht das folgem läßt, was Kant folgem will, muß also nicht bedeuten, daß es sich nicht aus dem 'richtiger' bestimmten Begriff des Gegenstandes folgem läßt. ' Wir wollen nun betrachten, wie Kant von der vorläufigen Explikation des Gegenstandsbegn'ffes zu seiner 'richtigeren‘ Bestimmung kommt. Nachdem er festgestellt hat, daß Vorstellungen, die sich auf einen Gegenstand beziehen, auch untereinander eine notwendige Einheit bilden, Wirft er die Frage auf, worin die Erkenntnis des Vorliegens solcher objektiver Einheiten besteht (A 105). Wie können wir erkennen, ob Vorstellungen, die gemeinsam auftreten, auch objektiv zueinander gehören? Da wir dies nicht durch direkten Vergleich mit dem Gegenstand feststellen können, können wir die objektive Zusammengehörigkeit der Vorstellungen nur an ihrem notwendigen Zusammenhang erkennen. Ob aber ein solcher Zusammenhang vorliegt, ist an den ge— gebenen Wahrnehmungen selber nicht ablesbar. Da also die objektive Zusammengehörigkeit der Vorstellungen weder durch Vergleich der Vorstellungen mit ihrem Gegenstand noch aus diesen Vorstellungen selber unmittelbar zu entnehmen ist, müssen wir diesen notwendigen Zusammenhang (wenn wir ihn denn überhaupt erkennen können sollen) aus einer Bedingung ableiten, von der wir a priori Kenntnis haben können. Diese Bedingung muß zwei Eigenschaften haben: 1. Ihr Erfiilltsein muß a priori erkennbar sein, und es muß sich 2. aus ihr ableiten lassen, daß unsere Vorstellungen einen notwendigen Zusammenhang bilden.

234

Selbstbewußtsein, Objektivitit und Geletnnißigkeit in der tr. Deduklion

Damit ist das Stichwort für die Einführung der transzendentalen Einheit der Apperction gefallen: "Diese ursprüngliche und transzendentale Bedingung ist um keine andere, als die _ t r a n s z e n d e n t a l e Apperzeption"(Alllö).

Denn diese Einheit des Bewußtseins geht "vor allen Datis der Anschauungen vorher[...]" (A 107) und macht zudem "aus allen möglichen Erscheinungen [...] einen Zusammenhang [...] nach Gesetzen" (A 108). Damit erfüllt sie die beiden geforderten Bedingungen und so glaubt Kant, "[n]unmehro [...] auch unsere Begriffe von einem Gegenstande überhaupt richtiger bestimmen [zu] können" (A 108): Die Beziehung der Vorstellungen auf ihren Gegenstand ist "nichts anderes, als die notwendige Einheit des Bewußtseins“ (A 109) und "das ursprüngliche und notwendige Bewußtsein der Identität seiner selbst [ist] zugleich ein Bewußtsein einer ebenso notwendigen Einheit der Synthesis aller Erscheinungen nach Begriffen, di. nach Regeln, die [...] ihrer Anschauung einen Gegenstand bestimmen" (A 108). Die notwendige Einheit objektbezogener Vorstellungen ist also, bei (transzendentalem) Lichte beschert, nichts anderes als die notwendige Einheit, die alle unsere Vorstellungen habe müssen, wenn sie zu einem Selbstbewußtsein gehören sollen. ''

Ich will mich auf die beiden Hauptschritte dieser Überlegung konzentrieren; Der erste wichtige Schritt besteht in der These, daß wir die notwendige Einheit gegenstandsbezogener Vorstellungen nur erkennen können, wenn wir sie auf eine a priori erkennbare Bedingung zurückfiihren können. Der zweite wichtige Schritt besteht in Kants Behauptung, daß die Einheit der Apperzeption aus al— len Erscheinungen einen gesetzmäßigen Zusammenhang macht.

Zunächst zur ersten Behauptung: "Aller Notwendigkeit liegt jederzeit eine transzendentale Bedingung zum Grunde.

Also muß ein transzendentaler Grund der Einheit des Bewußtseins, in der Synthesrs des Mannigfaltigen aller unserer Anschauungen, mithin auch, der Begnffe der Ob— jekte überhaupt, folglich auch aller Gegenstände der Erfahrung. angeuofien werden, ohne welchen es unmöglich wäre, zu unseren Anschauungen ugendemen Gegenstand zu denken: denn dieser ist nichts mehr, als das Etwas. davon der Begrtff eine solche Notwendigkeit der Synthesis ausdrflc " (A 106).

Nun hatte Kant bereits festgestellt, daß, "da wir es nur mit dem Mamrigfalu'gen unserer Vorstellungen zu tun haben. md jenes X. was ihnen korrespondiert (der Gegenstand). weil er etwas von allen unsern Vorstellungen Unterschiedenes sein soll, für uns nichts ist. die Einheit, welche der Gegenstand notwendig macht, nichts anderes sein könne, als die formale Ernhett des Bewußtseins in der Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen" (A 105).

Dies ist ein Fehlschluß. Denn die Behauptung, daß der Gegenstand fiir uns nichts ist, besagt nicht mehr, als daß wir ihn nicht direkt wahrnehmen können..

Kant: Argummtationinder A—Dedulnion

235

Das bedeutet nicht, daß es ihn nicht gibt, und auch nicht. daß er nicht (kausal) für das Auftreten unserer Vorstellungen verantwortlich ist. Ob das der Fall ist, können wir nur nicht direkt erkennen. Aber dies schließt nicht aus, daß wir uns

unsere Vorstellungen als Wirkungen eines solchen (nicht direkt wahmehmbaren) Gegenstandes denken können. Und es schließt auch nicht aus, daß wir nach dem explanatorischen Verfahren die Existenz solcher Gegenstände zur Erklärung von Regulatitäten unserer Wahrnehmungen postulieren können. Es ist also keineswegs selbstverständlich, daß wir die "Einheit, welche der Gegenstand notwendig macht" (A 105), auf eine a priori erkennbare 'uarwzendcntale'

Bedingung zuriickfiihren müssen. Wir können daher festhalten, daß Kant in der A-Deduktion kein zwingendes Argument für die Identifikation von objektiver Einheit und Selbstbewußtseinseinheit präsentiert. Das bedeutet allerdings nicht, daß damit Kants Argument völlig unbrauchbar ist. Wenn ihm der Nachweis gelingt, daß die Einheit des Selbstbewußtseins die beiden oben erwähnten Bedingungen erfüllt, dann ist es nicht unplausibel, die objektive Einheit unserer Vorstellungen auf die Einheit der Apperzeption zurückzuführen. Denn wenn wir a priori erkennen können, daß unsere Vorstellungen einen gesetzmäßigen Zusammenhang bilden müssen,

wenn in bezug auf sie ein einheitliches Selbstbewußtsein möglich sein“ soll,

dann kam man annehmen, daß die Einheit, die wir gewöhnlich für eine durch unabhängig von uns existierende Objekte hervorgebrachte Einheit halten, in Wirklichkeit eine Folge der notwendigen Einheit der Appemeption ist. Es ist daher an der Zeit, Kants These über den Zusammenhang’ zwischen Selbstbewußtsein und der Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen näher zu untersuchen. Dazu wenden wir uns nun Kants absteigenden Deduktionen zu.

1.2. Selbstbewußtsein und Gesetzmäßigkeit Wie bereits erwähnt, haben wir es auch hier mit einer ganzen Reihe verschiedener Beweisversioncn zu tun. Ich will mich im folgenden auf die Diskussion von drei Passagen aus der A—Deduktion beschränken und auch nur die Frage aufwerfen, ob sich aus Kants Behauptungen über die Einheit der Ap— pcrzeption Folgerungen über die Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen ziehen lassen. Die Frage nach der Haltbarkeit der Prämissen verschiebe ich auf die Diskussion der B-Deduktion. Es soll gezeigt werden, daß sich die weiueichenden Folgerungen, die Kant zieht, selbst dann nicht rechtfertigen lassen, wenn wir die Prämissen über die Einheit der Apperzeption akzeptieren.

Selbstbewußtsein,0bjektivitätund6esetnnäßigkeitin der tr. Deduktion

236

Beginnen wir mit der 'Deduktion von oben' (A 116ft):

(l) “Alle Anschauungen sind für uns nichts, und geben uns nicht im min-

desten etwas an, wenn sie nicht ins Bewußtsein aufgenommen werden _ können [...]. (2) Wir sind uns a priori der durchgängigen Identitätunserer selbst in An— sehung aller Vorstellungen, die zu unserem Erkenntnis jemals gehören können, bewußt, als einer notwendigen Bedingung der Möglichkeit al— ler Vorstellungen, (3) (weil diese in mir doch nur dadurch etwas vorstellen, daß sie ntit allen anderen zu einem Bewußtsein gehören, (4)

mithin darin wenigstens müssen verknüpft werden können).

(5) Dies Prinzip steht a priori fest, und kann das transzendentale Prinzip der Einheit alles Mannigfaltigen unserer Vorstellungen [...] heißen.

(6) Nun ist die Einheit des Mannigfaltigen in einem Subjekt synthetisch: (7) also gibt die reine Apperzeption ein Prinzipium der synthetischen Ein-

heit des Mannigt'altigen in aller möglichen Anschauung an die Hand. (8) Diese synthetische Einheit setzt aber eine Synthesis voraus, oder schließt sie ein,

(9) und soll jene a priori notwendig sein, so muß letztere auch eine Synthesis a priori sein." (A ll6ff.) _ Wir wollten Kant (l) und (2) zugestehen. Bevor wir uns der Frage zuwenden, was sich aus (1) und (2) folgern läßt, müssen wir aber zunächst ein etwas

klareres Bild davon haben, was mit (2) behauptet werden soll. (2) besteht strenggenommen aus zwei Behauptungen:

(2a) Ich weiß a priori, daß ich derselbe in allen möglichen meiner Vor—

stellungen bin.8 (2b) Die Identität meiner selbst in allen meinen9 Vorstellungen ist eine notwendige Bedingung der Möglichkeit dieser Vorstellungen.

Ich gehe davon aus, daß (2a) einigermaßen klar ist.10 Das läßt sich von (2b) nicht sagen. Prima facie scheint Kant mit am lediglich zu meinen, daß eine 8 9

Ich formuliere diese These in der 1. Person Singular. Kant wechselt im Satz van Plural zum Singular. Ich gehe davon aus, daß davon nichts Wesentlidtes abhängt. In Kants Text steht statt "alle meine" nur "alle". Aber das ist offenkundig eine elliptiscbe Formulierung.

0 Das bedeutet natürlich nicht, daß in bemg auf (2a) keine weiteren Nachfragm erforderlich

sind. Natürlich wüßte man ganz gerne etwas Näheres darüber. was da in allen meinen Vorstel- .

Kante ArgumentatiutinderA-Deduktion

237

notwendige Bedingung dafiir, daß zwei beliebige verschiedene Vorstellungen meine Vorstellungen sind, darin zu sehen ist. daß das Subjekt dieser Vorstel-

lungen identisch ist. Das klingt ziemlich trivial.“ Aber die Begründung, die Kant dann in (3) und (4) gibt, läßt vermuten, daß er mehr als diese Trivialität im Auge hat. Allem Anschein nach meint Kant, daß die Identität des Subjekts in allen seinen Vorstellungen eine notwendige Bedingung dafür ist, daß ihm überhaupt Vorstellungen zugeschrieben werden können, wobei unterstt wird, daß das Subjekt mehr als eine Vorstellung besitzt. Denn wenn wir davon aus— gehen, daß wir nur dann von einer Vorstellung reden können, wenn wir von dieser sagen können, daß dadurch etwas vorgestellt wird, so folgt aus (3), daß es keine Vorstellungen geben kann, die nicht mit anderen zu einem Bewußtsein gehören. Das ist eine recht kuriose Überlegung. Prima facie ist die These (3) auch

ziemlich unplausibel,12 und Kant gibt nirgends eine Begründung dieser Be— hauptung. Es kommt hinzu, daß er die Zusammengehörigkeit' der Vorstellungen zu einem Bewußtsein, von der in (3) die Rede ist, in einem recht starken Sinn anffaßt. Andernfalls könnte er sonst kaum auf (4) schließen. Die Lage wird dadurch noch komplizierter, daß Kant nicht genau sagt, worin das "transzendentale Prinzip der Einheit alles Mannigfaltigen unserer

Vorstellungen" besteht, von dem in (5) die Rede ist, und das der Fortsetzung des Arguments zugrundegelegt wird. Es kommen nämlich sowohl (2) als auch lungen identisch ist. Ebenso gerne würde man näheres darüber erfahm wollen. worin dieses Wissen besteht und worauf es beruht. Vor allem wüßte man natürlich gerne, ob es sich bei (Zu)

um einen analytischen Satz handelt. 11 Es ist allerdings nicht ganz trivial. Generell gilt: Wenn P der 'Besitzer' von A und B ist, so gilt 'Der Besitzer von A ist identisch mit dem Besitzer von B', wenn jedes Objekt höchstens einen Besitzer hat. Man kann sich dariiber streiten, ob die erwähnte Bedingung im Fall von mentalen Zuständen trivial erfüllt ist. Das hängt z.B. davon ab, ob man Telepathie für logisch möglich hälL Aber selbst wenn man die Möglichkeit einräurnt. daß derselbe mentale Zustand verschie— denen Subjektert zugesdtrieben werden kann. so gilt gleichwohl analytisch: Want P der 'Besitzer‘ von A und B ist, dann ist ein Besitzer von A identisch mit einem Besitzer von B. Faßt

man also (2b) in diesem Sinne auf. so handelt es sich um eine analytische Folgerung aus (2a). Man kann sich natürlich dann immernoch darüber streiten, ob das Modell des Besitzverhältnis— ses ein angemessenes Modell für die Explikation der Beziehung zwischen dem Subjdtt der Bewußtseinszustinde und diesen Zuständen ist. 12 Unplausihel ist die These jedarfalls dann. wenn man nicht bereits unterstellt, daß es sich bei da. 'etwas', das durch die Vorstelltmgut vorgestellt wird. um ein anpirisches Objekt handelt. Aber selbst unter dieser - ganz unzulässigen - Verengung des Vorstellungsbegriffs ist (3) alles andere als selbstverstiindlich. In einer Reihe von Aufsätzen hat Patricia Kitcher eine recht origindle Verteidigung von Kants These gegeben (vgl. v.a. Kitcher 0984». Sie geht daba' davon aus, daß sich mentale Zustände nur funktional beschreiben lassen. Da in angemessenen funktionalen Beschreibungm aber immer auf andere mentale Zustände Bemg genommen werden muß. läßt sich ein mmtaler Zustand isoliert überhaupt nicht beschreiben. Das ist zwar eine ori-

gindle Lesen. Ich kann aber nicht erkennen. daß es in Kanu Text einen Hinweis darauf gibt, daß er eine ftmkliortalistische Theorie mentaler Ztstinde antiu'p'crt hätte.

238

Selbstbewußtsein. Objektivität und Gesetmüßigkeitin den:. Dedulrtion

(4) als Formulierungen dieses Prinzips in Frage.13 Wir können daher die beiden

folgenden Lesartcn des transzendentalen Prinzips der Einheit alles Mannigfalti— gen unterscheiden: (Sa) In allen meinen Vorstellungen bin ich das identische Subjekt dieser . Vorstellungen. (5b) Ich muß alle meine Vorstellungen in einem Bewußtsein verknüpfen können. Gegen die Identifikation des Prinzips mit (5b) spricht der Duktm des Textes. Denn in dem Satz, in dem Kant das Prinzip zum ersten Mal erwähnt, be-

zieht er sich offenkundig auf den vorausgehenden Satz. Dort aber findet sich eine (Sb) entsprechende Formulierung lediglich in einem durch Einklanmerung entwerteten Nebensatz. Für (5b) spricht aber - wie wir gleich sehen werden — l . die Fortsetzung des Arguments, 2. der Name, den Kant diesem Prinzip gibt, und vor allem 3. die Erläuterung, die er in der Fußnote zum anschließenden Satz gibt. Was ergibt sich, wenn wir Kant auch noch die These (5b) zugestehen? Dann können wir auch (7) akzeptieren, wenn damit nicht mehr gesagt sein' soll als:

(7a) Aus der Einheit der Apperzeption können wir herleiten, daß wir jede beliebige unserer Vorstellungen mit anderen verbinden können (in diesem Sinne ist die Einheit der Apperzeption ein 'Prinzipium' der synthe— tischen Einheit).

Mit dieser Lesart wird (8) trivial. 14 Das eigentliche Problem ist die Begründung von (9). Hier scheint Kant folgendermaßen zu schließen:

(a) Die synthetische Einheit ist a priori. (b) Die synthetische Einheit beruht auf einer Synthesis.

13 In der zweiten Auflage hat Kant zwischen der analytischen und der synthetisehat Einheit un“

terschieden. Erstere entspricht ungefähr (2). währa1d Innere ungefihr (4) entspricht. Vgl. dam unten die Bemerkungen m & 16 der B—Dedukrion. Man kann (7) auch in einem stärkeren Sinn auffassen. Danach soll nicht nur behauptet werdet, daß sich alle unsere Vorstellungen miteinander verbinden lassen, sondern daß diese Möglich— keit ihrer Verbindung selberbereits darauf mrüclrzufiiltren ist, daß die Vorstellungen durch eine aller Erfahrung vorausliegende Verbindungshsndlung so zusammengen werden sind, daß sie nun audi im empirischen Bewußtsein verbine sind. Ich will hier nicht all die Argumente wiederholen, die gegen diese extreme Version von Kanu Theorie der tmnszendentalen Synthesis vorgebracht werden sind (vgl. dazu etwas Bennett (1966) 5 30). Es soll auch nicht bestritten werden, daß Kant sich an einigen Stellen in dia- Sinne zu äußern scha'nt. Es sollte aber klar sein, daß diese extreme Version vm (7) durch nichts, was Kant in der n'tierten Pas— sage sagt. der Sache nach gedeckt ist.

Kanu ArgumentationinderA-Deduhinn

239

(c) Also muß diese Synthesis eine Synthesis a priori sein. Auf der Grundlage von (2) müssen wir annehmen, daß (a) eine verkürzte

Formulierung von

(a) Ich weiß a priori. daß alle meine Vorstellungen miteinander (zu einer Einheit) verbindbar sind; ist. Daraus folgt ohne weiteres: (cr) Ich weiß a priori. daß eine Synthesis aller meiner Vorstellungen mög-

lich ist.

'

Wenn wir annehmen, daß (c) nicht mehr besagen soll als (c,), gibt es kein

Problem. Aber es ist offenktmdig, daß Kant (c) im Sinne von (c,) Die Synthesis muß eine Synthesis nach Regeln a priori sein;

verstanden wissen will. Das ergibt sich eindeutig aus den Folgerungen, die

Kant unmittelbar daraus zieht.‘5 Und dies muß er natürlich auch behaupten, wenn er die Geltung der Kategorien begründen will. 15 Aber es ist ebensoklar, daß (cl) nicht aus (a) und (b) folgt. Damit klafft aber an einer entscheidenden Stelle des Arguments eine Lücke. Wir müssen nun sehen. ob sich diese Lücke unter Rückgriff auf die anderen

Versionen der absteigendcn Deduktion schließen läßt. Dazu Wenden wir uns jetzt dem Argument zu, das Kant A 108 gibt. Hier soll gezeigt werden, daß die transzendentale Einheit der Apperzeption eine notwendige Gesetzmäßigkeit aller Erscheinungen zur Folge hat. Kant greift dazu auf die oben bereits-diskutierten Überlegungen zum Zusammenhang von Einheitsbewußtsein und Handlungsbewußtsein zurück: ' "[A] Ebert diese transzendentale Einheit der Appeneption macht aber aus allen möglichen Erscheinungen, die immer in eine Erfahrung beisamrnen sein können. einen Zusammenhang aller dieser Vorstellungen nach Gesetzen. [B] Denn diese Einheit des Bewußtseins wäre unmöglich. wenn nicht das Gemüt in der Erkenntnis des Mannigfaltigen sich der Identität der Funktion bewußt werden könnte, wodurch sie dasselbe synthetisch in einer Erkenntnis vabindet. [C] Also ist das ursprüngliche und notwendige Bewußtsein der Identität seiner selbst zugleich ein Bewußtsein einer ebenso notwendigen Einheit der Synthesis aller Erscheinungen nach Begriffen. d.i. nach Regeln, die sie nicht allein notwendig reproduzibel machen, sondern dadurch

15 "Also bezieht sid: die transurtdentale Einheit der Awerzeptim auf die reine Synthesis der Eirtbildungskrsftß..l.ßskannahernurdie p r o d u k t i v e S y n t h e s i s d e r E i n b ü — d u n g s k r s f t apriori stattfinden. [...] D i e E i n h e i t d e r A p p e r z e p t i o n i n B e z i e h u n g a u f d i e [...] t r a n s z e n d e n t a l e S y n t h e s i s derEinbildungskraft [ist] der r e i n e V e r s t a n d . Also sindirn Verstand: reine Erkauttnisse a priori [...]. Dieses sind aber die K a t e g o r i e n , d.i. reine Verstandesbegrifie" (A 118f. vgl. auch A 112:

A123: A124). 16 Vgl. dievontngegangene Fußnote.

240

Selbstbewußtsein, Objektivität und Gesetzmiifigkeit in der tr. Deduktion auch ihrer Anschauung einen Gegenstand bestimmen, d.i. den Begriff von etwas. darin sie notwendig zusammenhängen: denn [D] das Gemüt konnte sich unmöglich die Identität seiner selbst in der Mamtigfaltigkeit seiner Vorstelltmgen und zwar a priori denken, wenn es [E] nicht die Identität seiner Handlung vor Augen hätte, welche alle Synthesis der Apprehension (die empirisch ist) einer umzendentalen Einheit ' unterwirft. und ihren Zusammenhang nach Regeln a priorizuerst möglich macht” (A 108).

Auch hier liegt ein dem oben initisierten ganz analoger Fehlschluß vor. Kant will (wie sich aus [A] ergibt) zeigen. daß aus der Einheit der Appazeption folgt, daß "alle möglichen Erscheinungen" in einen gesetzmäßt'gen (also notwendigen) Zusammenhang gebracht werden können. Die Einheit der Apperzeption ist (wie sich aus [C] ergibt) hier als das Bewußtsein der Identität unse-

rer selbst in allen unseren Vorstellungen aufgefaßt, und Kant behauptet in [C], daß dieses Bewußtsein notwendig sei. Da nun nach [B] diese Einheit der Ap-

perzeption unmöglich sein soll, wenn es nicht möglich ist, die Vorstellungen so zu verbinden, daß ich ein Bewußtsein der 'Identität' der Verbindungshandlung habe, folgert Kant, daß diese Verbindung selber notwendig ist: Denn sie ist eine notwendige Bedingung von etwas, das selber notwendig ist. Eine Synthe» sis, in der ich mir die Identität der Verbindungshandlung vorstelle, muß aber nach Kants Ausfühnmgen zur Synthesis der Rekognition eine Synthesis nachRegeln sein. Und daraus folgen Kant dann, daß es sich um Regeln handeln muß, die die Erscheinungen "nicht allein notwendig reproduzibel machen, sondern dadurch auch ihrer Anschauung einen Gegenstand bestimmen" (A 108). Der Fehler des Arguments beruht auf einer Doppeldeutigkeit der Rede von einer notwendigen Einheit. Damit kann nämlich entweder gemeint sein, daß es notwendigerweise eine Einheit gibt, oder daß eine Einheit selber notwendig ist. Ich will den Unterschied an einem Beispiel illustrieren. Nehmen wir an, es sei aus irgendeinem Grunde notwendig, daß X heiratet. Nehmen wir weiter an, daß X, der Notwendigkeit gehorchend, Y geheiratet hat. Dann kann man sagen, daß eine Verbindung, die notwendig war, zustandegekommen ist. Aber das bedeutet natürlich nicht, daß es notwendig war, daß X nun gerade Y geheiratet hat. Ein anderes Beispiel: Nehmen wir an, wir haben einen Haufen von Mosaiksteinen und es sei aus irgendeinem Grund notwendig, sie zu einem Mosaik zusammenzusetaen. Das Resultat dieser Zusammensetzung kann man dann als eine 'synthetische Einheit' der, Mannigfaltigkeit der einzelnen Steine bereichen. Wenn wir nun von dieser Einheit sagen, daß sie notwendig sei, so kann damit lediglich gemeint sein, daß es notwendig war, die Steine zu irgendeinem Mosaik zusammenzusetzen. Und dies ist auch alles, was aus der angenommenen Prämisse folgt. Es könnte aber damit auch gemeint sein, daß die Art der Zu—

sammensetzung selber notwendig ist: daß es z.B. notwendig ist, daß dieser rote

Kants Argumentatiur in dcrA-Deduhion

241

Stein rechts neben diesem grünen Stein liegt. Aber es ist klar, daß aus der er— wähnten Voraussetzung nicht folgt, daß die Steine in diesem Sinne eine not— wendige Einheit bilden. Ebensowenig folgt aus dem Umstand, daß ich alle meine Vorstellungen verbinden können muß, wenn die notwendige Einheit der Apperzeption mög-

lich sein soll, daß auch die Art der Zusammensetzung selber notwendig ist;' es folgt nur, daß ich die Vorstellungen notwendigerweise irgendwie zusammensetze. Aber dann folgt nicht, daß die so zusammengesetzten Vorstellungen einen gesetzmäßigen Zusammenhang bilden. Aber eben dies wollte Kant zeigen. Selbst wenn wir also zugestehen, daß es notwendigerweise möglich sein muß. uns der Identität unserer selbst in allen unseren Vorstellungen bewußt zu werden; und weiter zugestehen, daß dazu eine Verbindung dieser Vorstellungen nach Regeln notwendig ist, folgt besten-

falls,17 daß es notwendigerweise möglich ist, unsere Vorstellungen nach Re— geln zu verbinden; nicht aber daß es möglich ist, die Vorstellungen nach not— wendigen Regeln zu synthetisieren. . _ Man könnte versuchen, Kants Argument durch folgende Überlegung zu verteidigen. Wenn alle unsere Vorstellungen nach Regeln verbd sein müs- ‘ sen, so bedeutet dies, daß sie in bestimmten 'Formen' verbunden werden müssen. Die Vorstellungen müssen dann aber so beschaffen sein, daß sie sich nach solchen Formen verbinden lassen. Wenn wir nun a priori wissen können, welche Verbindungsfonnen in Frage kommen, können wir auch etwas über die Bedingungen ausmachen, denen unsere Vorstellungen unterliegen müssen, wenn sie überhaupt verbindbar sind. Wenn wir in unserem Mosäkbeispiel schon nicht sagen können. daß dieser rote Stein notwendigerweise rechts neben diesen grünen Stein gehört, so können wir doch sagen, daß er entweder rechts oder links oder über oder unter diesen Stein gehört. Es ist naheliegend, diese Überlegung mit Blick auf die metaphysische De— dulction zu konkretisieren: Die einzigen uns zur Verfügung stehenden Verbindungsformen sind die Urteilsfunktionen; folglich müssen die gegebenen Erscheinungen so beschaffen sein, daß sie sich nach Urteilsfunktionen verbinden lassen. Aber auch wenn wir Kant noch diese Behauptung aus der metaphysischen Deduktion zugestehen, wäre erst zu zeigen, daß sich daraus irgendwelche einschränkenden Bedingungen herleiten lassen, denen unsere Vorstellungen genü- gen müssen, wenn sie nach solchen Formen verbindbar sein sollen. Wieso soll es nicht möglich sein, beliebige Vorstellungen mit beliebigen anderen z.B. in "

Ich sage 'bestenfalls', da genau“ aus N(p) und (p—tq) nur q und nicht auch N(q) folgt.

242

Selbstbewußtsein‚ Objektivität und Gesetmtllßigkcit in der tr. Deduktion

einem kategorischen Urteil zu verbinden? Kant scheint ohne weitere Begründung davon auszugehen, daß eine Verbindung nach Regeln nur dann zustande— kommen kann, wenn die zu verbindenden Elemente bestimmten einSchränkenden Bedingungen unterliegen. Mit anderen Worten: Wir können nicht Beliebi- *

ges mit Beliebigem verbinden. So heißt es etwa in A 105: _ "Diese E i n h e i t d e r R e g e l bestimmtnun alles Mannigfaltige, und schränkt es auf Bedingungen ein, welche die Einheit der Appeneption möglich machen";

oder in A lllf: "Die Möglichkeit aber. ja sogar die Notwendigkeit dieser Kategorien beruht auf der Beziehung. welche die gesamte Sinnlichkeit, und mit ihr auch alle möglicher Erscheinungen. auf die ursprüngliche Apperzeption haben. in welcher alles notwendig den Bedingungen der durchgängigen Einheit des Selbstbewußtseins gemäß sein, d.i. unter allgemeinen Funktionen der Synthesis stehen muß, nämlich der Synthesis nach Begriffen. als worin die Apperzeption allein ihre durchgängige und notwendige Identität & priori beweisen kann. So ist da Begriff einer Ursache nichts anderes, als eine Synthesis (dessen. was in der Zeitreihe folgt, mit anderen Erscheinungen.) n a c h B e g r i f f e n , und ohne dergleichen“ E i n h e i t , die ihre Regel a priori hat, und die Erschcimmgen sich unterwirft, würde durchgängige und allgemeine, mithin notwendige Einheit des Bewußtseins, in dem Mannigfaltigerr der Wahrneh— mungen, nicht engen-offen werden" (A ] llf.).

Damit sind wir bei der letzten der drei angekündigten Passagen angelangt. — Hier zeigt sich besonders deutlich, wie weitreichend die Folgerungen sind, die

Kant aus der Einheit der Apperzeption zu ziehen gedenkt. Die Überlegung ist folgende: Aus der ursprünglichen Einheit der Apperzeption folgt, daß die Erscheinungen unter allgemeinen Funktionen der Synthesis stehen müssen. Die diesen allgemeinen Funktionen entsprechenden Begriffe, "die ihre Regel a priori" haben, unterwerfen sich die Erscheinungen so, daß "allgemeine, mithin

notwendige Einheit des Bewußtseins, in dem Mannigfaltigen der Wahrnehmu— gen angetroffen" wird. Aber nichts dergleichen folgt aus den oben diskutierten Argumenten. Aus der Verbindbarkeit der Erscheinungen nach Regeln folgt nicht, daß die Erscheinungen in der Wahrnehmung notwendig reproduzierbar sein miissen. Aus der Notwendigkeit, uns der Identität unserer selbst in allen unseren Vorstellungen bewußt werden zu können, folgt nicht, daß dies nur möglich ist, wenn die Erscheinungen gewissen einschränkenden Bedingungen unterliegen. Die Lage wäre günstiger, wenn Kant hätte zeigen können, daß wir unsere Vorstellungen nach bestimmen Begriffen oder Regeln verbinden müssen, um sie zur Einheit der Apperzeption zu bringen, und dann gezeigt hätte, daß dies nur möglich ist, wenn die Erscheinungen bestimmten einschränkenden Bedingungen unterliegen. Dazu wäre es wohl nötig gewesen, auf die einzelnen Kate gorien näher einzugehen und 1. zu zeigen, daß zumindest einige von ihnen not- _

KantsArgurrrentatimirr der A-Dedulnion

243

wendig sind, und 2. daß eine Verbindung nach solchen Kategorien nur möglich ist, wenn die Erscheinungen gewissen allgemeinen, einschränkenden Bedin— gungen genügen. Stattdessen hat Kant in der A—Deduktion versucht, im allgemeinen zu zeigen, daß wir unsere Vorstellungen nach Begriffen von notwendigen Verbindungen synthetisieren können. Diese Begriffe sollten dann mit den Kategorien identifiziert werden. Dieser Versuch muß als gescheitert angesehen werden, da sich aus Kants Argumenten bestenfalls folgem läßt, daß wir unsere

Vorstellungen notwendigerweise verbinden müssen, nicht aber, daß sie nach Begriffen von notwendigen Verbindungen syntlretisierbar sein müssen. Dieses Ergebnis soll nun noch durch einen kritischen Blick auf Henrichs Versuch einer Rekonstruktion der Herleitung der Gesetzesthese aus der Einheit der Apperzeplion bestätigt werden.

1.3. Henrichs Rekonstruktion

Im zweiten Hauptteil seiner Untersuchung Identität und Objektivität stellt sich Henrich die Aufgabe, "Kants Analyse des Selbstbewußts'eins so zu entfalten, daß sich aus ihm die Folgerung gewinnen läßt, alles Denken von Objekten stehe notwendig und somit von Beginn an unter der Voraussetzung, daß allgemeine Regeln eine Verbindung aller Objekte untereinander garantieren" (Henrich (1976) S. 53). Henrich versucht dann zu zeigen, daß eine ganze Reihe von Argumenten, die sich in Kants Texten finden, ungeeignet sind, diesen Beweis—

anspruch einzulöSen, um dann ausgehend von der Identität des Selbstbewußtseins eine "erfolgreiche Deduktion" zu rekonstmieren (Henrich (1976) S. 94). Hour-ich erhebt mit dieser Rekonstruktion nicht den Anspnrch, ein Argument zu präsentieren, das sich in eben dieser Form bei Kant selbst findet. Diese Argu— mentation sei zwar in Kants Text “indiziert", aber nirgends von Kant selbst hin— reichend deutlich ausgearbeitet worden. Ihre Rechtfertigung könne sie daher allein daraus ziehen, daß sie "[i]m Gesamtzusarnmenhang der Theoreme der Kritik [...] unabweisbar, und gegenüber der in Kants Ansicht von der Problemlage dominanten Argumentation [...] den Vorzug größerer Einsichtiglreit" besitzt (Henrich (1976) S. 54f.). Henrich entwickelt daher seinen Deduktionsvor— schlag auch in gehörigem Abstand zu Kants Text. Ich werde mich nach einer kurzen Darstellung der Argumentation auch ausschließlich auf die Frage der

sachlichen Überzeugungskraft des Arguments beschränken. Ich beginne mit einem Überblick über die Hauptschritte des Arguments und bediene mich dabei Henrichs eigener Formulierungen. Es läßt sich in die fol— gende Schritte mrlegen:

Selbstbewußtser'n, Objektivität und Gesetunäßigkeit in der tr. Deduktion

(l)

"Das Subjekt [hat] von sich Kenntnis in cartesianischer Gewißheit"

(S. 86);

(2)

"in dieser Gewißheit [ist] die Kenntnis von seiner numerischen Iden- _ tität eingeschlossen“ (S. 86);

(3)

"alles, was der Gedanke von numerischer Identität notwendig impli-

(4)

"Nun impliziert die Identität eine Sequenz von Zuständen desselben

ziert, so daß es dessen Bedeutung ausmacht, [ist] in der Kenntnis a priori, die das Subjekt von sich hat, mit bekannt" (8. 86).

Subjekts. Nur im Übergang von Zustand zu Zustand kann das Subjekt überhaupt dasselbe sein; nur in Beziehung auf ihn kann es sich als dasselbe erfassen" (S. 86).

(5)

"folgt, daß das Subjekt, aller Erfahrung voraus, eine Kenntnis davon haben muß, was es für es heißt, von Vorstellungszustand zu Vorstel— lungszustand überzugehen" (S. 86).

(6)

"Nun ist es aber unmöglich, ein Übergehen überhaupt zu denken,

ohne zugleich eine Art und Weise zu denke , in der dieses Überge—_ ‚ hen erfolgt" (S. 87).

(7)

"Darum muß der Gedanke von der Identität des Subjektes, sofern er ein Gedanke von seiner Identität im Übergang von Zustand zu Zu—

stand ist, zugleich auch der Gedanke von bestimmten W e i s e n

des Übergangs sein" (S. 88).

(8)

Diese Weisen des Übergangs "miissen konstant sein, weil sie nur so geeignet sind, das jederzeit mögliche Wissen von der Identität des Subjekts unabhängig von aller Erfahrung und somit in unbedingter ' Allgemeinheit möglich zu machen" (S. 88).

(9)

"Eine Weise des Übergangs zu definieren heißt die Bedingungen angeben, nach denen ein Zustand durch einen anderen ersetzt wird" (S. 89).

(10)

"Es heißt weiterhin auch zu bestimmen, welche Zustände in Bezie-

hung auf welche Zustände eintreten können" (S. 89).

(11) (12)

"Wissen von den konstanten Bedingungen des Übergangs [kann] als ein Wissen von R e g e ln" interpretiert werden (S. 89). "Die Regel für die Abfolge von Vorstellungszuständen ist [...] zugleich eine Regel für den möglichen Auftritt von Vorstellungsinhalten" (Henrich (1976) S. 90).

Kanu ArgumentationinderA-Deduktion

245

Damit haben wir ein Argument, in dem, ausgehend von einer Prämisse über die Identität des Selbstbewußtseins‚ gezeigt werden soll, daß unsere Vorstellun-

gen hinsichtlich ihrer Inhalte gewissen allgemeinen (a priori erkennbaren) einschränkenden Bedingungen unterliegen,18 d.h. wir haben es mit einer Begrün-

dung einer Gesetzesthese aus der Selbstbewußtseinseinheit zu tun. Es ist nun zu überprüfen, ob dieses Argument wirklich eine "erfolgreiche Deduktion" darstellt, als die es uns von Henrich anempfohlen wird. Bevor man sich einer solchen Prüfung eines Argumentes zuwendet, würde man natürlich zunächst einmal gerne wissen, was mit ihm genau gezeigt wer— den soll. Aber Henrich gibt (anders als Kant) keine nähere Aufklärung darüber, worin diese Regeln, unter denen unsere Vorstellungen stehen müssen, wenn das

Bewußtsein der Identität unserer selbst möglich sein soll, im einzelnen bestehen. Ja, er behauptet später sogar, daß sich "Auskunft darüber, welches die Re— geln sind, die den Zusammenhang unserer Synthesis wirklich bestimmen [...], aus selbständigen Prämissen gewinnen" lassen müsse (Henrich (1976) S. 105, vgl. S. 108ff.). Zwar versucht Henrich (S. 108ft), die Identifizierung der fiir die Identität des Selbstbewußtseins erforderlichen Regeln mit den Urteilsformen ‚ plausibel zu machen; er gesteht aber zu, daß die Spezifikation dieser Regeln als Urteilsforrnen "nicht geradezu bewiesen werden [kann]" (Henrich (1976) . S. 109). Wir müssen uns also mit einem Argument für die These, daß es irgendwelche Regeln der Synthesis gibt, die unsere Vorstellungen ihrem Inhalt nach (im oben erläuterten Sinn) einschränkenden Bedingungen unterwerfen, zufriedengeben. Allerdings muß dieses Eingeständnis Henrichs, daß sich die Regeln nicht eindeutig spezifizieren lassen, zwar nicht der Sache nach, wohl aber im Blick auf sein Argument, überraschen. Denn Henrich legt ja besonderen Wert darauf, daß das Subjekt von seiner Identität und allem. was analytisch dazugehört. "cartesianische Kenntnis" haben soll. Denn es soll sich daraus ergeben. daß wir von den "Weisen des Übergangs" ebenfalls "cartesianische Gewißheit" haben. Henrich geht sogar so weit, den Reiturs auf die Gewißheit a priori zum

Kriterium fiir eine erfolgreiche Rekonstruktion der Deduktion zu erklären

(Henrich (1976) S. 83f.). Das geschieht nicht ohne Grund: Denn wenn wir nur

sicher sein könnten, daß es Regeln geben muß, die die Identität des Subjekts im

“ Das heißt natürlich nicht. daß wir ein Wissen . priori von den konkreten Inhalten unserer Vorstellungen haben. Wie Kant selbst ist natürlich audi Henrich nicht der Meinung. daß wir von den besonderen Naturgesetzen apriorische Kenntnis haben. Es wird lediglich bdtauptet, daß die a priori erkennbaren Regeln den Spielraum möglicher Kombinationen vcn Inhalten einschränken. d.h. solche Regeln legen fest, daß. wenn Vorstellungsinhalte einer bestimmten Art auftreten, Vorstellungsinhalte anderer Art ausgeschlossen sind. Aber sie sagen nichts Bestimmtes darüber aus, welche Vorstelltmgsinhalte wirklich auftreten.

246

Selbstbewußtsein. Objektivität und Gesetanäßiglteitin der u. Deduktion

Übergang von einer Vorstellung zur anderen garantieren, ist nicht auszuschließen, daß es sich dabei um empirische Regeln handelt. Sind aber die Re‘geln "in der Kenntnis a priori, die das Subjekt hat, mit bekannt" (Henrieh (1976) S. 86), so müssen es Regeln a priori sein. Aber wenn all dies zutrifft, dann stellt sich die Frage,. warum sich die Regeln nicht "mit cartesianischer Gewißheit" angeben lassen. Diese simple Überlegung nährt bereits Zweifel an der Tauglichkeit von Henrichs Argument zugunsten der These, daß es Regeln a priori geben muß, denen alle unsere Vorstellungen unterworfen sein müssen, wenn das Bewußtsein der Identität des Subjekts möglich sein soll. Wir haben nun zu sehen, ob sich dieser Zweifel zur

- wenn auch vielleicht nicht cartesianischen — Gewißheit der Untauglichkeit des

Argumentes verdichten läßt. Die Kempunkte sind die Thesen (6), (8), (9) und (10). Die These (6) besagte ja, daß das Bewußtsein, das das Subjekt von seiner numerischen Identität be— sitzt, nur möglich ist, wenn in dieses Bewußtsein der Gedanke von bestimmten Weisen des Übergangs eingeht, während die Thesen (S)-(10) nähere Bestimmungen dieser Weisen des Übergangs, von denen Kenntnis a priori möglich sein soll, geben. Aber bereits die These, daß wir bestimmte Übergangsweisen a priori erken- . nen müssen, ergibt sich keineswegs zwingend aus Henrichs Argument. Zunächst einmal ist nicht recht klar, worin die in (2) dem Subjekt zugeschriebene "Kenntnis von seiner numerischen Identität" bestehen soll. Wenn es sich lediglich um das Wissen handelt, daß ich derselbe in allen meinen Vorstellungszuständen bin, dann bestünde es nur in dem Wissen eines allgemeinen Satzes (der zudem bloß analytisch zu sein scheint). Es könnte sich aber auch um eine Kenntnis von mir als dem identischen Subjekt verschiedener gegebener Vorstellungszustände handeln.19 Nun ist zu beachten, daß die These (2), wenn man sie in dem ersten, schwächeren Sinne versteht, bestenfalls impliziert, daß wir a priori wissen können, daß wir auf irgendwelche Weisen von einem Bewußtseinszustand zum anderen übergehen. Um diesen Gedanken zu denken, ist es aber nicht erforderlich, die Übergangsweisen zu kennen, d.h. zu wissen, um

welche Übergangsweisen es sich dabei handelt. Ich muß lediglich denken, daß es irgendwelche Übergangsweisen gibt, aber ich muß sie nicht (und allemal nicht a priori) kennen. Aus dieser schwächeren Lesart von Prämisse (2) folgt

also nicht (6).

'

19 Ich kann wissen, daß der Morgenstern der Abendstem ist, ohne Kenntnis von ihm zu haben (ohne ihn je gesehen zu haben) und ich kann wissen, daß der Morgenstern der Abendstem ist, ohne von ihm in mterschiedlichen Gegebenheitsweis- (als Morgenstern einersdts und als Abendstem andererseits) m wissen, daß es sich dabei um dasselbe Objekt handelt.

Kerns ArgumentatiminderA-Deduktion

247

Wie steht es mit der stärkeren Lesart von (2)? Ztmächst einmal ist es alles

andere als klar, worin dieses Wissen in diesem Fall bestehen soll, und erst recht ist nicht wirklich klar, ob in bezug auf dieses Wissen Gewißheit b%nsprucht werden kann. Wenn ich z.B. von einer Person A, die ich gestern gesehen habe, Kenntnis als derselben habe, die ich heute sehe (d.h. wenn ich sie als dieselbe wiedererkenne), so muß sich dieses Wissen letztlich auf ein Wissen von der Identität dieser Person ”im Übergang' von dem gestrigen zum heutigen Zustand gründen. Und diese Kenntnis von dem Übergehen der Person von dem einen zum anderen Zustand ist letztlich nicht möglich, ohne daß jemand direkte

Kenntnis von dem Übergang hat. Aber dieses Wissen kann gar nicht unabhängig von der Erkenntnis des wirklichen Übergehens zustandekommen. Angewandt auf den Fall der Kenntnis, die das Subjekt von sich selbst hat, hieße das aber, daß die Kenntnis von sich als dem identischen Subjekt verschiedener sei—

ner Zustände bereits den Vollzug und das Bewußtsein des aktuellen Übergangs voraussetzt. Und dieses Wissen kann sicherlich nicht a priori dem konkreten

Übergang vorausgehen. Eine andere gravierende Schwierigkeit für Henrichs Argument betrifft die Begründung der Thesen (9) und (10). Selbst wenn wir zugestehen, daß aus dem

a priori gewissen Bewußtsein von der Identität des Subjekts folgt, daß es über ein Wissen a priori von den Weisen des Übergangs verfiigen muß, so folgt” dar— aus noch nicht, daß diese Übergangsweisen die möglichen Vorstellungsinhalte eines Subjekts einschränkenden Bedingungen unterwerfen. Wieso sollte es nicht möglich sein, von einem beliebigen Vorstellungsinhalt zu einem anderen

beliebigen Vorstellungsinhalt überzugehen? Warum soll die Weise des Übergangs nicht einfach in der zeitlichen Aufeinanderfolge von Vorstellungszustän— den bestehen? Diesem Einwand, daß die "Temporalität des Bewußtseins [...] hinreichende

Basis für den Gedanken von seinem identischen Subjekt" (Henrich (1976) S. 89) sein könnte, hält Henrich zweierlei entgegen: zum einen, daß die Zeitfol— ge selber ein Bedingungsverhältnis sei;20 zum anderen müsse man "mit der Kantischen Position [..] rechnen, daß die Zeitfolge keine Implikation des Identitätssinnes des Subjekts ist" (Henrich (1976) S. 89).

Keiner dieser beiden Hinweise scheint mir geeignet, das Argument zu retten. Denn selbst wenn man die These von der Zeitfolge als Bedingungsverhältnis zugesteht (was immer damit genau gemeint sein mag), so ist nicht zu sehen, wieso dies dazu fiihren soll, daß die "Regel für die Abfolge von Vorstellungs-

2“ Diese Ansicht hatte ja - wie wir bei der Diskussion des synthetischen Argumentes im dritten Kapitel gesehen haben - auch Kant vertreten.

248

Selbstbewußtsein.0bjektivitiit und Gesetzmißigkeitinder u. Deduktion

zuständen [...] zugleich eine Regel fiir den möglichen Auftritt von Vorstellungsinhalten" sein soll (Henrich (1976) S. 90). Mit seinem zweiten Hinweis scheint mir Henrich dagegen indirekt unseren oben bereits im allgemeinen vorgetragenen Einwand zu bestätigen: Es ist eben möglich, ein Übergehen zu den- ' ken, ohne genaueres über die Art und Weise des Übergangs zu wissen. So wie Kant und Henrich in der Lage sind, eine Mannigfaltigkeit von Vorstellungen als Vorstellungen eines identischen Subjekts zu denken, ohne dabei auch schon zu denken, daß diese Vorstellungen in zeitlichen Beziehungen gegeben sind, ebenso kann man auch an Weisen des Übergangs denken, ohne die Regeln zu

kennen, die für den Übergang verantwortlich sein mögen.21

__

Henrichs Argument ist daher ebensowenig wie Kants entsprechende Uberlegungen geeignet, die besondere Schwierigkeit, die mit der transzendentalen Deduktion verbunden ist, zu lösen. Diese Schwierigkeit bestand für Kant darin, wie verständlich gemacht werden kann, daß Erscheinungen "den Bedingungen,

deren der Verstand zur synthetischen Einheit22 des Denkens bedarf, gemäß sein müssen" (A 90/B 123). Daß Kant hier meint, daß die Vorstellungen ihrem Inhalt nach unter einschränkenden Bedingungen stehen müssen, ergibt sich ganz klar aus der Erläuterung, die er wenige Zeilen zuvor am Beispiel der Kausalitätskategorie gibt: "Ich nehme z.B. den Begriff der Ursache, welcher eine besondere Art der Synthesis

bedeutet, da auf etwas A was ganz verschiedenes B nach einer Regel gesetzt wird. Es ist a priori nicht klar, warum Erscheinungen etwas der gleichen enthalten sollten [...] und es ist daher a priori zweifelhaft, ob ein solcha Begriff nicht etwa gar leer sei und überall unter den Erscheinungen keinen Gegenstand antreffe" (A 9OIB 122).

Nun beansprucht Henrich zwar nicht, die Geltung genau der Regeln bewei— sen zu können, die Kant ableiten wollte. Aber es dürfte doch klar sein, daß der Beweis der Geltung von Regeln des Übergangs, die gar keine einschränkenden Bedingungen für die Vorstellungsinhalte enthalten, kaum als Rekonstruktion von Kants Beweisprogramm gelten kann. Jedenfalls würde eine Deduktion, die lediglich dieses schwache Ergebnis hätte, im Rahmen der tms interessierenden Frage nach der Möglichkeit einer Begründung allgemeiner Naturgesetze jedes Interesse verlieren.

21 Zu einer ähnlichen Einschätzung von Henrichs Argument, wenn auch aufgrund einer leicht . abweichenden Begründung, gelangt Hinsch (1986) S. 36ff..

22 Im Tm steht "Einsicht". Ich übernehme die Korrektur von v. Leclarr.

Der erste Teil der B-Deduktion

249

2. Der erste Teil der B—Dedukrion

Es hat sich gezeigt, daß auch die Strategie der Deduktivisten gescheitert ist. Kants eigene Argumente, die dieser Strategie zu folgen scheinen, wiesen an entscheidender Stelle eine gravierende Lücke auf; und der Rekonstruktionsver— such von Henrich führt - wenn man von den Schwierigkeiten im Detail einmal absieht - zu viel zu unspezifischen Ergebnissen. Es bleibt noch zu zeigen, daß dasselbe Ergebnis auch fiir Kants B-Deduktion gilt, wenn man sie gemäß der deduktivistischen Lesart interpretiert. Aus den im ersten Kapitel bereits ge— nannten Gründen ist dazu zunächst der erste Teil der B-Deduktion (55 15—20) zu untersuchen.

2.1. Die Suche nach dem Grund der Einheit (& IS) 5 15 bildet eigentlich nur die Überleitung zum eigentlichen Beweisgang,

der mit 5 16 beginnt. In diesem einleitenden Paragraphen präsentiert uns Kant erneut seine These, daß das Mannigfaltige als solches noch keine Verbindung enthält: "die Verbindung (conjunctio) eines Mannigfaltigen überhaupt, kann niemals durch Sinne in uns kommen", sie beruht vielmehrauf einer "Verstan— deshandlung, die wir mit der allgemeinen Benennung S y n t h e s i s belegen" (B 130). Im Gegensatz zu den entsprechenden Passagen aus der A-Deduktion macht Kant hier allerdings gleich klar, daß er dabei an die objektive Verhüt— dung denkt Denn er will mit diesen Äußerungen "bemerklich [...] machen, daß wir uns nichts, als im Objekt verbunden, vorstellen können, ohne es vorher

selbst verbunden zu haben, und unter allen Vorstellungen die V e r b i n d u n g die einzige ist, die nicht durch Objekte gegeben, sondern nur vom Sub— jekte selbst verrichtet werden kann" (B 130). Natürlich ist auch diese Bemer-

kung solange noch nicht eindeutig genug, als wir nicht wissen, was genau unter einer Verbindung 'im Objekt' zu verstehen ist. Immerhin ist aber der weite Spielraum, der der Interpretation der entsprechenden Äußerungen in A offen» stand, deutlich eingeschränkt. Diese Behauptung Kants ist dann akzeptabel, wenn wir sie so verstehen, daß damit eine objektive epistemische Unterbestimmtheit der gegebenen Vorstellungen zum Ausdruck gebracht werden soll. Denn wenn wir auf der Basis unserer Vorstellungen eine objektive Wirklichkeit erkennen wollen, müssen wir die einzelnen gegebenen Vorstellungen unter Rückgriff auf andere Vorstellungen interpretieren. Dies ist aber nur möglich, wenn wir sie nach bestimmten 'Interpretationsregeln' aufeinander beziehen. So haben wir im dritten Kapitel

250

Selbstbewußtsein‚0bjektivitit und Gesetzmißigkcitinder tr. Deduktiou

am Beispiel, der Gestaltprädikate gesehen, daß eine einzelne Wahrnehmung nicht ausreicht. um einem empirischen Objekt im Raum objektive Eigenschaften zuzusprechen.

Im zweiten und letzten Absatz analysiert Kant den Begriff der Verbindung genauer:

.

"Aber der Begriff der Verbindung führt außer dem Begriffe des Marmigfalligflfl. und der Synthesis desselben, noch den da Einheit desselben bei sich. Verbindung ist Vorstellung der s y n t h e t i s c h e n Einheit des Marmigfaltigen" (B 130f.).

Unmittelbar darauf folgt eine überraschende Behauptung, mit der Kant den

Übergang zur Selbstbewußtseinsanalyse des 5 16 rechtfertigen will: "Die Vorstellung dieser Einheit kann also nicht aus der Verbindung entstehen. sie

macht vielmehr dadurch. daß sie zur Vorstellung des Mannigfaltigen hinzukornmt. den Begriff der Verbindung allererst möglich" (B 131).

Diese Bemerkung ist aus zwei Gründen merkwürdig: Die Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen, von der nun behauptet wird, daß sie nicht aus der Verbindung entstehen könne, war im vorigen Satz gerade mit der

Verbindung identifiziert werden; aber es ist doch kaum anzunehmen, daß Kant uns hier lediglich mitteilen will, daß die Verbindung nicht aus sich selbst entsteht. Andererseits kann Kant aber kaum bestreiten wollen, daß die Einheit aus

der Verbindung entsteht. Denn was soll man sich unter einer synthetischen Ein— heit vorstellen, wenn es sich dabei nicht um eine Einheit handeln soll, die durch Synthesis entsteht?

Ich habe in der Kommentarliteratur keine befriedigende Auflösung dieser Schwierigkeit finden können. Eine glatte, aber etwas radikale Lösung wäre dann möglich, wenn wir annehmen könnten, daß es sich hier um ein Versehen handelt: Denn wenn wir statt "Verbindung" "Mannigfaltiges" einsetzen, ergibt sich nicht nur ein ganz klarer Sinn; auch die dialektische Struktur des Satzes würde damit verständlich: Die Verbindung entsteht nicht aus dem Mannigfaltigen, sondern kommt erst dadurch zustande, daß zu dem Mannigfaltigen die Vorstellung der Einheit 'hinzukommt'. Wenn man diese Lesart unterstellt (und ich weiß nicht, wie man den Text

sonst verstehen soll), so ergibt sich auch aus den folgenden Ausfiihrungen ein klarer Sinn. Wenn nämlich die Vorstellung der Einheit nicht gegeben ist, so muß ihr rUrsprung' in einem anderen Erkenntnisvermögen gesucht werden. Die Frage ist dann: Woher kommen wir zu den Einheitsbegriffen, wenn wir sie nicht dem Gegebenen entnehmen können. Nun sind zwar die Kategorien 'Be- , griffe der Verbindung'. Da in ihnen aber bereits "Einheit gegebener Begriffe gedacht" wird, "müssen wir diese Einheit [...] noch höher suchen”, und da sich "alle Kategorien [...] auf logische Funktionen in Urteilen" gründen, müssen wir.

Der erste Teil der B-Deduktion

251

diese Einheit "in demjenigen [suchen], was selbst den Grund der Einheit ver—

schiedener Begriffe in Urteilen, mithin der Möglichkeit des Verstandes, sogar

in seinem logischen Gebrauche, enthält" (B 131). Es ist daher zu vermuten, daß es Kant zunächst darum geht, den "Gmnd [...] der Möglichkeit des Verstandes, sogar in seinem logischen Gebrauche" (B 13.1) aufzusuchen, um daraus die Möglichkeit von Begriffen der synthetischen Einheit zu erklären. Wenn diese Vermutung zutrifft, dann ist zu erwarten, daß sich Kant zunächst mit der Frage befaßt, wie überhaupt reine Begriffe von Gegen—

ständen möglich sind. Es ist also zu zeigen, daß die Kategorien nicht bloße

Verbindungsformen, sondern Begriffe von Gegenständen sind. Daß es Kant im folgenden primär um diese Frage geht, wird weiter bestätigt, wenn man die Überschriften der folgenden Paragraphen betrachtet: In 5 16 handelt Kant "Von

der ursprünglich—synthetischen Einheit der Appemeption" und von dem "Grundsatz" dieser synthetischen Einheit der Apperzeption wird in 5 17 be— hauptet, daß er "das oberste Prinzip alles Verstandesgebrauchs" sei. In 5 18 legt sich Kant dann die Frage vor "Was objektive Einheit des Selbstbewußtseins sei". Diese wird dann im folgenden & 19 mit der "logische[n] Form aller Urtei—

le" identifiziert. Auf dieser Basis können schließlich die Kategorien — aufgrund ihres Zusammenhangs mit den Urteilsfunktionen - als Begriffe, die solche ob—

jektive Einheiten ausdrücken, also als Begriffe von Gegenständen, eingeführt werden. Wenn sich diese Vermutungen über den folgenden Argumentationsverlauf

bestätigen sollten,dann sind Zweifel an der Standardinterpretation der B—De— duktion angebracht. Denn dann geht es im ersten Teil der B-Deduktion (noch) gar nicht um die Frage, ob den Kategorien wirkliche Gegenstände entsprechen, sondern zunächst allein darum, ob sie überhaupt Begriffe von Gegenständen sind. Wir wollen nun die Argumentation in den 55 16-20 im einzelnen betrach— ten.

2.2. Das Argument in den 55 16 — 20 Kant eröffnet den eigentlichen Beweisgang mit der Behauptung, daß das " I c h d e n k e [...] alle meine Vorstellungen [muß] begleiten k 6 n n e n " (B 131); und wenig später heißt es, daß diese "Vorstellung I c h d e n k e [...] in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist" (B 132). Die Einheit, die alle meine Vorstellungen dadurch haben, daß sie allesamt diese "notwendige Beziehung auf das: Ich denke" haben, nennt Kant die analytische Einheit der Apperzeption. Der erste wichtige Beweisschritt besteht in dem Nachweis, daß "die

252

Selbstbewußtsein, Objektivität und Gesetnnäßigkeit in der tr. Deduktion

a n a l y t i s c h e Einheit der Apperzeption [...] nur unter der Voraussetzung irgendeiner s y n t h e t i s c h e n möglic " ist (B 133). Diese synthetische Einheit besteht darin, "daß ich eine [Vorstellung] zu der anderen h i n z u s e t z e und mir der Synthesis derselben bewußt bin" (B 133). Im nächsten wichti-‘ gen Schritt (éä 17/18) identifiziert Kant die synthetische Einheit als objektive Einheit: "Die t r a u s z e n d e n t a l e E i n h e i t der Appemeption ist diejenige, durch welche alles in einer Anschauung gegebene Mannigfaltige in einem Begriff vom Objekt vereinigt wird. Sie heißt darum o b j e k t i v " (B 139). Daran schließt sich im dritten Hauptschritt (5 19) die "Erklärung" des Urteils an, wonach dieses "nichts anderes sei, als die Art, gegebene Erkennmisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen" (B 141). Unter Ausnutzung des in der metaphysischen Deduktion erörterten Zusammenhangs zwischen Ur— teilsfunktionen und Kategorien, wonach letztere “nichts anderes [sind], als eben diese Funktionen zu urteilen, sofern das Mannigt'altige einer gegebenen Anschauung in Ansehung ihrer bestimmt ist" (B 143), schließt Kant (& 20): "Alle sinnlichen Anschauungen stehen unter den Kategorien, als Bedingungen, unter denen allein das Mannigfaltige derselben in ein Bewußtsein zusammenkommen kann" (B 143). Ich will die wichtigsten Schritte nun kurz erläutern und dabei zeigen, daß sich auf der Basis der Argumente, die Kant in den 55 16-20 präsentiert, keine überzeugende starke Deduktion entwickeln läßt.

2.2.1. Die Einheit des Selbstbewußtseins ”Das: 1 c h d e n k e , muß alle meine Vorstellungen begleiten k (3 n n e n " (B 131). Dies ist die erste wichtige These im eigentlichen Beweisgang der BDeduktion. Aber was genau will Kant damit sagen? Was heißt es, daß das "Ich

denke" eine Vorstellung "begleitet"? Kants These wird gewöhnlich in folgender Weise interpretiert: (1)

Von jeder Vorstellung, die ich habe, muß ich wissen können, daß ich sie habe.

Für diese Interpretation spricht z.B. Kants Bemerkung, daß "der Begriff, oder, wenn man lieber will, das Urteil: I c h d e n k e " nur dazu dient, "alles Denken, als zum Bewußtsein gehörig, ard'zrführen" (A 341f./B 399f.). Und in

einem 1789 verfaßten Brief an Herz. merkt Kant an, daß ich von solchen Vorstellungen, die nicht "einmal zu derjenigen Einheit des Bewußtseyns gelangen, die zum Erkenntnis meiner selbst [...] erforderlich ist [,..] nicht einmal [würde] wissen können, daß ich sie habe" (AA XI S. 52).

Dererste TeilderB-Dednktion

253

Ich habe bereits im zweiten Kapitel (1.1.) darauf hingewiesen, daß diese

Lesart nicht unproblematisch ist. Es ist nämlich fraglich, ob Kant wirklich von allen meinen Vorstellungen behaupten kann, daß sie vom ‘Ich denke' begleitet werden können müssen. Aber wir müssen zunächst davon ausgehen, daß Kant in 5 16 diese starke Behauptung aufstellt. Was er allerdings zu ihrer Begründung anführt, scheint die These in dieser starken Form kaum zu rechtfertigen. Die Begründung besteht in nicht mehr als der Feststellung: "sonst würde etwas in mir vorgestellt werden, was gar nicht gedacht werden könnte, welches ebensoviel heißt, als die Vorstelhmg wurde entweder unmöglich. oder wenigstens für mich nichts sein" (B l3lf.).

Selbst wenn wir Kant diese These schenken, folgt natürlich nicht, daß alle meine Vorstellungen von dem 'Ich denke' begleitbar sein müssen. Es folgt nur, daß diejenigen Vorstellungen, die 'etwas für mich sind', vom 'Ich denke' begleitet werden können. Aber auch dieses schwächere Ergebnis ist nicht unproble— matisch. Mit Blick auf Kants Behauptung, daß Tiere kein Selbstbewußtsein haben. bemerkt Bennett: "there seem to be no good reasons for saying that a dog's visual field, say, is 'nothing to' the dog, or in general for saying that where there must be consciousness there is

self-consciousness."

-

Aber Bennett fährt fort:

"Nevertheless, Kants insistence upon self-consciousness is well grounded. He hopes to establish a pfiori truths of the form Whatever our experience turns out to be like.

it must always have such and such features'; his aim is to show of some kinds of ex—

perience which are not obviously irnpossible that they are unobviously irnpossible. His strategy, then, must be to start with the class of not obviously impossible kinds of experience. i.e. kinds which one can at least p r i m a f a c i e suppose oneself to

have. and to thin it out. He cart ignore from the outset any kind of experience which

we cannot envisage ourselves as having because nothing could count as knowing that one's experience was of that kind. Now. the only states of awareness which I can regard as 'possibly mine', in the sense that I could have them and know that I had them, are ones which include an awareness of myself, an ability to have the

thought that T h i s i s h o w i t i s w i t h m e n o w . 'l‘herefore. although consciousness does not irnply self-consciousness, the letter must accompany any con-

scious states which are to fall within the ambit of Kants inquiry, for that inquiry excludes states which one could not know oneself to be in and which therefore cannot intelligibly be made a subject for speculatiort" (Bennett (1966) S. 105).

Bennett meint also, daß Kants Behauptung zwar abgeschwächt werden

muß, daß dies aber auch ohne Schaden möglich ist. Wir haben bereits im zweiten Kapitel (S. 65fl’.) gesehen daß Kant selbst an dieser starken Version seiner These nicht immer festgehalten hat. Die stärkste Abschwächung der Behaup-

Selbstbewußtsein, Objektivität und Geletunlßigkttit in der tr. Deduktion

254

tung fanden wir in dem Brief an Herz vom 26. Mai 1789. Dort hatte Kant nur behauptet, daß dann, wenn die "data der Sinne" nicht zur Einheit des Bewußtseins gebracht werden können, “sie für mich. als erkennendes Wesen, schlechterdings nichts seyn, wobey sie (wenn 4

ich mich in Gedanken zum Thier mache) als Vorstellungen. ‚die nach einem empirischen Gesetze der Association verbunden wären und so auch auf Gefühl und Begeh— rungsvermögen Einflus haben würden, in mit, meines Daseyns imbewltst. [...] immer hin ihr Spiel regelmäßig treiben können, ohne daß ich dadurch im mindesten etwas, auch nicht einmal diesen meinen Zustand, erkennete“ (AA XI S. 52).

Diese Stelle ist deshalb von Interesse, weil Kant seine Behauptung aus 5 16 in Bennetts Sinn zurückzunehmen scheint: Vorstellungen, die nicht zur Einheit des Selbstbewußtseins gebracht werden können, wären deshalb noch nicht un-

möglich, sondern würden nur “für mich, als erkennendes Wesen, schlechterdings nichts sein". Anstelle von (1) hätten wir dann:

(I“)

Ich muß von all denjenigen Vorstellungen, die für mich als erkennendes Wesen eine Rolle spielen können, wissen können, daß ich sie ‚ habe.

(1‘) scheint trivial zu sein, da es äquivalent mit der Behauptung ist, daß alle Vorstellungen, von denen ich nicht wissen kann, daß ich sie habe, auch für mich als erkennendes Wesen irrelevant sind. Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Es ist sicherlich richtig, daß wir uns um all diejenigen Vorstellungen, von denen wir prinzipiell nichts wissen können, auch nicht kümmern müssen (wie sollten wir auch), wenn es um die Frage geht, ob sich unsere Vorstellungen als Vorstellungen einer objektiven Wirklichkeit interpretieren lassen. Aber es ist nicht ebenso klar, ob deshalb von all unseren epistemisch relevanten Vorstellungen unmittelbarer Selbstbewußtsein möglich sei. Warum sollte es nicht z.B. möglich sein, daß ich mittelbar (z. B. aufgrund von Beobachtungen meines Verhaltens oder Messungen meiner Gehirnaktivität) vom Auftreten von Vorstellungen wissen kann, von denen ich (aus welchen Grün-

den auch immer) prinzipiell kein unmittelbares Bewußtsein haben kann? Wenn wir aber Kerns metaphorische Rede vom 'Begleiten' der Ich—denke-Vorstellung im Sinne der Selbstzuschreibung dieser Vorstellung verstehen, dann ist dies sicherlich im Sinne unmittelbarer Selbstzuschreibung zu verstehen. Bennetts Argument weist gerade an dieser Stelle eine Lücke auf, denn er geht einfach davon aus, daß die Menge derjenigen Vorstellungen, von denen ich wissen kann, daß ich sie habe, mit der Menge der Vorstelhmgen, von denen ich ein unmittelbares Selbstbewußtsein ("This is how it is with me now") haben kann, zusammenfällt. Dies ist aber keineswegs selbstverständlich. So wirft .

Der erste Teil der B—Deduktion

255

P. Guyer Kant vor, daß seine These, daß alles Bewußtsein (mögliches) Selbst—

bewußtsein sei, sich daraus herleite, daß er vom Bewußtsein nur aus der Perspektive der ersten Person rede: "the error I am attn'buting to him can be made obvious by distinguishing between first- and third-person ascn'ptions of consciousness. It does seem indisputable that whichever of one's own states one can recognize as states of consciousncss must‘also involve self-oonsciousness, for to rwognize one's state as conscious [...] first requires recognizing it as one's own state. But from this it does not follow that one could not have a state of consciousness without being able to ascribe it to onoself [...]. There mightbe cases [...] in which other persons could truly ascribe ermsciousness to one without one being able to ch so oneselt" (Guyer (1980) S. 210).

In derselben Weise kann dann natürlich auch die betroffene Person selber wenngleich nur indirekt - von diesen Bewußtseinszuständen wissen. Guyer hat sicherlich recht, wenn er mentale Zustände zulassen will, von denen wir zwar mittelbar, aber nicht unmittelbar wissen können, daß wir sie haben. Andererseits glaube ich nicht, daß diese Möglichkeit ein ernsthaftes Problem für Kant entstehen läßt. Denn Kant kann diese Möglichkeit einräumen, ohne seine These zurückzunehmen, daß die unmittelbare Selbstzuschreibung grundlegend ist. Die mittelbare Zuschreibung von mentalen Zuständen (2.3. aus der Perspektive der dritten Person) kann nämlich letztlich nur auf der Basis

von Korrelationen zwischen unmittelbar bewußten Zuständen und ihren äuße-

ren Manifestationen gerechtfertigt werden. Dieses Verfahren setzt aber bereits voraus, daß wir auf der Basis unserer unmittelbar gegebenen Vorstellungen zu

einer Erkenntnis einer objektiven Wirklichkeit gekommen sind. Da die niittelbaren Zuschreibungen somit auf objektiven gesetzmäßigen Zusammenhängen beruhen, können sie auch nicht in Konflikt mit dem Bild der objektiven Wirklichkeit geraten, das wir zuvor auf der Basis der unmittelbar gegebenen Vor— stellungen entwickelt haben. Kant ist daher berechtigt, die Menge der 'epistemisch relevanten' Vorstellungen mit der Menge der Vorstellungen zu identifizieren, von denen ein unmittelbares Selbstbewußtsein möglich ist. Wir können also Kants erste These in der folgenden abgeschwächten Form akzeptieren: (I“) Die Menge der epistemisch relevanten Vorstellungen fällt mit der Menge derjenigen Vorstellungen zusammen, von denen wir unmittelbar wissen können, daß wir sie haben.

2.2.2. Selbstbewußtsein und Synthesis Ich übergehe die folgenden Behauptungen Kants über die Spontaneität des Selbstbewußtseins, da sie - soweit ich sehen kann — für das folgende Argument

256

Selbstbewußlsein‚0bjektivitätund6esetzrnäßigkeitinder „. Deduktion

nicht wesentlich sind. Der nächste wichtige Schritt besteht darin, daß Kant nun zeigen will, daß aus seiner These über die Möglichkeit von Selbstbewußtsein folgt, daß die Vorstellungen synthetisierbar sein müssen. Der fiir die Begründung dieser These entscheidende Zwischenschritt besteht in dem Hinweis auf ' die 'Einheit' oder 'Identität' des Selbstbewußtseins: “die Vorstellung I c h d e 11 lt e [ist] [...] in allem Bewußtsein ein und dasselbe [...]. Ich nenne auch die Einheit derselben die t r a n s z e n d e n t a l e Einheit des Selbstbewußtseins, um die Möglichkeit der Erkenntnis a priori aus ihr zu bezeichnen. Denn die mannigfaltigen Vorstellungen, die in einer gewissen Anschauung gegeben werden, würden nicht insgesamt m e i n e Vorstellungen sein, wenn sie nicht insgesamt zu einem Selbstbewußtsein gehörten. d.i. als meine Vorstellungen [...] müssen sie doch der Bedingung notwendig gemäß sein, unter der sie allein in einem allgemeinen Selbstbewußtsein zusammenstehen k 5 n n e n . weil sie sonst nicht durchgängig mir angehören würden. Aus dieser ursprünglichen Verbindung läßt sich vieles folgem. Nämlich diese durchgängige Identität der Appeneption eines in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen. enthält eine Synthesis der Vorstellungen, und ist nur durch das Bewußtsein dieser Synthesis möglich" (B 132f.).

Hier wiederholt Kant seine These von der Möglichkeit des Selbstbewußt— seins in der starken Form (1). Aber er scheint noch über (1) hinauszugehen,

wenn er nun behauptet, daß alle meine Vorstellungen "in einem allgemeinenSelbstbewußtsein zusammenstehen können" müssen. Selbst aus der im Ver— gleich zu (I") stärkeren These (1) folgt nicht, daß wir ein "allgemeines"

Selbstbewußtsein von allen unseren Vorstellungen haben können müssen, wenn damit gemeint ist, daß sie in einem Selbstbewußtsein zusammenstehen. Warum sollte es nicht möglich sein, von jeder Vorstellung isoliert zu wissen, daß sie meine ist? Zunächst sieht es so aus, als wolle Kant fiir die weitergehende Behauptung in folgender Weise argumentieren:

(3)

Von allen meinen Vorstellungen muß ich wissen können, daß ich sie habe.

(b)

Die Vorstellung 'ich' bezeichnet in all diesen (möglichen) Selbstmschreibungen "ein und dasselbe".

(c)

"das empirische [Selbst-]Bewußtsein,

[...] ist an sich zerstreut und

ohne Beziehung auf die Identität des Subjekts” (B 133).

(d)

Also gilt:

"Diese Beziehung geschieht also dadurch noch nicht. daß ich jede [einzelne] Vorstelhmg mit Bewußtsein begleite, sondern daß ich eine zu der anderen h i n z u s e t z e undmirderSynthesisderselbenbewußt bin" (B 133).

Der erste Teil der B-Deduktion (e)

257

"diese durchgängige Identität der Apperzeption [...] enthält eine Syn—

thesis der Vorstellungen, und ist nur durch das Bewußtsein dieser Synthesis möglic " (B 133). Die Lücke in diesem Argument wird sichtbar, wenn man sich fragt, was denn genau mit der "Beziehung auf die Identität des Subjekts" gemeint ist, von der in (c) und (d) die Rede ist. Nehmen wir dazu an, daß in bezug auf zwei

Vorstellungen distributives SelbstbewußtseinZi vorliegt. Dieses äußert sich in den Sätzen:

(1) Ich weiß, daß ich V habe (ii) Ich weiß, daß ich V' habe Wir können dann folgende Fälle unterscheiden:

(1)

Die beiden Sätze werden von verschiedenen Subjekten geäußert. In diesem Fall bezeichnet das Wort 'ich' in den beiden Sätzen nicht "ein und dasselbe“ sondern eben verschiedene Subjekte. In diesem Fall liegt also sicherlich keine “Beziehung auf die Identität des Subjekts"

vor.

(11)

Die beiden Sätze werden von demselben Subjekt geäußert, aber das Subjekt weiß, während es (i) denkt, nichts von (ii), und umgekehrt.

In diesem Fall liegt eine "Beziehung auf die Identität des Subjekts" dann vor, wenn damit nur gemeint ist, daß sich das Wort 'ich' in beiden Fällen auf dasselbe Subjekt bezieht. Es liegt dagegen keine "Beziehung auf die Identität des Subjekts" vor, wenn damit gemeint ist. daß das Subjekt von dieser Identität seiner selbst in diesen beiden Zuständen weiß.

(III)

Die beiden Sätze werden von demselben Subjekt geäußert, und es gibt einen (weiteren) Zustand desselben Subjekts, in dem es von der Identität seiner selbst in diesen beiden anderen Vorstellungszustän— den weiß. In diesem Fall liegt eine "Beziehung auf die Identität des Subjekts" in beiden soeben unterschiedenen Bedeutungen vor.

Wir wollen im folgenden sagen, daß in den Fällen (II) und (111), nicht aber in (I) eine Beziehung auf die Identität des Subjekts im schwachen Sinn vor23 Ich spreche von distributivern Selbstbewußlsein, wann es sich um ein Selbstbewußtsein han— delt, das Sidi auf eine einzelne Vorstellung isoliert rid)tet. Ein Selbstbewußtsein, das sidr auf eine Mehrzahl von Vorstenen in einem richtet, bezeichne ich als kollektive: Selbstbcwußl—

sein. (Vgl. dazu oben S. 68 Anm. 10)

258

Selbstbewußlsein.0bjektivifitundüeretmrißigkeitinder u. Deduktion

liegt; im Fall (III), nicht aber in (I) und (II) liegt dagegen eine solche Beziehung im starken Sinn vor. Nun folgt aus (a) und (b), daß alle meine Vorstellungen eine Beziehung auf die Identität des Subjekts im schwachen Sinn haben müssen. Wenn wir nun in ' (c) unter empirischem Selbstbewußtsein distributives Selbstbewußtsein verstehen, dann muß Kant dort die Beziehung auf die Identität im starken Sinn mei— nen, da (c) andernfalls offensichtlich falsch wäre. Dasselbe gilt dann ebenso offensichtlich fiir (d). Aber dann folgt aus (a)-(d) nicht (e), wenn damit gemeint ist, daß verschiedene Vorstellungen "nicht insgesamt rn e i n e Vorstellungen sein [können], wenn [...] ich [nicht] eine zu der anderen h i n z u s e t z e und mir der Synthesis derselben bewußt bin" (B 132f.). In dem unmittelbar folgenden Satz scheint Kant diese Behauptung auch abzuschwächen. Es wird nun nicht mehr behauptet, daß verschiedene Vorstellungen nicht meine sein können, wenn sie nicht synthetisiert werden können, und auch nicht, daß aus der Möglichkeit von Selbstbewußtsein in bezug auf verschiedene Vorstellungen folgt, daß sie "in einem allgemeinen Selbstbewußt— sein zusammenstehen können"; Kant behauptet nun lediglich: "nur dadurch, daß ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen i n e i n e m B e w u ß t s e i n verbinden kann. ist es möglich, daß ich mir die I d e n t i t ä t d e s B e w u ß t s e i n s in diesen Vorstellungen selbstvorstelle, d.i. die a n a l y t i s c h e Einheit der Apperzeption ist nur unter der Voraussetzung irgendeiner s y n t h e t i s c h e n möglich" (B 133).24

Diese Behauptung ist um einiges plausibler als die stärkere These, daß aus

der Möglichkeit von Selbstbewußtsein in bezug auf verschiedene Vorstellungen folgt, daß sie synthetisierbar sein müssen. Wenn wir Kants These aus dem 5 15 akzeptieren, wonach die Verbindung eines Mannigfaltigen nicht gegeben sein kann, dann müssen wir auch seine Behauptung akzeptieren, daß ich mir die Identität meiner selbst in verschiedenen meiner Vorstellungen nur dann vorstellen kann, wenn ich sie miteinander verbinde. Denn offenkundig kann ich mir nicht der Identität meiner selbst in verschiedenen Vorstellungen bewußt sein, wenn diese verschiedenen Vorstellungen nicht in einem gemeinsamen Bewußtsein vorliegen. Allerdings ist zu beachten, daß die von uns vorgenommene

Abschwächung zur Folge hat, daß Kant nun nicht unmittelbar schließen kann, daß alle meine Vorstellungen verbindbar sein müssen. Nur solche Vorstellungen, in bezug auf die ich mir der Identität meiner selbst bewußt werden kann, müssen verbindbar sein. Um mindestens von allen epistemisch relevanten Vor-

24 Vgl. A 112, wo Km sagt, daß die Apper7zption allein in der Synthesis "im durchgängige und notwendige Identität a pnori beweisen kann.“

Der erste Teil der B-Deduku'on

259

stellungen behaupten zu können, daß sie miteinander verbindbar sind, braucht Kant also die folgende Zusatzprämisse: ‘

(2)

In bezug auf Vorstellungen, von denen ich unmittelbar wissen kann, daß ich sie habe, muß ich auch in der Lage sein, mir die Identität meiner selbst in diesen Vorstellungen vorzustellen.



(2) besagt mithin nichts anderes, als daß distributives Selbstbewußtsein nur möglich ist, wenn auch kollektives Selbstbewußtsein möglich ist. Man könnte versuchen, (2) mit dem Hinweis auf eine Feststellung, die Hume zu seiner Bündeltheorie des Ich geführt hat, plausibel zu machen: "self or person is not any one impression, but that to which our several irnpressions and ideas _are suppos'd to have a reference. If any impression gives rise to the idea of self. that unpression must continue invariably the same. thro' the whole course of our lives; since self is suppose'd to exist after that manner. But there is no impres» sion constant and invariable [...]. For my part, when I enter most intimately into what I call rn y s e l f , I always stumble on some particular perception or other [...]. I never can catch rn y 5 e l f at any time without a perception, and never cart abset—

ve any thing but the perception" (Hume (1965) Treatise I.IV.VI S. 251f.).

'

Kant hatte Humes Kritik an der Vorstellung vom 'Selbst' über die ausführli— chen Zitate in Beatties Essay‘ kennenlernen können.25 Die Frage, ob Kant in diesem Punkt von Hume direkt beeinflußt werden ist, können wir offenlassen. Klar ist jedenfalls, daß Kant mit Hume in einem wichtigen Punkt übereinstimmt, sich in einem anderen aber von ihm abgrenzt: * "das Ich ist zwar in allen Gedanken; es ist aber mit dieser Vorstellung nicht die min— deste Anschauung verbunden, die es von anderen Gegenständen der Anschauung unterschiede. Man kann also zwar wahrnehmen, daß diese Vorstellung bei allem Denken immer wiederum vorkommt, nicht aber, daß es eine stehende und bleibende

Anschauung sei, worin die Gedanken (als wmdelbar) wechselten" (A 350; vgl. auch B 413).

Wie bereits Hume vor ihm, bestreitet Kant die Existenz einer anschaulichen Vorstellung des Ich. Daraus schließt er, daß das Bewußtsein der Identität meiner selbst in verschiedenen Vorstellungen nicht als Erkenntnis des Vorliegens einer Beziehung dieser Vorstellungen zu einem von ihnen unterschiedenen, unabhängig von ihnen identifizierbaren Dritten (eben einem Ich) gedacht werden kann. Die Einheit, die verschiedene Vorstellungen als Vorstellungen desselben

Subjekts haben, kann daher nur in einer unmittelbaren Beziehung zwischen diesen Vorstellungen selber bestehen. Die Vorstellung ‘Ich' bezeichnet also keine 25 Zu Kant. und Beattie vgl. Wolff (1960). Auch Terms kommt als Quelle für Kant: Hume-Kennt— ms in Frage. _Tetens' Erörterung von Humes Theorie des Ich findet sich in Tetens (1777)

S. 377ff (Ongrnal S. 388ff.)‚ bes. S. 381ff (Original S. 392ff.) sowie S. 498f (Original S. 510f.)

Selbstbewußtsein‚0bjelttivititundüesetmäßigkeitindatn Deduktion

260

von den Vorstellungen selber verschiedene Entität, sondern deren synthetische

Einheit. Das heißt aber. daß in distributivem Selbstbewußtsein ein implizite: Bezug auf diejenige synthetische Einheit genommen wird, kraft deren sie Vor' stellungen desselben Subjekts sind. Das bedeutet allerdings noch nicht, daß distributives Selbstbewußtsein kollektives Selbstbewußtsein impliziert. Aber wenn wir davon ausgehen können. daß die synthetische Einheit, kraft deren verschiedene Vorstellungen Vorstellungen desselben Subjektes sind, in einer - wenigstens möglichen - Bewußt— seinsbeziehung besteht, dann liegt es doch nahe, diese Einheit auf die (Mög-

lichkeit der) Verbindung in einem Bewußtsein zuru'ickzufiihren.26 Wir haben bereits gesehen, daß Kant dazu neigt, die Verbindung der Vor- ' stellungen sogleich als, eine Verbindung 'im Objekt' aufzufassen, und wir wis— sen ja bereits, daß Kant im folgenden darauf aus ist zu zeigen, daß diese synthetische Einheit eine objektive Einheit ist: “Die t r a n s z e n d e n t a l e E i n h e i t der Apperzepn'on ist diejenige. durch welche alles in einer Anschauung gegebene Marmigfaltige in einen Begriff vom Objekt vereinigt wird" (B 139).

In der bereits zitierten Reflexion 3030 geht dies ganz schnell: "Ich verbinde [...] A mit dem Bewußtseyn. Dann B [...]. Drittens die Einheit beyder-

ley distributiven Bewußtseyns in ein collectives, d.i. in den Begrif eines Dinges. Also erstlich die Analytische Einheit des Bewußtseyns von A und nen A (=B) und

dann die synthetische Einheit beyder" (AA XVI S. 623).

'

Wir müssen überprüfen, ob Kant in der B-Deduktion ein überzeugendes Argument fiir die These hat, daß die synthetische Einheit eine objektive Einheit ist. Als Zwischenergebnis können wir zunächst festhalten: (3)

Ich kann mir die Identität meiner selbst in verschiedenen meiner

Vorstellungen nur vorstellen, wenn ich diese Vorstellungen in einem Bewußtsein verbinden kann.

2.2.3. Einheit der Apperzeption und objektive Einheit

Die Behauptung, daß die synthetische Einheit der Apperzeption eine objeke tive Einheit ist, versucht Kant in 5 17 zu begründen. Die entscheidende Passage lautet:

26 Das bedeutet allerdings nicht, daß jede Vorstellung mit jeder endeten Vorstellung desselben!

Subjekts in einem (möglichen) Bewußtsein verbindbu‘ sein muß. sondern nur, daß je zwei .

beliebige Vorstellungen desselben Subjekts durch eine Kate von Vorstellungen verbunden if; sind, so daß je zwei aufeinanderfolgende Glieder dieser Kette in einen Bewußtseinsd zusammenstehert können.

Der erste Tu'l der B-Deduktion

261

" V e r s t a n d ist. allgemein zu reden, das Vermögen der E r k e n n t n i s s e . Diese bestehen in der bestimmten Beziehung gegebener Vorstellungen auf ein Objekt. [i] O b j e k t aber ist das, in dessen Begriff das Msnnigfaltige einer gegebenen Anschauung v e r e i n i g t ist. [ii] Nun erfordert aber alle Vereinigung der Vorstellungen Einheit des Bewußtseins in da Synthesis derselben. [iii] Folglich in die Einheit des Bewußtseins dasjenige. was allein die Beziehung der Vorstellungen auf einen Gegenstand, mithin ihre objektive Gültigkeit [...] ausmacht" (B 137). '

Aus (iii) folgt das gewünschte Ergebnis; aber (iii) folgt nicht aus (i) und (ii). Aus (i) und (ii) ergibt sich lediglich, daß die Einheit des Bewußtseins eine not—

wendige Bedingung der Vereinigung von Vorstellurigen im Begriff eines Ob— jekts ist. Es folgt aber nicht, daß die Vereinigung der Vorstellungen im Begriff eines Objekts in nichts anderem besteht als in der synthetischen Einheit verschiedener Vorstellungen in einem Bewußtsein. Und daher folgt auch nicht. daß jede synthetische Einheit eine objektive Einheit ist, sondem nur, daß jede objektive Einheit eine synthetische Einheit ist. Letzteres ist aber für’ Kants Zwecke irrelevant. . Die Ansicht, daß hier eine Lücke in Kants Beweis vorliegt, scheint sich in

der Literatur mehr und mehr durchzusetzen.27 Man kann diese Lücke dann stopfen, wenn man keinen allzu anspntchsvollen Objektbegriff"unterstellt So meint z.B. Allison, das Problem lösen zu können, wenn man von dem schwachen Objcktbegriff ausgeht. der dem Begriff eines objektiven Urteils (vgl. oben S. 83) entspricht: — "Since it follows from the apperception principle that [a] the tmity of conscioirsness is impossible apart from the synthetic unity of representations. und since [I:] this synthetic unity can only be achieved by uniting these representations under & concept. and since [...] [given the logical conception of an object] [c] any such synthetic unity counts as an object, it also follows that [d] the representation of an object is a necessary condition for the unity of consciousncss. But this is equivalent to saying that the tmity of consciousness is a sufficient condition for the representation of an object" (Allison (1983) S. 146).

Vgl. z.B. Bennett (1966) S. l$lf.; Hossenfelder (1978) S. 128f.; Guyer (1981); Allison (1983) S. l45f.. Es gibt aba audi Veneidigrmgsveuuehe: Baum z.B. meint, daß Kant folgutdertnaßen argurnentiert: l . Die Einheit verschiedener Vorstellungen im Begriff eines Objekts ist eine notwendige Einheit. 2. “Die einzige für den Verstand 1 prior-i bestehende Notwendigkeit ist die.

in seinen Handlungen des Verbindens des Mannigfaltigm der Vorstellungen unter der ursprfmghch-synthetischen Einheit der Appetzqtion m sichert. Also sind [3.] der Gedanke der Bemgenheit der Vorstellungai auf ein Objekt [...] und der Gedanke der notwendigen Unterworfenheit des Verbind unter die ursprünglich-synthetische Einheit des Selbstbewußtseins derselbe Gedanke" (Baum (1986) S. 107f.). Dieses Argtnnent haben wir bereits in des A-De— dulmon kanmgelemt. Wir haben dort aber auch gesehen, daß die erste Prämisse von Kant nicht begründet wird. In 5 17 der B-Dedukticn greift Kant auf diese These auch nicht a t t zurück. Es ist daher zweifelhaft. ob Baum: Rekmstruktion den Text anganessen ist. Selbst (t;e;tnfi(l.) akzeptieren, nützt uns das nichts. da weder Kant noch Baum ein Argument für 8

Selbstbewußtsein. Objektivititund Gesetnnißigkeitin der u. Deduktion

262

Wenn wir [a] im Sinne von (3) verstehen, können wir das Argument dann

akzeptieren, wenn wir eine befriedigende Begründung für [b] haben. Die allerdings fehlt uns noch. Es ist klar, daß [b] nur dann für Allisons Argument » brauchbar ist, wenn damit folgendes gemeint ist: (4)

Die Vorstellung der Identität des Bewußtseins in verschiedenen mei—

ner Vorstellungen ist nur dadurch möglich, daß ich die verschiedenen Vorstellungsgehalte in einem Begriff von etwas, dem ich die Vorstellungsgehalte als Eigenschaften zuspreche, verbinde. Läßt sich (4) auf der Grundlage der soeben in Anschluß an Humes Kritik der Ich—Vorstellung entwickelten Überlegungen verteidigen? Wenn man die Existenz einer 'stehenden und bleibenden' Anschauung des Ich bestreitet, dann kann das Bewußtsein der Identität meiner selbst in ver— schiedenen Vorstellungen nicht als Erkenntnis des Vorliegens einer Beziehung dieser Vorstellungen zu einem von ihnen unterschiedenen. m a t a von ihnen identifizierbaren Dritten gedacht werden. Die Einheit, die verschiedene Vorstellungen als Vorstellungen desselben Subjekts haben, muß dann auf eine unmittelbareßeziehung zwischen diesen Vdrstellungen zrrückführbar sein. Nun liegt es nahe, diese unmittelbare Beziehung als eine Verbindung der Vorstellungsgehalte aufzufassen. Unter Rückgriff auf Kants Überlegungen zur '

Möglichkeit des Bewußtseins eines Mannigfaltigen als solchem könnten Wir dann folgem, daß eine solche Verbindung von Vorstellungsgehalten nur durch eine Verbindung nach Begrifi’en möglich ist. Und von hier ist es kein allzu weiter Schritt zu der Behauptung, daß die so verbundenen Vorstellungsgehalte

einem Objekt als Eigenschaften zugesprochen werden.23 Wer sich von diesen Überlegungen überneugen läßt, könnte versuchen,

noch einen Schritt weiter zu gehen als Allison. Denn wenn wir nicht tun in bezug auf ein Mannigfaltiges einer gegebenen Anschauung, sondern auch in bezug auf numerisch verschiedene Anschauungen in der Lage sind, uns die Identität unserer selbst in diesen Vorstellungen vorzustellen; und wenn dies nur möglich ist, wenn wir die Vorstellungsgehalte dieser Anschauungen im Begriff eines Objekts verbinden; - dann haben wir es mit einer Vereinigung von Vor-

stellungsgehalten im Begriff eines empirischen Objekts zu tun.29 28 Das bedeutet nadirlich nicht, daß ich alle meine Vorstellungen als Eigenschaften eine: Superobjekts vorstellar muß. Es wird nur verlangt, daß die Vorstellungsgehalte als Eigenschaften von Objekten angesehen werden. Werden verschiedene Vorstellungsgebalte verschiedenen Gegenständen angesprochen, so ist nur dann eine Vorstellung der Identität meiner selbst in diesen Vorstellungen möglich, wenn diese Objekte als in bestimmten Relatimm meinander stehend vorgestellt werden. > 29 Empirische Objekte waren ja gerade definiert als idmtische Gegenstinde numerisch veßchiedener Vorstellungen (vgl. oben S. 80ff.).

Derente'l'eilder߻Deduktion

263

Angesichts unserer kritischen Bemerkungen zu Henrichs Rekon$tmktions-

vorschlag können wir aber diesen letzten Schritt nicht akzeptieren: Es ist nicht einzusehen, wieso es zur Vorstellung der Identität des Bewußtseins nicht ausreichen soll, wenn die verschiedenen Vorstellungsgehalte als in zeitlichen Relationen stehend vorgestellt werden. Dies ist aber möglich, ohne Vorstellungsgehaltemnumerisch verschiedener Vorstellungen auf dasselbe Objekt zu beziehen.

2.2.4. Objektive Einheit und Urteilseinheit Wenn wir Kants These, daß die synthetische Einheit der Apperzeption eine objektive Einheit ist, im Sinne von (4) interpretieren, dann läßt sich auch leicht

verständlich machen, wieso Kant in 5 19 die objektive Einheit des Bewußtseins mit der Einheit von Vorstellungen im Urteil in einen so engen Zusammenhang bringt. Denn es ist klar, daß die objektive Einheit gegebener Vorstellungen, durch die ich mir die Identität meiner selbst in diesen Vorstellungen vorstelle, _ eine Einheit von Vorstellungen im Urteil sein muß, wenn diese Einheit darin bestehen soll, daß die Vorstellungsgehalte einem Objekt als Eigenschaften zugesprochen werden. Kant scheint nun aber auch das Umgekehrte behaupten zu wollen: daß nämlich jede Urteilseinheit eine objektive Einheitim beschriebenen Sinn ist. Nun haben wir aber im zweiten Kapitel gesehen, daß Kant in den 'Prolegomena' eine Klasse von Urteilen einführt, die nicht in diesem Sinn objektive Einheiten sind: In Wahmehmungsurteilen sollen die verschiedenen Vorstellungen als solche in einem Bewußtsein meines Zustandes verbunden werden, ohne daß dabei die Wahmehmungsgehalre als Eigenschaften auf ein Objekt bezogen werden. Wenn es solche Urteile gibt, dann kann nicht jedes Urteil die Vorstellung einer objektiven Einheit sein. Fragen wir uns zunächst, ob Kant aufgrund der bisher behandelten Argumente der B-Deduktion solche 'subjektiven' Urteile zulassen kann. Dies ist dann möglich, wenn in solchen Urteilen nicht die Identität des Subjekts dieser Vorstellungen vorgestellt wird. Allem, was wir bisher ausgeführt haben, ist aber nicht zu entnehmen, daß es solche Urteile nicht geben kann. Selbst wenn Kant gezeigt hätte, daß wir in bezug auf alle unsere Vorstellungen fähig sein miissen, uns der Identität unserer selbst in diesen Vdrstellungen bewußt zu werden, folgte nicht, daß wir auch immer dann, wenn wir ein Bewußtsein von die-



Vgl. dam auch Strawson (1959) s. 46f..

264

Selbstbewußtsein, Objektivität und Gesemniißigkeitinder tr. Deduku'orr

sen Vorstellungen haben, uns dabei die Identität unserer selbst in diesen Vorstellungen vorstellen müssen.

Wenn wir solche ‘subjektiven' Vorstellungsverbindungen als Urteile bezeichnen wollen, dann können wir Kants These, daß das Urteil die Art ist, ge?

gebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen, nicht aufrechterhalten. Wir können allerdings daran festhalten, daß die objektive Einheit der Vorstellungen nur durch Verbindung in einem Urteil vorgestellt werden kann. Nur gilt nicht auch umgekehrt, daß jedes Urteil die Vorstellung einer objektiven Einheit ist. Wir können daher festhalten:

(5)

Die Verbindung von Vorstellungen im Begriff eines Objekts ist ein " Urteil.

2.2.5. Urteil und Kategorie Wenden wir uns nun dem letzten Schritt von Kants Argument zu: dem Übergang von der Urteilsthese zur Kategorienthese. Kant scheint in der B—De-

duktion daraus, daß wir Vorstellungen durch Anwendung von Urteilsfunktionen verbinden können müssen, unmittelbar zu folgern, daß diese Vorstellungen unter Kategorien stehen. Es ist klar, daß - sollte diese Folgerung gültig sein dies für Kants Zwecke in der Deduktiorr außerordentlich günstig wäre. Aber es hatte sich bereits herausgestellt, daß diese Schlußfolgerung keineswegs so selbstmrständlich möglich ist. Denn wir haben gesehen, daß die These, daß die

Verbindung nach Urteilsfunktionen die Geltung der Kategorien impliziert, der Sache nach in Schwierigkeiten führt, wenn man gleichzeitig an Kants These festhalten will, daß unsere Vorstellungen durch Anwendung der Kategorien ob— jektiviert werden; jedenfalls dann, wenn unter der Objektivierung der Vorstellungen durch Anwendung der Kategorien mehr verstanden werden soll, als daß sie in Urteilen, die Anspruch auf objektive Gültigkeit erheben, verbunden werden. Nun hat sich im Rahmen der Untersuchungen zur zweiten Analogie wie zur transzendentalen Deduktion bestätigt, daß Kant den Kategorien eine Objektivierungsleistung zuspricht, die über diesen 'logischen' Objektivitätsbegriff hinausgeht. Dann ist es aber der Sache nach unmöglich, die Geltung der Kategorien als unmittelbare Folge der Verbindung durch Urteilsfunktionen zu begründen - es sei denn, Kant erklärt alle Urteile zu objektiven Urteilen in einem _ starken Sinn. Nun haben wir aber auch gesehen, daß Kant immer dann, wenn er semen Kategorienbegriff näher erläutert, den Zusammenhang von Kategorie und Ur- _

Der erste Teil der B-Deduktion

265

teilsfunktion weniger direkt vorstellt, als sein Argument in 5 20 erwarten läßt. Wenn man z.B. von der Erklärung der Kategorien', die Kant im 5 14 gibt, aus— geht, so folgt nicht unmittelbar aus der Verbindung von Vorstellungen durch Urteilsfunktionen, daß die so verbundenen Vorstellungen unter Kategorien stehen. Denn Kant charakterisiert in seiner Erklärung der Kategorien' diese nicht einfach als Begriffe von etwas, das durch Urteilsfunktionen verbunden wird, sondern als Begriffe von etwas, das hinsichtlich der Anwendung der Ur— teilsfunktionen bestimmt ist. 4 Wir müssen gleich zu klären versuchen, was Kant mit dieser Charakterisie— rung gemeint haben könnte; klar ist aber, daß die Erläuterung, die Kant für die kategorische Urteilsfunktion gibt, ausschließt, daß die Verbindung in einem kategorischen Urteil als solche bereits zur Folge hat, daß die Vorstellungen "in Ansehung [...] der l o g i s c h e n F u n k t i o n e n

[...] als b e s t i m m t "

anzusehen ist (B 128). Denn im bloß logischen Gebrauch soll das Verhältnis von Subjekt und Prädikat ja gerade unbestimmt sein (vgl. oben S. 102). Wenn wir versuchen wollen, die Schwierigkeiten, die das Verhältnis von Urteilsfunktionen und Kategorien betreffen, aufzulösen, ist es zunächst erfor— derlich, sich klamumachen, worin die objektivierende Funktion der Kategorien besteht und wie sie mit der Bestimmtheit der logischen Form zusammenhängt. Wir müssen von Kants Hinweis ausgehen, daß im bloß logischen Gebrauch unbestimmt bleibt, welcher Begriff an Subjekt- und welcher an Prädikatstelle einzusetzen ist. Solange es nur um die logische Beziehung zwischen den Be-

griffen geht, können die Funktionen also vertauscht werden.31 Wenn die Unumkehrbarkeit der logischen Funktion sich aber nicht aus dem logischen Verhältnis der Begriffe ergibt, woraus dann? Es ist naheliegend zu vermuten, daß es sich bei dieser 'Unumkehrbarkeit' der logischen Funktion um eine epistemische Bedingung handelt, die für die Venflzierbwkeit einer bestimmten Klasse von Urteilen gilt. Ich will versuchen, dies am Fall des kategorischen Urteils zu erläutern. , Nehmen wir als Beispiel das Urteil: 'Diese Münze ist rund'. Unter welchen Bedingungen können wir solch ein Urteil fällen? Letztlich müssen wir uns da— bei auf eine Wahmehmungssituation beziehen, in der wir die Münze und an ihr die runde Gestalt wahrnehmen. In der Wahmehmungssituation haben wir es im günstigsten Fall (wenn wir die Münze von vorne betrachten) mit einer Wahr— nehmung von etwas zu tun, das wie eine Münze aussieht und das rund erscheint. Das allein reicht aber nicht aus, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß die Münze rund ist, da es sich auch um eine ovale Münze, die wir schräg

31 Dabei ist natürlich darauf m adrlm, daß die Quantität des Urteils ansprechend verändert Wird.

266

Selbstbewußtsein. Objektivität und Geactnnißigkeit. in der tr. Deduktion

von der Seite betrachten, handeln kann. Wenn wir bloß eine Aussage über die gegebenen Sinnesdaten machen wollen. können wir sagen: 'Das Münzensinnes-

datum ist rund'. Wir können auch sagen: 'Das runde Sinnesdatum ist münzenartig'. Hier können wir also die logische Funktion umkehren. Wenn wir aber das ' Urteil über das empirische Objekt (eben die Münze) umkehren wollen, müssen wir erst einmal wissen, ob das entsprechende Objekt wirklich rund ist. Denn wenn wir sagen: 'Der runde Gegenstand ist eine Münze', so haben wir den Gegenstand dann nicht identifiziert, wenn es sich z.B. um eine ovale Münze, von der Seite betrachtet, handelt. Generell können wir sagen: Um überhaupt mit einem empirischen Urteil Anspruch auf Objektivität erheben zu können. müssen wir das Objekt, von dem das Urteil handelt, zunächst identifizieren. Solange aber unklar ist, ob das Objekt wirklich die Eigenschaften hat, die es zu haben scheint, können wir es nicht direkt mittels dieser Eigenschaflen identifizie— ren, indem wir es als das Objekt bestimmen, das diese Eigenschaften besitzt. Es bleiben die folgenden Möglichkeiten: (a) wir identifizieren das Objekt ostensiv, (b) wir identifizieren es als dasjenige Objekt, was uns so und so erscheint, oder (c) wir identifizieren es durch eine objektive Eigenschaft, von der wir sicher sein können, daß das Objekt diese Eigenschaft hat. Lassen wir die Frage, welche dieser drei Möglichkeiten vorzuziehen ist,

einen Augenblick beiseite, und fragen uns, was wir bisher erreicht haben. Zunächst hat sich gezeigt, daß wir ein Objekt nicht direkt durch Erscheinungsprädikate identifizieren können. Aber wir wollen es nicht nur identifizieren, wir wollen ihm auch auf der Basis der Erscheinungsprädikate objektive Eigenschaften zusprechen. Wir haben gesehen, daß wir dem Objekt nicht unmittelbar die an ihm wahrgenommenen Eigenschaften zusprechen können. Wir müssen also nach einer Identifizierungsmethode suchen, die uns in die Lage versetzt

festzustellen, ob dem identifizierten Gegenstand eine Wahrnehmungseigen— schaft objektiv zukommt oder nicht. Dazu reicht die einzelne gegebene Wahrnehmung nicht aus. Da wir auch nicht a priori wissen können, welche objektiven empirischen Eigenschaften einem Gegenstand zukommen, miissen wir also weitere Wahrnehmungen hinzuziehen. Nun sind natürlich nur solche weiteren Wahrnehmungen unmittelbar relevant, in denen dasselbe Objekt vorgestt wird. Wir müssen also an irgend etwas feststellen können, ob verschiedene Wahrnehmungen Wahrnehmungen desselben Objekts sind. Wir brauchen also eine ‘Rekognitionseigenschaft' des Objekts: eine Eigenschaft, durch die das Objekt als dasselbe in verschiedenen Wahrnehmungssituationen identifiziert werden kann. Was immer diese Eigenschaft ist, so ist klar, daß sie episternisch ge-

genüber den anderen Eigenschaften ausgezeichnet ist. Sie dient als Bedingung, unter der das Zusprechen von anderen Prädikaten allererst möglich ist.

Der erste Teil der B-Deduktion

267

Nehmen wir nun an, 8 sei eine solche Rekognitionseigehschaft, und P sei eine Eigenschaft, deren Zuneffen wir nicht aufgrund einer einzelnen gegebenen

Wahmehmungssituation feststellen können. Dann müssen wir S als diejenige Eigenschaft ansehen, die dazu dient, den gegebenen Gegenstand bezüglich der Eigenschaft P objektiv zu bestimmen (indem durch S andere Wahrnehmungen als Wahrnehmungen desselben Objekts identifiziert werden können, auf deren Grundlage wir entscheiden können, ob P objektiv auf den Gegenstand zutrifft). Nun bestand eine der traditionellen Bestimmungen des Substanzbegriffs darin, daß die Substanz als der Grund der Akzidenzien anzusehen ist. Leibniz hatte bekanntlich eine recht extreme Version dieser Definition vertreten, wonach alle Prädikate im Begriff der individuellen Substanz enthalten sind: "dans

toute proposition [...] la notion du predicat est comprise en quelque facon dans celle du sujet, p r e d i c a t u m i n e s t s u b i e c t o ; ou bien je ne scay ce que c'est que la verité" (Leibniz (1978) Bd. II S. 56.). Kant konnte dieser radikalen These natürlich nicht zustimmen. Aber an einem Element der Leibniz— schen Wahrheitskonzeption hält er fest: Wenn sich auch nicht alle Eigenschaf— ten einer Substanz aus ihrem Begriff analytisch herleiten lassen, so dient doch der Begriff der Substanz als Bedingung der Zuschreibungn von Prädikaten.

Während dieses Bedingungsverhältnis bei Leibniz ein logisch-analytisches Verhältnis des Enthaltenseins ist, handelt es sich bei Kant um ein epistemisches Bedingungsverhältnis: Dasjenige ist Substanz, was vorausgesetzt werden muß, wenn es möglich sein soll, dem Gegenstand Prädikate objektiv zuzusprechen.

Eine substantielleBestimmung ist dann eine solche, die es ermöglicht, den Gegenstand in verschiedenen Wahmehmungssituationen als denselben zu erken— nen und aufgrund der verschiedenen, in diesen Wahmehmungssitnationen gegebenen Eigenschaften die objektiven Eigenschaften des Gegenstandes zu be-

stimmen.32

Wir können nun sehen, weshalb die beiden ersten oben erwähnten Möglichkeiten, einen in einer bestimmten Wahmehmungssituation gegebenen Gegenstand so zu identifizieren, daß wir ihn aufgrund anderer Wahrnehmungen objektiv bestimmen können, ausscheiden müssen. Die erste Möglichkeit bestand in der ostensiven Identifikation. Wenn ich den Gegenstand als denjenigen iden— tifiziere, den ich jetzt an dieser Stelle meines Gesichtsfeldes wahmehme, so 32 Man kann anhand von Kant; Reflexionen verfolgen, wie sich dieser Begriff der Substanz allmählrch entwickelt. Bereits in Reflexionen vom Anfang der siebziger Jahre analysiert Kant das kategonsche Urteil als ein Bedingungsverhältnis: Der Subjektbegtiff dient als die Bedingung, das Prädikat objelaiv auszusagen, d.h. a'nem Gegenstand mmsprechen. Dam durdr den Subjektbegnff Wird dasjenige beneichnet'. das durch den Prädikatbegriff bestimmt wird. Kant hat dann in der Folge dieses logische Verhältnis auf das Problem der empirischen Erkenntnis ange— wandt (vgl. v.a. R 39201“. und R 4634).

268

Selbstbewußtsein,0bjektivitätund6esetzrnäßigkeitinder u. Deduktion

hilft mir dies zur Reidentifikation des Gegenstandes natürlich nichts. Denn woher soll ich wissen, daß der Gegenstand, den ich eben an jener Stelle wahrgenommen habe, mit dem Gegenstand identisch ist, den ich jetzt an dieser Stelle

wahmehme? Und noch viel weniger taugt das zweite Verfahren. Wenn ich den ' Gegenstand als denjenigen identifiziere, der mir jetzt so-und-so zu sein scheint, hilft mir diese Identifikation des Gegenstandes nichts, wenn ich wissen will, ob der jetzt gegebene Gegenstand mit demjenigen Gegenstand identisch ist, der mir eben anders erschien. Was immer die Eigenschaft sein mag, an der ich Gegenstände wiedererken-

nen kann: Klar ist, daß es sich um eine objektive Eigenschaft handeln muß. Natürlich muß diese objektive Eigenschaft aufgrund der gegebenen Wahmehmungen feststellbar sein; d.h. wir müssen in der Lage sein, diese Eigenschaften anhand der in der Walunehmungssituation direkt feststellbaren Eigenschaften zu erkennen.

Wenn sich das, was wir soeben am Beispiel des kategorischen Urteils entwickelt haben, für alle Kategorien verallgemeinem läßt, können wir auch das im ersten Kapitel beschriebene Problem des Verhältnisses von Urteilsfunktionen und Kategorien auflösen. In der Definition der Kategorien, wonach sie Be- ?

griffe von Gegenständen sind, dadurch deren Anschauung in Ansehung einer der logischen Funktionen zu urteilen bestimmt ist, wird dann eine epistemische Bedingung angesprochen. Wenn zwei Vorstellungen durch eine Urteilsfunktion verbunden werden, so bedeutet die Aussage, daß dabei das logische Verhältnis bestimmt ist, nicht. daß die 'Vertauschung' der Stellen im Urteil aus logischen Gründen ausgeschlossen ist oder zu einem falschen Urteil fiihren würde. Die formallogisch gültigen Transfonnationen bleiben natürlich in Geltung. Gemeint ist vielmehr, daß die Vorstellungen in diesem bestimmten Verhältnis verbunden werden müssen, wenn das entsprechende Urteil objektiv verifizierbar sein soll. Damit wird auch verständlich(er), was Kant meint, wenn er z.B. in den

'Prolegomena' schreibt: "Ich bmg endlich diese tktionen zu urteilen auf Objekte überhaupt. oda vielmehr auf die Bedingung. Urteile als objektiv-gültig zu bestimmen. und es entsprangen reine Verstandesbegriffe" (Pr. & 39 AA IV S. 324).

Wird eine Vorstellung unter eine Kategorie subsumiert, so wird ihr damit eine bestimmte epistemische Rolle zugeschrieben. Kategorien sind also episte— mische Begriffe. Ich weiß nicht, ob sich die oben am Beispiel der Substanzkategorie ent—

wickelte Idee auf alle anderen elf Kategorien übertragen läßt. Wenigstens erscheint für die Relationskategorien die Lage nicht völlig hoffmmgslos zu sein. Wenn wir den logischen 'Stellen' der Relationsfunktionen jeweils eine be— _

Der erste Teil der B-Deduktion

269

stimmte epistemische Rolle zuweisen können (so wie wir der Subjektstelle die Rolle der Identifiziemng des Urteilsgegenstandes zugeschrieben' haben), dann macht Kants These Sinn, daß nicht jede Vorstellung, die formallogisch benach— tet eine solche Stelle einnehmen kann, auch geeignet ist, diese epistemische Rolle zu übernehmen. Nicht jede Vorstellung ist geeignet, in einem empirischen Subjekt-Prädikat—Urteil die Identifizierungsfunktion zu übernehmen,da nicht durch jede gegebene Vorstellung der Gegenstand so identifiziert werden kann, daß er in anderen Wahrnehmungssituationen reidentifiziert werden kann. Wenn wir z.B. die hypothetische Urteilsform so charakterisieren. daß der Vordersatz die Bedingung angibt, unter der der Nachsatz objektiv gültig ist, dann können wir die reine Kategorie des Kausalverhälmisses folgendermaßen bestimmen: X ist eine Ursache, wenn das Urteil, in dem das Vorliegen von X behauptet wird, die Bedingung dafür ist, ein anderes Urteil als objektiv gültig bestimmen zu können. So dient die Feststellung des Vorliegens einer Ursache dazu, objektiv zu bestimmen, ob eine gegebene Wahrnehmungsfolge eine ent— sprechende objektive Folge repräsentiert. Das Urteil “C liegt vor' dient.dann dazu, das Wahrnehmungsurteil 'Die Wahrnehmung von B folgt auf die Wahrnehmung von A' in ein Erfahrungsurteil 'Eine Veränderung von A nach B liegt vor' zu verwandeln.

Ich muß es hier bei diesen Andeutungen belassen. Im gegenwärtigenKon— text ist es aber wichtig, darauf hinzuweisen, daß das Objektivierungsproblem,

zu dessen Lösung die Kategorien dienen sollen, nur für empirische Urteile33 auftritt. Denn nur solche Urteile sind durch die einzelnen gegebeneaahrnehmungen objektiv unterbestimmt. Daher sind die Kategorien auch nur Begriffe, unter die solche Vorstellungen subsumiert werden müssen, die wir als Vorstel— lungen von empirischen Objekten auffassen. Als Ergebnis unserer Erläuterungen zu Kants Kategoriendefinition können wir also festhalten:

(6)

Kategorien sind (epistemische) Begriffe, unter die (empirische) Gegenstände subsumiert werden müssen, wenn objektiv gültige empirische Urteile über diese Gegenstände möglich sein sollen.

2.2.6. Zusammenfassung und Folgerungen Wir müssen nun die wichtigsten Punkte unserer Diskussion von Kants Argument zusammenstellen, um zu sehen, was uns all das eingebracht hat:

33 Also Urteile über Objekte. die Gegensll'mde numen'ach verschiedener Wahrnehmungen sein können (vgl. oben S. 83).

270

Selbstbewußtsein. Objektivität und Gesetnnißigkeitin dem. Deduktion

(1)

Von allen epistemisch relevanten Vorstellungen muß ich unmittelbar wissen können, daß ich sie habe.

(2)

In bezug auf Vorstellungen, von denen ich unmittelbar wissen kann, daß ich sie habe, muß ich mir die Identität meiner selbst als Subjekt ' dieser Vorstellungen vorstellen können.

(3)

Ich kann mir die Identität meiner selbst in verschiedenen Vorstellun— gen nur vorstellen, indem ich diese Vorstellungen in einem Bewußtsein verbinde.

(4)

Die Vorstellung der Identität des Bewußtseins in verschiedenen meiner Vorstellungen ist nur dadurch möglich, daß ich die verschiedenen Vorstellungsgehalte in einem Begriff von etwas, dem ich die Vorstellungsgehalte als Eigenschaften zmpreche, verbinde.

(5)

Wenn ich Vorstellungsgehalte numerisch verschiedener Vorstellungen irn Begriff eines (empirischen) Objekts verbinde, so verbinde ich sie in einem (empirischen) Urteil.

(6)

Kategorien sind Begriffe, unter die empirische Gegenstände subsumiert werden müssen, wenn objektiv gültige empirische Urteile über diese Gegenständen möglich sein sollen. Sie sind also epistemische Begriffe empirischer Objekte.

Also:

(7)

Alle epistemisch relevanten Vorstellungen müssen unter Kategorien subsumierbar sein.

Die schwachen Stellen dieses Arguments waren (2), (5) und (6). Das Problem mit (2) besteht darin, daß aus der Möglichkeit distributiven Selbstbewußtseins in bezug auf verschiedene Vorstellungen noch nicht die Möglichkeit kollektiven Selbstbewußtseins folgt. Das Problem mit (5) besteht darin, daß daraus, daß das 'Ich' nicht anschaulich gegeben ist, zwar gefolgert werden kann, daß die Identität des Ich nur durch Verbindung der Vorstellungsgehalte möglich ist. Aber es ist nicht selbstverständlich, daß dies nur durch eine Verbindung der Vorstellungsgehalte im Begriff eines empirischen Objekts geschehen kann. Es ist denkbar, daß wir die Wahmehmungsgehalte so verbinden, daß wir sie lediglich als in zeitlichen Verhältnissen zueinander stehend vorstellen. Dazu müssen sie aber nicht auf empirische Objekte bezogen werden. Das Problem mit (6) schließlich besteht darin, daß Kants Erklärung der Kategorien' nur dann akzeptabel ist, wenn jeder einzelnen Urteilsfimktion eine Bedingung der objektiven Bestimmung empirischer Urteile in ähnlicher Weise zugeordnet werden kann, wie wir dies an Beispiel des kategorischen Urteils erläutert haben.

Das Beweisstruktutpmblem

_271

All dies sind nicht gerade unwesentliche Schwierigkeiten. Aber selbst wenn man annimmt, daß sie ausgeräumt werden können, bleibt das‘Resultat von Kants Argument im ersten Teil der B-Deduktion weit hinter den mit der Standardinterpretation verbundenen Erwartungen zurück. Denn aus (1) bis (5) folgt lediglich, daß wir in der Lage sein müssen, unsere Vorstellungen als Vorstellungen eines (empirischen Objekts) zu denken. Und dies hat zur Folge, daß (7) nur besagt, daß wir fähig sein müssen, unsere Vorstellungen als unter Kategorien stehend zu denken. Ebensowenig wie aus (1) bis (5) folgt, daß unseren Vorstellungen wirklich empirische Objekte korrespdndieren, folgt aus (7), daß es Gegenstände gibt, die wirklich unter Kategorien stehen. Wenn die Grundsätze aber die Wahrheitsbedingungen kategorialer Urteile sind, dann folgt aus (7) nicht die Geltung der Grundsätze. Deren Geltung aber sollte zufolge der Standardinterpretation als Bedingung der Einheit des Selbstbewußtseins bewiesen werden. Als eine Begründung der Gesetzesthese ist das Argument der 5 15—20 also untauglich.

Allerdings hat dieses negative Ergebnis auch seine positiven Seiten. Denn damit entfällt nicht nur das Problem der Wahmehmungsurteile; es entschärft sich auch das Problem der subjektiven Vorstellungen. Es wird ja lediglich verlangt, daß wir uns alle unsere Vorstellungsgehalte als Eigenschaften von empirischen Objekten denken können müssen. Da nicht folgt, daß diese Gedanken auch wahr sind, ist die Möglichkeit von Träumen und Einbüdungen nicht ausgeschlossen. Es hat sich sogar gezeigt, daß wir ein bloß subjektives Bewußtsein einer Vorstellungsmannigfaltigkeit haben können, da uns nichts zu der Annahme zwingt, daß in jeder Verbindung von Vorstellungen die Identität des vorstellenden Subjekts vorgestellt wird. Es wird ja nur die Möglichkeit einer solchen Verbindung verlangt.

3. Das Beweisstrukturproblem

Kants Argument im ersten Teil der B-Deduktion bleibt somit hinter den Er— wartungen, die die Standardinterpretation geweckt hat, zurück. Bestenfalls ergibt sich, daß alle epistemisch relevanten Vorstellungen in empirischen Urteilen verbunden werden können. Im ungünstigeren Fall reicht das Argument nur für den Nachweis, daß solche Vorstellungen in objektiven Urteilen verbindbar sein müssen. In keinem Fall aber hat Kant ein überzeugendes Argument dafiir, daß solche Urteile wahr sein müssen. Da die Wahrheitsbedingungen von empirischen Urteilen in der den Grundsätzen entsprechenden Gesetzmäßigkeit gege—

272

Selbstbewußtsein, Objektivität und Gesemnäßigkeit in der tr. Deduktion

heuer Erscheinungen bestehen,34 so müssen wir feststellen, daß Kants Argument im ersten Teil der B-Deduktion auch nichts zur Begründung der Gesetzesthese beiträgt. Unterstellt man die Richtigkeit der Standardinterpretation, dann muß auch ‘ Kants Argument in der B-Deduktion als gescheitert angesehen werden. Aber vielleicht wollte Kant im ersten Teil der B-Deduktion gar nicht mehr zeigen, als daß Kategorien Begriffe von empirischen Objekten sind, und daß wir die Fähigkeit haben, unsere Vorstellungen als Vorstellungen solcher Objekte zu denken? Von der Geltung der Gesetzesthese ist ja im ersten Teil der B-Deduktion auch nirgends explizit die Rede. Erst in 5 26 kommt Kant ausdrücklich auf sie zu sprechen:

"In der t r a n 5 z e n d e n t a l e n [Deduktion wurde] [...] die Möglichkeit [...] [der Kategorien] als Erkemntnisse a priori von Gegenständen einer Anschamtng überhaupt (55 20. 21) dargestellt. Jetzt soll die Möglichkeit, durch K a t e g o r r e n dte

Gegenstände, die nur immer u n s e r e n S i n n e n v o r k o m m e n m ö g e n . [...] den Gesetzen ihrer Verbindung nach. a priori zu erkennen, also der Natur gleichsam das Gesetz vorzuschreiben und sie sogar möglich m machen. erklärt werden. Denn ohne diese ihre Tauglichkeit würde nicht erhellen, wie alles. was unseren Sinnen nur vorkommen mag. unter den Gesetzen stehen müsse, die a priori aus dern Verstande allein entspringen" (B 159f.).

Diese Bemerkungen machen es sehr wahrscheinlich, daß Kant die Gesetzesthese erst in 5 26 thematisiert. Wenn diese Annahme zuuifft, läßt sich auch das

im zweiten Kapitel angesprochene Beweisstrukturproblem lösen, da wir dann den beiden Teilen hinreichend voneinander unterschiedene Beweisaufgaben zuordnen können. Denn das Beweisstrukturproblem ergab sich daraus, daß sich die Folgemng, die Kant aus dem Argument des ersten Teils der B-Deduktion zieht, von dem Ergebnis des 2. Teils gar nicht zu unterscheiden schien. In 5 20 formuliert Kant als Resultat des ersten Teils: "Also steht auch das Mannigfaltige in einer gegebenen Anschauung notwendig unter Kategorien" (B 143).

.

In 5 21 behauptet er aber, daß mit diesem Ergebnis erst der "Anfang einer D e d u k t i o n der reinen Verstandesbegriffe gemacht" ist (B 144), und kündigt an, daß "die Absicht der Deduktion allererst [in 5 26] völlig erreicht" wird

(B 145). Das Ergebnis des dort präsentierten Arguments lautet nun aber: "Folglich [...] sind die Kategorien Bedingungen der Möglichkeit der Erfahnmg, und

gelten also a priori auch von allen Gegenständen der Erfahrtmg" (B 161).

34 Vgl. Pr. ; 21 AA IV 5. am; AA 20 s. 318 sowie die Ausführungen Kann zu den 'Postulatm des empirischen Denkens' A 218ff.lß 2655.).

Gründe f ü r d n der transundentalen Dedukt.ion

273

Vergleicht man diese beiden Schlußfolgerungen miteinander, so drängt sich

die Frage auf, worin eigentlich der Unterschied im Resultat der beiden Beweis— schritte bestehen soll. Zwar bestätigt bereits ein oberflächlicher Blick auf die Begründungen, die Kant in 5 20 einerseits und in 5 26 andererseits für seine Schlußfolgerungen gibt, daß es sich um ganz verschiedenartige Argumente handelt. Aber das ändert nichts daran, daß sich die Resultate dieser beiden Argumente recht ähnlich sehen. Wenn Kant jedoch in den beiden Teilen zweimal auf verschiedenen Wegen ungefähr dasselbe zeigen wollte, dann ist schwer zu verstehen, wieso er im ersten Teil erst den Anfang einer Deduktion sieht, mit dem deren 'Absicht' noch nicht völlig erreicht sein soll. Es reicht daher zur Lösung des Beweisstruktnrproblems nicht, auf irgendwelche Unterschiede in den beiden Teilen der Deduktion hinzuweisen. Man muß entweder zeigen, daß die Resultate der beiden Beweisschritte (entgegen dem ersten Anschein) wesentlich verschieden sind; oder man muß zeigen, daß die aus Kants Perspektive entscheidende Differenz nicht in den Resultaten des

Beweises liegt.35 Ich werde nun zunächst auf zwei Motive hinweisen, die für die Strukturierung der B-Deduktion eine Rolle gespielt haben dürften, und dann _ einen Vorschlag zur Interpretation des Argumentationaverläufs der B-Deduk—

tion machen, der in wesentlichen Punkten von der Standardinterpretation ab— weicht.

4. Gründefür die Neubearbeitung der rranszendentalen Deduktion

Wir können zu diesem Zwecke von einem Hinweis ausgehen, den Kant

selbst zur Charakterisierung des Unterschiedes der beiden Beweisschritte gibt. In 5 21 begründet Kant seine Behauptung, daß mit dem ersten Teil der Deduktion allererst der "Anfang einer D e d u k t i o n der reinen Verstandesbegrit'fe gemacht" sei, mit dem Hinweis darauf, daß er, "da die Kategorien u n a b h ä n g i g v o n S i n n l i c h k e i t bloßim Verstande entspringen, noch von der Art, wie das Mannigfaltige zu einer empirischen Anschauung gegeben werde, abstrahieren" mußte (B 144). Die Art, wie das Mannigfaltige zu einer

empirischen Anschauung gegeben wird, könne daher erst in "der Folge (5 26)"

35 Hear-ich hat in seinun Aufsatz über “Die Beweisetrukmr von Kaa transaendentalcr Deduk—

t.iar" 0973) die erste Möglidrkeit gewählt. Sein Vorschlag zur Lösung des Beweisnrulnurpm— hierns ist aber mit. dern Argumentverlauf des ersten Teils der B—Dedulttion unvereinbar. Vgl. dam meine Bemerkungen in 'l'höle (1981) S. 305f. und in Tuschling (1984) S. 545. u. S. 69ff. Neuerdings scheint Henrich selbst der zweiten Strategie mmneigen. Bisher liegen dazu allerdings nur redrt vage Andeutungm vor. Vgl. Henridts Bemerkungen zum Deduktionsbegriff in Tuschling (1984) S. 85ff..

274

Selbstbewußtsein, Objektivität und Geaemnißigkeit in der tr. Deduktion

(B 144) in den Beweisgang eingebracht werden. Aber wieso glaubte Kant - im Unterschied zu dem Verfahren, das er in der A-Deduktion verfolgte - zunächst . von den Bedingungen der Sinnlichkeit abstrahieren zu miissen? Um dies verstehen zu können, ist es nützlich, die Frage aufzuwerfen, in welcher Hinsicht Kant selber die Fassung der ersten Auflage unzulänglich fand. Und dazu ist ein wenig über die kritischen Reaktionen. denen sich Kant in der Zeit zwischen 1781 und 1787 ausgesetzt sah, mitzuteilen. Die hohen Erwartungen, die Kant mit der Veröffentlichung der 'Kritik der reinen Vernunft verband, wurden bekanntlich enttäuscht. Den spärlichen Reaktionen auf das Werk, von dem er sich eine völlige Umänderung der Denkungsart versprochen hatte, mußte Kant entnehmen, daß es ihm nicht gelungen war, sich besonders verständlich zu machen. Und die Klage über die Dunkelheit der KW konzentrierte sich auf ihren wichtigsten Teil, "welcher gerade der hellste sein müßte": die transzendentale Deduktion (MAdN AA N S. 475 Anm.). So

kann es nicht überraschen, daß Kant alsbald den Plan faßte, diesem Teil seines Werks fiir eine neue Auflage eine klarem Darstellung zu geben. Die zweifellos berechtigten Klagen über die Dunkelheit "dieses Nervensaftverzehrende[nl Werk[es]" - so Mendelssohn in einem Brief an Kant vom 10. 4. 1783 (AA XS. 306) - sind aber nicht der alleinige Grund für diese neue Bearbeitung. Kant , " wurde auch hier und da mit Einwendungen konkreterer Art konfrontiert.

Am Dienstag, dem 13. Dezember 1785 veröffentlichte die 'Allgemeine Li— teratur-Zeitung' eine anonyme Rezension der ‘Institutiones Logicae et Metaphysicae' des Johann August Ulrich. Der Rezensent, der von Kant als "bester philosophischer Kopf in unserer Gegend" (AA X S. 133) geschätzte Hofprediger

Johann Schultz“, findet den "wichtigsten Vorzug, durch welches sich dieses

Lehrbuch auszeichnet, 1md wodurch es zur Zeit in seiner Art einzig ist", in der "beständige[n] Rücksicht, welche dasselbe auf das in allem Betracht so prüfungswürdige K a n t s c h e System nimmt, und die scharfsinnige Art, mit welcher der Hr. Verf. letzteres, so weit es ihn überzeugt hat, in sein eignes System zu verweben sucht" (Schultz (1785) S. 297). Die Rezension handelt daher auch ausschließlich von Problemen des "Kantschen Systems". Es wird berichtet, daß "der Hr. Hofrath der Critik der reinen Vernunft bis zur Lehre von den Kategorieen beynahe völlig bey[stimme], ausser dass ihm [...] die meisterhafte

Tafel der Kategorieen unvollständig vorkommt" (Schultz (1785) S. 297); — mit der Grenzbestimmung der reinen Vernunft aber sei er nicht einverstanden. Er

sei vielmehr der Meinung, daß

36 Zur Autorsd1aft von Schultz vgl. die Anmerkungen in der Akademieausgabe m Brief 253 (AA xm 3 15711). Vgl. auch AA x s 421.

Gründe fiir die Narbearbeitung dertnmszendenlalen Deduktion

275

"die Categorieen nicht bloss auf Erscheinungen, sondern eben sowohl auf D i n g e a n 5 i c h anwendbar. folglich nicht bloß von i m m a n e n tem-, sondern auch

vom transcendentem Gebrauch [seien]. K a n t , der letzteres leugnet. prädicire sie gleichwohl seü>st an vielen Stellen auch von Dingen an sich.[...] [An dieser Stelle muß der] Recensent [...] gestehen, in manchen von diesen Zweifeln des Herrn Hofraths seine eigenen angenoffen zu haben. [Und obgleich] [d]iese Uebereinstimmung [...] noch keine Präsumtion für ihre Richtigkeit [ist]. [...] so ist doch wenigstens "ge-

wiss. dass diese Zweifel, die kein Unbet'angener so ganz unerheblich finden wird. gerade das Hauptfundament des ganzen Kantschen Lehrgebliudes treffen, und dass also letzteres [...] in Ansehung seines eigentlichen Hauptziels noch lange nicht diejenige apodiktische Ueberzeugung mit sich fiihrt, welche zur Abnöthigung einer u n e i n g e3s7c h r 511 k t e n Annahme desselben erforderlich ist" (Schultz (1785) S. 298).37

Der Vorwurf ist berechtigt. Denn in der ersten Auflage der KrV erweckt Kant nicht selten den Eindruck, als beruhe die Grenzbestimmung des reinen Vernunftgebrauchs darauf, daß ein die Erfahrungsgrenzen überschreitender, transzendenter Vemunftgebrauch deshalb unmöglich sei, weil die reinen Kategorien strenggenommen gar keine Begriffe von Gegenständen seien, und nur die schematisierten Kategorien 'Sinn und Bedeutung hätten. So heißt es z.B. im Anhang über die 'Amphibolie der Reflexionsbegriffe': "Wenn wir unter bloß intelligiblen Gegenständui diejenigen Dinge verstehen. die durch reine Kategorien, ohne alles Schema der Sinnlichkeit, gedacht werden. so sind dergleichen ‘unmöglt'c " (A 286/B 342). Und in der trans7endentalen Dialektik: "selbst die Begriffe von Realität, Substanz. Kausalität, ja sogar der Notwendigkeit im Dasein, verlieren alle Bedeutung, und sind leere Titel zu Begriffen. ohne allen In— halt, wenn ich mich außer dem Felde der Sinne damit hinauswage" (A 679/B 707). "Denn alle Kategorien [...] haben gar keinen Sinn. wenn sie nicht auf Objekte möglicher Erfahrung, d.i. auf die Sinnenwelt angewandt werden. Außer diesem Felde sind sie bloß Titel zu Begriffen" (A 696/B 724). 37 Wir wissen, daß Kant diese Rezension gelesen und offenbar sehr ernst genommen hat. Denn anders ist kaum zu erklären, wieso er entgegen seiner Gewohnheit in einer langen Anmerkung zu den 1786 erschienenen Metaphysischen Anfangsgninden der Namrwissenschnft' ausführlich auf sie eingeht. Eben der Punkt, “in welehe[ml der tieflorschende Remsent mit seinem nicht minder pnifertdm Verfasser übereinmkomrnen sich erklärt“ (AA IV S. 474 Anm.), veranlaßt ihn zu einer ausführlichen Auseiunndetsetnmg mit der Rezension. In dieser Anmerkung finden wir nicht nur zum ersten Mal eine Bestimmung des Kategorimbegrifl's, die genau mit der 'Er— klämng', die Kant in der zweiten Auflage gibt, übereinstimmt — Kant kündigt auch an, daß er . "die nächste Gelegenheit ergreifen werde". den Mangel der "Dunkelheit, die diesem Teile der Deduktion [sc. der die Frage: wie nun Erfahrung vermittels jener Kategorien und nur allein durch dieselben möglich sei] [...] anhingt‚ und die ich nicht in Abrede ziehe“ m 'ergiinun". Deru1 diese “Aufgabe, obgleich auch ohne sie das Gebäude fest steht, hat indessen große Wid1tigkeit und. wie ich es jetzt einsehe, eben so große Leichtigkeit, da sie beinahe durd1 einen einzigen Schluß aus der genau bestimmen Definitim des U r ! h e i l : überhaupt [...] verrichtet werden kann“ (AA IV S. 475f. Anm.). Es kann also kein Zweifel sein. daß dieser Remsion

eine wichtige Rolle für die Neukonaeption der Dedulttion mkommt.

276

Selbstbewußtsein. Objektivität und Gesetnnäßigkeit in der tr. Deduktion

Die Liste ließe sich fortsetzen. Kant merkte aber bald, daß er mit solchen Äußerungen weit über sein Ziel hinausgeschossen war. So verwundert es nicht, daß er die erste der zitierten Stellen in seinem Exemplar der ersten Auflage selbst korrigiert hat: Anstelle von "gedacht" fügt er ein: "von uns erkannt"

(AA XXIII S. 49)?‘8 Das hat einen guten Grund. Denn jeneintelligiblen Gegenstände, die er an dieser Stelle für unmöglich erklärt hatte, nahm er im Rahmen seiner praktischen Philosophie in Anspruch: Zwar hält Kant auch dort an der Unerkennbarkeit der Dinge an sich fest; aber wenn wir uns im praktischen Gebrauch der Vernunft als frei handelnd denken wollen, müssen wir uns als "Glie-

der in der Verstandeswelt" (GMS AA IV S. 453) zumindest denken können39 und eben dazu müssen wir die reinen Kategorien in problematischen Urteilen auf Dinge an sich anwenden können. Der Hr. Hofrat hatte also zu recht auf eine Unstimmigkeit in Kants Bemerkungen über den transzendenten Gebrauch der reinen Verstandesbegn'ffe hingewiesen. Kant kommt ausführlich auf dieses “Rätsel der Kritik, wie man dem über-

sinnlichen G e b r a u c h e d e r K a t e g o r i e n in derSpekulation objektive R e a l i t ä t a b s p r e c h e n und ihnen doch in Ansehung der Objekte der reinen praktischen Vernunft diese R e a l i t ä t z u g e s t e h e n könne" (KpV AA V S S), in der ein Jahr nach der zweiten Auflage der KrV publizierten 'Kritik der praktischen Vemunft' zu sprechen: "Aber wie wird es mit der Anwendung dieser Kategorie der Kausa]ität (und so auch aller übrigen [...]) auf Dinge. die nicht Gegenstände möglicher Erfahrung sind. sondern über dieser ihre Grenze hinaus liegen? Dam ich habe die objehive Reahtät dieser Begriffe nur in Ansehung der G e g e n s t ä n d e m ö g l i c h e r E r f a h r u n g deduzieren können. Aber ebendieses, daß ich sie auch nur in diesem Falle gerettet habe, daß ich gewiesen habe, es lassen sich dadurch doch 0b1ela‘e d e n_k e n . obgleich nicht a priori bestimmen: dieses ist es, was ihnen einen Platz im _retnen Verstande gibt, von dem sie auf Objekte überhaupt (sinnliche oder nicht sumliche) bezogen werden. Wenn etwas noch fehlt, so ist es die Bedingung der A n w e n d u n g dieser Kategorien, und namentlich der der Kausalität, auf Gegenstände. nämlich die Anschauung, welche. wo sie nicht gegeben ist, die Anwendung zum B e h u f d e r t h e o r e t i s c h e n E r k e n n t n i s des Gegenstandes als Noumenon unmöglich macht, die also, wenn es jemand darauf wagt (wie auch in der Kritik der reinen Vernunft geschehen), gänzlich verwehrt wird, indessen dqß doch immer die objektive Realität des Begrtfi‘3‘ bleibt. auch von Noumenen gebraucht werden kann, aber ohne diesen Begrifi" theoretisch im mindesten bestimmen und dadurch eine Erkenntnis bewirken zu können. Denn daß dieser Begrifl’ auch in Bezie— hung auf ein Objekt nichts Unmögliches enthalte, war dadurch bewiesen, daß ihm

33 Vgl. auch Kerns Nachträge war zu A 139 und ua zu A 147 (AA xxm s. 27). 39 Kerns Deduktion des Sittengesetzes beruht eben darauf, daß wir uns notwendig als "zur Verstandeswelt gehörig ansehen" und insofern unseren Willen "als unter derldee der Freihert denken“ müssen (GMS AA N S. 452).

Gründe türdieNeubealbeitungdertnnszendentalen Dedukrion

277

sein Sitz an reinen Verstande bei aller Anwendung auf Gegenstande der Sinne gesichert war" (KpV AA V S. 54).

Eben in bezug auf diesen Punkt preist Kant darin auch "jene mühsame D e _ d u k t i o n der Kategorien" als "höchst nötig" und "ersprießlich für Theologie und Mo " (KpV AA V S. 141). Das hätte er von der Version der ersten Auflage schwerlich sagen können. Die zweite Auflage ist aber ganz unter diesem Gesichtspunkt konzipiert: Ausdrücklich merkt er in der B—Deduktion an - nachdem erderen ”Resultat" in dem Satz: " F o l g l i c h i s t u n s k e i n e Er— kenn tnis a priori möglich, als lediglich von Gegens t ä n d e n m ö g l i c h e r E r f a h r u n g " (B 166), zusammengefaßthat—z "Damit man sich nicht voreiligerweise an den besorglichen nachteiligen Folgen dieses Satzes stoße, will ich nur in Erirmerung bringen, daß die Kategorien'rm D e n k e n durch die Bedingungen unserer sirmlichen Anschauung nicht eingeschränkt sind. sondern ein 1mbegrenztes Feld haben, und nur das E r k e n n e n dessen, was wir uns denken. das Bestimmen des Objekts, Anschauung bedürfe. wo, beim Mangel der letzterer, der Gedanke vom Objekte übrigens noch immer seine wahren und nützlichen Folgen auf den V e r n u n f t g e b r a u c h des Subjekts haben kann. der sich aber, weil er nicht immer auf die Bestimmung des Objekts, mithin aufs Er— kenntnis. sondern auch auf die des Subjekts und dessen Wollen gerichtet ist, hier ‘ noch nicht vertragen läßt" (B 166 Anm. vgl. KpV AA V S. 141).

Damit haben wir bereits ein erstes mögliches Motiv für die Zweiteiluhg der B—Deduktion. Wenn in der Deduktion den reinen Verstandesbegriffen durch Sicherung ihres Ursprungs a priori ein "unbegrenztes Feld" offengehalten wer-

den soll, so mußte Kant, da die Kategorien "unabhängig von Sinnlichkeit bloß im Verstande entspringen, [zunächst] noch von der Art, wie das Mahnigfaltige zu einer empirischen Anschauung gegeben werde, abstrahieren" (B 144). Damit aber war ein Verfahren, wie er es noch in der ersten Auflage verfolgte, ausgeschlossen: Die Kategorien können nun nicht einfach als die die Erfahrungserkenntnis ermöglichenden Regeln a priori eingeführt werden. Es muß von den reinen Kategorien gezeigt werden, daß sie zwar nicht zur theoretischen Erkenntnis der Dinge an sich gebraucht werden können, gleichwohl aber unabhängig von der Anwendung auf unsere Pannen der Sinnlichkeit Bedeutung haben.

Wenn Überlegungen dieser Art für Kants neues Beweisverfahren bestim— mend waren, so läßt sich auch eine Vermutung zu der Frage, inwiefern das Be— weisresultat des ersten Schrittes hinter Kants Beweisziel in der Deduktion zu— rückbleibt, anstellen. In der Deduktion muß dann nämlich mindestens zweierlei gezeigt werden. Erstens muß der Nachweis geführt werden, daß die Kategorien “unabhängig von Sinnlichkeit bloß im Verstande entspringen" (B 144). und dazu muß zu—

278

Selbstbewußtsein.0bjektivitätund6csetzmäßigkeitin der u. Deduktion

nächst von der An unserer Anschauungsformen abstrahiert werden. Dieser Nachweis geschieht dadurch, daß gezeigt wird, daß die Kategorien Begriffe a

priori von Gegenständen überhaupt sind, indem ]. gezeigt wird, daß wir die Fithigkeit haben, zu allen unseren Vorstellungen Gegenstände zu denken, und 2., daß diese Fähigkeit auf das "Prinzip alles Verstandesgebrauchs" (nämlich die Einheit der Apperzeption) (B 136) zurückzufiihren ist. Wir können dann das Beweisziel des ersten Teils so verstehen, daß lediglich behauptet wird, daß wir die Fähigkeit haben, alle unsere Vorstellungen im Begriff eines (empirischen) Objekts zu verbinden, und daß dies nur möglich ist durch Anwendung der Kategorien. Damit aber ist noch nicht ausgeschlossen, daß die Kategorien nicht gleichwohl ganz leere Begriffe sind "und überall unter den Erscheinungen keinen Gegenstand antreffe[n " (A 90/13 122). Solange Kant von den Bedingungen, unter denen uns Gegenstände gegeben werden können, abstrahiert, ist es auch gar nicht möglich, diese weitergehende Frage zu beantworten. Dies geschieht daher auch erst im zweiten Teil der B-Deduktion. Kant hat den Einwand von Ulrich und Schultz zu den "erheblichsten Einwürfe[n] wider die Kritik. die mir bisher vorgekommen sind.“ geühlt (KpV

AA V S. 6). Die Rezension enthält aber noch einen zweiten wichtiger Einwand: Schultz kann

"nicht umhin. bey dieser Gelegenheit wenigstens einige Gedanken zu weiterer Untersuchung hinzuzusetzen. K a n t deducirt die objective Realität der Kategorieen [...] daher, weil ohne dieselbe keine E r f a h r u n g möglich wäre. Nun versteht er unter Erfahnrng bald blosse W a h r n e h m u n g s u r t h e i l e . [...] bald E r -

f a h r u n g s u r t h e i l e [...]. Also würde in der erstem Bedeutung des Werts der Sinn seiner Deduction dieser seyn: ohne objective Realität der Kategorieen sind kei. ne W a h r n e h m u n g s u r t h e i l e möglich. Indiesem Sirmerfimmterwirklich den Satz an vielen Orten [...]. Allein. wenn ich nichts wahrnehmen kann, ohne mei— '

ne empirische Vorstellungen erst unter eine objectivgßltige Kategorie zu bringen. heist das eben so viel. als: um e nt p i r i s c h urtheilen zu können. muss ich erst a p r i o r i und zwar synthetisch urtheilen? 2.8. um sagen zu können: wenn die Sonne scheint, so wird der Stein warm, müsste ich erst wissen, dass der Sonnenschein die U r s a c h e von der Wärme des Steins sey. Ausserdem aber würde sich Kant hie'r selbst widersprechen. da er [...] ausdrücklich sagt: die Wahrnehmungsurtheile besondern nur der 1 0 dürfen k e i n e r r e i n e n V e r s t a n d e s b e g r i f f e , g i s c h e n Verknüpfung der Wahrnehnungen in einem denkenden Subject. Versteht man dagegen unter der Erfahrung ein E r f a h r u n g s u r t h e i l ; so würde

die Kantsche Deduction diesen Sinn haben: ohne objective Realität der Kategorien ist kein E r f a h r u n g s u r t h e i l möglich, und dieses scheint ihr wahrer Sinn seyn zu sollen. indem Kant immer darauf dringt, dass, wenn die Kategorieen keine nothwendige Beziehung auf Erscheimrngen hätten. alle unsere Wahrnehmungen ein regelloser Haufe seyn würden. aus welchen wir gar kein Erkenntniss zusammen setzen könnten. Allein. wenn uns nicht alles trägt. so sagt der obige Satz nichts weiter als dieses: wenn die Kategorieen keine nothwendige Beziet auf Erscheimmgen‚ d.i. in ihnen keine o b j e c t i v e G ü l t i g k e i t h ä t t e n , so würdenwirvon letzv

Gründefiirdie Neubeorbeimng der uanszmdentalen Deduktion

_279

tern nie a p r i o r i . d.i. allgemein oder o b j e c t i v g t t l t i g urtheilen können

[...]. Allein ist dieser Satz nicht. wie schon Hr. Hofrath amnerkt. in der That i d e rt t i s c h ? Bestand nicht eben das ganze Vorgehen des Hume darin. dass wir nie a p r i o r i sagen könnten: aqmilsseB n o t h w e n d i g folgen. Und wollte der vertrefliche Kant uns nicht eben erst il b e r z e u g e n , dass wir zu dergleichen all-

gemeinen Erfahnmgsurtheilen a l l e r d i n g s befugt sind? Man darf indessen noch kein sceptischa Hume seyn, um dieses zu bezweifeln. Gesetzt die Erscheinungen wären in der That ein regelloser Haufe, ein blosses Aggregat von S i m u l t a n e i s und S u c c e s s i v i s , dasmrsblossdarumregelmässigerschiaw‚weilihr Daseyn. den Raum- und Zeitverhältnissen nach, durch den Willen des Schöpfers aufs weiseste dergostalt p r ä s t a b i l i r t . dass auf gewisse Erscheintmgen (die ohnehin nichts weiter als Vorstellungen in uns, oder gewisse Modificationen unsers Bewustseyns sind) immerfort gewisse andere aufs ordentlichste folgten. ohne dass zwischen den Erscheinungen selbst die mindeste r e a l e Verknüpfung vorhanden wäre; so wärendieKategor-ieerrder

Ursache

und G e m e i n s c h a f t

aufdie

Erscheinungen der Natur gar nicht anwendbar. und unser Verstand würde in diesem Falle. anstatt der Natur ihre Gesetze vom:schreiben‚ vielmehr ihre bloss scheinbare Gesetzmässigkeit von ihr bloss durch Wahmehmung a p o s t e r i o r i ablernen. Doch däoese Gedanken seyn bloss zur Prüfung bürgeworfen" (Schultz (1785) S. 299).

Erdmann (1878b S. 110), der als erster auf die Bedeutung dieser Rezension _

hingewiesen hat, übergeht erstaunlicherweise gerade einen der wichtigsten hier angesprochenen Punkte: den Hinweis auf Kants (scheinbar) widersprüchliche Einstellung zu der Frage, ob auch Wahmehmungsurteilenreine Verstandesbegriffe enthalten miissen. In den 'Prolegomena' hatte Kant behauptet, daß die Wahmehmungsutteile “keines reinen Verstandesbegriffs" bedürfen (Pr; 5 18

AA N S. 298). Auf diese Äußerung bezieht sich Schultz offenbar, Wenn er Kant ftir den Fall, daß die Kategorien als Bedingungen möglicher Wahmehmung deduziert werden sollen, einen Selbstwiderspruch vorwirt't. Nun hatte Kant aber in der A-Deduktion eben dies behauptet: Die in den Kategorien gedachte "objektive Einheit alles (empirischen) Bewußtseins in einem Bewußt— sein (der ursprünglichen Apperzeption) ist [...] die notwendige Bedingung sogar aller möglichen Wahrnehmung" (A 123).

Wir können also davon ausgehen, daß Kant mit einem der Hauptprobleme unserer im zweiten Kapitel erstellten Problemliste spätestens 1785 konfrontiert werden ist. Damit hängt ein anderer wichtiger, in der Rezension angesprochener Punkt zusammen: die Frage nach dem Beweisanspruch der transzendentalen Deduktion. Schultz konfrontiert Kant mit einem Dilemma: Entweder er deduziert seine Kategorien als Bedingungen der Wahrnehmung, dann gerät er in Widerspruch zur Theorie der 'Prolegomena'; oder er deduziert sie als Bedin40 Dieser zuletzt angesprochene Punkt hat Kant noch lange beschäftigt. In der B-Deduktion kommt er in 5 27 auf ihn zu sprechen. Vgl. aber auch die widrtigen diesben'iglichm Bernerkungen in AA XI S. 41 u. S. 52. sowie AA VIII S. 248f..

280

Selbstbewußtaein, Objektivititundüesetnnißigkeitindertr. Deduktion

gungen möglicher Erfahrungsurteile; dann wird das Resultat trivial, weil dabei

ein extrem starker Objektbegriff vorausgesetzt wird.“ Damit ist Kant mit der Frage nach den Prämissen seiner Deduktion konfrontiert: Er muß sich entschei—

den, ob er die Kategorien als Bedingungen jeden Bewußtseins oder nur als Be- ‘ dingungen der objektiven Erfahrungserkenntnis deduzieren will. Angesichts dieser Sachlage ist die Hypothese wohl nicht allzu gewagt, daß Kant damit auch mit dem Problem der subjektiven Vorstellungen konfrontiert wurde. Denn in den 'Prolegomena' hatte er ja ausdrücklich die Möglichkeit nicht-objektivier— barer Vorstellungen zugelassen. Man wird wohl annehmen können, daß Kant versucht hat. diese Punkte im Rahmen der neuen Bearbeitung seiner transzendentalen Deduktion zu berück— sichtigen. Wir wenden uns nun dem zweiten Teil der B-Dedulrtion zu, um zu sehen, ob und in welchem Umfang sich diese Erwartungen bestätigen lassen.

5. Der zweite Teil der B-Deduktion

Wir haben gesehen, daß Kant behauptet, daß mit dem ersten Teil das Ziel der Deduktion noch nicht erreicht ist. Darüber hinaus hat sich gezeigt, daß der Beweis, den Kant im ersten Teil verträgt, der Sache nach hinter den von der Standardinterpretation geweckten Erwartungen zurückbleibt: Es folgt bestenfalls, daß wir uns die Gegenstände unserer Vorstellungen als unter Kategorien stehend denken müssen, wenn wir uns der Identität unserer selbst in diesen Vorstellungen bewußt werden wollen. Es liegt also nahe zu vermuten, daß Kant im ersten Teil auch nur dies zeigen wollte. Und diese Annahme fügt sich auch gut in das Bild ein, das wir eben von der Problemkonstellation gezeichnet haben, mit der Kant zwischen 1781 und 1787 konfrontiert wurde. Es gibt aber darüber hinaus auch direkte Hinweise im Text der B-Deduktion, die unsere An— nahme stützen, daß Kant selbst die Unvollständigkeit des ersten Teils darin ge sehen hat, daß dort lediglich gezeigt wird, daß wir unsere Vorstellungen durch Subsumtion unter Kategorien in Gedanken auf Objekte beziehen können, ohne daß damit die Wahrheit solcher Urteile bereits feststeht. Da Kant im ersten Teil von den Bedingungen, unter denen uns das Mannigfaltige gegeben wird, noch abstrahiert, ist auch gar nicht zu sehen, wie er etwas über die Wahrheit solcher Urteile sagen könnte. Es ist ja noch nicht einmal klar, worin die Wahrheitsbedingungen solcher Urteile bestehen. Bevor also die Frage erörtert werden kann,

‘" Auch hier um sich sam offenbar auf die Charakterisienmg der Erfabnmgsurteile aus da 'Prolegomena'.

Der zweite Teil daB—Deduktion

_281

ab es Erscheinungen gibt, die unter Kategorien subsumierbar sind, ist zunächst

zu klären, wie die den Kategorien entsprechenden Anschauungen' überhaupt be— schaffen sein müssen. Nun haben wir bereits darauf hingewiesen, daß in Kants Argument in 5 26 die Einheit von Raum und Zeit eine zentrale Rolle spielt. In 5 17 gibt Kant

einen ersten Hinweis, inwiefern die Einheit von Raum und Zeit wichtig ist: "Der Raum und die Zeit und alle Teile derselben sind Arts c h a u u n g e n [...].

[die] viel Vorstellungen als in eine. und deren Bewußtsein, enthalten, [und in denen] die EinheitdesBewußtseins. als s y n t h e t i s c h , aberdochmspdhglich angetreffen wird. Diese E i n z e ! nit e i t derselben in wichtig in der Anwendung" (B 136 Anm.).

Nimmt man die Überschriften der 55 22, 24 und 26 hinzu, so bestätigt sich die Vermutung, daß es in diesen Paragraphen um die "Anwendung" (B 146; vgl. B 150) der Kategorien auf Gegenstände der Erfahrung, um ihren "Gebrauch zum Erkenntnis" (B 146) der Dinge, um die Erklärung ihres "allgemein möglichen Erfahrungsgebrauc " (B 159) geht. '

Unmittelbar im Anschluß an 5 21, in dem Kant erklärt hatte, daß die De— duktion noch nicht vollendet sei, finden wir die folgende Bemerkung: "Sich einen Gegenstand d e n k e n . und einen Gegenstand e r k e n n e n . ist also nicht einerlei. Zum Erkenntnisse gehören nämlich zwei Stücke: erstlieh der Begriff, dadurch überhaupt ein Gegenstand gedacht wird (die Kategorie). und zweitens die Anschauung, dadurch er gegeben wird; denn, könnte dem Begriffe eine korrespondierende Anschauung gar nicht gegeben werden. so wäre er ein Gedanke der Form nach, aber ohne allen Gegenstand, und durch ihn gar keine Erkenntnis von irgendeinem Dinge möglich; weil es. soviel ich wußte, n i e h t s g ä b e , noch geben k 6 n n t e . worauf mein Gedanke angewandt werden könne. Nun ist alle uns mögli— che Anschauung sinnlich [...]. also kann das Denken eines Gegenstandes überhaupt durch einen reinen Verstandesbegriff bei uns nur Erkenntnis werden, sofern dieser auf Gegenstände der Sinne bezogen wird" (B 146).

Das Resultat des ersten Beweisschrittes ist also so zu verstehen, daß wir mit den Kategorien das Vermögen haben, zu all unseren Vorstellungen einen Gegenstand zu denken. Aber es ist damit noch ganz offen, ob solchen Gedanken ein wirklich existierender Gegenstand entspricht. Denn zur Erkenntnis eines Objekts gehört außer dem Begriffe eines Gegenstandes noch eine dem "Begriffe [...] korrespondierende Anschauung" (B 146). Bevor Kant die Frage beantworten kann, ob den Kategorien eine korrespondierende Anschauung gegeben werden kann, muß zunächst untersucht werden, wie Anschauungen, die den Kategorien korrespondieren sollen, beschaffen sein müssen. Es muß also nach der "Bedingung der A n w e n d u n g der Kategorien" (KpV AA V S. 54) auf gegebene Erscheinungen gefragt werden, d.h. es muß untersucht werden, worin die Wahrheitsbedingungen kategorialer Urteile bestehen.

282

Selbstbewußtsein,0bjektivititund Gesetzmäßigkeitinder «. Deduktion 5.1. Die Frage nach den Anwendungsbedingungen der Kategorien

Dieser Frage wendet sich Kant folgerichtig auch in dem "Von der Anwendung der Kategorien auf Gegenstände der Sinne überhaupt" handelnden 5 24 ' ZU.

"Die reinen Verstandesbegriffe beziehen sich durch den bloßen Verstand auf Gegenstände der Anschauung überhaupt. unbestimmt ob sie die unserige oder irgendeine andere, doch sinnliche, sei. sind aber eben darum bloße G e d a n k e n f o r m e n ,

wodurch noch kein bestimmter Gegenstand erkannt wird. [...] Weil in uns aber eine gewisse Form der sinnlichen Anschauung a priori zum Grunde liegt, [...] so kann der Verstand, als Spontaneität, den inneren Sinn durch das Marurigfaltige gegebener Vorstellungen der synthetischen Einheit der Apperzeption gemäß bestimmen, und so synthetische Einheit der Apperzeption des Marmigfaltigen der s i n n l i c h e n A n s c h a n n n g apriori denken. als die Bedingrmg, unter welchen- alle Gegenstände unserer [...] Anschauung notwendigerweise stehen müssen" (B 150).

Die Einzelheiten von Kants Überlegung sind ziemlich undurchsichtig. Immerhin ist: soviel klar: In & 24 geht es um die Frage, wie die reinen Verstandesbegriffe auf das sinnlich Gegebene angewandt werden können. In 5 22 hatten ' wir bereits lesen können, daß die Verstandesbegriffe nur dann Erkenntnis liefern, wenn ihnen eine "korrespandierende Anschauung" gegeben werden kann (B 146). Daher stellt sich nun für Kant die Frage, wie es überhaupt möglich ist, daß es so etwas wie ein anschauliches Korrelat zu der "bloß rein intellektual[en]" Synthesis, die in den Kategorien gedacht wird (B 150), geben kann. Kant versucht deshalb zu zeigen, daß es eine der in den Kategorien gedachten intellektualen Synthesis korrespondierende "figilrliche Synthesis" (B 151) gibt, durch die die Einbildungskraft "den Sinn seiner Form nach der Einheit der Ap— perzeption gemäß bestimmen kann" (B 152). Diese Möglichkeit soll 1. darauf, daß wir über Anschauungsfonnen a priori verfügen, und 2. auf der Theorie der Selbstaffektion beruhen: Indem der Verstand auf die Verbindung achtet, die er im Urteil denkt, "bestimmt [er] darin jederzeit den inneren Sinn der Verbindung, die er denkt, gemäß, zur inneren Anschauung, die dem Mannigfaltigen in der Synthesis des Vrirstandes korrespondiert" (B 157 Anm; vgl. B 154): "Das, was den inneren Sinn bestimmt, ist der Verstand und dessen tusprllngliches Vermögen das Mannigfaltige der Anschauung zu verbinden. d.i. unter eine Apparzeption (als worauf selbstseine Möglichkeit benrht) zu bringen. Weil nun der Verstand in uns Menschen selbst kein Vermögen der Anschauungen ist, [...] so ist seine Synthesis, wenn er für sich allein betrachtet wird, nichts anderes, als die Einheit der Handlung, deren er sich. als einer solchen, auch ohne Sinnlichkeit bewußt ist, durch

die er aber selbst die Sinnlichkeit innerlich in Ansehung des Mannigfaltigen. was der Form ihrer Anschauung nach ihm gegeben werden mag, zu bestimmen vermögendist.Eralso übt, unterdeeennmrgeiner t r a n s z e n d e n t a l e n S y n - _

Der zweite Teil der B-Dedukuou'

. 283

t h e s i s d e r E i n b i l d u n g s k r a f t , diejenige Handlur'rg aufs p a s s i v e Subjekt, dessen V e r m 6 g e n er ist, aus, wovon wir mit Recht sagen. daß der innere Sinn dadurch affiziert werde" (B 153f.).

Durch die transzendentale Synthesis der Eirrbildungskraft kann der "Sinn seiner Form nach der Einheit der Appenzeption gemäß" (B 152) bestimmt werden, und diese Bestimmung ist eine "Wirkung des Verstandes auf die Sinnlich-

keit und die erste Anwendung desselben (zugleich der Grund aller übrigen) auf Gegenstände der uns möglichen Anschauung“ (B 152).

Das ist ein ziemlich abstraktes Argument, und» die ihm zugrundeliegende Theorie der Selbstafi'ektion ist reichlich obskur. Wir können jedoch soviel festhalten, daß Kant offenbar meint, daß wir uns aufgrund der Möglichkeit der Selbstaffektion ein anschauliches Korrelat der in der Kategorie gedachten Ver— bindung verschaffen können. Dabei handelt es sich um eine Bestimmung des reinen Mannigfaltigen der Zeit. Diese reinen Zeitbestimmungen dienen als Grundlage für die Anwendung der Kategorien (vgl. 2.3. A 139f./B 178f. u. A 142/B 181; vgl. auch AA XI S. 316). Diese “erste Anwendung" des Verstandes auf das sinnlich Gegebene (B 152) liefert aber noch keine Erkenntnis: ’ " D i n g e in R a u m und Z e i t werden [...] nur gegeben, sofern sie Wahrneh— mungen (mit Empfindung begleitete Vorstellungen) sind, mithin durch empirische Vorstellung. Folglich verschaffen die reinen Verstandesbegriffe, selbst wenn sie auf Anschauungen & priori [...] angewandt werden, nur sofern Erkemmis. als diese. mithin auch die Verstandesbegriffe vemrt'ttelst ihrer, auf empirische Anschauungen an— gewandt werden können." (B 147)

.

Die durch die produktive Einbildungskraft hervorgebrachten reinen Zeitbestimmungen stellen nur die formalen Bedingungen vor, unter denen die Kate. gorien auf das empirisch gegebene Mannigfallige angewandt werden können. Wie ist nun die 'zweite Anwendung' der Kategorien auf die empirische Anschauung 'vermr'ttelst' der reinen Zeitbestimmungen zu denken? Wenn wir den

Ausfr'ihnmgen Kants im Rahmen des synthetischen Argriments in der 2. Analo— gie folgen, können wir folgende Vermutrmg anstellen: Das reine anschauliche Korrelat der Kausalitätskategorie besteht in der notwendigen Ordnung der aufeinander folgenden Zeitabschnitte. Die Anwendung der Kategorie auf die gege— benen Erscheinungen "geschieht nun dadurch, daß er [sc. der Verstand] die Zeitordnung auf die Erscheinungen [...] überträgt" (A 199/B 245). Da diese Zeitbestimmung der Erscheinungen aber ”nicht von dem Verhältnis der Erscheinungen gegen die absolute Zeit endehnt werden [kann], [...] müssen [die Erscheinungen] einander ihre Stellen in der Zeit selbst bestimmen" (A 200]

B 245). Wenn Erscheinungen also so beschaffen sind, daß durch sie diese not— wendige Folgeordnung der Zeit repräsentiert werden kann, sind sie unter die Kategorie des Kausalverhältnisses subsumierbar.

284

Selbstbewußtsein,0bjekuvitamrdcesetuniaigkeitirtdertr. Deduhion

Diese Theorie über die Anwendung der Kategorien auf die uns gegebenen Erscheinungen ist nicht nur ziemlich obskur, sie gibt auch auf die Frage, welches denn nun die Anwendungsbedingungen der einzelnen Kategorien sind,

keine Antwort. Wir erfahren lediglich, daß es zu jeder Kategorie ein Korrelat in ‘ der reinen Anschauung gibt, und daß es sich dabei um reine Zeirbestimmungen handelt. Zwar finden wir im Schematismuskapitel dann' eine Aufzählung der wichtigsten Schemata. Aber auch dort schweigt sich Kant darüber aus, wie er zu der Zuordnung der Schemata zu den Kategorien kom'mt: "Ohne tuts nun bei einer trockenen und langweiligen Zergliederung dessen. was zu transzendentalen Schematen reiner Verstandeebegriffe überhaupt afordert wird, aufzuhalten, wollen wir sie lieber nach der Ordnung der Kategorien und in Verknüpfung mit diesen darstellen" (A 142/B 181).

Das ist eine faule Ausrede. Es ist ziemlich wahrscheinlich, daß Kant auch noch nach der Publikation der zweiten Auflage mit der Theorie der Schemati—

sierung der Kategorien nicht klar gekommen ist.42 So wäre es wohl besser gewesen, wenn er auf seine sonderbare Theorie der

Selbstaffektion hier ganz verzichtet und sich stattdessen die Frage vorgelegt hätte, unter welchen Bedingungen es möglich ist, empirische Objekte in Raum und Zeit objektiv zu bestimmen. Die bei einer solchen Untersuchung ermittelten Bedingungen hätte er dann den einzelnen Kategorien zuordnen können. Damit wäre der Nachweis der objektiven Gültigkeit der Kategorien auch von der problematischen Abhängigkeit von der metaphysischen Deduktion befreitwor‘ den. Kants Ausfiihrungen zum Problem der Anwendungsbedingungen der Kategerien sind unter sachlichen Gesichtspunkten betrachtet ziemlich unbefriedi— gend. Es geht uns aber im gegenwärtigen Zusammenhang nicht in erster Linie um die Frage, wie überzeugend Kants Ausführungen der Sache nach sind. Es kommt vielmehr darauf an zu erkennen, was Kant in der B-Deduktion aus wel— chen Prämissen herzuleiten beabsichtigt. Daß es Kant in den 55 24 und 25 aber um die Frage der Anwendungsbedingungen der Kategorien ging, ist trotz der Undurchsichtigkeit der Argumentation deutlich geworden. Wir haben nun eine Reihe von Indizien zusammengetragen, die die Vermutung stützen, daß Kant im ersten Teil der B—Deduktion nur zeigen wollte, daß

42 Diese Vermumng wird bestätigt durch eine hübsche Passage in Kants Brief an I. s. Beck van 1. Juli 1794. Nachdem Kant einige ziemlich undurehsichtige Kommentare zum Schematismusproblem gemacht hat, fiihrt er fon: "Ich bernerire. indem ich dieses hinsehreihe, daß ich mich nicht einmal selbst hinreichend verstehe und werde Ihnen Glück wünsdren, wenn sie diese einfache dünne Fäden unseres Erkenntnisvermögens in genugsarn heller lichte darstellen kämen.“ (AA XI S. 515)

Der zweite TeilderB—Dedulttion

. 285

wir unsere Vorstellungen in (problematischen) Urteilen auf Objekte beziehen

können, und daß dieses dadurch geschieht, daß die gegebenen Vorstellungen als unter Kategorien stehend gedacht werden; in den ää 24/25 der B—Deduktion versucht Kant folgerichtig zu zeigen, daß der in der Kategorie gedachten Ver— bindung ein anschauliches Korrelat entspricht, so daß Erscheinungen dann wirklich unter Kategorien stehen, wenn sie so beschaffen sind, daß durch sie das anschauliche Korrelat der Kategorie repräsentiert werden kann. Zum Beweis der objektiven Gültigkeit der Kategorien fehlt dann nur noch der Nach-

weis, daß es wirklich solche Erscheinungen gibt. Es ist zu erwarten, daß Kant ebendies in 5 26, dem wir uns jetzt zuwenden wollen, versucht nachzuweisen.

5.2. Kants Argurnentin & 26 Die Kempunkte des zweiten Beweisschrittes faßt Kant in den folgenden Sätzen zusammen:

(l)

Die Synthesis der Apprehension ist "die Zusammensetzung des Man- ' nigfaltigen in einer empirischen Anschauung [...], dadurch Wahmeh-

mung, d.i. empirisches Bewußtsein derselben, (als Erscheinung)

möglich wird" (B 150).

'

(2)

Da Raum und Zeit Pannen der Anschauung sind, muß ihnen "die Synthesis der Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung je— derzeit gemäß sein, weil sie selbst nur nach dieser Form geschehen kann" (B 160).

(3)

"Aber Raum und Zeit sind nicht bloß als F o r m e n der sinnlichen

Anschauung. sondern als A n s c h a u u n g e n selbst (die ein Mannigfaltiges enthalten) also mit der Bestimmung der E i n h e i t dieses Mannigfaltigen in ihnen a priori vorgestellt" (B 160).

(4)

"Alsoistselbstschon E i n h e i t d e r S y n t h e s i s desMannig— faltigen, außer oder in uns, mithin auch eine V e r b i n d u n g , der alles, was im Raume oder der Zeit bestimmt vorgestellt werden soll, gemäß sein muß, a priori als Bedingung der Synthesis aller A p p r e h e n s i 0 n schon mit (nicht in) diesen Anschauungen zugleich gegeben" (B 160f.).

(5)

"Diese synthetische Einheit aber kann keine andere sein. als die der Verbindung des Mannigfaltigen einer gegebenen A n s c h a u u n g überhaupt in einem ursprünglichen Bewußtsein, den Kategorien

286

Selbstbewußtseirr. Objektivität und Gesetzmißigkeit in dem. Deduktion gemäß, nur auf unsere s i n n l i c h e Anschauung angewandt" (B 161). (6)

"Folglich steht alle Synthesis. wodurch selbst Wahrnehmung mög- . lich wird, unter den Kategorien" (B 161);

(7)

"da Erfahrung Erkenntnis durch verknüpfte Wahrnehmungen ist,"

(8)

"so sind die Kategorien Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung, und

(9)

'

gelten also a priori auch von allen Gegenständen der Erfahrung" (B 161).

Ich habe bereits im zweiten Kapitel darauf hingewiesen, daß Henrichs Vorschlag zur Auflösung des Beweisstrukturproblems eine auf den ersten Blick recht plausible Interpretation dieses Arguments gibt. Danach argumentiert Kant in folgender Weise: "Wo immer wir Einheit finden, da ist diese Einheit durch die Kategorien ermöglicht und in Beziehung auf sie deterrniniert. [Vgl. Schritt (5); Resultat des ersten Teils der B—Deduktion] Nlm haben wir aber im Falle unserer Vorstellungen von Raum und Zeit Anschautmgen, die Einheit enthalten [Vgl. Schritt (3): Resultat der transzendentalen Ästhetik]

> und die zugleich a l l e 5 in sich einschließen. was unseren Sinnen nur vorkommen kann. Denn sie haben ja ihren Grund in den Pannen unserer Sinnlichkeit, außerhalb deren uns keine Vorstellungen gegeben werden können. Wir können also sicher sein, daß alles gegebene Marmigfaltige ausnahmslos den Kategorien unterworfen ist" (Henrich (1973) S. 94).

Obwohl die Skizze, die Henrich hier von Kants Argument in 5 26 gibt, gut zu Kants Ausführungen zu passen scheint, hatten sich bereits erste Zweifel an ihrer Angemessenheit ergeben. Nach Henrichs Interpretation muß Kant nämlich implizit von einer alles andere als selbstverständlichen Zusatzprämisse Gebrauch machen: daß sich die Einheit von Raum und Zeit auf alles in Raum und

Zeit Vorgestellte überträgt.“ Henrichs Rekonstruktion hatte weiterhin die unangenehme Folge, daß die Kategorien bereits als Bedingungen der Wahrnehmung aufgefaßt werden müssen. Und damit ergab sich nicht nur ein Wider—

43

Wie plausibel diese Voraussetzung ist, kann man wohl erst beurteilen, warn geklärt ist, was

unter der Einheit von Raum und Zeit nr verstehen ist. Allganein betrachtet ist es sieheflidi un— zutreffend. daß sich jede Einheitseigenschaft von Raum und Zeit auf das in ihm:! Vorgestelhe automatisch überträgt. So folgt z.B. aus der von Kant in der 2. Analogie in Anspruch genan— menen notwendiger Folgeordnung der Zeitabschnine sidterlidt nicht unmittelbar, daß die an

diesen Zeiten auftretenden Ereignisse notwendig unurnkehrbnr sind. Vgl. oben S. 2177.

Derzweite TeilderB-Deduktion

_287

spruch zu Kants Behauptungen im Grundsatzkapitel,“ sondern-auch eine Van. ante des Problems der subjektiven Vorstellungen. Es wäre dabei- bsser, wenn sich das Argument anders verstehen ließe. Nun lag der Grund dieser Schwierigkeit darin, daß Henrich meint, daß alles, was in Raum und Zeit vorgestellt wird, dadurch auch an der (objektiven) Einheit von Raum und Zeit 'teilhat'. Wenn aber alles. was in Raum und Zeit wahrgenommen wird, durch die Synthesis der Apprehension bereits zu einer objektiven Einheit gebracht wird, dann kann es kein subjektives Wahrnehmungsbe-

wußtsein geben. Wir wären dann erneut mit dem Dilemma konfrontiert, die objektive Einheit entweder in einem so schwachen Sinn zu verstehen, daß auch Träume und Einbildungen als objektive Einheiten gelten können, oder Kant die unsinnige Position zuzuschreiben, daß es Träume und Einbildungen gar nicht geben kann. Aus diesem Dilemma kann man nur dann herauskommen, wenn man den Zusammenhang zwischen der Einheit von Raum und Zeit einerseits und der Synthesis der Apprehension andererseits indirekter deuten kann, als dies in Henrichs Interpretation geschieht. . Wenn wir den Text des 5 26 genauer betrachten, stellen wir fest, daß Kant _

gar nicht behauptet, daß dem empirischen Mannigfaltige schon dadurch, daß es

in Raum und Zeit angeschaut wird, selber Einheit zukommt. Er sagt lediglich, daß “alles, was im Raume oder in der Zeit bestimmt vorgestellt werden sol ‚" der Einheit von Raum und Zeit gemäß sein muß (B 161). Und er sagt weiterhin, daß diese Einheit, die das reine Mannigfaltige von Raum und Zeit besitzt, "nu't (nicht in) diesen Anschauungen zugleich gegeben“ ist (B 161). 4 Diese Formulierungen zeichnen sich nicht gerade durch besondere Klarheit aus. Aber man kann in ihnen vielleicht ein Indiz dafür sehen, daß Kant nicht unmittelbar daraus, daß das empirisch gegebene Mannigfaltige in den einheitlichen Vorstellungen von Raum und Zeit gegeben ist, schließen will, daß es deshalb auch schon an dieser Einheit partizipiert. Das empirisch gegebene Man— nigfaltige wird sozusagen auf dem Hintergrund der einheitlichen Vorstellungen von Raum und Zeit gegeben, ohne aber damit bereits selber hinsichtlich dieser Einheit bestimmt zu sein. Die Einheit von Raum und Zeit ist "mit" diesen empirischen Anschauungen gegeben, aber “nicht in" ihnen schon enthalten. Nur die— jenigen Wahrnehmungsgehalte, die in Raum und Zeit bestimmt vorgestellt wer—

den sollen, müssen dieser Einheit gemäß sein.45 “

ZB. A 18018 222; auch R 5221 AA XVIII S. 123. Vgl. oben 2. Kap. 1.4. und 1.5.

45 Dazu paßt auch das zweite Beispiel gut, anhand dessen Kant im 5 26 sein Argument illustriert: "Wenn ich [...] das Gefrieren des Wassers wahmehme. so apprehendiere ich zwa' Zustände (der Flüssigkeit und Festigkeit) als solche, die in einer Relatim der Zeit gegeneinander stehen. Aberin der Zeit, die ich der Erscheinung als inneren A n s c h a u u n g zum Grunde lege, stelle ich mir notwendig synthetische E i n h e i t des Mannigfaltigm vor, ohne die jene Rela-

288

Selbstbewußtsein. Objektivitittmd6esetnnäßigkeitin der n. Deduktion

Kant behauptet also nicht, daß jeder Wahmehmungsgehalt als solcher bereits der Einheit von Raum und Zeit gemäß ist; er behauptet lediglich, daß (a) mit jeder Wahrnehmung auch die Einheit von Raum und Zeit vorgestellt wird und (b) daß diejenigen Wahmehmungsgehalte, die in bezug auf die Einheit von ' Raum und Zeit bestimmt werden sollen, dieser Einheit gemäß sein miissen. Da Kant im nächsten Schritt (5) diese Einheit mit der kategorialen Einheit identifiziert, folgt auch nicht, daß alle Wahmehmungsgehalte als solche bereits unter Kategorien stehen; nur diejenigen Wahmehmungsgehalte, die in Raum und Zeit bestimmt vorgestellt werden, stehen unter Kategorien."6 Wenn sich all dies bei näherer Erläuterung bestätigen sollte, dann wäre un— ser Ausgangsproblem gelöst Aber um welchen Preis? Aus Kants Argument

folgt dann nicht mehr die (zu starke) These, daß alle Wahmehmungsgehalte unter Kategorien stehen, da dies nur noch für solche Wahmehmungsgehalte, die bezüglich der Einheit von Raum und Zeit bestimmt sind, gelten soll. Aber bedeutet das nicht, daß tms das Argument in 5 26 zwar nicht in neue Schwierigkeiten aber auch nicht weiter gebracht hat? Denn wodurch ist garantiert, daß es solche bezüglich der Einheit von Raum und Zeit bestimmten Walunehmungsgehalte iiberhaupt geben muß? Solange wir über keine Begründung für die Existenz solcher Wahmehmungsgehalte verfügen, springt aus Kants Argument

bestenfalls eine schwache Kategoricnthese‘” heraus. Die Frage, ob dem Argument in 5 26 mehr zu entnehmen ist, läßt sich wohl nur entscheiden, wenn geklärt ist. worin die Einheit, die Kant in (3) Raum und Zeit zuspricht, eigentlich bestehen soll. Leider gibt der Text dazu nur spärliche Hinweise. Man ist daher auf Vermutungen angewiesen. Immerhin verweist

Kant auf die transzendentale Ästhetik, und dort kommt wohl nur seine Behauptung in Betracht, daß es nur einen Raum und eine Zeit gibt.48 Wenn Kant in 5 26 an diese Behauptung denkt, lassen sich die wichtigsten Thesen seines Argumentes vielleicht folgendermaßen erläutern: Die These (3), daß Raum und Zeit als formale Anschauungen Einheit haben, würde dann (u.a.) besagen, daß alle in gegebenen Wahmehmungssituationen angeschauten Teile von Raum und Zeit als Teile einer allumfassenden Raumtion nicht in einer Anschauung b e s t i m m t (in Ansehung der Zeirfolge) gegeben werden könnte" (B 162f.). Aus der 2. Analogie wissen wir aber. daß die bloße Wahmehnutng 'rn An_ sehung der Zeitfolge' gerade unbestimmt ist.

46 Dem widerspricht auch nicht das Ergelmis, das Kant in (9) formuliert. Denn dort wird die Gel—

tung der Kategorien von den Gegenständen der Erfahnmg behauptet. Diese sind aberrn bemg . _ auf Raum und Zeit bestimmt. 47 und auch dies selbstverstindlich nur darin, wenn sich die in (5) behauptete Identifizierung mit _ der kategorialen Einheit überzeugend begründen läßt.

48 So verstehen Paten. Ewing und Allison den Hinweis auf die Einheit von Raum und Zen.

Der zweite Teil der B-Deduktion

. 289

Zeit anzusehen sind, in der sie ihre bestimmten Stellen haben. Jeder Teilraum

(bzw. Zeitabschnitt) muß daher als in einer bestimmten räumlichen (bzw. zeitlichen) Beziehung zu jedem anderen Teilraum (bzw. Zeitabschnitt) stehend betrachtet werden. Die These (4), wonach diese Einheit von Raum und Zeit mit aber nicht in den einzelnen Wahmehmungssituationen gegeben ist, ließe sich dann in folgender Weise verstehen: Wenn wir einen Teil des Raumes (bzw. der Zeit) wahrnehmen, so stellen wir uns dabei notwendigerweise vor, daß es sich nur um einen Teil eines größeren Raumes handelt. Die Grenzen unseres Gesichtsfeldes sind nicht die Grenzen des Raumes. Wir stellen uns notwendigerweise vor, daß

der Raumausschnitt, der uns in der Wahrnehmungssituation gegeben ist, sich in bestimmter Weise in einen umfassenden Raum integrieren läßt. Das bedeutet natürlich nicht, daß in der gegebenen Wahrnehmung diese bestimmte Beziehung auf den umfassenden Raum bereits vorliegt. Unmittelbar gegeben ist uns nur der Teilraum. Ich muß mit aber den gegebenen Teilraum' notwendigerwei— se als Teil eines umfassenden Raumes denken, und diese Notwendigkeit— ergibt sich aus der Wahrnehmungssituation selber. Ich kann mir also auch in bezug _ auf alles, was ich in Ramn und Zeit wahrnehme, denken, daß es in einer ein. deutig bestimmten raum-zeitlichen Beziehung zu anderem, was ich aktuell nicht wahmehme, steht; und all das, "was im Raume oder in der Zeit bestimmt vorgestellt werden soll", muß dann auch dieser Einheit "gemäß sein" (B 161), d.h. in eindeutig bestimmten raum-zeitlichen Relationen zu anderen Gegenständen in Raum und Zeit gebracht werden können. , These (5) besagt nun, daß dazu eine über die bloße Wahmehmmgssynthe-

sis hinausgehende kategoriale Synthesis erforderlich ist.49 Denn wenn die synthetische Einheit, die Raum und Zeit als female Anschauungen haben, "keine andere sein [kann], als die der Verbindung des Mannigfaltigen einer gegebenen Anschauung überhaupt in einem ursprünglichen Bewußtsein, den Kategorien gemäß" (B 161), können wir behaupten, daß die Bestimmung der gegebenen Wahmehmungsgehalte (also ihre Integration in eine umfassende Raum—Zeit)

nur durch Anwendung der Kategorien möglich ist.50 49 Damit würden auch die Schritte (G)—(8) zu einem nichttrivialen Teil des Argurnentes. (6) besagte dann. daß die Wahmehmungssynthesis die Wahmehmungsgehalte so zu Bewußtsein bringt, daß sie bea'iglich der Einheit von Raum und Zeit als bestimmbar vorgestellt werden. Mit (7) dagegen wiirde zum Ausdruck gebracht werden, daß diene Bestimmung erst durch die Verknüpfung der Wahmehmungen in einer Erfahrung erfolgt. Liest man (6) und (7) in dieser Weise. so entfällt der (verrneintlidre) Widersprudi zu Kante Behauptung irn Grundsatzkapitel. Es ist allerdings anzugeben. daß dies nicht gerade die glatteste lesen des Textes (vor llletn von Kanls Fonnulierung von (6)) ist. 50 Wir werden gleidr sehen, daß diese Behauptung etwas ebgeschwicht werden muß.

290

Selbrlbewußtsein. Objektivität und Gesetmtäfigkeit in der tr. Deduktion

Merkwürdigerweise gibt Kant für seine These (5) aber keine Begründung. Das ist deshalb merkwürdig, weil er in 5 21 gerade die Begründung dieser The-

se als die Aufgabe des 5 26 bezeichnet hatte.51 Wahrscheinlich glaubte er, (5) aus seiner in den && 24/25 entwickelten Theorie der Selbstaffektion herleiten zu '

können: Wenn nämlich alle Synthesis letztlich eine 'Wirkung' des Verstandes ist (Q 15), andererseits aber der Verstand durch Selbstaffektion in der Lage ist, das reine Mannigfaltige von Raum und Zeit der in den Kategorien gedachten "synthetischen Einheit der Apperzeption gemäß [zu] bestimmen" (B 150), so liegt es nahe, die Einheit von Raum und Zeit eben mit dieser durch 'Anwendung' der Kategorien auf unsere Anschauungsforrnen gedachten Einheit zu identifizieren. Es wäre natürlich wünschenswert, eine von der obskuren Selbstaffektionstheorie unabhängige Begründung für (S) zu entwickeln. Zu diesem Zweck können wir allerdings nicht auf Henrichs einfache Begründung, wonach das Resultat des ersten Beweisschrittes darin bestehen soll. daß alle Einheit kategoriale Einheit ist, zurückgreifen. Denn bei unserer Diskussion des ]. Teils der B-De-

duktion hatte sich ja gezeigt, daß nicht jede Verbindung von Vorstellungen kategorial bestimmt ist. Bei dem Versuch, (5) plausibel zu machen, können wir aber von einem-

anderen Ergebnis des ]. Teils ausgehen: daß die Kategorien als epistemische Begriffe von empirischen Objekten anzusehen sind (vgl. oben Abschnitt 2.2.5. S. 265ft). Der erste wichtige Punkt von Kants Beweis in 5 26 besteht in dem Hinweis auf die Einheit von Raum und Zeit. Diese besteht nach der oben vor— geschlagenen Interpretation darin, daß jeder in einer bestimmten Walunehmungssinration gegebene Teilraum' notwendigerweise als Teil eines umfassenden Raumes zu betrachten ist. Wenn verschiedene Teilräurne Teile eines umfassenden Raumes sind, so müssen sie in einem eindeutig bestimmten räumlichen Verhältnis zueinander stehen. Ich will dieses Verhältnis der Teilräurne zueinander im folgenden als ihr abjektives räumliches Verhältnis bezeichnen. Unter welchen Bedingungen kann das objektive räumliche Verhältnis verschiedener Teilräume bestimmt werden? Da der Raum selber kein Gegenstand der Wahrnehmung ist. kann es nicht unmittelbar durch Wahrnehmung bestimmt werden. Wenn es bestimmt werden soll, kann es folglich nur durch et—

was, das im Raum ist, bestimmt werden. Dies ist aber nur möglich, wenn es durch empirische Objekteim Raum bestimmt wird. Denn nur dann, wenn die 51 "In der Folge (5 26) wird aus der Art. wie in der Sinnlichkeit die empirische Anschauung ge— geben wird, gezeigt werden, daß die Einheit derselben keine andere sei. als welehe die Kategorie nach dem vorigen & 20 dem Mannigfttlt'tgen einer gegeben. Anschauung überhaupt vor.

schreibt” (B 144f.).

DerzweiteTeilderB-Deduktion

_ 291

Objekte, durch die wir die Raumstellen identifizieren, selber -reidtintifizierbar sind, läßt sich das objektive räumliche Verhältnis der Teilräume. (die in nume— risch verschiedenen Wahrnehmungssituationen gegeben sind) bestimmen. Nun sind die Kategorien epistemische Begriffe von empirischen Objekten. Also stehen diejenigen Wahmehmungsgehalte, durch die eine Bestimmung des objekti— ven räumlichen Verhältnisses der Teilräume möglich ist, unter Kategorien.

Es ist aber zu beachten, daß aus der soeben dargestellten Überlegung nicht folgt, daß alles, was im Raum vorgestellt wird, unter Kategorien steht: Es folgt

nur, daß die Vorstellungsgehalte, durch die die Einheit von Raum und Zeit be— stimmt (repräsentiert) werden kann, sich als Vorstellungen empirischer Objekte interpretieren lassen (und daher unter Kategorien stehen müssen). Selbst dann, wenn wir Kant die weitergehende These zubilligen, daß die Einheit von Raum und Zeit durch gegebene Erscheinungen repräsentiert werden muß, folgt nur. daß es empirische Objekte geben muß, durch die das objek— tive raumzeitliche Verhältnis bestimmt werden kann, - nicht aber, daß alle gegebenen Erscheinungen dazu geeignet sind. Und das ist gut so. Denn damit ist die Möglichkeit von Sinnestäuschungen wie z.B. Halluzinationen, Nachbildem

etc., die keine empirischen Objekte sind, nicht ausgeschlossen. Wir müssen lediglich voraussetzen, daß es unter den gegebenen Wahrnehmungsgehalten eine Teilklasse gibt, die so beschaffen ist, daß sich aus den Elementen dieser Teil— klasse ein System von empirischen Objekten konstruieren läßt, das als objektives Bezugssystem dienen kann. Das schließtnicht aus, daß wir nicht trotzdem auch subjektive Sinnesdaten (wie z.B. Nachbilder und Halluzinationen) in einem bestimmten Sinn im objek-

tiven Raum lokalisieren können. Schließlich treten sie gewöhnlich an einer (mehr oder weniger genau bestimmten) Stelle unseres Gesichtsfeldes auf, das

zugleich auch objektiv lokalisierbare Gegenstände enthalten kann. Daher können wir auch solchen subjektiven Gegenständen (indirekt) eine Position im objektiven Raum zuschreiben. Dabei ist allerdings zweierlei zu beachten: (i) Die. se Lokalisierung ist nur relativ. Das Nachbild, das ich jetzt an der Wand erblicke, hat diese Position (und damit seine räumliche Existenz) nur relativ zu mir, da andere Subjekte (normalerweise) nicht an derselben Stelle (ähnliche) Nachbilder wahrnehmen. (ii) Solche Nachbilder können somit zwar in der be-

schriebenen Weise (durch ihre wahrgenommene räumliche Beziehung zu objektiven Gegenständen) indirekt im objektiven Raum lokalisiert werden; aber sie können nicht selber dazu dienen, die Einheit von Raum und Zeit zu reprä— sentieren. Denn dazu sind reidennflzierbare empirische Objekte erforderlich. Daher stehen solche subjektiven Gegenstände - trotz ihrer objektiven Lokalisierbarkeit - auch nicht unter Kategorien.

292

Selbstbewußtsein. Objektivität und Gesemnißigkeit in der tr. Deduktion

Damit ist-aber das Problem der subjektiven Vorstellungen noch nicht ganz vom Tisch. Wir können zwar subjektive Vorstellungen wie Sinnestäuschungen etc., die wir im objektiven Raum wahrnehmen, zulassen und sogar den lokalisieren; aber wie steht es mit denjenigen subjektiven Vorstellungen, die nicht in solchen Wahmehmungsbeziehungen zu objektiven Gegenständen stehen? Die

Ausgangsprämisse des skizzierten Arguments besagte ja. daß alle gegebenen Raumvorstellungen' sich als Teile eines umfassenden objektiven Raumes auffassen lassen müssen. Eben dies ist aber bei Trämnen (gewöhnlich) nicht der Fall. Wir müssen daher die Ausgangsvoraussetzung abschwächen. Das ist aber auch ohne Schwierigkeiten möglich. Anstelle der ursprünglichen These: (R1)

Alle räumlichen Vorstellungen müssen als Vorstellungen von Teilen eines umfassenden Raumes aufgefaßt werden;

können wir uns mit der schwächeren Behauptung zufriedengeben: (R,)

Zu jeder räumlichen Vorstellung muß es einen umfassenden Raum gehen, vom dem die gegebene Vorstellung einen Teil vorstellt.

(R?) ist schwächer als (RI), da (R,) eine Mehrzahl von Räumen zuläßt.52 Damit können wir neben dem 'wirklichen' Raum auch 'Traumräume' zulassen. Wenn sich die einzelnen ’Traumerfahmngen' in einen umfassenden Traumraum' integrieren lassen, dann muß es auch innerhalb solcher Räume Vorstellungsgehalte geben, durch die die Teilräume zueinander in bestimmte Beziehungen gebracht werden können. Solche Vorstellungsgehalte müssen dann allerdings auch unter Kategorien stehen. Wir müssen also zwischen zwei verschiedenen Typen von subjektiven Vor— stellungen unterscheiden: Einerseits haben wir es mit subjektiven Vorstellungen wie Halluzinationen zu tun, deren Wahrnehmungsgehalte wir in einem (durch andere Wahmehmungsgehalte) objektiv bestimmbaren Raum vorstellen. Hier haben wir es sozusagen mit einer subjektiv/objektiv Unterscheidung innerhalb einer 'Welt' zu um. Auf der anderen Seite können wir zwischen subjektiven und objektiven 'Welten' unterscheiden. Diese Unterscheidung beruht aber nicht darauf, daß es in der wirklichen Welt Vorstellungsgehalte gibt, die unter

Kategorien stehen, während dies für die Traumwelt' nicht gilt.53 Die Grundlage 52 Daß die Annahme einer Mehrzahl von Räumen. die selbst nicht wieder in räumlicher Bene hungen zueinander stehen. begrifflich möglich ist. hat Quinton überzeugend nadtgewiesen.

Vgl. Quinton (1962).

53 Eine Traumweh' kann daher auch durchaus nach kategorialen Gesetzen geordnet sein. Nur muß es sich nicht um dieselben empirischen Geseln handeln, die in der 'wirkliehen'Welt gelten. Die Annahrne solcher geordneter Traumwelten ist übrigens mit Kante Kriterium der Wirklichkeit. das dem Zusammhang mit "irgmdeiner wirklichen Wehmehmung. nach da Analogien der Erfahrung" fordert (A 215/13 272). verträglich. da es sid: je dabei um eine - anf gegebene Wahrnehmungen - relative Bestimmung handelt.

Shue' einer Rekonstruktion

. 293

dafiir, daß wir Träume fiir 'subjektiv' erklären, besteht vielmehr 1. darin. daß wir das Auftreten von Träumen auf der Basis von Ereignissen in der (als wirklich unterstellten) Welt kausal erklären können, während dies umgekehrt nicht

möglich ist, und 2. darin, daß Träume gewöhnlich in dem Sinne privat sind, daß das. was wir in Träumen 'erfahren', nicht durch Wahrnehmungsberichte anderer bestätigt wird. Daß sich unsere Traumwelten in dieser Weise von der wirklichen Welt unterscheiden, ist kontingent. Es ist nicht prinzipiell ausgeschlossen, daß wir ebenso 'kohärent' trätunen können wie wir wahrnehmen. Wenn wir an- ‚ nehmen, daß unsere Traumwelt' so beschaffen ist,‘daß wir auf der Basis der in ihr geltenden Gesetze ableiten können, daß wir das, was wir in der (vermeintlich) wirklichen Welt 'wahmehmen', nur träumen; und wenn wir weiter anneh— men. daß uns die uns im Traum begegnenden 'Personen' mit derselben Ver-läßlichlreit das bestätigen, was wir im Traum 'wahrnehmen'. so gibt es keinen vernünftigen Grund, eine dieser beiden 'Welten' für weniger objektiv als die anderen zu erklären. Hinsichtlich des ontologischen Status besteht daher kein Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit. Nach dieser Abschweifimg können wir zu den Hauptpunkten des Argumen—_

tes zurückkehren.

'

6. Skizze einer Rekonstruldion

"Was wir im vorigen Abschnitte abgesondert und einzeln vornugen, wollen wir jetzt vereinigt und im Zusammenhange vorstellen" (A 115): (a) Die Teile von Raum und Zeit stehen zueinander in einem eindeutig bestimmten Verhältnis. (Raum und Zeit haben Einheit.) (b) Dieses Verhältnis der Teile von Raum und Zeit kann nur durch Erscheinungen in Raum und Zeit bestimmt werden, da diese Raum-ZeitStellen nicht unmittelbar durch Wahrnehmung reidentifizierbar sind. (c) Dazu muß es Erscheinungen geben, die ein objektives raum-zeitliches Bezugssystem bilden, das die Reidentifikation beliebiger Raum-Zeit— stellen gestattet. (Das ist nur möglich, wenn es Erscheinungen gibt. durch die die Einheit von Raum und Zeit repräsentiert werden kann.)

(d) Die Erscheinungen, die ein solches objektives Bezugssystem bilden, müssen empirische Objekte sein.

(e) Kategorien sind epistemische Begriffe von empirischen Objekten. (D Also gibt es Erscheinungen, die unter Kategorien stehen.

294

Selbstbewußtsein. Objektivität und Gesetmflfigkeit in der tr. Deduktion

Auch dieses Argument hat eine Lücke, da aus (a) nicht folgt, daß wir in der Inge sind, das (objektive) Verhältnis. in dem die Teile von Raum und Zeit stehen, zu erkennen. Nur wenn wir diese Zusatzannahme unterstehen, folgt (0 aus (a}(e). Läßt sich diese Zusatzannahme plausibel machen? Wenn wir etwas im Raum wahrnehmen, so nehmen.wir es aus einer be stimmten Perspektive wahr. Die Vorstellung des dreidimensionalen Raumes ist aber gar nicht möglich, wenn ich mir nicht vorstellen kann, denselben Raumteil aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Es muß also im Prinzip möglich sein, denselben (Teil-)Raum aus verschiedenen Perspektiven vorzustellen. Das bedeutet, daß Raumstellen empirische Objekte sind. Wenn ich etwas als empirisches Objekt im Raume denke, muß ich es als an

einer bestimmten RautriStelle existierend denken, die ich auch aus einer anderen Perspektive wahrnehmen kann. Die entscheidende Frage ist nun, ob Kant ein Argument für die These hat. daß es solche empirischen Objekte im Raum geben muß. Denn darin bestand ja gerade die Unvollständigkeit des ersten Schrittes der Deduktion, daß wir noch kein Argument für die Existenz solcher Objekte haben. Wenn wir aber davon ausgehen müssen, daß die Raumstellen selber empirische Objekte sind, andererseits aber aufgrund der Nichtwahrnehmbarkeit von Raum und Zeit nicht unmittelbar identifiziert werden können, so müssen wir diese Raumstellen durch Vorstellungsgehalte im Raum identifi— zieren können. Also brauchen wir Erscheinungen, die ein objektives Bezugssy— stem definieren. Nun können aber nicht beliebige Erscheinungen diese Funktion erfüllen: Es muß sich um Erscheinungen handeln, die so beschaffen sind, daß sich aus ihren Eigenschaften Raumstellen eindeutig bestimmen lassen. Dann müssen diese Erscheinungen aber als Erscheinungen empirischer Objekte aufgefaßt werden. Denn nur dann, wenn die Objekte, die ein solches objektives Bezugssystem definieren, selber reidentifizierbar sind, können durch sie Raumstellen aus unterschiedlichen Perspektiven identifiziert werden. Wenn dieser Gedankengang überzeugt, muß es empirische Objekte im Raum geben. Damit hätten wir einen ersten wichtigen Fortschritt gegeniiber dem Ergebnis des ersten Teils der B—Deduktion gemacht. Das schwächste Glied dieser Überlegung bildet wohl die Behauptung, daß die Vorstellung eines dreidimensionalen Raumes nicht nur voraussetzt. daß ein gegebener Raumausschnitt im Prinzip auch aus einer anderen Perspektive wahrnehmbar sein muß, sondern daß wir darüber hinaus in der Lage sein müssen, Raumstellen aus unterschiedlichen Perspektiven zu (re)identifizieren. Ich überlasse die Entscheidung darüber dem Leser. Was bedeutet das alles nun aber für die Geltung der Gesetzesthese? Um sie zu begründen, muß gezeigt werden, daß die Anwendungsbedingungen der Ka- _

Skizze einer Rekmstruktion

_ 295

tegorien Gesetze sind. Oder anders ausgedrückt: daß Urteile über empirische

Objekte nur verifiziert werden können, wenn diese Objekte unter Gesetzen stehen.

Bei der Diskussion des synthetischen Arguments in der 2. Analogie haben

wir gesehen, daß Kant meinte, daß die Einheit von Raum und Zeit, von der er in diesem Argument ausgeht, eine notwendige Einheit ist. So sollte es eine wesentliche Eigenschaft der Zeit sein, daß ein früherer Zeitabschnitt den folgenden "notwendig bestimmt" (A 199/B 7444).54 Wenn Raum und Zeit in diesem Sinne eine notwendige Einheit hatten, so ließe sich in der Tat auf die Notwendigkeit der Verbindung derjenigen Wahmehmungsgéhalte schließen, durch die Raum und Zeit objektiv bestimmt werden können. Das Problem ist nur, daß Kants These über die notwendige Folgeordnung der Zeit sich als wenig plausibel erwiesen hat. Die oben vorgeschlagene Interpretation der Einheit von Raum

und Zeit, die an die transzendentale Ästhetik anlmüpft, impliziert aber nicht, daß die Teile von Raum und Zeit in einer notwendigen Beziehung zueinander stehen. Wir müssen daher untersuchen, ob wir die Gesetzesthese nicht begründen _ können, indem wir näheres über die Bedingungen zu ermitteln versuchen, de— nen diejenigen Objekte, durch die die Einheit von Raum und Zeit repräsentiert

wird, genügen miissen.55 Bisher wissen wir nur, daß die Bezugsobjekte empirische Objekte sein müssen, also Gegenstände, die in numerisch verschiedenen Vorstellungen vorgestellt werden können. Aber offenkundig kann nicht jedes empirische Objekt als Bezugsobjekt dienen. Die ein Bezugssystem defrnierenden Objekte mussen so beschaffen sein, daß sich aus ihren 'Erscheinungsweisen' herleiten läßt, aus welcher Perspektive sie in einer gegebenen Wahmehmungssituation betrachtet werden. Dazu müssen wir aber wissen, welche objektiven räumlichen Eigenschaften die Bezugsobjekte haben. Da die objektiven räumlichen Eigenschaften von Gegenständen aber - wie wir im dritten Kapitel gesehen haben - durch die bloße Wahrnehmung unterbestimmt sind, können wir dieses Wissen nicht allein auf Wahrnehmungen zmückfiihren. Wenn wir z.B. annehmen könnten, daß bestimmte Objekte ihre räumlichen Eigenschaften nicht verändern, könnten wir diese räumlichen Eigenschaften empirisch bestimmen. Auf der Basis dieses Wissens könnten wir dann in einer gegebenen Wahrnehmungssitrration aus den

Erscheinungsweisen des Bezugssystems die wahrgenommenen Raumstellen 54 Vgl. dazu auch die entsprechende Burterkung rn 5 26, wo Knut der "synthetischelnl E i n — h e i t des Mamigfaltigcn", die ich mirnotwendig'rn dcr2'eit vorstelle, die Kategorie der Ursache mordnet (B 1621 ).

5 Ich bezeichne diese Objekte im folgmden als 'Bemgsobjekte'.

296

Selbstbewußtsein‚0bjektivititund6esemnäßigkeitinder tr. Deduktion

bestimmen. Aber woher wissen wir, daß sich die räumlichen Eigenschaften des Bezugssystem nicht verändern? Aufgrund bloßer Wahrnehmung können wir dies nicht feststellen, da die empirische Bestimmung der objektiven räumlichen Eigenschaften empirischer Objekte nur auf der Basis eines Bezugssystems‘ möglich ist. Die empirische Bestimmung der räumlichenEigenschaften setzt ja bereits ein objektives Bezugssystem voraus. Es ist aber a priori nicht einzuse hen, wieso nicht alle Objekte im Raum ihre räumlichen Eigenschaften und Beziehungen zueinander sollten verändern können.

Andererseits ist die Bedingung, daß sich die objektiven räumlichen Eigenschaften und Beziehungen der Bezugsobjekte nicht verändern dürfen, auch unnötig stark. Es ist nicht erforderlich, daß wir wissen, daß bestimmte Objekte sich nie verändern. Wir müssen lediglich von einigen Objekten im Prinzip wissen können, welche räumlichen Eigenschaften und Beziehungen sie zu einem beliebigen gegebenen Zeitpunkt aufweisen. Wenn wir nun unterstellen, daß die Veränderungen aller Objekte im Raum unter Kausalgesetzen stehen, dann können wir auf der Basis des im dritten Kapitel skizzierten Verfahrens (vgl. oben S. 172f.) empirisch überprüfbare Kausalhypothesen über Veränderungen der räumlichen Eigenschaften von Objekten entwickeln. Wir können dann Hypo— thesen über die objektiven räumlichen Eigenschaften, die bestimmte Gegenstände in einem bestimmten Zeitraum haben, empirisch überprüfen. Denn wenn wir wissen, unter welchen Bedingungen Gegenstände ihre räumlichen Beziehungen verändern, können wir dann, wenn solche Bedingungen nicht vorliegen, davon ausgehen, daß diese Gegenstände sich auch nicht verändert haben. In einem Zeitraum, in dem sich die Gegenstände dann nicht verändern. lassen sich die räumlichen Eigenschaften im Prinzip durch Wahrnehmung bestimmen. Haben wir auf diese Weise gut bestätigte Hypothesen über die objeluiven räumlichen Eigenschaften bestimmter Objekte, und zugleich gut bestätigte Kausalhypothesen über die objektiven Veränderungen dieser Objekte, so können wir im Prinzip die objektiven räumlichen Eigenschaften dieser Gegenstän— de zu jedem beliebigen Zeitpunkt bestimmen. Folglich können solche Objekte als Bezugsobjekte dienen. Es soll nicht behauptet werden, daß dies ein wasserdichtes Argument für die Geltung des Kausalprinzips ist. Dazu ist es viel zu skizzenhaft. Ich will abschließend wenigstens einige der erläuterungsbedürftigen Punkte ansprechen. l. Das Argument macht wesentlich Gebrauch von spezifischen Eigenschaften der Raumvorstellung. Grundlegend ist die Dreidimenrr'onalität des Raumes. Denn aus dieser Eigenschaft ergibt sich der 'perspektivische Charakter‘ unserer Raumwahmehmung. Diese 'Perspektivität' des Raumes spielt an zwei Stellen des Arguments eine wichtige Rolle: Zum einen ergibt sich aus ihr, daß wir uns _

Skizzeeiner Rekonstruktion

‘ 297

notwendig vorstellen müssen, dieselbe Raumstelle im Prinzip auch aus einer anderen Perspektive vorstellen zu können. Daraus aber ergab sich, daß Raumstellen selber empirische 'Objekte' sind. Zweitens ergibt sich aus der Perspekti— vität des Raumes die Unbestimmtheitsthese bezüglich der objektiven räumli— chen Eigenschaften (sowohl der Gestalteigenschaften wie der räumlichen Be-

ziehungen).

'

Für Kant stand demgegenüber die Zeiteinheit im Vordergrund. Kerns starke These über die notwendige Einheit der Zeit erwies sich aber als unhaltbar; und ich kann nicht erkennen, daß sich ein dem oben präsentierten Gedankengang analoges Argument für die Zeit entwickeln läßt. 2. Es liegt nahe, gegen das skizzierte Argument folgendes einzuwenden: Die Annahme der Geltung des Kausalprinzips ist mindestens eine ebenso an— spruchsvolle Annahme wie die, daß es gewisse Objekte gibt, die sich nie verän—

dern. Es gibt also keinen Grund, die eine Annahme der anderen vorzuziehen.55 Dieser Einwand macht in der Tat auf eine Schwachstelle des Arguments auf— merksam. Denn es ist allenfalls gezeigt worden, daß die Annahme des Kausalprinzips eine hinreichende Bedingung für die Möglichkeit der Identifizierung von Raumstellen ist. Und es ist - soweit ich sehen kann - auch richtig, daß die Annahme der Konstanz bestimmter Objekte ebenfalls eine hinreichende Bedingung darstellt.57 Es soll auch nicht bestritten werden, daß wir de facto bei der Auswahl von Bezugsobjekten von der Konstanzvoraussetzung ausgehen. Andererseits dienen solche Bezugsobjekte gewöhnlich nur vorläufig als Bezugssysterne und werden unter Rückgriff auf Naturgesetze durch geeignetere Bezugssysteme ersetzt. Zudem scheint das Kausalprinzip ein geeigneterer Kandidat für ein Prinzip a priori zu sein als die recht willkürlich erscheinende Annahme, daß irgendwelche Objekte prinzipiell unveränderlich sind. Es ist aber zuzugeben, daß dies kein besonders starkes Argument ist. 3. Es gibt einen grundsätzlicheren Einwand gegen das vorgetragene Argument. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, daß die Wahl von Bezugssystemen eine bloße Konvention ist und daher überhaupt kein Prinzip a priori erforderlich ist. Wer diesen Einwand plausibel findet, muß sich allerdings über die Konsequenzen im klaren sein. Da von der Wahl der Bezugsobjekte die Bestimmung der objektiven räumlichen Eigenschaften der Gegenstände abhängt, folgt, daß der Umstand, daß sich ein Gegenstand objektiv verändert, von der 56 Dieser Einwand entspricht dem Hinweis auf das anpirisu'sehe Modell, mit. dem wir im 3. Kapitel Kerns episternologisehes Argument konfrontiert haben.

57 Das stimmt nicht ganz. Man muß in diesem r=.u natiirlidr zusätzlich annehmm, daß diese 05jeltte überhaupt geeignet sind, ein Bemgssystem zu definieren. Dam braucht man mindestens drei nicht. auf einer Fläche liegende mterscheidbare Punkte. Aber das gilt in jedem Fall.

298

Seibstbewußtsein, Objektivität und Gesetnnfiglteit in der tr. Deduktion

Wahl der Bezugsobjekte abhängig ist. Wenn man daran festhalten will, daß Gep genstände im Raum eindeutig bestimmte räumliche Eigenschaften haben, ist eine konventionalistische Deutung ausgeschlossen. Man stelle sich (wenn man kann) vor, was passieren würde, wenn man drei beliebige Wolken am Himrhel' als Bezugssystem wählt. Es ist auch nicht möglich, den Konventionalismus dadurch schmackhafter zu machen, daß man nach dem Einfachheitsprinzip zwischen besseren und schlechteren Konventionen unterscheidet. Denn das Einfachheitsprinzip würde in diesem Fall ja besagen, daß wir solche Objekte als Bezugsobjekte auswählen sollen, die gestatten, möglichst einfache Gesetzesaussagen zu formulieren. Dann aber steckt im Einfachheitsprinzip bereits eine

Gesetzesthese. Ich will es mit diesen unzulänglichen Bemerkungen gut sein lassen und komme zum Schluß.

Schluß Abschließend sollen die wichtigsten Ergebnisse im Blick auf das im zwei-

ten Kapitel ausgebreitete Problemfeld zusammengestt und einige offene oder unerledigt gebliebene Fragen benannt werden. Der Standardinterpretation zufolge versucht Kant die Geltung der Kategorien-, Objektivitäts- und Gesetzesthese dadurch zu begründen, daß ohne ihre Geltung kein Selbstbewußtsein möglich ist. Im zweiten Kapitel wurden eine Reihe von Schwierigkeiten, denen sich die Standardinterpretation ausgesetzt sieht, beschrieben sowie einige der Strategien. diese Schwierigkeiten durch Modifikationen an Kants Beweisprogramm zu umgehen, vorgestellt. Die beiden wichtigsten dieser Strategien sind dann in den folgenden Kapiteln kritisiert worden.

-

Im dritten Kapitel sollte am Beispiel von Kants 'Beweis' des Kausalprinzips gezeigt werden, daß die Strategie der Analogiker, Kants Gesetzesthese ohne Rückgriff auf Prämissen aus der transzendentalen Deduktion zu begründen, mit sachlichen wie exegetischen Problemen zu kämpfen hat. Als verantwortlich für

diese Schwierigkeiten erwies sich vor allem der von Kant in der zweiten Analogie vorausgesetzte Objektbegriff, demzufolge Objekte notwendige Einheiten von Vorstellungen sind. Es zeigte sich, daß Kant sich zu dieser Voraussetzung berechtigt sah, da er meinte, in der A-Deduktion nachgewiesen zu haben, daß unsere Erfahrung notwendigerweise

mit Objekten in diesem starken Sinn zu

tun hat. Dieser Nachweis' beruhte aber wesentlich auf die Apperzeptionstheo— rie, von der sich die Analogiker gerade freimachen wollten. Im Rahmen ihrer Strategie ist es daher unzulässig, von dieser starken Voraussetzung auszugehen. Unter exegetischen Gesichtspunkten ist die Strategie der Analogiker also als gescheitert zu betrachten. Dies zeigte sich auch daran, daß die Analogiker nicht in der Lage sind, die oben als 'synthetischen' Beweis bezeichneten Passagen in ihre Interpretation zu integrieren. Nicht so eindeutig negativ fiel die sachliche Einschätzung der Erfolgsaussichten der Strategie der Analogiker aus. Im Vergleich zu den anderen diskutierten Varianten von Kants 'Beweis' des Kausalprinzips erwies sich das episte— mologische Argument als nicht chancenlos. Zwar zeigten sich auch hier nicht unerhebliche Schwierigkeiten; so mußte offen bleiben, ob das im 3. Kapitel

300

Schluß

Abschn. 1.2.7. im Anschluß an Broad skizzierte empiristische Verfahren nicht als eine dem kantischen Verfahren überlegene Methode der objektiven Zeitbe— stimmung anzusehen ist. Eine klare Entscheidung in dieser Frage ist aber_nur dann möglich, wenn sowohl das epistemologische Argument wie das empiristii sche Gegenmodell im Detail ausgearbeitet vorliegen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit mußten wir uns mit Andeuumgen zufrieden geben. Obwohl die von den Analogikem favorisierte Strategie unter systematischen Gesichtspunkten nicht als völlig aussiehtslos abzuweisen war, erschien es dennoch ratsam, erneut den Versuch zu unternehmen, ein angemesseneres Bild der Beziehung zwischen Deduktion und Grundsatzkapitel zu gewinnen. Dies umso mehr, als die Diskussion des synthetischen Arguments vermuten ließ, daß Kant sich hier auf eben solche Einheitsaspekte unserer Anschauungeformen stiitzt, die auch im zweiten Teil der B-Deduktion eine entscheidende Beweisfunktion übernehmen. Im vierten Kapitel sollte der damit geweckten Frage nachgegangen werden, ob nicht mit einem neuen und besseren Verständnis der B-Deduktion auch Licht in den strukturellen Zusammenhang zwischen Kategoriendeduktion und Grundsatzkapitel gebracht werden kann. Dazu mußte allerdings erst einmal die Standardinterpretation der transzendentalen Deduktion zurückgewiesen werden. Denn die systematischen Schwie— rigkeiten, Grundsatzkapitel und Deduktion in einen kohärenten Zusammenhang zu bringen, ergaben sich vor allem aus der Rolle, die dieser Interpretation zufolge der Einheit des Selbstbewußtseins in Kants Argument zukommt. Da sich die Vertreter der Standardinterpretation zu Recht vor allem auf die A-Deduktion berufen, sollte zunächst gezeigt werden, daß die Argumente, in denen Kant von der Einheit des Selbstbewußtseins ausgehend zu zeigen versucht, daß alle unsere Vorstellungen nach notwendigen Regeln verbindbar sein

müssen, der Sache nach zum Scheitern venrrteilt sind.1 Die Unzulänglichkeit der Selbstbewußtseinslehre zur Begründung nicht— trivialer Folgerungen über die Gesetzmäßigkeit unserer Vorstellungen, bestätigte sich nicht nur an Henrichs, in erster Linie an Überlegungen der A— Deduktion orientiertem Rekonstruktionsversuch; auch die Untersuchung des ersten Teils der B-Deduktion führte zu dem Ergebnis, daß die Selbstbewußtseinstheorie nur begrenzt zur Begründung der Kategorien- und Objektivitätsthese herangezogen werden kann, für die Begründung der Gesetzesthese dagegen ganz untauglich ist. Damit war gezeigt, daß auch die Strategie der 1

Es zeigte sich dabei zugleich. daß unsere kritisch gegen die Analogiker gewandte Annahme zntraf, wonach Kants starker Objektbegriff gerade"in Hinblick auf die'in ihm (angeblich) gedachte Notwendigkeit var der Apperzeptionstheorie der ersten Auflage abhing.

Sdrluß

‘ 301

'Deduktivisten', die Gesetzrnäßigkeit der Erscheinungen allein aus der Einheit des Selbstbewußtseins abzuleiten, zum Scheitern vemrteilt ist. * Neben diese Bedenken hinsichtlich der sachlichen Haltbarkeit traten Zweifel an der exegetischen Angemessenheit der Standardinterpretation. Eine Reihe von Indizien deuteten daraufhin, daß Kant in der zweiten Auflage (aus guten Gründen) den Versuch aufgegeben hat, die Gesetzesthese als direkte Folgerung aus der Apperzeplionseinheit zu gewinnen. Damit war der Weg frei fiir eine Alternative zur Standardinterpretation, die sich dieser zudem insofern überlegen zeigte, als sie die mit der Standardinterpretation verbundenen Probleme entweder erst gar nicht aufkommen ließ oder doch deutlich entschärfte. Vom Schick— sal der eingangs erwähnten Probleme im Falle der Richtigkeit dieser Altema— tivinterpretation ist nun kurz zu berichten. Ich beginne mit dem Beweisstruktur— problem.

(1) Das Beweisstrukturproblem

Legt man die Standardinterpretation zugrunde, so bleibt unverständlich, wieso Kant der Auffassung war, daß"tm ersten Teil der B Deduktion erst der Anfang einer transzendentalen Deduktion gemacht rst. Denn wenn Kategorien—, Objektivität— und Gesetzesthese bereits aus der Apperzeptionseinheit abgeleitet werden können, ist nicht erkennbar, welche zusätzliche Beweisfunktion dem zweiten Teil der B—Deduktion zukommen soll. Demgegenüber konnten auf der Basis der vorgeschlagenen Alttunativinterpretation beiden Teilen der B-Deduktion klar voneinander unterschiedene Aufgaben zugeordnet werden. Im ersten Teil versucht Kant zu zeigen, daß wir in der Lage sind, alle unsere Vorstellungen als Vorstellungen empirischer Objekte zu denken, und daß solche Gedanken nur möglich sind, wenn die Kategorien problematisch auf diese Objekte angewandt werden. Wir haben es ‚also im ersten Teil der B-Deduktion mit (dem Versuch) einer Begründung sowohl einer schwachen Objektivitäts- wie einer schwachen Kategorienthese zu tun.2 Es handelt sich in beiden Fällen um schwache Versionen der entsprechenden The— sen, weil nicht behauptet werden soll, daß solchen Objektgedanken wirkliche Gegenstände entsprechen. Folglich kann auch noch nicht behauptet werden, daß die Kategorien auf wirkliche Erfahmngsgegenstände zutreffen, sondern nur. daß wir uns durch Subsumtion gegebener Vorstellungen unter Kategorien 2

Es hat sich allerdings gemigt, daB Kanu Argument- annindest was die Begründung der Kate— gorieuthese angeht- insofern eine Lücke aufwdst, als sich die Objektivititsthese nur für logi— sche nieht aber für empirische Objekte begründen ließ.

302

Schluß

empirische Objekte 'entwert'en', ohne damit auch schon über die Garantie zu

verfügen, daß der Entwurf geglitckt ist. Ob solchen Objektgedanken wirkliche Gegenstände in Raum und Zeit entsprechen, hängt davon ab, ob die in der Walunehmung gegebenen Anschauirn-' gen diesen Gedanken entsprechen. Da dies nach Kants Meinung eben dann der Fall ist, wenn die gegebenen Wahrnehmungen unter kategorialen Gesetzen stehen, ist es gar kein Wunder, daß im ersten Teil der B—Deduktion hinsichtlich der Geltung der Gesetzesthese noch gar nichts ausgemacht ist. So lag die Vermutung nahe, daß Kant dieses Defizit im zweiten Teil der BDeduktion beheben will, indem er zu zeigen versucht, daß alle "Gegenstände, die nur immer u n s e r e n S i n n e n v o r k o m m e n m ö g e n , [...] unter den Gesetzen stehen müsse[n], die a priori aus dem Verstande allein entspringen" (B 159f.). Damit ergab sich die Möglichkeit, beiden Teilen der B-Ded tion deutlich unterschiedene Beweisaufgaben zuzuordnen. Bevor ich mich dem zweiten Teil der B-Deduktion zuwende, ist es sinnvoll, die Behandlung des Beweisstrukturproblerns zugunsten der beiden mit Kants Urteilstheorie verbundenen Probleme zu unterbrechen.

(2) Zum Verhältnis von Kategorien und Urteilsfunktionen

Um zu sehen, ob und in welchem Umfang sich die das Verhältnis von Urteilsfunktionen und Kategorien betreffenden Schwierigkeiten auf der Basis der vorgeschlagenen Interpretation lösen lassen, ist es nützlich, die wichtigsten Schritte des ersten Teils vor Augen zu haben. Das Hauptziel des ersten Teiles besteht in dem Nachweis, daß wir in der Lage sind, alle unsere Vorstellungen als Vorstellungen empirischer Objekte zu denken. Dieser Nachweis besteht in den folgenden Schritten: 1. versucht Kant zu zeigen, daß sich aus der analytischen Einheit der Apperzeption herleiten läßt, daß wir in der Lage sein müssen, alle unsere Vorstellungen zu synthetisieren. Etwas genauer: Weil wir in bezug auf jede unserer Vorstellungen in der Lage sein müssen zu wissen, daß wir sie haben, und von jedem beliebigen Paar unserer Vorstellungen a priori wissen können, daß wir das identische Subjekt dieser Vorstellungen sind, müssen wir nach Kant auch in der Lage sein, uns der

Identität unserer selbst in ‘allen diesen Vorstellungen bewußt zu werden.3 Dies ist aber 2. nur möglich, wenn wir die Vorstellungen miteinander verbinden und 3

Audi dieser letzte Schritt ist der Sache nach problematisdr, da aus dem (de diem) Wissen, daß

meine Vorstellungen demselben Subjekt mmsprechen sind, nicht ohne weiteres folgt. daß ich von dieser: Vorstellungen als Vorstellungen derselben Subjekt! (de re) wissen kann.

sauna

_ 303

uns der Handlung des Verbindens bewußt werden können. Da die Vorstellung der Identität unserer selbst aber nicht in der Vorstellung der Beziehung dieser Vorstellungen zu einem unabhängig von ihnen gegebenem Dritten (dem Ich) bestehen kann (da das Ich kein unmittelbar gegebener Gegenstand ist), kann sie 3. nur in der Vorstellung der Einheit der Vorstellungsgehalte bestehen. Folglich müssen 4. die Vorstellungsgehalte im Begriff eines Objekts verbunden werden. Dazu aber müssen sie in objektiven Urteilen verbunden werden. Wir haben gesehen, daß Kant auch an dieser Stelle einen stärkeren Objektbegrifi‘ in Anspruch nimmt, als durch sein Argument gedeckt ist. Denn aus der Verbindbarkeit unserer Vorstellungen im Begriff eines Objekts konnten wir nicht unmittelbar schließen, daß es sich dabei um Begriffe von empirischen Objekten handeln muß. Da sich die Kategorien aber als epistemische Begriffe von solchen empirischen Objekten erwiesen haben, konnte von der Objektivi— tätsthese nicht zur Kategorienthese übergegangen werden. Wie wir gesehen haben, läßt sich diese Lücke im ersten Teil aber unter Rückgriff auf die Einheit von Raum und Zeit, die Kant im zweiten Teil der Deduktion in die Diskussion einfiihrt, weitgehend schließen. _ Der uns mit Rücksicht auf das Verhältnis von Urteilsfuhktionen und Kategorien hauptsächlich interessierende nächste wichtige Schritt dient der Begrün—

dung der Kategorienthese. Kant will zeigen, daß wir unsere Vorstellungen nur dadurch zur objektiven Einheit der Apperzeption bringen können, daß wir sie durch Anwendung der Kategorien auf Objekte beziehen. Für diesen Nachweis spielt der Zusammenhang zwischen Urteilsfunktionen und Kategorien nun eine offenkundig zentrale Rolle. Ebenso offenkrmdig waren allerdings die damit verbundenen Schwierigkeiten. Selbst wenn man Kant die Urteilsdefinition des 5 19 schenkt,4 ist es alles andere als selbstverständlich, daß aus der Verbindung von Vorstellungen durch eine Urteilsfunktion folgt, daß die dieser Urteilsfunk— tion korrespondierende Kategorie auf die entsprechenden Vorstellungen anwendbar ist. Denn auch die reinen Kategorien sind mehr als nur Begriffe von logischen Verhältnissen. Obwohl Kant an vielen Stellen (wohl in der Absicht, mit einer griffigen Formel den Anmaßungen der transzendenten Metaphysik entgegenzutreten) die reinen Kategorien auf die logischen Funktionen redu— ziert, ist diese Reduktion weder mit der in 5 14 gegebenen Erklärung der Kategorien', noch mit der spezifischen Bedeutung der einzelnen Kategorien verträglich. Wir mußten daher versuchen, Kants spärliche und dunkle Hinweise 4

Es handelt sich dabei nicht einfadr urn eine Definitionsfnge. Kant will nicht nur festlegen, wie er im Folgenden den Begriff des Urteils ver-wurden will. sondern er will mit. der "genau be-

stimmten Definition eines Unheil: überhaupt“ (MAdN AA IV S. 475 Anm.) an die metaplrysi-

sche Deduktion anknüpfen.

304

Schluß

zum Verhältnis von Urteilsfunktionen und Kategorien zu verdeutlichen, wobei insbesondere zu klären war, worin die von Kant in der "Erklärung der Kategorien" (B 128f.) angesprochene 'Unumkehrbarkeit' bzw. 'Bestirnrntheit' der logi— ' schen Funktion bestehen soll. Unter der Voraussetzung, daß die reinen Kategorien als epistemische Begriffe von empirischen Objekten aufzufassen sind, konnten wir aus Kants Bemerkungen zur Kategorientheorie wenigstens im Ansatz Sinn machen. Die Kategorien sind dieser Auffassung zufolge Begriffe von Bedingungen, unter denen es möglich ist, empirische Objekte auf der Basis einzelner Wahmehmungen zu erkennen. Bei empirischen Objekten handelt es sich um Gegenstände, die in numerisch verschiedenen Vorstellungen vorgestellt werden können. Ihnen entspricht die reine Kategorie der Substanz: Substanz ist etwas, das so beschaffen ist, daß es als dasselbe in verschiedenen Vorstellungen erkannt-" werden kann. Soll etwas als identisches Objekt verschiedener Vorstellungen erkannt werden können, muß es als so beschaffen gedacht werden, daß ihm Vorstellungsgehalte anderer Vorstellungen als Eigenschaften zugesprochen werden können. Eine gegebene Vorstellungsqualität kann aber nur dann einem empirischen Objekt zugeschrieben werden, wenn der Gegenstand so identifiziert werden kann, daß er als derselbe in verschiedenen Vorstellungen, in denen er vorgestellt wird, erkannt werden kann.

Der Zusammenhang zu den Urteilsfunktionen konnte nun dadurch hergestellt werden, daß den logischen Stellen' in einem Urteil (also z.B. der Subjektoder der Prädikatstelle im kategorischen Urteil) epistemische Funktionen zugewiesen wurden: so können wir dem Subjektterm die Funktion der Identifizie— rung des empirischen Objekts zuordnen. Auf der Basis dieser Erklärung läßt sich verständlich machen, daß nicht jede Vorstellung die entsprechende Funk— tion übernehmen kann. Damit ist Kants Rede von der Unurnkehrbarkeit der logischen Funktion ein vernünftiger Sinn gegeben. Aus dieser Charakterisierung des Kategorienbegriffs ergab sich, daß die Kategorien als Begriffe aufgefaßt werden müssen, die nur dann auf ein gegebenes Mannigfaltiges angewandt werden können, wenn dieses gewissen einschränkenden Bedingungen unterliegt. Welches allerdings diese Bedingungen sind, ist in der reinen Kategorie noch nicht enthalten. Diese Bedingungen sind auch in

Abstraktion von unseren Formen der Anschauung gar nicht zu ermitteln.

Unsere Bemerkungen zum Kategorienbegriff sind allerdings über eine Skizze nicht hinausgekommen. Zum einen haben wir uns fast ausschließlich am Beispiel der Substanzkategorie orientiert. Die Übertragbarkeit der Idee auf die 5

Insofern handelt es sich dabei um einen episrenu'schen Begriff.

Schluß

_ 305

anderen Kategorien wäre im einzelnen zu untersuchen.6 Zum anderen wäre zu überprüfen, inwieweit sich die Charakterisiemng der epistemischen Funktionen der logischen Stellen' eines kategorischen Urteils durch Bemerkungen Kants

stützen oder präzisieren lassen"

(3) Zum Verhältnis von Wahmehmungs- und Erfahrungsurteilen Obwohl also noch einige Fragen offen sind, können wir, ausgehend von unserem Vorschlag zum Verhältnis von Urteilsfunktionen und Kategorien, die beiden Hauptschwierigkeiten, die wir im Hinblick auf Kants in den 'Prolegome na' eingeführte Unterscheidung zwischen Wahrnehmungs— und Erfahrungswteilen herausgestellt haben, auflösen. Die erste Schwierigkeit ergab sich daraus, daß Kant in den 'Prolegomena' behauptet hatte, daß es mit den Wahmehmungsurteilen eine Klasse von Urteilen gibt, die keines reinen Verstandesbegriffs bedürfen', während er in der B— Deduktion aus der Verbindung von Vorstellungen in einem Urteil unmittelbar auf die Geltung der Kategorien schließt. Das zweite - damit eng zusammenhän— gende - Problem resultierte aus dern engen Zusammenhang, den Kant im 5 19 der B—Deduktion zwischen Urteilseinheit und objektiver Einheit herstt Ein Urteil wird dort definiert, als "die Art, gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen" (B 141). Damit aber schien die Möglich— keit von Walunehrnungsmteilen, die lediglich die "Beziehung der Wahrnehmung auf ein Subjekt” ausdrücken (Pr. & 18 AA IV S. 298), ausgeschlossen. Was nun die erste der beiden Schwierigkeiten betrifft, so können wir dem eben zum Kategorienbegriff Ausgeführten entnehmen, daß es Urteile gibt, die nur logische Funktionen aber keine Kategorien enthalten. Alle Urteile, die nicht von empirischen Objekten handeln, enthalten zwar logische Funktionen (sonst wären sie keine Urteile), ‘bedürfen' aber keiner Kategorien, da Kategorien epistemische Begriffe empirischer Objekte sind. Wenn wir die oben 3. 83 vorge— 6

7

Es wäre wohl schon viel gewormen, wenn die Überlegungen wenigstens aus alle Relationskate-

gorien ausgedehnt werden körmten. So erscheint mir Kante Charakterisienmg des Substanzbegriffs als etwas, das nur als Subjekt dienen kann, unnötig stark. Denn wenn wir die logische Struktur kategorischer Urteile so auf— fassen, daß der3ubjektterm jeweils den Gegenstand, von dem eine Eigenschaft pridiziert wird, identifiziert, so kämen wir sagen, daß der Begriff einer reinen Substanz der Begriff von einem etwas ist, was so gedacht wird, daß es als dasselbe in verschiedenen Wahmehmungssituationen erkannt werden kann. D.h. etwa: wird als Substanz gedacht, wenn es durch einen Begriff gedadrt wird, der im kategorischm Urteil über dasselbe Subjekt die tktion des Subjek‘ts übernehmen kann. Diese Bestimmung des Substanzbegrifi's ist sdiwicher als Kante an der traditionellen Substanzdefinitim orientierte Bestirmnung.

306

same

schlagene Klassifikation verschiedener Urteilstypen zugrunde legen, dann können wir das Ergebnis noch etwas genauer beschreiben: 1. Obwohl Kants schwankende Charakterisierungen der Wahmehmungsurteile keine definitive

Entscheidung zulassen. liegt es doch nahe, die Wahmehmungsurteile mit den ' subjektiven Urteilen zu identifizieren.8 2. Geht man von dieser Identifizierung aus, dann ergibt sich nicht nur, daß Wahmehmungsurteile keine Kategorien enthalten, sondern daß es darüber hinaus auch noch weitere Urteilstypen gibt,

für die dasselbe gilt: nämlich die logischen Urteile.9 Die zweite erwähnte Schwierigkeit, die sich aus Kants Urteilsdefinition in € 19 der B-Deduktion ergab, läßt sich nur dann beheben, wenn der in dieser Definition verwendete Begriff der objektiven Einheit geklärt ist. Da Kant aber die erforderlichen Differenzierungen nicht getroffen hat, ist schwer auszu-

machen, was genau unter die Urteilsdefinition des 5 19 fallen soll.‘“ Immerhin läßt sich aber mit einiger Sicherheit sagen, daß fiir Kant die Wahmehmungsurteile jedenfalls nicht unter die Definition des 5 19 fallen. Denn sowohl in 5 18 wie in 5 19 räumt Kant die Möglichkeit einer subjektiven Bewußtseinseinheit ausdrücklich ein; grenzt sie aber gegen jene objektive Einheit im Urteil ab. Die Kontrastierung am Ende des 5 19 entspricht aber dem Unterschied zwischen Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteilen. Kant verwen— det also in 5 19 den Urteilsbegriff enger, als dies zulässig ist, wenn jede Ver—

bindung durch Urteilsfunktionen ein Urteil sein soll.11 Bezüglich der beiden Fragen, in denen die B—Deduktion in Widerspruch zu den 'Prolegomena' steht, ist der Sache nach dem Standpunkt der 'Prolegomena' der Vorzug zu geben: Es macht Sinn, von Urteilen, die keine Kategorien enthalten, zu sprechen, und es ist nicht nur wenig hilfreich, wenn Kant die Urteilseinheit als objektive Einheit definiert, ohne die erforderlichen Differenzierun— gen im Begriff des Objekts und der Objektivität vorzunehmen; es ist zudem 8

9

Subjektive Urteile waren soldte Urteile. in daten die Vorstellungen selber (und nicht die in den Vorstellungen vorgestellten Gehalte) unmittee auf den Wahrnehnnmgsmstand des jeweiligen Subjekts bezogen werden. Als logische Urteile hatten wir Urteile bezeichnet, in denen Wahmehmungsgehalte im Begriff eines bloß logischen Objekts vereinigt werden. Var einen bloß logischen Objekt (z.B. einem Sinnesdatum) verlangen wir (im Gegensatz zu empirischen Objekten) nicht. daß es Gegenstand von numerisch verschiedenen Vorstellungen ist.

10 Nach re Reich ist diese objektive Einheit 'in sensu logieo' m verstehen (vgl. Reich (1948) s.



32 und 40ff.). Daher gehört sie nach Reich in die (female) Logik und nicht in die Transmdentalphilosophie; während z.B. für Stuhlmann-Lsdsz derin & 19 definierte "transzeudentallogische Begriff des Urteils enger ist als der fonnellogische“. so daß die Wahrnehmungsurteile keine Urteile im Sinne des 5 19 sind (Suthlmsnn-Lneisz (1976) S. 58f.). Auch wenn man sich lange darüber streiten kenn, ob der in 5 19 erwähnte Satz “Wenn ich einen Körper trage, so fühle ich einen Druck der Schwere" (B 142) ein Urteil ist, so ist doch schlechterdings unbestreitber, daß wir el mit. einer Verbindung gemäß der hypothetisehm Ur. teilsfimktion zu tun haben.

Schluß

307

irreführend, da Kant in 5 19 einen engeren Urteilsbegriff vor Augenbat, als den einer Verbindung von Vorstellungen durch Urteilsfrmktionen. Es ist zu vermuten, daß das Hauptmotiv für die Einführung der Urteilsdefinition des 5 19 in beweisstrategischen Gründen zu suchen ist. Sie soll dazu dienen, "durch einen einzigen Schluß" (MAdN AA IV 8. 475 Anm.) die Katego— rien mit der objektiven Einheit zusarnmenzubringen. Es hat sich aber gezeigt, daß dies der Sache nach so einfach nicht möglich ist. Damit entfällt auch das Motiv für diese Charakterisierung des Urteils.

(4) Das Problem der subjektiven Vorstellungen Mit Blick auf das Problem der subjektiven Vorstellungen sind die schwachen Resultate des ersten Teils der B—Deduktion nur zu begrüßen. Die Einheit des Bewußtseins hindert uns weder daran zu träumen, noch schließt sie die Möglichkeit bloß-subjektiven Bewußtseins aus. Selbst dann, wenn sich zeigen sollte, daß sich das Argument in der für Kants Absicht erforderlichen Weise verstärken läßt, folgt nur, daß wir in der Lage sein müssen, uns zu beliebigen gegegeben Vorstellungen ein empirischer Objekt zu denken. Das mag in bezug auf die bloß-subjektiven Vorstellungen immer noch problematisch erscheinen; es ist aber allemal weit harmloser als die Zumutnngen, die mit der Standardin-

terpretation verbunden sind.12

.

Mit diesen Vorteilen ist aber ein offensichtlicher Nachteil verbunden. Denn nun ist für die Begründ der Gesetzesthese vom ersten Teil der B—Deduktion nichts zu erhoffen. Wie steht es nun mit den Aussichten, eine solche Begrün-

dung irn 2. Teil der Deduktion zu finden?

(5) Das Beweisstrukturproblem (2.Teil) und das Anschlußproblem Dazu müssen wir uns die Fortsetzung des Arguments kurz in Erinnerung rufen. Im nächsten Schritt versucht Kant, näheres über die Anwendungsbedin12 Selbst wenn sich das Argument im angegebenen Sinne verstärken ließe, muß dies nicht dazu führen, daß wir LB. Lust— und Unlustemprfindungen (die nach Kants Ansicht ja gänzlich subjektiv sein sollen. und nicht einmal im Gedanken einem Objekt beigelegt werden können) auf empirische Objekte bem'ehen müßten (obwohl dies der Suche nach nicht völlig unsinnig sein muß). Man könnte solche bloß subjektiven Empfindungen nämlich - wie dies Kant audi in den Schriften nach 1787 (häufig) tut — nicht als eigenstindige Vorstellungen1 sondern als Aspekte var Vorstellungen. als etwas "an" oder "bei" einer Vorstellung, nuffassert (vgl. KdU Einl. VII. AA V S 188f. und MdS Einl. I. AA VIS. 212f.).

308

Schluß

gungen der Kategorien zu ermitteln. Ich will auf die Einzelheiten dieser Überlegungen nicht noch einmal zu sprechen kommen. Kants diesbezügliche Äußerungen sind extrem obskur und schematisch. Es ist aber auch gar nicht erforder% lich zu versuchen, Karrts Theorie der Selbstaffektion plausibler zu machen. Denn die 'Schematisierung' der reinen Kategorien läßt sich auch auf einem anderen Wege plausibel machen. Dazu muß man sich lediglich die Frage stellen, unter welchen Bedingungen sich empirische Objekte in Raum und Zeit erkennen lassen. Erst im letzten Schritt kommt Kant zur Begründung der Gesetzesthese. Im Gegensatz zur Standardinterpretation stützt er sich dabei nicht auf die Selbstbe-

wußtseinsanalyse, sondern auf eine Prämisse über die notwendige Einheit von

Raum und Zeit. Diejeriigen Wahrnehmungsgehalte, durch die diese Einheit von Raum und Zeit repräsentiert werden kann, sollen unter Kategorien stehen. Wir haben auch hier feststellen müssen, daß Kant diese Prämisse überzieht. Und zwar in zwei Hinsichten: (a) Zum einen findet sich kein schlüssiges Argument für die Notwendigkeit. die Einheit von Raum und Zeit zu repräsentieren; damit bleibt auch die Exi-

stenz kategorial bestimmter Vorstellungen unsicher. (b) Zum anderen scheint sich Kant bei dem Versuch, die Gesetzesthese zu begründen, auf eine unangemessen starke Version der These von der Einheit

von Raum und Zeit zu stützen.13 Aber die Einheit, die Raum und Zeit als formale Anschauungen haben, kann nicht in dem Sinn als eine notwendige Einheit aufgefaßt werden, daß wir aus derAnnahme, daß es Erscheinungen geben muß, durch die Raum- und Zeit-Stellen objektiv identifiziert und zueinander in Beziehung gesetzt werden können, direkt ableiten können, daß diese Erscheinungen selber eine notwendige gesetzmäßige Einheit bilden. Ich habe am Schluß des vierten Kapitels versucht anzudeuten, wie dieser zweite Mangel unter Rückgriff auf Kerns Argumentation in der 2. Analogie behoben werden könnte. Da wir das Argument im 2. Teil der B-Deduktion so rekonstruieren konnten, daß nicht bereits die Wahrnehmungssynthesis als kategorial bestimmt angesehen werden muß, entfiel auch das Anschlußproblem. Da-

mit ergab sich die Möglichkeit, zur Begründung der Gesetzesthese auf Überlegungen zurückzugreifen, die sich an dem im dritten Kapitel diskutierten epistemologischen Argument orientieren. Die Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen sollte sich als eine Bedingung der Möglichkeit eines objektiven raum-zeitlichen Bezugssystems erweisen.

13 In 5 25 stellt Kant nur lapid_ar fest, daß "Kategorien [...] Begriffe [sind]. welche den Erschei—

nungen [. .] Gesetze a priori vorschreibar" (B 163). Im Text der zweiter Auflage findet sich aber bis dahin nicht die Spur eines Argumente: für diese Behauptung.

same

_309

Selbst wenn sich dies zeigen läßt, bleibt das Resultat (wegen (a)) hinter den Erwartungen zurück. Aber das bedeutet nicht, daß der Sache nach im zweiten Teil der B-Deduktion kein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem ersten Teil gemacht werden ist. Denn wir haben gesehen, daß sich ausgehend von der Einheit der Apperzeption, die die grundlegende Prämisse des ersten Teils der B-

Deduktion bildete, nicht einmal der für die Kategorienthese entscheidende Übergang zum Begriff eines empirischen Objem rechtfertigen ließ. Obwohl es offen bleiben mußte, ob es Kant in 5 26 gelingt. die Existenz kategorial bestimmter Erscheinungen nachzuweisen, so zeigte‘sich doch, daß unter Rück-

griff auf die Prämisse von der Einheit der Raurnvo'rstellung gute Aussicht besteht, wenigstens eine schwache (bedingte) Kategorien- und Gesetzesthese zu begründen. Vielleicht ist das ohnehin alles. was vemünftigerweise zu erwarten ist.

Notiz zur Zitierweise

Es werden die folgende Abkürzungen verwendet:

De mundi:

De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis

KrV:

Kritik der reinen Vemunft

Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können GMS: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten KpV: Kritik der praktischen Vernunft MAs Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft Kritik der Urteilskraft KdU: Metaphysik der Sitten MdS: Fortschritte: Welches sind die wirklichen Fortschritte. die die Metaphysik seit Leibnizens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht hat?

Pr:

AA:

Akademieausgabe

KS:

Kant-Studien

Die KrV zitiere ich nach der von R. Schmidt edierten Ausgabe (Hamburg 1956), wie üblich nach A und B. Prolegomena, GMS, KpV, und KdU werden

nach den von K. Vorländer in der Philosophischen Bibliothek herausgegebenen Ausgaben unter Angabe der Paginierung der Akademieausgabe zitiert. Alle anderen Schriften Kants werden nach der Akademieausgabe von Kants Gesammelten Schriften (Berlin 1910ff.) nach dem Schema (AA Band Seite) zitiert. Im

Fall der Nachlaßreflexionen wird die Nummer der jeweiligen Reflexion nach vorangestelltem R angeführt. Um den Text nicht unnötig mit Fußnoten zu belasten, werden einfache

Textverweise nach dem Schema (Autor (Erscheinungsjahr) Seite) in den Text selbst aufgenommen.

Durch Sperrung dargestellte Hervorhebungen in Zitaten stammen vom jeweiligen Autor. Hervorhebungen von mir sind durch Kursivdruck gekennzeichnet.

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Gm 167

411114411122. 117.124.165. 167. 26112. 288 Amen'ks 20. 22. 124

Guyer20. 123455.261

Arinotr.lu 69, 102

Hamm 27. 28. 30

Ayer 98. 178.189

Hupe: 143. 167, 192

Baum22, 117.251 Beauie 27, 259 Beck, 1. w. 22. 26. 64, 86m. 100. 122. 135. 143.165.167‚ 180. mm Beck. 15.71.2114 Becker 117 Bumen22‚26‚ 122. 136. 146.155.157f..1601. 184, 213, 253f. 251 Berkeley 167 '

Hmtid12. 17ff.‚22‚74‚ 107f.. 115. 1165.. 213. 24312. 273. M.. 290.300 Herz 29. 66t'.‚ 103. 254 Kind) 19. 22. 248 Holzhey26 Hoppe s. 105. 124 Hmmfelder8.22. 108. 261 Hume 8. 25m. 141. 162. 180f.‚ zum, 259. 262, 279

Hammmiu 16

Bren1ano 95

Brand. c. D. 78, 81. 85. 142. 144. 168f., 176£f„ 192. 199f.‚ 202. 208.300 Brouillel 117

Car! 22. 27. 30. 41. Cassirer 29 Cramer 22

Jackson 85 Kemp-Smivhlö,4l‚ 145 Küche:237 Kuehn2'l. 30 hclair 243

Descanes 70. 172

um 64, 69

Dryer22.122‚138‚143.153‚173

10cke29.218f. Lovejoy 141

Ebbinghaus 22. 101 Erdmann 26. 44. 66. 103. 106. 206. 229. 279 Ewing 2061312.288

M„‚ä, 81. „„ Mm, 167

Feder 161

m

F°=°lin2‘

Mrmgovius 51

Meerbole 143. 192 m 214

Petsmuuegifla Newton 147

Smhlmmn-hdsz 117. 306

Nonon 26

Suchfin3206

. 321

'

Novomy 117 Palm 44. 103, 153. 1655., l89f.. 200. 288 Paulsen 12

Posy 165. 169 Frans: 77, 101

Team: 27. 98. mit.. 259 '1höle 117. 273

Tonelli 28 '1\ubnyne 167 'lhzcbling 17f.. 115. 117. 273

Prichard 165f.

Ulrich 274. 278 alnn' 292 Reidßlfß, 306 Seheffel 30 Schmitz 30 Schmudcer 30 Schöndörifer 31 Schopenhauer 1448.‚ 150, 156f., 1625. Schultz 274f.‚ 278ff. Smwsm 17f.. 22, 60. 138. 139f.‚ 151ff.‚ 1555.‚ 160f.‚ 165, 1673.‚ 171, 175, 178.

1966, 208f.. 263

Vlihinger 29. 41. 105 V:]:miner 105

Van (leve 135. 165. 167. 183f.. IV). de Vla=whauwer 41. 105 Wagner 117 Wllker 167 Walsh 138 Wll’dl 27

Wille 45 Wil:m 167 Wolff. R. P. 22, 25ff. 1205. 189f.‚ 208. 259

Sachregister Affinität 42 Analogien der Erfüllung 3f.‚ 54ff. zweite A. 59ff.‚ 128fi'. Analogiker 120ff.. 129. 299f. Analyu'k. transmdentnle 15 analytitcher Beweis in der 2. Analogie 1291312. 190fi.. 196ff.

schwache D. 20f.. 23. 221. 230 merke D. 23. 211. 221 A-Deduktion 4lff.. 214ff. nbneigende 41. 48f. nuftteigende 4lfl'. subjektive D. 41. 43f.. 2146. objektive D. 41

analytische: Verfahren 22. 36£f.

D. von oben 41

Anschlußproblern 63. 113. 308

D. von unten 41

Apperzeption vgl. auch Selbethewußtsein

Einheit der A. 22. 38. 65fl’., 234ff.. 252ff. analytische Einheit der A. 51. 251f. synthetische Einheit der A. 51. 252. 256ff. Aprioritätsthese 6

B-Deduktion 49ff.. 249ff. 1.Teil 249ff. 2.Tei12_801f. ‚ - Gründe für die Neufassung 273ff. deduhives Argument (in der 2.Analogie) 154.

168 Begriff 45. 220. 2223. Bestirnrntheit der logisäteu Funktion 101ff.. 108ff.. 265ff.. 304f. Bestimmtlteit der Wahrnehmungst'olge 133. 151ff.. 154ff. Beweistuukmrproblem 64, ll$ff.. 271f.‚ 301t'., 3071. Bewußtsein und Selbstbewußtsein 253ff. Bemgssyttem 210f.. 291ff.. 308

’ Deduktivitten 120i..212‚ 249. 300f. ' Denkenw. Erkennen2’ll.276f..281 Dleidimensionnlität 210. 294. 296€.

Einheit der Appemeption 22. 38. 65ff.‚ 234ff..

252fl'. von Ram und Zeit ll7f.‚ 2095.. 281f.. 285fi'.. 308 notwendige E. 24011

Deduktion

Begriff einer D. 171“. metaphysische D. 15 transundentsle D. 2. 15f.

Beweisanspruch der tr. D 19fl’.. 279f.

objektive E. 2605. Urteils-E. 263ff. Enpfindtmgsquulitäten 97fi’. etnpitittisches Modell 176ff.

episternisehe Begriffe empirischer Objekte 268f.. 290. 303ff.

Ziel der tr. D. 16fi'. negatives Resultat der tr. D. “E.. 33

epistemologisches Argument (in der

positives Resultat der tr. D. 12f., 33

2.Antlogie) 154,161.169fi'.

Seduegütet

‚323

Erfahrungsuneile 75f.. 90m. 278. 30582

Knunlprinzip vgl. Andogien der Erfahrung. 2.

Erinnerung 218f.

Konvmtionlhm' ul 297f.

explanetorisches Verfahren 178. 180. 189

Kn'tik &! [einen Vernunft fiel der KrV 9E.

fimdamentalistiscltel Verflh.rm 178. 189

Mmmgf'flüge: 42. 2165.

Ganzes 41ff.. 214f. Gefühle 96f.

Mithexnntik Möglichkät der M. 14

Gegenstandsbegrifi'e 46 Gesetze

Mmphysik

Generalisierung von G. 174

Gesetwstheee 2. 6. 39, 43. 49. 54. 58. 88. 131. 231f.. 271. 294ff„ 308 und Kategorientltete 18f. 52. 105f und Selbnbewußtsein 2356. schwache G. 46. 58

da Erfahrung 95. der Neun 93.

enger Begtiff der M. 10 weiter Begrifi'der M. 10 mundeme M. 9if. Minimnlmlttmd 132

Mm)philompbm' 31.276

Gesetzgebungsthete 6. 53 Grenzbestinunung 111'.. 274

Nnmrwissenschnft. teilte

Grundsätze dynamische 45

Möglichkdt der r. N. l4f. Nommdigkeit 57. 24011

Grundsatzkapitel 8. 16 Ich Bündeltheorie des I. 759f. Idattilitsbewußtsein 67. 237ff.. 257 Intentionalität 95 Kategorien 100ff.. 2653.. mer.

Anwendung derK. 28lff.

Objekt 72. 77ff.. l9_lff.. 228ff. 261ff. ' empirische: O. 79f.. 262 Gesemskouzeption d. 0. 180. 194ff.. 202f.. 211 intutumales O. 80 lognches' O. 74ff. metetielles O. 74. 80 reales O. 80

Etitlintng der K. 1046.. 2655.

num—nitlicltel O. 80

als epistemische Begn'fi'e empirisdter

unnsrmdmtflphilosophiseher O-Begriff

232ff.

Objekte 268f.. 290. 3035. mathematische K. 45. 115

Objektu'nheit 45. 2606.

praktischer Gebnudl 31fl'.. 276

0bj:hivitit 695“. und Kategorien 705

und Urteilsfunktionen 63. 94f.‚ 100ff.‚ 2“ff.. 302€. Ußptung : pn'.ori den-K. 29. 31 Kategoriutlhese 2. 8. 38. 43. 49. 58. 88. 131 sehwnche K. 46. 58

und Gesetzesthese 18f.. 52. 105f. Kansalitit Hmnes skeptische Anflyee 28

Objektivititsthese 2. 8. 19, 39. 49. 58. 130 und Gesetzenhese 21f.

Objeh-ProzeB—Problem 13512. 1403.

phinunennlistische Objektkonzeption 165ff.. 19288. 199f. Ram vgl. Einheitvonknumundhit

324

Sachregister

Regel 2246.

Unbestimmtheimheee 56. 58. 113

repräsentationstheoretisdxe Objektkmzeptiur 1%.

Urteil 71, 83, 86f.. 2633. 306f.

Schema der Kanaliriukuegorie 185

Schematismus 2825. Sein$chein-Pmblem 138f.. 188 sekmrdire Qualitäten 97, 147 Selbelafi'ektion 282ff. Selbstbewußtsa'n 252fi'. distributives S. 68. 257. 259 kollehives S. 68. 257f. ‘ und Synthesis 2555. Selbstmachreibung 67 Skeptiker 17. Ziff.

epinernologischer S. 245.

in der 2. Analogie 59f.. 130. 133fl'.‚ 139fi'. bloß-intatiuule 83

empiritchee U.,83 kltegorischee U. 2655. objektive U. 83 rules U. 83 subjektive 83

Uneilseinheit 26311 Uneihfunktionen man.

und Kategorien 63, Mi.. INH..mit.. 302€. Uneihthese 88 Vorstellung 237

metaphysischer S. 25. 27ff.. 201f. Standardinterpretatim 2, 40. 272. 299ff. subjektive Vorstellungm 63ff.‚ 97f. 2915.

Problem der :. V. 63ff.‚ 100. 291ff.. 307.

Wahrheiuanspnrdu 71 Wahmehmungsgehalt 76

Wahmehmungaisornorphie 137, 1581“.

Substanz wir.. 267512, 304

Wahrndrmungsisomorphieproblem 136111,

Sukzessivitärslhese 134f.

1823. tmehmungsurteile 75f.. 9011. 278f.. 305ff. Problem der W. 63. 90ff.. 278f.. 305fl’.

Synthesis 216ff.‚ 2491'f. & priori 239 der Apprehensicu 42. 218 der Rekognition 42. 45, 2203.

' Wideriegungdeeldeolismus mr. Wiseensproblem 163f.. I7Iff.

der Reprodulnion 42, 2183. figiirliche 282 synthetische: Beweis

in der2. Analogie 129, 190. 205if. synthetisches Verfahren w.. 363. Träume 64. 188 292f. Übergang 244

Zililen 222f. Zeit vgl. Einheit von Raum und Zeit Zeilbestimmung 55. 28281 hitordnung notwmdige 2053. Zeitordnrmgsthese 130

Zirkelproblun 163ff.‚ ms.